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Supervision für Physiotherapeut/Innen
-„Nachhilfe“ für die Beziehungsarbeit mit Patienten Ein Praxisbericht
Manfred Molling
Einleitung
Der vorliegende Praxisbericht gibt die Erfahrungen eines Supervisors wider, der in
unterschiedlichen supervisorischen Zusammenhängen mit Physiotherapeut/Innen arbeitete.
Der Praxisbericht greift einige typische Fragestellungen dieser Berufsgruppe in der Behandlung
mit Patienten auf, die weder in der Ausbildung noch in der überwiegenden Praxis noch in den
medizinisch orientierten Fortbildungen angemessen gewürdigt werden.
Möglichkeiten und Arbeitsweise der Integrativen Supervision in diesem Arbeitsfeld werden
anhand einer Teamsupervision und eines typischen Ablaufs eines Supervisionsseminars für
Physiotherapeut/Innen vorgestellt.
Die von mir gewählte beidgeschlechtliche Schreibweise berücksichtigt die Tatsache, daß in
diesem Berufsfeld überwiegend Frauen arbeiten. Die männliche Schreibform ist darum nicht
korrekt, da mit dem scheinbar geschlechtsneutralen Begriff „Therapeut“ Frauen sprachlich, und
damit im öffentlichen Bewußtsein, nicht den ihnen angemessenen Raum erhalten.
Das Arbeitsfeld der Physiotherapeut/Innen
Physiotherapeut/Innen arbeiten in einem weiten Behandlungsfeld. Dies trifft sowohl auf die
Patientengruppe zu, als auch auf deren Krankheitsbilder. Ebenso vielfältig sind die
Einrichtungen in denen sie eingesetzt werden.
Die Alterspanne der Patienten liegt zwischen zu früh geborenen Kindern und hochbetagten alten
Menschen.
Die Krankheitsbilder weisen von Wahrnehmungsstörungen und Entwicklungsverzögerungen bei
Kindern,
Akutbehandlungen
bei
Unfällen,
Rehamaßnahmen,
Schlaganfall-,
Prophylaxebehandlungen, Arbeit mit geistig und körperlich Behinderten bis hin zu Maßnahmen
im Spitzensport.
Physiotherapeut/Innen arbeiten sowohl in freien Praxen, selbständig, als Angestellte, als freie
Mitarbeiter, in Krankenhäusern, Arztpraxen, Schulen, Altenheimen, Kurkliniken u.a.
Einrichtungen.
Das Gemeinsame in den vielfältigen Einsatzbereichen ist aber der enge und „leibnahe“ Kontakt
mit dem Patienten, seine prinzipielle Einwilligung in die Behandlung und für den Erfolg ist die
aktive Mitarbeit des Patienten meist Voraussetzung.
In vielen Fällen ist die angemessene Hinzunahme der Angehörigen und deren Mithilfe
erforderlich.
Schließlich besteht eine mehr oder weniger dichte Zusammenarbeit mit Berufskollegen, Ärzten,
insbesondere bei denjenigen, die Patienten überweisen und Kollegen aus anderen
Fachgebieten und anderen Einrichtungen.
Diese kurze und unvollständige Aufzählung macht
Zusammenhängen sich die Physiotherapie bewegt.
deutlich,
in
welch
komplexen
Zwischen Physiotherapeut/ In und Patient passiert mehr als nur
die medizinische Behandlung
Um eine effiziente Behandlung durchführen zu können, muß neben der ständigen
Weiterentwicklung fachspezifischen Wissens eine „ganzheitliche“ Sichtweise, die die
Einflußgrößen der Behandlung reflektiert, mit berücksichtigt werden.
Manfred Molling
Supervision mit Physiotherapeut/ Innen
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Damit ist gemeint, daß der Patient als Gesamtperson mit seinem seelischen Befinden und
seinen persönlichen Werten und Haltungen wahrgenommen wird und nicht nur auf sein
„schadhaftes Körperteil“ fragmentiert und reduziert wird.
Wie reagiert beispielsweise der Patient auf die Einschränkung, auf das Unfalltrauma, auf die
Störung, welche Bewältigungsmöglichkeiten hat er, was braucht er, was kann dem Patienten
weiterhelfen, sowohl medizinisch als auch psychologisch?
Wie reagiert sein Umfeld darauf, wo gibt es hilfreiche und wo schädigende Einflüsse, die in der
Behandlung zu berücksichtigen sind?
Schließlich ist da noch der/die behandelnde Physiotherapeut/In. Was löst der Patient, die
Behandlung bei ihm/ ihr aus? Welche eigenen Kompetenzen und Handlungsmöglichkeiten gibt
es, wo liegen die Beschränkungen und wie sind die Rahmenbedingungen der Behandlung?
Viele Fragen, die es zu stellen und Antworten, die es zu finden gilt. Sie auszublenden verkürzt
zwar die Auseinandersetzung damit, aber nicht die Behandlung.
Die Grundsatzfrage sollte deshalb lauten, „was wirkt und beeinflußt den Verlauf der
Behandlung?“
Behandlungserfolge, bzw. -mißerfolge bedürfen konkreter Zielvorgaben und Zielmaßstäbe,
nämlich woran sie gemessen werden und woran andere sie messen.
Ein ganzheitliche Sichtweise berücksichtigt dabei auch die konsensuelle Auseinandersetzung
mit dem Patienten, ggf. auch mit den Angehörigen, so weit dies möglich ist.
