ZF Affekt

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Affektive Störung
Diagnose
Affektive Störungen sind durch Störungen der Stimmungslage, des Antriebs und der der
Motivation (Interessen) charakterisiert, die zu starken Beeinträchtigungen der Betroffenen führen.
Die am weitesten verbreitete affektive Störung ist die Depression. Die Symptome der Depression
können zwischen verschiedenen Kulturen und Altersgruppen variieren.
Es gibt störungsspezifische Diagnoseinstrumente, am bekanntesten ist das Beck-DepressionsInventar (BDI), welches nur den Schweregrad einer Depression ermitteln kann, nicht jedoch selbst
eine Depression diagnostizieren. Dies geht mit der Allgemeinen Depressions-Skala (ADS), einer
Selbstbeurteilungsskala, welche erfragt, wie oft in der vergangenen Woche bestimmte Symptome
vorlagen.
Klassifikation nach ICD-10
Zu den unipolare Störungen zählen Depression und Dysthymie sowie Manie und Hypomanie.
Für alle unipolaren Störungen gilt als Ausschlusskriterium, dass sie nicht auf einen Missbrauch
psychotroper Substanzen oder auf eine organische psychische Störung im Sinne von F0
zurückzuführen sein dürfen. Auch kann man einem Patienten keine unipolare Störung
diagnostizieren, wenn er in seiner Lebensgeschichte bereits eine entgegengesetzte Episode
durchlebt hat.
Für die Depressive Episode gibt es eine Liste mit Haupt- und eine mit Zusatzsymptomen. Den
Schweregrad der Episode bestimmt man anhand der Anzahl an Symptomen, die der Patient hat:
Leichte Episode (2 Haupt- und 1 – 4 / 2 Zusatzsymptome) => F32.0x
Mittelgradige Episode (2 Haupt- und 3 – 4 / bis zu 6 Zusatzsymptome) => F32.1x
Schwere Episode (3 Haupt- und min. 5 / alle 7 Zusatzsymptome) => F32.2x
Die Hauptsymptome der Depression sind:
1. Depressive Stimmung
2. Interessenverlust, Freudlosigkeit
3. Antriebslosigkeit, erhöhte Ermüdbarkeit
Die Zusatzsymptome der Depression sind:
1. Verlust von Selbstvertrauen oder Selbstwertgefühl
2. Unbegründete Selbstvorwürfe oder unangebrachte Schuldgefühle
3. Wiederholte Gedanken an den Tod oder an Suizid
4. Denk- und Konzentrationsstörungen oder Unentschlossenheit
5. Psychomotorische Unruhe oder Hemmung
6. Schlafstörung
7. Verlust oder Steigerung des Appetits, was zu Gewichtsveränderungen führt
Darüber hinaus kann auf der vierten Stelle (das x oben) noch kodiert werden, ob es sich um eine
depressive Episode mit (x=1) oder ohne (x=0) somatisches Syndrom handelt (im DSM:
Melancholischer Subtyp). Dieses liegt vor, wenn vier der folgenden Symptome gegeben sind:
1. Deutlicher Verlust von Interesse oder Freude an angenehmen Aktivitäten
2. Verlust der Fähigkeit, emotional zu reagieren
3. Mindestens zwei Stunden zu frühes morgendliches Erwachen
4. Morgentief
5. Psychomotorische Hemmung oder Erregung
6. Deutlicher Appetitverlust
7. Gewichtsverlust von mindestens 5% innerhalb des letzten Monats
8. Deutlicher Libidoverlust.
Wenn ein Patient zum zweiten Mal in seinem Leben eine depressive Episode erlebt, spricht man
nicht mehr von einer depressiven Episode, sondern von einer rezidivierenden depressiven
Störung (F33)
Eine Dysthymie (F34.1) muss mindestens zwei Jahre anhalten und die Kriterien für eine
depressive Episode nicht erfüllen (sonst ist es eine Double Depression). Es müssen aber
insgesamt drei Kriterien der depressiven Episode erfüllt sein.
