Stoffwechseluntersuchungen bei Mikroorganismen mit Hilfe radioaktiver Isotope 11 Kompetitive und nicht-kompetitive Enthemmung von 5-82Br-Uracil * V o n F R I E D R I C H W E Y G A N D , A D O L F W A C K E R u n d HANSWERNER D E L L WEG Aus dem Chemischen Institut der Universität Heidelberg (Z. Naturforschg. 7 b, 19—25 [1952]; eingegangen am 30. Oktober 1951) Wächst Streptococcus faecalis R mit Thymin und 5-82Br-Uracil, so besteht eine Gesetzmäßigkeit zwischen der aufgenommenen Hemmstoffmenge und der Wachstumsstärke der Bakterienkultur derart, daß die Kultur mit dem kleineren Trübungswert die größere Hemmstoffmenge pro mg Bakterien enthält. Bei der nichtkompetitiven Enthemmung von 5-82Br-Uracil mit Folsäure wurde in den Zellen mehr 5-82Br-Uracil gefunden, als unter den gleichen Bedingungen bei der kompetitiven Enthemmung mit Thymin. Wie papierchromatographische Untersuchungen ergaben, wird das von der Zelle gebundene 5-82Br-Uracil in die „Nucleinsäure" eingebaut. Durch die Verwendung von 5-82Br-Uracil wurden die Kenntnisse über Zellteilung und Gültigkeit des Massenwirkungsgesetzes in der Bakterienzelle vertieft. K ürzlich konnten wir mit Hilfe von radioaktivem Brom zeigen, daß bei der kompetitiven Enthemmung von 5- 82 Br-Uracil mit Thymin bei Streptococcus faecalis R sich in den Bakterien weniger Hemmstoff befindet als bei der nichtkompetitiven Enthemmung mit Folsäure 1 . Zur Klärung des Mechanismus der kompetitiven und nichtkompetitiven Enthemmung von 5-Brom-uracil werden in der vorliegenden Arbeit weitere Versuche mitgeteilt. Methodik Synthese von 5-82Br-Uracil** 5-82Br-Uracil Die Synthese von ist bereits in der I. Mitt. beschrieben worden1. In 160 mg Bromuracil waren bei verschiedenen Versuchen zwischen 2 und 5 mC 82 Br enthalten. Z ü c h t u n g und A u f a r b e i t u n g der B a k t e r i e n Sc. faecalis R wurde in Oberflächenkultur auf Schrägagar (synthetisches Medium + 2% Agar) gehalten und monatlich überimpft. Zwecks Beimpfung eines Versuches wurden 2 Vorpassagen in synthetischem Medium + 3,3 my/cm3 Folsäure durchgeführt. Zusammensetzung des Nährmediums (Konz./cm3): KH,P0 4 2,5 mg; NaCitrat 25 mg; Casein (mit Pancreatin verdaut) 5 mg; Glucose 20 mg; Cystein-hydrochlorid 0,2 mg; Adenin 10 y; Guanin 10 y; Uracil 10 y; Xanthin 10 y; Asparagin 0,1 mg; * Vorgetragen von F. W e y g a n d auf der I s o t o p e T e c h n i q u e s C o n f e r e n c e , Oxford/England, Juli 1951. ** Die Synthese von 5-82Br-Uracil wurde von Dipl.Chem. H. G r i s e b a c h durchgeführt. d,Z-Alanin 0,2 mg; Aneurin 0,2 y; Lactoflavin 0,2 y; Nicotinsäure 0,6 y; Adermin 1,2 y; Calciumpantothenat 0,4 v; Biotin 0,4 my; M g S 0 4 - 7 H 0 0 200 y; NaCl 10 y FeS0 4 • 7 H 2 0 10 y; M n S 0 4 - 2 H 2 0 6,7 y. Alle Verbindungen wurden zusammen sterilisiert. Die Züchtung erfolgte in 100 cm3 Erlenmeyer-Kolben (60 cm3 Medium) mit Kapsenberg-Kappen. Sterilisation: 20 Min. bei 100°. Impfmenge: 2 Ösen 0 2 mm. Bebrütung bei 37°. Die Stärke des Wachstums wurde durch Trübungsmessung mit dem lichtelektrischen Kolorimeter nach Dr. B. L a n g e bestimmt. Ablesung an der Extinktionsskala, Skalenteile mal 1000. Nachdem die Bakterien gewachsen waren, wurden sie in V 2 A - Stahlbechern abzentrifugiert (15000 Umdr./min), 5-mal mit je 10 ccm dest. Wasser gewaschen und anschließend in den