Wertschätzung im Alter ein Vortrag von Johannes Bischof und Ivo Türkis Hintergrund Forschungsfrage, Forschungsgruppe und Methodologie Aufbau der Interviewleitfäden Ergebnisse und Schlussfolgerungen Zur Bedeutung von nachberuflichen Tätigkeiten Zur Lebensqualität im Alter Ausblick Hintergrund Wie erleben ältere Menschen Würde, Respekt und Anerkennung durch nachberufliche Tätigkeiten und was bedeutet Lebensqualität im Alter? Zunächst sind jedoch die Begriffe Würde, Respekt und Anerkennung zu definieren, da jeder dazu ein unterschiedliches Vorverständnis hat. Die Autoren verstehen die drei Begriffe Würde, Respekt und Anerkennung wie folgt: Würde bedeutet, sich frei entscheiden zu dürfen, sie ergibt sich aus dem Mensch sein heraus – unabhängig von sozialem und beruflichem Status. Respekt bedeutet Ehrfurcht, Achtung und Toleranz im Umgang mit sich und Anderen. Respekt wird erworben durch zum Beispiel beruflichen Erfolg, akademische Grade, ist aber auch die Grundlage des menschlichen Miteinanders. Respekt findet generell statt. Im Unterschied hierzu wird Anerkennung für einzelne, situationsbezogene Ergebnisse gezollt. Anerkennung erfahren wir für berufliche Leistung, als Bestätigung für Engagement und beim Ausüben von Hobbies. Auf die Themen Nachberuflichkeit und Lebensqualität werden die Autoren noch ausführlicher eingehen. Aber was heißt ältere Menschen und- im Alter? In der Gerontologie spricht man vom Alter als lebenslangen Prozess, der mit der Geburt beginnt und mit dem Tod endet. Alter verläuft in Lebensphasen. Es werden vier Lebensphasen unterschieden, wovon sich die Autoren mit der vierten, dem sogenannten Ruhestand, aber auch mit dem Eintritt in diesen, beschäftigen. Die viel zitierte demografische Veränderung ist bereits in vollem Gange. Sie wird nicht erst in ein paar Jahren beginnen. Es werden zu wenige Kinder pro Frau geboren, die in Zukunft unsere Altengeneration, die nicht durch Krieg und Krankheit dezimiert wurde, nicht mehr versorgen können. Hierzu zwei Zahlen, die Hans-Werner Sinn vom Ifo-Institut veröffentlicht hat: Pro Frau werden derzeit 1, 35 Kinder geboren. Es müssten aber 2,1 Kinder pro Frau geboren werden, um die Bevölkerung konstant zu halten und die Altersversorgung auf etwa dem heutigen Stand zu halten. Im Jahr 2020, also in 15 Jahren, wird das Durchschnittsalter in Deutschland bei 46,7 Jahren liegen. Im Vergleich hierzu das EU- Land Irland mit 38 Jahren, das Durchschnittsalter in den USA wird bei ca. 37 Jahren liegen. Das Renteneintrittsalter in Deutschland, liegt heute im Durchschnitt bei 57 Jahren. Einige Quellen sprechen bereits –wenn Faktoren wie zum Beispiel die Altersteilzeit und Altersarbeitslosigkeit mit eingerechnet werden- von 51 Jahren. Des Weiteren steigt die Lebenserwartung um ca. 6-8 Jahre bei Männern und Frauen. Dies bedeutet zusammengefasst, dass in Deutschland weniger Menschen leben werden, die im Durchschnitt älter sind und früh in den beruflichen Ruhestand eintreten. Zudem nimmt der Anteil der Hochaltrigen zu. Und genau diese Entwicklung ist bereits in vollem Gange. Der Altersstrukturwandel ist also eine große Herausforderung für die Gesellschaft, besonders, da er mit fünf Merkmalen einhergeht, die als Einzelschicksal immer mehr Menschen betreffen: Verjüngung des Alters, Feminisierung des Alters, Singularisierung des Alters, Altersarmut, Entberuflichung. Vor diesem Hintergrund schreiben die Autoren ihre Diplomarbeit. Sie sind der Meinung, dass Würde, Respekt und Anerkennung in Bezug auf Lebensqualität und Beschäftigung im Alter zentral zu diskutierende Fragen darstellen. Forschungsfrage, Forschungsgruppe und Methodologie Zu Beginn drei Fragen: Was soll erfasst werden? Wie soll erfasst werden? Warum soll erfasst werden? Die Frage „Was soll erfasst werden?“ wurde mit der Forschungsfrage beantwortet: ‚Wie und bei welchen Handlungen nehmen ältere Menschen Würde, Respekt und Anerkennung wahr?’ Dazu wollten sich die Autoren mit der Situation älterer Menschen am Ende ihres Erwerbslebens und nach dem Eintritt in das Rentenalter beschäftigen. Dafür interviewten sie als Forschungsgruppe Menschen ab 55 Jahren aus den Bundesländern Thüringen und BadenWürttemberg. Dass „Wie soll erfasst werden“ lösten die Autoren mit dem Erhebungsinstrument – einem Fragenbogen, eingebetet in ein Interview. Das Interview wurde dabei entweder als Einzelbefragung oder als Gruppenbefragung durchgeführt. Dabei stellten zwei Personen die Gruppe dar. Egal ob Einzelbefragung oder Gruppenbefragung – immer stellte einer der Autoren die Fragen, während der andere Autor das Gespräch im Hintergrund protokollierte. Der Fragebogen beinhaltet sowohl ein empirisches als auch ein biografisches Vorgehen. Empirisch ist dabei als erfahrungsgemäß und biografisch als den Lebenslauf betreffend zu verstehen. Vorangestellt waren das Erfassen von soziodemographischen Daten zur Person des Befragten wie Geschlecht, Alter und Beruf. Die Beantwortung des Fragebogens erfolgte anhand eines so genannten teilstrukturierten Interviews. Das bedeutet, dass der Fragebogen zwar bestimmte Fragen und einen Leitfaden enthält, deren Beantworten aber nicht chronologisch erfolgen muss. Vielmehr haben die Interviewer die Möglichkeit sich weitgehende Freiheiten in der Gestaltung der Formulierungen, der Abfolge und/oder der Streichung von Fragen zuzugestehen. Die Interviewten haben ihrerseits beim Beantworten der Fragen die Möglichkeit zu entscheiden wie und was sie beantworten möchten. Es gibt keine Antwortvorgaben und so können die Befragten ihre Ansichten und Erfahrungen frei in Worte fassen. Die Gesprächsführung ist flexibel. Ja, ein Gespräch wird somit erst möglich. Die Interviewer hören zu und versuchen den Erfahrungsbereich des Befragten zu erkunden. Somit folgt das Gespräch nicht den Fragen der Interviewer, sondern die Abfolge ergibt sich aus den Antworten des Befragten. Der Interviewende hat also dem Verlauf des Gesprächs zu beachten, muss Sprachebene und Bedeutungszusammenhänge wahrnehmen und muss die Umgebung beobachten. Abschließend muss das erforschte Material festgehalten werden. Dies kann mittels eines Protokolls während und nach dem Gespräch geschehen. Die biografische Methode oder auch Biografieforschung genannt ist ein Instrument der Detailanalyse und dient vor allem der Erkundung von Prozessen und Verläufen während mehr oder minder großer Abschnitte der Lebensspanne. Die Biografieforschung half den Autoren verschiedene Lebensereignisse und ihre Auswirkungen wie z.B. den bevorstehenden oder die schon stattgefundenen Berentung festzustellen und festzuhalten. Dabei handelt es sich bei jedem biografischen Projekt um eine Einzelfallstudie, bei der das Leben einer einzelnen Person und die Gestaltung seiner Lebensgeschichte im Mittelpunkt des Interesses stehen. Zur dritten am Anfang gestellten Frage: „Warum soll erfasst werden?“ Der Studienschwerpunkt Angewandte Gerontologie bietet die Möglichkeit sich mit Fragen des Alters zu beschäftigen. Das Interesse der Autoren an Würde und Wertschätzung im Alter brachte dadurch nun die Möglichkeit, diesem Interesse im Rahmen einer Diplomarbeit nachzugehen. Das Ziel gilt dem Ermitteln von Fakten, Wissen, Meinungen, Einstellungen und Bewertungen und dem Beantworten der vorhandenen Fragen, besonders im Hinblick auf die Forschungsfrage: Wie und bei welchen Handlungen nehmen ältere Menschen Würde, Respekt und Anerkennung wahr? Aufbau der Interviewleitfäden Die Autoren haben 18 Personen zu dem Thema Wie erleben sie Würde, Respekt und Anerkennung? befragt. Sie wissen, dass jeder ein unterschiedliches Verständnis dieser drei Begriffe hat. Daher versuchten sie über eine einfache Fragestellung Brücken zu bauen, um sich diesem Thema zu nähern und dann Rückschlüsse auf die Forschungsfrage zu ziehen. Es handelte sich um einen Interviewleitfaden, der in Einzel- und Gruppeninterviews eingesetzt wurde. Wenn verwandtschaftliche Beziehungen zu den Interviewpartnern bestanden, übernahm jeweils der nicht verwandte die Befragung. So konnte ansatzweise eine objektive Untersuchung gewährleistet werden. Außerdem