Biodiversität - Institut für Spezielle Zoologie und Evolutionsbiologie

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Typen
Exemplare nach denen Arten beschrieben werden.
Holotypus: Einzelstück auf dem die Originalbeschreibung beruht
Paratypen: weitere Exemplare aus der Typenserie
Syntypen (=Cotypen): Exemplare der Typenserie wenn kein Holotypus festgelegt
wurde.
Lectotypus: im Nachhinein aus den Syntypen festgelegter namenstragender Typus
Neotypus: neufestgelegter Typus wenn der ursprüngliche Holotypus nicht mehr
auffindbar ist.
Nomenklaturregeln
Prioritätsregel: der erste publizierte Namen eines Organismus hat Vorrang
(Priorität)
Jüngeres Synonym: wenn für eine schon beschriebene Art aus Unkenntnis später
eine weiterer Name eingeführt wird.
Jüngeres Homonym: wenn ein Name für eine Art vergeben wird, der schon vorher
für ein anderes Taxon verwendet wurde.
Jüngere Synonyme und jüngere Homonyme sind nach der Prioritätsregel
ungültig.
Stabilitätsregel: wenn die Stabilität der Nomenklatur im Einzelfall bedroht ist, kann
die strenge Anwendung der einzelnen Regeln, insbesondere der Prioritätsregel,
unter bestimmten Bedingungen aufgehoben werden.
In solchen Fällen wird ein Name der eigentlich nach der Prioritätsregel Vorrang hätte
durch ein Nomen protectum (oder Nomen conservandum) ersetzt.
Nomen oblitum: seit 50 Jahren nicht mehr verwendet
Nomen nudum: „wissenschaftlicher Name“ ohne Erstbeschreibung
Große Naturkundliche Sammlungen und Museen
Unverzichtbar für die Taxonomische und Systematische Arbeit. Die Hauptaufgaben
sind neben der Konservierung das Bereitstellen für die wissenschaftliche
Bearbeitung.
Bsp: Naturkundemuseum Berlin, The Natural History Museum London, Musée
d’Histoire Naturelle Paris, Senckenberg, Frankfurt a.M., Field Museum Chicago
Biodiversität
Biodiversität ist heute
ein Schlagwort und
in aller Munde und wird in
unterschiedlichen Zusammenhängen erwähnt, v.a. mit Bezug auf Umweltzerstörung
und dem Aussterben von Arten, v.a. in tropischen Regenwäldern (Orte der höchsten
Artenvielfalt auf unserem Planeten). Auch in der Taxonomie, Systematik und der
Ökologie spielt der Begriff heute eine sehr wichtige Rolle und auch der ökonomische
Aspekt der Biodiversitätsforschung bekommt eine immer größere Bedeutung.
Die
häufige
Verwendung
Wissenschaften
hat
des
teilweise
Begriffs
eher
Biodiversität
praktische
in
den
(pekuniäre)
biologischen
Gründe.
Rein
taxonomische Projekte haben i.d.R. kaum eine Aussicht auf finanzielle Förderung.
Wenn das Projekt aber mit dem Etikett ‚biodiversity’ versehen wird, v.a. wenn die
Untersuchungen in sogenannten ‚biodiversity hotspots’ stattfinden (z.B. Madagascar,
Neu Guinea) steigt die Aussicht auf Förderung deutlich.
Biodiversitätsprojekte haben aber ohne jeden Zweifel eine außerordentlich große
Bedeutung und sind dementsprechend ganz klar förderungswürdig. Sie werden
beispielsweise mit erheblichen finanziellen Mitteln von großen naturkundlichen
Museen durchgeführt (z.B. Field Museum Chicago, Smithsonian Institution
Washington D.C.). Die Erfassung und Dokumentation von Artenvielfalt gehört
definitiv zu den größten Herausforderungen für die Biowissenschaften im 21. Jhdt.
Als Bespiel möchte ich ein sehr bekannt gewordenes Projekt aus den 80 er Jahren
kurz vorstellen. Es wurde von dem Entomologen (Carabidologen) Terry Erwin in
Mesoamerika durchgeführt. Er hat in Panama einzelne Urwaldbäume (verwandte
unserer Linde: Luehea semannii) mit pflanzlichen Insektiziden begast (‚canopy
fogging’). Die abgetöteten Insekten hat er auf ausgebreiteten Planen eingesammelt
und dann soweit wie möglich identifiziert (u.a. Parataxonomen). Erwin hat aus
umfangreichen Daten ermittelt, dass im Durchschnitt ca. 160 Käferarten in den
Kronen dieser Baumart leben. Von den Käfern ausgehend schloss er auf ca. 400
Insektenarten insgesamt in den Baumkronen und weitere 200 Arten am Stamm
(insgesamt 600). Ca. 50.000 tropische Baumarten gibt es. Multipliziert mit 600 ergibt
das eine Zahl von 30 Millionen Insektenarten allein auf tropischen Bäumen.
