Diagnostik und Notfallmanagement der transitorisch ischämischen Attacke ( TIA ) ( aus : „Der Notarzt“, 2, 2008 ) Definition : - Plötzlich auftretendes fokal-neurologisches Defizit mit einer Dauer > 24 h - Bedingt durch eine Durchblutungsstörung im Bereich des Gehirns oder des Auges ( Amaurosis fugax ) in bis zu 15 – 20 % folgt ein ischämischer Insult insbesondere in den ersten 7 Tagen besteht Risiko von 10 % TIA als Warnsymptom Betrachtung als medizinischer Notfall wie Apoplex, d.h. effektive Diagnostik und Sekundärpräventionsmaßnahmen sind einzuleiten Bisher wurde das Schlaganfallrisiko nach TIA unterschätzt. Eine Beobachtungsstudie in England über 4 Jahre fand unter allen vaskulären Notfällen ( Apoplex/TIA, ACS, plötzlicher Herztod, peripher vaskuläre Notfälle ) immerhin 18 % TIA. Differentialdiagnostik einer TIA : Dauer der Anfälle meist kleiner als 60 Minuten, daher ist der behandelnde Arzt oder Notarzt häufig ganz auf Anamnese angewiesen. Wichtig ist das Nachfragen nach möglichen fokal-neurologischen Anfällen, nachdem zeitlichen Auftreten der neurologischen Symptome. Die Anamneseerhebung ist oft schwierig (demente Patienten, vorbestehende Sprachstörung, unzureichende Deutschkenntnisse). Daher ist Erheben einer Fremdanamnese, wenn möglich, enorm wichtig. Bei einem plötzlichen Auftreten der neurologischen Symptomatik sollte eine Einteilung der Ausfälle nach dem arteriellen Versorgungsgebiet erfolgen vorderer Kreislauf : Carotisstromgebiet hinterer Kreislauf . vertebrobasiläres Stromgebiet __________________________________________________________________________ Typische TIA-Symptome Typische TIA-Symptome im im Carotisstromgebiet vertebrobasilären Stromgebiet - zentrale fasziale Parese (Augenschluss und Stirnrunzeln noch möglich) - halbseitige Lähmung oder Sensibilitätsstörung - halbseitiger Gesichtsfeldausfall - Ausfall mehrerer Hirnnerven (z.B. Doppelbilder, Dysarthrie, Dysphagie, Schwankschwindel) - Amaurosis fugax (einseitig) - kreuzende Symptomatik : einseitiger Hirnnervenausfall und kontralaterale motor. oder sensible Ausfälle der Extremitäten - motor. und sensor. Aphasie - bilat. Schwäche oder Sensibilitätsstörung ______________________________________ - Amaurosis bds. (kortikale Blindheit)_____ 1 Schwierige Diagnostik bei unspezifischen Symptomen wie : - Schwindel - Bewusstseinsstörungen - Gleichgewichtsstörungen - Isolierten sensiblen Symptomen (z.B. Taubheit oder Kribbelparästhesien im Bereich nur 1 Extremität oder des Gesichtes) Hierbei besonders wichtig das Erfragen von kardiovaskulären Risikofaktoren : - arterieller Bluthochdruck - Diabetse mellitus - Hypercholesterinämie - Nikotinabusus - Absolute Arrhythmie mit Vorhofflimmern - Einnahme von oralen Kontrazeptiva - Drogenabusus (insbes. Kokain) - Alter Bei älteren Patienten mit entsprechenden Risikofaktoren sollte eher an eine TIA gedacht werden als bei jungen Patienten. Mögliche Differtialdiagnosen : - Migräne mit Aura (neurol. Ausfälle entwickeln sich langsam) - akuter Schub einer MS (eher progredient) - fokaler Krampfanfall (mögl. Todd`sche Parese nach dem Anfall) - intrakranielle Raumforderung (meist progredient) - transiente globale Amnesie (anterograd und retrograd für mehrere Stunden bei älteren Patienten) - benigner Lagerungsschwindel (Drehschwindelattacken bei Bewegungen des Kopfes) - Mb. Menière (Schwindelattacke begleitet von Hörstörung und/oder Tinnitus) - Kataplexie (während eines Erregungszustandes auftretender Muskeltonusverlust) - Optikusneuritis, akuter Glaukomanfall, retinaler