POLYMYOSITIS / DERMATOMYOSITIS Polymyositis (PM) ist eine seltene, chronisch entzündliche Erkrankung, bei der in erster Linie die Muskulatur betroffen ist (eine Neuerkrankung pro 100.000 Einwohner pro Jahr); bei Mitbeteiligung der Haut spricht man von einer Dermatomyositis (DM). Es gibt zwei Altersgipfel : Kinder zwischen 10 und 15 Jahren und Erwachsene zwischen 45 und 60 Jahren. Bei PM sind Frauen doppelt, bei DM dreimal so oft betroffen wie Männer. Die Ursache ist derzeit noch unbekannt, jedoch dürften Autoimmunvorgänge bei genetisch prädisponierten Personen eine entscheidende Rolle spielen. Vor allem die DM kann gelegentlich eine Begleiterkrankung bösartiger Prozesse (Krebskrankheiten) sein. Daher muß bei dieser Diagnose nach einem derartigen Prozeß gesucht werden. Klinik : Das Leitsymptom ist eine symmetrische, besonders im Schulter- und Beckengürtelbereich betonte Muskelschwäche; Unterarme und Unterschenkel sind geringer beteiligt. Die Beschwerden werden manchmal als muskelkaterähnlich beschrieben und treten vor allem bei Bewegung mit nächtlicher und morgendlicher Betonung auf. Der Krankheitsbeginn ist selten akut mit Fieber und plötzlich einsetzendem Krankheitsgefühl wie Müdigkeit, Morgensteifigkeit, Appetitlosigkeit; meist besteht ein schleichender Verlauf mit langsamer Steigerung der Beschwerden über 3 – 6 Monate. Im weiteren Verlauf kommt es zu Muskelatrophie und bleibender Schwäche. Folgende Organmanifestationen können im Rahmen der Erkrankung auftreten: Schluckbeschwerden durch Mitbeteiligung der Schluck- und Speiseröhrenmuskulatur Veränderung der Stimme (Heiserkeit) durch Mitbeteiligung der Kehlkopfmuskulatur Herzmuskelbeteiligung bei 40% der Patienten (EKG – Veränderungen, Herzschwächezeichen wie Belastungsatemnot, Beinödeme, Verminderung der Leistungsfähigkeit) Lungenbeteiligung mit Lungengerüsterkrankung (Atemnot, trockener Husten) bis hin zu Hochdruck im Lungenkreislauf Hautveränderungen im Rahmen der DM : lilafarbene bis rötliche, scharf begrenzte Hautareale (Lilakrankheit) sowie lokale Verdickung oder Pigmentveränderung der Haut, juckende Rötungen an Hand- und Fingerrückenseite, über Kniescheibe und innerem Knöchel; an Schultern und Nacken (Schalzeichen), an Hals und oberem Brustbereich (V – Zeichen) Besenreißerbildung in den betroffenen Hautarealen Flüchtige Gelenkschmerzen und -schwellungen am häufigsten an Knie-, Hand- und Fingergelenken ohne Gelenkzerstörungen Raynaud – Symptomatik mit schmerzhaften und bei Kälteeinwirkung weiß, dann bläulich verfärbten Fingerendgliedern (häufiger bei PM) Befunde : Labor : Die Muskelenzyme Creatinkinase (CK), Laktatdehydrogenase (LDH), Glutamat-oxalacetat-transaminase (GOT) und Aldolase (ALD) können erhöht sein, außerdem kann es zur Ausscheidung von Kreatin über den Harn und Ausschwemmung von Myoglobin aus den Muskelzellen ins Blut kommen. Als Hinweis auf eine Mitbeteiligung der Herzmuskulatur kann die herzspezifische CK-MB im Blut erhöht sein. In 50% der Patienten ist die Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) normal, das C-reaktive Protein (CRP) als Akut-Entzündungszeichen ist meist etwas erhöht. Bei 50% der Patienten finden sich Myositis – spezifische Antikörper, die gegen Zellkern- oder Zellplasmastrukturen gerichtet sind wie anti Jo-1 und andere. Elektromyographie (EMG) : zeigt pathologische Veränderungen in entzündeten Muskelarealen. 