Schülerskriptum Sexualbiologie I. Das weibliche Fortpflanzungssystem Im weiblichen Geschlecht ist die Keimdrüse (Gonade) als Eierstock (Ovarium) entwickelt. Dieser hat im wesentlichen zwei Aufgaben: Bildung der Eizellen (Ova) und Bildung der primären weiblichen Geschlechtshormone, der Östrogene (Follikelhormone) und der Gestagene (Gelbkörperhormone) mit denen Hauptvertretern Östradiol bzw. Progesteron. Sämtliche unreifen Eizellen werden bei der Frau schon während ihrer Embryonalentwicklung gebildet; nach der Geburt findet nur noch eine Eizellenreifung statt. Die Reifung und Abgabe der Eizellen setzt in der Pubertät im Alter zwischen 11 und 15 Jahren ein. Der Beginn der Pubertät ist die erste Menstruation (Regelblutung), mit der gleichzeitig die Fortpflanzungsfähigkeit der Frau beginnt. Diese Fähigkeit endet in der Menopause, wenn keine Eier mehr gebildet und abgegeben werden, somit auch keine Regelblutung mehr einsetzt. Die Menopause tritt in der Mehrzahl der Fälle zwischen dem 50. und 52. Lebensjahr ein. Der „Wechsel“, das Klimakterium, ist derjenige Zeitraum im Leben der Frau, in welchem die weibliche Keimdrüse ihre Aufgabe als „Eierstock“ und endokrine Hormondrüse verliert. Den Beginn des Klimakteriums erleben gegenwärtig die meisten Frauen im Alter von 45 bis 50 Jahren. I. 1. Anatomie der weiblichen Fortpflanzungsorgane Die paarigen EIERSTÖCKE (Ovarien) liegen in der Körperhöhle des Unterleibes und die Eier, die von den Eierstöcken entlassen werden, wandern in die Bauchhöhle und von dort in einen der beiden EILEITER, die beim Menschen auch als Tuben bezeichnet werden. Die Eileiter münden in die birnenförmige GEBÄRMUTTER (Uterus), in der sich der Embryo bis zur Geburt entwickelt. Der Uterus geht in einen muskulösen Hals, den GEBÄRMUTTERHALS (Muttermund, Cervix) über, der mit einem kurzen Stück in die muskulöse SCHEIDE (Vagina) hineinreicht. Die Scheide führt nach außen und dient sowohl als spermienaufnehmender Teil sowie als Geburtskanal. Die KLITORIS (Kitzler), die vorne an der Verbindungsstelle der beiden innere (kleinen) Schamlippen liegt, entwickelt sich aus denselben Embryonalstrukturen wie das Glied des Mannes. Die Öffnung der Harnröhre, die bei der Frau ausschließlich als Harnleiter dient, liegt hinter der Klitoris. Das Jungfernhäutchen (Hymen) stellt eine gefäßreiche Gewebeplatte dar, die die Scheidenöffnung teilweise verschließt. Beim ersten Geschlechtsverkehr reißt das Jungfernhäutchen gegen den Rand an mehreren Stellen mehr oder weniger weit ein (Defloration). -1- Schülerskriptum Sexualbiologie Von der Pubertät an bis zur Menopause führt das weibliche Fortpflanzungssystem eine Aufeinanderfolge von geschlechtlichen Zyklen durch, von denen jeder durchschnittlich 28 Tage dauert. Die Dauer des Zyklus kann beträchtlich variieren. Eine Regelperiode markiert den Beginn jedes Zyklus, in der einige Zellen und Blut durch den Muttermund und die Scheide nach außen treten, und die zwei bis acht Tage, meist etwa fünf Tage dauert. Das biologisch wichtigste Ereignis in jedem Zyklus ist die Ovulation (Follikelsprung und Eiabgabe), die gewöhnlich am 13. oder 14. Tag nach Beginn der vorangegangenen Menstruation einsetzt, jedoch auch erhebliche zeitliche Schwankungen aufweisen kann. I. 2. Ei und Follikelwachstum Der Eierstock besteht aus MARK und RINDE. Die innere Markregion ist bindegewebig und enthält zahlreiche Gefäße. Die Rindenschicht enthält die FOLLIKEL (Eibläschen). Der Entwicklungsprozess vom Primärfollikel bis zum sprungreifen Follikel mit der Freisetzung der befruchtungsfähigen Eizelle läuft in charakteristischen Wachstumsschritten ab: Der