Der Beitrag der Genetik zur Biodiversitätsforschung

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Modul III
Dr. Thomas Geburek/Dr. Ernst Leitgeb
Bundesamt für Wald
Der Beitrag der Forstgenetik zur Biodiversitätsforschung
Grundlagenpapier – Wald-Umwelt-Gesellschaft
Österreichischer Walddialog
Die Vielfalt der Ökosysteme und innerhalb der Ökosysteme die Vielfalt der Arten sind oftmals mit bloßem
Auge erkennbar. Es gibt aber auch eine Biodiversität, die man nicht sehen kann. Was ist das eigentlich
und warum ist diese Biodiversität gerade für unsere Wälder so bedeutsam?
Biodiversität ist auf verschiedenen Ebenen organisiert. Auf der Ebene der Biosphäre umfasst sie die
Diversität der Ökosysteme, innerhalb der Ökosysteme die Diversität der Arten und innerhalb der Arten
schließlich deren genetische Diversität. Die genetische Ebene der Biodiversität ist leider nicht direkt
sichtbar. Waldbaumarten weisen im Vergleich zu anderen Organismen eine besonders hohe genetische
Diversität auf. Bäume sind langlebig und ortsgebunden. Über viele Jahre sind sie sehr unterschiedlichen
Umweltbedingungen ausgesetzt und können Stressbelastungen nicht ausweichen. Eine hohe genetische
Diversität innerhalb der Art und des einzelnen Baumes sichert die Anpassungsfähigkeit des Individuums
und der Art und damit ein langfristiges Überleben. Waldbäume sind fast ausschließlich Wildpflanzen. Im
Gegensatz zu landwirtschaftlichen Nutzpflanzen sind sie kaum durch Züchtung genetisch verändert
worden. Ihre Nutzung über Jahrhunderte hat jedoch ihre Populationen zum Beispiel durch Übernutzung in
vergangenen Jahrhunderten, Selektion oder Saat- und Pflanzguttransporte beeinflusst. Daher ist nur noch
ein Teil der heutigen Bestände als genetisch ursprünglich (autochthon) anzusehen. Ausmaß und Lage
dieser autochthonen Waldbestände sind weitgehend unbekannt. Hemerobieergebnisse über den
österreichischen Wald beziehen sich nicht auf genetische Aspekte.
Nur bei sehr wenigen Arten [z.B. Mensch, Hefe, Arabidopis (kurzlebige krautige Pflanze)] wurde
bisher das gesamte Genom entschlüsselt. Man kann auch bei den Waldbäumen davon ausgehen, dass
zwischen 25 000 und 50 000 Gene im Zellkern die Informationsträger (Software) sind. Allerdings sind
trotz einer sehr raschen Entwicklung der molekularen Forschung („grüne Revolution“) bisher bei
Waldbäumen nur sehr wenige dieser Gene bekannt. Biodiversität ist an diesen Stellen direkt mit
molekularen Methoden bestimmbar. Für die noch unbekannten Gene sind Plausibilitätsaussagen möglich,
da bestimmte Prozesse auf das gesamte Genom (einschließlich der wenigen bekannten Gene) wirken. Bei
Waldbäumen ist zudem die vom Zellkern unabhängige genetische Information in Zellorganellen für
spezielle Fragestellungen vielfach nutzbar. Darüber hinaus bieten molekulargenetische Verfahren ideale
Voraussetzungen Sex (insbesondere die tatsächliche Pollen- und Samenverbreitung) bei Waldbäumen zu
untersuchen.
Welchen Beitrag kann die Genetik zur Biodiversitätsforschung leisten?
Der Beitrag der Genetik zur Biodiversitätsforschung im Wald leitet sich wie folgt ab. Neben den heute
möglichen molekulargenetische Verfahren zur raschen Artidentifikation (z.B. bei Bodenorganismen)
werden in naher Zukunft auch die Funktion einzelner anpassungsrelevanter Gene bekannt und nutzbar für
ein Monitoring der Biodiversität sein. Prinzipiell muss dazu die derzeitige räumliche Verteilung der
genetischen Diversität bei Waldbaumarten und anderer im Wald lebender Organismen (von Mikroben bis
Wildtier) erfasst werden. Die Analyse dieser räumlichen Muster soll letztlich ein Verständnis der
zugrunde liegenden populationsgenetischen Prozesse im Raum und über die Zeit herbeiführen.