Zentralarterien-/ venenverschluss (Verschwommensehen, Bulbusschmerz, Augenrötung) - metabolische Störungen wie Hypoglykämie, Hyponatriämie, Hyperkalzämie - Hypertensive Krise - Hyperventilation (periorales Kribbeln, „Pfötchenstellung“) - Synkope (typisch: Blasswerden, Schwarzwerden vor Augen, Schweißausbruch) - Funktionelle Störung 2 Einschätzung des Schlaganfallrisikos nach einer TIA : Vor einem Jahr wurde aus dem kalifornischen TIA-Score und dem englischen ABCD-Score ein neuer ABCD-Score entwickelt und validiert. Parameter Punkte Alter ≥ 60 Jahre 1 Blutdruck ≥ 140/90 mmHg 1 „Clinical features“ einseitige Parese Sprachstörung ohne Parese 2 1 Dauer der Symptome ≥ 60 min 10 – 59 min 2 1 Diabetes mellitus 1 Höchstpunktzahl : 7 Punkte Hochrisiko : Bei einem Punktwert von 6-7 Punkten hatten die Patienten ein Risiko von 8,1 % in den ersten 2 Tagen nach dem TIA-Ereignis einen Schlaganfall zu erleiden. Mittleres Risiko : Bei einem Punktwert von 4-5 Punkten besteht ein Risiko von 4,1 %. Niedriges Risiko : Bei einem Punktwert von 0-3 Punkten besteht immerhin noch ein Risiko von 1 %. Ebenso besteht ein erhöhtes Schlaganfallrisiko besteht bei Patienten, bei denen sich im CCT oder MRT eine zu der klinischen Symptomatik passende ischämische Läsion oder Diffusionsstörung findet, obwohl sich die Symptome bereits rückgebildet haben. Präklinische Maßnahmen durch den Notarzt Wenn bei Eintreffen des Notarztes noch Symptome vorhanden sind, kann er nicht zwischen einer TIA und einem Apoplex unterscheiden. Bei nach wie vor bestehendem fokal-neurologischem Defizit sollte der Patient in den ersten 6 Stunden nach Ereignis nach vorheriger Ankündigung in eine Klinik mit einer spezialisierten Stroke Unit gebracht werden, da die systemische Lysetherapie mit rt-PA nur in den ersten 3 Stunden zugelassen ist, die arterielle Lyse jedoch durch einen erfahrenen Neuroradiologen bis 6 Stunden nach Ereignis durchgeführt werden kann. Diagnostik und Therapie durch NA bei TIA : - Blutzuckerkontrolle ( Ausschluss Hypoglykämie ) - EKG ( Herzrhythmusstörungen insbes. AA mit VHF ? kardioembolische Ursache ? ) - Blutdruckkontrolle ( Senkung nur bei Werten > 210/100 mmHG 3 - - Ausnahme : Bei V.a. intrazerebrale Blutung ( zusätzl. Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen, bei Anisokorie ) sollten auch RR-Werte > 180/90 mmHg gesenkt werden. Präklinisch keine Thrombozytenaggregationshemmer oder Heparin, da nicht sicher genug zwischen einem Insult und einer Blutung unterschieden werden kann Diagnostik, Therapie und Sekundärprophylaxe in der Klinik : - - - initiale Bildgebung ( CCT oder MRT ) Klärung der Ätiologie der TIA Identifikation und Behandlung der kardiovaskulären Risikofaktoren Ausschluss einer kardialen Emboliequelle ( EKG ) Ausschluss von Vorhofthromben mittels TEE Dopplersonographie und/oder CT- bzw. MR-Angiographie der extra- und intrakraniellen hirnversorgenden Gefäße Frühzeitige Carotis-TEA bei Stenosegraden zwischen 70 % und 99 % und einer stattgehabten TIA oder einem ischämischen Insult ( Patienten profitieren eindeutig von frühzeitiger OP möglichst innerhalb der ersten 14 Tage ) Patienten mit Stenosegrad unter 70% profitieren nur noch wenig von OP Nach Ausschluss einer intrakraniellen Blutung und einer kardialen Emboliequelle : Sekundärprophylaxe mit Thrombozytenaggregationshemmern Kombinierte Gabe von ASS und Dipyridamol ist der Monogabe von ASS überlegen Bei nachgewiesener kardialer Emboliequelle frühe Antikoagulation mit Marcumar (Zielwert : INR von 2,0 – 3,0) Niederberger 07 / 08 4