Physiotherapeut/in und Patient lassen sich nicht nur auf den medizinischen Teil der Behandlung
ein, sondern auch auf einen „zwischenmenschlichen“ Bereich. Diesen aktiv und bewußt zu
gestalten und als wichtige Einflußgröße für eine erfolgreiche Behandlung mit in Betracht zu
ziehen, heißt auch, Erwartungen, Möglichkeiten und insbesondere die Begrenzungen
wahrzunehmen und zu handhaben.
So werden aus unspezifische Wirkfaktoren spezifische, d.h. was wirkt und worauf ich als
Behandler Einfluß habe, wird bewußt und damit umsetzbar für den Behandlungsprozeß.
(Schreyjögg, 1991)
Gleichzeitig wird aber auch der Rollenkonflikt für die Behandler prägnanter, weil der „objektive
Erfolg“ nur die relative Heilung der Läsion meint und auch nur diese Leistung von den
Krankenkassen bezahlt und gefordert wird.
Wenn die Reflexion der Praxis fehlt
Wie läßt sich erklären, daß Berufsgruppen, die ausgesprochen intensiv mit Patienten arbeiten,
so wenig Reflexionsmöglichkeiten ihrer Arbeit erhalten?
Damit sind
überwiegend medizinisch -pflegerische Hilfsberufe wie Krankenschwester,
Altenfleger, und auch die Berufsgruppe der Physiotherapeut/Innen gemeint.
Obwohl die Ausbildung in qualitativer Hinsicht auf dem medizinischen Sektor sehr anspruchsvoll
und sich auf hohem Niveau befindet, scheinen psychologische Kenntnisse, sowie die Reflexion
der Eigenwahrnehmung fast vollkommen ausgespart zu werden.
Im neuen Berufsgesetz, seit ca. 2 Jahren gültig, für Physiotherapeut/Innen sind jeweils 40
Stunden Soziologie, Pädagogik und Psychologie verpflichtend. Dies ist sicher als ein Fortschritt
anzusehen. Dennoch sagt dies noch nichts über die Gestaltung des Unterrichts aus.
Die Identifizierung mit dem Begriff Physiotherapeut hat sich noch nicht etabliert, wird aber
wirksamer.
Hohe Leistungserwartungen bei gleichzeitigem untergeordneten Status und einseitiger
medizinischer Orientierung geben wenig Raum für „Beziehungspflege“.
Ein regelmäßiger Austausch darüber wäre zwar fachlich unbedingt erforderlich, ist aber nicht die
Regel in der Alltagspraxis. Die Hinführung müßte schon in der Ausbildung stattfinden und einen
eigenständigen Patz und Stellenwert neben profunden medizinisch-diagnostisch und methodischen Wissen erhalten. Ist erst einmal ein „Bewußt-Sein“ geschaffen für die
Dimensionen zwischenmenschlicher Interaktionen, dann besteht auch die Chance, Alltagspraxis
zu überprüfen und zu verbessern.
Die Verbreitung beispielsweise von Supervision ist eher marginal anzusehen. Wenn Supervision
eingesetzt wird, dann meist organisationsabhängig.
Bemerkenswert ist diese Tatsache insofern, weil Supervision eine professionelle Beratungsform
darstellt, die explizit diese Themen zum Fokus hat; eine Definition mag dies verdeutlichen:
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Supervision mit Physiotherapeut/ Innen
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„Supervision reflektiert im beruflichen Alltag den Zusammenhang von handelnder Person,
beruflicher Rolle, Organisation und Klientel“. Sie bezieht sich dabei auf psychische, soziale
und institutionelle Faktoren.“ (Deutsche Gesellschaft für Supervision, DGSv)
Supervision gibt also Raum und Handlungsmöglichkeiten, entweder alleine (Einzelsupervision),
als Gruppe von Kollegen (Gruppensupervision) oder als Behandlungsteam (Teamsupervision)
das differenzielle Behandlungsgeschehen zwischen Behandler und Patient zu betrachten und
professionelle Hilfestellung zu leisten (Fatzer, Eck 1990, S.196ff).
Nicht nur aktuell, sondern auch zukünftig werden kostengünstigere und effizientere
Behandlungen gefordert, ebenso Teamarbeit und „Kundenzentrierung“. Die Berufsgruppe der
Physiotherapeut/Innen ist von diesem Trend nicht ausgeschlossen, im Gegenteil, als
medizinischer Hilfsberuf stehen sie auf dem Prüfstand. Die angemessene Bewertung der
Leistungen der Physiotherapie, ihre klare Begrenzungen und Handlungsmöglichkeiten, wie auch
eine eindeutige Positionierung im Gesundheitsbereich, erfordern noch weitere
Differenzierungsarbeit auf allen Ebenen.
Die Frage für die Zukunft wird nicht lauten, wer sich Supervision leisten kann, sondern wer es
sich leisten kann, ohne Supervision auszukommen.
Die Kosten an Zeit und Geld für Supervision müssen und sollten auch verglichen werden mit
den Kosten, die entstehen, wenn Behandlungen ineffektiv sind, Patienten sich nicht verstanden
fühlen und fern bleiben, Mitarbeiter in berufliche Krisen geraten und mangelnde Organisation zu
Mißverständnissen und unnötigen „Reibungsverluste“ führen.
Die folgenden Beispiele aus der eigenen Supervisionspraxis werden einige Themenstellungen
verdeutlichen, mit denen Physiotherapeut/ Innen konfrontiert werden.
