Toolbox Mathematik für MINT-Studiengänge

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Ergänzung zu
Toolbox Mathematik für MINT-Studiengänge
0
Mathematische
Grundlagen
Version 22. Dezember 2016
Orientierung
Lösungsstrategien
für (Un-) Gleichungen
Mengen
Grundlegende Rechengesetze
Summen
Anordnung und Vergleich
reeller Zahlen
0.1 Gleichungen, Ungleichungen, Umformungen
0|1
0.1 Gleichungen, Ungleichungen, Umformungen
0.1.1 Einführende Beispiele und Prinzipien
Problemstellungen folgender Art sind Ihnen vielleicht schon begegnet:
0.1 Ausgangssituation
„Löse die Gleichung
3x + 4 = 7x − 2.“
(0.1)
3 − 4x < 7 − 2x.“
(0.2)
„Löse die Ungleichung
Zunächst sollte die genaue Problemstellung geklärt werden. Was ist eigentlich gefragt?
0.2 Fragestellung (präzisiert)
Es werden jeweils alle reellen Zahlen x gesucht, für welche (0.1) bzw. (0.2) eine
richtige Aussage ist.
Ausführlicher geschrieben, sind die Aufgabenstellungen also:
0.3 Aufgabenstellung
„Bestimme alle x ∈ R, für welche (0.1) bzw. (0.2) gilt.“
Zum Lösen werden einige Fakten und Regeln herangezogen:
0.4 Regel A (in Worten)
Eine Zahl, die auf einer Seite einer Gleichung oder Ungleichung addiert wird [resp.
subtrahiert wird], kann man „auf die andere Seite bringen“, indem man sie dort
subtrahiert [resp. addiert].
Bei konkreten Problemen wird man versuchen, diese Feststellung zielgerichtet einzusetzen.
Das am Beispiel von (0.1) näher verdeutlicht.
Dies wird
Äquivalenzzeichen
⇐⇒ zwischen zwei
Aussagen besagt,
dass die erste genau
dann richtig ist, wenn
es die zweite ist.
3x + 4
⇐⇒ 3x + 4 − 7x
⇐⇒
−4x + 4
⇐⇒
−4x
⇐⇒
−4x
=
=
=
=
=
7x − 2
−2
−2
−2 − 4
−6
(7x von rechts nach links)
(Zusammenfassen)
(4 von links nach rechts)
(Zusammenfassen)
© E. Cramer, U. Kamps, J. Lehmann, S. Walcher 2017 Toolbox Mathematik für MINT-Studiengänge
0|2
Kapitel 0 Mathematische Grundlagen
Analog geht man bei der Ungleichung (0.2) vor.
⇐⇒
⇐⇒
⇐⇒
⇐⇒
3 − 4x
3
3
3−7
−4
<
<
<
<
<
7 − 2x
7 − 2x + 4x
7 + 2x
2x
2x
(−4x von links nach rechts)
(Zusammenfassen)
(7 von rechts nach links)
(Zusammenfassen)
Wie an den Beispielen zu sehen ist, müssen Zahlen nicht „konkret“ gegeben sein; auch
Buchstaben sind erlaubt.
Die umgangssprachlich formulierte Regel wird nun in „Formelsprache“ ausgedrückt; damit
wird ihre Formulierung unmissverständlich.
0.5 Regel A (in Formeln) für Gleichungen
Für alle a, b, c ∈ R gilt
a = b + c ⇐⇒ a − c = b.
0.6 Regel A (in Formeln) für Ungleichungen
Für alle a, b, c ∈ R gilt
a < b + c ⇐⇒ a − c < b.
0.7 Beispiel
Es ist in (0.1)
3x + 4 = 7x − 2
⇐⇒ 3x + 4 − 7x = −2
mit a = 3x + 4, b = −2 und c = 7x, etc. In (0.2) ist
3 − 4x < 7 − 2x
⇐⇒ 3 − 4x + 2x < 7
mit a = 3 − 4x, b = 7 und c = −2x, etc.
Die Kunst (wenn man das so nennen will) dabei ist, den Formalismus geeignet anzuwenden.
Man kann auch sagen, dass Gleichungen oder Ungleichungen (nach festen Regeln) modifiziert werden dürfen, und manche dieser Modifikation sich als zielführend erweisen.
Die nun folgenden Fakten beschäftigen sich mit der Multiplikation und Division.
0.8 Regel B (in Worten) für Gleichungen:
Eine Zahl = 0, mit der auf einer Seite einer Gleichung multipliziert wird [bzw. durch
welche auf einer Seite der Gleichung dividiert wird], kann man „auf die andere Seite
bringen“, indem man durch sie dividiert [bzw. mit ihr multipliziert].
Toolbox Mathematik für MINT-Studiengänge © E. Cramer, U. Kamps, J. Lehmann, S. Walcher 2017
0.1 Gleichungen, Ungleichungen, Umformungen
0|3
0.9 Beispiel
Hiermit gilt für das Beispiel (0.1) weiter:
−4x
⇐⇒
x
⇐⇒
x
= −6
−6
=
−4
3
=
2
(Faktor −4 von links nach rechts)
(Kürzen)
Damit ist die Gleichung gelöst (In Dezimalschreibweise erhält man x = 1,5).
Auch hierfür wird eine mathematisch präzise Version geliefert:
0.10 Regel B (in Formeln) für Gleichungen
Für alle a, b ∈ R und alle c ∈ R mit c = 0 gilt:
a = b · c ⇐⇒ a · c−1 = b
( ⇐⇒ a/c = b).
Im Beispiel 0.9 oben würde man etwa
a = −6, c = −4 und b = x
setzen.
Bei Ungleichungen kommt man nicht um Fallunterscheidungen herum:
0.11 Regel B (in Worten) für Ungleichungen; erster Fall:
Eine Zahl > 0, mit der auf einer Seite einer Gleichung multipliziert wird [bzw. durch
welche auf einer Seite der Gleichung dividiert wird], kann man „auf die andere Seite
bringen“, indem man durch sie dividiert [bzw. mit ihr multipliziert].
0.12 Regel B (in Worten) für Ungleichungen; zweiter Fall:
Eine Zahl < 0, mit der auf einer Seite einer Gleichung multipliziert wird [bzw.
durch welche auf einer Seite der Gleichung dividiert wird], kann man „auf die andere
Seite bringen“, indem man durch sie dividiert [bzw. mit ihr multipliziert], und das
Ungleichungszeichen umdreht (aus > wird < und umgekehrt).
Für das zweite Beispiel (0.2) ergibt sich damit:
⇐⇒
⇐⇒
−4 <
−4
<
2
−2 <
2x
x
(Faktor 2 von rechts nach links)
x
(Kürzen)
© E. Cramer, U. Kamps, J. Lehmann, S. Walcher 2017 Toolbox Mathematik für MINT-Studiengänge
0|4
Kapitel 0 Mathematische Grundlagen
Damit sind alle Lösungen der Ungleichung bestimmt, wobei der erste Fall von Regel B für
Ungleichungen benutzt wurde. Bei einem anderen Vorgehen hätte man unter Umständen den
zweiten Fall anwenden müssen. Zur Illustration wird Beispiel (0.2) nochmals von Beginn
an gerechnet, wobei zunächst eine andere Umformung gewählt wird.
3 − 4x
⇐⇒ 3 − 4x + 2x
⇐⇒
3 − 2x
⇐⇒
−2x
⇐⇒
−2x
⇐⇒
x
⇐⇒
x
7 − 2x
7
7
7−3
4
4
>
−2
> −2
<
<
<
<
<
(−2x von rechts nach links)
(Zusammenfassen)
(3 von links nach rechts)
(Zusammenfassen)
(Faktor − 2 von links nach rechts)
(Kürzen)
Hier wurde im vorletzten Schritt Fall 2 von Regel B für Ungleichungen benutzt. Natürlich
ist die Lösungsmenge {x; x > −2} dieselbe.
Eine saubere Formulierung der Regel B für Ungleichungen wird im Folgenden angegeben.
0.13 Regel B (in Formeln) für Ungleichungen
(i) Für alle a, b ∈ R und alle c ∈ R mit c > 0 gilt
a < b · c ⇐⇒ a · c−1 < b
( ⇐⇒ a/c < b).
(ii) Für alle a, b ∈ R und alle c ∈ R mit c < 0 gilt
a < b · c ⇐⇒ a · c−1 > b
( ⇐⇒ a/c > b).
