Missbräuchliche Dynamiken in frommen Settings

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© Inge Tempelmann, Christliche Therapie IACP, Lüdenscheid, Email: [email protected]
Missbräuchliche Dynamiken in frommen Settings
Religiöser (geistlicher) Missbrauch
und mögliche Wege der Heilung
Das Phänomen des geistlichen Missbrauchs ist tatsächlich in der Gemeinde
Christi zu finden. Diejenigen, die geistlichen Missbrauch an anderen ausüben,
sind in ihren ungesunden Glaubensüberzeugungen genauso gefangen wie die,
die sich bewusst oder unbewusst missbrauchen lassen.
Johnson/VanVonderen
Niemals tun die Menschen das Böse konsequenter und freudiger,
als wenn sie es aus religiösen Motiven tun.
Blaise Pascal
Heilung geschieht dort, wo wir entdecken,
wie Gott wirklich ist.
Symposium für Christliche Berater in Spital am Pyhrn
Workshop 10. November 2006
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Was ist religiöser Missbrauch? – Einige Gedanken zur Definition
(ausführlicher in den „Werkstattblättern“ der IGNIS-Akademie, Kitzingen zum Thema „Geistlicher (religiöser) Missbrauch … und
was er mit Menschen macht“)
Dr. Rolf Senst, Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie, DE’IGNIS-Klinik1
„Missbrauch (allgemein) geschieht immer dann, wenn ein Mensch einen anderen Menschen dazu
benutzt, eigene Bedürfnisse zu befriedigen, ohne dafür das bewusste, freie und
entwicklungsangemessene Einverständnis des anderen zu haben. Er bedient sich dabei eines
vorhandenen Machtgefälles und vernachlässigt damit verbundene Fürsorgepflichten gegenüber dem
anderen.“
Bei religiösem Missbrauch leitet sich das benutzte Machtgefälle und die missachtete Fürsorgepflicht
von einem geistlichen Amt / Dienst bzw. einer Rolle der Fürsorge ab.
Ken Blue 2
„Geistlicher Missbrauch liegt dann vor, wenn eine Leiterpersönlichkeit, die geistliche Autorität über
einen anderen hat, diese Autorität benutzt, um Druck oder Zwang auszuüben, und damit dem ihm
Untergebenen geistliche Wunden zufügt. Geistlicher Missbrauch (wird) selten mit der Absicht zu
verletzen verübt... Menschen, die ihr geistliches Amt missbrauchen, (sind) auf merkwürdige Weise
naiv hinsichtlich der Folgen ihrer Ausbeutung. Selten wollen sie ihre Opfer wirklich verletzen. Sie sind
für gewöhnlich derart narzisstisch oder darauf fixiert, etwas Großes für Gott tun zu wollen, dass sie es
nicht einmal merken, wie weh sie ihren Opfern tun. Deshalb: Auch wenn ich betonen möchte, dass ein
solches Verhalten unmoralisch und böse ist, vermeide ich dennoch den Aspekt des ‚absichtlichen
Verletzens’ in meiner Definition.“
David Johnson & Jeff VanVonderen 3
„Geistlicher Missbrauch ist der falsche Umgang mit einem Menschen, der Hilfe, Unterstützung oder
geistliche Stärkung braucht, mit dem Ergebnis, dass dieser betreffende Mensch in seinem geistlichen
Leben geschwächt und behindert wird. Es gibt geistliche Systeme, in denen die Meinungen, Gefühle
und Bedürfnisse eines Menschen nicht zählen. Sie bleiben unbeachtet. In diesen Systemen sollen die
Mitglieder die Bedürfnisse ihrer Leiter befriedigen – das Bedürfnis nach Macht, Ansehen, Nähe, Wert –
also sehr egozentrische Bedürfnisse. Diese Leiter versuchen im religiösen Wohlverhalten der
Menschen, denen sie eigentlich dienen und weiterhelfen sollten, Erfüllung zu finden. Das stellt die
Gemeinde Christi auf den Kopf. Es ist geistlicher Missbrauch.“
Julia Knoche 4
Religiöse Vergewaltigung liegt vor, wenn sich religiöse Systeme der Seele eines Menschen
bemächtigen und ihn dadurch zu einem Gottesbild, zu Denk- und Handlungsweisen bewegen, die ihm
selbst schaden.“
Matthew Linn, Sheila Fabricant Linn, Dennis Linn 5
Es ist religiös „missbräuchlich, zu versuchen, den geistlichen Weg eines anderen zu kontrollieren …
Religiös missbräuchliche Eltern oder geistliche Leiter benutzen Kinder oder Nachfolger, um ihre
eigenen Bedürfnisse nach Kontrolle und Selbstwert zu erfüllen, statt die geistliche Entwicklung derer zu
fördern (zu nähren), die zu ihnen aufschauen … Genauso wie emotionaler oder körperlicher
Missbrauch Vernachlässigung beinhalten kann, z.B. was nicht getan wird, gilt dies für religiösen
Missbrauch.“ Wenn z.B. Eltern „kein positives Modell gesunder Spiritualität vorleben noch lehren, wie
man seinem inneren Selbst Vertrauen schenken kann.
