Ein Simulator für das Immunsystem

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Professur Künstliche Intelligenz
Diplomarbeit
Ein Simulator für das Immunsystem
Christin Seifert
[email protected]
Betreuer:
Prof. Dr. Werner Dilger
Chemnitz, am 15. Februar 2004
Christin Seifert
Ein Simulator für das Immunsystem
Diplomarbeit, Technische Universität Chemnitz, 2004
http://archiv.tu-chemnitz.de/pub/2004/0012
Ich möchte hiermit allen danken, die mir während der Erarbeitung dieses
Dokumentes auf unterschiedliche Weise unterstützend zur Seite gestanden
haben.
Als erstes bedanke ich mich bei meinem Betreuer, Prof. Dilger, für die
überaus interessante und herausfordernde Aufgabenstellung und für die
Unterstützung während meines Studiums. Dank geht auch an René, der
während der Erarbeitung der biologisch Grundlagen geduldig meinen
Ausführungen gefolgt ist und mit seinen Fragen zum Verständnis beitrug.
Für das Korrekturlesen bedanke ich mich ganz herzlich bei Lisa, Frank, René
und Sindy. Ein besonderer Dank geht an Lisa, die mich während der
Endphase der Arbeit in Graz im Kampf mit vielen Kleinigkeiten sehr lieb
unterstützt hat.
Nicht vergessen möchte ich alle, die mich spätestens jede Woche gefragt
haben, wann denn die Arbeit fertig ist – Jetzt ist sie es.
Aufgabenstellung
Die Forschungsrichtung der Computational Intelligence (CI) beschäftigt sich mit Problemlösemethoden, deren Ursprung in der Biologie zu finden ist. Beispiele hierfür sind künstliche neuronale Netze
und genetische Algorithmen. Ein, im Vergleich zu diesen, junger Ansatz sind die Künstlichen Immunsysteme (AIS). In AIS werden Aspekte des menschlichen Immunsystems auf den jeweiligen Problembereich adaptiert. Die Anwendung immunologisch motivierter Verfahren führt zur Problemlösung.
AIS sind als Berechnungsmodell unter anderem wegen folgender Eigenschaften interessant:
Fähigkeit zur Mustererkennung
Robustheit des Gesamtsystems durch Austauschbarkeit der Elemente (kein Element ist essenziell für die Funktion des Gesamtsystems) und Dezentralisierung (es gibt keine zentrale Steuereinheit)
Verteiltheit der Elemente im Raum und damit Ausfallsicherheit des Systems
Unempfindlichkeit gegen verrauschte Eingaben
Lernen und Gedächtnis
Es gibt bereits eine Vielzahl von AIS-Anwendungen in den verschiedensten Bereichen der Informatik,
unter anderem in der Computersicherheit, der Robotik und des Data Mining. Ihnen allen gemeinsam
ist jedoch die Tatsache, dass ihr zugrunde liegendes Modell die Realität sehr stark abstrahiert. Zudem
ist der Einfluss verschiedener Parameter auf die Funktion des Gesamtsystems noch wenig untersucht.
In der Arbeit soll der Prototyp eines Immunsystem-Simulators erstellt werden, der die vorhandenen
Modelle verfeinert und die Untersuchung der Einflüsse verschiedener Parameter erlaubt.
i
ii
Inhaltsverzeichnis
Aufgabenstellung
i
Abbildungsverzeichnis
v
Tabellenverzeichnis
vii
Verzeichnis der Programmlistings
ix
1 Grundlagen des Immunsystems
1
1.1
1.2
Bestandteile des Immunsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1.1.1
Lymphorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1.1.2
Antigenrezeptoren – Immunglobuline, B-Zell- und T-Zell-Rezeptoren . . . .
2
1.1.3
Zellen des Immunsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
1.1.4
Das Komplementsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
14
1.1.5
Zytokine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
14
Immunreaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
1.2.1
Einteilung der Immunreaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
1.2.2
Ablauf der angeborenen Immunreaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
1.2.3
Ablauf der adaptiven Immunreaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18
2 Modellierung und Implementierung
21
2.1
Simulator-Klasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
2.2
Umgebungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
2.2.1
Umgebungen für die Bildung und Entwicklung der Immunzellen . . . . . . .
25
2.2.2
Umgebungen der Immunreaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
2.3
Rezeptoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32
2.4
Objekte in den Umgebungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
2.5
Hilfsklassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
iii
Inhaltsverzeichnis
2.6
2.5.1
CObjectCreator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38
2.5.2
Datensammlung und Statistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38
Globale Parameter
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3 Auswertung und Tests
3.1
3.2
3.3
39
41
Entwicklungsstand der Software . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41
3.1.1
Installation und Benutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41
3.1.2
Entwicklungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41
Test des Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
3.2.1
Selektionsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
3.2.2
Immunreaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
46
Weiterführende Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
52
Literaturverzeichnis
55
Abkürzungsverzeichnis
57
Glossar
59
iv
Abbildungsverzeichnis
1.1
Einteilung der Lymphorgane nach ihrer Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
1.2
Struktur eines Immunglobulins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
1.3
Funktionelle Regionen eines Immunglobulins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
1.4
Entstehung der Vielfalt der schweren Ig-Kette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
1.5
Entstehung der Vielfalt der leichten Ig-Kette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
1.6
Struktur eines TCR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
1.7
Entstehung der Vielfalt der -TCR-Kette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
1.8
Entstehung der Vielfalt der -TCR-Kette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
1.9
Zellen des Blutes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8
1.10 Aufbau einer B-Zelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8
1.11 somatische Hypermutation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10
1.12 Übersicht über den Lebenszyklus einer B-Zelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10
1.13 Aufbau einer T-Zelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
1.14 Übersicht über den Lebenszyklus einer T-Zelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
12
1.15 Ablauf der Phagozytose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13
1.16 Beziehung zwischen angeborenem und adaptivem Immunsystem . . . . . . . . . . .
16
1.17 Wirkungsweise von Makrophagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
1.18 Wirkungsweise von neutrophilen Zellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18
1.19 Aktivierung von T-Zellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19
1.20 Aktivierung von B-Zellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
20
1.21 Immunologisches Gedächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
20
2.1
Collaboration Diagramm für die Klasse AIMS2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22
2.2
Ablauf der Simulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
2.3
Interaktion in einer 3D-Umgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24
2.4
Klassendiagramm CDiscrete3DSpace . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24
v
Abbildungsverzeichnis
2.5
Vererbungsdiagramm CDiscrete3DSpace
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
2.6
Sequenzdiagramm für die Klasse CCreateEnv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
26
2.7
Objekte in CCreateEnv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
26
2.8
Sequenzdiagramm für die Klasse CDevEnv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
