7Wo_HO-algebraisch 30/31-5-17 6.5 Harmonischer Oszillator in Besetzungszahldarstellung. Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren. Wiederholung klassische Mechanik: Teilchen oszilliert harmonisch mit x ( t ) A cos ( t ) , 2 Energie E k , m m 2 m m2 m x U( x ) x 2 ... 2 A 2 zwischen 0 E , kontinuierlich 2 2 2 2 Wellenmechanik (Kapitel 3): Ohne Rechnung ist klar i ~ ( x, t ) ( x ) e E t . Da Potenzial U(x) zeitunabhängig, folgt für die Wellenfunktionen Da U(x) = U(-x) sind die ( x ) entweder gerade oder ungerade. Da wir die gebundene, eindimensionale Bewegung behandeln, erwarten wir ein diskretes, nichtentartetes Energiespektrum En. Mit Rechnung: In Kapitel 3 haben wir ( x ) und En mit der Sommerfeld´schen Polynommethode aus der stationären Schrödinger-Gleichung 2 d 2 ( x ) m 2 2 x (x) E (x) 2 2m dx 2 in (wie wir jetzt wissen) Ortsdarstellung bestimmt. 1 x 2 Vorgehensweise: Nach Variablentransformation y , b : b m (i) Asymptote abspalten, Potenzreihenansatz für den "Rest", Rekursionsformel y2 2 k 1 , ( y) f ( y) e 2 , a k 2 ak . f ( y) a k y k (k 1) (k 2) k 0 1 (ii) Normierbarkeit sichern a1 0 , wenn n ungerade 2n 1, n 0,1, 2, ... sowie a 0 , wenn n gerade 0 (iii) 1 E E n n 2 ergibt , n 0,1, 2, ... ein äquidistantes, nichtentartetes Energiespektrum mit den dazugehörigen Eigenzuständen 1 m 4 n (x) wobei H n (z) : (1) n e z 2 H n 2 n n! 1 m m 2 exp x , 2 d n z2 e die hermiteschen Polynome sind. Diese sind Lösungen der dz n d2 d gewöhnlichen Differentialgleichung 2 2 y 2 n H n ( y ) 0. dy dy (iv) für die Aufenthaltswahrscheinlichkeitsdichte fanden wir im Grenzfall n lim n ( x ) n 2 1 , x A 2 2 A x . w kl ( x ) 0 , sonst 2 Darstellungsunabhängige, algebraische Lösung des Eigenwertproblems für den Hamilton-Operator des eindimensionalen harmonischen Oszillators (Dirac) p 2x m2 2 p̂ 2 m2 2 . Postulat x 2 Ĥ x x̂ mit x̂ , p̂ x i . 2 2 2m 2m H(px , x ) (6.23) Dirac definierte eine Operator â und seinen adjungierten â entsprechend â : Def.: m i p̂ x x̂ 2 2m â : m i p̂ x x̂ 2 2m x̂ â â 2m m â â p̂ x i 2 . (6.24) Offensichtlich sind weder â noch â selbstadjungiert. Sie genügen der Vertauschungsrelation â, â 1, bzw. â â 1 â â (6.25) denn m i m i i i i x̂ p̂ x̂ p̂ x , x̂ p̂ x , p̂ x x̂ ( i i ) 1 . x , 2 2 i 2 i 2 2 m 2m 2 Wegen â â m 2 1 i 1 m2 2 p̂ 2x x̂ p̂ 2x x̂ p̂ x p̂ x x̂ x̂ 2 2 2m 2 2m i 1 2 1 p̂ 2x m2 2 x̂ = â â . Ĥ 2m 2 2 folgt (6.26) Damit ist das Eigenwertproblem für den Hamilton-Operator Ĥ auf das des Operators N̂ â â zurückgeführt. Wir bezeichnen die Eigenfunktionen des Operators N̂ mit n , die entsprechenden Eigenwerte mit n und betrachten die Eigenwertgleichung 3 Def.: N̂ â â , mit N̂ n n n . (6.27) Wir wollen nun zeigen, dass n 0,1, 2, 3, ... ist. Zur Berechnung der Eigenwerte von N̂ halten wir fest: (i) Der Operator N̂ ist hermitesch, denn N̂ ( â â ) â â â â N̂ . Also sind die Eigenwerte n reelle Zahlen und die Eigenfunktionen n bilden eine Basis { n } im Hilbert-Raum . (ii) Die EW von N̂ sind nicht negativ, denn es gilt n n N̂ n n â â n â n â n 0 . Damit ist das Spektrum von N̂ nach unten beschränkt. (iii) Es gilt N̂ ( â n ) ( n 1) ( â n ) . Beweis: N̂ â n ( 6.25 ) ( 6.27 ) N̂ â n (â â ) â n (â â 1) â n â (â â 1) n â N̂ n â n â n n â n ( n 1) (â n ) Wenn n Eigenfunktion von N̂ zum Eigenwert n ist, dann ist â n ebenfalls Eigenfunktion von N̂ , allerdings zum Eigenwert (n-1). Wegen (6.27) gilt N̂ n 1 (n 1) n 1 . Da die Eigenwerte von N̂ (wie die von Ĥ ) nicht entartet sind, können sich die Zustände â n und n 1 nur um eine Konstante unterscheiden. Deshalb muss â n const n 1 gelten. Im Gegensatz zu n ist â n