Persönlichkeitsstörungen

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Persönlichkeitsstörungen & Borderline-Persönlichkeit
Felix Joachimski, 7. Dezember 0
Persönlichkeitsstörungen
„Persönlichkeitsszüge sind überdauernde Formen des Wahrnehmens, der Beziehungsmuster und des Denkens, und zwar im
Hinblick auf die Umwelt und auf sich selbst. Sie kommen in einem breiten Spektrum von wichtigen sozialen und persönlichen Situationen und Zusammenhängen zum Ausdruck. Wir sprechen von Persönlichkeitsstörungen nur dann, wenn Persönlichkeitszüge unflexibel und wenig angepaßt sind und die Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen oder zu subjektiven
Beschwerden führen.“ (DSM IV 1996)
Modelle zur Entwicklung von Persönlichkeitsstörungen (PD)
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Tiefenpsychologisches Modell. PD = „Charakterneurosen“. Charakter formt sich in Abwehr- und Verteidigungsprozessen zwischen intrapsychischen Kräften und zwischenmenschlichen Bedrohungen. Abwehrmechanismen dienen der Reduktion von psychischen Spannungen. Fixierung auf Bedürfnisse führt
zur Ausgestaltung des Charakters (z.B. anal, oral-festhaltend, ...). Primitive Abwehrmechanismen (s.u.)
entstehen aus frühen Störungen der Ich-Entwicklung, reifere aus späteren. Die ursprünglich rein aus der
Triebabwehr begriffene Persönlichkeitsentwicklung wird mittlerweile durch Anpassung intrapsychischer Repräsentanzen des Selbst und anderer Objekte beschrieben.
Interpersonelles Modell. Persönlichkeit ist ein relativ stabiles Muster sich wiederholender zwischenmenschlicher Situationen. Selbst-Schemata steuern dieWahrnehmung und Interpretation interpersoneller Beziehungen, sowie die Selbstdarstellung. Subjektive und objektive Auffassung der Realität interagieren in typischen Mustern wie Kontrolle/Interdependenz und Zuneigung. Selbst und Umwelt beeinflussen sich gegenseitig (zirkuläre Kausalität).
Kognitiv-behaviorales Modell. Reaktionen werden gesteuert durch kognitive Interpretation, die Instanzen relativ stabiler Schemata sind und von Emotionen induziert werden. Dysfunktionale, d.h. überoder unterentwickelte Grundannahmen neigen zur Bestätigung im interpersonellen Kontext und verhindern Lernprozesse.
Dimensionales und neurobiologisches Modell. Persönlichkeit ist durch teilweise genetisch determinierte, teilweise in der Interaktion mit der Umwelt entstandene, unterschiedliche Ausprägung von Persönlichkeitsdimensionen charakterisiert, die faktorenanalytisch erhoben werden. Eyseneck postuliert
drei Dimensionen (Intro-/Extraversion, Neurotizismus/Stabilität, Psychotizismus/Impulskontrolle). Das
jüngere Big-Five-Model misst Extraversion, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit, Neurotizismus und
Offenheit. Einzelne Dimensionen wie Explorativität (dopaminerg vermittelt), Schadensvermeidung (serotonerg) und Aktivität (noradrenerg) lassen sich neurobiologisch approximieren, wenngleich nicht ätiologisch erklären.
Biosoziales Modell. Wie im dimensionalen Modell bestimmen mehrere (typischerweise 3) Dimensionen das Instrumentarium der sozialen Interaktion. Die genetische Ausgangskonstellation wird in vier
neuropsychologischen, sich überlappenden Entwicklungsstadien durch Lernvorgänge (und deren Ausbleiben) beeinflusst. Sensory attachment (1. Lj.): Interaktion mit Mutter  lustsuchendes, angstmeidendes Verhalten. Sensomotor autonomy (Kleinkindzeit): Anpassung an soziale Erfordernisse. Pubertal