Andere Schätzungen etwa von Peter Hammond (BMNH) sind vorsichtiger.
Ausgehend von der gut erfassten Fauna von Großbritannien kommt er auf
Schätzungen von 6.5 Millionen Insektenarten.
Der Begriff Biodiversität wurde in den 80er Jahren kreiert. ‚Biological diversity’
wurde von Thomas Lovejoy (1980) eingeführt und Biodiversität (‚biodiversity’) von
Rosen (1985).
Seither wird der Begriff fast global verwendet, v.a. von Biologen, Umweltschützern,
und Politikern, insbesondere in Zusammenhang mit Habitatzerstörungen und dem
Rückgang von Artenvielfalt.
Def.: Vielfalt des Lebens auf allen biologischen Organisationsstufen
Def.: Biodiversität ist ein Maß für die relative Diversität (Vielfalt) von
Organismen, die in bestimmten Ökosystemen vorkommen.
Die Diversität in dieser Definition umfasst die Vielfalt innerhalb von einer Art, die
interspezifische Vielfalt (Anzahl der vorkommenden Arten) und die relative Diversität
von verschiedenen Ökosystemen.
Eine weitere Definition wird v.a. von Ökologen benutzt:
Def.: die Gesamtheit der Gene, Arten und Ökosysteme die in einer Region
vorkommen.
Der Vorteil dieser Definition ist, dass sie die drei traditionellen Ebenen in denen
Biodiversität wahrgenommen wird in sich vereint.
a) genetische Diversität
Genetische Vielfalt innerhalb von einer Art, auf individuellem Niveau und dem
Niveau der Populationen
b) Diversität auf Artniveau, Artenvielfalt in einem Ökosystem
c) Diversität von Ökosystemen
Höchste Organisationsniveau. Vielfalt von Ökosystemen auf unserem Planeten.
Diese dritte Definition von Biodiversität wurde im wesentlichen auch von der
Konferenz zur Umwelt und Entwicklung der UN in Rio 1992 übernommen (United
Nations Earth Summit = „Rio Konferenz“).
Offizielle Version: "biodiversity" is "the variability among living organisms from all
sources, including, terrestrial, marine, and other aquatic ecosystems, and the
ecological complexes of which they are part: this includes diversity within species,
between species and of ecosystems"
(Biodiversität ist die Vielfalt aller lebender Organismen in allen Lebensräumen,
terrestrische, marine, und andere aquatische Habitate, und der ökologischen
Komplexe zu denen sie gehören, inklusive der Vielfalt innerhalb von Arten,
zwischen Arten und zwischen Ökosystemen.
Man kann das heute auch als generell, international und auch juristisch
anerkannte Definition betrachten.
Die
Definition
wurde
von
der
Biodiversitäts-Konvention
angenommen
(Internationales Übereinkommen zur biologischen Vielfalt). Dieser Konvention
gehören alle Länder an außer Andorra, dem Vatikan, Brunei, Irak, Somalia und
den USA.
Messung von Biodiversität
Um Biodiversität empirisch erfassbar zu machen wurde eine Reihe von objektiven
messbaren direkten und indirekten Indikatoren eingeführt. Dabei steht jedes Maß
für Biodioversität in Zusammenhang mit der jeweiligen Zielsetzung oder Nutzung.
Für den praktischen Umwelt- und Artenschutz sind andere Aspekte wichtig als für
Genetiker oder Systematiker, oder auch industrielle Unternehmen (z.B.
Pharmakonzerne) denen es um die langfristige wirtschaftliche Nutzung von
Biodiversität geht.
Abundanz (=Mengengrad, „Häufigkeit“):
Unter Abundanz versteht man in i.d.R. die Dichte bzw. Häufigkeit der Individuen
einer
Art
bezogen
auf
eine
bestimmte
Flächen-
oder
Volumeneinheit
(Individuendichte, Populationsdichte). Es kann sich aber auch um die absolute
Zahl der Individuen in einem definierten Gebiet handeln.
Die Abdundanzregel besagt, dass in vielseitig ausgestatteten Ökosystemen Arten
mit großer Reaktionsbreite die größte Abundanz erreichen (vielseitige Arten). In
arm ausgestatteten Ökosystemen sind dagegen Arten mit einer spezifischeren
Reaktionsbreite (Spezialisten) erfolgreicher.
