Biodiversität & Naturschutz

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Biodiversität & Naturschutz
1. Einführung
1.1 Was ist Naturschutzbiologie
(Conservation Biology)?
Was ist Naturschutzbiologie?
Physische Umwelt
z.B.
Geographie
Chemie
Geologie
Physik
Biologie
z.B.
Zoologie
Botanik
Ökologie
Soziale Umwelt
z.B.
Politik
Anthropologie
Soziologie
Ökonomie
Philosphie
Naturschutzbiologie
z.B.
Recht
Planung
Entwicklung
Bildung
Kommunikation
Umsetzung
Management
z.B.
Forst
Jagd
Fischerei
Landwirtschaft
Nach Jacobsen 2005
Was ist Naturschutzbiologie?
Übertragbarkeit
Nach Lindenmayer & Burgman 2005
1.2 Was ist Biodiversität?
Marion Island
•
•
•
•
•
http://marion.sanap.org.za/
1770 km SÖ von
Port Elizabeth,
Südafrika
290 km² (1/10
Saarland), 72 km
Küstenlinie
Alter 0,5 bis 1
Million Jahre
Im Jahr 1663
entdeckt
Im 19. Jahrhundert
Bejagung der
Seeelefanten und
Pelzrobben
Marion Island
•
•
•
•
Aus GASTON & SPICER 2004
ca. 50.000
Seeelefanten und
Pelzrobben
ca. 1 Mill. Seevögel
(u.a. Pinguine,
Albatrosse,
Sturmvögel,
Sturmtaucher)
ca. 150 bekannte
Arten von
Invertebraten
geschätzte Artenzahl
> 500
Marion Island
•
•
•
•
•
•
•
Evolution
Genetik
Morphologie
Physiologie
Ökologie
teilw. Populationsgrößen von
mehreren tsd.
Individuen
Endemismus
http://marion.sanap.org.za/
Was ist Biodiversität?
• 173 Lebermoosarten auf
einem Baum in PapuaNeuguinea (APTROOT 1997)
• 814 Baumarten auf 50 ha in
Malaysia (MANOKARAN et al. 1992)
• 1300 Schmetterlingsarten auf
< 4000 ha in Brasilien
• 55-135 Tierarten auf 30x30
cm Meeresboden in 2100 m
Tiefe (GRASSLE & MACIOLEK 1992)
• > 4000 Bakterienarten in 1 g
Boden (TORSVIK et al. 1990)
Was ist Biodiversität ?
• „Biodiversität“ eingeführt durch E.O. Wilson 1986
• griech. bios: das Leben, lat. diversitas: Vielfalt,
Vielfältigkeit
• DELONG 1996: 85 Definitionen
• „Biodiversität-Konvention“ (Übereinkommen über die
biologische Vielfalt, CBD):
„Biological diversity means the variability among living
organisms from all sources including, inter alia,
terrestrial, marine and other aquatic ecosystems and the
ecological complexes of which they are part; this
includes diversity within species, between species
and of ecosystems.
„Biodiversität“ als Wertbegriff
Ziele der CBD :
„...the conservation of biological diversity,
the sustainable use of its components and
the fair and equitable sharing of the benefits
arising out of the utilization of genetic
resources, including by appropriate access to
genetic resources and by appropriate transfer of
relevant technologies, taking into account all
rights over those resources and to technologies,
and by appropriate funding.“
1.3 Elemente der Biodiversität
Elemente der Biodiversität
Ökologische
Diversität
Diversität der
Organismen
Biome
Reiche
Bioregionen
Stämme
Landschaften
Familien
Ökosysteme
Gattungen
Habitate
Arten
Nischen
Genetische Diversität
Unterarten
Populationen
Populationen
Populationen
Individuen
Individuen
Chromosomen
Gene
Nukleotide
Nach HEYWOOD & BASTE 1995
Genetische Diversität
• indirekte Messung (phänotypische
Unterschiede)
• direkte Messung (Unterschiede der
Nukleotidsequenz, der Gene, der
Chromosomen)
Genetische Diversität
Quantitative genetische
Variationen
Aus Smith & Smith 2009
Genetische Diversität
Farbmorphen des Asiatischen Marienkäfers Harmonia
axyridis (de.wikipedia.org)
Genetische Diversität
A)
A) Adulte Tier der Artengruppe Astraptes
fulgerator (http://phe.rockefeller.edu)
B) Raupen der Artengruppe Astraptes
fulgerator (www.pnas.org)
B)
Genetische Diversität
l, lowest value; h, highest value; Os, Oryza sativa; At,
Arabidopsis thaliana; Ec, Encephalitozoon cuniculi; Pl,
Plasmodium falciparum; Sp, Schizosaccharomyces pombe;
Sc, Saccharomyces cerevisae
Aus GASTON & SPICER 2004
Genetische Diversität
Aus GASTON & SPICER 2004
Genetische Diversität
• zunehmende Genomgröße korreliert mit
zunehmender morphologischer Komplexität
(viele Ausnahmen: z.B. Lungenfisch)
• Genomgröße: höchste / geringste = 100.000
• Anzahl der Gene: höchste / geringste = 20
Genetische Diversität
• Universelle Gene (z.B. Gene für Enzyme der
Atmungskette)
→Unterschiede in der Nukleotidsequenz steigen
mit zunehmender taxonomischer Distanz
Diversität der
Organismen
a)
b)
c)
Familie Cichlidae
(Buntbarsche) in Lake
Victoria (14 Arten in 9
Gattungen)
Pongidae (Menschenaffen,
7 Arten in mehreren
Familien)
Gattung Drosophila (13
Arten)
AVISE & JOHNS 1999
Arten-Konzepte
•
Biologische Art
•
Morphologische Art
•
•
Ökologische Art
Phylogenetische
(evolutionäre) Art
...