Die Beispiele, so konkret und begrenzt sie auch sind, geben meines Erachtens dennoch
Aufschluß auf allgemeinere Fragestellungen und erlauben übertragbare Praxiserfahrungen und
Identifikationsmöglichkeiten.
Die Supervisionsprozesse beziehen sich einmal auf einen vierjährigen Teamsupervisionsprozeß
einer krankengymnastischen Praxis. Die Teamsupervision beinhaltete sowohl Reflektion der
Gruppendynamik im Team, Teamentwicklung und Fallarbeiten im Team.
Des weiteren werden Aufbau und Fallarbeit aus zweitägigen Supervisionsseminaren vorgestellt.
die mittlerweile zum Bestandteil der Bobathausbildung im pädiatrischen Bereich gehören.
Es folgen themenorientierte Fallbeispiele aus beiden Supervisionsbereichen.
Der Problemfall - Team Supervision in einer krankengymnastischen Praxis
Die Leiterin einer mittelgroßen krankengymnastischen Praxis fragte wegen Supervision an. Es
gäbe sowohl Bedarf für den Austausch im Team als auch für Fallarbeit.
Supervisionserfahrungen hätten die meisten Mitarbeiter nicht. Als Leiterin wünsche sie sich
Entlastung und Schutzraum für Teamprobleme und Fallarbeit.
Die Mitarbeiter äußerten neben Team und Fallarbeit auch die Thematisierung des Umgangs mit
ihrer Vorgesetzten.
Die Anfrage des Supervisors, warum sie sich einen Mann ausgesucht hätten, wurde u. a.
beantwortet, daß sie in diesem Feld mit genügend kompetenten Frauen zu tun hätten,
grundsätzlich würde die Geschlechtsidentität aber keine besondere Bedeutung für sie haben.
Auch die Leiterin fand einen männlichen Supervisor angenehmer, da eventuelle Konkurrenzen
sie weniger einschränken würden als bei einer Supervisorin.
Im Sinne der Rollenklärung halte ich die angemessene Thematisierung der
Geschlechtszugehörigkeit, insbesondere bei geschlechtsdominanten Professionen für wichtig,
da sie Aufschluß geben über eigene Rollenbilder und Erwartungshaltungen an Supervision.
Auch wenn nicht explizit der geschlechtsspezifische Einfluß ausgewiesen wird, wirkt er dennoch
implizit auf das Supervisionsgeschehen (Erger, Molling, 1991).
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Supervision mit Physiotherapeut/ Innen
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Zum Ablauf der Supervision: Während der vier Jahre fanden 35 Teamsupervisionen a´ zwei
Zeitstunden statt. Die Supervision wurde von der Leiterin bezahlt. Sie wurde als freiwillig für die
Mitarbeiter ausgewiesen. Die Anwesenheitsstunden in der Supervision wurden nicht bezahlt.
Das Team setzt sich aus Physiotherapeuten zusammen, genauer formuliert, in überwiegender
Mehrzahl aus Physiotherapeutinnen, teilweise fest angestellt, teilweise freiberuflich tätig mit
unterschiedlichen Stundenbudgets.
Das Team bearbeitete u.a. folgenden Themen, wie:







Umgang mit Macht, Leitung,
Umgang mit Konkurrenz und Rivalität,
Verhältnis zwischen jungen und älteren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen,
Verhältnis zwischen Angestellten und auf Honorarbasis arbeitenden Mitarbeitern,
Status der Zusatzausbildungen und Bewertung der Leistung,
Verhältnis, Männer - Frauen, sowie
Probleme aus der Vermischung zwischen privaten und beruflichen Kontakten.
Während der Supervisionszeit hat sich aus einem kleinen fast familiär geführten Team eine
mittelgroße Organisation gebildet mit all ihren Formalisierungen und Differenzierungen.
Oft wurde beklagt, daß es doch früher viel persönlicher zuginge, man kenne sich kaum noch
und jeder mache seinen Dienst für sich. Die Frage nach der Teamposition wurde dann gestellt
im Sinne, wer gehört zum inneren, wer zum äußeren Kreis bis hin, wer ist hier Außenseiter. Die
Alltagshektik und die mangelnde Transparenz führten dann zu dem Eindruck sich nicht wert
geschätzt zu fühlen, nicht informiert zu sein, bis hin zu Cliquenwirtschaft. Mehrfach stellten die
Mitarbeiter die Frage, wie offen sich hier mitgeteilt werden könne und wie persönliche Krisen von
anderen mit getragen werden. Da auch einige sehr persönliche private Beziehungen
untereinander pflegten, wurde des weiteren thematisiert, inwieweit im Team Tabus vorherrschen
würden, die angesprochen, heftige Reaktionen und Sanktionen auslösen würden.
Die Vergrößerung der Mitarbeiterzahl, sowie organisatorische Veränderungen löste eine
Umbruchphase aus, die sich in der Teamdynamik wie auch in der Supervision widerspiegelte,
d.h. neben der Teamdynamik und Fallarbeit tendierte die Supervision in Richtung
Organisationsberatung (Weigand 1994).
Die nächste Phase kennzeichnete sich dadurch, daß mal viele und mal wenige in der
Supervision dabei waren. Es kamen dann plötzlich ganz wichtige Themen auf einmal, die kaum
zu bearbeiten waren, dann wurden Termine ausgesetzt, weil keiner Zeit hatte oder kein
aktueller Bedarf formuliert wurde, mit anderen Worten, es war wenig vorhersagbar, wer da war
und was Thema wurde. Zu diesem Zeitpunkt thematisierte der Supervisor den Abschied und
den entsprechenden Zeitraum bis zur letzten Sitzung.