Bechern bei 80°/12 Torr getrocknet.'Dann wurde die Bakterienmasse in den Bechern zerkleinert und auf M essin gschälchen (innerer 0 1,4 cm) gebracht. Es wurde darauf geachtet, daß die getrockneten Bakterien möglichst gleichmäßig auf den Schälchen verteilt waren. Mit dem Strahlungsmeßgerät FH 41 mit eingebautem ^-Zählrohr ( F r i e s e k e & H o e p f n e r , Erlangen-Bruck) wurde die Aktivität der Präparate gemessen. Da 82 Br eine harte Strahlung aussendet, spielt die Korngröße der Bakterien keine so große Rolle wie beim Arbeiten mit einem weichen Strahler, z. B. 14C oder 35S -. Nachdem wir mit sorgfältig pulverisierten Bakterien und beim Arbeiten mit kleiner Schichtdicke ( ^ 1 mg/cm2) ungefähr die gleichen Ergebnisse erhielten wie beim Arbeiten mit weniger sorgfältig zerkleinerten Bakterien und etwas größerer Schichtdicke, führten wir die weiteren Versuche ohne spezielle Behandlung der Bakterien aus. 1 F. W e y g a n d , A. W a c k e r u. H. G r i s e b a c h , Z. Naturforschg. 6b, 177 [1951]. 2 H. N o l l , J. B a n g , E. S o r k i n u. H. E r l e n m e y e r , Helv. chim. Acta 34, 340 [1951]. Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschung in Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht: Creative Commons Namensnennung-Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland Lizenz. This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution-NoDerivs 3.0 Germany License. Zum 01.01.2015 ist eine Anpassung der Lizenzbedingungen (Entfall der Creative Commons Lizenzbedingung „Keine Bearbeitung“) beabsichtigt, um eine Nachnutzung auch im Rahmen zukünftiger wissenschaftlicher Nutzungsformen zu ermöglichen. On 01.01.2015 it is planned to change the License Conditions (the removal of the Creative Commons License condition “no derivative works”). This is to allow reuse in the area of future scientific usage. Als Standardpräparat verwendeten wir reines 5- 82 BrUracil, vcn dem wir verschiedene Einwaagen machten. Im allgemeinen zählten wir bis 10000 Impulse, um den Fehler unter ± 5 % zu halten. Die Korrektur für den radioaktiven Abfall ermittelten wir derart, daß wir zu Beginn und am Ende einer Meßreihe von dem gleichen Präparat die Aktivität bestimmten. Die Bakterien wurden durch die verwendete Strahlungsintensität nicht in ihrem Wachstum gehemmt. Zur Kontrolle nahmen wir bei jedem Versuch eine Hemmkurve mit aktivem und inaktivem Brom-uracil auf. Um die Frage zu entscheiden, ob durch das Waschen mit dest. Wasser 5- 8: Br-Uracil aus den Bakterien entfernt wird, haben wir die Aktivität der Waschwässer bestimmt. Das Waschwasser wurde in kleinen Petrischalen [0 3,5 cm) abgedampft und anschließend die Aktivität des Rückstandes mit dem /^-Zählrohr gemessen. Es zeigte sich, daß das erste Waschwasser entsprechend der Konzentration Papierchromatographie Papier: W h a t m a n Nr. 1; Lösungsmittel: n-Butanol mit Wasser gesättigt. Es wurde absteigend bei 20° chromatographiert. Die Stellen auf dem Papier, auf denen sich die Nucleinsäure, die Purine und Pyrimidine befanden, wurden mit UV-Licht der Wellenlänge ~ 260 m u ermittelt 4 . Danach wurde das Chromatogramm in Streifen geschnitten und deren Aktivität mit dem /^-Zählrohr gemessen. Die aus den Bakterien mit 10-proz. NaCl-Lösung bei 95° isolierte Nucleinsäure wurde nach der Methode von M a r s h a k und V o g e l 5 gespalten. Ergebnisse Versuche mit wachsenden Bakterien In Abb. 2 sind Wachstumskurven von Sc. faecalis R mit Thymin und verschiedenen Konzentrationen 5- I 1 b=—; 7. 