gender identity (Adoleszenz): Entwicklung der Geschlechtsidentität, Bedürfnisorientierung.
Intercortical integration (4.-18. Lj.): Gleichgewicht zwischen emotionalen und rationalen Kapazitäten.
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Diagnostik
Kriterien einer Persönlichkeitsstörung
ICD 10
1.
2.
3.
4.
charakteristische und dauerhafte innere Erfahrungs- und
Verhaltensmuster der Betroffenen weichen insgesamt
deutlich von kulturell erwarteten und akzeptierten Vorgaben (Normen) ab; Abweichungen in mehr als einem
der folgenden Bereiche: Kognition, Affektivität, Impulskontrolle und Bedürfnisbefriedigung, zwischenmenschliche Beziehungen und Art des Umgangs mit ihnen
die Abweichung ist so ausgeprägt, dass das daraus resultierende Verhalten in vielen persönlichen und sozialen
Situationen unflexibel, unangepasst oder auch auf andere
Weise unzweckmäßig ist
persönlicher Leidensdruck, nachteiliger Einfluss auf die
soziale Umwelt oder beides
Nachweis, dass die Abweichung stabil, von langer Dauer
ist und im späten Kindesalter oder in der Adoleszenz begonnen hat
DSM IV
1.
2.
3.
4.
5.
das überdauernde Erlebens- und Verhaltensmuster
muss sich in mindestens zwei der nachfolgenden Bereiche manifestieren: Kognition, Affektivität, Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen, Impulskontrolle
das überdauernde Muster ist unflexibel und tiefgreifend in einem weiten Bereich persönlicher und sozialer Situationen
das überdauernde Muster führt in klinisch bedeutsamer Weise zu Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen
das Muster ist stabil und langdauernd, und sein Beginn ist zumindest bis in die Adoleszenz oder ins
frühe Erwachsenenalter zurückzuverfolgen
das überdauernde Muster lässt sich nicht besser als
Persönlichkeitsstörungen & Borderline-Persönlichkeit
5.
die Abweichung kann nicht durch das Vorliegen oder die
Folge einer anderen psychischen Störung des Erwachsenenalters erklärt werden
eine organische Erkrankung, Verletzung oder deutliche
Funktionseinschränkung des Gehirns muss als mögliche
Ursache für die Abweichung ausgeschlossen werden
6.
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
Felix Joachimski, 7. Dezember 0
6.
Manifestation oder Folge einer anderen psychiatrischen Störung erklären
das überdauernde Muster geht nicht auf die direkte
körperliche Wirkung einer Substanz (z.B. Droge,
Medikament) oder eines medizinischen Krankheitsfaktors (z.B. Hirnverletzung) zurück
Standardisiertes Interview: International Personality Disorder Examination (IPDE, WHO).
Einteilung siehe Tabelle.
Epidemiologie
Prävalenz ~11% der Gesamtbevölkerung, 40-50% der stationären Patienten.
Erhebliche Komorbidität sowohl innerhalb der Gruppe der PD als auch mit anderen psychiatrischen Störungen
(OD). Dabei meist stärkere Ausprägung, schwerwiegenderer Behandlungsverlauf, geringerer Therapieerfolg.
Theorien zur Ursache: Vulnerabilität (vermehrte Anfälligkeit für OD durch PD), Kontinuität (PD = subklinische
Manifestation von OD), Komplikation (PD als Folge einer latenten OD), Koeffekt (PD und OD als Folge einer
gemeinsamen dritten Variable), Attenuation (OD = PD mit unterschiedlicher Symptomatik).
Therapie
Strukturmerkmale.
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




