Veronika Lange BASICS Kardiologie Leseprobe BASICS Kardiologie von Veronika Lange Herausgeber: Elsevier Urban&Fischer Verlag http://www.narayana-verlag.de/b14922 Im Narayana Webshop finden Sie alle deutschen und englischen Bücher zu Homöopathie, Alternativmedizin und gesunder Lebensweise. Das Kopieren der Leseproben ist nicht gestattet. Narayana Verlag GmbH, Blumenplatz 2, D-79400 Kandern Tel. +49 7626 9749 700 Email [email protected] http://www.narayana-verlag.de Klinik Die Hypertonie ist eine Volkskrankheit der westlichen Bevölkerung. In der Gruppe der über 45-Jährigen liegt die Hypertonie-Rate bereits bei 25%. Physiologisch sind Blutdruckwerte definitionsgemäß < 130/85 mmHg, hochnormal bei Werten <140/90mmHg. Nachdem der Hypertonus zumeist asymptomatisch ist und sich erst in späteren Stadien durch seine Folgeerkrankungen zeigt, befinden sich nur die wenigsten Betroffenen in Behandlung. Die Hypertonie ist meist bis zum Auftreten der ersten Komplikationen asymptomatisch oder verursacht lediglich uncharakteristische Beschwerden wie Kopfschmerzen, Schwindel oder Nasenbluten. Durch regelmäßige Blutdruckmessungen sollte deshalb versucht werden, den Bluthochdruck im asymptomatischen Stadium, also noch vor Manifestation der ersten Komplikationen, zu entdecken. Pathogenese Folgeerkrankungen Der Blutdruck wird vom ausgeworfenen Blutvolumen und dem peripheren Gefäßwiderstand bestimmt. Durch Veränderung einer der Komponenten kann eine Hypertonie entstehen: • Widerstand: Ist der periphere Gefäßwiderstand durch generalisierte Vasokonstriktion erhöht, resultiert eine meist starke Blutdruckerhöhung. • Volumen: Aus einer Erhöhung des Blutvolumens resultieren meist etwas geringere Blutdruckerhöhungen. Erhöhte Herzarbeit kann ein großes Blutvolumen „vortäuschen". Die unbehandelte Hypertonie führt bei 40 % der Patienten nach 10 Jahren zu Organschäden, die Lebenserwartung sinkt um 10-20 Jahre. • Herz: Der Hypertonus bedeutet eine Mehrbelastung des Herzens und führt zur konzentrischen Herzmuskelhypertrophie. Ab einem kritischen Herzgewicht von 500 g kommt es zu Perfusionsstörungen und se kundär zur Dilatation des linken Ventrikels (exzentrische Hypertrophie). Spätfolge ist eine zunehmende Linksherzinsuffizienz. • Gefäße: Die Hypertonie ist ein Risiko faktor erster Ordnung für die Entstehung der Atherosklerose. Sie betrifft insbesondere die Koronar-, Renal- und Zerebralgefäße. Man unterscheidet verschiedene Formen der Hypertonie: • Primäre, essenzielle Hypertonie (95 %): Die Ursache der primären Hypertonie ist nicht bekannt. Man geht jedoch davon aus, dass neben genetischen auch Umweltfaktoren einen gewissen Einfluss haben. Diese Diagnose „primäre Hypertonie" kann mit letzter Sicherheit nur nach Ausschluss aller sekundären Ursachen gestellt werden. • Sekundäre Hypertonie (5%): - Renal: Eine Minderdurchblutung der Nieren ist Stimulus für eine Reninausschüttung, die über Erhöhung des pe ripheren Gefäßwiderstands und des Blutvolumens den Blutdruck modu liert. So kann eine Nierenarterienstenose Ursache einer Hypertonie sein. - Endokrin: Eine Überproduktion der Sympathikus-Hormone Adrenalin und Noradrenalin (z. B. durch ein Phäochromozytom) kann den Blutdruck über Vasokonstriktion und gesteigerte Herzarbeit erhöhen. - Kardiovaskulär: Die Aortenisthmusstenose führt zu einer Hypertonie im Stromgebiet vor der Stenose. Nimmt im Alter die Windkesselfunk tion der Aorta ab, steigt der systolische Blutdruck. - Neurogen: Veränderungen der Barorezeptoren können den sog. Entzügelungshochdruck auslösen. Leseprobe von V. Lange, „BASICS Kardiologie“, Herausgeber: Elsevier Urban & Fischer Leseprobe erstellt vom Narayana Verlag, 79400 Kandern, Tel: 0049 (0) 7626 974 970-0 Durch die Hypertonie treten in der Netzhaut Gefäßschäden auf (Fundus hypertonicus). Diagnostik Einschätzung des Hypertonus Wird bei einer routinemäßigen Blutdruckkontrolle ein erhöhter Blutdruck festgestellt, werden wiederholte Blutdruckmessungen durchgeführt, am besten durch regelmäßige Selbstmessungen und Dokumentation des Patienten zu Hause, um unter anderem einen Weißkittelhypertonus (ausgelöst durch den Stress des Arztbesuchs) auszuschließen und das Hochdruck-Profil (* Tab. 19.1) zu erfassen. Jeder Patient mit Hypertonus sollte eine 24h-Blutdruckmessung erhalten (• Tab. 19.2). Ein besonderes Augenmerk sollte auf die Nachtabsenkung des Blutdrucks (dipp) gelegt werden: Sinkt der Blutdruck in der Nacht nicht um mindestens 10 %, so kann dies ein Hinweis auf sekundäre Genese des Hypertonus sein. Abb. 19.1: Diagnostik bei Verdachtauf Hypertonie. [L157] Hypertonie 51 Tab. 19.1: Einteilung der Hypertonie bei der Praxisbzw. Gelegenheitsblutdruckmessung (Deutsche Hochdruckliga e.V., 2008). Tab. 19.2: Grenzwerte bei der 24-h-Blutdruckmes-sung. Diagnostik bei Verdacht auf sekundären Hypertonus • EKG (Linksherzhypertrophie? Hinweise auf KHK?) und Echokardiografie (Hypertrophie? Wandbewegungsstörungen?) • Eiweiß im Urin (Arteriolosklerose der Nieren?) • Evtl. Sonografie des Abdomens (Nieren veränderungen? Aortale Atherosklerose?) • Abklärung des weiteren kardiovaskulären Risikoprofils inkl. Kontrolle der Blutfette und Ausschluss einer pathologischen Glukosetoleranz • Vorstellung des Patienten beim Augen arzt zur Funduskopie (Fundus hypertonicus?) Suche nach bereits entstandenen Folgeschäden Da nur in den seltensten Fällen eine sekundäre Genese des Hypertonus vorliegt, wird eine weitergehende Diagnostik (• Abb. 19.1) nur bei begründetem Verdacht durchgeführt. • Auftreten des Hypertonus im jungen Alter • Rascher Anstieg der Blutdruckwerte oder in kurzen Zeitabständen stark schwankende RR-Werte • Keine Nachtsenke (dipp) in der 24-h-RRMessung • Kein Ansprechen auf Therapie Therapie Ziel der Hypertonie-Therapie ist die Senkung des Blutdrucks auf < 140/85 mmHg. Sind kardiovaskuläre Risikofaktoren vorhanden, liegt der Zielblutdruck niedriger: Bei Diabetes mellitus sollten Werte unter 130/80 mmHg erreicht werden, bei Proteinurie ist ein Blutdruck unter 125/75 mmHg anzustreben. Allgemeinmaßnahmen In frühen Stadien der Hypertonie ist häufig bereits mit Allgemeinmaßnahmen eine ausreichende Reduktion der Blutdruckwerte zu erreichen. Doch auch in späteren Stadien sollten die Patienten dazu motiviert werden. Wichtig dabei ist, die häufig beschwerdefreien Patienten ausführlich über Risiken und mögliche Komplikationen der Hypertonie aufzuklären! • Gewichtsreduktion (1kg Gewichtsabnah me = 2,5 mmHg Blutdrucksenkung) • Gesunde Ernährung, evtl. salzarme Kost • Einschränken von Rauchen und Alkoholkonsum • Stressabbau • Mildes Ausdauertraining Medikamentöse Therapie Bei Versagen der Allgemeinmaßnahmen oder initial hohen Stadien ist eine medikamentöse Therapie erforderlich. Die Patienten benötigen meist eine lebenslange Versorgung, um hypertoniebedingte Komplikationen zu vermeiden. Es ist wichtig, die Patienten darüber aufzuklären, dass sie sich zu Therapiebeginn schlechter fühlen werden als normal. Das liegt daran, dass der Organismus an die hohen Blutdruckwerte gewöhnt ist und die normalisierten Werte subjektiv als hypoton empfunden werden. Grundsätze der antihypertensiven Therapie: Man beginnt zunächst mit einer Substanz und fügt erst nach etwa 4 Wochen erfolgloser Monotherapie weitere Stoffgruppen hinzu. Die Therapie wird stufenweise aufgebaut. Die Kombinationstherapie ist der Hochdosierung eines einzelnen Medikaments überlegen und birgt dabei weniger Risiken. Leseprobe von V. Lange, „BASICS Kardiologie“, Herausgeber: Elsevier Urban & Fischer Leseprobe erstellt vom Narayana Verlag, 