Zur Illustration wird ein letztes Mal die Ungleichung aus (0.2) betrachtet.
0.14 Beispiel
Äquivalent zu 0.2 ergab sich nach einigen Umformungen
−4 <
−4
<
⇐⇒
2
2x
x
(mit a = −4, b = x und c = 2 > 0).
Diese Regeln und die Beispiele appellieren an Ihre mathematische Intuition. Ihnen ist sicher
aufgefallen, dass systematisch jeweils alle „Terme mit x“ auf eine Seite gebracht wurden
und alle „Terme ohne x“ auf die andere, bis schließlich nur noch ein x auf einer Seite steht;
das ist der oben erwähnte zielgerichtete Einsatz.
Zum Abschluss wird noch ein weiteres Beispiel behandelt.
Toolbox Mathematik für MINT-Studiengänge © E. Cramer, U. Kamps, J. Lehmann, S. Walcher 2017
0.1 Gleichungen, Ungleichungen, Umformungen
0|5
0.15 Beispielaufgabe
Löse die Ungleichung
7 + 3x
> 2, x = 0.
x
Zunächst findet Regel B für Ungleichungen Verwendung. Da sowohl x > 0 wie auch
x < 0 möglich ist, benötigt man eine Fallunterscheidung. Auf diese Weise ist das
Vorzeichen von x jeweils fixiert und es ist klar, wie das Ungleichungszeichen nach
Multiplikation mit x ggf. angepasst werden muss.
1
Falls x > 0, so gilt
7 + 3x
x
⇐⇒ 7
>
2
>
−x
⇐⇒ 7 + 3x >
2x
⇐⇒
−7.
x
>
Die letzte Ungleichung ist für alle x > 0 erfüllt.
2
Falls x < 0, so gilt
7 + 3x
x
⇐⇒ 7
>
2
<
−x
⇐⇒ 7 + 3x <
2x
⇐⇒
−7.
x
<
Insgesamt gilt daher: Die Ungleichung ist erfüllt für alle xR \ {0}, welche entweder
1
x < −7 oder
2
x>0
erfüllen. Die Lösungsmenge ist also gleich {x; x < −7} ∪ {x; x > 0}.
0.16 Bemerkung zu Ungleichungen
Die Regeln A und B für Ungleichungen lassen sich auch auf „“ und „“ ausweiten.
Im Einzelnen:
Für alle a,b,c ∈ R gilt
a b + c ⇐⇒ a − c b.
Für alle a,b ∈ R und alle c ∈ R mit c > 0 gilt
a b · c ⇐⇒ a · c−1 b.
Für alle a,b ∈ R und alle c ∈ R mit c < 0 gilt
a b · c ⇐⇒ a · c−1 b.
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0|6
Kapitel 0 Mathematische Grundlagen
Zur Illustration wird wird die Beispielaufgabe 0.15 variiert.
0.17 Beispielaufgabe (Variante)
Löse die Ungleichung
7 + 3x
2, x = 0.
x
Man benötigt wieder eine Fallunterscheidung.
1
Falls x > 0, so gilt
7 + 3x
x
⇐⇒ 7
2
−x
⇐⇒
⇐⇒
7 + 3x x
2x
−7.
Die letzte Ungleichung ist für alle x > 0 erfüllt.
2
Falls x < 0, so gilt
7 + 3x
x
⇐⇒ 7
2
−x
⇐⇒
⇐⇒
7 + 3x x
2x
−7.
Insgesamt: Die Ungleichung ist erfüllt für alle reellen x, welche entweder
1
x −7 oder
2
x>0
erfüllen. Die Lösungsmenge ist also gleich {x; x −7} ∪ {x; x > 0}.
0.1.2∗ Hintergrund: Rechenoperationen und Anordnung in R
Dieser Abschnitt behandelt grundlegende Fakten und zeigt auf, wie sich daraus weitere
Regeln und Strategien entwickeln lassen.
0.18 Fakten
Auf dem Zahlbereich R sind zwei Operationen „+“ sowie „·“ definiert, die jedem
Paar reeller Zahlen x, y ihre Summe x + y bzw. ihr Produkt x · y zuordnen.
Wie üblich wird die Konvention „Punkt vor Strich“benutzt, also z.B. 2 + 3 ·4 = 2 + (3 ·4) =
2 + 12 = 14 (und nicht etwa 2 + 3 · 4 = (2 + 3) · 4 = 5 · 4 = 20).
∗ Dieses Kapitel dient dem weitergehenden Verständnis und kann beim ersten Durcharbeiten ausgelassen
werden.
Toolbox Mathematik für MINT-Studiengänge © E. Cramer, U. Kamps, J. Lehmann, S. Walcher 2017
0.1 Gleichungen, Ungleichungen, Umformungen
0|7
Die grundlegenden Rechengesetze sind wie folgt.
0.19 Grundlegende Rechengesetze
(K1) Assoziativgesetze:
Füur alle x, y, z ∈ R gilt
(x + y) + z = x + (y + z) sowie (x · y) · z = x · (y · z).
(K2) Kommutativgesetze:
Für alle x, y ∈ R gilt
x + y = y + x sowie x · y = y · x.
(K3) Neutrale Elemente:
Es gibt genau ein Element 0 ∈ R, so dass 0 + x = x für alle x ∈ R.
Es gibt genau ein Element 1 ∈ R, so dass 1 · x = x für alle x ∈ R.
(K4) Inverse Elemente:
Es gibt zu jedem x ∈ R genau ein Element −x ∈ R, so dass x + (−x) = 0.
Man nennt −x das Negative von x.
Es gibt zu jedem x ∈ R mit x = 0 genau ein Element x−1 ∈ R, so dass
x · x−1 = 1. Man nennt x−1 das multiplikativ Inverse von x.
(K5) Distributivgesetze:
Für alle x, y, z ∈ R gilt
(x + y) · z = x · z + y · z sowie z · (x + y) · z = z · x + z · y.
Aus diesen grundlegenden Regeln lassen sich alle weiteren herleiten. Man könnte (K1)-(K5)
noch etwas sparsamer formulieren: z.B. ist das zweite Distributivgesetz eine Konsequenz
des ersten und des Kommutativgesetzes für die Multiplikation, und die Eindeutigkeit etwa
der neutralen Elemente ließe sich ebenfalls beweisen.
Hier wurden einige Aussagen, etwa in (K3), recht formal formuliert. Hintergrund ist, dass es
auch andere Zahlbereiche gibt, welche diesen grundlegenden Rechengesetzen (man nennt
sie auch „Körperaxiome“) genügen.
0.20 Beispiel
(i) Für alle x ∈ R ist −(−x) = x, denn (−x) + x = 0 und das additiv Inverse zu
−x ist eindeutig bestimmt. Insbesondere gilt z.B. −(−2) = 2.
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0|8
Kapitel 0 Mathematische Grundlagen
(ii) Für alle x, y ∈ R gilt
(x + y)2
(x + y)2
(x + y)2
(x + y)2
(x + y)2
⇐⇒
⇐⇒
⇐⇒
⇐⇒
=
=
=
=
=
(x + y) · (x + y)
x · (x + y) + y · (x + y)
x2 + x · y + y · x + y 2
x2 + x · y + x · y + y 2
x2 + 2x · y + y 2 .
(mit (K5))
(mit (K2))
Somit ist die „Erste binomische Formel“ hergeleitet.
In (K1)-(K5) wird auf die geläufigen Rechenoperationen Subtraktion bzw. Division nicht
eingegangen. Sie werden nicht als eigenständige Operationen angesehen, sondern in folgendem Sinn aus Addition bzw. Multiplikation abgeleitet:
Für alle a, b ∈ R gibt es genau ein x ∈ R mit a + x = b, nämlich
x = b + (−a); in Kurzschreibweise x = b − a.
Man sagt dann auch, dass a von b subtrahiert wird.
0.21 Regel C
Subtraktion ist Addition des Negativen.
Für alle a, b ∈ R mit a = 0 gibt es genau ein x ∈ R mit a · x = b, nämlich
x = b · a−1 ; in Kurzschreibweise x = b/a
Man sagt dann auch, dass b durch a dividiert wird.
0.22 Regel D
Division ist Multiplikation mit dem Inversen.
Exemplarisch wird in den folgenden Beispielen gezeigt, wie aus (K1) bis (K5) und obigen
Feststellungen weitere Regeln hergeleitet werden können.