•
eine Gruppe potentiell kreuzbarer Individuen,
die sich mit Individuen anderer Gruppen
nicht fortpflanzen
eine Gruppe von Individuen, die sich in
morphologischer, physiologischer oder
biochemischer Hinsicht von anderen
Gruppen unterscheiden
Entstehung neuer Arten
Aus Smith & Smith 2009
Entstehung neuer Arten
Aus Smith & Smith 2009
Entstehung neuer Arten
Entstehung neuer Arten
Aus Smith & Smith 2009
Entstehung neuer Arten: Mindestareal
Lebensgemeinschaften & Ökosysteme
•
•
•
•
•
Lebensgemeinschaft
Ökosystem
ökologische Nische
Umweltkapazität
mutualistische Beziehungen (z.B. Parasitismus,
Symbiose)
Aus Smith & Smith 2009
Ökologische Nische
Aus BEGON et al. (1991)
Wechselbeziehungen in einem
Ökosystem
Bsp. Tangwälder und Seeotter
• Verbreitung: Westküste N-Amerikas, Küste von
Argentinien, Sargassosee, Westküste S-Afrikas, teilw.
Indischer Ozean, vor Australien, vor Neuseeland und
teilweise vor der Antarktis
• Bedeutung: Erosionsschutz, Lebensraum
• Bedrohung: industrielle Erntemethoden, lokale
Ausrottung von Fleischfressern, insbesondere des
Seeotters
Dynamik und Regulation
• Ökosysteme als dynamische Systeme
(Energiefluss, Stoffflüsse, Populationsdynamik)
• Sukzession:
– Primärsukzession (Neubesiedlung)
– Sekundärsukzession (Wiederherstellungsprozesse)
→ „Mosaik-Zyklus-Sukzession“
• Störeffekte → Elastizität
Aus Smith & Smith 2009
Aus Smith & Smith 2009
Organisation von Gemeinschaften
•
•
•
•
•
•
Biomasse
Nahrungskette / Nahrungsnetz
Gilde
limitierende Ressource
Schlüsselarten
Schlüsselressourcen
Aus Smith & Smith 2009
Nahrungsnetz
Aus Smith & Smith 2009
Schlüsselarten
Bsp. Flughunde (F. Pteropodidae, G. Pteropus)
• ca. 200 Arten, ¼ der Arten gehören zur G. Pteropus
• Verbreitung: Inseln des Südpazifik
• Bedeutung: Bestäuber und Samenausbreiter u.a. für
Arten mit ökonomischen Wert (Ebenholz, Mahagonie,
Wilde Banane, Durian)
• Regeneration des Waldes nach
Kahlschlägen
• Bedrohung: Jagd, Zerstörung der
Lebensräume
Schlüsselarten
• Pflanzen → spezialisierte Herbivoren (Æ Parasitoiden)
Daumenregel: Verhältnis Pflanzen zu herbivoren Insekten ≈ 1 : 10
↔ obligate Bestäuber
z.B. Feigen (Ficus sp.) und Gallwespen (Agaonidae)
↔ Samen- und Früchteverbreiter
• Großraubtiere / Spitzenprädatoren
z.B. Wolf
• Ökosystemingenieure
z.B. Biber, Bisons, Elefanten, Gnus, Hirsche
Schlüsselressourcen
Limitierende Ressourcen, die nur einen kleinen Teil des
Lebensraumes einnehmen, jedoch Bedeutung für viele
Arten der Lebensgemeinschaft aufweisen.
• Salzlecken, Mineralteiche, Tränken
• Kolke und Kiesbänke in
Fließgewässern
• Kranke und abgestorbene Bäume
Flaggschiffarten
• Für den Naturschutz wichtige Arten aufgrund
ihres hohen Prestige- und Öffentlichkeitswertes
• Eignung für Durchsetzung politischer
Maßnahmen und für Erfolgskontrolle
• Häufig hoher Raumbedarf
1.4 Messung der Biodiversität
Messung biologischer Vielfalt
Wie hat sich die Biodiversität im Lauf der Zeit verändert?
Wo ist hohe Biodiversität anzutreffen? Wie kann
Biodiversität bewahrt werden?
Komponenten der Messung:
1) Anzahl unterscheidbarer Elemente
2) Equitabilität (Evenness)
3) Unterschiede zwischen den Elementen
Es existiert eine Vielzahl von Maßen für die
biologische Vielfalt, vgl. „Körpergröße“.