anonymisierten die Autoren die Interviewpartner und teilten ihnen dies mit. Dieses Vorgehen erwies sich als sinnvoll, da so ein Vertrauensverhältnis geschaffen wurde. Der Interviewbogen wurde in zwei Abschnitte geteilt: In einem wurde demografische Daten wie Alter, Beruf, Geschlecht etc. erhoben. Im anderen Teil wurden Fragen gestellt. Eine Frage lautete zum Beispiel: Wie verläuft Ihr Tag, was gefällt Ihnen besonders daran? Oder: Sind Sie zufrieden mit Ihrem Leben? Die geplante Gesprächsdauer von 45 Minuten pro Person wurde bei den Einzelinterviews weitgehend eingehalten. Die Gruppeninterviews gestalteten sich länger. Grund hierfür war, dass Interviewpartner längere Erlebnisse und Einschätzungen berichteten, die dann von dem anderen Interviewpartner kommentiert oder erweitert wurden. Die Autoren gaben diesen Erinnerungen und biografischen Erlebnissen entsprechenden Raum und Zeit, um einen Eindruck von dem Erlebten zu bekommen, was uns wiederum Rückschlüsse auf die Antworten ermöglichte. So löste zum Beispiel die Frage: Geht es Ihnen heute besser als früher? Bei denjenigen, die den 2. Weltkrieg miterlebt hatten, eine lange und interessante Erzählung über diese Zeit aus. Ergebnisse und Schlussfolgerungen Bevor die Ergebnisse und Schlussfolgerungen darlegt werden, zuerst eine kurze Zusammenschau der soziodemografischen Daten der interviewten Personen: Der Altersdurchschnitt der Befragten aus Thüringen und Baden- Württemberg liegt bei 66 Jahren. Dabei reicht die Spanne von 55 Jahre bis 81 Jahre. Die Hälfte der Interviewten Personen ist weiblichen und die andere Hälfte männlichen Geschlechts. 60 % der Befragten ist bereits berentet, während die anderen 40 % noch berufstätig sind. Zu folgenden zusammengefassten Ergebnissen konnten die Autoren nach Auswertung der Interviewprotokolle gelangen: Der Tagesablauf richtet sich bei dem Großteil der Forschungsgruppe nach den beruflichen Tätigkeiten oder aber den selbst gewählten nachberuflichen Tätigkeiten. Die Rentner haben den gleichen zeitlichen Rahmen, den Sie zu erwerbstätigen Zeiten erlernt haben, oder sie richten ihren Tag nach den Tätigkeiten, die sie geplant haben. Diese ersetzen im Großteil die beruflichen Arbeitsaufgaben. Beruf und Geld spielen besonders für die Befragten aus Baden-Württemberg eine wesentliche Rolle. Anerkennung wird für berufliche Leistung erhalten und Respekt für den sozialen Status den man erreicht hat. Zwangsweise länger arbeiten möchte niemand. Die Befragten aus Baden-Württemberg sind aber der Auffassung, dass das Renteneintrittsalter mehr individuell bestimmbar sein sollte. Hingegen sind die Befragten aus Thüringen schon zufrieden, wenn sie überhaupt Arbeit haben. Bestimmte Entscheidungen, die Andere, besonders die Eltern, für die Mitglieder der Forschungsgruppe getroffen haben und die ihr Leben stark beeinflussten, würden die Befragten gerne ändern. In diesem Zusammenhang wurden ein höherer Schulabschluss, ein Studium und eine andere berufliche Richtung genannt. Nichtsdestotrotz – bis auf wenige gesundheitliche Einschränkungen – sind alle Interviewten zufrieden mit ihrem Leben und würden auch nichts anders machen, wenn sie die Zeit zurückdrehen könnten. Insgesamt geht es Ihnen besser als früher. Die Interviewten aus Thüringen glauben, dass ältere Menschen – nicht nur durch das System – in der DDR besser behandelt wurden. Einigkeit besteht aber darin, dass ältere Menschen insgesamt gut behandelt werden. Wichtig für die Zukunft ist, dass sich die älteren Menschen an die neue demografische Lage anpassen müssen, aber auch, dass die Kinder wieder so erzogen werden, dass sie Respekt vor dem Alter haben. Alle Mitglieder der Forschungsgruppe glauben, dass ihr Rat anderen, besonders der Familie, wichtig ist und wünschen, dass andere Menschen hoffentlich nur Gutes über sie reden. Auf Kinder und Enkel ist man stolz. Einigkeit besteht auch im Nichtvorhandensein von Langeweile. Gemeinsame Wünsche und Pläne für die Zukunft sind: Gesund bleiben, feiern, reisen – kurzum, das Leben zu