2.9
Objekte in CDevEnv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
2.10 Ablauf der Suche nach Interaktionsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
2.11 Sequenzdiagramm für die Klassen CReactEnv und CTissue . . . . . . . . . . . . . .
29
2.12 Objekte in CTissue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30
2.13 Objekte in CReactEnv
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
2.14 Beispiel Affinitätsberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
2.15 Voreingestellte Längen der Bitstrings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
2.16 Vererbungsdiagramm CLivingObject . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34
2.17 Klassendiagramm CLivingObject
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34
2.18 Ausgaben von ag->print() . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34
2.19 Ausgaben von ab->print() . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
2.20 Aktivierung einer B-Zelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
2.21 Ausgabe von bcell->print() . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36
2.22 Aktivierung einer T-Zelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
2.23 Ausgaben von tcell->print() . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
2.24 Ausgaben von apc->print() . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
2.25 Klassendiagramm CObjectCreator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38
3.1
Selektion bei B- und T-Zellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44
3.2
Einfluss des Parameters AFFINITY_REACTION_THRESHOLD auf die negative Selektion der B-Zellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44
Einfluss des Parameters NUM_SELFSEQUENCES auf die negative Selektion der BZellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
3.4
Ablauf der Immunreaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
3.5
Ablauf der humoralen Immunreaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
3.6
Einfluss der Parameter in CTissue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
49
3.7
Einfluss der Parameter in CReactEnv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
51
3.3
vi
Tabellenverzeichnis
1.1
Anzahl Gensegmente zur Bildung eines Ig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
1.2
Anzahl Gensegmente zur Bildung eines TCR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
1.3
Übersicht über T-Zell-Rezeptoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
12
1.4
Einteilung der Immunantwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
2.1
Übersicht über nicht-abstrakte Simulatorklassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22
2.2
Reaktionen der Objekte in Gewebe und peripheren Lymphorganen . . . . . . . . . .
28
2.3
Übersicht Datensammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39
3.1
Vergleich zwischen Immunsystem und . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
42
Einfluss des Parameters AFFINITY_REACTION_THRESHOLD auf die negative Selektion der B-Zellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
Einfluss des Parameters NUM_SELFSEQUENCES auf die negative Selektion der BZellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
Einfluss des Parameters MHC_REACTION_THRESHOLD auf die negative Selektion
der T-Zellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
46
Einfluss von Parametern auf die Immunantwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50
3.2
3.3
3.4
3.5
vii
viii
Verzeichnis der Programmlistings
2.1
main()-Methode des Simulators
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
2.2
Somatische Hypermutation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
2.3
Mutation des BCR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36
ix
x
1 Grundlagen des Immunsystems
Dieses Kapitel beschäftigt sich mit den Grundlagen des menschlichen Immunsystems, soweit sie für
die angestrebte Modellierung notwendig sind. Es soll sich nicht um eine umfassende theoretische Abhandlung der biologischen und physiologischen Grundlagen handeln. Vielmehr werden an manchen
Stellen bewusst Details weggelassen. Im Anhang findet sich ein Glossar und ein Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen. Das Glossar ist mit Hilfe von Online-Lexika entstanden [Wik03] [Urb].
1.1
Bestandteile des Immunsystems
Das menschliche Immunsystem, Lymphorgane und Immunzellen zusammengenommen, wiegt insgesamt etwa 1 Kilogramm. Die Immunreaktion findet vorwiegend in den peripheren Lymphorganen und
im Blut statt. Die zentralen Lymphorgane spielen eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der für die
adaptive Immunantwort verantwortlichen Immunzellen, den Lymphozyten. Makrophagen und dendritische Zellen sind APC (antigen-präsentierende Zelle), die zur Aktivierung der T-Lymphozyten und
der B-Lymphozyten notwendig sind.
1.1.1
Lymphorgane
Die Lymphorgane enthalten große Mengen an Lymphozyten, die von nicht-lymphoiden Zellen umgeben sind. Die Interaktion zwischen beiden Zellarten ist essenziell für
die Entwicklung der Lymphozyten,
das Auslösen der adaptiven Immunantwort und
die Ernährung der Lymphozyten.
Man unterscheidet zentrale (primäre) und periphere (sekundäre) Lymphorgane.
In den zentralen Lymphorganen findet die Entwicklung der Lymphozyten statt. Sowohl die T-Zellen
als auch die B-Zellen entstehen im Knochenmark. Die B-Zellen erhielten ihren Namen, weil auch
ihre Reifung im Knochenmark (engl. bone marrow) stattfindet. Die T-Zellen wandern im unreifen
Zustand in den Thymus und reifen dort heran (daher auch ihr Name). Nach der Reifung gelangen die
Lymphozyten über das Blut in die peripheren Lymphorgane und werden als naive Zellen bezeichnet,
solange sie ihr spezifisches Ag (Antigen) noch nicht erkannt haben.
Die Immunreaktion findet hauptsächlich in den peripheren Lymphorganen statt. Reife Lymphozyten
patrouillieren ständig durch die Lymphgewebe. Makrophagen und dendritische Zellen tragen Ag von
Infektionsherden zu den peripheren Lymphorganen. Entsprechende B- und T-Zellen reagieren auf die
von Makrophagen und dendritischen Zellen präsentierten Ag. Während der Infektion sind Lymphozyten, die ihre spezifischen Ag erkennen, in den Lymphorganen gefangen, vermehren sich und werden
1
1 Grundlagen des Immunsystems
zu Effektorzellen. Die peripheren Lymphorgane sind nicht nur Ort der Immunreaktion, sie regulieren
auch die Anzahl der Lymphozyten im Organismus. Naive B- und T-Zellen erhalten in diesen Organen
Signale, die sie anregen, zu überleben und weiter zu zirkulieren. Die Struktur der peripheren Lymphorgane ist dynamisch, sie verändert sich in Abhängigkeit des Infektionsverlaufes. Die Lymphknoten
sind strukturierte Gewebe an den Gefäßschnittstellen, die die Lymphe (gefiltertes Blut) in das Blut
zurückführen. Afferente Lymphgefäße leiten Flüssigkeit aus dem Gewebe ab und tragen APC von
den infizierten Körperregionen zu den Lymphknoten. Efferente Lymphgefäße transportieren aktivierte
Lymphozyten zu den infizierten Stellen im Körper. Die Milz ist ein faustgroßes Organ hinter dem Magen, das Ag aufnimmt und alternde rote Blutzellen aus dem Blut beseitigt. Beim MALT (mucosaassoziiertes Gewebe) unterscheidet man die BALT (bronchienassoziiertes Gewebe) und die GALT (darmassoziiertes Gewebe), zu denen u. a. Rachenmandeln, Gaumenmandeln und Blinddarm gehören. Das
MALT enthält die gleiche Menge an Lymphozyten wie der Rest des Immunsystems. Abbildung 1.1
gibt eine Übersicht über die Lymphorgane. Dabei liegt der Einteilung die Funktion der Lymphorgane
zugrunde.
environment
(lymphoid organ)
Ab − Ag reaction
development
of lymphocytes
generation
of lymphocytes
Peyer’s patch
bone marrow
bone marrow
lymph nodes
thymus
appendix
spleen
tonsils
Abbildung 1.1: Einteilung der Lymphorgane nach ihrer Funktion
1.1.2
Antigenrezeptoren – Immunglobuline, B-Zell- und T-Zell-Rezeptoren
Es gibt drei Arten von Ag-Rezeptoren: Ig (Immunglobulin), BCR (B-Zell-Rezeptor) und TCR (TZell-Rezeptor). Ig sind die sezernierte Form des BCR, strukturell nahezu identisch mit diesem, bis
auf einen kleinen Teil in der konstanten Region. Der TCR der T-Zellen unterscheidet sich von beiden
sowohl strukturell als auch funktionell.
