Vortrag Sportärzte Seminar Es gibt zwei Arten von Störungen: die lokale Störung und die segmentale Störung. Unter einer lokalen Störung kann sich jeder etwas vorstellen. Als Beispiel: man hat einen Autounfall und bricht sich das Bein, dann besteht eine lokale Störung. Ist man jedoch Spitzenathlet, man muß an einem Wettkampf teilnehmen und es lastet auf einem viel Druck von außen, könnte es sein, daß es unter der Bedingung dieser erhöhten Aktivierung und der erniedrigten Selektionsmöglichkeit zu einer segmentalen Dysregulierung im dazugehörigen Segment L4/L5 kommt. Besteht diese Situation schon länger, könnten durch die trophischen Störungen in diesem Segment im ganzen Segment bindegewebsspezifische Veränderungen auftreten. Als zweites Beispiel: man schiebt sein Auto, steht unter Zeitdruck und plötzlich reißt die Achillessehne. Im ersten Moment sieht es nach einer lokalen Störung aus. Weil es aber kein Trauma im herkömmlichen Sinn ist, haben wir es mehr mit den Folgen einer segmentalen Störung (strukturelle, bindegewebespezifische Veränderungen), oder aktuellen segmentalen Dysregulierung zu tun, die dafür gesorgt hat, daß die lokale Belastbarkeit weniger hoch ist als normal. Nach so einer Ruptur wird die Achillessehne operiert und als lokale Störung behandelt. Nun muß man natürlich auch lokal behandeln, aber meiner Meinung nach ist es von sehr großer Bedeutung, daß man zuerst nach der Ursache sucht. Ist es wirklich ein lokales Problem gewesen, oder ist es vielleicht Ursache eines segmentalen Problemes? Das muß man wissen, um eine falsche Prognosestellung zu verhindern. Diese Prognose ergibt sich aus den normalen Gesetzmäßigkeiten des Heilungsprozesses des Bindegewebes. Das bedeutet, daß die Sehne nach ca. 3 Wochen, wenn sie in die Remodellierungsphase kommt, wieder zu 90% belastbar ist. Ein Nichtuntersuchen auf eine segmentale Störung oder Dysregulierung, welche den Heilungsprozeß deutlich verlangsamen würde, nenne ich einen Kunstfehler. Ich möchte jetzt den Begriff segmentale Störung und davon ausgehend segmentale Dysregulierung definieren, da es vor einer segmentalen Störung immer zuerst zu einer segmentalen Dysregulierung kommt. Eine segmentale Dysregulierung ist eine Regulationsstörung innerhalb eines oder mehrerer Segmente. Dies entsteht durch eine erhöhte Aktivität innerhalb eines Rückenmarkssegmentes, infolge eines absoluten oder relativen nozizeptiven Reizes, unter der Voraussetzung eines erhöhten allgemeinen Aktivierungsniveaus und einer niedrigen Selektionsmöglichkeit, ein aspezifisches Arousel. Diese erhöhte Aktivität innerhalb eines oder mehrerer Segmente hat eine deutliche Konsequenz für die Verarbeitung von afferenten Reizen, die Regulierung von Muskeltonus, Haltung und Bewegung und die Regulierung von den Funktionen, die unter der Kontrolle des orthosympatischen Nervensystems stehen. Diese Funktionsstörungen, die infolge dieser Dysregulierung entstehen, kennzeichnen sich durch einen segmentalen Zusammenhang. Ist diese Dysregulierung nur von kurzer Dauer, verschwinden diese Funktionsstörungen direkt nach dem Aufheben dieser Dysregulierung. Wenn diese Dysregulierung längere Zeit anhält, äußert sich dies durch strukturelle, morphologische Veränderungen innerhalb sämtlicher Gewebe und Organe innerhalb dieses Segmentes. All diese Störungen zusammen bezeichnet man als segmentale Störung. Eine segmentale Störung ist das Vorhandensein von bindegewebe- und organspezifischen Veränderungen, entstanden durch eine aktuelle oder vorher bestandene segmentale Dysregulierung. Jetzt möchte ich zuerst die Folgen einer segmentalen Dysregulierung auf die verschiedenen Gewebearten besprechen, danach, wie man diese diagnostiziert und behandelt in Form eines Fallbeispieles, und dann die Folgen auf die Trainierbarkeit der einzelnen Gewebearten, wobei es immer wieder zu Verwechslungen der Begriffe Dysregulierung und Störung kommt. Zuerst