genießen. Aus diesen Ergebnissen konnten folgende Schlussfolgerungen abgeleitet werden: Es wurde unabhängig von der gestellten Forschungsfrage festgestellt, dass der Mauerfall im Jahre 1989 für die Interviewpartner, sowohl aus Thüringen als auch aus BadenWürttemberg, keine weiter reichenden Auswirkungen auf die Biographie der Befragten hat. Aber der Zweite Weltkrieg, sofern erlebt, hat tiefe Spuren hinterlassen. So sind diese Erinnerungen und Erfahrungen prägend gewesen und bestimmen bis heute das Leben. Dies liegt zum einen am damals jugendlichen Alter der Befragten und zum anderen dem direkten körperlichen Erleben des Kriegsgeschehens. Aber auch für die Generation der Befragten, welche den Zweiten Weltkrieg nicht miterleben mussten gilt: Zwänge von außen und in der Jugend entstandene Erfahrungen und Prägungen, bestimmen die Gedanken und Gefühle bis ins Alter hinein. Diese sind entscheidend für den Rückblick eines Menschen. Es kann ausgesagt werden, dass die Kinder, die Enkelkinder und die Familie als Lebensmittelpunkt im Alter gesehen werden. Kinder und Enkelkinder bestätigen dem alten Menschen, dass er im Leben etwas erreicht hat. Besonders wichtig für die alten Menschen aus Thüringen ist, dass ihre Familie und besonders ihre Enkel in erreichbarer Nähe wohnen. Ist dies nicht der Fall, da die Kinder und Enkelkinder in den alten Bundesländern arbeiten oder gezwungen sind, zumindest unter der Woche zu pendeln, so wird dies als schmerzlicher Verlust wahrgenommen. Somit hat Anerkennung im Alter auch etwas mit der Arbeitsmarktsituation für Kinder und Enkelkinder zu tun. Der Großteil der Interviewpartner ist nicht bereit, im Alter auf seine Unabhängigkeit und Freiräume zu verzichten. Das, was man sich geschaffen hat, will man so behalten. Es wird deutlich, dass die Lebensqualität gerade im Alter sehr wichtig ist. Lebensqualität wird dabei aber stets subjektiv verschieden empfunden. Die Ergebnisse lassen vermuten, dass nachberufliche Tätigkeiten wichtig sind für das Selbstbewusstsein und den Lebenssinn. Nachberufliche Tätigkeiten ergeben sich aus den Hobbys, die während der Berufstätigkeit bereits vorhanden waren. Es wird deutlich, dass die Gartenarbeit bedeutsam und mehr als Hobby ist. Dies resultiert möglicherweise daraus, dass man dabei die Ergebnisse der eigenen körperlichen Arbeit sehen kann, Wachstumsprozesse beeinflussen kann und im direkten Kontakt zur Natur Leistung erbringt, oder die Früchte seines Lebens ernten darf. Zur Bedeutung von nachberuflichen Tätigkeiten Jeder kennt das alte Sprichwort: Wer rastet, der rostet. Heutzutage wird es häufig mit einem Ausrufezeichen versehen, möglicherweise um allen Menschen – zumindest in den westlichen Industrieländern – klar und deutlich vor Augen zu führen, dass Leistungsfähigkeit, Leistungsbereitschaft und die Leistungsbemessung zentrale gesellschaftliche Werte darstellen. Vorbei zu sein scheint es mit dem Bild der gemütlichen Großmutter, die freundlich strickend den Enkelkindern Geschichten vorliest. Die Autoren beschäftigen sich mit den nachberuflichen Tätigkeiten als Grundbedürfnis eines jeden Menschen. Es scheint jedem Menschen, so lange er lebt, ein gewisser Antrieb inne zu sein, der ihn zu Arbeitsleistungen anspornt. Diese Leistungen werden gemeinhin im Berufsleben abgerufen. Im Ruhestand, so scheint es, kann man sich dann vom Berufsleben erholen. Die Forschungsergebnisse vermitteln einen anderen Eindruck. Jeder Interviewpartner sagte zwar aus, dass er sich etwas mehr Ruhe im Rentendasein verspricht, oder diese auch gefunden hat. Jedoch wollten alle Befragten den vierten Lebensabschnitt dazu nutzen, etwas für sich selbst zu tun. Sie möchten für die Familie da sein und möglicherweise den während der Berufstätigkeit unterdrückten Bedürfnissen Zeit und Raum geben. Jeder einzelne Mensch steht am Ende seines Erwerbslebens am Beginn eines Lebensabschnittes, der gänzlich andere Werte und Orientierungen fordert. Der Übergang von der Berufstätigkeit in das Rentendasein soll angenehm gestaltet werden. Der Verlust