Diagnostik und Therapievereinbarungen
Aufbau einer therapeutischen Beziehung
Verbesserung der psychosozialen Kompetenzen
Strukturierung des sozialen Umfelds
Bearbeitung dysfunktionaler Ziele oder
Verhaltensmuster
Generalisierung auf das soziale Umfeld
Supervision des Therapeuten
Diagnostische Einteilung der PD
Cluster
A:
sonderbar,
exzentrisch
ICD 10
Paranoide
Schizoide
DSM IV
Paranoide
Schizoide
Schizotypische
B:
dramatisch,
emotional,
launisch
Dissoziale
Emotional instabile
– Borderline-Typus
– impulsiver Typ
– histrionischer Typ
Antisoziale
(ICD 10:  Schizophrenien)
C:
Ängstliche
Abhängige
Anankastische
Stadieneinteilung nach Linehan.
Andere
Passiv-aggressive
spezifische
I. Handlungskontrolle: Therapie schwerer selbstoder fremdgefährdender Verhaltsstörungen
II. Emotionskontrolle: schwer traumatisierendes und emotionales Leid
III. Aufarbeitung von Problemen der Lebensführung
IV. Aufarbeitung von Gefühlen der Unzufriedenheit und Unerfülltheit
Borderline
Histrionische
Narzißtische
Selbstunsichere
Abhängige
Zwanghafte
Passiv-aggressive
Passiv-aggressive
Depressive
Pharmakotherapie.
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Kognitiv-perzeptuelle Symptome (z.B. Misstrauen, paranoide Ideation, Dissoziation, Denkstörungen):
niedrigdosierte Neuroleptika (z.B. Perphenazin, Triflupromazin, Haloperidol) für maximal 3 Monate.
Falls nicht erfolgreich Atypika.
Emotionale Disinhibition, Wut: SSRIs, ggf. akut mit Neuroleptika.
Emotionale Hemmung: Trizyklika, MAO-Hemmer.
Ängstlichkeit: Benzodiazepine (Clonazepam), langfristig Buspirone.
Andauernde emotionale Labilität: Mood stabilizer (Lithium, Carbamazepin, Valproat).
Selbstverletzung, Binges, Gewalttätigkeit (impulsiv-aggressives Verhalten):
SSRIs, ggf. akut mit Neuroleptika. Dann Lithium oder neuere Atypika.
Persönlichkeitsstörungen & Borderline-Persönlichkeit
Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPD)
Der Name rührt von der tiefenpsychologischen Einordnung des Phänomens zwischen Neurosen und Psychosen.
Felix Joachimski, 7. Dezember 0
“Borderline is like emotional hemophilia; [a borderline] lacks the clotting mechanism needed to moderate
his spurts of feeling. Stimulate a passion, and the
borderline emotionally bleeds to death.”
I Hate You – Don't Leave Me!
(Jerold Kriesman and Hal Straus)
Charakteristika des Borderline-Typus: Emotionale Instabilität, Impulsivität
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Emotionen: Störung der Affektregulation: Zu viel, zu schnell, zu lang („Hypersensitivität“). Stimmungsschwankungen von kurzer Dauer (wenige Minuten bis Stunden), inadäquate, intensive und nichtkontrollierbare Wut. Schlechte Differenzierung von Wut, Enttäuschung und Angst. Intensive Reaktionen, vor allem auch auf nonverbale Kommunikation. Emotionale Amnesie: „Borderline individuals are so completely in each mood, they have great difficulty conceptualising, remembering what it's like to be in another
mood.” (Linehan)
Verhalten: Impulsives Verhalten, dessen sich der Patient im Nachhinein schämt. Wiederholte, selbstzerstörerische Akte (Selbstverletzung, Parasuizid, Suizid, -drohungen). Diese führen in emotional anstrengenden Situationen zu akuter Erleichterung, werden aber auch (nur teilweise bewusst) manipulativ
eingesetzt (auf prompte Rettung abzielend). Episoden potentiell selbst-schädigenden Verhaltens (Alkoholund Drogenmissbrauch, Kaufräusche, Spielattacken, Essstörungen, Ladendiebstahl, gefährliches Autofahren, compulsive sexual behaviour). Häufig Bellman-Syndrom = BPD + Abhängigkeit (Schmerzmittel und
Psychopharmaka).
Identitätsstörungen: Diffuses, inkonsistentes Selbstbild, z.B. hinsichtlich sexueller Orientierung, Berufswahl, langfristiger Ziele, Freundschaften, Werte. Die Patienten können nicht sagen, wer sie sind, was
sie denken oder fühlen, welche Religion sie haben. Oft passen sie sich den Meinungen anderer an. („I tend
to be whomever I'm with”). Chronisches Gefühl der Leere und der Langeweile. Gleichzeitig oft witzig,
gewandt, „life of the party“. „Borderlines can describe themselves for 5 hours without your getting a realistic picture of what they’re like” (Kernberg).