Immunglobuline und B-Zell-Rezeptoren
Der Aufbau von Ig und BCR ist im Wesentlichen identisch. In diesem Abschnitt werden deshalb die
Begriffe Ig, BCR und Ab (Antikörper) synonym verwendet. Ein Ig besitzt eine bewegliche Y-ähnliche
Struktur. Es besteht aus einer V-Region (variable Region), dem Teil, der für die spezifische Bindung
verantwortlich ist und einer C-Region (konstante Region), dem für die Effektorfunktion (siehe Abschnitt 2) verantwortlichen Teil. Die V-Region unterscheidet sich von Ig zu Ig, wogegen es bei der
C-Region nur fünf verschiedene Ausprägungen gibt. Der membrangebundene BCR verfügt nicht über
die Effektorfunktionen, da dessen C-Region in der Zellmembran verankert ist. Strukturell setzt sich ein
2
1.1 Bestandteile des Immunsystems
Ig aus vier Aminosäure-Ketten zusammen. Jeweils zwei davon sind identisch. Nach ihrem Molekülgewicht werden sie als leichte und schwere Ketten bezeichnet. Wie in Abbildung 1.2 zu sehen ist, bilden
jeweils eine schwere und eine leichte Kette zusammen einen Arm des Y. Am Ende des Armes (im Bild
oben) befinden sich die zwei identischen Ag-Erkennungsstellen. Jede Kette besteht wiederum aus einer C-Domäne (konstante Domäne) ( und ) und einer V-Domäne (variable Domäne) ( und
). Ig können mit Hilfe von Enzymen gespalten werden, sodass sich feststellen lässt, welcher Teil
des Ig welche Funktion erfüllt. Die beiden so gefundenen, funktionellen Teile Fab (antigenbindender
Teil) und Fc (kristallisierbarer Teil) eines Ig sind in Abbildung 1.3 zu sehen.
VL VH
VH VL
CL
CL
CH CH
Abbildung 1.2: Struktur eines Immunglobulins
Fab
Fab
Fc
Abbildung 1.3: Funktionelle Regionen eines Immunglobulins
Spaltung mit Hilfe von Proteasen
Es gibt eine immense Vielfalt von Ig. Der Mensch besitzt zu jedem Zeitpunkt mindestens Lymphozyten unterschiedlicher Spezifität [JTWS01]. Die Information zur Herstellung von Proteinen liegt
in der DNA (Desoxyribonukleinsäure). Mit Hilfe der RNA (Ribonukleinsäure) als Übersetzer erfolgt
die Übertragung der Information auf die Proteine. Normalerweise wird die DNA-Sequenz bijektiv auf
eine RNA-Sequenz abgebildet und von dieser erfolgt wiederum eine injektive Abbildung auf die Aminosäuresequenz der Proteine. Wenn man annimmt, dass dies für die Bildung der Ig ebenso der Fall
ist, wären für die Kodierung aller Rezeptorvarianten mehr Gene nötig als im Genom vorhanden sind.
Hier muss es also einen anderen Mechanismus geben: Der Rezeptor ist auf der DNA nicht als zusammenhängender Teilstrang, sondern in Stücken kodiert. Diese werden dann durch Genumlagerungen
während der Reifung der Zelle zu einem Ganzen zusammengebaut; und zwar werden die beteiligten Gensegmente zufällig ausgewählt. So ergibt sich das riesige Ig-Repertoire, das beim Menschen
verschiedene Ig umfasst. Es gibt vier Gensegmente, in denen die Information zur Synthese der
Rezeptoren kodiert ist:
3
1 Grundlagen des Immunsystems
V-Gensegmente (engl. variable)
D-Gensegmente (engl. diversity)
J-Gensegmente (engl. joining)
C-Gensegmente (engl. constant)
Das C-Gensegment spielt keine Rolle bei der Kodierung des Ag-bindenden Teiles des Rezeptors, es
kodiert die Effektorfunktion des Ig. In Tabelle 1.1 (nach [JTWS01]) ist angegeben, wie viele Gensegmente es von jedem Typ für die verschiedenen Ketten gibt.
Typ
V
D
J
leichte Kette
70
0
9
schwere Kette
65
27
6
Tabelle 1.1: Anzahl Gensegmente zur Bildung eines Ig
Während der Entwicklung der Ab-produzierenden Zelle bildet sich ein V-D-J-C Gen, das die schwere
Kette eines speziellen Ig kodiert (siehe Abbildung 1.4). Für die schwere Kette gibt es somit verschiedene Kombinationen. Zur Bildung der leichten Kette wird ein V-J-C Gen benötigt, für
das es etwa verschiedene Möglichkeiten gibt 1 . Dies ist in Abbildung 1.5 veranschaulicht.
V Segment
65
gene segments
2
1
heavy chain
(polypeptide)
95 amino acids
3
3
J Segment
2
D Segment
1
segment r
transcription
6
27
3
V Segment
D Segment
J Segment
segment t
transcription
2
1
segment s
transcription
10−15 amino acids
5 amino acids
Abbildung 1.4: Entstehung der Vielfalt der schweren Ig-Kette
Enzyme können die Vielfalt zusätzlich erhöhen, indem sie während des Prozesses der Genumlagerung
Basenpaare in die Verbindungsstellen zwischen den Gensegmenten einfügen oder dort auch löschen.
Zusammenfassend gibt es vier Mechanismen zur Erzeugung der Ig-Vielfalt:
1. kombinatorische Diversität : Gensegmente werden zufällig zu einem Gen zusammengesetzt.
2. junktionale Vielfalt : Während der Genumlagerung können Enzyme an den Verknüpfungsstellen
der Gensegmente Basenpaare hinzufügen oder entfernen.
3. Kombination von schweren und leichten Ketten erhöht die Vielfalt.
4. somatische Hypermutation in reifen B-Zellen: siehe Abschnitt 1.1.3.
1
4
Bei der Berechnung muss man beachten, dass es bei der leichten Kette , , und Gensegmente gibt und nur die
Gensegmente mit dem gleichen Index zu einem Gen zusammengelagert werden können.
1.1 Bestandteile des Immunsystems
V Segment
70
gene segments
J Segment
9
3
V Segment
2
1
3
J Segment
segment k
transcription
light chain
(polypeptide)
2
1
segment l
transcription
13 amino acids
95−101 amino acids
Abbildung 1.5: Entstehung der Vielfalt der leichten Ig-Kette
Unter Vernachlässigung
eine Zahl von
der Effekte der somatischen Hypermutation, ergibt sich bereits
möglichen Ig-Spezifitäten. Dabei ist der Wert für die junktionale
Vielfalt ein geschätzter Wert aus [JTWS01].
T-Zell-Rezeptor
Die Ag-erkennenden Moleküle auf den T-Zellen (TCR) existieren nur membrangebunden. Der TCR
erkennt ein Ag nicht direkt. Er kann nur an MHC (Haupthistokompatibilitätskomplex)-Moleküle gebundene, kurze Peptidfragmente von Ag erkennen. Strukturell ähnelt der TCR einem membrangebundenen Fab (siehe Abschnitt 1.1.2). Der Aufbau ist in Abbildung 1.6 zu sehen. Der TCR besteht aus
einer - und einer -Kette,2 die sich wiederum jeweils aus einer konstanten und einer variablen Region ( und bzw. und ) zusammensetzen. Im Gegensatz zum BCR besitzt der TCR nur eine
Ag-Bindungsstelle.