einer sinngebenden Tätigkeit soll durch eine möglichst adäquate oder bessere Alternative ersetzt werden. Der Arbeitsinhalt stellt für viele Menschen ein stark sinngebendes Moment dar, über den sie ihre Persönlichkeit definieren und auch entwickeln. So bedeutet dies bei einem Ausscheiden aus dem Berufsleben, dass diese Menschen dieses wichtige Element verlieren und damit in zweifelnde Situationen geraten können. Zusammenfassend kann ausgesagt werden, dass bei den Befragungen Beschäftigung über das Berufsleben hinaus als zentrales Thema festgestellt wurde. Dabei sind die folgenden 3 Aspekte von zentraler Bedeutung: 1. Arbeit strukturiert den Tagesablauf. Während des Berufslebens gaben Faktoren wie Arbeitsbeginn, Arbeitsende, Wochenende und Urlaub die Rahmenbedingungen für das Leben vor. Das Bedürfnis nach einem festen Programm scheint auch nach der Erwerbstätigkeit vorhanden zu sein. Schließlich wird durch den Wegfall der Erwerbstätigkeit eine Neugestaltung und Rhythmisierung des alltäglichen Lebens notwendig. Also eine komplette Neuorientierung und Neugestaltung des Tagesablaufs und der Interessen. Diesbezüglich werden häufiger vorhandene Interessen verstärkt, seltener dagegen werden neue Aktivitäten aufgenommen. Es wird also möglicherweise kaum jemand eine Schafzucht als Hobby auswählen, wenn er bisher Briefmarken gesammelt hat. Hierbei spricht man in der Gerontologie von der sogenannten Kontinuitätshypothese, was bedeutet, das gelebte Leben weiter zu leben. Auch unter anderen Rahmenbedingungen. Die feste Struktur des geplanten Tagesablaufs, die möglicherweise auch Sicherheit, Kontinuität und Geborgenheit vermittelt, geben sich die Befragten durch selbstgewählte Tätigkeiten. Sie richten sich nach den Wachstumsperioden des Gartens, suchen ehrenamtliche Beschäftigungen oder sind es gewohnt durch jahrzehntelange Prägung, zu bestimmten Uhrzeiten bestimmte Verrichtungen zu erledigen. 2. Durch die Tätigkeiten, die selbst gewählt sind, erfahren die Menschen Anerkennung von Außen und innere Zufriedenheit über das Geleistete, aber auch Stolz über die Anerkennung selbst. Alle Befragten, Männern als auch Frauen, waren stets froh gewesen, wenn ihre Arbeit gelobt wurde und sie von anderen Personen aus dem Freundes- und Bekanntenkreis dafür Anerkennung ausgesprochen bekamen. Zum Beispiel ist eine Befragte in ihrer Verwandtschaft für ihren exzellenten Kirschkuchen berühmt. Dieser Wunsch nach Anerkennung, die auch Antriebskraft für weitere Leistungen war, ist im sogenannten Ruhestand weiterhin vorhanden. Ebenso wird den Befragten für ihre Arbeit und den daraus resultierenden sozialen Status Respekt gegenüber gebracht. Darüber hinaus scheint das Bedürfnis zu wachsen, am Ende eines Tages mit Stolz und Zufriedenheit auf das Tagewerk zurückzuschauen. 3. Tätigkeiten, die nach dem Berufsleben ausgeübt werden, vermitteln das Gefühl, gebraucht und wichtig zu sein. Man ist wertvoll für die Gesellschaft und fällt dieser nicht zur Last. Einige Befragte gaben an, sie wollten eher sterben, als in ein Altersheim eingewiesen zu werden oder an Demenz zu erkranken. Am gesellschaftlichen Leben möglichst ohne Einschränkungen teilnehmen zu können ist ein großer Wunsch und Ziel. Die Gesellschaft profitiere durch die „Weitergabe von Erfahrungswissen und spezifischen Kenntnissen sowie durch die Übernahme von Pflege- und Unterstützungsleistungen“ (BMFSFJ 2001a). Es liegt also möglicherweise ein großes Potential und eine immense Chance im Alter und im demografischen Wandel, der Überalterung der deutschen Gesellschaft. Die Generation um 5565 Jahren ist gesellschaftlich etabliert, finanziell in der Regel gut abgesichert und meist bei guter Gesundheit. Sie ist leistungsfähig und leistungsbereit. Des Weiteren haben die Mitglieder dieser Generation den Willen und das Selbstbewusstsein, Ansprüche an ihr Leben und ihre Lebensumstände zu stellen. So könnte diese Konstellation immer mehr 50-jährige Existenzgründer hervorbringen, die wiederum jungen Menschen Arbeitsplätze verschaffen werden. Zur Lebensqualität im Alter „Vor nichts muss sich das Alter mehr hüten, als sich der Lässigkeit und Untätigkeit zu ergeben.