Kosten und Nutzen der Psychotherapie Dipl.-Psych. Armin Traute über nächste Schritte in der Psychotherapie-Diskussion (Auszug) Psychotherapie ist Krankenbehandlung mit psychologischen Methoden - von wem auch immer sie ausgeübt wird. Sie umfasst ein breites Spektrum von Ansätzen, Methoden und Verfahren, die zur Behandlung und Bewältigung einer großen Anzahl verschiedener Probleme eingesetzt werden können. Ein Teil dieser Verfahrens ist erwiesenermaßen wirksam in der Behandlung ernsthafter gesundheitlicher Probleme. Dabei ist Psychotherapie nicht nur beschränkt auf die Behandlung psychischer Störungen, sondern kann gewinnbringend auch in der Behandlung verschiedener somatischer Krankheiten eingesetzt werden. Sie setzt in erster Linie auf die Selbstheilungskräfte des Menschen. Andererseits lassen sich bestimmte psychische Störungen, vor allem schwerwiegende wie Major Depression und Schizophrenie, meist nicht allein mit Psychotherapie behandeln. Eine vernünftige Co-Behandlung ist gewährleistet, wenn Ärzte und psychologische Psychotherapeuten kompetent zusammenarbeiten. Psychologischen Behandlungsmethoden kommt dabei die Aufgabe zu, eine langfristige Stabilisierung des Erlebens und Verhaltens und die Entwicklung von wirksamen Bewältigungsstrategien zu erreichen, die insbesondere das Vertrauen in die eigene Person stärken. Die drei derzeit anerkannten psychotherapeutischen Verfahren, denen der Wissenschaftliche Beirat Psychotherapie beim Bundesministerium für Gesundheit den wissenschaftlichen Nachweis ihrer Effekte zuerkannt hat, sind in einer Reihe von Untersuchungen und MetaAnalysen mehr oder weniger gut untersucht worden. Auch für Gesprächstherapie liegen seit längerem Studien und Meta-Analysen vor, die belegen, dass Psychotherapie wirkt und stabilere Verbesserungen der psychischen und physischen Gesundheit bewirken kann als andere Behandlungsformen. Psychotherapie spart Geld Sie kann zu einer schnelleren Genesung nach Operationen führen. Dies ist in Studien nachgewiesen für Operationen nach Unfällen und bei Transplantationen. Sie kann zu Kosteneinsparungen bei chronischen Erkrankungen durch die Entwicklung gesundheitsfördernder Coping-Strategien führen, und sie ist in der Lage, die allgemeinen medizinischen Kosten von Patienten zu reduzieren. In kontrollierten Vergleichsstudien konnte gezeigt werden, dass in einem Zeitrahmen von fünf Jahren nach einer Psychotherapie die behandelte Gruppe geringere allgemeine medizinische Kosten verursachte als eine nicht behandelte Vergleichsgruppe. Psychotherapie ist daher nicht teuer als herkömmliche Behandlungen oder Nicht-Behandlung, sondern eine langfristig ressourcenschonende Ursachenbekämpfung oder -behandlung Ferner zeigen Studien, dass Psychotherapie zu einer Reduktion der Arbeitsunfähigkeit führt. Das kostensenkende Potenzial scheint gerade bei psychischen Erkrankungen groß. Die Arbeitsunfähigkeit bei psychischen Erkrankungen dauert durchschnittlich 44 Tage. Die durchschnittliche Liegezeit im Krankenhaus beträgt pro Fall 10,3 Tage, bei Patienten mit psychischen Erkrankungen 27,4. Damit fallen auf die stationäre Behandlung psychischer Störungen mehr Leistungstage in Akutkrankenhäusern als auf die Behandlung von Krebserkrankungen). Interessant sind Meta-Analysen über die Auswirkung der psychologischen Operationsvorbereitung .Die Aufenthaltsdauer im Krankenhaus konnte durch eine einstündige psychologische