Religiöser Missbrauch beinhaltet den Versuch, Menschen in eine Entwicklungsphase des Glaubens
hineinzudrängen, für die sie noch gar nicht bereit bzw. zu der sie noch nicht in der Lage sind, oder sie
in einem Entwicklungsstadium festzuhalten, über das sie längst hinausgewachsen sind.“
DE’IGNIS Magazin Nr. 14 „Der missbrauchte Mensch“ (Dezember 1997), Artikel „Geistlicher Missbrauch“ S. 24
Ken Blue (1997). Geistlichen Mißbrauch heilen. Brunnen-Verlag Basel, S. 8+9
3 David Johnson & Jeff VanVonderen (1996). Geistlicher Mißbrauch - Die zerstörende Kraft der frommen Gewalt.
Projektion J Verlag Asslar, S. 23+27
4 Als Betroffene untersucht sie die Auswirkungen enger, fundamentalistischer Glaubenssysteme / - inhalte auf
die Seele von Kindern.
5 Matthew Linn, Sheila Fabricant Linn and Dennis Linn (1994) Healing Spiritual Abuse & Religious Addiction.
Paulist Press, New York / Mahwah, N.J., S. 12-13,15,18
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Zusammenfassung
Die von mir bisher entdeckten Definitionen religiösen Missbrauchs drehen sich
 entweder um Machtmissbrauch in einem geistlichen Amt oder innerhalb einer Rolle der Fürsorge
(falscher Umgang mit Autorität)
 oder den Machthunger von Menschen, der im Namen der Religion bzw. im Namen Gottes
ausgelebt wird
 oder um die Weitergabe religiöser Lehrinhalte, die Menschen schaden
All diese Aspekte führen
 zu unangemessenem, Schaden zufügendem Umgang mit Menschen
 sowie zu Grenzverletzungen, die im Namen der Religion bzw. „im Namen Gottes“ gerechtfertigt
werden.
Versuch einer Definition
Von religiösem (geistlichem) Missbrauch spreche in dann, wenn Grenzen, die Gott selbst jedem
Menschen zugedacht hat, aus religiösen Gründen überschritten werden und / oder wenn der
Lebensraum, der einer Person von Gott geschenkt ist, wiederum aus religiösen Gründen
eingeengt wird. Dies geschieht entweder ohne das Einverständnis der Betroffenen (man stülpt
es ihnen über und kontrolliert sie), oder die Grenzverletzung wird aufgrund von geistlich
getarnter Manipulation und gedanklicher Beeinflussung bereitwillig zugelassen. In beiden
Fällen werden persönliche Grenzen unrechtmäßig überschritten, und zwar von Menschen, die
Macht im Leben des einzelnen haben und denen es letztlich um die Befriedigung eigener
(möglicherweise unbewusster) Bedürfnisse geht. Ausgenutzt werden in diesem
Zusammenhang die Hilfsbedürftigkeit und Hingabebereitschaft der Betroffenen.
In die Begrifflichkeit des Missbrauchs gehört ferner der Aspekt der Vernachlässigung einer
Fürsorgepflicht. Dies geschieht, wenn Autoritätspersonen (Eltern, geistliche Leiter, Seelsorger
oder andere Menschen, die eine Aufgabe der Fürsorge übernommen haben) kein positives
Modell gesunder Spiritualität vorleben, und wenn sie ihr Gegenüber nicht lehren, dem eigenen
Herzen und der persönlichen Wahrnehmung Vertrauen zu schenken.