PRIMÄRFOLLIKEL besteht aus einem einschichtigen Ring an Follikelzellen, die die Eizelle umgeben. Ein Teil der Primärfollikel wächst durch Vermehrung der Follikelzellen zum Sekundärfollikel heran. Der SEKUNDÄRFOLLIKEL hat eine Größe von bis zu 0,2 mm erreicht. In ihm hat auch die Eizelle ihre endgültige Größe von ca 0,1 mm Durchmesser. Der TERTIÄRFOLLIKEL stellt den reifen Bläschenfollikel dar. In ihm hat sich eine Höhle gebildet, die von Follikelflüssigkeit erfüllt ist, die Follikelhormone enthält. Der sprungreife Follikel, der einen Durchmesser von 15 bis 20 mm hat, nähert sich der Eierstockoberfläche. Mi__t Hilfe von Enzymen in der Follikelwand reißt diese auf (Follikelsprung, OVULATION) und die ausströmende Follikelflüssigkeit schwemmt die Eizelle heraus. Sie wird vom Fransentrichter (Fimbrientrichter) des Eileiters aufgefangen. Von den sich gleichzeitig entwickelnden Follikeln im Eierstock wird in der Regel nur einer reif, die anderen verkümmern. Es können jedoch Mehrlingsgeburten auftreten, wenn zweider mehrere Eier gleichzeitig reifen und jedes von einem Spermium befruchtet wird (zwei- oder mehreiige Zwillinge). Wenn ein einziges befruchtetes Ei sich ein oder mehrere Male in der Mitte auseinander schnürt, führt das zur Entwicklung von zwei oder mehreren Embryonen (eineiige Zwillinge oder Mehrlinge). I. 3. Bildung des Gelbkörpers. Wenn die aus dem geplatzten Follikel stammende Eizelle in den Eileiter eingetreten ist, vergrößern sich die im Eierstock verbliebenen Follikelzellen und füllen sich mit Hormonflüssigkeiten. Es entsteht ein Gelbkörper (Corpus luteum) -2- Schülerskriptum Sexualbiologie Die äußeren Zellen produzieren Progesteron, die inneren Östrogene. Bleibt die Befruchtung der Eizelle aus, so verliert dieser Menstruationsgelbkörper (Corpus luteum menstruationis) nach etwa 10 Tagen seine Aktivität. Die Zellen des Gelbkörpers verkleinern sich und es bleibt ein kleines Narbenprodukt das weißliche Corpus albicans zurück. Kommt es zu einer Befruchtung und Einnistung des Keims, dann entwickelt sich der Gelbkörper unter Vermehrung der Zellen zum Schwangerschaftsgelbkörper (Corpus luteum gravididatis), der bis zum 3. Schwangerschaftsmonat die zur Erhaltung der Schwangerschaft (Gravidität) notwendigen Gestagene und Östrogene produziert. Danach wird diese Aufgabe von der Plazenta (Mutterkuchen) übernommen, und der Schwangerschaftsgelbkörper verschwindet allmählich. Die Follikelzellen entlassen während des Geschlechtszyklus Geschlechtshormone, die in ihrer Gesamtheit als Östrogene (Follikelhormone) genannt werden. Diese Hormone tragen gemeinsam mit Sekretstoffen anderer Organe zur Vorbereitung der Uterusschleimhaut (Endometrium) für die Aufnahme des befruchteten Eies bei. Dabei kommt es zur Umwandlung der Gebärmutter-Auskleidung, die für eine erfolgreiche Einnistung des befruchteten Eies notwendig ist. Während die Follikelzellen hauptsächlich das Östrogen ÖSTRADIOL bilden, wird vom Gelbkörper neben Östradiol auch das Gestagen PROGESTERON gebildet. Beide Hormone bewirken, das die Gebärmutterschleimhaut im Hinblick auf eine erfolgreiche Einnistung des Embryos während des Zyklus entsprechend umgebildet wird. Die Vorgänge in der Gebärmutter werden also sowohl von Östrogenen als auch von Progesteron gesteuert, also von Hormonen, die in den Follikelzellen und in den Zellen des Gelbkörpers gebildet werden. Hingegen wird die Follikel- und Gelbkörperentwicklung während des Menstruationszyklus von den gonadotropen (Gonade = Keimdrüse, trop = hinbewegen) Hormonen aus dem Hypophysenvorderlappen (der größere Teil der Hirnanhangsdrüse am Boden des