“ (Cicero) Es hat sich gezeigt, dass die nachberuflichen Tätigkeiten mehr als nur Hobby oder Zeitvertreib sind. Sie sind ein wichtiges Kriterium um eine Lebensqualität im Alter zu erreichen. Weitere exemplarische Kriterien für eine Lebensqualität im Alter sind Sinnfindung, Aktivitäten im Alltag oder der Freizeit, des weiteren Bildung und die Sozialbeziehungen, hier im Besonderen die familiären Beziehungen. Auf diese Kriterien soll im Folgenden noch näher eingegangen werden. Was heißt aber Lebensqualität überhaupt? Qualität meint Art, Beschaffenheit und Güte. Zeit unseres Lebens haben wir bestimmte Bedürfnisse, deren Befriedigung uns glücklich und zufrieden werden lässt. Damit wird Qualität im Leben erzielt. Lebensqualität beeinflusst die Selbstbestimmung des Einzelnen. Sie umfasst und bewertet die verschiedenen Lebensumstände eines Menschen. Somit ist sie immer auf den einzelnen Menschen zu beziehen, denn sie kann nicht von Anderen, sondern immer nur vom Einzelnen erlebt werden. Die Zielsetzung einer anzustrebenden Lebensqualität im Alter erfordert folgende Fragen zu diskutieren: Gesteht unsere an Leistung und Jugendlichkeit orientierte Gesellschaft Älteren überhaupt einen Anspruch auf eine Lebensqualität zu? Wer definiert auf Grund welcher Kriterien diese Lebensqualität: Der Ältere, seine familiäre oder soziale Umwelt, der Wissenschaftler, der Politiker oder der Praktiker? Ist die Existenz von Lebensqualität ein einfach bestehender, von außen geschaffener Zustand? Welche Kombination von objektiven wie sozialen, gesundheitlichen, ökonomischen aber auch subjektiven Aspekten macht eine vom Älteren selbst als entsprechende und erlebte Lebensqualität aus? Unsere Gesellschaft ist unter anderem von Werteverfall, Wirtschaftlichkeit um jeden Preis, Schnelllebigkeit und Jugendwahn geprägt. In dieses Gesellschaftsbild, in diesen Werteverfall mag der alte Mensch nicht passen oder auch selber nicht passen wollen. Ökonomie ist allgegenwärtig. Der gesellschaftliche Wert eines Menschen wird oft nur finanziell gesehen. Dazu passend das Un-Wort des Jahres 2004: Humankapital. Der alte Mensch wird monetär oft als Verlustgeschäft gesehen; er schmälert das Bruttoinlandsprodukt. Trotzdem sprechen nicht nur ethische Gründe für den Anspruch Älterer auf Lebensqualität. Denn alte Menschen erbringen ökonomisch sehr wohl Leistung, wenn nicht als Produzenten, dann zumindest als Konsumenten oder auch als Geldgeber für jüngere Generationen. Und das nicht nur beim Vererben. Sie unterstützen, regulieren und bestimmen die Volkswirtschaft. Die Schnelllebigkeit und die damit einhergehende Globalisierung bereiten nicht nur Älteren, sondern auch Jüngeren, Schwierigkeiten. Ganze Nationen haben und bekommen Probleme, deren Lösungen nicht durch schnelles Entscheiden, sondern mit Sorgfalt und langfristigen Lösungen gedacht werden müssen. Dem Jugendwahn unterliegen nicht nur jüngere Menschen der Gesellschaft, auch viele Ältere haben sich diesem Wahn verschrieben. Doch auch hier kann Entwarnung gegeben werden, denn die Demografie lässt sich nicht belügen. Neue Trends in Medien und Werbung zeigen auf, das dass ‚Stehen zu sich selbst’ zunehmend tragfähiger wird. Lange Zeit war es landläufige Meinung, dass alle Menschen alt werden wollten, aber niemand alt sein wollte. Ein Verdienst der gerontologischen Forschung ist, dass das Altern heute nicht mehr bloß als biologischer Abbauprozess gesehen wird. Altern ist vielmehr ein Entwicklungsprozess. Endlich setzt ein Wandel ein. Weg vom Defizitmodell, weg vom negativen Bild des Älteren, welcher sozial isoliert, vereinsamt, abhängig, pflegebedürftig und unzurechnungsfähig ist. Sicher, die älteren Menschen auf die dies zutrifft, gibt es – wozu gäbe es sonst Pflegeheime. Nicht bekannt ist aber, dass diese Situation nur für 3% der Menschen bis 80 Jahre zutrifft. Danach ist eine steigende Tendenz zu beobachten, doch auch hier ist anzumerken, dass