Primitive Abwehrmechanismen: Splitting – eine Person wird als entweder total gut oder total schlecht
empfunden, mit häufigem situationsbedingtem Wechsel – mangelnde Objektkonstanz – Personen werden
beurteilt, als ob es keine Vergangenheit gebe, keine Konsistenz oder Kontinuität. Magisches Denken,
Omnipotenz, Projektion unangenehmer Eigenschaften, projektive Identifikation – In anderen werden die
eigenen Gefühle evoziert.
Beziehungsprobleme: Instabile, chaotische, intensive Beziehungen, die den Patienten im Endeffekt immer belasten. Ausgeprägte Angst vor Beziehungsverlust bei gleichzeitigem Misstrauen gegenüber anderen
und sich selbst (“I hate you, don’t leave me”). Überempfindlichkeit gegenüber Kritik. Chronische Angst,
verlassen zu werden und Panik bei Alleinsein. Hohe Ansprüche an das Gegenüber mit rascher Enttäuschung. Schlechte soziale Adaptation, Verletzung der Regeln in der Arbeit und in akademischen Bereichen.
Realitätsverständnis intakt. Nur vorübergehende, Stress-bedingte paranoide Ideation oder Dissoziation,
bis hin zu pseudopsychotischen Symptomen: Denkstörungen, seltener Halluzinationen, Derealisationen
und Depersonalisation.
Ätiologie
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Bis zu 80% Opfer von physischem oder sexuellem Missbrauch.
Psychodynamisches Modell. Frühe („präödipale“) Störung der Entwicklung  mangelnde Selbst- und
Objektkonstanz  primitive Abwehrmechanismen (s.o.), Störungen der primitiven Affekte. Die Entwicklungsstörung kann sich im Missbrauch durch die primäre Bezugsperson begründen  Umleitung von
Wut, Hass, Ekel auf sich selbst  Schuldgefühle. Vereinfacht gesagt besteht die Borderline-Störung darin, dass ambivalente Triebregungen gegenüber relevanten Bezugspersonen nicht integriert werden können.
Biosoziales Modell. Fortwährende, extrem bedrohliche Traumatisierungen in der Entwicklung können bei
neurobiologisch determinierter Vulnerabilität und gleichzeitig invalidierender Umgebung nicht adäquat
kommuniziert werden und führen zur Hypersensitivierung des limbischen Systems bei kognitiver Eigenattribuierung der Schuld. Die Invalidierung besteht in falscher und inadäquater Reaktion der Umgebung
auf Gedanken, Gefühle und Glauben des Patienten. Angst davor führt zur Generalisierung der Auslöser
und sukzessiven Sensitivierung. Insgesamt nehmen Spannungs- und Frustrationstoleranz, sowie die psy-
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chosoziale Lern- und Anpassungsfähigkeit ab. Selbstverletzungen werden zur Durchbrechung der Stressvermittelten Analgesie erlernt und habituiert.
Vulnerabilität  invalidierende Umgebung, ggf. Trauma  BPD
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Die Nähe zur PTSD wird durch Flashbacks, Schlafstörungen u.ä. bestätigt.
Dissoziative Phänomene werden als Ausdruck einer vom limbischen Opioid-System vermittelten Freezing-Reaktion (Totstellmechanismus der Tierwelt) bei existentieller Bedrohung ohne Flucht- oder Angriffsmöglichkeit verstanden und können demnach der Traumareaktion zugeordnet werden → vegetative
Reaktionen, Analgesie, tonische Lähmung, Depersonalisation. Dissoziative Episoden können durch den
Opiatantagonisten Naltrexon durchbrochen werden.
Neurobiologische Zusammenhänge. Die Neigung zu impulsiver Aggressivität ist mit erniedrigter Serotonin-Ausschüttung und aufgehobener Prolaktinausschüttung auf Fenfluramin korreliert. Die emotionale
Instabilität von BPD-Patienten ist relativ selektiv mit ausgeprägter Dysphorie auf Physostigmingabe verbunden. Beide Pathologien sind vererbbar, nicht jedoch die BPD als Ganzes. Traumen in der Kindheit und
früher sexueller Missbrauch können die hypothalamo-pituitäre Achse stören und sich auf das Monoaminsystem auswirken, sowie strukturelle Veränderungen am Hippocampus hervorrufen, die wiederum die
mangelnde Objektkonstanz erklären könnten.
Epidemiologie
Prävalenz. 1,5% der Gesamtbevölkerung, 10-20% der psychiatrischen Patienten. W : m ~ 70 : 30.
Verlauf. Diagnosealter: 18-35 Jahre. Ausbrennen in mittlerem Alter. 10% Suizidrate.
Komorbidität.