α− chain β− chain
Vα Vβ
Cα Cβ
T cell membrane
Abbildung 1.6: Struktur eines TCR
Typ
V
D
J
Kette
70
0
61
Kette
52
2
13
Tabelle 1.2: Anzahl Gensegmente zur Bildung eines TCR
Die Vielfalt des TCR entsteht im Wesentlichen durch die gleichen Mechanismen, die beim BCR
beschrieben worden sind. In Abbildung 1.7 ist zu sehen, dass die variable Region der -Kette durch
2
Es gibt auch TCR, die aus einer - und einer -Kette bestehen, allerdings ist deren Funktion weitgehend ungeklärt.
5
1 Grundlagen des Immunsystems
V und J Gensegmente kodiert wird. Die -Kette entsteht aus einem V-D-J Gen (siehe Abbildung 1.8).
Es existieren nur ein Gen und zwei homologe Gene für die jeweiligen konstanten Regionen,
damit unterscheiden sich TCR also nicht in ihrer Effektorfunktion. Tabelle 1.2 liefert eine Übersicht
über die Anzahl der Gensegmente, die den variablen Teil des TCR kodieren.
V Segment
J Segment
70
gene segments
3
V Segment
J Segment
2
1
segment k
61
3
2
1
segment l
transcription
transcription
alpha chain
(polypeptide)
Abbildung 1.7: Entstehung der Vielfalt der -TCR-Kette
V Segment
J Segment
52
13
gene segments
3
3
D Segment
2
1
J Segment
V Segment
2
2
1
1
segment r
transcription
segment s
transcription
segment t
transcription
beta chain
(polypeptide)
Abbildung 1.8: Entstehung der Vielfalt der -TCR-Kette
Für die kombinatorische Vielfalt der -Kette ergibt sich ein Wert von , für die der
-Kette ein Wert von . Mit einer angenommenen junktionalen Vielfalt von [JTWS01] ergeben sich ca. verschiedene TCR-Spezifitäten.
Immunglobulinklassen
In Abschnitt 1.1.2 auf Seite 2 wurde der Mechanismus der Genumlagerung von V, D und J Gensegmenten besprochen, die die Spezifität des Ig (konkrete Realisierung der V-Domäne) bestimmen. Des
Weiteren gibt es fünf verschiedene C Gensegmente, über die die Effektorfunktion des Ig festgelegt
wird. Somit existieren fünf Ig-Isotypen: IgM, IgD, IgG, IgE und IgA, von denen es teilweise Unterarten gibt 3 . Strukturell unterscheiden sich diese Isotypen in der C-Region, z. B. besitzen IgE und
IgM keine Gelenkregion, dafür aber eine zusätzliche Domäne der schweren Kette. Es gibt weiterhin
Unterschiede in Anzahl und Anordnung von Disulfidbrücken und in der Verteilung von KohlenhydratSeitenketten. Im Wesentlichen werden drei verschiedene Effektorfunktionen unterschieden:
3
6
Dies sind IgG mit IgG1 bis IgG4 sowie IgA mit IgA1 und IgA2.
1.1 Bestandteile des Immunsystems
Fc-Bereiche werden von speziellen Rezeptoren auf Immuneffektorzellen erkannt.
ne Ag werden z.B. in die Zelle aufgenommen.
Gebunde-
Fc-Bereiche können an Komplementproteine binden und eine Komplementkaskade auslösen.
Fc-Anteil kann Ab in Bereiche befördern, zu denen sie nur mit aktivem Transportmechanismus
gelangen können (Tränen, Milch, fetaler Blutkreislauf). Dies geschieht, indem der Fc-Anteil
einen Rezeptor aktiviert, der den Transport steuert.
Jede der fünf Ig-Klassen besitzt alle drei Effektorfunktionen in unterschiedlichem Maße.
Ag-Ab-Bindung
Ab erkennen nicht das gesamte Ag sondern nur kleine Regionen auf deren Oberfläche, die so genannten Antigendeterminanten oder Epitope. Dies können Polypeptidketten oder Polysaccharide sein.
Dabei können die Aminosäuren, die das Ag erkennt, in der Primärstruktur des Ag-Proteins nebeneinander liegen (kontinuierliche Epitope). Diskontinuierliche Epitope sind durch bindende Aminosäuren
gekennzeichnet, die sich in der dreidimensionalen (Tertiär-)Struktur der Proteine nebeneinander befinden, in der Primärstruktur (der Aminosäuresequenz) jedoch entfernt voneinander liegen. Die AgAb-Bindung ist die Summe von folgenden chemischen Wechselwirkungen:
elektrostatische Kräfte: Dipol-Dipol-Wechselwirkung
Wasserstoffbrückenbindungen zwischen elektronegativen Elementen
van-der-Waals-Wechselwirkungen
hydrophobe (wasserabweisende) Gruppen ziehen sich zusammen
Die aufgezählten Wechselwirkungen sind keine chemischen Bindungen im eigentlichen Sinne (keine
kovalenten Bindungen), sie sind reversibel und besitzen in der Einzelwirkung keine starken Anziehungskräfte. Die Stärke der Ag-Ab-Bindung lässt sich nicht eindeutig berechnen und beruht neben
den Einzelbindungen noch auf anderen äußeren Faktoren, wie z. B. dem pH-Wert.
1.1.3
Zellen des Immunsystems
Abbildung 1.9 gibt eine Übersicht über die Blutzellen. Die roten Blutzellen (Erythrozyten) sind für
den Sauerstofftransport im Blut verantwortlich. Die Blutplättchen spielen eine wichtige Rolle bei der
Blutgerinnung, z.B. an verletzten Hautstellen. Im Weiteren interessant sind vor allem die weißen Blutzellen (Leukozyten), die ein wesentlicher Bestandteil des Immunsystems sind.
B-Zellen
Die B-Zellen 4 , eine Unterart der Lymphozyten, sind für die humorale Immunantwort verantwortlich.
Ihr Aufbau ist schematisch in Abbildung 1.10 zu sehen. Der BCR wurde in Abschnitt 1.1.2 näher
beschrieben. Da es sich bei B-Zellen um APC handelt, ist auf der Oberfläche das MHC-Molekül
4
Die hier als B-Zellen bezeichneten Zellen sind genau genommen eine Unterart der B-Zellen, nämlich B-2-Zellen [JTWS01].
7
1 Grundlagen des Immunsystems
solid blood phase
erythrocyte
leukocyte
platelet
granulocyte
eosinophile
basophile
agranulocyte
B cell
B plasma
NK cell
B memory
naive B
monocyte
lymphocyte
neutrophile
T killer
T cell
T supressor
T memory
T helper
Abbildung 1.9: Zellen des Blutes
ausgeprägt. Der CD40-Rezeptor kann costimulierende Signale von T-Helferzellen erkennen, die die
B-Zelle zur Reifung anregen.