noch nicht normiert. Wir finden â n â n n â â n n N̂ n n n n n , und damit schließlich â n n n 1 (6.28) 4 (iv) Analog beweisen wir die Gültigkeit der Relationen N̂ ( â n ) ( n 1) ( â n ) , â n n 1 n 1 . (6.29) ( 6.25) N̂ â n â (â â ) n â (â â 1) n â N̂ n â n â n n â n ( n 1) ( â n ) . Also â n const n 1 . â n Normierung: 2 â n â n n â â n n 1 â â n (1 n ) n n 1 n . Also: Ist n Eigenfunktion von N̂ zum Eigenwert n, dann ist â n Eigenfunktion von N̂ zum Eigenwert n + 1. Aus (6.28/29) folgt z.B. (â ) 2 n (n 1)(n 2 n 2 oder (â )3 n n (n 1)(n 2) n 3 usw. (v) Bei wiederholter Anwendung von â auf n könnten im Widerspruch zu (ii) negative Eigenwerte auftreten. Um das zu verhindern, muss ein Grundzustand, 0 , mit Def.: â 0 0 existieren. Wegen N̂ 0 â â 0 â 0 0 ist der Eigenwert von N̂ zum Grundzustand 0 gleich Null. Also ist das Spektrum von N̂ nach unten beschränkt. (vi) Nach oben ist das Spektrum von N̂ dagegen unbeschränkt. Zum Beweis nehmen wir das Gegenteil an. Sei n max der größte Eigenwert von N̂ , d.h. â n max 0 . Dann wäre 0 â n max 2 â n max â n max n max â â n max ( 6.25 / 27 ) n max ( N̂ 1) n max n max 1 , also n max im Widerspruch zu (ii) negativ. Bemerkung: Es existieren keine Eigenfunktionen n von N̂ n n n mit Eigenwerten n, die keine natürlichen Zahlen sind. Die Annahme N̂ n ( n x ) n , 0 x 1 führt zum Widerspruch (vgl., z.B., Nolting, Band 3, S. 280). 5 Fazit aus den Eigenschaften (i) – (vi): Die Eigenwerte des Operators N̂ sind n = 0, 1, 2, … . 1 Wegen Ĥ â â (6.26), ergibt sich daraus sofort 2 1 E n n , n 0,1, 2 ... , 2 (6.30) also das uns aus Kapitel 3 bekannte Energiespektrum des eindimensionalen harmonischen Oszillators mit seinen diskreten, äquidistanten und nicht entarteten Energieniveaus. Wir wollen unsere Ergebnisse nun folgendermaßen interpretieren: Der n-te angeregte Zustand n des harmonischen Oszillators ist mit n Schwingungsquanten der Energie besetzt. Wir nennen (i) N̂ gemäß N̂ n n n den Besetzungszahloperator. Das ist der Operator zur Observable Anzahl der Schwingungsquanten im Zustand n . (ii) â gemäß â n n n 1 den Vernichtungsoperator. Die Anwendung von â auf den Zustand n vernichtet ein Schwingungsquant. (iii) â gemäß â n n 1 n 1 den Erzeugungsoperator. Die Anwendung von â auf den Zustand n erzeugt ein Schwingungsquant. Naheliegender Weise nennen wir dann die Darstellung zur Basis { n } der Eigenfunktionen von N̂ die Besetzungszahldarstellung der Quantenmechanik. Bemerkung: Offensichtlich lassen sich die Operatoren von Observablen, die nach dem Korrespondenzprinzip Q(p, r ) Q̂ Q(p̂, r̂ ) aus den entsprechenden Phasenraumvariablen gebildet werden können, durch die Operatoren â und â ausdrücken (6.24, rechts). Die Darstellung aller Operatoren von Observablen durch Kombinationen aus Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren wird als zweite Quantisierung bezeichnet. Sie ist von grundlegender Bedeutung für die quantenmechanische Beschreibung von Vielteilchensystemen und wird ausführlich im Kurs ThPh V, QM II behandelt. 6 Eigenfunktionen von Ĥ Ĥ und N̂ haben gemeinsame Eigenfunktionen. Sie lassen sich durch aufeinanderfolgende Anwendung von â aus dem Grundzustand 0 gewinnen: 1 1 1 â 1 (â ) 2 0 â 0 , â 1 2 2 , â 1 2 1 2 2 1 â 0 1 1 , â 1 1 also n 1 (â ) n 0 , n 0,1, 2, ... n! (6.31) In Ortsdarstellung erhalten wir die Ergebnisse aus Kapitel 3. Grundzustand: Wir projezieren â 0 auf x m i x̂ p̂ x 0 2 2 m 0 x â 0 x und finden mit (6.24) die Differentialgleichung m i x x̂ 0 2 2 m x x 0 x 0 ( x ) x p̂ x 0 i d ( x ) d x 0 i 0 dx dx d 0 ( x ) m x 0 (x ) 0. 