Und was sagt die Kirche dazu: Nein

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Und was sagt die Kirche dazu: Nein!
Karl-Heinz Iffland, Pfarrer Dipl.-Psych. BDP, Pfarrer der Ev. Kirchengemeinde
Ehrenfeld, Ev. Obdachlosenseelsorger in Köln, Vors. des Kölner
Arbeitslosenzentrums (KALZ) e.V.
Liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer!
"Und was sagt die Kirche dazu?", werde ich in diesen Tagen immer häufiger gefragt, wenn
ich mich vorstelle als Karl-Heinz Iffland, Pfarrer der Ev. Kirchengemeinde. Ehrenfeld. Stelle
ich mich als Vorsitzender des KALZ vor, habe ich es leichter. Schulterklopfen, Anerkennung "Ihr macht ja auch was gegen die Angst der Menschen vor dem sozialen Abstieg."
"Und was sagt die Kirche dazu?" - wenn ich dann noch sage, dass ich zugleich ev.
Obdachlosenseelsorger in Köln bin, dann entfährt es manchem: "Dann wissen Sie ja, was
auf uns zukommt !"
Was kommt auf uns zu und wird als bedrohlich erlebt? Und was darf deshalb nicht kommen?
Was sagt die Bibel und die Kirche den Menschen heute dazu? Ich werde Ihnen heute eine
Antwort darauf geben.
Eine "Zeitenwende" und einen "neuen Aufbruch" am Arbeitsmarkt verspricht sich
Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement von Hartz IV - er wird nicht müde, das zu
betonen.
Mit der Veröffentlichung von Hartz IV haben die evangelische Kirche und die Diakonie
gemahnt, dass sie in Hartz IV einen "Verschiebebahnhof" sähen, der von der Politik
wissentlich in Kauf genommen werde. Indem Landzeitarbeitslose künftig beispielsweise auf
ihr privates Vermögen oder auf Lebensversicherungen zurückgreifen müssen, gehen sie
gezwungenermaßen an ihre gedachte Altersversorgung und sind damit die
SozialhilfeempfängerInnen von morgen.
Diakonie und die evangelische Kirche befürchten und sagen es auch immer, dass durch das
Absenken von Sozialleistungen künftig arbeitslose und sozial schwache Menschen ins Elend
abrutschen werden. Dieser Weg ist skandalös!
"Nicht die Reform ist der Skandal, sondern die ständig steigende Langzeitarbeitslosigkeit."
(Wolfgang Clement zu den umstrittenen Arbeitsmarktreformen, KStA 11./12.09.04) - So
versucht Clement, und mit ihm fast alle politisch Verantwortlichen von rot-grün bis schwarzgelb, die Verantwortung für eine Reform, die weder überzeugend noch nachhaltig ist, auf die
Arbeitslosen und ihre Partner und Familien und zu einem geringen Teil auch auf die
Arbeitsplatzbesitzer und Arbeitsplatzgebenden abzuschieben. Hartz IV schafft keine
Arbeitsplätze. Ich sehe nur, wie zusätzliches Geld beschafft wird, und das sehr einseitig. Ich
warte auf eine verbindliche Aussage, wie wieder Solidarität organisiert werden soll.
Stattdessen lösen sich die Starken aus der Solidarität, und letzten Endes ist jeder nur noch
mit sich selbst solidarisch - das Wort ist in sein Gegenteil verkehrt. Und es geht so verdammt
schleichend, dass Widerstand und Widersprechen unheimlich schwer ist. Das
Arbeitslosigkeit landauf, landab strukturell bedingt ist, wird immer weniger erinnert - man
kann also fordern.
Das Arbeitslosigkeit sich wieder gut als selbstverschuldet verkaufen lässt, begründet die
künftig weniger ausgeprägte Förderung - und so können wir heute im Kölner Stadt-Anzeiger
lesen: "Deutsche entdecken Billigjobs - HARTZ IV beginnt zu wirken" (Schlagzeile KStA
13.09.2004) - und schon ist der Begründungszusammenhang da.