2. 3. f. 5,: Abb. 1. Aktivität der Waschwasser in Teilchen/min ohne Berücksichtigung des Nulleffektes. Im Kulturmedium befanden sich H 1-4, O—O 33, • — • 133 und A—A 266 y/ccm 5- 8: Br-Uracil. Die Bakterien hatten eine Aktivität von 4 f- 1750, O —O 1280, • — • 2500 und A—A 2400 Teilchen / min. O r d i n a t e : Teilchen / min, A b s z i s s e : Waschwasser Nr. Abb. 2. Wachstum von Sc. faecalis R nach 18 Stdn. in Anwesenheit von A — A 4 y/ccm, X — X 16 y/ccm, O — O 66 y/ccm und • — • 266 y/ccm 5- 8: Br-Uracil und steigenden Mengen Thymin. O r d i n a t e : Trübungswert; Ablesung an der Extinktionsskala des lichtelektrischen Kolorimeters nach Dr. B. L a n g e (Skalenteile X 1000). A b s z i s s e : y/ccm Thymin. des 5-82Br-Uracils im Nährmedium die größte Aktivität besaß, die von der restierenden Flüssigkeitsmenge beim Zentrifugieren herrührte. Mit dem zweiten und dritten Waschwasser sank aber die Aktivität schnell und erreichte schließlich einen Endwert, der auch durch weiteres Waschen nicht mehr unterschritten wurde (Abb. 1). Offenbar wird also durch mehrmaliges Waschen keine ins Gewicht fallende Menge 5-8-Br-Uracil aus den Bakterien entfernt 3 . Zu den Versuchen mit ruhenden Bakterien ist folgendes zu bemerken. Die von dem Nährmedium abzentrifugierten Zellen wurden mit physiologischer Kochsalzlösung 3-mal gewaschen. Darauf wurden sie in einer Menge physiologischer Kochsalzlösung suspendiert, die dem Volumen der ursprünglichen Kulturlösung entsprach und 14 Stdn. bei 37° gehalten. Je nach den Versuchsbedingungen enthielt die NaCl-Lösung 5-82Br-Uracil, Thymin oder beides zusammen. Die weitere Aufarbeitung der Bakterien erfolgte wie oben beschrieben. 82 Br-Uracil aufgezeichnet. Dividiert man die zur Erreichung eines gleichhohen Trübungswertes erforderliche Menge Thymin durch die entsprechende Menge 5- 82 Br-Uracil, so sieht man, daß der Quotient Thymin/5- 82 Br-Uracil (y/cm3) ungefähr gleich bleibt; d. h. nicht die absolute Konzentration der Wirkstoffe im Nährmedium bestimmt die Größe des Wachstums, sondern ihr Verhältnis 6 . Der Grund hierfür ist folgender: Wuchs- und Hemmstoff haben ähnliche Struktur und reagieren mit dem gleichen Rezeptor in der Zelle; diese Reaktion verläuft nach dem Massenwirkungsgesetz. Vgl. hierzu die Untersuchungen von H. N o 11 et al.2. R . M a r k h a m u. J. D. S m i t h , Biochem. J. 45, 294 [1949]. 5 A. M a r s h a k u. H. J. V o g e 1, J. biol. Chemistrv 189, 597 [1951], 3 4 Durch die Verwendung von radioaktivem 5-Bromuracil war es nun möglich, die Verhältnisse in der Zelle in bezug auf Brom-uracil zu studieren. — In Abb. 3 ist auf der Abszisse aufgetragen, wieviel 5- 82 Br-Uracil sich in den Bakterien befindet, auf der Ordinate der Quotient der im Medium befindlichen Konzentrationen Thymin/5- 82 Br-Uracil. Man sieht, e D. D. W o o d s , Brit. J. exp. Pathol. 21, 74 [1940]. daß die Menge 5-Brom-uracil, die sich in den Bakterien befindet, von dem Verhältnis Thymin/5-Bromuracil abhängt. 