In der Abschlußbilanz nach vierjähriger Supervisionszeit, betonten alle Anwesenden noch mal
die Wichtigkeit, insbesondere in den ersten beiden Jahren, daß aber nun andere Formen der
Supervision und Fortbildung für sie anständen.
Supervision wurde generell als Hilfestellung bei der Bewältigung von Teamkonflikten erlebt, bei
organisatorischen Veränderungen und bei der Bearbeitung problematischer Interaktionen mit
Patienten.
Aufbau und Ablauf eines Supervisionsseminars
Bevor einige Fallbeispiele aus der Teamsupervision und aus der Seminararbeit vorgestellt
werden, möchte ich die Rahmenbedingungen und den Ablauf des Seminars nicht unerwähnt
lassen. Sie geben nämlich den Kontext wider, indem Fallarbeit überhaupt erst möglich wird. Des
weiteren stellt die Beschreibung gleichzeitig Aspekte der Integrativen Supervision vor, wie sie
am Fritz Perls Institut gelehrt wird.
Die Seminare sind für Physiotherapeut/ Innen ausgeschrieben und finden im Rahmen der
Zusatzausbildung nach Bobath für die Behandlung von Kindern statt. In diesem
Ausbildungscurriculum wird u.a. ein zweitägiges Supervisionsseminar angeboten. Hier sollen die
Physiotherapeut/ Innen ihre Praxis reflektieren, wobei nicht die konkret medizinische
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Supervision mit Physiotherapeut/ Innen
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Behandlung im Vordergrund steht, dies wird in anderen Seminaren und Praxisbegleitung
abgedeckt, sondern die Interaktion zwischen Patienten, Angehören und ggf. Kollegen.
Die Zusammensetzung der Gruppe beläuft sich in der Regel auf Physiotherapeut/ Innen, die
entweder aus freien Praxen kommen, aus Schulen für Körperbehinderte oder Kliniken. Der
Anteil Frauen - Männer ist repräsentativ für diese Berufsgruppe, nämlich rund 90% Frauen und
ca. 10% Männer. Die Gruppengröße liegt zwischen 20 und 25 Teilnehmer/Innen.
Teilnehmererwartungen
Das Supervisionsseminar wird von den Teilnehmern als „Extrabaustein“ gesehen. Während bei
den anderen Seminaren die Leiter meist den gesamten Kurs begleiten, löst dieses Seminar eine
Mischungen aus Neugier und Angst aus. Einerseits wird damit verbunden, neue Perspektiven in
der Arbeit und mehr über sich zu erfahren, andererseits sind sich die Teilnehmer nicht ganz
sicher, was da im Detail passiert. Ängste vor Überforderung, vor einer zu psychotherapeutischen
Vorgehensweise, die die Schwächen der Person allzu offen aufdeckt, mangelnde
Übertragbarkeit auf den Arbeitsalltag und Relevanz sind die häufigsten Nennungen. Auf die
geäußerten Ambivalenzen und Unsicherheiten der Teilnehmer weist auch J. Ringer (1996) hin
Auch der Seminarleiter weiß am Anfang nicht, welche Gruppe ihn dort erwartet, wie sie sich
zusammensetzt und welche Gruppendynamik und aktuelle Themen dort vorherrschen. Die
Vorstellung über den Ablauf und der Austausch über Erwartungshaltungen nimmt daher eine
besondere Bedeutung ein, da eben nicht, wie sonst im Kurs, auf Vertrautes zurückgegriffen
werden kann.
Seminarablauf
Der Seminarablauf läßt sich grob in sechs Handlungsschritte aufteilen, die sowohl
nacheinander als auch nach jeweiligem Bedarf angewandt werden können.
Nach Austausch über Erwartungshaltungen und Information über den Ablauf des Seminars
erfolgt im ersten Teil eine Sequenz mit Bewegungsübungen im Sinne einer „Aufwärm- und
Senibilisierungsphase“. Dabei handelt es sich um Bewegungsabläufe, wie sie u.a. in der
„Integrativen Bewegungstherapie“ vom Fritz Perls Institut gelehrt werden (Höhmann-Kost,
1991).
Eigenwahrnehmung, erlebniszentriertes und spielerisches Üben wie das Erleben und
Ausdrücken verschiedener emotionaler Zustände und Gangarten sollen helfen und
Erfahrungsräume schaffen, sowohl mit sich als auch mit anderen in einen guten Kontaktfluß zu
kommen.
Im zweiten Teil werden die Teilnehmer aufgefordert, nach einer kurzen meditativen Hinführung,
ihren Arbeitsplatz auf einen großen Bogen Papier zu malen und in Form eines „Museumsgangs“
vorzustellen.
Die Vorgehensweise ist ebenfalls der „Integrativen Therapie“ entnommen, wobei Wert gelegt
wird, daß die Hand „führt“, also den Impulsen nachgegeben wird. Entstehungsprozeß,
Imagination und Ausdruck stehen im Vordergrund, weniger das Werk an sich und seine
ästhetische und formale Bewertung ( Petzold/ Orth 1991).
Die Teilnehmer werden sensibilisiert für die „Atmosphären“ und „Szenen“ ihrer Arbeit, die sich in
Form, Farbe oder Symbolen auf dem Papier widerspiegeln. Die Eindrücke der Arbeit werden
somit Ausdruck und erlauben eine Konkretisierung, Verdichtung und Veröffentlichung. Alle
Teilnehmer können die sichtbar gemachte Erfahrung als Bild auf sich einwirken lassen.