Messung biologischer Vielfalt
PURVIS & HECTOR 2000
Artenzahl:
Sample A > Sample B
Evenness (= H/Hmax):
Sample B < Sample A
Shannon-Index
H = −∑pi log pi
Messung biologischer Vielfalt
Ökosystem
A
B
C
Buche
40
120
80
Stieleiche
30
60
60
Kiefer
20
20
60
Hainbuche
10
−
−
Artenzahl
4
3
3
Evenness
0,92
0,88
0,99
H
0,56
0,39
0,47
Abundanz von Arten
in 3 Ökosystemen
sowie Artenzahl,
Evennensss und
Shannon-Index (H).
Artenvielfalt als gebräuchliches Maß
+ Anwendbarkeit
+ Verfügbare Informationen
+ Übertragbarkeit
+ Verbreitung
- Definition der Art
- Unterschiedlichkeit
Artenvielfalt als gebräuchliches Maß
a)
b)
c)
d)
Benthische
Mollusken im
Ostpazifik
Pilze (Macromyceten) in
Großbritanien
Hummeln auf
611.000 km
Zellen
Hochstauden
in Patagonien
Artenvielfalt auf verschiedenen Ebenen
• Alphadiversität: Vielfalt in einer
Lebensgemeinschaft
• Betadiversität: Änderungen entlang eines
Umweltgradienten
• Gammadiversität: Rate, mit der sich
Artenzusammensetzungen ähnlicher
Lebensräume mit zunehmender Distanz ändern
→ häufig stark korreliert
Artenvielfalt auf verschiedenen Ebenen
Hunter 2002
Artenvielfalt auf verschiedenen Ebenen
• Clear Lake: NE Kalifornien, 17760 ha
• ursprüngliche 12 autochthone Arten, davon 3
endemisch
• von 1894 bis 1967 wurden insgesamt 16 allochthone
Fischarten eingesetzt, 3 autochthone Arten
verschwanden (hiervon 2 endemisch)
1.5 Einige verwandte Konzepte
Biotische (biologische) Integrität
• Vollständigkeit / Gesamtheit eines biologischen
Systems: Vorkommen und Abundanz
struktureller Elemente, Existenz und Ablauf
funktioneller Elemente
• Insbesondere Betrachtung von
Schlüsselelementen
• Bewertung durch Vergleich mit dem
unveränderten / potentiell natürlichen Zustand
Ökosystemintegrität
• Synonym: Ökosystem-Gesundheit (ecosystem
health)
• Betonung der funktionellen Elemente
Nachhaltigkeit
• Anwendung im Bereich des Managements
natürlicher Ressourcen (Holz, Wasser, Boden)
• Schlüsselidee: Intergenerationen-Gerechtigkeit
(intergenerational equity)
Vergleich der Konzept
Mensch-Natur-Beziehung
Kultur trennt Mensch und
Natur; Mensch zerstört den
ursprünglichen Zustand
Mensch ist Bestandteil der
Natur
Naturschutzphilosophie
„Compositionalism“
„Functionalism“
Naturverständnis
Evolutionsökologie basiert
auf einer biologischen
Hierarchie von Organismen,
die in
Lebensgemeinschaften
interagieren
Ökologie der Ökosysteme
basiert auf
thermodynamischen
Energie- und Stoffflüssen
und der Existenz von
Prozessen und Funktionen
Konzepte
Schutz von biologischer
Diversität und biologischer
Integrität; ökologische
Restauration
Ökosystem-Gesundheit;
ÖkosystemDienstleistungen;
Ökosystem-Management;
Nachhaltige Entwicklung;
Ökologische Nachhaltigkeit
Nach Callicott et al. 1999
1.6 Zusammenfassung
Zusammenfassung
• Biodiversität beinhaltet die Vielfältigkeit des
Lebens mit allen Organisationsstufen
• Elemente der Biodiversität umfassen die
genetische, die organismische und ökologische
Diversität
• Arten einer Lebensgemeinschaft stehen durch
Konkurrenz, Räuber-Beute-Beziehungen und
Mutualismus in Wechselbeziehungen
zueinander
Zusammenfassung
• Schlüsselarten und Schlüsselressourcen können für das
Vorkommen vieler Arten entscheidend sein
• das Maß zur Bestimmung der Biodiversität bestimmt den
Ausgang der Messung und offenbart eine individuelle
Bewertung
• Artenvielfalt ist das gebräuchliche Maß in vielen Studien
zur Erfassung der Biodiversität
• neben der Betonung der Biodiversität gibt es verwandte
Konzepte wie z.B. biotische Integrität, Ökosystem
Integrität, Nachhaltigkeit
Diskussion
• Treffen Sie eine
Entscheidung welches
der drei abgebildeten
Ökosysteme einen
vorrangigen Schutz
erhalten sollte.
• Nennen Sie für einige
ausgewählte Ökosysteme
die Schlüsselarten und
Schlüsselressourcen.
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