Prakt_Ermittlung_verschiedener_Werkstoffkennwerte_von_UHMWPE

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Praktikum
Versuch: Ermittlung verschiedener Werkstoffkennwerte des
Implantatwerkstoffes UHMW-PE
Ermittlung verschiedener Werkstoffkennwerte des
Implantatwerkstoffes UHMW-PE
In vielen Bereichen der Implantologie wird Ultrahochmolekulares Polyethylen
verwendet. Beispiele für den Einsatz dieses Thermoplastes sind Tibiakomponenten
in Knieendoprothesen oder die Pfannen von künstlichen Hüftgelenken. Durch seine
außerordentliche Abriebfestigkeit, die auf die langen verworrenen Ketten
zurückzuführen ist, ist UHMW-PE für diesen Einsatz bestens geeignet. Auch ist
dieser Kunststoff biokompatibel, so dass im Körper keine Immunreaktion
hervorgerufen wird.
In diesem Praktikumsversuch sollen mechanische Eigenschaften sowie einige
thermische Eigenschaften des UHMW-PE „Chirulen 1020“ des Herstellers Poly Hi
Solidur Deutschland GmbH bestimmt werden. Dabei handelt es sich um
sintergepresstes UHMW-PE, mit einer Molekülmasse von 5*106 g/mol.
Ziel ist es, die Prüfverfahren kennen zu lernen, mit denen die auf dem
Produktdatenblatt angegebenen Eigenschaften von (Bio)Materialien ermittelt werden.
Die Untersuchungen erfolgen dabei weitestgehend normenkonform.
A. Mechanische Eigenschaften
Im ersten Teil des Praktikums werden die mechanischen Eigenschaften des Chirulen
1020 untersucht.
A1. Zugversuch
Mit Hilfe des Zugversuches werden folgende Werkstoffkennwerte ermittelt:
- Streckspannung
- Reißfestigkeit
- Nominelle Bruchdehnung [Reißdehnung]
- E-Modul.
Bei einem Zugversuch wird der Probekörper entlang seiner Hauptachse bei
konstanter Geschwindigkeit gedehnt, bis er bricht oder die Spannung (Kraft) oder
Dehnung (Längenänderung) einen vorgegebenen Wert erreicht. Während dieses
Vorganges werden die vom Probekörper getragene Belastung und die
Längenänderung gemessen.
Bei Kunststoffen werden dabei meistens Flachproben verwendet.
Stand 15.11.05
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Die (technische) Spannung , die an der Probe anliegt, wird nach Gleichung 1 aus
der angelegten Kraft und der Querschnittsfläche der Probe errechnet.

F
A
Gleichung 1
Die (technische) Dehnung ε berechnet sich nach folgender Formel:

l  l0
l

l0
l0
Gleichung 2
Im Spannungs-Dehnungs-Diagramm wird die Längenänderung in Abhängigkeit der
angelegten Spannung aufgetragen (Abb.1).
Abbildung 1: Schematisches Spannungs-Dehnungs-Diagramm.
Kurve a:
Kurve b und c:
Kurve d:
spröde Werkstoffe
zähe Werkstoffe mit Streckpunkt
zähe Werkstoffe ohne Streckpunkt
Stand 15.11.05
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Als Streckspannung y bezeichnet man den ersten Spannungswert, bei dem ein
Zuwachs der Dehnung ohne Steigerung der Spannung eintritt.
Die Bruchspannung B ist die Spannung beim Bruch eines Probekörpers. Die
Zugfestigkeit M ist die Maximalspannung, die ein Probekörper während der
Belastung erträgt. Die Spannungen werden in MPa angegeben, wobei
1 MPa = 1 N/mm2.
Die nominelle Bruchdehnung B ist die auf die ursprüngliche Länge bezogene
Änderung der Einspannlänge zwischen den Klemmen bei der Bruchspannung.
Als E-Modul bezeichnet man den Quotienten aus dem Spannungsunterschied 2
minus 1 und dem entsprechenden Dehnungsunterschied ε2=0,0025 minus ε1=0,005.
Bei rechnergestützten Prüfeinrichtung kann die Ermittlung des E-Moduls über die
Auswahl von zwei Spannungs-Dehnungs-Werten und eine lineare Regression
zwischen diesen Punkten erfolgen.