10 bis 15% der Patienten weisen allerdings ein normales EMG auf. Histologie : Gewebeproben werden aus Arealen mit pathologischer EMG entnommen und histologisch untersucht. Dabei findet man abgestorbene Muskelfaserzellen und Regeneration von Muskelfasern mit Eindringen von Zellen des Immunsystems. Bei der DM findet sich in den betroffenen Hautarealen eine Infiltration des die Gefäße umgebenden Gewebes mit Zellen des Immunsystems. Weitere Untersuchungen : Lungenröntgen bzw. HR-Computertomogramm, Kapillarmikroskopie, Lungenfunktionstest, Magnetresonanz für Weichteile und Muskeln, Speiseröhrendruckmessung, Malignomsuche Sonderformen : 1) Einschlußkörpermyositis : tritt bevorzugt im höheren Alter auf, Männer sind dreimal häufiger als Frauen betroffen. Der Beginn ist in der Regel langsam, in 20% bestehen Schluckbeschwerden, auch unilateraler distaler Befall ist möglich. Charakteristisch sind mikroskopische Einschlüsse im Zellkern und Zellplasma der Skelettmuskulatur (Eine sehr seltene Krankheit). Differentialdiagnosen : 1) Myositiden bei Infektionen : bei Viruserkrankungen wie Influenzaoder Coxsackieviren, dann meist ca. 2 Wochen andauernd; selten 2) 3) 4) 5) 6) chronischer Verlauf bei Hepatitis B-, Herpes- oder Epstein Barr Virus Infektionen; bei bakteriellen Infektionen kann eine eitrige Myositis auftreten, besonders in tropischen Gebieten. Polymyalgia rheumatica : Es besteht eine Assoziation mit der Riesenzellarteriitis. Lichtmikroskopisch sind keine spezifischen Veränderungen nachweisbar. Die Muskelenzyme sind im Normbereich, das EMG unauffällig, die BSG und CRP sind stark erhöht. Starke Schmerzen in Schulter- und Beckengürtelbereich stehen im Vordergrund. Kollagenosen und Vaskulitiden : im Rahmen von Sklerodermie, systemischem Lupus erythematodes, Sjögren Syndrom, Wegener´scher Granulomatose und anderen Bindegewebserkrankungen kann eine „sekundäre Myositis“ auftreten. Myositis und Malignome : Verschiedene bösartige Tumore können einer Myositis vorangehen oder folgen, wobei keine Tumorart signifikant häufiger gefunden werden konnte. Toxisch und medikamentös bedingte Myositis : chronischer Alkoholkonsum, aber auch Medikamente wie Blutfettesenker z.B. Clofibrat (Duolip), Lovastatin (Mevacor), Chloroquin (Resochin), D-Penicillamin, Procainamid, Zidovudine (Retrovir), Diuretika (Elektrolytverschiebungen) Myositis bei Stoffwechselerkrankungen : a) angeboren : Glykogenspeicherkrankheiten b) erworben : Elektrolytstörungen, Nieren-, Leberinsuffizienz, Addison-, Cushing- Syndrom, Schilddrüsenüberfunktion oder -unterfunktion Therapie : Im akuten Stadium werden der aktuellen Situation angepasst hochdosiert Cortisonpräparate täglich oral, bei schweren Fällen intravenös gegeben. In 50 - 75% kommt es daraufhin zu einer kompletten Remission. Wenn Cortison allein nicht ausreicht, muß eine immunsupprimierende Therapie mit Methotrexat (Methotrexat), Cyclosporin A (Sandimmun oral) oder Azathioprin (Imurek) eingeleitet werden, gelegentlich auch hochdosiert Immunglobuline. Zusätzlich ist eine physikalische Therapie mit aktiver und passiver Bewegung indiziert.