Ein weiteres Maß ist der Simpson diversity Index (species diversity index):
Er wird in der Ökologie häufig verwendet um die Biodiversität in einem
bestimmten Habitat zu quantifizieren. Er berücksichtigt die Artenzahl und die
relative Häufigkeit. Der Simpson Index gibt die Wahrscheinlichkeit an mit der zwei
willkürlich herausgegriffene Individuen in einem Habitat der gleichen Art
angehören.
Weiter verwendete Begriffe sind die Alpha, Beta und Gamma-Diversität
Alpha-Diversität: Anzahl der Arten in einem Ökosystem (Artenreichtum, species
richness)
Beta-Diversität:
Vergleich
der
Biodiversität
zwischen
verschiedenen
Ökosystemen, beinhaltet u.a. auch den Vergleich der jeweils endemischen Arten
(endemisch = Arten die nur in einer bestimmten, begrenzten Region vorkommen)
(Bsp.: Muschelkrebsart in einem Weihwassertempel in einem japanischen
Tempel)
Gamma-Diversität:
Maß
für
die
Gesamtdiversität
von
verschiedenen
Ökosystemen einer Region
Weiter mögliche Indikatoren für Biodiversität sind:
-
Waldfläche
-
Fläche von geschützten Arealen (ausgewiesene Naturschutzgebieten oder
Nationalparks)
-
Die Wasserqualität von Meer oder Süßwasserhabitaten (z.B. Eutrophierung,
Verschmutzung)
-
Zahl der Träger von tradionellem Naturwissen (Ureinwohner)
(Heilpflanzen, pharmazeutisch wirksame Organismen, z.B. Curare)
Ein weiteres Maß in der Biodiversitätsforschung ist der Shannon Index (H’,
Shannon-Weaver, Shannon-Wiener)
Der Shannon Index ist eine mathematische Größe die die Vielfalt betrachteter
Daten beschreibt. Sie berücksichtigt sowohl die Anzahl unterschiedlicher
Datenkategorien (z.B. genetische Diversität, Artenzahl) als auch die Abundanz
(Anzahl der Individuen/Art). Der standardisierte Shannon-Index wird auch als
Evenness bezeichnet und ermöglicht die Vergleichbarkeit von Datenpools mit
unterschiedlicher Kategorienzahl.
Verteilung
Die Biodiversität ist auf der Erde nicht gleichmäßig verteilt. Sie ist generell in den
Tropen deutlich höher und wird in Richtung der polaren Gebiete immer geringer.
Die Flora und Fauna hängt von verschiedenen Faktoren ab, vom Klima, von der
Höhe, der Bodenqualität und von anderen vorhanden Arten. Man kann darauf
basierend verschiedene Ökoregionen unterscheiden.
Orte mit besonders hoher Diversität werden als ‚Biodiversity Hotspopts’
bezeichnet (s.o.) (Norman Myers 1988, 1990). Die meisten ‚hotspots’ liegen in
Waldregionen in den Tropen. Was man nicht unbedingt erwarten würde ist dass
sie oft in der Nähe von dicht bevölkerten Regionen liegen. Die rapide Zunahme
der Bevölkerung führt deshalb häufig zu einer akuten, dramatischen Bedrohung
des Artenreichtums, insbesondere von endemischen Arten (z.B. Rodung).
2006
wurden
(‚endangered’),
zahlreiche
oder
Arten
bedroht
weltweit
(‚threatened’)
vermutlich Millionen weiterer Arten
als
selten
klassifiziert.
(‚rare’),
gefährdet
Tatsächlich
sind
de facto gefährdet, sind aber noch nicht
endeckt oder formal beschrieben worden. Man muss davon ausgehen dass die
Biodiversitätsforschung und die Taxonomie keine Chance haben mit dem
dramatischen Verlust von Diversität Schritt zu zuhalten.
Ich möchte noch einige Beispiele für ‚hotspots’ anführen. Das wahrscheinlich
bekannteste ist der Regenwald in der Amazonas Region von Brasilien. Dort
kommen ca. 20.000 Pflanzenarten vor, ca. 1350 Wirbeltiere und Millionen
Insektenarten, von denen nur ein Bruchteil beschrieben ist. Man muss
bedauerlicherweise davon ausgehen, dass ein großer Teil dieses Regenwalds
verschwunden sein wird, bevor diese extreme Insekten-Diversität auch nur
annährend erfasst ist.