Geistliche und emotionale Verwundungen und Verunsicherungen sind die Folge.
Abgrenzung
So wichtig es ist, zerstörende Dynamiken innerhalb der christlichen Szene – so gut wie möglich – zu
benennen, so wesentlich ist es auf der anderen Seite, dass mit dem Thema differenziert umgegangen
wird. Nicht alles, was zunächst vielleicht nach missbräuchlicher Dynamik „riecht“ und sich so anfühlt,
ist am Ende auch als Missbrauch einzuordnen. Das Phänomen der Übertragung sollte ausgeschlossen
werden können (weitere Hinweise zur Abgrenzung  S. 28+29 im Buch von Johnson/VanVonderen).
Ziel der Identifikation religiösen Missbrauchs
Wenn wir eine Situation oder ein System als missbräuchlich identifizieren, geht es hier nicht um die
Aufforderung, eine „Hexenjagd“ zu beginnen, um die zu suchen und anzugreifen, die Missbrauch
ausüben. Es geht vielmehr um ein Bewusstmachen vehementer, z.T. sehr subtil vorhandener
Probleme und um die Aufforderung, Gott ernsthaft zu suchen und dann in Verantwortung vor Ihm mit
der jeweiligen Situation umgehen zu lernen. Dies kann bedeuten
 dass Menschen auf das Problem hinweisen, um Betroffene sprachfähig zu machen, damit sie in die
Lage versetzt werden, aus dem erfahrenen Missbrauch auszusteigen
 dass Menschen aufhören zu missbrauchen, wo ihnen bewusst wird, was sie tun
 dass Verantwortungsträger im Reich Gottes ihren Einfluss geltend machen, um Jochs der
Knechtschaft über dem Leben von Menschen zu zerbrechen
 u.v.m.
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Gesichter religiösen Missbrauchs in unterschiedlichen Settings
Religiöser Missbrauch hat viele Gesichter. Und er wird von glaubenden Menschen deshalb nicht
erkannt, weil missbräuchliche Dynamiken oft sehr fromm aussehen. Sie können sich sehr
unterschiedlich zeigen. Hier einige wenige Beispiele:
 Vermittlung falscher Gottesbilder (verbal oder nonverbal)
 Vereinnahmung und Ausbeutung von Menschen
 Verbot von konstruktiver Kritik an Leiterschaft / Tot schweigen müssen von Problemen in
Gemeinden / Gruppen
 Gesetzlichkeit / eigene Leistung / Verhaltensorientiertheit
 Schwarz-Weiß-Denken und Härte in der Beurteilung menschlicher Not
 Vereinnahmung aufgrund elitären Denkens
 Unangemessene Einflussnahme auf das Privatleben und persönliche Entscheidungen Einzelner
(Bevormundung)
 Bevormundung von Menschen in ihren Heilungsprozessen
 Einschüchterung und Bedrohung durch fromme Argumentation
 Willkür (fromm kaschiert)
 Macht- und Autoritätsansprüche aufgrund eines Amtes / einer Position
 Missbrauch des Wortes Gottes
 Missbrauch von Prophetie und anderer Geistesgaben
Verwundungen und mögliche Folgen religiösen Missbrauchs
Es kommt auf das Ausmaß und die Intensität der missbräuchlichen Dynamiken an, denen Betroffene
ausgesetzt waren, wie tief die Verwundungen für den einzelnen sind. Für die Folgen solcher
Erfahrungen spielt auch die persönliche geistliche und psychische Verfassung des Betroffenen (nach
der erfahrenen Grenzverletzung) eine Rolle sowie sein aktuelles Umfeld.
Die Folgen religiösen Missbrauchs sind normalerweise sehr vielschichtig und betreffen die
verschiedensten Bereiche menschlichen Lebens. Die Belastungen oder Schädigungen können sich bei
Missbrauch-Überlebenden in verschiedenen Problembereichen zeigen:
a)
b)
c)
d)
in ihrem geistlichen Leben
im emotionalen Bereich
einschließlich der damit oft einhergehenden körperlichen Symptome
im sozialen Bereich
Religiöser Missbrauch führt zu Traumatisierung (Trauma bedeutet Verwundung)
Trauma auf der psychischen Ebene bezieht sich auf die Verwundung der
 Emotionen
 des Geistes
 des Lebenswillens, der Überzeugungen von sich selbst und der Welt
 der Würde
 und des Sicherheitsgefühls
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Wie kann Traumatisierung nun inmitten des christlichen Lagers erfolgen? Was muss dazu
geschehen?