OP-Vorbereitung über alle OP-Arten um durchschnittlich 0.9 Trage reduziert werden. Stellt man also die Kosten einer Psychotherapie den durch Psychotherapie erzielbaren Einsparungen gegenüber (Kostenvergleichsanalysen), so muss die Psychotherapie als ökonomisch vorteilhaft angesehen werden. Trotzdem haben ärztliche Selbstverwaltung, Krankenkassen und politische Verantwortungsträger große Angst vor einer „Mengenausweitung“ der Psychotherapie und damit verbundenen kostentreibenden Effekten. Abgesehen davon, dass die Aufwendungen für Psychotherapie nur rund 1% der Gesamtausgaben in der GKV ausmachen, ist jedoch die Frage nach dem Behandlungsbedarf in der Bevölkerung zu stellen. Realität ist, dass ein großer Teil der Psychotherapeuten ein gerade noch vertretbares oder darüber hinausgehendes Maß an Wochenarbeitszeit leistet, trotzdem aber in vielen Bereich des Bundesgebietes lange Wartezeiten bestehen. Nahezu jeder angebotene Psychotherapie-Platz in Deutschland ist besetzt. Besonders krasse Versorgungslücken bestehen, nicht anders als in der somatischen Versorgung, in den östlichen Bundesländern, aber auch bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen und in der Gruppenpsychotherapie. Der aktuelle Berechnungsmodus für die Feststellung des Bedarfs an psychotherapeutischer Versorgung suggeriert allerdings eine scheinbare Überversorgung. Sie ist aber, weil sie den IstZustand der psychotherapeutischen Versorgung im Jahre 1996 als Soll-Zustand festschreibt, ein Artefakt. Zahlreiche Untersuchung belegen den chronischen Mangel an Behandlungsplätzen. Woher kommt diese Diskrepanz? Da die Ermittlung der sogenannten Verhältniszahlen auf bevölkerungsstatistischen bzw. besiedlungsstatistischen Klassifizierungen des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung in Form von sogenannten Verdichtungsräume basiert, bleiben Strukturelemente wie regionaler Altersaufbau, Beschäftigungsstruktur, Bildungsgrad, Arbeitslosenquote, besondere regionale Belastungen, ja selbst Morbiditätsindex und -struktur sowie die regionale Suizidrate unberücksichtigt. Die Verhältniszahlen sind also weit davon entfernt, einen tatsächlichen Bedarf abzubilden - sie spiegeln vielmehr den defizitären Ist-Zustand des Jahres 1996 wider. Unter der ungeprüften Hypothese, vergleichbare Besiedlungsdichte und -struktur habe auch gleiche psychotherapeutische Bedarfsstärken zur Folge, werden gleich kategorisierte Verdichtungsräume bundesweit verrechnet. Während sich Ärzte bis 1993 nachfrageunabhängig frei niederlassen konnten, entwickelte sich bei den Psychotherapeuten eine durch Mangel an Rechtssicherheit geprägte Niederlassungsstruktur mit Bevorzugung von Großstädten und Ballungszentren. Ländliche Bereiche waren zu niederlassungsunsicher. Die im Sommer 1999 festgelegten Verhältniszahlen belegen dies und schrieben dies nun in folgenschwerer Weise fest. Aufgrund dieser Schwächen und systematischen Fehler bei der Ermittlung einer gesicherten psychotherapeutischen Versorgung der Bevölkerung stellt sich das bisherige Verfahren als ein ungeeignetes Mittel zur Einlösung des gesetzlichen Auftrages dar, die Bevölkerung ausreichend mit Psychotherapie zu versorgen. Dipl.-Psych. Armin Traute Dipl.-Psych. Heinrich Bertram Auszug aus: Report Psychologie 9/02 September2002 Den vollständigen Text finden Sie auch im Internet unter der Adresse www.BDP-Verband.org/bdp/idp/2002-3/12.shtml 2