A2. (Kerb)Schlagbiegeversuch
Der (Kerb)Schlagbiegeversuch ist der wichtigste Versuch zur qualitativen
Kennzeichnung der Zähigkeit eines Werkstoffes unter mehrachsiger, schlagartiger
Belastung.
Beim (Kerb)Schlagbiegeversuch wird mit Hilfe eines Pendelschlagwerkes eine
(gekerbte) Normprobe zerschlagen. Der Pendelhammer fällt dabei mit vorgegebener
kinetischer Energie auf die Probe.
Als Prüfergebnis wird an einem Schleppzeiger die Arbeit AV abgelesen, die zum
Bruch der (Kerb)Schlagbiegeprobe verbraucht worden ist. Die aufgenommene
Schlagarbeit bezogen auf den Anfangsquerschnitt der Probe ergibt die
(Kerb)Schlagzähigkeit (in kJ/m2).
H : Ausklinkhöhe ( : Auslenkwinkel)
h : Endhöhe ( : Ausschlagwinkel)
Abbildung 2: Maße am Pendelschlagwerk.
Stand 15.11.05
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A3. Härtemessung
Unter dem Begriff „Härte“ versteht man den Widerstand, den ein Körper dem
Eindringen eines anderen Körpers entgegensetzt.
Dementsprechend wird bei den gebräuchlichsten Härteprüfverfahren ein harter
Prüfkörper senkrecht zur Oberfläche der Probe in diese eingedrückt. Als Maß des
Widerstandes gilt die bleibende Verformung, die nach der Beanspruchung des
Werkstücks durch den Eindringkörper durch Messung der Eindruckfläche oder
Eindrucktiefe bestimmt wird. Die ermittelte Kennzahl ist vom Prüfverfahren abhängig,
so dass bei der Angabe eines Härtewertes immer das verwendete Prüfverfahren mit
zu nennen ist. Häufig ist das geprüfte Teil nach der Prüfung noch verwendbar,
weshalb die Härteprüfung als „bedingt zerstörungsfreie“ Prüfung gilt.
Wegen dem viskoplastischen Verhalten von Polymeren sind Härteprüfverfahren, die
darauf beruhen den Härtewert durch das Ausmessen des durch den Eindringkörper
hinterlassenen Eindruckes zu gewinnen (Vickers, Brinell) nicht geeignet. Stattdessen
werden Verfahren angewandt, bei denen entweder die Eindruckgemetrie über die
Eindrucktiefe errechnet wird (Bsp. Kugeldruckhärte) oder der Härtewert direkt über
die Eindrucktiefe eines Indenters gewonnen wird (Bsp. Rockwellhärte, Härte nach
Shore).
Exemplarisch soll in diesem Praktikum das Härteprüfverfahren Rockwell Skale R
sowie das Verfahren Shore D durchgeführt werden.
A3-1. Rockwellhärte Skale R
Bei diesem Verfahren wird eine gehärtete Stahlkugel mit einem Durchmesser von 12“
(Durchmesser 12,7 mm) als Eindringkörper verwendet. Diese wird zuerst mit einer
Prüfvorkraft von 98,07 N in den Kunststoff eingedrückt. Danach wird die Prüfkraft von
588,4 N innerhalb von 10 s aufgebracht. 15 s nach Beginn der Kraftaufbringung ist
die Prüflast zurückzunehmen. An der Tastermessuhr ist nach 15 s der Härtewert
abzulesen. Die maximal erreichbare Härte wäre 130 HR R und würde bedeuten,
dass der Eindringkörper nicht in das zu prüfende Material eindringen würde. Jeweils
2 µm Eindringtiefe ergibt einen Härtewert weniger.
HRR 
0,26mm  Eindringtiefe[mm]
0,002mm
Gleichung 3
Stand 15.11.05
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A3-2. Härte nach Shore D
Die Härte nach Shore wird definiert als: „der Widerstand gegen das Eindringen eines
Körpers bestimmter Form unter definierter Federkraft“. Die Härteskale umfasst einen
Bereich von 0 bis 100 Härteeinheiten, wobei 0 der kleinsten und 100 der größten
Härte entspricht.