konzentriere ich mich auf die segmentale Dysregulierung. Die Folgen einer segmentalen Dysregulierung kann man in 3 Gruppen einteilen: 1) sensorische Störungen (sekund. Hyperalgesie,Hyperästhesie, Allodynie,Hypoästhesie) 2) motor. Störungen (Hypertonus, funk. Instabilität, Pseudoparese, Kraftverlust, Koordinationsverlust) 3) vegetative Störungen infolge erhöhter orthosympathischer Aktivität (vermehrtes Schweißsekret, troph. Störungen* und erhöhte Sensorenempfindlichkeit) *Trophische Störungen bedeuten eine verminderte Durchblutung im ganzen Segment mit dementsprechenden Folgen. Anamnese: Patient,28 J., seit anderthalb Jahren Fußballer bei einem Profiverein Beschwerden: Schmerzen und Morgensteifheit an der li Achillessehne, Schmerz und Steifheit am Beginn des Trainings, keine weiteren Schmerzen am li Fuß, aber ab und zu müdes Gefühl. Leichte Kreuzbeschwerden, bestehend aus Schmerzen und müdem Gefühl bei bei längerer statischer Belastung. Bewegung lindert Beschwerden. Beim Aufstehen in der Früh ist der P. auch steifer. Es gibt sonst keine schmerzprovoz. Bewegungen. Ruhe hat die Beschwerden nicht verbessert. Zeitlinie: Ursachen: Rekonstruktion Die Beschwerden bestehen seit ein paar Monaten Trauma/ kein Trauma Belastung/ Belastbarkeit Analyse Allgemein, Lokal, Regional, Segmental. Es gab kein deutliches Trauma. Der P. hat voriges Jahr von einem kleinen zu einem großen Verein gewechselt. Der Druck ist sehr groß, weil er der teuerste ............... in der Geschichte ist und der Konkurrenzkampf sehr groß ist. Der P. ist vor einem Jahr Vater geworden. Er hat sehr große physische Belastung, dazu muß er zwei wichtige Wettkämpfe/ Woche spielen. Es wird jetzt mehr und intensiver trainiert als beim vorigen Verein. Der Patient hatte früher keinerlei Beschwerden, in letzter Zeit schläft er nicht mehr so gut und das Einschlafen dauert länger. Auch die Regenerationsfähigkeit nach einem Wettkampf dauert etwas länger. Der Patient leidet unter einem ständiges Müdigkeitsgefühl, er verkühlt sich in letzter Zeit auch leichter. Im allgemeinen fühlt sich der Patient nicht 100%ig wohl, auch seine Form ist nicht optimal. Verlauf: Physiologisch oder Pathologisch Die Beschwerden sind progressiv Status Präsens: s.o. O.P./ Röntgen/ Medikamente : ---Differential Diagnose (lokal oder segmental): 1) segm. Dys. des Niveaus L5/S1 2) Achillodynie li, Stadium I nach Cyriax 3) Lumb. Instabilität 4) Morbus Bechterew. Funktionsuntersuchung: In diesem Fall untersucht man zuerst die Haut auf dem Niveau L5/S1, dann auf dem Niveau T12/L1/L2, wo die präganglionären Neurone der Segmente L5/S1 liegen. Danach testet man das ganze zu L5/S1 gehörige Bindegewebeskelett auf Mobilität und Endgefühl. Dabei vergleicht man linke und rechte Seite. Dann untersucht man, ob eine sekundäre Hyperalgesie besteht, ein verletzungspezifisches Symptom einer segmentalen Dysregulierung. Mit dem Radiergerät testet man den Ramus dorsalis medialis des Nervus spinalis. Diese Tests waren positiv. Danach testet man noch alle zu diesem Segment gehörenden Gelenke. Der Test für die Achillessehne war negativ. Konklusion und Behandlungsplan: 1) Den Patienten aufklären. 2) Mit dem Trainer reden und dafür sorgen, daß er kein intensives Training mehr hat, nur noch aerob und viel Koordination, der gesamte Umfang kann jedoch gleich bleiben. 3) Mentales Training, wobei man ihm lernt mit dem Streß umzugehen, Entspannungsübungen. 