0.23 Beispiel
(i) Für alle x ∈ R ist x · 0 = 0.
Denn x · 0 = x · (0 + 0) = x · 0 + x · 0. Damit gilt auch
0 = x · 0 + (−(x · 0)) = x · 0 + x · 0 + (−(x · 0)) = x · 0,
wobei das Assoziativgesetz der Addition in der Form benutzt wurde, dass einige
Klammern gleich weggelassen wurden.
(ii) Für alle x, y ∈ R ist x · (−y) = −(x · y) = (−x) · y.
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0.1 Gleichungen, Ungleichungen, Umformungen
0|9
Die Regel kann wie folgt bewiesen werden:
x · y + x · (−y) = x · (y + (−y)) = x · 0 = 0,
also x · (−y) = −(x · y) wegen der Eindeutigkeit des Negativen; siehe (K3).
Die zweite Gleichung beweist man analog.
(iii) Für alle x, y ∈ R ist (x + y) · (x − y) = x2 − y 2 („Dritte binomische Formel“).
Denn es gilt:
(x + y) · (x + (−y)) = x · (x + (−y)) + y · (x + (−y))
= x2 − (x · y) + y · x − y 2 = x2 − y 2 ;
dabei wurden neben den Körperaxiomen auch die eben bewiesenen Regeln
benutzt.
(iv) Für alle x, y ∈ R ist (x − y)2 = x2 − 2x · y + y 2 („Zweite binomische Formel“).
Der Beweis wird zur Übung überlassen.
Reelle Zahlen können auch ihrer Größe nach verglichen werden. Zunächst wieder grundlegende Fakten:
0.24 Anordnung und Vergleich.
(A1) Für x, y ∈ R trifft genau eine der folgenden Aussagen zu:
x>y
x=y
x<y
(äquivalent x − y > 0) :
x ist größer als y,
(äquivalent x − y < 0) : x ist kleiner als y.
(A2) Wenn x > 0 und y > 0, dann ist auch x + y > 0.
(A3) Wenn x > 0 und y > 0, dann ist auch x · y > 0.
Diese nachstehenden Folgerungen werden oft benutzt.
0.25 Folgerung
(i) Sind x, y ∈ R und x > 0, y < 0, so gilt x · y < 0.
(ii) Sind x, y ∈ R und x < 0, y < 0, so gilt x · y > 0.
Beide Aussagen ergeben sich aus den bereits gezeigten Rechengesetzen.
Herleitung
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0|10
Kapitel 0 Mathematische Grundlagen
(i) Es ist x > 0 und (−y) > 0, also mit (A3) und (A1) und den Rechenregeln für
Negative (Beispiel 0.23, (ii)):
x · (−y) > 0 =⇒ −(x · y) > 0 =⇒ x · y < 0.
(ii) Es ist (−x) > 0 und y < 0, also mit der eben bewiesenen Regel und den Rechenregeln
für Negative (Beispiel 0.23, (ii)):
(−x) · y < 0 =⇒ −(x · y) < 0 =⇒ x · y > 0.
Diese Regel wird gelegentlich auch unter dem Etikett „minus mal minus ergibt plus“
geführt.
Die oben diskutierten Fakten werden nun zur Herleitung von Regel A und Regel B verwendet.
Herleitung von Regel A für Gleichungen (0.5)
Es gilt mit (K1) und Regel C:
a=b+c
=⇒ a + (−c) = (b + c) + (−c)
=⇒ a − c = b + (c − c)
=⇒ a − c = b.
Der Implikationspfeil
=⇒ zwischen zwei
Aussagen besagt,
dass aus der
Korrektheit der
ersten die Korrektheit
der zweiten folgt.
Damit ist eine Richtung der Äquivalenz gezeigt. Die andere Beweisrichtung läuft
analog:
a − c = b =⇒ a + (−c) = b
=⇒ (a + (−c)) + c = b + c
=⇒ a + ((−c) + c) = b + c
=⇒ a = b + c.
Herleitung von Regel A für Ungleichungen (0.6)
Hier wird nur eine Beweisrichtung angegeben; die andere läuft analog:
a<b+c
=⇒ a + (−c) < (b + c) + (−c)
=⇒ a − c < b + (c − c)
=⇒ a − c < b.
Herleitung von Regel B für Gleichungen (0.10)
Mit (K1) und Regel D gilt:
a= b·c
=⇒ a · c−1 = (b · c) · c−1
=⇒ a · c−1 = b · (c · c−1 )
=⇒ a · c−1 = b.
Toolbox Mathematik für MINT-Studiengänge © E. Cramer, U. Kamps, J. Lehmann, S. Walcher 2017
0.1 Gleichungen, Ungleichungen, Umformungen
0|11
Damit ist eine Richtung der Äquivalenz gezeigt. Die andere Beweisrichtung wird zur
Übung überlassen.
Herleitung von Regel B für Ungleichungen (0.13)
Hier wird nur der Beweis des zweiten Teils skizziert; der erste Teil geht analog.
Vorüberlegung: Ist c < 0, so gilt auch c−1 < 0; denn aus c < 0 und c−1 > 0 ergäbe
sich sonst nach 0.24 der Widerspruch 1 = c · c−1 < 0.
Nun zum eigentlichen Beweis:
a < b · c =⇒ a · c−1 > (b · c) · c−1 = b;
und für die umgekehrte Richtung
a · c−1 > b =⇒ (a · c−1 ) · c < b · c =⇒ a < b · c.
0.1.3 Graphische Interpretation
Gleichungen und Ungleichungen in einer reellen Variablen lassen sich auch durch Funktionen interpretieren und mit Hilfe ihrer Graphen visualisieren.
0.26 Graphische Interpretation von Gleichungen und Ungleichungen (allgemein)
Gegeben sei eine Teilmenge D von R und Funktionen f : D → R, g : D → R.
Die Lösungen der Gleichung f (x) = g(x) in D sind gerade die x-Koordinaten
der Schnittpunkte der Graphen von f und g.
Die Lösungen der Ungleichung f (x) < g(x) in D sind gerade die xKoordinaten jener Punkte von D, für welche der Graph von f unterhalb des
Graphen von g liegt.
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0|12
Kapitel 0 Mathematische Grundlagen
0.27 Beispiel
3x + 4 = 7x − 2
(f (x) = 3x + 4, g(x) = 7x − 2;
D = R)
f (x), g(x)
10
(0,5, 5,5)
5
x
1
−1
−5
3x + 4 < 7x − 2
(f (x) = 3 − 4x, g(x) = 7 − 2x;
D = R)
f (x), g(x)
10
(0,5, 5,5)
5
x
1
−1
−5
Toolbox Mathematik für MINT-Studiengänge © E. Cramer, U. Kamps, J. Lehmann, S. Walcher 2017
0.1 Gleichungen, Ungleichungen, Umformungen
7 + 3x
>2
x
(f (x) =
0|13
7 + 3x
, g(x) = 2;
x
D = R \ {0})
f (x), g(x)
15
10
5
(−7, 2)
x
−9
−8
−7
−6
−5
−4
−3
−2
1
−1
2
3
4
5
−5
−10
Das Prinzip, Gleichungen über Funktionen zu interpretieren und so nach Lösungen zu
suchen, ist auch bei schwierigeren Problemen sehr hilfreich (s. Kapitel 3).
0.1.4 Bruchrechnung
Die Ergebnisse aus Abschnitt 0.1.2∗ lassen sich auch nutzen, um Addition, Multiplikation
und Kürzen/Erweitern von Ausdrücken zu verstehen, die (salopp gesagt) Brüche enthalten.