8 v 2 1 kultur auf, so erhält man eine Gerade, wie Abb. 5 zeigt. Verlängern wir in Abb. 5 die Gerade bis zur Ordinate, so zeigt der Schnittpunkt mit ihr den Trübungswert, den die Bakterienkultur ohne 5-Bromuracil erreichen sollte, was auch zutrifft. Der Schnittpunkt mit der Abszisse gibt den Wert an Brom-uracil an, bei dem keinerlei Wachstum mehr erfolgt und der wo US + > 300 - 0ß5 ZOO 0,12 100 0,06 0,03 20 ' 0.5 1 1.5 WO 300 J 10 60 80 Abb. 4. Zusammenhang zwischen Trübungswert der Bakterienkultur und Gewicht der getrockneten Bakterien. O r d i n a t e : siehe Abb. 2. A b s z i s s e : mg; Trockengewicht der in 120 ccm Kulturmedium enthaltenen Bakterien. too 200 300 100 200 0,5 1 1,5 100 Abb. 3 und 5. Von den Bakterien nach 18 Stdn. aufgenommene Menge 5- 8 Br-Uracil in Abhängigkeit von dem Verhältnis Thymin/5-Brom-uracil. Konzentration des 5^Br-Uracil: A —A 4 yl ccm, X — X 16 y /ccm, O—O 66 yl ccm und • — • .266 yl ccm. O r d i n a t e der Abb. 3: Quotient aus yl ccm Thymin / yl ccm 5-82Br-Uracil. O r d i n a t e d e r A b b . 5: Trübungswert. A b s z i s s e : y 5-82Br-Uracil pro mg getrockneter Bakterien. Abb. 6 (vgl. Tab. 1). Aufnahme von 5-8'-Br-Uracil durch Sc. faecalis R nach 16 Stdn. in Anwesenheit von Thymin (T) oder Folsäure (F). O r d i n a t e : Trübungswert. A b s z i s s e : y 5-8-Br-Uracil pro mg getrockneter Bakterien. Bestimmt man die Stärke des Wachstums durch Trübungsmessungen mit dem lichtelektrischen Kolorimeter nach Dr. B. L a n g e unter Verwendung der Extinktionsskala des Gerätes, so besteht ein linearer Zusammenhang zwischen dem Trübungswert einer Bakterienkultur und dem Gewicht der getrockneten Bakterien, oder, gleiche Größe aller Zellen vorausgesetzt, ihrer Zahl (s. Abb. 4). — Trägt man in Abb. 3 auf der Ordinate an Stelle des Quotienten Thymin/5- 82 Br-Uracil den Trübungswert der Bakterien- ungefähr der maximal aufnehmbaren Menge 5-Bromuracil entspricht, was auch aus den nachfolgend beschriebenen Versuchen mit Folsäure als Wuchsstoff hervorgeht. Wieviel Brom-uracil befindet sich nun in den Bakterien, wenn diese mit Folsäure gewachsen sind? Bevor wir diese Frage beantworten, müssen wir eine gewisse Einschränkung machen. Das gewählte Beispiel Sc. faecalis R, Folsäure, Thymin und 5-Bromuracil ist nicht ideal, weil nämlich auch in Gegenwart Folsäure (my/ccm) 3,3 3,3 3,3 3,3 3,3 Thymin (y/ccm) 3,3 3,3 3,3 2 2 2 2 2 2 2 2 33 16 8 4 5-82Br-Uracil (y/ccm) 33 16 8 4 33 16 8 4 33 16 8 4 133 133 133 133 Trübungswert der Bakt.kultur nach 16 Stdn. 155 160 190 210 225 275 330 365 190 250 330 370 375 320 220 112 y mg getrockneter Bakterien 2,16 1,98 1,65 1,44 1,37 1,04 0,59 0,33 1,39 1,28 0,71 0,45 0,41 0,69 1,26 1,63 5-8äBr-Uracil/ Tab. 1. Graphische Darstellung der Werte siehe Abb. 6 und 7. von Folsäure 5-Brom-uracil das Wachstum hemmt 7 . Diese Hemmung ist nicht stark und kann auch durch Verwendung größter Mengen 5-Brom-uracil nicht vermehrt werden. Trotzdem ist es erforderlich, die von den Bakterien in Anwesenheit von Folsäure und in Anwesenheit von Thymin aufgenommene Hemmstoffmenge bei dem gleichen Trübungswert der Bak- Ordinate und Abszisse siehe Abb. 6. terienkulturen zu vergleichen. Der Stamm muß sich also in Gegenwart von Folsäure und 5-Brom-uracil wie auch in Gegenwart von Thymin und 5-Bromuracil gleichschnell vermehren. Darauf achteten wir in der I. Mitt. 1 noch nicht. In Abb. 6 sind 2 Kurven einer anderen Versuchsreihe zu sehen; F zeigt die pro mg Bakterien aufgenommene Hemmstoffmenge, wenn sie mit Folsäure gewachsen sind, T, wenn sich die Bakterien in Gegenwart von Thymin vermehrt haben. Die Kurve T zeigt den vorhin besprochenen Verlauf. Wächst das Bakterium mit Folsäure und wird dabei die Menge 5- 8 -Br-Uracil von 33 auf 4 y/'cm3 verringert, so wird auch von den Zellen entsprechend weniger Hemm7 Vgl. Abb. 4 a. F. W e y g a n d , E. F. M ö l l e r u. A. W a c k e r , Z. Naturforschg. 