BCR
CD40
MHC II
B
Abbildung 1.10: Aufbau einer B-Zelle
Die Entwicklung der B-Zellen findet im Knochenmark statt. Über viele Zwischenstadien entwickelt
sich aus einer Stammzelle eine unreife B-Zelle, die dadurch gekennzeichnet ist, dass die Genumlagerungen für die Rezeptorgene abgeschlossen sind und bereits ein spezifischer BCR auf der Oberfläche
vorhanden ist. Durch den Prozess der negativen Selektion werden unreife B-Zellen, die an Selbst-Ag
binden – so genannte autoreaktive Zellen – für den Organismus unschädlich gemacht. Dies geschieht
durch einen der folgenden vier Mechanismen:
klonale Deletion : Apoptose der autoreaktiven Zelle.
Rezeptor-Editing : Die autoreaktive Zelle bildet durch Umlagerung der Rezeptorgene einen neuen (nicht-autoreaktiven) Rezeptor.
Anergie : Deaktivierung der autoreaktiven Zelle, d.h. sie kann lange Zeit nicht auf Ag reagieren.
8
1.1 Bestandteile des Immunsystems
immunologische Ignoranz : Das Ag wird lebenslänglich ignoriert. Dies tritt ein, falls das SelbstAg nur schwach bindet; die Zelle reift trotz leichter Autoreaktivität heran. Es wird angenommen, dass es sich bei diesem Vorgang um einen Balanceakt des Immunsystems handelt, das
gezwungen ist, eine Vielzahl von Pathogenen zu erkennen (Rezeptorvielfalt erhalten) und Autoreaktivität verhindern muss, um den Organismus zu schützen. Diese so gereiften Zellen werden im naiven Stadium durch andere Mechanismen in Schach gehalten, z.B. durch ausbleibende
costimulierende Signale.
Die wesentlichste Funktion der B-Zellen ist die Sekretion von Ab derselben Spezifität wie der BCR.
Sie sind damit für die humorale Immunantwort verantwortlich. Eine reife B-Zelle patrouilliert durch
die peripheren Lymphorgane und wird naive B-Zelle genannt, bis sie ihr spezifisches Ag gebunden
hat. Hat ein Rezeptor sein spezifisches Ag erkannt, nimmt die B-Zelle das gebundene Ag auf und
präsentiert es an ihrer Oberfläche mit Hilfe von MHC. Nach Aktivierung der B-Zelle, d.h. nach Erhalt
des costimulierenden Signals von T-Helferzellen am CD40-Rezeptor, vervielfältigt sich die Zelle und
reift zu B-Lymphoblasten (auch Plasmazellen genannt) heran, die in großen Mengen Ig ausschütten.
Diesen Vorgang der Auswahl und Reifung bezeichnet man als klonale Expansion, da eine spezifische
B-Zelle durch das Ag ausgewählt und vervielfältigt wird. Der Begriff der klonalen Expansion gehört
zur Theorie der klonalen Selektion von Frank Macfarlane B URNET, der folgende vier Grundforderungen postulierte:
1. Jeder Lymphozyt besitzt einen einzigartigen Rezeptortyp.
2. Eine Bindung zwischen Rezeptor und entsprechendem Molekül mit hoher Affinität aktiviert den
Lymphozyten.
3. Von aktivierten Lymphozyten abstammende Effektorzellen besitzen die gleiche Spezifität.
4. Autoreaktive Lymphozyten werden bereits während der Entwicklung beseitigt.
Eine Spezialität der B-Zellen ist die so genannte somatische Hypermutation, die während des Prozesses der klonalen Selektion abläuft und zu einer Affinitätsreifung führt: Die Gene für die V-Region des
Rezeptors mutieren in den Klonen überdurchschnittlich oft (Punkt-Mutationen). Einige dieser mutierten BCR binden besser an das auslösende Ag, diese Klone werden selektiert und reifen heran. Diese
Selektion wird durch T-Zellen gesteuert. Niedrigaffine BCR sind nicht in der Lage, sich querzuvernetzen, können somit den CD40-Rezeptor nicht ausprägen und erhalten kein costimulierendes Signal.
Sie sterben durch Apoptose. Die somatische Hypermutaion ist in Abbildung 1.11 dargestellt. Durch
diesen Prozess werden Ig ausgeschüttet, die das Ag besser erkennen können und die Immunreaktion
beschleunigen. Einige dieser Zellen werden zu langlebigen Gedächtniszellen, die den Organismus gegen diesen Erreger immunisieren. Abbildung 1.12 stellt eine Zusammenfassung über die Entwicklung
und Funktion der B-Zellen dar.
Ein Problem besteht darin, dass einige autoreaktive Zellen zur Reife gelangen. Dies kann z. B. der Fall
sein, wenn das Selbst-Ag im Knochenmark nicht vorkommt oder – wie oben beschrieben – wenn nur
eine schwache Bindung zwischen Selbst-Ag und BCR während der Entwicklung ausgeprägt wurde.
Eine Möglichkeit, die Immunreaktion zu unterbinden, ist das Unterbleiben costimulierender Signale von den T-Helferzellen. Des Weiteren hat man beobachtet, dass B-Zellen anerg werden, wenn sie
chronisch einem löslichen Ag ausgesetzt werden. Die Mechanismen dafür sind noch nicht geklärt,
allerdings wird dieses Verhalten u. a. bereits bei der so genannten Hypersensibilisierung von Heuschnupfenpatienten benutzt.
9
Clone 1
B
B
Clone 2
...
CD40L
B
CD40
T
B7
active B cell
CD28
CD40
B
CD40L
T
B7
CD28
1 Grundlagen des Immunsystems
Clone n
Abbildung 1.11: somatische Hypermutation
randomly created
immature
negative selection
during maturation
is autoimmune?
yes
no
naive
yes
is lifetime expired?
no
no
has detected Ag?
yes
presenting Ag−MHC
is costimulated?
no
yes
somatic
hypermutation
active
prob
memory
death
Abbildung 1.12: Übersicht über den Lebenszyklus einer B-Zelle
10
1.1 Bestandteile des Immunsystems
T-Zellen
Bedingt durch den Aufbau ihrer Rezeptoren sind T-Zellen lediglich in der Lage, Peptid:MHC Komplexe zu erkennen. Es gibt zwei Arten des MHC-Moleküls, die auf unterschiedlichen Zelltypen ausgeprägt werden:
MHC-I : Moleküle der Klasse I präsentieren virale Polypeptide. MHC-I findet man auf kernhaltigen Zellen, da diese bevorzugt von Viren befallen werden (sie benötigen die Organellen für
ihre Fortpflanzung). MHC-I befördert virale Polypeptide aus dem Zytoplasma an die Oberfläche
und präsentiert sie dort zytotoxischen Zellen.
MHC-II : Diese Moleküle dienen zur Aktivierung anderer Effektorzellen. Man findet sie deshalb auf B-Zellen, Makrophagen und dendritischen Zellen. MHC-II ist in der Lage, Peptidketten aus den Lysosomen (verdaute Bakterienproteine) aufzunehmen und auf der Oberfläche zu
präsentieren. Dadurch werden einige T-Zellen veranlasst, die APC zur Abwehr der Erreger zu
stimulieren.