Dabei sind keineswegs nur ganze Zahlen im Spiel; in Zähler und Nenner können auch
„wilde“ Ausdrücke auftreten. Hier sind die wesentlichen Fakten:
0.28 Grundlegendes Faktum (mit geänderten Bezeichnungen)
Sind x,y, z ∈ R mit z = 0, so gilt
x=
y
⇐⇒ x · z = y.
z
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0|14
Kapitel 0 Mathematische Grundlagen
0.29 Bruchrechenregeln
(B1) Erweitern und Kürzen:
Für alle a, b ∈ R mit b = 0 und alle c ∈ R mit c = 0 gilt
a·c
a
=
.
b
b·c
(B2) Multiplikation:
Für alle a, c ∈ R, b ∈ R mit b = 0 und d ∈ R mit d = 0 gilt
a·c
a c
· =
.
b d
b·d
(B3) Addition:
Für alle a, c ∈ R, b ∈ R mit b = 0 und d ∈ R mit d = 0 gilt
a
c
a·d+b·c
+ =
.
b
d
b·d
Herleitung (für Interessierte)
(B1) Es gilt:
x=
a·c
b·c
⇐⇒ x · b · c = a · c
⇐⇒ x · b · c · c−1 = a · c · c−1
⇐⇒ x · b = a
a
⇐⇒ x =
b
(B2) Setze x = a/b und y = c/d. Dann gilt
b · x = a und d · y = c
=⇒ (b · x) · (d · y) = a · c
=⇒ (b · d) · (x · y) = a · c
a·c
=⇒ x · y =
b·d
(B3) Setze x = a/b und y = c/d. Dann gilt
bd · (x + y) = d · (bx) + b · (dy) = da + bc,
woraus sich die behauptete Gleichheit ergibt.
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0.1 Gleichungen, Ungleichungen, Umformungen
0|15
0.1.5 Weitere Typen von Gleichungen
In den Beispielen aus Abschnitt 0.1.1 und bei Brüchen und Bruchrechnen geht es im Grunde
um das Lösen einfacher Gleichungen der Form ax = b. In Anwendungen (siehe dazu die
folgenden Kapitel) treten auch kompliziertere Gleichungen auf. Zwei von diesen sollen an
dieser Stelle noch erwähnt bzw. diskutiert werden.
Quadratische Gleichungen haben die Gestalt
ax2 + bx + c = 0
wobei a = 0, b und c vorgegebene Zahlen sind und alle x gesucht sind, für welche die
oben stehende Aussage wahr ist. Gemäß Regel B (siehe 0.10) haben diese Gleichung
und die Gleichung
x2 + px + q = 0
mit p := b/a und q := c/a die gleichen Lösungen. Für letztere Gleichung liefert die
allgemein bekannte p-q-Formel die Lösungen (wenn solche existieren); siehe (3.30)
in Kapitel 3.
Betrag und Betragsgleichungen:
Der Betrag einer reellen Zahl x ist definitionsgemäß gegeben durch
|x| :=
x,
−x,
falls
falls
x0
x<0
Zum Beispiel ist also |5| = 5 oder |−7| = 7.
Geometrische Interpretation: Für x, y ∈ R ist |x − y| der Abstand von x und y auf
der reellen Zahlengeraden.
Unter Betragsgleichungen versteht man nun (nicht sehr präzise) Gleichungen, in denen
Beträge vorkommen. Einfache Typen sind:
(i) |2x − 1| | = 3;
(ii) |x + 2| = x + 1;
(iii) |2x| = |3x − 6| .
Zur Lösung werden in der Regel Fallunterscheidungen herangezogen, um die Betragsstriche zu eliminieren.
© E. Cramer, U. Kamps, J. Lehmann, S. Walcher 2017 Toolbox Mathematik für MINT-Studiengänge
0|16
Kapitel 0 Mathematische Grundlagen
0.30 Beispiel
(i) |2x − 1| = 3.
Zur Lösung unterscheidet man (auf Grund der Definition des Betrags) zwei
Fälle:
1
Fall: 2x − 1 0 ⇐⇒ x 1/2.
Dann wird die Gleichung zu 2x − 1 = 3, mit Lösung x1 = 2 (Beachte,
dass tatsächlich x1 1/2 gilt).
2
Fall: 2x − 1 < 0 ⇐⇒ x < 1/2.
Dann wird die Gleichung zu −(2x − 1) = 3, mit Lösung x2 = −1 (Es
gilt auch tatsächlich x2 < 1/2).
Insgesamt ist die Lösungsmenge also gegeben durch {x1 , x2 } = {−1, 2}.
4
(−1, 3)
(2, 3)
3
2
1
x
−2
−1
1
2
3
(ii) |x + 2| = x + 1.
Die natürliche Fallunterscheidung ist wie folgt:
1
Fall: x + 2 0 ⇐⇒ x −2.
Die Gleichung wird zu x + 2 = x + 1 ⇐⇒ 2 = 1 und hat daher keine
Lösung.
2
Fall: x + 2 < 0 ⇐⇒ x < −2.
Die Gleichung wird zu −(x + 2) = x + 1, mit Lösung x1 = −3/2.
Es gilt jedoch x1 −2, so dass dieser Kandidat für eine Lösung den
Voraussetzungen nicht genügt.
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0.1 Gleichungen, Ungleichungen, Umformungen
0|17
Insgesamt hat diese Gleichung also keine Lösung.
4
3
2
1
x
−4
−3
−2
1
−1
2
3
−1
−2
(iii) |2x| = |3x − 6|.
Die systematische Herangehensweise ergibt unter Berücksichtigung des Vorzeichen von 2x bzw. 3x − 6 insgesamt vier Fälle:
1
Fall: 2x 0 und 3x − 6 0; dies ist äquivalent zu x 2.
Die Gleichung 2x = 3x − 6 hat die Lösung x1 = 6, welche den Bedingungen des Falles genügt.
2
Fall: 2x 0 und 3x − 6 < 0; dies ist äquivalent zu 0 x < 2.
Die Gleichung 2x = −(3x − 6) hat die Lösung x2 =
Bedingungen des Falles genügt.
3
6
5,
welche den
Fall: 2x < 0 und 3x − 6 0; dies ist äquivalent zu x < 0 und x 2.
Diese Bedingungen widersprechen sich, so dass der Fall nicht eintritt.
4
Fall: 2x < 0 und 3x − 6 < 0; dies ist äquivalent zu x < 0.
Die Gleichung −2x = −(3x − 6) hat die Lösung x3 = 6 > 0, was
jedoch der Voraussetzung x < 0 widerspricht. Daher existiert in diesem
Fall keine Lösung.
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0|18
Kapitel 0 Mathematische Grundlagen
Insgesamt besitzt die Gleichung also zwei Lösungen, d.h. L =
6
5, 6
.
14
13
(6, 12)
12
11
10
9
8
7
6
5
4
( 6 , 12 )
5
5
3
2
1
x
−7 −6 −5 −4 −3 −2 −1
1
2
3
4
5
6
7
Als Erweiterung zu Betragsgleichungen können auch Betragsungleichungen betrachtet werden; auf diese soll hier jedoch nicht eingegangen werden.
0.1.6 Anwendungsbereiche
Die Fakten und Regeln zu Rechnen, Gleichungen und Umformungen werden in Anwendungen und Aufgaben vielfach verwendet. Eine Auswahl von Beispielen aus den weiteren
Kapiteln des Buches ist hier gegeben.
0.31 Bogenmaß und Gradmaß
In Beispiel 1.15 tritt folgende Rechnung auf:
b=π·5·
Bruchrechnung
(Kürzen)
◦
20◦
5 ·
20
5
=
π
·
◦ = π.
180◦
9 ·
20
9
0.32 Rechnen mit Kreisen
In Beispielaufgabe 1.16 wird folgende Umformung vorgenommen:
Umstellen einer
Gleichung und
Bruchrechnung
(Kürzen)
α
180◦
◦
9
27 · 10−1 180◦
b 180◦
3 · 9 · 10−1 · 10 · 2 · 6
=
·
⇐⇒ r = ·
=
= .
◦
◦
π
α
π
81
π
π · 9 · 9
b= π·r·
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0.1 Gleichungen, Ungleichungen, Umformungen
0|19
0.33 Berechnen von Kräften mittels des Sinus- und Cosinussatzes
In der Lösungsskizze zu A 1.1 wird wie folgt umgeformt:
Umformen / Auflösen
einer Gleichung
nach einer Variablen
−
→
−
→
−→
−
→ −→
|F2 |2 = |F1 |2 + |FR |2 − 2 · |F1 | · |FR | · cos α
−
→
−→
−
→ −→
−
→
⇐⇒ |F2 |2 − |F1 |2 − |FR |2 = 2 · |F1 | · |FR | · cos α
−
→
−→
−
→
|F2 |2 − |F1 |2 − |FR |2
⇐⇒
cos α =
.
−
→ −→
2 · |F1 | · |FR |
0.34 Maximale Höhe eines bewegten Klotzes
In der Lösungsskizze zu A 1.2 (i) benutzt man:
Gleichung nach
einer Variablen
auflösen und
Einheiten berechnen
1
mv 2 + mgh0 = mghmax
2 0
· h0
mg
v2
m · v2
= 0 + h0 .