Bei diesem Teil des Seminars äußern Teilnehmer sich oft erstaunt, wie gut sie sich auf diesen
Prozeß haben einlassen können, und daß sie Arbeits und Erlebnishintergründe anderer erfahren
haben, die ihnen noch gänzlich unbekannt waren.
Im dritten Teil bilden sich mehrere Subgruppen, die sich über ihre konkreten Fälle in der Praxis
austauschen und überprüfen, welche „Szene“ oder „Szenensequenzen“ vorgestellt werden
sollen.
D.h. die Gruppe einigt sich über eine spielbare Szene und Rollenverteilung. Themenfindung,
Rollenverteilung und „Lampenfieber“ prägen die Gruppendynamik der Subgruppen.
Im vierten Teil wird das jeweilige Rollenspiel im Plenum vorgespielt und auf Video
aufgenommen.
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Das Plenum gibt Feed Back und die Spieler geben Auskunft über ihre Rollengestaltung.
Bei Bedarf werden die einzelnen Interaktionssequenzen auf Video wiederholt und analysiert,
wobei die Prozeßanalyse sich mit den Fragen beschäftigt:
 Was passiert und was löst das Gesehene bei mir aus?
 Was ist Ziel der Physiotherapeut/inin, bzw. was sind die jeweiligen Ziele der Behandler
und wie werden diese methodisch umgesetzt?
 Was ist Ziel und Bedürfnis des Klienten / Patienten und wie verhält er sich in der
Behandlung
 Was sind Ziele der Angehörigen und wie tragen diese die Behandlung mit?
 Wie sind die Rahmenbedingungen der Behandlung?
Die Beantwortung dieser Fragen hilft, die Interaktionsebenen, ihre Vernetzung sowie die
Komplexität des Interaktionsgeschehens allen Beteiligten verständlicher zu machen.
Oft werden in der Reflexionsphase andere Möglichkeiten der Intervention ausprobiert, d.h. die
Szenen werden nochmals von den Protagonisten oder von den Zuschauer gespielt oder es
finden Rollenwechsel statt.
Diese Vorgehensweise hat Ähnlichkeit mit den Methoden wie sie im Psychodrama von Moreno
bekannt sind.
Um das Geschehen auch theoretisch fundiert begreifen zu können, werden im fünften Schritt
Kurzlektionen (mini lectures) entsprechend der Thematik der Fallbeispiele eingeflochten. So
erhalten die Teilnehmer neben praktischer Erfahrung, Beobachtung und Experiment eine
zusätzliche kognitive Folie oder Raster, den Fall für sich einzuordnen. Dabei geht es weniger um
weitläufige theoretische Diskurse, sondern eher um einen „fundierten theoretischen
Pragmatismus“, der die Komplexität zwischenmenschlicher Interaktion auf angemessene Weise
reduziert.
Ziele und Methoden dieser Vorgehensweise entsprechen sowohl, wie schon erwähnt, dem
Verständnis der Integrativen Therapie als auch dem der Integrativen Supervision, da neben dem
Fall auch die institutionellen Rahmenbedingungen und der gesellschaftliche Kontext mit
berücksichtigt wird.
Im sechsten und letzten Handlungsteil findet eine Abschlußauswertung über die beiden Tage
statt. Die personalen, gruppalen und professionellen Erfahrungen, sowie die Möglichkeiten des
Transfers in den Arbeitsalltag werden in Kleingruppen ausgetauscht und im Plenum
vorgetragen. Seminarkritik und Mitteilungen von „Resten“ runden das Supervisionsseminar ab.
Der Problemfall Patient
Wie schon erwähnt, standen bei den vorgestellten Problemfällen weniger die medizinisch diagnostische Unsicherheiten im Vordergrund - diese Fälle wurden kurzfristig mit Kollegen
ausgetauscht, bzw. von Dozenten im Ausbildungscurriculum angeboten - sondern eher die
Verhaltensunsicherheiten seitens des Physiotherapeut/inen gegenüber den Patienten, deren
Angehörigen und gegenüber Kollegen.
Die Themen, die in den Fallbeispielen genannt wurden, sowohl in der Teamsupervision als auch
in den Supervisionsseminaren lassen sich wf. strukturieren:
 Kooperationsprobleme mit dem Patienten als Folge unterschiedlicher Erwartungen
an die Behandlung oder als Übertragungsproblem seitens des Patienten und / oder
des Therapeuten
 Hohe eigene, hohe Fremderwartungen und starke psychische Belastung
„Mitleidstreß“ in der Behandlung
 Kooperationsprobleme mit den Angehören des Patienten
 Kooperationsprobleme mit Kollegen anderer Berufsgruppen
 Unzulängliche Rahmenbedingungen,
Fallbeispiele
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Kooperationsprobleme mit dem Patienten
Eine Patientin macht nicht das, was ich will und was gut für sie ist.
Beschrieben wurde eine 75 jährige spastisch gelähmte und lethargische Frau, die
zusammengesunken im Rollstuhl sitzt. Als Krankengymnastin hätte sie versucht, „Optimismus“
und „Aktivitätsfreude“ zu verbreiten, u.a. mit dem Satz, „ja, dann wollen wir mal“ und „haben sie
schon ihre Übungen gemacht?“ Ihre Stimmung wäre aber umgeschlagen in krasse
Vorwurfshaltungen, insbesondere als die anwesende Tochter wieder einmal genau auf ihre
Anwesenheitszeit achtete.
