Dr. med. Gundula Notheis

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Immundefekte und Autoimmunität Überblick
Dr. Gundula Notheis
Immundefekt-Ambulanz
Dr. von Haunersches Kinderspital
München
dsai Ärztliche Fortbildung März 2013
Immunsystem und Autoimmunität
Kontrolle von Infektionen (körperfremde Pathogene)
Toleranz gegenüber körpereigenen Antigenen
Zentrale Toleranz: Entfernung von autoreaktiven T-Zellen während
der Thymusentwicklung (Apoptose, Veränderung der
Rezeptorpräsentation)
Periphere Toleranz: Verhinderung von autoagressiven Reaktionen in
peripheren Organen, ausgelöst durch autoreaktive T-Zellen, die der
zentralen Toleranz entgehen
(regulatorische T-Tellen)
Jede Störung der zentralen oder peripheren Toleranz führt zur
Autoimmunität
Immunsystem und Autoimmunität
Störungen des Immunsystems führen zu paradoxen Reaktionen
- ungenügende Reaktion auf infektiöse Pathogene →
erhöhte Empfänglichkeit für Infektionen
- fehlgesteuerte Reaktionen auf körpereigene Antigene
Ursachen der Autoimmunität
Auswirkung des Gendefektes auf die Anzahl und Funktion von
regulatorischen T-Zellen (Treg)
Hypomorphe Mutationen in Genen, die typischerweise mit einem
schweren Immundefekt assoziiert sind
Autoantikörper gegen Zytokine repräsentieren einen neuen
Mechanismus durch welchen Autoreaktivität einen primären
Immundefekt imitieren kann
Primäre Immundefekte definiert durch
Autoimmunität
APECED (Autoimmune Polyendokrinopathie Candidiasis
ektodermale Dystrophie)
IPEX (Immundysregulation Polyendokrinopathie Enteropathie,
X-linked)
ALPS (Autoimmun lymphoproliferatives Syndrom)
APECED
Epidemiologie:
Finnen 1: 25.000
Sardiniern 1: 14.500
Vererbung:
autosomal rezessiv
Genetik: Mutationen im Gen, das den Transkriptionsfaktor AIRE
(Autoimmunregulator) kodiert
Lokalisation auf Chromosom 21q22.3
Expression in thymischen Epithelzellen und in dendritischen Zellen
>50 Mutationen
Keine Korrelation zwischen Genotyp und Phänotyp
APECED Pathogenese
AIRE als Transkriptionsfaktor für die Induktion und Aufrechterhaltung
normaler T-Zell-Toleranz
Hohe Antikörpertiter:
- IFN-α,IFN-ß, IFN-ω,
- IL-22, IL-17 (korreliert mit Candidabefall)
- Interaktion zwischen AIRE und dectin-1 (pattern-recognition
Rezeptor)
wichtig für die angeborene Immunität gegen Pilzinfektionen
APECED Klinik
Chronische mukokutane Candidasis, 1. Manifestation (5. Lebensjahr)
Nebenschilddrüsenunterfunktion (10. Lebensjahr)
Nebennierenrindeninsuffizienz (15. Lebensjahr)
APECED Candidiasis
Orale Candidasis häufigste Erstmanifestation
Cheilitis angularis → Entzündung der ganzen Mundmukosa
Hyperplastische chronische Entzündung mit dicken weißen Belägen
Erhöhtes Karzinomrisiko
Ösophagitis
Magen-Darm-Trakt→ Abdominalschmerzen, Durchfall, perineales
Ekzem
APECED Endokrinopathien
Hypoparathyreodismus, initial mit Hypokalzämie
Hypogonadismus, Folge primärer Gonadenstörung, 60% der
Mädchen und 40% der Jungen (Manifestationsalter ca. 14 Jahre)
Diabetes mellitus Typ 1
Selten Diabetes insipidus, Wachstumshormonmangel,
Schilddrüsenunter- oder überfunktion
Perniziöse Anämie als Folge einer Autoimmungastritis
Chronische Hepatitis
Nebennierenrindeninsuffizienz
APECED weitere Symptome
Alopezie
Vitiligo
Urticaria-ähnliches Erythem mit Fieber
Zahnschmelzhypoplasie
Dystrophie der Hand- und Fußnägel
Keratokonjunktivitis
Iridozyklitis
Milzatrophie → funktionelle Asplenie
What is the burden of living with APECED in 2012
Kluger N. Clin Endocrinol (Oxf) 2012 Oct 31