4) Alle betroffenen Gelenke oszillieren, mobilisieren oder manipulieren abhänig von seiner Selektivität und eine 5) Übung mitgeben, wobei der Patient das ganze Bindegewebeskelett gehörend zu L5/S1, mobilisiert. Direkt nach der ersten Probebehandlung war die Beweglichkeit des ganzen Bindegewebes deutlich besser, woraus man schließen kann, daß es noch keine strukturellen Veränderungen innnerhalb des Bindegewebes gegeben hat. Wenn die Vorgehensweise wie oben empfohlen, befolgt wird, tritt eine rasche Heilung ein. Zusammenfassung: Um eine segmentale Dysregulierung zu entwickeln, müssen folgende Kriterien vorhanden sein: 1) erhöhtes allg. Aktivierungsniveau, ergotropes Tuning 2) aselektives Arousel 3) primäre nozisensorische Stelle Ein Sportler mit Tendinitisbeschwerden im Knie, Streß im Sinne eines Trainings mit hoher Intensität und vielen PR- Terminen, welche einen Sportler momentan überfordern, ist stärker gefährdet, eine segm. Dysreg. zu entwickeln mit allen Gefahren, die dazugehören wie z.B. einem Fortschreiten der Beschwerden im Knie oder anderer Traumata an den Kniebändern durch eine verminderte Propriozeption. Eine längere Traininsphase mit höherer Intensität ohne guter Grundlagenausdauer ist für den Körper genauso ein Streßfaktor wie jeder andere Streß. Es entsteht eine Erhöhung des ß-Endorphinspiegels, später gefolgt von einer gesteigerten Konzentration von Cortisol in dem Moment, in dem Erschöpfungserscheinungen auftreten. Diese ß-Endorphine führen zu einer Sensibilitätsbnahme auf noxischen Reize, Kortisol bremst die notwendigen Entzündungsmechanismen. Wenn man unter der anaeroben Schwelle trainiert, kommt es später oder überhaupt nicht zur Aktivierung von Hypophyse/ Hypothalamus/ Nebenniere. Kommt es jetzt während der vorhergenannten Streßsituation zu einem leichten Trauma, reicht dies aus, damit eine Verletzung entsteht, welche unter dem Einfluß von Cortisol nicht so schnell heilen wird. Unter diesen Umständen entsteht eine segmentale Dysregulation, wodurch die Trainierbarkeit des Gewebes noch weiter sinkt. Durch das fast 100% gesteuerte Training unserer Sportler werden diese Risiken größtenteils vermieden. Zudem kann sofort mit den Maßnahmen reagiert werden, wie ich das in der Casa besprochen habe. Meine Arbeit ist es, auch die Sportler, die bei uns neu sind, und schon eine segmentale Dysregulierung oder Störung entwickelt haben, wieder in Schwung zu bringen. Es ist wichtig,durch wöchentliche Gespräche und regelmäßige Untersuchungen Probleme frühzeitig zu erkennen und Funktionsstörungen zu beseitigen, damit es zu keiner segmentalen Dysregulierung kommen kann, wenn die Belastung gesteigert wird. Nun noch zurück zu dem Titel meines Vortrages: Der Einfluß von segmentalen Störungen auf die Entwicklung der körperlichen Leistungsfähigkeit Gewebe, das Teil einer segmentalen Störung oder Dysregulierung ist, ist weniger trainierbar. Wenig Kraftausdauer in einem Fuß, ein unsicheres Gefühl auf dem Ski, ein Sturz in einer Situation in der man normalerweise nie stürzen würde, sind meiner Meinung nach oft auf ein seg Dys zurückzuführen. Durch die schlechtere Trophik ist das aerobe Vermögen weniger, und die anaerobe Bereitstellung an die Muskelfasern erhöht. Dieses bedeutet automatisch, da das maximale Leistungsnivo niedriger ist als sonst und da durch die veränderte sensorische Information eine erhöhte Gefahr für Verletzungen besteht. Ein Beispiele dafür ist eine Skifahrerin, die schon über längere Zeit Beschwerden an beiden Knien hat und durch viel Streß dann derartig beeinflut wird, da sie dann an einer Stelle stürzt, an der sie das vorigen Jahr nie gestürzt wäre (wie sie selbst sagte), sich das Kreuzband reit und als Folge einer schon längere Zeit bestehenden Dysregulerung einen viel langsameren Heilungsproze hat. Die richtige Therapie besteht in einer sehr gute Zusammenarbeit zwischen: einem manuellen Therapeuten, der die Diagnose stellt (lokale oder segmental Störung) und danach die Funktionsstörungen löst dem Trainer, der die Trainingsintensität senkt, einem mentalen Therapeuten, der den Patienten lernt, mit Streß umzugehen, dem Physiotherapeuten der stabilisiert und dehnt, wo notwendig (und das bedeutet im ganzen dysregulierten Segment) und dem betroffene Sportler Gibt es noch keine strukturellen Veränderungen innerhalb das betroffenen Segmentes, können viele Verletzungen verhindert werden und andere rasch geheilt werden.