4b, 269 [1949], stoff aufgenommen. Sind gleichzeitig Folsäure, Thymin und 5- 82 Br-Uracil vorhanden, so zeigt sich ebenfalls eine Gesetzmäßigkeit zwischen der aufgenommenen Hemmstoffmenge und dem Trübungswert der Bakterienkultur. Verbindet man in Abb. 7 die entsprechenden Punkte miteinander, so ergibt sich eine Gerade, die weitgehend der Thymin-Geraden Folsäure (my/ccm) 3,3 3,3 3,3 3,3 5-82Br-Uracil (y/ccm) 33 66 133 266 Trübungswert der Bakterienkultur nach 16 Stdn. 152 140 117 116 y 5-82Br-Uracil/mg getrockneter Bakterien 2,5 2,2 2,0 2,5 Tab. 2. 5-82Br-Uracil-Aufnahme durch Sc. faecalis Anwesenheit großer Mengen Hemmstoff. R in der Abb. 6 gleicht. Wie weitere Versuche zeigten, scheinen bei einer Konzentration von 33 y/cm3 5- 82 BrUracil in Gegenwart von Folsäure, in den Bakterien alle Rezeptoren besetzt zu sein, denn bei einer weiteren Steigerung der Hemmstoffmenge auf 266 y/cm3 wird von den Bakterien nicht mehr Hemmstoff aufgenommen (Tab. 2). Auffällig ist, daß die von den Zellen maximal aufgenommene Hemmstoffmenge ungefähr mit dem Wert übereinstimmt, der sich ergibt, wenn die Thymin-Gerade die Abszisse schneidet (vgl. Abb. 5 und 6). Von diesem Schnittpunkt sagten wir oben, daß er die Menge 5- 82 Br-Uracil anzeigt, bei der praktisch alle Rezeptoren besetzt sein müssen. — Das wichtigste Ergebnis aber, das wir Abb. 6 entnehmen können ist folgendes: Wächst Sc. faecalis R mit Folsäure und 5- 82 Br-Uracil, so enthält das Bäk- terium mehr Hemmstoff, als wenn es unter den gleichen Bedingungen mit Thymin und 5- 82 Br-Uracil wächst. Um nun die Frage zu entscheiden, warum sich das Bakterium in Anwesenheit von Folsäure und einer Menge 5-Brom-uracil, die bei Verwendung einer physiologischen Konzentration Thymin an Stelle von Folsäure total hemmen würde, trotzdem vermehrt, war es erforderlich, festzustellen, was mit dem Hemmstoff innerhalb der Zelle geschieht. Da 5-Brom-uracil ein kompetitiver Antagonist des Thymins ist 8 , konnte man annehmen, daß das 5-Brom-uraeil irgendwie in den Stoffwechsel der Desoxy-ribonucleinsäure eingreift. säure 10 y 5- 82 Br-Uracil zu. Durch mehrfaches Waschen mit 95-proz. Alkohol konnten wir die zugesetzte Aktivität wieder entfernen, während dagegen die aus den Bakterien extrahierte in der Nucleinsäure verblieb. — zoom woM L J L zoo-m Papierchromatographische Untersuchung der B a k t e r i e n n u c l e i n s ä u r e Um zu sehen, ob 5- 82 Br-Uracil in die Nucleinsäure eingebaut wird, haben wir aus 370 mg Bakterien, die mit Folsäure (3,3 my/cm3) und 5- 82 Br-Uracil (66y/cm 3 ) gewachsen waren, die Ribo- und gleichzeitig damit die Desoxy-ribonucleinsäure mit 10-proz. NaCl-Lösung extrahiert. Zuvor wurden die Bakterien mit Wasser, Alkohol, Trichloressigsäure-Lösung und Äther gewaschen; dabei wurden keine nennenswerten Mengen 5- 8 -Br-Uracil aus den Bakterien entfernt. Die umgefällte und von NaCl weitgehend