APECED Therapie
Verlaufskontrollen alle 6-12 Monate, psychologische Betreuung
Orale Hygiene, zahnärztliche Kontrollen
Lokale, (selten) systemische Therapie mit Antimykotika
Impfung gegen bekapselte Bakterien
Lebendimpfungen kontraindiziert
evtl. Antibiotika-Prophylaxe
Hormonsubstitution
Immunsuppressive Therapie bei Autoimmunhepatitis, interstitieller
Nephritis, Bronchiolitis
IPEX
(Immundysregulation Polyendokrinopathie
Enteropathie, X-linked)
Vererbung: X-chromosomal rezessiv
Genetik: 20 verschiedene Mutationen im Gen für den
Transkriptionsfaktor FOXP3
FOXP3 ist wichtig für Produktion von regulatorische T-Zellen (Treg,
Untergruppe der CD4-Zellen)
Treg supprimieren aktivierte T-Zellen, schützen den Organismus vor
überschießender Immunantwort
Epidemiologie: sehr selten, Inzidenz und Prävalenz noch unbekannt
IPEX Klinik
Enteropathie, Dermatitis, Endokrinopathie bereits kurz nach
Geburt oder in den ersten Lebensmonaten
Durchfälle: schleimig bis blutig oder wässrig, schwer behandelbar
Dermatitis: ekzematös, ichthyosiform, bullös, erythematös oder
psoriasiforme Veränderungen
selten autoimmune Alopecia
IPEX Klinik
Endokrinopathie: Diabetes mellitus Typ1,
Hypo-bzw. Hyperthyreoidismus
Hämolytische Anämie, Thrombozytopenie mit erhöhter
Blutungsneigung
Tubuläre Nephropathie
Erhöhte Empfänglichkeit gegenüber Infektionen durch
unterschiedliche Erreger (Enterokokken, Staphylokokken,
Zytomegalievirus, Candida) → Sepsis, Meningitis, Pneumonie,
Osteomyelitis
IPEX Histopathologie
massive Atrophie der Villi des GI-Traktes
Erosionen der Mukosa und lymphozytäre Infiltrate der Lamina propria
des Dünndarmes
Lymphozytäre Infiltrate in Schilddrüse und Pankreas mit völliger
Zerstörung der Inselzellen
Lymphozytäre Infiltrate auch in Haut, Leber und Gehirn
Darm und Pankreas bei IPEX-Patient
Torgerson TR, Ochs HD. J Allergy Clin Immunol 2007
IPEX Prognose
Ohne Behandlung Tod infolge von Durchfall, Malnutrition, Sepsis
und/oder metabolischer Entgleisungen des Diabetes mellitus bis zum
2. Lebensjahr
Bei Restfunktion von FOXP3 Überleben bis zum 30.LJ
IPEX Therapie
Immunsuppression mit Cyclosporin A und Tacrolimus (FK-506) +
(Steroide)→ Toxizität, dadurch zeitlich begrenzt
Allogene hämatopoetische Stammzelltransplantation
- frühzeitig, vor irreversibler Organschädigung
- Langzeiterfolg limitiert
Primäre Immundefekte mit Autoimmunität
und definiertem Gendefekt
Omenn Syndrom
STAT5b Defizienz
IL-2R alpha (CD25)Defekt
Wiskott-Aldrich Syndrom
DiGeorge-Syndrom
Hyper-IgM-Syndrome
Hyper-IgE Syndrome
Septische Granulomatose
Dentritische Zellen Defizienz-Syndrome (DCML und IRF-8)
Komplementdefekte
Omenn-Syndrom
Hypomorphe Mutationen in RAG1/RAG2 bei SCID-Patienten
Residuale T-Zell-Entwicklung→ gestörte Interaktion zwischen
medullären Epithelialzellen des Thymus und der Thymozyten→
gestörte immunologische Toleranz→ autoaggressive T-Zellen werden
nicht abgebaut und Treg nicht generiert
Charakterisiert durch Expansion von oligoklonalen T-Zellen,
erhöhtem IgE, Erythrodermie, Lymphadenopathie, entzündliche
Darmerkrankung
Omenn-Syndrom
Omenn-Syndrom
DiGeorge-Syndrom
Mikrodeletion in der Region 22q11.2
Fehlerhafte Morphogenese:
3. und 4. entodermale Schlundtasche und der ektodermalen
Kiemenbögen aus der sich Thymus und Nebenschilddrüse entwickeln
1.und 2. Schlundtasche (Lippen, Tonsillen, Ohren)
5. Schlundtasche (Pulmonalarterie)
DiGeorge-Syndrom
Kardinalsymptome
■ T-Zelldefekt infolge Thymushyplasie (-aplasie, sehr selten)