Wie gehe ich mit einem querulanten und unangenehmen Patienten um
In dieser Fallarbeit erfuhr eine KG, daß ein Patient und Alkoholiker ihr Ekel und Abscheu
verursachte. In der Fallaufarbeitung erinnerte sie sich an ihren Vater, der auch Alkoholiker war
und vor dem sie Angst hatte und sich schämte. Sie hätte sich massiv damals von ihm
abgegrenzt. Die Protagonistin weint und erlebt noch einmal die häusliche Atmosphäre mit den
entsprechenden Szenen. Der Patient löste bei ihr unangenehme alte Gefühle aus, die sie
unfähig machten, ihn zu behandeln. Da die Übertragungsgefühle auch nach der Fallarbeit sich
nicht restlos auflösen ließen, schien für alle Beteiligten ein Therapeutenwechsel angebracht. Die
Protagonistin zeigte sich einerseits erschrocken über die Heftigkeit alter Gefühle, die sie glaubte
überwunden zu haben, gleichzeitig aber erleichtert, daß eine Kollegin die Behandlung mit dem
Patienten übernahm.
Eine Patientin will sich nicht vor mir ausziehen und unterstellt mir sexuelle Absichten
Ein Krankengymnast brachte einen Konflikt mit einer ausländischen Patientin ein, die sich nicht
vor ihm ausziehen wollte und ihn aggressiv „von der Seite“ angesprochen hätte. Dies hätte ihn
gekränkt, da er nicht ihre Beine sehen, sondern ihren Rücken behandeln wollte.
Wie paßt das zu unserem Berufsbild, wenn Patienten hauptsächlich kommen, um sich
auszusprechen und um sich wohl zu fühlen?
Die Supervision wurde genutzt, um in Team zu überprüfen, ob es denn mehrere Patienten gäbe,
die vordergründig mit einem Symptom kommen, aber eigentlich die Physiotherapie nutzen
wollen, um sich auszusprechen und sich wohl zu fühlen. Als Resultat wurden ca. 30% aller
Patienten genannt, auf die dies mehr oder weniger zuträfe. Thematisiert wurde dann, ob es zum
Berufsbild passe und inwieweit auch die wirtschaftliche Abhängigkeit eine Rolle spielt, die
Grenzen der Behandlung eher offen fließen zu lassen.
Geschildert wurde der Fall einer 50 Jahre alten Mutter mit drei Kindern. Sie zeige eine ängstliche
Haltung und äußerte Rückenbeschwerden. Trotz intensiver Untersuchung und Hinzuziehung
eines Kollegen, ließe sich aber nichts finden.
Eine Patientin mit offensichtlicher depressiver Verstimmung, Angstblockaden
Muskelverspannung bräuchte in erster Linie Psychotherapie und keine Krankengymnastik.
und
In einem weiteren Fall wurde beschrieben, wie ein Patient auf Massage beharrte, statt die
verordnete Krankengymnastik zu machen
„Mitleidstreß“ in der Behandlung
Die Krankengymnastin als Aufmunterer
In dieser Szene fragt eine Krankengymnastin in einer Klinik den Arzt, was sie mit einem
todkranken Kind machen soll, als Antwort erhielt sie, Lebensoptimismus verbreiten, da Werte im
Moment stabil seien. Sie äußerte Schuldgefühle, da sie dem Tode geweihten Kind nicht helfen
könne und sie weder Unterstützung von der Kollegin noch vom zuständigen Arzt und
Psychologen erfahren habe. Sie äußerte Unsicherheit und Zweifel, ob sie der Patientin sagen
könne, daß sie sterben werde.
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Muß ich denn mit „Frühchen“, die so zart sind, schmerzhaft umgehen, um ihnen zu helfen?
Mit Tränen in den Augen schilderte eine KG den Konflikt nach einer bestimmten Methode die
Frühgeborenen (Frühchen) in einer Klinik behandeln zu müssen. Die Behandlung verursachte
erhebliche Schmerzen, um die Atmung zu verbessern. Sie hätte diesen Konflikt kaum aushalten
können, einerseits helfen zu wollen und gleichzeitig dem Kind weh tun zu müssen. Ihre
geäußerten Zweifel, ob diese Methode die angemessene sei, fand keinen Anklang in der Klinik,
vielmehr wurde sie darauf hingewiesen, daß ihre Empfindlichkeit dem Kind nicht helfe und es
halt keine bessere Methode der Atmungsstabilisierung gäbe.
Tod und Abschied einer kleinen, behinderten Patientin
Eine KG beschrieb die Sterbebegleitung eines Kindes zusammen mit der Mutter. Das Kind starb
an Windpocken, die sich auf das Hirn schlugen. Gefühle von Trauer, Ohnmacht und Loslassen
erhielten Raum in dieser Sitzung
Kooperationsprobleme mit den Angehören des Patienten
Wenn die Krankengymnastin in der Behandlung von Familienangehörigen gestört wird
Geschildert wird in der Szene, wie eine Mutter ihr behindertes Kind der KG gibt und sich mit dem
gesunden Geschwisterkind dicht daneben setzt. Die KG fühlt sich durch die beiden erheblich in
ihrer Behandlung eingeschränkt und weiß nicht, wie sie das „gesunde“ Kind beruhigen und mit in
die Behandlung einbeziehen kann.