Insbesondere sind dabei die Wirkungen folgender menschlicher Einflüsse zu analysieren: verschiedene
zurückliegende und gegenwärtige Waldbewirtschaftungsformen sowie im Landschaftsverbund die
Häufigkeit des Wechsels zwischen Wald und waldfreier Landschaft und damit verbunden die
Fragmentierung ehemals zusammenhängender großer Waldflächen. Effekte unterschiedlicher
Fragmentierungen können relativ leicht bestimmt werden und spezielle molekulargenetische Verfahren
bieten ideale Voraussetzungen, die natürliche Reproduktion bei Waldbäumen (Pollen- und
Samenverbreitung) zu untersuchen. Langfristig dienen diese Untersuchungen dazu, eine
Bewirtschaftung unserer Wälder unter Wahrung einer genetischen Nachhaltigkeit zu optimieren.
Forschung und Waldmanagement setzen auf unterschiedlichen Raum-Zeit-Skalen an.
(1)
Ebene des gesamten Verbreitungsgebietes oder großer Regionen
Obwohl vom Menschen durch Verfrachtung von Saat- und Pflanzgut und andere Prozesse beeinflusst,
sind unsere Waldbaumarten im Vergleich zu den Kulturpflanzen als „natürliche“ Populationen anzusehen.
Durch die Analyse der räumlichen Muster der genetischen Diversität können an diesen Populationen
vergangene Prozesse nachvollzogen werden. So sind auf der Ebene des gesamten Areals z.B. bei der
Rotbuche, Eiche und Fichte sowohl Anzahl und Lage der verschiedenen Refugialgebiete als auch die
damit unterschiedlichen nacheiszeitlichen Einwanderungswege nachvollziehbar. Diese genetischgeografischen Karten sind aber bezogen auf Österreich noch sehr unvollkommen. Langfristig sollten
zumindest für alle Wirtschaftsbaumarten solche Informationen zur Verfügung stehen. Diese
Biodiversitätsstudien sind zudem eine wertvolle Grundlage für die Identifikation autochthoner
Populationen und stellen molekulargenetische Fingerabdrücke dar, welche bei der Zertifizierung von Holz
und Saatgut nutzbar sind.
Es ist sicher, dass sich Hochlagenpopulationen von denen aus tieferen Lagen unterscheiden.
Ferner ist anzunehmen, dass mehrere Gene die Angepasstheit an die Seehöhe beeinflussen. Leider sind
bisher diese Gene noch unbekannt, um bereits im Saatgut über die Seehöhenangepasstheit eine Aussage zu
machen. Ein molekulargenetisches Pilotprojekt wurde daher heuer am BFW bei Fichte initiiert. Ferner
wurde erstmalig bei Waldbäumen über eine große Region ein anpassungsrelevantes Gen systematisch im
gesamten Bundesgebiet bei Fichte und Lärche untersucht, welches unmittelbar die weibliche Blütenfarbe
und indirekt vermutlich den Zeitpunkt des Pflanzenaustriebs bestimmt [Rohdaten der Österreichischen
Waldinventur (ÖWI) 2000/2002]. Diese Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen, aber es existiert
bei beiden Arten ein klarer Zusammenhang zwischen Blütenfarbe und der Seehöhe; mit zunehmender
Seehöhe nimmt die Häufigkeit rotblühender Bäume signifikant zu. Allfällige Klimaeffekte auf die
genetische Zusammensetzung österreichischer Wälder könnten anhand zukünftiger ÖWI abgeleitet
werden.
(2) Ebene der Landschaft
Für diese Ebene liegen keine Forschungsergebnisse vor.
(3) Ebene des einzelnen Waldbestandes
Die Kenntnisse sind noch sehr gering. Im Rahmen verschiedener BFW-Projekte wird untersucht, welche
Faktoren (z.B. Bestandesstruktur) auf die sexuelle Reproduktion bei verschiedenen Baumarten einwirken.
Vorläufige Ergebnisse zeigen, dass beispielsweise in naturverjüngten Buchenbeständen
Verwandtschaftsgruppen bestehen und die sexuelle Reproduktion nur in geringem Ausmaß von
Bestandesdichte und -aufbau abhängig ist. Auf der Ebene des Waldbestandes sind erste Untersuchungen
über die Mikrobendiversität im Boden angelaufen, welche erstmals nicht nur eine rasche Artidentifikation
möglich machen, sondern auch diese Diversität mit den funktionelle Leistungen von Waldböden
verknüpfen.
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