■ Hypoparathyreoidismus infolge Hypo- oder Aplasie der
Nebenschilddrüse
■ kongenitale Herz-oder Gefäßfehlbildungen
■ typische Gesichtsdysmorphie mit tiefsitzenden dysplastischen
Ohren, Hypertelorismus, Mikrogenie, Gaumenspalte, kurzem
Lippenphiltrum, Fischmund und antimongoloider Augenfalte
DiGeorge- Syndrom
DiGeorge-Syndrom Klinik
Kardiale und pulmonale Komplikationen
Tetanische Krampfanfälle
Infektionen
Psychomotorische Entwicklungsverzögerungen
Antikörpermangel (IgA, IgG-Subklassen, IgG, Spezifische Ak-Störung
auf Polysaccharidantigene)
Autoimmunität
DiGeorge-Syndrom
Reduziertes T-Zellrepertoire aufgrund der T-Zelldefizienz→
Beeinträchtigung der Treg→
Autoimmunität (8-10%)
- Zytopenien (ITP, Autoimmunneutropenie, AIHA)
- Hypothyreodismus
- Arthritis
DiGeorge-Syndrom Therapie
Kalzium, Vitamin D
Herzoperation
Pneumocystis jiroveci Prophylaxe mit Cotrimoxazol
Immunglobulinsubstitution
Bei komplettem DiGeorge-Syndrom:
- Transplantation von Thymusgewebe
- Stammzelltransplantation
Wiskott-Aldrich-Syndrom (WAS)
Vererbung: X-chromosomal rezessiv
Kardinalsymptome: Thrombozytopenie, chronisches Ekzem,
rezidivierende Infektionen
Inzidenz: 1:250.000 Lebendgeborene
Genetik: Mutation im WAS-Gen, keine Expression des WASP
Funktion von WASP:
- Kontrolle des Aktin-Zytoskeletts (mechanische Stabilisierung der
Zelle)
- Lymphozytäre Signalverarbeitung
- Differenzierung von Thrombozyten
Wiskott-Aldrich-Syndrom (WAS)
mögliche Ursachen der Autoimmunität
Gestörte Entwicklung und Funktion von Treg
Gestörte T-Zell-Apoptose
Ungenügende Clearance abgestorbener Partikel und von
Immunkomplexen durch Makrophagen
WAS
Klinik
Blutungen (Petechien, gastrointestinale und intrakranielle Blutungen)
Infektionen v.a.durch Pneumokokken, Meningokokken, Haemophilus
influenzae, Pneumocystis jiroveci, schwer verlaufende
Varizlleninfektionen)
Ekzem gleicht einer atopischen Dermatitis
Lymphoretikuläre Malignome
Autoimmunität (22-70%)
AIHA, Vaskulitis, Arthritis, Autoimmunneutropenie,
entzündliche Darmerkrankung, IgA-Nephropathie
WAS
Moore MM. Pediatr. Dermatol 2007
WAS
WAS
Therapie
Antimikrobiell, Immunglobuline
Diät (Kuhmilch- und Ei-frei )
Lokalbehandlung des Ekzems, systemische Steroide mit Vorsicht
Stammzelltransplantation
Experimentell Gentherapie
Hyper-IgM-Syndrome (HIGMS)
Heterogene Gruppe genetischer Erkrankungen
Ursache: Defekt im Isotypenwechsel (Unfähigkeit der B-Zellen von
der IgM-Produktion auf z.B. IgG umzuschalten)
Verminderung von IgG, IgA und IgE
IgM erhöht oder im Normbereich
Hyper-IgM-Syndrome (HIGMS)
HIGM1: X chromosomal vererbt, CD40L Mutation
CD40L wird auf aktivierten T-Zellen exprimiert, dadurch können diese
mit CD40 auf B-Zellen, DC und Makrophagen interagieren
Gestörte B-memory-Zellen Generierung
T-Zellen vermitteln den B-Zellen nicht das nötige Signal zum IsotypSwitch
HIGM2: autosomal rezessiv (selten dominant), Mutation im
AID (Activation-induced cytidin deaminase) Gen
HIGM3: autosomal rezessiv, Mutation CD40 Gen
Hyper-IgM-Syndrome (HIGMS)
HIGM4: mildere Form, mit IgG-Produktion, Gendefekt noch
unbekannt
HIGM5: autosomal rezessiv, Mutation im UNG (Uracil-DNA
Glycosylase) Gen
HIGM6:X-chromosomal, Mutation im IKBKG-Gen, welcher NEMO
(NF-кB essential Modulator) kodiert
Immundefekt + hypohidrotische ektodermale Dysplasie
NEMO
Hyper-IgM-Syndrome (HIGMS)
Manifestation
Autoimmunhämolytische Anämie
Idiopathische Thrombozytopenie
Chronische Neutropenie
Polyarthritis
Chronisch entzündl. Darmerkrank.