Die Familie will sich nicht helfen lassen
Dargestellt wurde eine Szene, bei der die KG einen Hausbesuch macht. Das Kind ist
verhaltensauffällig und behindert. Die KG wollte mit den Eltern darüber sprechen. Im Gespräch
mit den Eltern erlebt die KG eine massive Abwehr seitens der Eltern. Sie ignorieren die
Behinderung ihres Kindes, der Rollstuhl darf nicht auf den weißen Teppich, der Vater will auch
keine Hilfe beim Autoumbau und weist ausdrücklich darauf hin, daß in der Familie alles in
Ordnung sei und sie es schon alleine schaffen würden. Die KG zeigt sich überrascht und hilflos,
da sie mit solch einer Elternreaktion nicht gerechnet hatte.
Wenn die Mutter sich überlastet fühlt und das behinderte Kind vernachlässigt
Eine KG bemerkt in der Schule für Körperbehinderte , daß bei einem Kind zum wiederholten
Male die Knieschoner fehlten. Sie läuft daraufhin zornig zur Lehrerin, die davon noch keine Notiz
genommen hatte. Anschließend telefoniert die KG mit der Mutter in vorwurfsvollen Ton: „Warum
haben sie nicht ....! Sie erhält zur Antwort: ... weil durch die Knieschoner die Hosen kaputt gehen
und ich sowieso so viel nähen muß, außerdem muß ich mich noch um meine anderen Kinder
kümmern“. Die KG weiß nicht, was sie darauf noch antworten sollte.
Wie kann ich einem behinderten Kind helfen, sich sozial zu integrieren, das die Eltern nicht
haben wollen.
Geschildert wurde ein behindertes und motorisch unruhiges Kind, mit dem die KG
Wahrnehmungsübungen machte. Es gelang ihr kaum, dieses Kind zu tragen und das Gefühl
des „Getragenwerdens“ zu vermitteln. Die Mutter des Kindes beschrieb sie als kalt und
abweisend. Sie hätte noch nie gesehen, wie die Mutter ihr Kind auf den Arm nahm. Den Vater
hätte sie als gefühllos und brutal erlebt. Sie hätte den Eindruck, daß das Kind für die Eltern
„unerträglich“ sei. Sie wüßte nicht, ob unter solchen Umständen die Wahrnehmungsübungen
und Leistungsanforderungen dem Kind helfen würden.
Kooperationsprobleme mit Kollegen anderer Berufsgruppen
Ein Patient will Aufmerksamkeit um jeden Preis
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Die Szene spielt in einer KB Schule. Ein querschnittsgelähmter Junge, der immer mehr an
Gewicht zunimmt, will seine Schienen nicht anziehen. Die Lehrerin fühlt sich durch die
Verweigerung gestört, da sie Unterricht machen möchte. Die KG versucht mehrfach dem
Jungen die Schienen anzuziehen. Der Junge betont, daß er dies zu Hause auch nicht bräuchte.
Seine Mutter ließe ihn im Rollstuhl, er käme besser vorwärts, außerdem bekäme er in der
Schule zu wenig zu essen und seine Mutter müßte ihm immer noch extra Portionen kochen.
Die KG fühlte sich in dieser Situation wütend, alleine gelassen und hilflos. Ihr Ziel, dem Jungen
Bewegungsmöglichkeiten zu schaffen und ihn aktiv zu fordern und seine Neugier zu wecken,
wird von allen Beteiligten nicht angemessen mitgetragen. Der Patient verharre in seiner
verweigernden Passivität, die Mutter, die den Jungen nicht fordert und ihn statt dessen
„abfüttert“, und schließlich die Lehrerin, die vorrangig die Unterrichtsziele verfolge und nicht mit
ihr kooperiert.
Unzulängliche Rahmenbedingungen
Wenn die Kollegen kein „offenes Ohr“ mehr haben und die Distanz zur Arbeit nicht mehr gelingt
Der Protagonist spielt eine Teamsituation auf einer Intensivstation für Kinder. Die Stimmung ist
niedergedrückt, die letzten Sterbeverläufe und Akutkrisen werden zwischen „Tür und Angel“
besprochen. Ein Teammitglied macht den Vorschlag, daß das Team sich auch mal etwas Gutes
gönnen soll, indem beispielsweise in der Freizeit ein gemeinsamer Fahrradausflug geplant wird.
Die Abwesenden stimmen dem zu und es wird sich lebhaft darüber ausgetauscht. Dann
kommen nacheinander einige Kollegen dazu. Ohne Begrüßung werden stichwortartig aktuelle
Diagnosen und Interventionen mitgeteilt. Das Gespräch erlischt und der Vorschlag wird auch in
den folgenden Monaten nicht mehr aufgegriffen.
Dem Protagonisten wurde in dieser Fallarbeit deutlich, daß neben der hohen psychischen
Belastung, sowohl Personalschlüssel, als auch Team- und Supervisionszeiten nicht ausreichten,
um eine angemessene und „heilsame Distanz“ zur Arbeit aufzubauen. Die Gefahren des „burnouts“ als Person, aber auch als Behandlungsteam wurden sichtbar.
Weniger dramatisch, aber Störfaktor in der Behandlung und damit Einbußen an Qualität waren
Beispiele, die auf Organisationsmängel beruhten, wie Telefonklingeln während der Behandlung,
keine freien Behandlungsräume, Terminirrtümer, Unkenntnis, Kollegen, die in die Behandlung
reinplatzten usw.
Bei diesen Beispielen spiegelte sich die oftmals beobachtete Unachtsamkeit der Alltagspraxis
wider. Besteht kein genügendes Bewußtsein darüber und wird sich darüber im Kollegenkreis
nicht ausgetauscht, so führt dies langfristig zu unnötigem „Arbeitsstreß“, Unzufriedenheit,
Gereiztheit bei den Behandlern.