drei Viertel der über 80jährigen bis zu ihrem Tod nicht unzurechnungsfähig, nicht pflegebedürftig, abhängig oder isoliert sind. Der Wandel muss und geht hin zu Aktivitäts-Kontinuitätsansätzen, damit verliert das Alter seinen Makel des Altseins. Damit werden im Alter Entwicklungs- und Gestaltungsmöglichkeiten gesehen und so hat das Alter eine Chance produktiv und erfolgreich zu verlaufen. Wichtig hierfür ist einen Sinn im Leben zu sehen. Altern wird oft, nicht nur aufgrund der Berentung, als Sinnkrise verstanden. Nach der Berentung muss oft ein Verlust an Status und finanziellen Mitteln hingenommen werden. Aber gleichzeitig sind die Gewinne, vor allem die Zunahme von Freizeit bei gleich bleibendem gesundheitlichem Zustand zu beachten. Also gilt es, diese Krise zu überwinden und einen neuen Sinn zu finden. Sinn kann dabei als Anwesenheit des Gefühls verstanden werden, dass man imstande ist, Ordnung und Zusammenhang in seinem Leben zu bewerkstelligen. Ziele und Ideale sind hierzu wichtig. Ziele und Ideale verändern sich zeitlebens und sind immer neu zu erwerben. Diese Möglichkeit besteht natürlich auch im Alter. Gerade das junge Alter bietet zahlreiche Chancen Ideale zu finden, die zu einer Selbsterweiterung hinführen und neue Entwicklungsmöglichkeiten eröffnen. Die Sinnfindung vollzieht sich im alltäglichen Handeln. Der Lebenssinn ist nicht durch einen Aufbruch zu neuen Ufern zu erlangen, sondern durch ein Fortschreiten des bisherigen Tuns. Es erfolgt eine Routinisierung des Alltags. Dieser verleiht dem Alter Stabilität und Normalität. Der Alltag erscheint dann ähnlich strukturiert wie zuvor der Berufsalltag. Häufige Alltagstätigkeiten sind das Lesen von Zeitungen, Zeitschriften und Illustrierten, Fernsehen, Radiohören, Besuche machen und Besuche empfangen und Spazierengehen. Gleichzeitig werden zuvor ausgeübte Aktivitäten und Hobbys wie Gartenarbeit und handwerkliche Tätigkeiten dabei nicht nur weitergeführt, sondern ausgeweitet und es wird mehr Zeit dafür aufgewendet. Weiterhin zeigt sich, dass das Freizeitverhalten außerhalb des Alltags und der Alltagsaktivitäten vielfältig und mobil ist, so z.B. anhand von vielfältigem Ehrenamt, einem gesteigerten Kulturinteresse und häufigem Reisen. Wie schon erwähnt wird der Wert eines Menschen hier in Deutschland oft nur ökonomisch gesehen. Leider traf dieser Maßstab auch lange auf die Bildung zu. Bildungspolitische Anstrengungen dienten ausschließlich dem Erhalt der wirtschaftlichen Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit eines Menschen. Mittlerweile scheint sich aber die Geragogik als die Wissenschaft von der Altenbildung zu etablieren. Denn auch das Lernen im Alter, z.B. der Umgang mit sich selbst, das Erlernen präventiver Maßnahmen, also auch das Vorbeugen einer Pflegebedürftigkeit, der Erhaltung der Selbstständigkeit im Alter und die Entwicklung lebenspraktischer Kompetenzen hat für die Ökonomie und die Pflegeversicherung positive Auswirkungen. Dies sei aber jetzt nicht als Hauptaufgabe der Geragogik verstanden. Es geht vielmehr um Lernfelder der Biografie, z.B. in Form von Erzählcafes, Zeitzeugenberichte und Generationsdialoge und – um wirtschaftlich zu bleiben – der Produktivität. Dazu zählen Konzepte und Vorhaben angewandter Bildung, wie berufliche Neu- oder Umorientierung, um auch im Alter weiter berufstätig zu sein, Weiterarbeit im gelernten Beruf in anderen Organisationsstrukturen, Mitwirkung in Seniorenbeiräten, Seniorenbüros, Handwerkerinitiativen, Senioren-Experten-Diensten und Reparaturdiensten. So lassen Aktivitäten im Alter auf verschiedene Bedürfnisse schließen: Dem Bedürfnis nach Rekreation, nach Kompensation von Belastungen, nach Information und Orientierung, nach sozialen Kontakten, dem Bedürfnis gebraucht zu werden und zu etwas zu gehören, sowie nach dem Bedürfnis nach Gestaltung und Rhythmisierung der Zeit. Sind diese Bedürfnisse auf der je individuellen Ebene erfüllt, so findet sich ein hohes Ausmaß von persönlicher Zufriedenheit im Bereich der ausgeübten Aktivitäten. Nicht