In Abbildung 1.13 erkennt man den TCR und einen Corezeptor (hier CD4). Die CD4-T-Zellen (auch
T4-Zellen) sind in der Lage, MHC-II:Peptid Komplexe zu erkennen. Die Effektorfunktion dieser
Zellen besteht in der Aktivierung der Abwehrfunktion anderer Zellen, deshalb werden sie auch THelferzellen genannt. Ist auf der Zelloberfläche statt des CD4-Rezeptors CD8 ausgeprägt, handelt es
sich um eine MHC-I erkennende CD8-T-Zelle (auch T8-Zelle). CD8-T-Zellen sind so genannte zytotoxische oder T-Killerzellen, die bei Aktivierung die befallenen Zellen zur Selbstzerstörung anregen.
Die Aktivierung geschieht bei B-Zellen über den CD40L (CD40-Ligand) der T-Zellen, der in der Lage
ist, an den CD40-Rezeptor der B-Zellen zu binden. Des Weiteren gibt es T-Supressorzellen. Da diese
Zellen noch nicht weiter erforscht sind, soll hier nicht darauf eingegangen werden. Tabelle 1.3 gibt
eine Übersicht über den Zusammenhang Corezeptor, MHC-Klasse und Name der Zellunterart.
CD4
TCR
CD40L
T
Abbildung 1.13: Aufbau einer T-Zelle
T-Zellen entstehen wie die B-Zellen im Knochenmark, wandern aber im unreifen Stadium in den
Thymus, wo ihre Entwicklung stattfindet. Auch die T-Zellen unterliegen wie die B-Zellen Selektionsmechanismen. Autoreaktive T-Zellen müssen aussortiert werden, ebenso wie T-Zellen, die nicht in
der Lage sind, MHC zu binden. Die Epithelzellen des Thymus besitzen auf ihrer Oberfläche MHCMoleküle beider Klassen. Die positive Selektion lässt diejenigen Zellen überleben, die diese Moleküle erkennen und gleichzeitig wird der Phänotyp der Zelle (Ausprägung des Oberflächenproteins CD4
11
1 Grundlagen des Immunsystems
Rezeptorprotein
MHC-Klasse
Art der Polypeptide
Herkunft der Polypeptide
Bezeichnung
CD4
CD8
MHC-II
viral
Zytoplasma
T-Helferzelle
CD4-T-Zelle
T4-Zelle
MHC-I
bakteriell
Lysosome
T-Killerzelle
CD8-T-Zelle
T8-Zelle
Tabelle 1.3: Übersicht über T-Zell-Rezeptoren
oder CD8) festgelegt. Durch dendritische Zellen und Makrophagen werden Selbst-Peptid:Selbst-MHC
Komplexe präsentiert und autoreaktive, unreife Zellen sterben (negative Selektion ).
Die Aufgabe der T-Zellen besteht in der Regulierung der zellulären Immunantwort. Dies geschieht
durch die unterschiedlichen Reaktionen der T-Zell-Unterarten auf APC: Wenn T-Zellen auf B-Zellen
MHC-II:Ag Komplexe erkennen, regen sie diese zur Ig-Produktion an. T-Zellen, die MHC-II:Ag Komplexe auf Makrophagen binden können, regen diese zur Verdauung der Krankheitserreger in den Vesikeln an. Dies geschieht allerdings nur, falls die befallene Makrophage das Oberflächenmolekül B7
ausbildet, das sich an den CD28-Rezeptor der T-Zelle binden kann (costimulierendes Signal). CD8Zellen führen bei Aktivierung zur Zerstörung der befallenen Zelle. Auch hier findet der Prozess der
klonalen Selektion statt. Einige der aktivierten T-Zellen differenzieren zu Gedächtniszellen, sodass
die Reaktion auf eine zweite Infektion mit demselben Erreger schneller und für den Menschen meistens unbemerkt verläuft. In Abbildung 1.14 ist eine Übersicht über den Lebenszyklus einer T-Zelle
zu sehen.
randomly created
immature
positive and negative selection
during maturation
is autoimmune?
yes
no
is able to bind MHC?
no
yes
naive
is lifetime expired?
yes
no
no
has detected Ag−MHC complex?
yes
is costimulated?
no
yes
active
prob
memory
death
Abbildung 1.14: Übersicht über den Lebenszyklus einer T-Zelle
12
1.1 Bestandteile des Immunsystems
Makrophagen
Makrophagen sind große, einkernige, phagozytierende Zellen, die aus Monozyten entstehen, wenn
diese aus dem Blut ins Gewebe wandern. Sie sind in der Lage, unspezifisch Pathogene zu erkennen
und zu vernichten, indem sie diese phagozytieren. Die Phagozytose verläuft in vier Schritten, die in
Abbildung 1.15 dargestellt sind:
(a) Das Pathogen wird durch die Membran der phagozytierende Zelle umflossen.
(b) Es wird ein als Phagosom bezeichnetes Vesikel gebildet, in dem das Pathogen eingeschlossen
ist.
(c) In der Zelle fusioniert das Phagosom mit einem oder mehreren Lysosomen, die Enzyme enthalten.
(d) In diesem so genannten Phagolysosom wird der Krankheitserreger enzymatisch gespalten.
Nucleus
Phagolysosom
Ag
M
M
Lysosom
(a) Makrophage umfließt Ag
Phagolysosom
Phagosom
M
M
(c) Verschmelzen von
Phagosom und Lysosom
(d) Ag-Partikel in Lysosom
Lysosom
(b) Aufnahme Ag
Abbildung 1.15: Ablauf der Phagozytose
Eine weitere Aufgabe der Makrophagen ist das Auslösen der adaptiven Immunantwort. Dies geschieht
einerseits durch die Präsentation von MHC:Peptid Komplexen und andererseits durch die Ausschüttung von Botenstoffen, so genannten Lymphokinen.
Granulozyten
Wie in Abbildung 1.9 zu sehen ist, handelt es sich bei den Granulozyten ebenfalls um Leukozyten.
Ihren Namen haben sie von dem im Zytoplasma vorhandenen Granula. Granulozyten sind relativ
kurzlebig, bei einer Infektion verlassen sie das Blut und wandern zu den Infektionsherden. Dort wirken
sie unter anderem bei der Phagozytose von Bakterien und bei der Vernichtung von Parasiten mit. Man
unterscheidet drei Arten dieser Zellen, die nach ihrer Färbbarkeit benannt sind:
eosinophile Granulozyten: mit Eosin (rot) färbbar.
neutrophile Granulozyten: mit neutralen (pH-Wert
) Farbstoffen färbbar.
basophile Granulozyten: färbbar mit basischen (pH-Wert
) Farbstoffen.
13
1 Grundlagen des Immunsystems
Natürliche Killerzellen
NK-Zellen (natürliche Killerzellen) bilden zusammen mit den B- und T-Zellen die Lymphozyten. Sie
sind in der Lage, infizierte Zellen und Tumorzellen zu erkennen und zu vernichten. Sie spielen eine
wichtige Rolle bei der so genannten ADCC (antikörperabhängige zellvermittelte Zytotoxizität), der
Vernichtung von Zellen, die mit Ab markiert sind. Sie besitzen Rezeptoren, die an den Fac-Bereich
der Ig binden können.