befreite Nucleinsäure wurde a) als solche chromatographiert, b) unter Zusatz von 5- 82 Br-Uracil und c) nach Hydrolyse mit 12-n. Perchlorsäure, außerdem d) 5- 82 Br-Uracil allein. Dabei ergab sich (Abb. 8): In dem verwendeten Lösungsmittelsystem n - B u t a n o l - H 2 0 wandert die Ribo- und Desoxy-ribonucleinsäure nicht von der Startlinie des Chromatogramms ab. Die gesamte aus den Bakterien extrahierte Aktivität blieb ebenfalls auf der Startlinie sitzen. Wurde dagegen 5- 82 Br-Uracil der Nucleinsäure zugesetzt, so wanderte das zugesetzte 5- 82 Br-Uracil mit einem RF-Wert von 0,52. Erst nachdem wir die Nucleinsäure mit Perchlorsäure gespalten hatten, wanderte die aus den Bakterien extrahierte Aktivität mit dem RF-Wert von 5-Bromuracil. Gleichzeitig fanden wir auf dem Chromatogramm Adenin, Uracil, Cytosin und Guanin. In einem weiteren Versuch setzten wir der extrahierten Nuclein8 G. H. H i t c h i n g s , E.A. F a l c o u. M. B. S h e r w o o d , Science [New York] 102, 251 [1945], a) 1 1 41 « 200- 1 700- GC 200- 700- 0 U A B l 0,1 0,2 0,3 O/f 0,5 0,6 0,7 0,8 03 1 Abb. 8. Skizze der Papierchromatogramme mit zugehöriger Aktivität, a) Nucleinsäure, b) Nucleinsäure + 2 y 5- 82 BrUracil, c) Nucleinsäure nach der Hydrolyse mit Perchlorsäure, d) 1,5 y 5-8-'Br-Uracil. O r d i n a t e : Aktivität in Teilchen/Minute. A b s z i s s e : Rp -Wert. Z e i c h e n e r k l ä r u n g : N = Nucleinsäure, G = Guanin, C = Cytosin, U = Uracil, A = Adenin, B = 5-82Br-Uracil. Aus diesen Ergebnissen kann man schließen, daß 5- 82 Br-Uracil in der Bakterienzelle nicht umgewandelt, sondern vermutlich in die Desoxy-ribonucleinsäure eingebaut wird. Wachsen die Bakterien mit Thymin und 5-Brom-uracil und wird dabei 5-Brom-uracil von den Zellen aufgenommen, so dürfte es auch in diesem Falle in die Thymonucleinsäure eingebaut werden. Versuche mit ruhenden Bakterien In einem Versuch waren die Bakterien (Abb. 9) mit Folsäure gewachsen. Danach wurden sie von dem Nährmedium zentrifugiert, gewaschen und in physiologischer Kochsalzlösung, die steigende Mengen 582 Br-Uracil enthielt, suspendiert. Wie aus der Abb. hervorgeht, nehmen die Bakterien auch in ruhendem y 5-82Br-Uracil/mg getrockneter Bakterien nach Bebrütung in: a) 0 , 9 % NaCl-Lösung b) 0 , 9 % NaCl-Lösung + 2 y/ccm Thymin c) 0,9 % NaCl-Lösung + 66 y/ccm Thymin 14 Stdn. 2,26 1,86 1,57 Tab. 3. Verdrängung von 5-82Br-Uracil aus ruhenden Zellen von Sc. faecalis R durch Thymin. Die Bakterien waren mit 3,3 my/ccm Folsäure und 66 y/ccm 5-82Br-Uracil gewadisen. In einem weiteren Versuch ließen wir Sc. faecalis R mit Folsäure und 5- 82 Br-Uracil wachsen. Trotz 14-stdg. Bebrütung der in physiologischer Kochsalzlösung suspendierten Zellen war es nicht möglich, 5- 82 Br-Uracil aus den Bakterien zu „eluieren". Erst nachdem wir der NaCl-Lösung Thymin zufügten, wurde entsprechend der Konzentration des Thymins 5- 82 Br-Uracil aus den Zellen in Freiheit gesetzt (s. Tab. 3). Diskussion Abb. 9. Aufnahme von 5-82Br-Uracil durch ruhende Zellen von Sc. faecalis R in Anwesenheit von A — AO y/ccm, A 2 y/ccm und A 66 y/ccm Thymin und steigenden Mengen 5-82Br-Uracil. O r d i n a t e : y 5-82Br-Uracil pro mg getrockneter Bakterien. A b s z i s s e : y/ccm 5-82Br-Uracil. 