⇐⇒ hmax = 0 + mg
2
m·g
2g
2 m 2 2 2 v0
m · s
s
= [m] .
=
=
m
g
m
s2 · s2
0
max
Eges
= Eges
⇐⇒
0.35 Maximale Flughöhe eines Golfballs
In der Lösungsskizze zu A 1.3 sind folgende Rechnungen zu finden:
Ausklammern /
Umformen einer
Gleichung nach
einer Variablen
Nullstellen
berechnen und
Ausmultiplizieren
h(x) = −b (x − x0 ) (x − xM ) = −bx (x − xM )
x0 =0
2
= −bx − bx · (−xM ) = −bx2 + bxM · x
= bxM · x − bx2 .
h (x) = 0 ⇐⇒ bxM − 2bx = 0 ⇐⇒ bxM = 2bx
⇐⇒ x =
xM
bxM
.
=
2
2b
In der Herleitung der Schlussbemerkung wird folgende Rechnung demonstriert.
tan α
gilt:
Mit b =
xM
x 2
x2
xM
x2
M
−b
=b· M −b· M
= bxM ·
2
2
2
2
4
2
1 1
tan α xM
1
−
= b · x2M ·
·
= b · x2M · =
2 4
4
4
x
M
1
= tan α · xM .
4
hmax = h
x
M
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0|20
Kapitel 0 Mathematische Grundlagen
0.36 Monotonie
In Beispiel 3.61 werden folgende Umformungen vorgenommen:
f (x1 ) > f (x2 ) ⇐⇒ 2 − 3x1 > 2 − 3x2
Umformen einer
Ungleichung und
Ausklammern sowie
Binomische Formel
⇐⇒ 2−
2 − 3x1 > −3x2
⇐⇒ −3x1 > −3x2
⇐⇒ x1 > x2 .
f (x1 ) < f (x2 ) ⇐⇒ x21 − 2x1 − 1 < x22 − 2x2 − 1
⇐⇒ x21 − 2x1 − 1 + 2 < x22 − 2x2 − 1 + 2
⇐⇒ x21 − 2x1 + 1 < x22 − 2x2 + 1
2
2
⇐⇒ (x1 − 1) > (x2 − 1) .
0.37 Monotonie
Vereinfachen eines
In Beispielaufgabe 4.25 wird die strenge Monotonie von g mit folgender Rechnung
Terms
gezeigt:
g (t) = 2c ·
= 2c ·
2
−2e−2t 1 + e−2t + 4e−4t1
+
e−2t
43
(1 + e−2t ) 2e−2t −1 − e−2t + 2e−2t
= 4ce−2t ·
3
(1 + e−2t )
(2 − 1) · e−2t − 1
3
(1 + e−2t )
e−2t − 1
= 4ce−2t ·
.
(1 + e−2t )3
0.38 Bestimmen einer Wachstumsrate
In Beispiel 4.42 berechnet man
Vereinfachen eines
Terms
2 · 10 · e−2t
2 ·
1
0 · e−2t · 1
+
e−2t
g (t)
2
2e−2t
(1 + e−2t )2
=
.
gW (t) =
=
= 2t
=
−2t
10
2
g(t)
1+e
e +1
−2t ) · 1
(1
+
e
0
1 + e−2t
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0.1 Gleichungen, Ungleichungen, Umformungen
0|21
0.1.7 Rechentricks in Anwendungen
In diesem Abschnitt werden einige (etwas schwierigere) Beispiele vorgestellt, bei denen
es letztlich nur um Termumformungen geht. Ohne „Tricks“ käme man hier aber nicht zu
vernünftigen Ergebnissen.
A 0.1 Parameterbestimmung bei Monod-Kinetiken
Nach dem Monod-Modell ist die spezifische Wachstumsrate einer Zellkultur in Abhängigkeit von einem (limitierenden) Substrat S gegeben durch
v = v(s) =
c·s
.
s+K
Dabei ist s > 0 die Konzentration des Substrats, und c sowie K sind (zunächst
unbekannte) positive Konstanten. Aus zwei Messungen und mit etwas Rechnen lassen
sich diese Konstanten bestimmen:
Sind (s1 ,v1 ) und (s2 ,v2 ) die Messpunkte (mit s1 = s2 ) so hat man
v1 =
c · s1
⇐⇒ v1 · (K + s1 ) = c · s1
K + s1
⇐⇒ v1 K + v1 s1 = c · s1
⇐⇒ v1 s1 = s1 c − v1 K.
(0.3)
Analog erhält man
v2 s2 = s2 c − v2 K.
(0.4)
Dies ist jetzt (nach Umformen) ein lineares Gleichungssystem von zwei Gleichungen
für die zwei Unbekannten K und c.
Zur Lösung linearer Gleichungssysteme gibt es Standardverfahren. Direkt kann man
z.B. Gleichung (0.3) mit s2 multiplizieren, Gleichung (0.4) mit s1 und die beiden
subtrahieren. Das ergibt eine Gleichung für K, nämlich
s1 · v2 s2 − s2 · v1 s1 = s1 · (s2 c − v2 K) − s2 · (s1 c − v1 K)
⇐⇒
s1 s2 (v2 − v1 ) = s1 s2 c − s1 v2 K − s2 s1 c − s2 v1 K
⇐⇒
s1 s2 (v1 − v2 ) = K (v1 s2 − v2 s1 ) .
Nach Lösen und Einsetzen (z.B.) in (0.3) erhält man c.
Anmerkung:
In Anwendungen hat man oft mehr als zwei Messpunkte und erhält ein sogenanntes
überbestimmtes Gleichungssystem für k und c, das i.Allg. nicht lösbar ist. Ursache
sind z.B. statistische Effekte oder Messfehler. Trotzdem will man in der Regel alle
Messdaten einbeziehen. Dazu benutzt man lineare Regression, welche hier aber nicht
näher diskutiert werden soll.
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0|22
Kapitel 0 Mathematische Grundlagen
A 0.2 Elastischer eindimensionaler Stoß
Nachher:
Vorher:
v1
v2
V1
V2
m1
m2
m1
m2
Beim elastischen Stoß (längs einer Geraden) bleiben Impuls und kinetische Energie
erhalten. Also gelten die Gleichungen:
(Impuls)
m1 v1 + m2 v2 = m1 V1 + m2 V2
1
1
1
1
m1 v12 + m2 v22 = m1 V12 + m2 V22
(Energie)
2
2
2
2
Eine typische Aufgabe ist es, aus gegebenen Massen m1 > 0, m2 > 0 und Anfangsgeschwindigkeiten v1 , v2 die Endgeschwindigkeiten V1 und V2 zu bestimmen.
Eine Möglichkeit ist, die Impulsgleichung nach V2 aufzulösen, also
m1
m1
V2 =
v1 + v2 −
V1
m2
m2
und dies in die Energiegleichung einzusetzen. Dies führt zum Ziel, aber man hat
Mühe, das Ergebnis in eine brauchbare Form zu bringen.
Die folgende Variante beginnt mit etwas „Herumspielen“:
Umstellen der Impulsgleichung ergibt
m1 (v1 − V1 ) = m2 (V2 − v2 ) .
(0.5)
Umstellen der Energiegleichung liefert (nach Multiplikation mit 2)
m1 v12 − V12 = m2 V22 − v22
und (dritte binomische Formel)
m1 (v1 − V1 ) (v1 + V1 ) = m2 (V2 − v2 ) (V2 + v2 ) .
(0.6)
Den Fall v1 = V1 (und v2 = V2 ) kann man ausschließen, wenn man annimmt, dass
wirklich ein Stoß stattfindet. Dann kann man (0.6) mit Gleichung (0.5) vereinfachen
zu
m1 (v1 − V1 ) (v1 + V1 ) = m1 (v1 − V1 ) (V2 + v2 )
und Kürzen ergibt
v1 + V1 = v2 + V2 .
(0.7)
Man hat durch „Rumspielen“ mit Gleichungen damit eine Art Erhaltungsgesetz gefunden: Die Summe von Anfangs- und Endgeschwindigkeit ist für beide Körper gleich.
Das ist eine interessante physikalische Tatsache. Außerdem ist mit (0.5) und (0.7) (bei
bekannten m1 , m2 , v1 und v2 ) ein lineares (also einfach zu lösendes) Gleichungssystem für V1 und V2 gefunden. (Die Lösung wird als Übung überlassen.)