Eine Manie (F.30.1) ist gekennzeichnet von intensiv gehobener Stimmung. Nur selten hat ein
Patient nur manische Phasen aber keine Depressionen. Für die Diagnose einer Manie muss die
Stimmung über mindestens eine Woche ungewöhnlich gehoben oder gereizt sein und mindestes
drei der folgenden Merkmale vorliegen:
1. Steigerung der Aktivität oder motorische Unruhe
2. Erhöhte Gesprächigkeit (Rededrang)
3. Ideenflucht oder Gefühl, dass die Gedanken rasen
4. Verlust der sozialen Hemmungen und daher unangemessenes Verhalten
5. Verminderung des Schlafbedürfnisses
6. Überhöhung der Selbsteinschätzung oder Größenwahn
7. Ablenkbarkeit oder dauernder Wechsel von Aktivitäten/Planen
8. Tollkühnes oder leichtsinniges Verhalten, wobei Risiken nicht erkannt werden
9. Steigerung der Libido oder sexuelle Taktlosigkeit
Auch Wahrnehmungsstörungen sind möglich, nicht jedoch Halluzinationen oder Wahnphänomene
ODER sowohl in der Manie als auch Depression können psychotische Symptome auftreten
(Wahnideen, Halluzinationen)
Bei F30.0, der Hypomanie, muss die Stimmung nur an vier aufeinander folgenden Tagen abnorm
gesteigert oder gereizt sein. Hinzu kommen drei der folgenden Symptome:
1. Steigerung der Aktivität oder motorische Unruhe
2. Erhöhte Gesprächigkeit
3. Konzentrationsschwierigkeiten oder Ablenkbarkeit
4. Verminderung des Schlafbedürfnisses
5. Steigerung der Libido
6. Übertriebene Einkäufe oder andere Arten von leichtsinnigem oder verantwortungslosem
Verhalten
7. Gesteigerte Geselligkeit oder übermäßige Vertrautheit
Bei den bipolaren Störungen (F31.x) kodiert man auf die vierte Stelle die aktuelle Episode. Die
Zyklothymie (F34.0), die wie die Dysthymie zu den anhaltenden affektiven Störungen (F34.x)
zählt, ist definiert als „anhaltende Stimmungsinstabilität mit mehreren Episoden leichter Depression
(3 Symptome) und Hypomanie (3 Symptome), die nicht die Schwerekriterien für manische oder
depressive Episoden erfüllt.“
Erklärungsansätze
Für die bipolare affektive Störung liegen bisher kaum empirisch belegte psychologische
Erklärungen vor. Wir wenden uns also der Depression zu:
Biologische Erklärungsansätze verwenden wie immer Zwillingsstudien und ähnliches. Hierbei
zeigt sich, dass Verwandte ersten Grades von bipolaren Patienten ein Risiko von 25-30% auf eine
affektive Störung haben (vor allem unipolare Störungen). Verwandte ersten Grades von unipolaren
Patienten haben eine Risiko von 15-20% für die Entwicklung einer Depression. Beides liegt über
der Kontrollbedingung (7-10%), die Gene scheinen also eine Rolle zu spielen. Hinzu kommt, dass
eineiige Zwillinge bei der bipolaren Störung eine Konkordanzrate von 72% (DZ 14%) und bei der
unipolaren Störung eine Konkordanzrate von 40% (DZ 14%) haben. Es werden komplexe
Erbgänge vermutet.
Von biochemischer Seite wurden lange die Noradrenalin- und die Serotoninhypothese vertreten.
Hierbei sollte wenig Noradrenalin eine Manie, wenig Serotonin eine Depression verursachen.
Da die wirksamen Antidepressiva jedoch die Noradrenalin- und Serotoninspiegel nur in den ersten
Tagen erhöhen und ihre Wirkung erst nach zwei Wochen entfalten (wenn die Spiegel längst wieder
auf ihrem ursprünglichen Niveau sind), muss angenommen werden, dass die neurochemischen
Prozesse doch komplexer sind (ein anderer Ansatz vermutet bei Depressiven eine hyperaktive
Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse, da Depressive einen erhöhten Kortisolspiegel
haben. Die würde die Dichte der Serotoninrezeptoren verringern und die Funktion der
Noradrenalinrezeptoren stören).
Die psychologischen Theorien gliedern sich mal wieder in psychodynamische, lerntheoretische und
kognitive Theorien, wobei es bei beiden gemischte Befunde gibt. Hinzu kommt der relativ neue
interpersonale Erklärungsansatz.
Psychodynamik: Nach Freud haben Depressive eine unzureichende Bedürfnisbefriedigung in
der oralen Phase, was negative Gefühle gegen die geliebte primäre Bezugsperson verursacht
(Ambivalenz => Fixierung auf dieser Stufe => Übermäßige Abhängigkeit von anderen). Später im
Leben kommt es zum Verlust eines geliebten Objekts => negative Gefühle, die nicht zugelassen
werden können. Der Betroffene identifiziert sich dann jedoch mit der verlorenen Person, so dass
die eigenen Person Ziel der negativen Gefühle wird (Introjektion von Hass auf das Selbst). Die
Phase der Trauerarbeit nach dem Verlust kann auf Grund der Fixierung vermutlich nicht gelingen,
so dass der Betroffenen in einem Prozess von Selbsthass und Selbstbeschuldigungen gefangen
bleibt.
Die Abhängigkeit von anderen wurde bei Depressiven nachgewiesen, ebenso Verlustängste. Der
nach innen gerichtete Hass ist unbestätigt (es ist Freud...).