Dendritische Zellen
Dendritische Zellen sind langlebige APC, die sich im naiven Zustand im peripheren Gewebe aufhalten.
Sie sind zum einen in der Lage, Bakterien anhand typischer Oberflächenmerkmale zu erkennen und
zu phagozytieren. Zum anderen nehmen sie ständig mit einem rezeptorunabhängigen Mechanismus,
der Makropinozytose, extrazelluläres Material auf. Werden sie durch die Aufnahme von Ag aktiviert,
wandern sie zu den peripheren Lymphorganen und lösen dort die adaptive Immunreaktion aus, indem
sie T-Zellen aktivieren. Ihren Namen erhielten sie durch ihr Aussehen, da ihre langen Fortsätze an die
Dendriten von Neuronen erinnern.
1.1.4
Das Komplementsystem
Unter dem Komplementsystem versteht man eine Sammlung von Plasmaproteinen, die unter gegenseitiger Wechselwirkung unspezifisch extrazelluläre Pathogene angreifen. Es gibt drei Möglichkeiten,
das Komplementsystem zu aktivieren:
spontan (direkte Bindung an Pathogen)
durch Ag:Ab Komplex
über an die Bakterienoberfläche gebundenes Lektin
Da die Komplementreaktion in vielen aufeinander aufbauenden Teilreaktionen verläuft, spricht man
von Komplementkaskaden. In der Kaskade sind mehrere Kontrollmechanismen vorhanden (bedingte
Aktivierungen), sodass ein Angriff auf körpereigene Stoffe verhindert wird. Eine Aktivierung des
Komplements kann drei verschiedene Folgen haben:
Opsonierung von Krankheitserregern: Anlagern von Plasmabestandteilen an das Pathogen, um
dessen Phagozytose zu vereinfachen.
Chemoattraktion : Es werden weitere Phagozyten zum Infektionsherd gelockt.
Das Pathogen wird zerstört, indem Poren in der Zellwand erzeugt werden.
1.1.5
Zytokine
Zytokine sind Proteine, die von Zellen aufgrund einer Aktivierung gebildet werden. Sie beeinflussen
das Verhalten anderer Zellen mit entsprechenden Rezeptoren. Dabei kann sich ihre Wirkung unterschiedlich weit erstrecken:
autokrine Wirkung: Die ausschüttende Zelle beeinflusst nur sich selbst.
14
1.2 Immunreaktion
parakrine Wirkung: Benachbarte Zellen werden im Verhalten beeinflusst.
endokrine Wirkung: Das Verhalten entfernt liegender Zellen wird beeinflusst.
Man unterscheidet mehrere Unterarten der Zytokine. Von Lymphozyten ausgeschüttete Zytokine
werden Lymphokine oder Interleukine genannt. Zytotoxische Zellen bilden Zytotoxine, die zur Vernichtung der Zielzelle führen. Chemokine sind Zytokine mit Chemoattraktor-Wirkung; sie steuern die
Wanderung von Immunzellen zum Entzündungsherd.
Diese Botenstoffe können aktivierende, aber auch hemmende Wirkung haben. Zur Zeit sind mehrere
Tausend dieser Proteine bekannt [Ibe03]. Einige Beispiele sind nachfolgend aufgeführt:
Co-Stimulierung von T-Zellen
B7.1
Aktivierung von B-Zellen, Induzierung des Ig-Klassenwechsels
Apoptose der Zielzelle
CD40L
FasL (Fas-Ligand)
Chemoattraktion von CD4-T-Zellen, Monozyten, eosinophilen Zellen
Inhibitor von Makrophagenfunktionen
1.2
IL-16
IL-10
Immunreaktion
Im Weiteren soll die Bedeutung der im Abschnitt 1.1 erläuterten Bestandteile des Immunsystems im
Gesamtprozess der Immunreaktion beschrieben werden.
1.2.1
Einteilung der Immunreaktion
Man unterscheidet zwischen angeborenem und adaptivem Immunsystem; es handelt sich hierbei jedoch nicht um zwei vollständig getrennte Systeme. Vielmehr gibt es eine Reihe von Wechselwirkungen, die in Abbildung 1.16 verdeutlicht sind. Des Weiteren unterscheidet man zwischen spezifischen
und unspezifischen Erkennungsprozessen sowie humoraler und zellulärer Immunantwort. Unspezifische Erkennungsprozesse findet man im angeborenen Immunsystem z. B. bei den Makrophagen und
den Komplementproteinen. Ihre keimbahnkodierten Rezeptoren sind in der Lage, allgemeine Merkmale von Pathogenen zu erkennen. Auf den Zellen des adaptiven Immunsystems findet man spezifische
Rezeptoren, die nicht direkt im Genom kodiert sind. Die B-Zellen steuern die humorale Immunantwort, indem sie Ig sezernieren, die sich frei in Blut und Lymphe bewegen können (humor lat. flüssig).
Die zelluläre Immunität wird durch die T-Zellen vermittelt, die in der Lage sind, infizierte Zellen
zu erkennen und zu vernichten. Eine Übersicht über die Einteilung und die beteiligten Zellarten gibt
Tabelle 1.4.
spezifisch
unspezifisch
zellulär
T-Zellen
Makrophagen,
NK-Zellen,
neutrophile Zellen
humoral
von B-Zellen produzierte Ab
Komplement
Tabelle 1.4: Einteilung der Immunantwort
15
1 Grundlagen des Immunsystems
elimination
innate
immunity
information
adaptive
immunity
elimination
(a) Angeborenes Immunsystem erkennt Erreger, kann sie aber
nicht allein beseitigen.
no detection
innate
immunity
detection
adaptive
immunity
marking
elemination
(b) Erreger sind für angeborenes Immunsystem nicht erkennbar.
Abbildung 1.16: Beziehung zwischen angeborenem und adaptivem Immunsystem
16
1.2 Immunreaktion
1.2.2
Ablauf der angeborenen Immunreaktion
Nur selten führen Mikroorganismen, denen der Mensch ständig ausgesetzt ist, zu erkennbaren Krankheiten. In den meisten Fällen kann das angeborene Immunsystem die Erreger vernichten, bevor sie
sich im Körper ausbreiten und vermehren können. Die adaptive Immunreaktion kommt dann in Gang,
wenn die angeborenen Mechanismen nicht in der Lage sind, die Erreger zu erkennen oder diese zu
zahlreich sind. Das angeborene Immunsystem kann die Erreger bis zu 96 Stunden in Schach halten, also die Zeit überbrücken, die für das Auslösen der adaptiven Immunantwort benötigt wird. Die
Rezeptoren der angeborenen Immunität sind keimbahnkodiert und deswegen nicht in der Vielfalt vorhanden wie die der adaptiven Immunität. Allerdings können sie allgemeine Merkmale, wie z. B. oft
vorkommende Hüllproteine von Bakterien erkennen.
Die ersten Zellen, die eingedrungene Pathogene angreifen, sind die großen Fresszellen – die Makrophagen. Diese halten sich kontinuierlich im Gewebe auf und sind deshalb immer als erste am
Ort einer Infektion. Sie sind in der Lage, Bakterien an allgemeinen Merkmalen zu erkennen und zu
phagozytieren. Dabei setzen sie Zytokine und Chemokine frei (siehe Abbildung 1.17).