Die Patienten fühlen sich dann nicht genügend wertgeschätzt und „aufgehoben“ in der
Behandlung, was insgesamt die Behandlung beeinträchtigt.
Schlußfolgerungen
Die Auswahl der Fallbeispiele, wie auch die Beschreibung eines Teamentwicklungsprosses
weisen darauf hin, daß neben den medizinisch-therapeutischen Interventionen, die
Psychodynamik der Beteiligten, wie auch die Rahmenbedingungen einen wesentlichen Einfluß
auf die Behandlung einnehmen.
Wenn nun Physiotherapeut/ Innen in ihrer Ausbildung darin nicht geschult werden, auftretenden
Psychodynamiken zu handhaben und auch in der Praxis meist keine angemessene
professionelle Unterstützung erfahren, so läuft diese Berufsgruppe leicht Gefahr, sich zu
verausgaben. Folge davon kann sein, „sich ausgebrannt zu fühlen“ mit der Auswirkung von
Lustlosigkeit, Müdigkeit, Rücknahme emphatischen Verhaltens gegenüber Patienten,
unterkühlte sachliche Routinehandlungen, versteckte aggressive Handlungen, die bis zu
Grobheiten am Patienten reichen können (Petzold 1996).
Verständlich werden diese Reaktionsweisen, wenn bedacht wird, daß bei gleichzeitig hohen
Leistungsanforderungen von allen Beteiligten und der verinnerlichten eigenen Leistungsnorm,
nämlich fachlich und menschlich helfen zu wollen, oft nur unzugängliche Rahmenbedingungen
und Reflexionsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.
Dann kann es schnell passieren, daß Grenzen und Möglichkeiten im Kontakt mit dem Patienten
nicht genügend wahrgenommen werden, entweder, daß die Grenzen zu früh oder zu spät
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Supervision mit Physiotherapeut/ Innen
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gezogen werden, was zur Folge hat, daß Patient und Physiotherapeut/in sich mißverstanden
fühlen oder eher unheilvolle Rollenkonstellationen sich verfestigen.
Der Artikel weist aus, wie Supervision in den Formen von Team und Fallsupervision bei
Physiotherapeut/ Innen eingesetzt werden kann. Probleme zwischen Behandler und Patient, wie
auch Kooperationsprobleme zwischen den Behandlern wurden aufgegriffen und
Lösungsmöglichkeiten erarbeitet, die allen Beteiligten eine wirkungsvolleres Handeln
ermöglichten.
Eine „Nachhilfe“ für die Beziehungsarbeit mit Patienten könnte für Physiotherapeut/ Innen in
diesem Sinne bedeuten, daß Supervision nicht nur als zusätzlicher Anspruch wahrgenommen,
sondern als Stütze verstanden werden kann, die die tägliche Arbeit erleichtert, denn diese ist
schwer genug.
Zusammenfassung
In diesem Beitrag werden Supervisionserfahrungen mit Physiotherapeut/ Innen vorgestellt. Der
Bericht bezieht sich auf eine vierjährige Teamsupervision einer krankengymnastischen Praxis
und auf die Besonderheiten und Merkmale der Ausbildungssupervision im Bobath-Kurs.
Die ausgewählten Fallbeispiele aus der Praxis der Physiotherapeut/ Innen weisen die
verschiedenen Interaktionsebenen und Problemfelder aus. Diese Berufsgruppe ist in der Regel
durch ihre Ausbildung nur unzureichend darauf vorbereitet und dementsprechend wird sie in
ihrer Praxis ebenfalls nur ungenügend professionell begleitet. Es werden Einsatzmöglichkeiten
von Supervision in diesem Praxisfeld beschrieben als auch für eine verstärkte Inanspruchnahme
supervisorischer Unterstützung in diesem Praxisfeld plädiert.
Literatur
Schreyögg, (1991): Supervision - ein integratives Modell. Paderborn: Junfermann
Deutsche Gesellschaft für Supervision -DGSv- (1996), Infobroschüre - Supervision professionelle Beratung zur Qualitätssicherung am Arbeitsplatz
Fatzer/ Eck, (1990) Supervision und Beratung - ein Handbuch. Köln: Edition Humanistische
Psychologie
Erger/ Molling, (1991): Der kleine Unterschied -Frauen und Männer in Supervision. Hille: Ursel
Busch Verlag
J. Ringer (1996): Supervision als Unterrichtsgegenstand: In: OSC 3/1996. Leverkusen: Leske
und Budrich Verlag, S. 225 ff.
Höhmann-Kost, (1991): Bewegung ist Leben. Paderborn: Junfermann Verlag
Petzold/ Orth, (1991) Die neuen Kreativitätstherapien Band 1 +2. Paderborn: Junfermann Verlag
Petzold, (1996) Krisen der Helfer. In: Schnyder: Krisenintervention in der Psychiatrie. Bern:
Huber Verlag, S.157ff.
Weigand (1994): Teamsupervision: Ein Grenzgang zwischen Supervision und
Organisationsberatung: In:Pühl: Handbuch der Supervision 2. Berlin: Volker Spiess
Verlag, S.112 ff.
Der Autor:
Manfred Molling, Diplom- Supervisor (DGSv), Therapeut und Lehrsupervisor am FPI,
langjähriger Leiter in suchtherapeutischen Einrichtungen.
Anschrift: Dahlienweg 1, 51143 Köln
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