79400 Kandern, Tel: 0049 (0) 7626 974 970-0 Die Entscheidung, welche Medikamente verschrieben werden, hängt zum Großteil von Begleiterkrankungen ab. • ß-Blocker (> Kap. 13): bei KHK, Herz insuffizienz und Vorhofflimmern • Diuretika (*• Kap. 15): bei Herzinsuffizi enz • RAAS-Hemmer (*• Kap. 14): bei Herzin suffizienz, nach Myokardinfarkt, bei diabetischer Nephropathie und chron. Nieren insuffizienz • Ca2+-Antagonisten (»• Kap. 16): bei Älte ren, als Akuttherapie bei hypertensiver Ent gleisung Hypertensiver Notfall Beim hypertensiven Notfall handelt es sich um eine akute Blutdruckentgleisung >210/120 mmHg mit lebensbedrohlichen Konsequenzen. Es kommt zu fortschreitenden Funktionseinschränkungen und schließlich Organschäden. Auslösend können Stress, Schwangerschaft, Drogenkonsum und die Einnahme bestimmter Medikamente wirken. Auch ein rasches Absetzen der gewohnten antihypertensiven Therapie kann einen hypertensiven Notfall verursachen. Die Patienten klagen über Kopfschmerzen, Erbrechen und Sehstörungen oder weisen Symptome einer instabilen AP auf. Im schlimmsten Fall kommt es durch Versagen der Autoregulation des Gehirns zu einer Dilatation der zerebralen Arterien mit nachfolgend Hirnödem. Es führt zu Krampfanfällen, Sehstörungen, Erbrechen und Bewusstlosigkeit. Anzustreben ist eine vorsichtige Normalisierung des Blutdrucks, um Schädigungen durch den plötzlichen Blutdruckabfall zu vermeiden. Nach der Akutbehandlung muss der Blutdruck dauerhaft behandelt und kontrolliert werden. Bei der pulmonalen Hypertonie handelt es sich definitionsgemäß um eine Erhöhung des pulmonalarteriellen Mitteldrucks in Ruhe auf > 25 mmHg bzw. unter Belastung auf > 30 mmHg. Einteilung Ätiologie Seit 2003 wird die pulmonale Hypertonie in der Venedig-Klassifikation anhand der Ätiologie unterteilt. Anhand dieser Klassifikation wird ersichtlich, wie vielfältig die Ursachen der pulmonalen Hypertonie sein können. 1. Pulmonal arterielle Hypertonie (PAH) • Idiopathisch • Familiär • Assoziiert - Kollagenosen, z. B. Lupus erythematodes, Sklerodermie - Kongenitalen Shuntvitien - Portale Hypertension - HlV-Infektion - Drogen/Medikamenten, z. B. Appetit zügler 2. Pulmonale Hypertonie bei Linksherz erkrankungen • Linksatriale und linksventrikuläre Erkrankungen >• Linksseitige Klappenerkrankungen 3. Pulmonale Hypertonie assoziiert mit Hypoxie: Durch die hypoxische pulmo nale Vasokonstriktion (Euler-Liljestrand-Mechanismus) steigt der pulmo nale Druck bei chronischer Hypoxämie • COPD • Interstitielle Lungenerkrankungen • Schlafapnoesyndrom • Pulmonale Hypertonie aufgrund chro nischer thrombotischer/embolischer Er krankungen: Durch Obstruktion eines Pulmonalgefäßes kommt es zu einer Erhö hung des Drucks im kleinen Kreislauf. • Thrombembolie der proximalen Lungenarterien • Ostruktion der distalen Lungenarterien • Lungenembolie 4. Sonstige • Sarkoidose Klassifikation der Linksherzinsuffizienz (• Kap. 45) - funktionell bestimmt (• Tab. 20.2). Bei einem pulmonalen Mitteldruck > 35 mmHg bzw. einem systolischen pulmonalarteriellen Druck > 50 mmHg kann von einer zumindest mittelschwerden pulmonalen Hypertonie ausgegangen werden. Besteht zusätzlich eine Rechtsherzinsuffizienz, handelt es sich um eine schwere Form. Cor pulmonale Das Cor pulmonale beschreibt die typischen Veränderungen, die auftreten, wenn das rechte Herz gegen einen erhöhten Widerstand im kleinen Kreislauf arbeitet: Der rechte Ventrikel ist dilatiert und hypertrophiert. Definitionsgemäß beschreibt dieser Begriff allerdings nur Veränderungen, die durch Lungenerkrankungen (Strukturell, Störungen der Ventilation und Perfusion) oder Thoraxerkrankungen entstanden sind. Ist die Hypertrophie die Folge einer extrapulmonalen Erkrankung (Gruppe 2 der Venedig Klassifikation), so spricht