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0.1 Gleichungen, Ungleichungen, Umformungen
0|23
A 0.3 Voll inelastischer eindimensionaler Stoß
Nachher:
Vorher:
v2
V
m2
m1 + m2
v1
m1
In diesem Szenario „kleben“ die beiden Körper nach dem Stoß zusammen. Das
Impulserhaltungsgesetz gilt weiter und ergibt
m1 v1 + m2 v2 = (m1 + m2 )V.
Dies ist eine leicht lösbare Gleichung für V ; es gilt:
V =
m1
m2
v1 +
v2 .
m1 + m2
m1 + m2
Die kinetische Energie bleibt aber nicht erhalten (es wird z.B. bei der Verformung der
Körper Energie verbraucht). Man kann den Energieverlust ΔE berechnen:
1
1
1
ΔE = m1 v12 + m2 v22 − (m1 + m2 )V 2
2
2
2
m21
m22
1
1
1
m1 m2
1
= m1 v12 + m2 v22 − ·
· v12 −
· v1 v2 − ·
· v2
2
2
2 m1 + m2
m1 + m2
2 m1 + m2 2
m21
1 m2 + m1 m2 2 1 m1 m2 + m22 2 1
= · 1
· v1 + ·
· v2 − ·
· v2
2
m1 + m2
2
m1 + m2
2 m1 + m2 1
m22
1 2m1 m2
1
− ·
· v1 v2 − ·
· v2 .
2 m1 + m2
2 m1 + m2 2
Dabei wurde die erste binomische Formel benutzt und erweitert bzw. gekürzt. Insgesamt bleibt nach Vereinfachen:
ΔE =
1
m1 m2 2
m1 m2
1
2
·
v1 − 2v1 v2 + v22 = ·
(v1 − v2 ) .
2 m1 + m2
2 m1 + m2
Es geht also immer kinetische Energie verloren (denn im Fall v1 = v2 findet kein Stoß
statt). Dank mathematischer „Spielereien“ hat man auch hier einen Formelausdruck,
der für weitere Fragestellungen und Untersuchungen nützlich ist. (Beispiel: Ist die
Gesamtmasse m1 + m2 = M fest und werden v1 und v2 vorgegeben, für welche
Werte von m1 (mit m2 = M − m1 ) ist der Energieverlust maximal? Die Lösung wird
als Übung überlassen.)
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0|24
Kapitel 0 Mathematische Grundlagen
0.2 Summen und Summenzeichen
0.2.1 Einführende Beispiele und Prinzipien
Summen strukturierter Zahlen oder Variablen werden unter Verwendung des Summenzeichens in kurzer und unmissverständlicher Form dargestellt.
Verwendet wird das Summenzeichen beispielsweise in Kapitel 2 (Linearkombination von
Vektoren), Kapitel 4 (Taylor-Entwicklung), Kapitel 5 (Potenzreihe der Eulerschen Exponentialfunktion) und in Kapitel 7 (Fourier-Reihen und Potenzreihenentwicklungen).
0.39 Ausgangssituation
Schreiben Sie die Summe 3 + 5 + · · · + 15 in geschlossener Form.
Welchen Wert hat die Summe
Hat die Summe
∞
i=1
1
2i
=
1
2
n
i=1
+
1
4
i = 1 + 2 + · · · + n für ein beliebiges n ∈ N?
+
1
8
+ . . . einen endlichen oder unendlichen
Wert?
0.40 Fragestellung
Wie können die Rechenregeln bei der Addition (Distributivgesetz, Assoziativgesetz)
mit dem Summenzeichen formuliert werden und welche anderen Rechenregeln gelten?
0.41 Aufgabenstellung
Welchen Wert hat die Summe
sn =
n
2k+1
k=1
5k+2
für ein beliebiges n ∈ N ?
0.42 Bezeichnung
Für reelle Zahlen ak , . . . , an (1 k n) wird das Summenzeichen eingeführt
als
n
ai
ak + · · · + an =
i=k
(„Summe der ai von i = k bis i = n“).
Dabei heißen in der endlichen Summe
n
a:
i=k
ai i-ter Summand
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0.2 Summen und Summenzeichen
0|25
i Summationsindex
k untere Summationsgrenze
n obere Summationsgrenze
Allgemeiner schreibt
man für die Summe der Zahlen ai , i ∈ I(⊆ N) mit einer
Indexmenge I:
ai .
i∈I
Werden unendlich viele Zahlen ak , ak+1 , . . . addiert, so schreibt man
∞
i=k
ai
(sofern die Summe wohldefiniert ist; siehe Analysis) und bezeichnet das Objekt
als unendliche Summe oder Reihe.
Man vereinbart
ai = 0. Damit ist auch
i∈∅
k
ai = 0 für n > k, k, n ∈ N.
i=n
0.43 Beispiel
3 + 5 + · · · + 15 =
7
(2k + 1)
k=1
a0 + a1 + · · · + an =
n
i=0
ai für ein a ∈ R und n ∈ N
nb1 + (n − 1)b2 + · · · + 2bn−1 + bn =
mit b1 , . . . , bn ∈ R und n ∈ N
n
j=1
(n − j + 1)bj
0.2.2 Rechnen mit Summen
Aus den Rechenregeln für die Addition und Multiplikation von Zahlen ergeben sich unmittelbar einige Regeln für das Rechnen mit Summen.
0.44 Rechenregeln für Summen
Für a1 , . . . , an , b1 , . . . , bn ∈ R und k,n ∈ N mit k n gilt
n
c = (n − k + 1)c; c ∈ R
i=k
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0|26
Kapitel 0 Mathematische Grundlagen
n
n
(αai + βbi ) =
i=k
αai +
i=k
=α
n
n
ai + β
i=k
n
ai =
i=k
n
ai =
bi , α, β ∈ R
ai für ein m mit k m < n.
i=m+1
n−1
ai+1 =
i=k−1
ai =
n
i=k
n
ai +
i=k
i=k
n
m
βbi
i=k
n+1
ai−1 (Verschiebung der Summationsgrenzen)
i=k+1
n−k+1
an−i+1 (Umkehrung der Summationsreihenfolge)
i=1
i=k
Die letzten beiden Regeln zeigen insbesondere, dass eine Summendarstellung nicht
eindeutig ist.
0.45 Arithmetische Summe
Für jedes n ∈ N gilt:
n
i=
i=1
n(n + 1)
.
2
Diese Eigenschaft kann mit vollständiger Induktion bewiesen werden. Die Regel kann aber
auch direkt gezeigt werden. Für den Fall „n gerade“ erhält man etwa:
n
i=
i=1
n/2
i+
i=1
=
n/2
i=1
=
n/2
i=1
n
i
i=n/2+1
i+
n/2
(n − i + 1)
i=1
(i + n − i + 1) =
n/2
i=1
(n + 1) =
n
(n + 1).
2
0.46 Beispielaufgabe
Stellen Sie die Summe der ungeraden Zahlen von 5 bis 21 auf unterschiedliche Weisen
dar und bestimmen Sie den Wert der Summe.
Toolbox Mathematik für MINT-Studiengänge © E. Cramer, U. Kamps, J. Lehmann, S. Walcher 2017
0.2 Summen und Summenzeichen
0|27
Es ist
5 + 7 + · · · + 19 + 21 =
=
10
(2k + 1) =
11
(2k − 1)
k=2
9
k=3
9
k=1
k=1
(2k + 3) = 2
= 2·
k + 27
9 · 10
+ 27 = 117
2
0.47 Beispiel
Die Summe der ersten n natürlichen Vielfachen einer Zahl a ∈ R für ein n ∈ N ist
gegeben durch
n
n
n(n + 1)
.
ia = a
i=a
2
i=1
i=1
0.48 Bezeichnung
Für a ∈ R heißen
n
ak geometrische Summe und
k=0
∞
ak geometrische Reihe.
k=0
0.49 Eigenschaft
Für die geometrische Summe gilt
⎧
n
⎨ 1 − an+1
, falls a = 1
k
, n ∈ N.
a =
1−a
⎩
n + 1,
falls a = 1
k=0
Nachweis
Der Fall a = 1 ist klar. Sei also a = 1. Dann folgt mit Hilfe der Eigenschaften 0.44
(1 − a)
n
ak =
k=0
=
n
k=0
n
ak −
ak −
k=0
n
k=0
n+1
k=1
ak+1
ak = 1 +
n
k=1
ak −
n
ak − an+1
k=1
= 1 − an+1
die Behauptung.