unerwähnt bleiben darf, das dort, wo Zufriedenheit im Alltag herrscht, ebenfalls oft auch Zufriedenheit im familiären Bereich zu finden ist. Die sozialen Beziehungen älterer Menschen resultieren aus lebenslangen Erfahrungen, aber auch aus alterabhängigen Entwicklungsaufgaben wie etwa der Verrentung oder der ‚emptynest’-Erfahrung, wenn die Kinder das Elternhaus verlassen, eine eigene Familie gründen und schließlich der Großelternschaft. Belegt ist, dass ältere Menschen im Vergleich zu früheren Lebensabschnitten weniger soziale Kontakte unterhalten. Durchschnittlich sind dies fünf bis fünfzehn wichtige und enge Sozialbeziehungen. Ältere Menschen bevorzugen häufig den Kontakt zu emotional nahe stehenden Familienangehörigen oder Freunden, während andere Kontakte und Beziehungen mit weniger nahe stehenden Personen meist freiwillig aufgegeben werden. Langjährige, gegenseitige Freundschaften werden im Alter nicht nur fortgeführt, oft werden sie noch intensiviert. Familienbeziehungen wie Ehe, Eltern-Kind-Beziehung und Beziehung zu Enkeln oder Geschwistern stellen oft eine verlässliche und stabile Quelle der sozialen Beziehung, Einbindung und Unterstützung dar. Entgegen der verbreiteten Annahme – verwiesen sei dabei auf das meist negativ benutzte Sprichwort: „Einen Freund kannst du dir aussuchen, deine Familie nicht“ – stellen intergenerationale Beziehungen zwischen Eltern und Kindern die stabilste Beziehung dar. Nicht selten mit finanziellen, instrumentellen und emotionalen Hilfeaustausch in beiden Richtungen. Für beide Beziehungen: Freundschaften und Familie ist dabei Nähe und Kontakthäufigkeit wichtig. Aber nicht nur geografische Nähe, sondern vor allem die emotionale Nähe. Sinnfindung, Zufriedenheit mit den eigenen ausgeübten Aktivitäten in Alltag, Freizeit und Bildung, sowie intakte Sozialbeziehungen und das Zutreffen weiterer Grundbedingungen wie z.B. Gesundheit können demnach als wesentliches Element einer allgemeinen Lebenszufriedenheit oder Lebensqualität angesehen werden. Die Existenz von Lebensqualität im Alter ist also nicht ein einfach bestehender, von außen geschaffenem Zustand, sondern vielmehr die Kombination aus dem Vorhandensein bestimmter Grundbedingungen, einem erfülltem Alltag und der Haltung älterer Menschen zu sich selbst. „Alt sein ist eine herrliche Sache, wenn man nicht verlernt hat, was anfangen heißt.“ (Buber) Ausblick Es ist eine gesellschaftliche Herausforderung dieser Zeit eine Altersethik zu entwickeln. Grundlage hierfür ist es, sein Menschenbild zu hinterfragen, besonders auf das Alter bezogen und daraus eine allgemeingültige Gerontoethik zu entwickeln. Die Altersmodelle, die uns bislang zur Verfügung stehen, wie die genannte Aktivitäts- oder Kontinuitätshypothese, auch das Defizitmodell sind rein bio-medizinische, sozialgerontologische oder gerontopsychologische Überlegungen und Beobachtungen. Es gilt aber heute, ein umfassendes Altersbild in unserer Gesellschaft zu entwickeln und zu etablieren. Besonders, da der Altersstrukturwandel, wie beschrieben, in vollem Gange ist. Ist es nicht eine Aufgabe der Gesellschaft, Angebote zu machen? Angebote, sich bereits vor dem Eintritt ins Rentenalter mit dem Ablöseprozess vom Berufsleben zu befassen. Angebote und Möglichkeiten, sinngebenden Tätigkeiten nachgehen zu können. Also eben diese Rahmenbedingungen zu gestalten, die ein Leben im Alter ermöglichen, das den individuellen Bedürfnissen weitgehend gerecht werden kann. Dabei stellt sich nicht mehr die Frage, ob diese Rahmenbedingungen geschaffen werden können, sondern wie schnell und mit welchen Mitteln. Wenn dies nicht geschehen sollte, haben wir als Gesellschaft entschieden, dass mit dem Eintritt in den Ruhestand und der damit verbundenen Entpflichtung, zum Bruttoinlandsprodukt beizutragen, der Mensch an Wert verliert und somit auch nicht mehr als Teil dieser Gesellschaft gewollt ist. Dies hätte zur Folge, dass der Wechsel vom ganzheitlichen Leib- Seele- Geist- Modell des Menschen zum Humankapital endgültig vollzogen worden wäre.