Lerntheorie: Lewinsohn vermutet einen Verstärkerverlust als zentrales Problem Depressiver.
Entweder gibt es generell zu wenige Dinge, die den Patienten potentiell verstärken könnten, oder es
sind aktuell zu wenige der potentiellen Verstärker vorhanden oder der Patient hat keine Fähigkeiten,
die vorhandenen Verstärker abzurufen. Durch den Mangel an Verstärkern befindet sich der
Depressive immer in einer Art Löschungsphase und sein alltägliches Verhalten wird mehr und
mehr reduziert. Negative Lebensereignisse sind als Auslöser logisch, da sie den Wegfall von
Verstärkung bedeuten, wodurch die nötige Mindestverstärkung unterschritten werden kann.
Die Theorie vernachlässigt leider die Rolle von Selbstverstärkung und Bestrafung, Lewinsohn hat
außerdem keine schwer Depressiven Untersucht und hat nur korrelative Daten. Aber sie erklärt die
Defizite Depressiver im Sozialverhalten und den Zusammenhang von Depression und
unangenehmen Ereignissen des Alltags.
Kognitiv: Beck. Schema: Stabile Struktur zur selektiven Wahrnehmung, Codierung und
Bewertung von Stimuli – Teil der Persönlichkeit. Im Zentrum der Depression liegt eine kognitive
Störung.
Die angenommenen Ablaufschritte sind:
1. Entstehung von Schemata in der Sozialisation (normal, hier entstehen aber negative
Schemata)
2. Umwelt als Auslösebedingung (Stress aktiviert ruhende Schemata)
3. Schemata beeinflussen Denkprozesse (durch charakteristische kognitive Verzerrungen)
4. Verzerrung der Realität (Wahrnehmung durch Schemata beeinflusst)
5. Zirkuläres Feedback („wie ich mir dachte, bin ich doof“).
Die charakteristischen kognitiven Verzerrungen sind:
1. Willkürliches Schlussfolgern (ohne oder gegen Beweise)
2. Selektives Verallgemeinern (Detail ohne Situation)
3. Übergeneralisieren (Regeln aus isolierten Vorfällen)
4. Maximieren und Minimieren (Bedeutung von Ereignissen falsch einschätzen)
5. Personalisieren (Ereignisse auf Selbst beziehen)
6. Verabsolutiertes, dichotomes Denken (sich ausschließende Kategorien)
7. Gedankenlesen (ohne Nachfagen „wissen“, was der andere denkt)
8. Emotionale Beweisführung („ich fühle mich doof, also bin ichs“)
Beck spricht außerdem von der kognitiven Triade, auf die sich die verzerrte Wahrnehmung der
Realität bezieht:
1. Negative Sicht von sich Selbst
2. Negative Sicht von der Welt
3. Negative Sicht von der Zukunft
Aus Becks Theorie ist eine gute Therapie abgeleitet worden und es ist belegt, dass das Denken
depressiver Menschen ungünstig verzerrt ist, aber die ätiologischen Annahmen (negative Schemata
gehen der Depression voraus) sind noch unbestätigt.
Kognitiv: Seligman. Eigentlich eine Lerntheorie, abgeleitet aus dem Verhalten von Hunden unter
Elektroschocks => erlernte Hilflosigkeit. Wurde dann erweitert um das Konzept der Attribution
(Zuschreibung der Ursachen von Ereignissen). Der depressive Attributionsstil zeichnet sich
dadurch aus, dass Misserfolge immer internalen , globalen, stabilen Faktoren zugeschrieben
werden. Man erklärt Misserfolg also z.B. damit, dass man selbst schuld ist (internal), dass man das
nicht ändern kann, weil man minderbegabt ist (stabil) und dass es an einer umfassenden
allgemeinen Unfähigkeit liegt (global). Die emotionale Konsequenz sind Resignation und
Lähmung. Erfolge werden external, instabil und spezifisch attribuiert.
Again, es fanden sich Zusammenhänge, aber es ist nicht geklärt, ob das der Depression vorausgeht.
Der interpersonale Ansatz geht davon aus, dass mangelnde soziale Fähigkeiten sowohl ein
Prädiktor für Depression sind als auch ein Faktor, der weitere Verschlechterung bedingen kann.
Wenn Depressive mangelnde soziale Fähigkeiten haben (wiederholt gezeigt), dann erfahren sie
Ablehnung durch Mitmenschen (Verstärkerverlust) und haben bei der Bewältigung ihrer
Probleme zu wenig Unterstützung durch ihre sozialen Netze.