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
45% narzisstische PD, 41% paranoide PD, 30% abhängige und histrionische PD.
Geringe Komorbidität mit schizophrenen Störungen.
Episodisch affektive Störungen: Dysthymie, bipolare Störungen.
20% Panikstörung.
Diagnostik
Diagnostische Kriterien der impulsiven PD und des Borderline-Typus nach ICD-10
Kriterien der impulsiven PD (F60.30)
Mindestens 3 aus
1.
2.
3.
4.
5.


deutliche Tendenz, unerwartet und ohne Berücksichtigung der Konsequenzen zu handeln
deutliche Tendenz zu Streitereien und Konflikten mit anderen, vor allem dann, wenn impulsive Handlungen unterbunden und getadelt
werden
Neigung zu Ausbrüchen von Wut und Gewalt
mit Unfähigkeit zur Kontrolle explosiven Verhaltens
Schwierigkeiten in der Beibehaltung von
Handlungen, die nicht unmittelbar belohnt werden
unbeständige und unberechenbare Stimmung
Kriterien des Borderline-Typus (F60.31)
Impulsive PD plus mindestens 2 aus
1.
2.
3.
4.
5.
Störungen und Unsicherheit bezüglich
Selbstbild, Zielen und „inneren Präferenzen“
(einschließlich sexueller)
Neigung, sich in intensive, aber instabile
Beziehungen einzulassen, oft mit der Folge
von emotionalen Krisen
übertriebene Bemühungen, das Verlassenwerden zu vermeiden
wiederholt Drohungen oder Handlungen mit
Selbstschädigung
anhaltendes Gefühl der Leere
Diagnostisches Interview für Borderline-Störungen, revidierte Version (DIB-R, Gunderson)
International Personality Disorder Examination (IPDE, WHO)
Therapie allgemein