Stellen wir uns eine Person vor, die mitten im frommen Kontext plötzlich mit sehr verletzenden
Situationen konfrontiert wird. Und dies vielleicht immer wieder. Normalerweise würde sie
a) sich entweder wehren bzw. in die Klärung und Abgrenzung gehen (Kampf)
b) oder sie würde – wenn sich die Situation nicht ändert – gehen (Flucht)
Doch unter dem Einfluss eines missbräuchlichen Systems bzw. unter dessen Bewertung und Druck
geht sie mit der Situation anders um, als sie es normalerweise tun würde. In einem grenzüberschreitenden, missbräuchlichen Kontext ist weder Kampf noch Flucht möglich, weil sie nicht erlaubt
sind und sehr negativ bewertet werden. Sich wehren und abgrenzen ist genau so wenig erlaubt wie ein
Verlassen der Situation. Dafür lassen sich viele christlich erscheinende Argumente finden.
Die wesentlichen, einer Traumatisierung zugrunde liegenden Aspekte sind
a) Erlebnisse, die für eine Person sehr belastend, bedrohlich und schädlich sind
b) gegen die sie sich nicht schützen und abgrenzen kann
Die Erfahrung religiösen / geistlichen Missbrauchs kann zu tiefer, seelischer Erschütterung führen.
Studien haben ergeben, dass der intensive Kontakt zu Sekten und religiös missbräuchlichen Systemen
sich ebenso traumatisierend auf Menschen auswirken kann, wie andere, eher bekannte TraumaUrsachen. Auch sie können an der komplexen posttraumatischen Belastungsstörung (kPTBS)
erkranken oder aber einzelne Symptome derselben entwickeln (Details dazu in den „Werkstattblättern“)
D.h. jedoch nicht, dass jeder in dieser Weise auf die belastenden Erfahrungen reagiert.
Die unterschiedlichen Phasen einer kPTBS sind
a) Das Wiedererleben des Traumas (Intrusion)
b) Vermeidung und Betäubung (Repression)
c) Übererregung (Hyperarousal)
Mögliche Wege der Wiederherstellung
Hinweis auf die Wichtigkeit einer Ausgewogenheit zwischen Aufarbeitung und
Stabilisierung!!
A) Aufarbeitung d. Traumas anhand der Fragestellung,
- was genau geschah und
- warum der/die Betroffene zunächst in missbräuchliche Situation hinein geriet
und warum er/sie vielleicht lange darin blieb? Was trug dazu bei?
1. Persönliche, lebensgeschichtliche Erfahrungen
2. Besondere Lebensumstände
3. Das Gesetz der Rückerstattung
4. Persönliche Ideale
5. Lange in etwas investiert haben, das man für lohnenswert hielt
6. Mangel an Alternative
7. Zustand vieler Gemeinden
8. Fehlende Information und Aufklärung
9. Das Schweigen zum Missbrauch
10. Bewusstseinskontrolle und Prozesse der Gedankenumbildung durch missbräuchliche Systeme (mit
Hinweis auf die Kriterien der Bewusstseinskontrolle von Dr. Robert Lifton)
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Gedankliche Beeinflussung von außen (Bewusstseinskontrolle)
Im Rahmen der Be- und Verarbeitung religiösen Missbrauchs ist es für jeden Betroffenen
unumgänglich, genau nachzuspüren und zu erkennen, in welcher Weise er gedanklich manipuliert
wurde und was diese Manipulation beinhaltete, egal wie fromm sie sich anfühlte. Ohne die erfahrene
Bewusstseinskontrolle (mind control) bzw. die Prozesse der Gedankenumbildung (thought reform) zu
verstehen, werden Heilungsprozesse erschwert.
Welche Fragen werden in der Erarbeitung der gedanklichen Beeinflussung von außen zu beantworten
sein? Ob ich nun noch in den missbräuchlichen Dynamiken stecke, oder sie schon lange hinter mir
gelassen habe? Hier einige mögliche Fragestellungen:
 Wann entdeckte ich dass erste Mal, dass „in meiner Gemeinde (meinem System) etwas nicht
stimmt“?