Zwischenhirns) kontrolliert. Die Entwicklung hängt vom Vorhandensein des wirksamen follikelstimulierenden Hormons (FSH) sowie des luteinisierenden Hormons (LH) ab. Ein negatives Rückkoppelungssystem wirkt dabei folgendermaßen: Ein Signal wird an den Hypothalamus (Seitenwand des Zwischenhirns) gegeben, der FSH-Releasing-Hormon produziert. Dieses gelangt an die hormonbildenden Zellen im Hypophysenvorderlappen, wo nun die Bildung und Ausschüttung von FSH einsetzt. Das FSH wandert aus dem Vorderlappen durch das Blut zum Eierstock. Dort erfolgt nun unter dem Einfluss dieses gonadotropen Hormons FSH die Entwicklung des Follikels. -3- Schülerskriptum Sexualbiologie Der sich entwickelnde Follikel erzeugt Östrogene (Östradiol). Wenn der Östrogenspiegel eine bestimmte Höhe erreicht hat, tritt Rückkoppelung ein, die eine weitere FSH-Produktion der Hypophyse hemmt. Zusätzlich regen die hohen Östrogenmengen die Bildung von LH-Releasing-Hormon im Hypothalamus an. Das LH-Releasing-Hormon regt nun seinerseits die Produktion von LH im Hypophysenvorderlappen an. Dieses gonadotrope Hormon LH (luteinisierendes Hormon) wirkt im Eierstock auf den zurückgebliebenen aufgesprungenen Follikels und der Gelbkörper (Corpus luteum) wird gebildet; daher stammt der Name "luteinisierendes Hormon". Wenn Schwangerschaft eintritt, dann schalten die hohen Mengen von Östrogenen und Progesteron im Blutstrom die weitere Bildung von LH in der Hypophyse durch denselben Rückkoppelungsmechanismus ab. Im Ganzen gesehen, treten die Veränderungen während des Menstruationszyklus zuerst im Eierstock und dann in der Gebärmutter auf. Während des Zyklus wird das Geschehen im Eierstock unter der Kontrolle des Hypothalamus durch FSH und LH aus der Hypophyse gestaltet, während das darauffolgende Geschehen in der Gebärmutter von den Eierstockhormonen, den Östrogenen (Östradiol) und den Gestagenen (Progesteron) beeinflusst wird. Den Menstruationszyklus charakterisiert das sich ändernde Gleichgewicht zwischen den Hormonen der Hypophyse und denen des Eierstocks. Solange der Gelbkörper vorhanden ist, wird reichlich Östradiol und Progesteron gebildet, durch welche eine weitere FSH- und LH-Ausschüttung gehemmt wird. Tritt keine Schwangerschaft ein, so verkümmert der Gelbkörper und die Mengen von FSH und LH steigen wieder an, während die Konzentration der Hormone aus dem Eierstock im Blutstrom abnimmt. Durch diese neuerliche Konzentrationserhöhung der gonadotropen Hormone FSH und LH aus der Hypophyse wird die Reifung eines neuen Follikels angeregt und ein neuer Menstruationszyklus beginnt. Außerhalb der Schwangerschaft wiederholen sich diese Ereignisse durchschnittlich alle 28 Tage zwischen Pubertät und Menopause. Die empfängnisverhütende "Pille" wirkt durch Hemmung der Ovulation. Die synthetischen Östrogene und Gestagene sind in der Pille in ausreichender Konzentration vorhanden, um die Ausschüttung der gonadotropen Hormone FSH und LH in der Hypophyse zu unterbinden; der Follikel reift dadurch nicht und kein Ei wird entlassen. Hormonell wird so der Zustand einer Schwangerschaft vorgetäuscht (daher gelegentlich auch Auftreten von Schwangerschaftssymptomen wie Übelkeit, vermehrte Wasserspeicherung, Vergrößerung und Ziehen in den Brüsten). Der Gebrauch der Pille an 21 von 28 Zyklustagen führt zu einer Verdickung der Gebärmutterschleimhaut. -4- Schülerskriptum Sexualbiologie Nimmt nun eine Frau in den darauffolgenden Tagen (1 Woche) keine Pille mehr ein, so kommt es zur Ausstoßung der Gebärmutterschleimhaut und eine menstruale Periode wird eingeleitet, obwohl keine Ovulation stattgefunden hat („Abbruchsblutung“). -5-