2 2 m dx Über Trennung der Variablen, m 2m d 0 m x dx x dx und Normierung folgt 0 2 1 m m 4 2 x 2 0 (x ) . e (6.32) Einschub: Angeregte Zustände ( Übungsblatt) Sukzessive erzeugen wir aus 0 ( x ) die Wellenfunktionen der angeregten Zustände, z.B. 1 ( x ) x 1 x â 0 denn mit m d x0 x 2 2m dx d 0 m d x 0 (s.o.) ist x 0 dx 2 m dx 2m x 0 (x) m x 0 2 7 d m x mit dx Bemerkung: Die Substitution q : m d d vereinfacht die in p̂ x i dq dx Ausdrücke erheblich, denn nun ist â 1 d 1 d q , â q dq dq 2 2 also 1 n (q) : q n q (â ) n 0 n! n d q 0 (q ) . dq 2 n n! 1 (6.33) Zeigen Sie, dass daraus 1 m 4 n (q ) 1 2n n! H n (q ) e folgt, wobei H n (q ) (1) n e q 2 q2 2 , n 0,1, 2, ... d n q2 e die Hermite´schen Polynome vom Grad n sind. dq n Überzeugen Sie sich, dass H n (q ) die Lösungen der linearen homogenen gewöhnlichen Differentialgleichung 2. Ordnung d2 d 2 2q 2n H n (q ) 0 sind. dq dq Fazit: Damit ist der Anschluss an die Ergebnisse vollzogen, die wir in Kapitel 3 bei der Behandlung des eindimensionalen harmonischen Oszillators nach der Sommerfeld´schen Polynommethode erzielt haben. Hier haben wir Energiespektrum und Eigenfunktionen ausschließlich unter Verwendung der Vertauschungsrelation zwischen Orts- und Impulsoperator x̂ , p̂ x i bestimmt. Die verwendete Besetzungszahldarstellung mit den eingeführten Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren ist Grundlage der sogenannten II. Quantisierung, die im Kurs Quantenmechanik II (Masterstudium) ausführlich behandelt wird. 8 Einschub: Glauber-Zustände 1963 zeigte R. J. Glauber (geb. 1925, Nobel-Preis für die Entwicklung der Theorie der kohärenten Zustände in der Quantenoptik; R. J. Glauber, Coherent and Incoherent States of the Radiation Field, Phys. Rev. 131, 2766 (1963)), dass die elektromagnetische Welle einer Lasermode am besten durch kohärente Zustände gemäß â , C komplex beschrieben werden kann. Diese kommen klassischen elektromagnetischen Wellen sehr nahe, weil der Erwartungswert der elektrischen Feldstärke im Zustand unabhängig vom Erwartungswert der Teilchenzahl die Form einer klassischen elektromagnetischn Welle hat. Ursprünglich entdeckte Erwin Schrödinger die kohärenten Zustände, als er nach einem Zustand des quantenmechanischen harmonischen Oszillators suchte, der weitestgehend dem klassischen harmonischen Oszillator entspricht. Vgl. E. Schrödinger, Der stetige Übergang von der Mikro- zur Makromechanik, Die Naturwissenschaften 14, 664-666 (1926). Er zeigte, dass der kohärente Zustand im Fall des harmonischen Oszillators ein Gauß´sches Wellenpaket ist, dass im parabolischen Potenzial U ( x ) k / 2 x 2 hin und herläuft, ohne dabei seine Ortsund Impulsunschärfe zu verändern (vgl. Animation in Wikipedia unter dem Stichwort kohärenter Zustand.) Die sogenannten kohärenten oder Glauber-Zustände haben interessante Eigenschaften, die die Bezeichnung quasi-klassische Zustände rechtfertigen (Beweise Übungsblatt): (i) x p x ! "minimale Wellenpakete" 2 (ii) Für große Werte sind die Unschärfen von x̂ , p̂ x und Ĥ sehr klein. (iii) x und p x genügen den klassischen Bewegungsgleichungen (oszillieren mit Frequenz ), wohingegen x n px n 0. 9 Vorgehensweise zum Beweis von (i) – (iii) (u.U. als Übungsaufgabe): 1) Zeige, das e 2 2 n 0 n n n! ein normierter Eigenzustand des Vernichtungs- operators â zum Eigenwert ist. 2) Eigenzustände zu verschiedenen Eigenwerten sind nicht orthogonal ( â ist nichtnormal, da [ â , â ] 0 ). 3) 2 e 2 . Fazit: Kohärente Zustände schlagen die Brücke zur klassischen Physik harmonischer Oszillatoren. Besonders wichtig sind sie in der Quantenoptik. ■ Ein Fadenpendel mit m 1 kg und 10 cm hat 1015 . 10