Hashimoto Thyreoditis
Typ I Diabetes mellitus
Autoimmunhepatitis
Chronische Uveitis
Gendefekt
AID, CD40L, NEMO
AID
CD40L
AID, CD40L, NEMO
AID, CD40L, NEMO
CD40L
AID
AID
AID
PID mit Autoimmunität und ungeklärtem
Wirkungsmechanismus
CVID (Common variable immunodeficiency disease)
Selektiver IgA-Mangel
CVID
Common variable Immunodeficiency
Häufigste Immundefekt bei Erwachsenen
Autoimmunerkrankungen bei 22% der Patienten bei Diagnosestellung
und bei 36% im Verlauf
Autoimmunerkrankungen häufiger bei Patienten mit Granulombildung
und organspezifisch
ITP geht häufig anderen Manifestationen voraus
Gendefekte: ICOS, CD19,CD81,CD21, CD20, BAFF-R, TACI
CVID
Hypothesen zur Entstehung der Autoimmunität
Mangelnde Entfernung autoreaktiver B-Zellen
Unnormale Ligand Interaktion (reduzierte CD40 Expression auf BZellen)
Erhöhte Expansion von autoreaktiven B-Zellen
Verminderte Aktivierung von STAT5b durch verminderte
Phosphorylierung von STAT5b-Protein → gestörte Funktion der Treg
CVID
Manifestationen der Autoimmunität
Idiopathische Thrombozytopenie
Autoimmunhämolytische Anämie
Autoimmunneutropenie
Perniziöse Anämie
Vitiligo
Alopezie
Diabetes mellitusTyp 1
Hashimoto Thyreoiditis
Atrophische Gastritis
Zöliakie
CED
CVID
Manifestationen der Autoimmunität
Primäre biliäre Zirrhose
Guillain-Barré-Syndrom
Sjögren Syndrom
Systemischer Lupus erythematodes
Rheumatoide Arthritis
Juvenile rheumatoide Arthritis
Dermatomyositis
Vaskulitis
Zusammenfassung
Viele Immundefekte sind mit Autoimmunerkrankungen assoziiert
Autoimmunerkrankungen können zu Immundefizienz führen
Autoimmunphänomene können der Manifestation z.B. eines CVID
vorausgehen
Deshalb bei Patienten mit Autoimmunerkrankung Bestimmung der
Immunglobuline
Umgekehrt bei Patienten mit Immundefekt (CVID) Screening nach
Autoimmunerkrankungen
An Immundefekt denken
- unbehandelbaren früh auftretenden Durchfällen
- ungewöhnlichen Exanthem, Ekzem
Literatur
Gupta S, Louis AG. Tolerance and Autoimmunity in Primary Immunodeficiency
disease: a Comprehensive Review. Clinic Rev Allerg Immunol.published
online: 2013 Jan 9
Atkinson TP. Immune deficiency and autoimmunity. Curr Opin Rheumatol.
2012 Sep;24(5):515-21.
Cunningham-Rundles C. Autoimmunity in primary immune deficiency: taking
lessons from aur patients. Clin Exp Immunol. 2011 Jun;164 Suppl 2:6-11.
Kluger N, Ranki A, Krohn K. APECED: is this a model for failure of T cell and B
cell tolerance. Clin Endocrinol (Oxf). 2012 Oct 31.
Torgerson TR, Ochs HD. Immune dysregualtion, polyendocrinopathy,
enteropathy, X-linked: Forkhead box protein 3 mutations and lack of regulatory
T cells. J Allergy Clin Immunol. 2007 Oct;120(4):744-50.
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