 Was nahm ich wahr?
 Wie reagierte ich darauf?
 Was veranlasst(e) mich (falls es so war/ist), mich den missbräuchlichen Machenschaften noch
länger auszusetzen, obwohl ich erkenne (erkannte), dass etwas nicht stimmt?
 Was genau denke (dachte) ich?
 Womit rufe (rief) ich mich selbst zur Raison? Oder womit bringe (brachte) ich mich zum Schweigen?
 Woher kommt es, dass ich so denke?
 Werde (wurde) ich mundtot gemacht – und wenn ja, womit? Warum wag(t)e ich nicht, meinem
Herzen zu folgen?
 Warum wagte keine konstruktive Kritik?
 Was genau verunsichert(e) mich? (Welche Gedanken, Ängste, Überzeugungen, …)
 Was fürchte(te) ich?
 Bekomme (bekam) ich ein schlechtes Gewissen? Und wenn ja, warum oder wobei?
 Welche biblischen Lehren (oder das, was ich dafür hielt) bewirk(t)en bei mir, dass ich mein(t)e,
vieles, was mich verletzt und meine Grenzen überschreitet, weiter aushalten zu müssen?
In der Beantwortung dieser Fragen können selbstverständlich auch Eigenanteile, die Betroffene aus
ihrer Lebensgeschichte mitbringen, ans Tageslicht kommen, aber man wird in diesem Prozess auch die
aktuelle gedankliche Beeinflussung erkennen.
Hinweis für Beratungs- und Seelsorgesituationen:
Wenn dieser Aspekt der gedanklichen Beeinflussung von außen in der Beratung Betroffener keine oder
eine zu geringe Rolle spielt und nicht berücksichtigt wird, kann dies zu erheblichen Folgeverletzungen
führen. Denn wenn der Grund des Hineingeratens in ein Missbrauchsystem allein in der Vordisposition
Betroffener und ihrer Eigenanteile gesucht wird, wird man ihnen nicht gerecht werden können. Sie
werden an bestimmten Punkten Gefahr laufen, sich für Dinge selbst die Schuld zuzuschreiben, die
eindeutig woanders liegen. Und so wird die Verwirrung, die jeden Missbrauch symptomatisch begleitet,
nicht beendet und aufgelöst werden können, sondern sie wird verstärkt und fundamentiert.
B) Die Notwendigkeit des Trauerns
Überlebende religiösen Missbrauchs betrauern viele Verluste!
Trauern und getröstet werden – Gedanken aus dem Wort Gottes - Mt. 5,4 / Jes. 61
Jorgos Canacakis: „Was bewahrt den Menschen vor Verkümmerung und erhält seine Leistungsfähigkeit und Freude? Befremdlich zu denken, dass es die Fähigkeit des Trauerns sein soll.“
Mit anderen Worten: Es ist die Fähigkeit des Trauerns, die den Menschen vor Verkümmerung bewahrt
und seine Leistungsfähigkeit und Freude auch nach großen Verlusten und Schicksalsschlägen erhält.
C) Vergebungsprozesse
nach sorgfältiger Benennung der Fakten. Vorsicht vor „Schellschüssen“! Vergebung empfangen.
Vergebung gewähren, sich selbst vergeben.
Befreiung v. unguten Bindungen an das System bzw. die Personen, in deren Abhängigkeit man stand.
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D) Stabilisierung
Gestalten des Lebens mit der Fragestellung: Was tut mir gut (was nicht)? Was gibt mir Halt und
Stabilität im Leben? Wie kann ich mich nach Reaktionen auf Auslösersituationen (PTBS) wieder
beruhigen? … u.v.m.
Die zuvor erwähnten Werkstattblätter zum Thema
„Geistlicher (religiöser) Missbrauch … und was er mit Menschen macht“
können unter [email protected] oder direkt bei der IGNIS-Akademie bestellt werden
(€ 8,50 + Porto)
Ausblick auf eine Buch-Erscheinung im Sommer 2007:
Inge Tempelmann
zum Thema des religiösen Missbrauchs
(Titel kann in wenigen Wochen genannt werden)
R. Brockhaus Verlag, Witten / Deutschland
Ein Buch für Betroffene und die,
die sie heilsam begleiten wollen.
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