Häufig frustrierend für Patient und Team durch Therapieabbrüche.
Übertragungen von Beziehungsproblemen auf Arzt-Patienten-Achse  z.B. Spaltung des Teams.
Klare Richtlinien für den Behandlungsverlauf notwendig (häufige Grenzüberschreitungen).
Expressive Psychotherapie (Kernberg 1993)

Vis à vis sitzend, 3x/Woche.
Persönlichkeitsstörungen & Borderline-Persönlichkeit

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Keine freie Assoziation, sondern strukturierte Themenselektion auf Punkte, an denen die BorderlineAbwehr provoziert wird.
Lenkung auf besseren Realitätsbezug durch Konfrontation mit konflikthaften Anteilen und Widersprüchen
des Patienten selbst.
Der Patient soll Schwächen und Vorzüge anderer Menschen als menschlich zu ihnen gehörig sehen 
Ambivalenz verstärken.
Untersuchung und Deutung von Übertragung und Gegenübertragung, zur Aufdeckung zunächst der primitiven, dann der reiferen Abwehrmechanismen. Dadurch sukzessive Integration der fragmentierten Persönlichkeitsanteile.



Dialektisch-behaviorale Therapie (DBT, Linehan 1993)
Prinzipiell kognitive Verhaltenstherapie, die auf einer eigenen als dialektisch bezeichneten (im Kern biosozialen) Theorie der BPD fußt, derzufolge die Borderline-Persönlichkeit aus der Konfrontation eines emotional
instabilen („vulnerablen“) Individuums mit einer invalidierenden Umgebung entsteht. Diese ist charakterisiert durch fehlende Akzeptanz (Valuation) der kindlichen Äußerungen und Gefühle, verbunden mit einer ausschließlichen Wertung von Selbstkontrolle und Eigenständigkeit. Aus der
teufelskreisartigen Interaktion resultieren drei fundamentale Gegensatzpaare, zwischen denen der Borderline-Patient hin- und hergerissen ist –
die dialektischen Dilemmas:

Emotionale Vulnerabilität
 Selbst-Invalidation

Permanente Krise
 verhinderte Trauer

“In a nutshell, DBT is very simple. The
therapist creates a context of validating
rather than blaming the patient, and
within that context the therapist blocks
or extinguishes bad behaviors, drags
good behaviors so reinforcing that the
patient continues the good ones and
stops the bad ones.”
Marsha Linehan
(als internalisierte Reaktion der Umgebung)
(ständige, nicht aufgelöste Beziehungskrisen als Ausdruck
der extremen emotionalen Reaktionen)
(Unfähigkeit, aus den negativen Effekten zu lernen)
Aktive Passivität
(Problemen wird passiv und hilflos begegnet; unter extremen Belastungen
werden von der Umwelt Lösungen für die Lebensprobleme eingefordert)
 scheinbare Kompetenz (Anschein der teils funktionierenden Konfliktbewältigung trotz häufig
schwankender und insgesamt schlechter Kompetenz)
Analog der Hegelschen Dialektik sucht die DBT die schrittweise Synthese der antithetischen Persönlichkeitskomponenten, sowie der auch in der Therapie vorherrschenden Gegensatzpaare
 Validierung

Verhaltensänderung
 Empathisches Verständnis 
Konfrontation (reziproke Kommunikation)
Das Fundament der DBT (wie aller Psychotherapien) ist der Aufbau eines fundierten Patient/TherapeutVerhältnisses. Da dieses durch typische Burnout-Effekte bedroht ist, wird der Therapeut aktiv im Rahmen eines
DBT-Teams betreut. Auch übernimmt der Therapeut keine Verantwortung hinsichtlich der Selbstverletzungstendenz des Patienten, so dass er nicht zum Verstärker wird („life-enhancement treatment instead of suicide prevention treatment“).
Die Therapie erfolgt ambulant über min. 1 Jahr im Rahmen von Individualtherapien, Gruppengesprächen,
Telefonkontakten (für Hilfestellung in der Umsetzung der erworbenen skills, nicht zur Suizidprävention) und
Beraterkonsultationen.
Hauptbestandteile der DBT sind Introspektion und Validierung im Rahmen der Individualtherapie, sowie der Erwerb von skills (Fähigkeiten) in den Bereichen core mindfulness (Bewusstwerdungsverfahren analog
den Methoden des Zen-Buddhismus), interpersonal effectiveness (Äußerung von Bedürfnissen, Nein sagen,
Erhalt von Beziehungen, Selbstbewusstsein in der Interaktion), emotion modulation (Veränderung von Gefühlen)
und distress modulation (Toleranz/Akzeptanz von Gefühlen). Therapiebegleitend werden bei Bedarf Medikamente eingesetzt.
Die eigentliche Therapie gliedert sich in 4 Stufen.


Vorbehandlungsphase: Diagnostik, Information, Zielanalyse, Motivation.
Stufe I: Selbstverletzendes Verhalten und solches, das die Therapie bedrohendes oder die Lebensqualität stark beeinträchtigt: Erhöhung der emotionalen Belastbarkeit.
 Stufe II: Bearbeitung traumatischer Erfahrungen und Trauer durch Konfrontation.
 Stufe III: Integration der Erfahrung in das Selbstkonzept, Umsetzung von Zielen.
Im Gegensatz zu allen anderen Therapieformen, ist der Nachweis der Effektivität und Überlegenheit für die
DBT im Rahmen zweier Studien nachgewiesen.
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