Verbreitung & Verlauf
Depression:
Lebenszeitprävalenzen: 12,7% (Männer) / 21,3% (Frauen) – 16% gesamt
Frauen zwei bis drei mal so häufig, dazu oft in niedrigen sozialen Schichten
Setzt meist Mitte bis Ende 20 ein, ist in 80% der Fälle rezidivierend
Hohe Suizidgefahr
Dysthymie:
Lebenszeitprävalenz: 3 – 4% oder 6 – 10%
Häufige Chronifizierung
Hohe Suizidgefahr
Bipolare Störung:
Lebenszeitprävalenz: 0,6 – 3,3 %
Beginnt meist im zweiten Lebensjahrzehnt
Männer und Frauen gleich häufig, aber Frauen öfter depressiv, Männer öfter manisch
Komorbiditäten
Angststörungen, Substanzmissbrauch, sexuelle Funktionsstörungen und Persönlichkeitsstörungen
sind häufige Komorbiditäten bei depressiven Störungen.
Komorbidität
Unipolare Depression
Dysthymie
Angststörung
18 – 21%
46%
Abhängigkeiten
14 – 20%
29%
Major Depression
-
29%
Therapie
Ich zitiere: „Die klassische Form der Psychoanalyse ist bis heute nicht Gegenstand
wissenschaftlicher Untersuchungen gewesen, so dass über deren Wirksamkeit keine Aussage
gemacht werden kann“. Deshalb reden wir über die anderen Therapien.
Die Interpersonale Psychotherapie ist speziell für unipolare Depression entwickelt worden und
hat sich dort als wirksam erwiesen. Meist in Kombination mit Pharmakotherapie geht es um die
Bewältigung zwischenmenschlicher Probleme. Therapiephasen:
1. Information des Patienten, Identifikation von Therapiezielen.
2. Bearbeitung der vereinbarten Bereiche (verschiedene Methoden)
3. Bearbeitung des Therapieendes als Trauer- und Abschiedsprozess (?), Rückfallprophylaxe
Die wichtigste und wirksamste Psychotherapie bei DEPRESSION ist jedoch die kognitive
Verhaltenstherapie. Ziel ist es, die kognitiven Verzerrungen der Patienten zu lösen. Die
Patienten sollen ihre automatischen, verzerrten Gedanken erkennen, auf Angemessenheit
überprüfen und neue Interpretationen entwickeln. Später sollen auch tieferliegende
Überzeugungen (Schemata) verwändert werden.
Zu diesen kognitiven Elementen kommen verhaltenstherapeutische Elemente wie Aktivitätsaufbau
(Finden einer Balance zwischen angenehmen und belastenden Aktivitäten) und die Verbesserung
der sozialen Fertigkeiten (sozialen Interaktion verbessern). Auch durch Altagsstrukturierung soll
der Mangel an positiven Verstärkern aufgehoben werden.
Bei bipolaren Störungen werden Psychotherapien ergänzend zur Pharmakotherapie eingesetzt, um
Rückfälle zu verhindern und die psychosoziale Anpassung der Patienten zu verbessern. Die
gemeinsamen Elemente der hier eingesetzten Therapien:
1. Psychoedukation über Entstehung, Symptome, Verlauf und Behandlung
2. Vermittlung der Notwendigkeit von Medikation
3. Selbst- und Fremdbeobachtung zur Erkennung von Symptomverschlechterung
4. Förderung einer regelmäßigen Tages- und Schlaf-Wach-Struktur
5. Vermittlung neuer Bewältigungs- und Problemlösestrategien und sozialer Kompetenzen
6. Notfallplanung zur Rückfaööverhinderung
Medikamentöse Therapien spielen eine sehr wichtige Rolle bei affektiven Störungen. Depressive
Menschen bekommen zur Stimmungsaufhellung Antidepressiva, bipolar gestörte Menschen
bekommen vor allem Lithium um ihre Stimmung zu stabilisieren (langfristige Einnahme, um
Rückfälle zu vermeiden). Alte Antidepressiva und Lithium haben schwere Nebenwirkungen (z.B.
Tremor) und sind in Überdosis tödlich giftig. Atypische Antidepressiva haben weniger
Nebenwirkungen und sind weniger lebensgefährlich bei Überdosierung. Sie werden darum heute
meiste verschrieben.
Bei manchen Patienten wirken Antidepressiva nicht => Elektrokrampftherapie
In der Therapie ist immer zu beachten, dass affektiv gestörte Patienten (vor allem Depressive) sehr
stark suizidgefährdet sind (15% Selbstmorde). Psychologen und Ärzte sind verpflichtet, ihre
Patienten daran zu hindern, sich selbst zu verletzen oder zu töten. Wichtig ist vor allem, den
eingeschänkten Blickwinkel der Suizidgefährdeten zu erweitern, da die Betroffenen zum Teil gar
nicht sterben wollen, sondern nur auf Grund ihrer eingeschränkten Wahrnehmung von
Handlungsalternativen keinen anderen Ausweg sehen.
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