Bei Shore D wird ein Eindringkörper wie in Abbildung 3 dargestellt, verwendet. Die
Härte ist 3 s nach der Berührung zwischen der Auflagefläche des Härteprüfgerätes
und des Probekörpers abzulesen. Bei Probekörpern mit deutlichen
Fließeigenschaften kann auch nach 15 s abgelesen werden.
a =  (3 ± 0,10) mm
b =  (1,25 ± 0,15) mm
c = (2,5 ± 0,02) mm
d = (0,79 ± 0,01) mm
r = (0,1 ± 0,01) mm, kugelig
f = (18 ± 0,50) mm
Abbildung 3: Eindringkörper und Auflagefläche bei der Härteprüfung nach Shore D.
B. Thermische Eigenschaften
Das Verhalten eines Werkstoffes bei Temperaturänderung hängt von seinen
thermischen Eigenschaften ab. Zu diesen gehören z.B. die Umwandlungstemperaturen, die spez. Wärmekapazität, der Längenausdehnungskoeffizient und die
Temperaturleitfähigkeit.
B1. Bestimmung der Schmelztemperatur mittels DSC
Bei der Differential Scanning Calorimetry (DSC) wird eine Probesubstanz und eine
Inertsubstanz mit einer bestimmte Heizrate (Abkühlrate) aufgeheizt (abgekühlt).
Dabei werden Probe- und Inertsubstanz (bzw. ein leerer Tiegel) durch die Steuerung
der Heizleistung stets auf gleicher Temperatur gehalten. Detektiert wird die Energie,
die der Probesubstanz dabei mehr oder weniger zugeführt werden muss. Damit ist es
möglich Umwandlungswärmen zu messen und den Schmelzpunkt, bzw.
Schmelzbereich festzulegen.
Stand 15.11.05
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Temperaturfühler
Probesubstanz
H1
H2
Hx: Heizelemente
Inertsubstanz/
leerer Tiegel
Registriereinheit
Versorgungs-, Regelungs- und
Verstärkungseinheit
Abbildung 4: Schematischer Aufbau einer DSC.
B2. Messung des Wärmeausdehnungskoeffizienten
Im Dilatometer werden die Längenänderungen gemessen, die durch Wärmeausdehnung oder Phasenübergänge im Verlauf eines Aufheiz- bzw. Abkühlvorgangs
(dT/dt = const.) auftreten. Damit ist es möglich den thermischen Ausdehnungskoeffizienten α eines Werkstoffes zu bestimmen.
In Abbildung 5 ist der Aufbau eines Schubstangendilatometers zu sehen. Die Probe
befindet sich in einem Quarzrohr und wird über einen elektrischen Widerstandsofen
erhitzt. Durch einen reibungslos gelagerten Quarzstab wird die Längenänderung der
Probe an ein Messsystem übertragen.
Wahlweise kann dabei in definierten Atmosphären gearbeitet werden.
Quarzrohr
Probe
*
0
Thermoelement
Elektrischer Widerstandsofen
Quarzstab (reibungsfrei gelagert)
Abbildung 5: Schematischer Aufbau eines Schubstangendilatometers.
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C. Literatur
o ISO 527: Kunststoffe – Bestimmung der Zugeigenschaften
o ISO 179: Kunststoffe - Bestimmung der Charpy-Schlageigenschaften Teil 1: Nichtinstrumentierte Schlagzähigkeitsprüfung
o ISO 11542-2: Ultrahochmolekulare Polyethylen - Formmassen, Teil 2:
Herstellung von Probekörpern und Bestimmung von Eigenschaften
o ISO 3146: Bestimmung des Schmelzverhaltens (Schmelztemperatur oder
Schmelzbereich) von teilkristallinen Polymeren im Kapillarrohr- oder
Polarisationsmikroskop-Verfahren
o EN ISO 2039-2: Kunststoffe - Bestimmung der Härte, Teil 2: Rockwellhärte
o DIN 53505: Härteprüfung nach Shore A und D
o Datenblatt Chirulen 1020, Poly High Solidur Deutschland GmbH
o H. Blumenauer, Werkstoffprüfung
D. Versuchsdurchführung
1. Ermitteln Sie an 3 Flachzugproben den E-Modul, die Streckspannung, die
Reißfestigkeit und die Reißdehnung. Als Zugprüfmaschine steht eine Zwick
Z100 zur Verfügung. Die Dehngeschwindigkeit soll im elastischen Bereich
1 mm/min betragen, im plastischen Bereich wird mit 10 mm/min geprüft.