Endlich ist Bewegung auf dem Markt - die Flucht in Billigjobs ist nicht mehr begründet durch
die Angst vor dem sozialen Anstieg, sondern Beweis für die Untauglichkeit der bisherigen
Maßnahmen angesichts der Trägheit der Arbeitslosen. Die Rahmenbedingungen solcher
Jobs, dass es nur Saisonarbeit ist, dass es Dumpinglöhne sind, die sogar noch unterboten
werden könnten, wenn polnische und andere Saisonkräfte aus anderen Billiglohnländern für
noch weniger arbeiten werden - alles, ohne jede Perspektive für den Menschen und sein
persönliches Umfeld, all das wird nicht diskutiert. "Es ist Angst und Unsicherheit zu spüren.
Hartz IV macht sich bemerkbar", sagt eine Personalvermittlerin.
Und was sagt Kirche dazu: Nein, schlicht Nein! Mit der Angst der Leute spielt man nicht! Eine
Gesellschaft, die so auseinanderdriftet, ist biblisch nicht zu begründen.
Das Menschenbild der Bibel, in der ich lese, zielt gerade darauf, dass Ausgrenzungen
überwunden werden und alle am gesellschaftlichen Leben sich beteiligen können.
Das Menschenbild der Bibel, in der ich lese, lädt ein, die Perspektive der Menschen
einzunehmen, die im Schatten des Wohlstandes leben und weder sich selbst als
gesellschaftliche Gruppe bemerkbar machen können noch eine Lobby haben.
Wer 30 Jahre lang in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat, der darf nicht in einem
Jahr auf Sozialhilfeniveau landen.
Das Menschenbild der Bibel, in der ich lese, lenkt den Blick auf die Empfindungen der
Menschen, auf Kränkungen und Demütigungen von Benachteiligten, auf das Unzumutbare,
auf das Menschenunwürdige, und auf strukturelle Ungerechtigkeit.
Von wem durch Hartz IV intensive Bemühungen um einen Arbeitsplatz erwartet werden,
dessen Familie oder Partnerschaft wird durch die Ausführungsbestimmungen von Hartz IV
viel stärker als heute schon durch die Arbeitslosigkeit stigmatisiert, der soll dann auch noch
zum Beispiel in einer Stadt wie Köln, in der es anerkanntermaßen keinen ausreichend
günstigen Wohnraum gibt, sich eine preiswertere Wohnungen suchen, sich mit seiner
Familie oder Partnerschaft in ein ganz neues soziales Umfeld einfinden ... die kölschen
Lösungen, die die Sozialdezernentin, Frau Bredehorst, letzte Woche beschwor, die stehen
auf keinem Papier von Hartz IV ! Einer wird vielleicht Erfolg haben, aber 99 anderen werden
die Leistungen gekürzt!
Und was sagt die Kirche dazu: Nein! Sie mahnt und wird nicht müde ihrerseits zu betonen:
Das Menschenbild der Bibel verpflichtet die Wohlhabenden zum Teilen und zu
wirkungsvollen Allianzen der Solidarität. Die Zerstörung der Sozialsysteme fängt im Kopf an Geiz ist geil! Geiz ist unsozial und Geilheit lebt sich auf Kosten anderer. Das ist nicht nur ein
geistloser Werbeslogan, das ist potenzierte Entsolidarisierung.
Der Präses der rheinischen Kirche, Nikolaus Schneider, hat es vor einigen Tagen einmal
persönlich so gesagt: "Wer in eine Krankenversicherung einzahlt und nur fragt, wie viel er
wieder rauskriegt, macht das System kaputt. Eigentlich muss man sagen: Ich zahle ein und
bin froh, wenn ich nichts raus kriege:" Dann bin ich nämlich gesund - und im Krankheitsfall
habe ich die Solidargemeinschaft, die mich vor sozialem Abstieg bewahrt. Und deshalb:
Nein zu Hartz IV - um der Betroffenen willen.
Danke für Ihre/Eure Aufmerksamkeit.
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