Aus den Konvergenzregeln für Folgen ergibt sich für |a| < 1 unmittelbar die folgende
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0|28
Kapitel 0 Mathematische Grundlagen
Eigenschaft der geometrischen Reihe:
∞
ak =
k=0
1
1−a
0.50 Beispiel
Für n ∈ N gilt:
n
2k+1
k=1
5k+2
n−1 k
2k+2
4 2
=
5k+3
53
5
k=0
k=0
2 n
n 4 1− 5
4 5
2
= 3·
=
·
1
−
5
53 3
5
1 − 25
n 2
4
=
1−
75
5
=
n−1
Es gilt:
∞
∞
∞ i
1
1
1 1
=
=
2i
2i+1
2 i=0 2
i=1
i=0
=
1
1
·
2 1−
1
2
=1
Die Summe unendlich vieler positiver Zahlen kann also einen endlichen Wert
haben.
Unendliche Reihen und deren Konvergenz oder Divergenz werden in der Analysis oder in
der Höheren Mathematik ausführlich untersucht.
0.3 Mengen
0.3.1 Einführende Beispiele und Prinzipien
Mengen sind Zusammenfassungen unterscheidbarer Objekte, insbesondere von Zahlen,
und werden beispielsweise zur Darstellung von Lösungsmengen von Gleichungen oder
Ungleichungen, zur Beschreibung von Definitions- und Wertebereichen sowie von Regionen
mit einem speziellen Verhalten einer Funktion (s. Kapitel 3, 4, Anhang A) verwendet.
Toolbox Mathematik für MINT-Studiengänge © E. Cramer, U. Kamps, J. Lehmann, S. Walcher 2017
0.3 Mengen
0|29
0.51 Ausgangssituation
Bestimmen Sie die Gesamtheit aller Nullstellen der Funktion f mit
f (x) = x(x2 − 1)(x2 − 4).
Geben Sie die Menge der Nullstellen der Funktion g mit
1
g(x) = sin
, x ∈ R \ {0},
x
an (s. Abschnitt 3.3.7).
Ermitteln Sie die Menge aller x ∈ R, für die gilt:
|x − 2| 6 − (x − 2)2 .
Wie können alle Punktepaare (x, y) beschrieben oder im x-yKoordinatensystem dargestellt werden, für die folgende Bedingungen gleichermaßen gelten:
1
x0
2
x+y 1
3
x + 2y 6
4
2x − y 2
0.52 Bezeichnung und Beispiele
Eine Gesamtheit unterscheidbarer Objekte, sogenannter Elemente, wird als Menge
bezeichnet. Eine Menge kann mit den Symbolen { und } der Mengenklammern in
aufzählender Form notiert werden wie z. B.
A = {1, 2, 3, 4, 5, 6}, N = {1, 2, 3, . . . }, B = {a, b, . . . , z},
Ω = {a1 , a2 , . . . , an } mit reellen Zahlen a1 , a2 , . . . , an
oder in
beschreibender Form als
M = {x | x hat die Eigenschaft ∗}
oder M = {x; x hat die Eigenschaft ∗}
(„M ist die Menge aller Elemente x, die die Eigenschaft ∗ besitzen“) notiert
werden wie z. B.
A = {n | n ist eine natürliche Zahl mit 1 n 6},
U = {x; x ist eine reelle Zahl im Intervall (0, 1)}.
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0|30
Kapitel 0 Mathematische Grundlagen
Als weitere Sprechweisen und Symbole verwendet man:
0.53 Bezeichnung
a ∈ A:
a ist Element der Menge A
a∈
/ A:
a ist kein Element der Menge A
A ⊆ B:
Die Menge A ist eine Teilmenge der Menge B, d.h. jedes Element von
A ist auch ein Element von B. (Für jedes a ∈ A gilt: a ∈ A =⇒ a ∈ B)
|A| :
Anzahl der Elemente von A (sogenannte Mächtigkeit von A)
∅, {}:
Symbole für die sogenannte leere Menge, d.h. die Menge, die kein
Element enthält
0.54 Bezeichnung (Zahlbereiche)
N = {1, 2, 3, . . . } ist die Menge der natürlichen Zahlen
N0 = {0, 1, 2, . . . } ist die Menge der natürlichen Zahlen und der Null
Z = {. . . , −2, −1, 0, 1, 2, . . . } ist die Menge der ganzen Zahlen
Q = {q; q =
m
n,
m ∈ Z, n ∈ N} ist die Menge der rationalen Zahlen
R ist die Menge der irrationalen Zahlen
0.55 Beispiel
Mit den obigen Bezeichnungen und A = {1, 2, 3, 4, 5, 6} ist
∅ ⊆ A ⊆ N ⊆ N0 ⊆ Z ⊆ Q ⊆ R,
π ∈ R,
1
2
∈ Q,
π∈
/ Q,
1
2
∈
/ Z,
A ⊆ N mit |A| = 6,
Ω aus Bezeichnung 0.52 hat die Darstellung Ω = {ai ∈ R | 1 i n};
{2, 4, 6, . . . } = {n | n = 2k, k ∈ N} ist die Menge der geraden natürlichen Zahlen.
0.56 Bezeichnung
Intervalle auf dem reellen Zahlenstrahl sind spezielle Mengen. Für a, b ∈ R mit a b
werden folgende Notation verwendet:
(a, b) = {x ∈ R; a < x < b}
(a, b] = {x ∈ R; a < x b}
(offenes Intervall)
(halboffenes Intervall)
[a, b) = {x ∈ R; a x < b} (halboffenes Intervall)
[a, b] = {x ∈ R; a x b} (abgeschlossenes Intervall)
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0.3 Mengen
0|31
(−∞, a) = {x ∈ R; x < a}, (−∞, a] = {x ∈ R; x a}
(b, ∞) = {x ∈ R; x > b}, [b, ∞) = {x ∈ R; x b}
(−∞, ∞) = R
0.57 Beispiel
Die Menge Nf der Nullstellen der Funktion f mit f (x) = x(x2 − 1)(x2 − 4)
ist gegeben durch
Nf = {−2, − 1, 0, 1, 2}.
Die Nullstellenmenge Ng von g mit g(x)
= sin x1 , x ∈ R \ {0} = {x ∈
1 z ∈ Z, z = 0 .
R; x = 0} ist gegeben durch Ng = zπ
0.3.2 Rechenoperationen für Mengen und Mengenalgebra
Mengen können mit verschiedenen Operationen „be- und -verarbeitet“ werden.
0.58 Beispiel (zur Einführung)
Die Ungleichung |x − 2| 3 besitzt die Menge A = {x ∈ R | − 1 x 5}
als Lösungsmenge; die Lösungsmenge B = {x ∈ R | x < −1 oder x > 5} der
Ungleichung |x − 2| > 3 erfüllt A ∪ B = R und A ∩ B = ∅.
Man bezeichnet B als Komplement von A in R.
Die Lösungsmenge des Ungleichungssystems
|x − 2| 3 und |x − 3| < 3
ist gegeben durch
D = {x ∈ R | − 1 x 5
und 0 < x < 6}
= {x ∈ R | 0 < x 5}.
Die Menge D ist die Schnittmenge von A und der Lösungsmenge C von |x−3| <
2 gegeben durch C = {x ∈ R | 0 < x < 6}, geschrieben als D = A ∩ C.
Da A und C Intervalle bilden, kann auch
D = [−1, 5] ∩ (0, 6) = (0,5]
geschrieben werden.
Wird nur gefordert, dass mindestens eine der Ungleichungen
|x − 2| 3
oder |x − 3| < 3
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0|32
Kapitel 0 Mathematische Grundlagen
erfüllt sein soll, so ist die zugehörige Lösungsmenge
E = {x ∈ R | − 1 x 5
oder 0 < x < 6} = {x ∈ R | −1 x < 6}
als Vereinigungsmenge E = A ∪ C von A und C gegeben. Analog zur Schnittmenge ist
E = [−1, 5] ∪ (0, 6) = [−1, 6).
Ebenso kann die Lösungsmenge von |x−2| > 3 in der Form (−∞, −1)∪(5, ∞)
geschrieben werden.
0.59 Bezeichnung
Für Teilmengen A ⊆ Ω und B ⊆ Ω, Ω = ∅ ist
A(= Ac ) = {ω ∈ Ω | ω ∈
/ A} das Komplement von A in Ω, also die Menge
aller derjenigen Elemente von Ω, die nicht zu A gehören.