Übertragen Sie die gewonnenen Daten eines Zugversuches (Kraft, Weg) in Exel
und bestimmen Sie die oben genannten Kennwerte. Vergleichen Sie diese mit
der Ausgabedatei und den im Produktdatenblatt gegebenen Werten.
2. Für jeweils 3 gekerbte und 1 ungekerbte
Probe ermitteln Sie die
(Kerb)Schlagarbeit. Diese Versuche werden an einem Pendelschlagwerk mit
einem Arbeitsvermögen von 7,5 J durchgeführt.
Worin besteht bei diesem Versuch die Abweichung zur Norm ISO 11542-2?
Lesen Sie dazu die angegebene Norm sorgfältig durch.
Bestimmen Sie die zum Bruch notwendige (Kerb)Schlagarbeit und bestimmen Sie
W
nach der Formel a 
die (Kerb)Schlagzähigkeit.
A
3. Ermitteln Sie die Rockwellhärte Skale R an einer scheibchenförmigen Probe
aus UHMW-PE. Nach Aufbringen der Vorkraft von 98,1 N wird die Prüfkraft
angelegt und für 15 s (ab Auslösung der Kraftaufbringung) belassen. Danach
wird die Prüfkraft zurückgenommen und der Härtewert nach 15 s abgelesen.
Maschinenbedingt wird hier mit einer Prüfkraft von 490,5 N gearbeitet (589 N
laut Norm EN ISO 2039-2). Die Abweichung ist im Protokoll zu vermerken.
Stand 15.11.05
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Ermitteln Sie den Wert aus 5 Einzelmessungen. Wie tief sinkt der Eindringkörper
ein?
4. Bestimmen Sie die Härte Shore D. Der Härtewert ist nach 15 s abzulesen, die
Messdauer ist im Protokoll anzugeben.
Ermitteln Sie den Wert aus 5 Einzelmessungen und vergleichen Sie ihn mit dem
Wert des Produktdatenblattes.
5. Die Schmelztemperatur des Polyethylens soll mittels DSC bestimmt werden.
Wiegen Sie dazu 10 -20 mg Material ein (Durchmesser kleiner als 5 mm,
planparallele Unterseite). Die Aufheizgeschwindigkeit soll 10 K/min betragen.
Die Auswertung der DSC-Messung erfolgt mit der Software Netzsch Protheus
Analysis.
Lesen Sie dazu das erzeugte Datenfile ein und bestimmen Sie mit den
Analysetools den Onset der Schmelztemperatur, sowie die Schmelzwärme. Aus
dieser berechnen Sie die Kristallinität des UHMW-PEs mit Hilfe der Formel:
1 
Schmezwärme(teilkristallinesPE )
,
Schmelzwärme(vollkristallinesPE )
wobei die Schmelzwärme des vollständig kristallisierten PEs 290 J/g beträgt.
6. Bestimmen Sie mit Hilfe der Auftriebsmethode nach Archimedes die Dichte
von UHMW-PE.
Ermitteln Sie mit der gemessenen Härte den Kristallinitätsgrad.
2 
 gemessen   amorph  kristallin
*
* 100%
 kristallin   amorph  gemessen
 amorph  0,855
g
cm 3
 kristallin  1,000
g
cm 3
7. Eine stäbchenförmige Probe (24 mm * 4 mm * 4 mm) wird in das Dilatometer
eingesetzt. Im Bereich von 25°C bis 80°C soll der thermische
Ausdehnungskoeffizient bestimmt werden. Dabei ist mit einer Aufheizrate von
5 K/min und in Stickstoffatmosphäre zu arbeiten.
Lesen Sie das erzeugte Datenfile in Protheus Analysis ein und bestimmen Sie mit
den
zur
Verfügung
stehenden
Auswerteroutinen
den
thermischen
Ausdehnungskoeffizient.
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