16 33 66 133 Abb. 10. Hemmstoffaufnahme durch ruhende Zellen von Sc. faecalis R in Anwesenheit von X — X 0 y/ccm und O 2 bzw. 66 y/ccm Thymin und steigenden Mengen 5- 82 BrUracil. Ordinate und Abszisse siehe Abb. 9. Zustand radioaktives Bromuracil auf. Ist gleichzeitig noch Thymin vorhanden, so wird weniger Hemmstoff von den Zellen gebunden. Wächst Sc. faecalis R mit Thymin und werden die zentrifugierten und gewaschenen Zellen mit den gleichen Konzentrationen 5- 82 Br-Uracil wie in dem vorhergehenden Versuch zusammengebracht, so ist auch hier die aufgenommene Hemmstoffmenge von der Konzentration des Hemmstoffes in der Lösung abhängig (Abb. 10). Im Vergleich zu den mit Folsäure gewachsenen Bakterien wird jedoch weniger 5- 82 Br-Uracil aufgenommen. Ist neben Brom-uracil noch Thymin in der Lösung, so wird dadurch die aufgenommene Hemmstoffmenge noch weiter reduziert. 9 Eigene Zählungen; siehe auch Fußnote 2. Durch Verwendung von radioaktivem 5-Bromuracil war es möglich, den Mechanismus der kompetitiven und nichtkompetitiven Enthemmung genauer zu studieren. Im Falle der kompetitiven Enthemmung von Sc. faecalis R durch Thymin zeigte sich, daß die aufgenommene Hemmstoffmenge von dem Verhältnis der Konzentration Thymin/5-Bromuracil abhängt und nicht von der absoluten Menge des Hemmstoffes im Nährmedium. — Die aufgenommene Menge 5-Brom-uracil bestimmt die Stärke des Wachstums derart, daß die weniger gut gewachsene Kultur mehr Hemmstoff enthält. Wir müssen jedoch beachten, daß wir mit unserer Methodik nicht den Zustand eines einzelnen Bakteriums erfassen, sondern statistisch den der gesamten Bakterienkultur. Unter der Annahme, daß ungefähr 2 y 5 82 Br-Uracil maximal in 1 mg getrockneter Bakterien enthalten sind und 1 mg Bakterien aus 10 9 Zellen besteht 9 , errechnen sich daraus 10 6 Moleküle 5-Brom-uracil pro Bakterium. Zu der gleichen Zahl kommt man auch, wenn man die Anzahl der Moleküle Thymin in der Thymonucleinsäure eines Bakteriums bestimmt 10 und schließlich fanden wir bei der Extraktion der Nucleinsäure aus Sc. faecalis R Werte für Adenin und 5 82 BrUracil, die dem oben angegebenen Wert entsprechen. Wir können annehmen, daß die Verbindung Rezeptor—Substrat reversibel ist. Dadurch ist es mögK. D i m r o t h u. L. J a e n i c k e , Z. Naturforschg. 5 b, 185 [1950]; F. J . D i C a r l o et al., J. biol. Chemistry 180, 329 [1949]; E. C h a r g a f f , S. Z a m e n h o f , J. biol. Chemistry 173, 327 [1948], lieh, daß der Rezeptor eine gewisse Zeit von dem Wuchsstoff wie auch von dem Hemmstoff besetzt werden kann. Die Verweilzeit an dem Rezeptor wird durch die Affinität des Substrats zum Rezeptor bestimmt und findet ihren Ausdrude in dem molaren Verhältnis der Konzentrationen Wuchsstoff/Hemmstoff, die zur Erreichung eines bestimmten Wachstums erforderlich sind. nucleinsäure ist. Da bei der nichtkompetitiven Enthemmung von 5-Brom-uracil mit Folsäure der Hemmstoff in der Zelle verbleibt, muß er also an Stelle des Thymins in die Desoxyribonucleinsäure eingebaut werden 1 1 . Die Versuchsergebnisse bestätigen dies auch, denn ohne die Spaltung der Nucleinsäure mit Perchlorsäure wird daraus 5- 92 Br-Uracil nicht in Freiheit gesetzt. Eine Zelle kann sich erst dann teilen, wenn entweder alle oder ein bestimmter Teil der Rezeptoren frei von Hemmstoff sind. Dieser Zustand wird aber um so häufiger eintreten, je größer das Verhältnis Wuchsstoff/Hemmstoff