Allerdings muss man im Auge behalten, dass großflächige Vernichtung von
ökologisch wertvollen Waldflächen nicht nur in Regionen der „Dritten Welt“
stattfindet, sondern auch reichen Ländern wie in Canada oder den USA.
Weitere wichtige Beispiele für ‚hotspots’ sind der Regenwald und der trockene
Laubwald von Madagascar. Hier gibt es eine außerordentlich hohe Rate von
Endemismus (z.B. Lemuren). Der hohe Grad von Endemismus hängt damit
zusammen, dass sich Madagascar schon vor ca. 65 MY vom Afrikanischen
Kontinent getrennt hat. Dadurch sind in verschiedenen Gruppen eigenständige
evolutive Entwicklungen möglich geworden. Bedauerlicherweise muss man auch
hier erwähnen, dass auch diese Ökosysteme in Madagascar extrem gefährdet
bzw.
schon
weitgehend
Bevölkerungszunahme.
verschwunden
sind.
Hauptproblem
ist
die
Extrem artenreich ist auch Mittelamerika, v.a. Mexico. Hier treffen sich
nordamerikanische und südamerikanische Faunenelemente.
Ein weiteres Beispiel ist Borneo. Hier gibt es neben tropischem Regenwald auch
sogenannte ‚peat bogs’ (Torfmoore). Viele Regionen mit hoher Biodiversität (und
hohem Endemismus) sind sehr spezialisierte Habitate. Das trifft auch auf die
Torfmoore zu. Sie zeichnen sich durch eine hohe Diversität an Pflanzen und
Tieren aus die in keinen anderen Lebensräumen vorkommen.
Ein anderes Beispiel für spezialisierte Lebensräume mit hoher Diversität sind die
Wüstenregionen am Horn von Afrika (z.B. Somalia).
Ökonomische Bedeutung von Biodiversität
Biodiversität wird legitimerweise auf unterschiedliche Weise vom Menschen
genutzt. Ein besonders wichtiges und nahe liegendes Beispiel ist die Diversität
von landwirtschaftlichen Nutzpflanzen. Neben der Ernährung spielt natürlicher
Artenreichtum für die pharmazeutische und kosmetische Industrie eine wichtige
Rolle. Daraus können auch konkrete Schutzmassnahmen resultieren. Das gleiche
gilt für den Ökotourismus, der in manchen Ländern eine wichtige Einnahmequelle
geworden ist (Costa Rica, Australien). Auch die großen Schutzgebiete in Afrika
(Serengeti) wären ohne massive Einnahmen durch den >Ökotourismus i.w.S.
nicht denkbar.
Die ökonomische Nutzung ist defintiv eine Chance Biodiversität zu erhalten. Das
Problem des massenhaften Verschwindens von Arten hat teilweise einen
massiven finanziellen Aspekt. Andererseits gibt es natürlich auch reichlich
Konfliktsstoff,
wie
die
vorhandenen
Ressourcen
nicht
nur
profitträchtig
ausgebeutet werden können, sondern auch schonend und mit angemessenem
Nutzen für die entsprechenden Länder wo die Tier- oder Pflanzenarten
vorkommen.
Ökologen und Umweltschützer waren die ersten die auf den ökonomischen
Aspekt der Biodiversität hingewiesen haben.
E. O. Wilson (1992): biodiversity is one of the greater wealths of the planet, and
nevertheless less recognised as such.
Wissenschaftliche Bedeutung
Nicht zuletzt ist Biodiversität von elementarer Bedeutung für die Forschung in den
Biologischen
Wissenschaften
(von
angewandten
Bereichen
bis
in
die
Grundlagenforschung, z.B. Ökologie, Evolutionsbiologie oder Systematik).
Jede Art stellt an sich einen großen Wert, kann aber auch wesentlich sein für das
Verständnis von evolutiven Abläufen und für das Verständnis der jeweiligen
Ökosysteme. Jede Art hat einen einmaligen Bestand von genetischem Material
das einen unschätzbaren Wert darstellen kann. Das wird eindrucksvoll von der
aktuellen genetischen und medizinischen Forschung untermauert. Seit 2005 sind
zahlreiche Fälle dokumentiert in denen genetisches Material von spezifischen
Arten zur Entwicklung von wirksameren neuen Medikamente geführt hat. Man
kann davon ausgehen, dass wenn das derzeitige Massenaussterben (‚holocene
extinction event’) mit dem gleichen Tempo weitergeht, zahlreiche Chancen auf die
Entwicklung von neuen Heilmethoden für immer verloren gehen.
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