A ∩ B = {ω ∈ Ω | ω ∈ A und ω ∈ B} die Schnittmenge von A und B, also
die Menge aller Elemente von Ω, die sowohl zu A als auch zu B gehören.
A und B heißen disjunkt, falls A ∩ B = ∅.
A ∪ B = {ω ∈ Ω | ω ∈ A oder ω ∈ B} die Vereinigungsmenge von A und B,
also die Menge aller Elemente von Ω, die zu A oder zu B gehören.
B \ A = {ω ∈ Ω | ω ∈ B und ω ∈
/ A} = B ∩ A die Differenzmenge von A
und B, also die Menge aller Elemente aus B, die nicht Element von A sind.
Sogenannte Venn-Diagramme veranschaulichen Mengen und Mengenoperationen.
Ω
A\B
A
A∩B
A∪B
B\A
B
0.60 Beispiel
Für die Mengen aus Beispiel 0.58
A = [−1, 5], B = (−∞, −1) ∪ (5, ∞), C = (0, 6) und E = [−1, 6)
gilt B = A, A ∩ A = ∅, C = (−∞, 0] ∪ [6, ∞) mit disjunkten Mengen (−∞, 0] und
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0.3 Mengen
0|33
[6, ∞), B ∩ C = (5, 6),
A \ C = [−1, 0] = A ∩ C = A ∩ (−∞, 0] ∪ [6, ∞)
= A ∩ (−∞, 0] ∪ A ∩ [6, ∞)
= [−1, 0] ∪ ∅
Die letzte Rechnung wird nachfolgend erläutert.
Schnittmengen und Vereinigungsmengen werden auch für mehr als zwei Mengen betrachtet. Regeln für das Rechnen mit Mengen ermöglichen Vereinfachungen oder alternative
Darstellungen.
0.61 Rechenregeln für Mengen (Mengenalgebra)
Für Teilmengen A, B und C von Ω = ∅ gilt:
A ∩ B = B ∩ A, A ∪ B = B ∪ A
(Kommutativgesetze bei der Bildung von Schnittmengen und Vereinigungsmengen)
(A ∩ B) ∩ C = A ∩ (B ∩ C), (A ∪ B) ∪ C = A ∪ (B ∪ C)
(Assoziativgesetze bei der Bildung von Schnittmengen und Vereinigungsmengen)
(A ∩ B) ∪ C = (A ∪ C) ∩ (B ∪ C), (A ∪ B) ∩ C = (A ∩ C) ∪ (B ∩ C)
(Distributivgesetze bei der Bildung von Schnittmengen und Vereinigungsmengen)
Diese Rechenregeln sind vergleichbar mit dem Addieren und Multiplizieren von Zahlen.
Wie stets geben Klammern die Priorisierung von Rechenschritten an. Die Regeln gelten
analog für mehr als zwei bzw. drei Mengen.
Für Mengen A, B, C, D ⊆ Ω = ∅ gilt beispielsweise
(A ∩ B) ∪ (C ∩ D) = A ∪ (C ∩ D) ∩ B ∪ (C ∩ D)
= (A ∪ C) ∩ (A ∪ D) ∩ (B ∪ C) ∩ (B ∪ D)
0.62 Beispiel
Für die Mengen A = (1, 5), B = (3, 6) und C = [4, 7] gilt:
(A ∩ B) ∪ C = (3, 5) ∪ [4, 7] = (3, 7],
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0|34
Kapitel 0 Mathematische Grundlagen
(A ∪ C) ∩ (B ∪ C) = (1, 7] ∩ (3, 7] = (3, 7],
(A ∪ B) ∩ C = (1, 6) ∩ [4, 7] = [4, 6),
(A ∩ C) ∪ (B ∩ C) = [4, 5) ∪ [4, 6) = [4, 6).
0.63 Eigenschaften
Für Teilmengen A und B von Ω = ∅ gilt:
A ⊆ B ⇐⇒ A ∩ B = A ⇐⇒ A ∪ B = B
B \ A = B \ (A ∩ B)
Weitere Rechenregeln sind nachfolgend zusammengestellt.
0.64 Rechenregeln für Mengen (Mengenalgebra)
Für Teilmengen A, B ⊆ Ω = ∅ gilt:
A = (A) = A, A ∩ A = ∅, A ∪ A = Ω
A ∩ A = A ∩ Ω = A, A ∪ A = A ∪ ∅ = A, A ∩ ∅ = ∅, A ∪ Ω = Ω
A = B ⇐⇒ A = B,
A ⊆ B ⇐⇒ B ⊆ A,
A ⊆ B und B ⊆ A ⇐⇒ A = B
A ∩ B = A ∪ B, A ∪ B = A ∩ B (Regeln von de Morgan)
0.65 Beispiel
B \ (A ∩ B) = B ∩ (A ∩ B) = B ∩ (A ∪ B)
∩ B) = B ∩ A = B \ A
= (B ∩ A) ∪ (B
=∅
Für die Mengen
A = [−1, 5], C = (0, 6) und D = (0, 5]
gilt:
A ∩ C = D,
A ∩ C = D = (−∞, 0] ∪ (5, ∞) und
A ∪ C = (−∞, −1) ∪ (5, ∞) ∪ (−∞, 0] ∪ [6, ∞)
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0.3 Mengen
0|35
= (−∞, −1) ∪ (−∞, 0] ∪ (5, ∞) ∪ [6, ∞)
= (−∞, 0] ∪ (5, ∞).
Die Berechnung von A ∩ C ist hier offenbar schneller möglich.
0.66 Beispiel
Gesucht ist die Lösungsmenge L der Ungleichung
|x − 2| 6 − (x − 2)2 .
6
5
4
3
(0, 2)
(4, 2)
2
1
x
−2
1
−1
2
3
4
5
−1
−2
−3
Es gilt im Fall
x2:
25
1
x − 2 6 − (x − 2)2 ⇐⇒ (x − 2)2 + (x − 2) + 4
4
2
25
1
⇐⇒ x − 2 +
2
4
3
5
3
5
⇐⇒ x − oder x − −
2
2
2
2
⇐⇒ x 4 oder x −4
Die Lösungsmenge L1 ist in diesem Fall:
L1 = [2, ∞) ∩ [4, ∞) ∪ (−∞, −4]
= [2, ∞) ∩ [4, ∞) ∪ [2, ∞) ∩ (−∞, −4]
= [4, ∞) ∪ ∅ = [4, ∞)
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Kapitel 0 Mathematische Grundlagen
2
1
25
− (x − 2) 6 − (x − 2) ⇐⇒ x − 2 −
2
4
2
x<2:
⇐⇒ x 5 oder x 0
Die Lösungsmenge L2 ist in diesem Fall:
L2 = (−∞, 2) ∩ [5, ∞) ∪ (−∞, 0]
= (−∞, 2) ∩ [5, ∞) ∪ (−∞, 2) ∩ (−∞, 0]
= ∅ ∪ (−∞, 0] = (−∞, 0]
Damit ist L gegeben durch L = L1 ∪ L2 = (−∞, 0] ∪ [4, ∞).
Die Ungleichung |x−2| < 6−(x−2)2 ist also erfüllt für alle Elemente von L = (0, 4).
Hierbei gilt
L = L1 ∪ L2 = L1 ∩ L2 = (−∞, 4) ∩ (0, ∞) = (0, 4)
als Beispiel zur Regel von de Morgan.
0.67 Beispiel
Die Menge M aller Punkte (x, y) der x-y-Ebene, die alle Bedingungen
1
x0
2
x+y 1
3
x + 2y 6
4
2x − y 2
erfüllen, ist gegeben durch M = L1 ∩ L2 ∩ L3 ∩ L4 mit
L1 = (x, y) ∈ R2 | x 0 = (x, y) | x 0, y ∈ R ,
L2 = (x, y) ∈ R2 | x + y 1 = (x, y) | y 1 − x ,
1
2
L3 = (x, y) ∈ R | x + 2y 6 = (x, y) | y 3 − x ,
2
L4 = (x, y) R2 | 2x − y 2 = (x, y) | y 2x − 2 .
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0.3 Mengen
0|37
y
6
1
5
4
4
(0, 3)
3
2
(2, 2)
M
1
3
(1, 0)
(0, 1)
x
−4
−3
−2
1
−1
2
3
4
5
−1
2
−2
−3
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