ist, mit anderen Worten, in der Zeiteinheit werden die Zellen, die im Durchschnitt weniger Hemmstoff enthalten, sich schneller teilen als die, die mehr Hemmstoff enthalten. Infolgedessen enthält die Bakterienkultur mit dem größeren Trübungswert im Durchschnitt pro Zelle iveniger Hemmstoff. Die Ergebnisse mit ruhenden Bakterien können als ein weiterer Beweis für den festen Einbau von 5Brom-uracil in die Nucleinsäure aufgefaßt werden. Bislang haben wir den in der Zelle in ungebundener Form vorliegenden Anteil 5-Brom-uracil nicht berücksichtigt. Aus den Versuchsergebnissen kann man nicht entnehmen, wie groß er ist; seine Größe hängt aber in irgendeiner Weise mit der Konzentration des Hemmstoffes im Nährmedium zusammen ; Dies gilt jedoch nicht für den gesamten Konzentrationsbereich (bis 266 yl cm 3 ), denn nach Absättigung der Rezeptoren wird die Aufnahmefähigkeit der Zelle beschränkt sein. Auch wird bei einer Lokalisierung an der Oberfläche der Zelle der in ungebundener Form vorliegende Anteil eines Stoffes ein anderer sein, als wenn sich die Rezeptoren im Zellinnern befinden. Dies muß man im Falle des Thymins bzw. 5-Bromuracils beachten, da sich die Ribonucleinsäure vermutlich nahe der Zelloberfläche befindet 12 und die Desoxyribonucleinsäure genetisch eng mit der Ribonucleinsäure zusammenhängt. Wohl der Hauptgrund, warum wir über den in freier Form vorhandenen Anteil nichts aussagen können, liegt in der Aufarbeitung der Bakterien. Beim Waschen mit dest. Wasser wie mit physiologischer Kochsalzlösung wird der sich im Gleichgewicht mit der Konzentration im Medium befindliche Anteil in der Zelle mit verdünnt und entzieht sich so der Beobachtung. Im Falle der nichtkompetitiven Enthemmung von 5- 82 Br-Uracil durch Folsäure fanden wir in den Bakterien mehr Hemmstoff als unter den gleichen Bedingungen (Trübungswert) bei der kompetitiven Enthemmung mit Thymin. Daraus kann man schließen, daß in Anwesenheit von Folsäure kein Thymin zur Enthemmung von 5-Brom-uracil gebildet wird und der Stoffwechsel in einer anderen Weise verläuft. Durch die papierchromatographische Untersuchung der Nucleinsäure konnten wir auch etwas über den Verbleib des 5- 82 Br-Uracils in der Zelle aussagen. — Der Mechanismus der kompetitiven und nichtkompetitiven Enthemmung ist durch die Spezifität des Substrates gekennzeichnet. Wenn man mit Thymin in kompetitiver Weise die Hemmung von 5-Brom-uracil aufheben kann, so folgt daraus, daß 5-Brom-uracil den Platz in der Zelle besetzt, der sonst von Thymin eingenommen wird, das ein Baustein der DesoxyriboVgl. hierzu die Untersuchungen von G. W. K i d d e r et al., J. biol. Chemistry 179, 181 [1949]; L. L. B e n n e 11 et al., Cancer Res. 10, 644 [1950]; J. H. M i t c h e 11 et al., Cancer Res. 10, 647 [1950]; G. W. K i d d e r et al., Cancer Res. 11, 204 [1951]. « A. P. N y g a a r d u. V. H. C h e 1 d e 1 i n , J. Bacteriology 61, 497 [1951]. 11 Wir danken Hrn. K. W a c k e r für unermüdliche Hilfe bei den Versuchen, der Fa. F r i e s e k e & H o e p f n e r , Erlangen-Bruck, für Überlassung eines Strahlungsmeßgerätes FH 41. Der N o t g e m e i n s c h a f t d e r D e u t s c h e n W i s s e n s c h a f t danken wir für Unterstützung dieser Arbeit,• ebenso dem F o n d s f ü r C h e m i e für die Gewährung eines Stipendiums (A. W.).