man von konsekutiver Rechtsherzhypertrophie. Sie geht einher mit einer Rechtsherzinsuffizienz, welche nach Leitlinien Diagnostik und Therapie der chronischen pulmonalen Hypertonie (2006) durch einen erhöhten rechtsventrikulären Füllungsdruck oder einem erniedrigten HZV durch eingeschränkte RV-Funktion bestimmt wird. Diagnostik Häufig ist ein erhöhter pulmonalarterieller Druck ein Zufallsbefund in der Echokardiografie. Der Verdacht kann jedoch auch bei klinischen Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz gestellt werden (• Kap. 45). Bestehen prädisponierende Erkrankungen, z. B. eine HIV-Infektion oder hat der Patient bereits mehrfach Lungenembolien erlitten, wird gezieltes Screening betrieben. EKG Bei schwerer pulmonaler Hypertonie zeigen sich Zeichen der Rechtsherzbelastung: Es findet sich ein Rechtstyp, manchmal ein Rechtsschenkelblock und deszendierende ST-Veränderungen in V2-V4 sowie in II. III, aVE Echokardiografie Über Dopplermessung einer bestehenden Trikuspidalklappeninsuffizienz kann eine Abschätzung des systolischen pulmonalarteriellen Drucks erfolgen. Der RV zeigt sich hypertrophiert und dilatiert, die RV-Funktion eingeschränkt. Bei fortgeschrittenen Stadien zeigt sich eine paradoxe Bewegung des Septums - es arbeitet nun in der Systole für den RV, was mit einer Funktionseinschränkung des linken Ventrikels einhergeht. Es sind viele Faktoren in Verdacht, Risikofaktoren für die Entstehung einer pulmonalen Hypertonie zu sein (• Tab. 20.1). Spiroergometrie, 6-Minuten-Gehtest Schweregrad Der Schweregrad der pulmonalen Hypertonie wird - modifiziert nach der NYHA- Abb. 20.1: Kardio-MRT bei pulmonaler Hypertonie. Die Wand des RV ist muskelstark, der RV ist größer als der LV. [T591] Leseprobe von V. Lange, „BASICS Kardiologie“, Herausgeber: Elsevier Urban & Fischer Leseprobe erstellt vom Narayana Verlag, 79400 Kandern, Tel: 0049 (0) 7626 974 970-0 Die pneumologische Diagnostik hilft bei der ätiologischen Zuordnung der Hyperto- Hypertonie 53 nie und gibt Aufschlüsse über Schweregrad und Prognose. rapie mit Ca2+-Antagonisten profitieren, ohne eine gefährliche Hypotension zu entwickeln, gefiltert werden. kamentengruppen, je nach Ätiologie und Wirkung, zum Einsatz: • Ca2+-Antagonisten (hoch dosiert; Nifedipin, Diltiazem, Amlodipin) • Prostazyklin-Analoga (Iloprost), intravenös oder inhalativ appliziert • Endothelinrezeptor-Antagonisten (Bosentan) • Phosphodiesterasehemmer (Sildenafil) Therapie Grundsätzlich muss vor der Einleitung einer spezifischen Therapie die optimale Therapie einer möglicherweise prädisponierenden Grunderkrankung erfolgen. Anschließend kann in spezialisierten Zentren eine medikamentöse Therapie eingeleitet werden. Hierzu kommen folgende Medi- In vielen Fällen ist eine Kombinationstherapie nötig. Je nach Ätiologie der pulmonalen Hypertonie ist als Ultima Ratio (z. B. Nichtansprechen auf Medikamente) eine Lungentransplantation zu erwägen. Bildgebung Neben einer Röntgen-Thoraxaufnahme werden CT-Thorax und ggf. eine Ventilations-Perfusionsszintigrafie durchgeführt. Rechtsherzkatheter Im Rechtsherzkatheter (• Kap. 11) können die hämodynamischen Parameter bestimmt werden und so eine Differenzialdiagnostik und Einteilung des Schweregrads erfolgen. In spezialisierten Zentren wird im Rahmen der Untersuchung eine medikamentöse Testung unter hämodynamischer Erfolgskontrolle vorgenommen. So können Patienten, die von der - sehr kostenintensiven - The- Leseprobe von V. Lange, „BASICS Kardiologie“, Herausgeber: Elsevier Urban & Fischer Leseprobe erstellt vom Narayana Verlag, 79400 Kandern, Tel: 0049 (0) 7626 974 970-0 Veronika Lange BASICS Kardiologie 160 Seiten, kart. erschienen 2013 Mehr Bücher zu Homöopathie, Alternativmedizin und gesunder Lebensweise www.narayana-verlag.de