B
M
M
B
M
B
Cytokines
Chemokines
Bacterium
(a) Erkennung von Pathogenen
(b) Verdauung im Phagolysosom
(c) Präsentation von Peptiden
und Ausschüttung von Botenstoffen
Abbildung 1.17: Makrophagen erkennen und vernichten Pathogene und präsentieren Peptide
Auch die Komplementproteine können Pathogene erkennen, an ihre Oberfläche binden und die Komplementkaskade auslösen. Dies kann erstens zur Verstärkung der Phagozytose durch Opsonierung
führen, zweitens können weitere Phagozyten angelockt werden und drittens können einige Bakterien
direkt durch das Komplement zerstört werden. Entweder durch das aktivierte Komplement oder durch
die Botenstoffe der Makrophagen wird eine Entzündung ausgelöst. Dies äußert sich durch Wärme,
Schmerz, Rötung und Schwellung – Symptome, die allesamt auf die Wirkung der Zytokine auf die
Blutgefäße zurückgeführt werden können:
Erweiterung der Blutgefäße führt zu erhöhter Durchlässigkeit.
Die Fließgeschwindigkeit des Blutes wird verringert; Lymphozyten haben mehr Zeit, sich ans
Endothel zu heften.
Die Adhäsionskraft des Gefäßwandendothels wird erhöht, indem Moleküle gebildet werden, die
Leukozyten binden können.
Dadurch können sich patrouillierende Leukozyten an das Endothel heften und in das infizierte Gewebe
17
1 Grundlagen des Immunsystems
einwandern. Die ersten so angelockten weißen Blutzellen sind die neutrophilen Granulozyten, die
im Blut aber nicht in gesundem Gewebe vorkommen. Neutrophile Zellen gehören ebenfalls zu den
Phagozyten und können Pathogene zum einen direkt und zum anderen über das Komplement erkennen
(siehe Abbildung 1.18).
N
N
Bacterium
(a) direkt
complement protein
Bacterium
(b) über Komplement
Abbildung 1.18: Neutrophile Zellen erkennen und vernichten Pathogene
Auf dieselbe Art und Weise werden Monozyten aus dem Blut angelockt, die bei Eintritt in das Gewebe zu Makrophagen differenzieren. Die auch als Entzündungszellen bezeichneten Makrophagen und
neutrophilen Zellen setzen außerdem weitere, für Mikroorganismen toxische Stoffe frei (u. a. Wasser
stoffperoxid , Stickstoffoxid ).
1.2.3
Ablauf der adaptiven Immunreaktion
In manchen Fällen gelingt es Pathogenen, das angeborene Immunsystem zu überwinden:
Viren besitzen keine unveränderlichen Moleküle, die über unspezifische Rezeptoren erkannt
werden können.
Bakterien und Viren können Kapseln bilden und sind so für das angeborene Immunsystem nicht
erkennbar.
Einige Pathogene sind in der Lage, innerhalb der Phagosome in Makrophagen zu wachsen.
Um diese Pathogene dennoch unschädlich machen zu können, werden aufgenommene Ag durch APC
an der Oberfläche präsentiert. Durch Entzündungsvorgänge wird die Fließgeschwindigkeit der Lymphe erhöht und Ag sowie APC schnell zu den lymphatischen Geweben transportiert, wo sie die B- und
T-Zellen aktivieren und somit die adaptive Immunantwort auslösen können.
Die zelluläre Immunreaktion
Dendritische Zellen nehmen im infizierten Gewebe durch Makropinozytose oder Phagozytose Pathogene auf und wandern aktiviert zum nächsten Lymphknoten. Zur Aktivierung von T-Zellen sind zwei
Signale nötig, zum einen die Bindung an einen MHC:Peptid Komplex und zum anderen die Bindung
18
1.2 Immunreaktion
von B7 an den CD28-Rezeptor als costimulierendes Signal. Die Möglichkeiten zur Aktivierung der
T-Zellen sind in Abbildung 1.19 veranschaulicht.
B
M
D
B7
CD28
CD28
T
(a) durch B-Zellen
B7
B7
CD28
T
(b) durch dendritische
Zellen
T
(c) durch Makrophagen
Abbildung 1.19: T-Zellen können durch unterschiedliche APC aktiviert werden
Aktivierte CD4-T-Zellen (Killerzellen) exprimieren FasL, der an den Fas-Rezeptor (virus-)infizierter
Zellen binden kann und deren Apoptose auslöst. Weiterhin werden Zytokine freigesetzt, die Löcher
in die Zielzelle bohren können. Eine aktivierte CD4-T-Zelle führt somit immer zum Tod der Zielzelle.
CD8-T-Zellen dagegen aktivieren über CD40L B-Zellen und Makrophagen. B-Zellen werden zur
Ig-Produktion angeregt und Makrophagen dazu veranlasst, aufgenommene Bakterien zu zerstören.
Einmal aktivierte T-Zellen benötigen kein costimulierendes Signal für ihre Effektorfunktion mehr,
somit können sie jede beliebige infizierte Zelle aktivieren oder zerstören.
Die humorale Immunreaktion
Die Aktivierung von B-Zellen erfolgt durch Ag meist in den peripheren Lymphorganen. Costimulierende Signale erhalten sie entweder vom Ag selbst oder von aktivierten CD8-T-Zellen (siehe Abbildung 1.20). Aktivierte B-Zellen werden geklont, dabei finden im BCR Mutationen statt (somatische Hypermutation). Die Klone mit hochaffinen BCR entwickeln sich zu Plasmazellen oder BGedächtniszellen. Die Plasmazellen sezernieren Ab, die über efferente Lymphgefäße zum Infektionsherd gelangen und dort ihre spezifischen Ag binden. So werden sie für Phagozyten und Komplementsystem erkennbar gemacht.
Das immunologische Gedächtnis
Das immunologische Gedächtnis ist die wichtigste Folge der adaptiven Immunantwort. Es verhindert zum einen den Krankheitsausbruch bei erneuter Infektion mit demselben Erreger, zum anderen
ermöglicht es langfristige Immunität als Folge von Impfungen.
Nach Verschwinden des Ag am Ende einer Infektion wird in den meisten Ag-spezifischen Zellen die
Apoptose ausgelöst. Einige Zellen überleben jedoch und es bildet sich eine Population von langlebigen
19
1 Grundlagen des Immunsystems
T
CD40
CD40L
Co−Signal
B
B
(a) durch aktivierte T-Zellen
(b) durch Ag
Abbildung 1.20: B-Zellen können unterschiedlich aktiviert werden
Gedächtniszelle n. Diese existieren unabhängig von der Präsenz ihres spezifischen Ags, ihre Anzahl
wird wahrscheinlich durch Zytokine konstant gehalten. Beim erneuten Kontakt mit dem Erreger wird
die Immunreaktion nur von Gedächtniszellen hervorgerufen, nicht von naiven Lymphozyten. Beim
Vergleich der Reaktion nach primärer und sekundärer Immunisierung findet man sowohl quantitative
als auch qualitative Unterschiede. Abbildung 1.21, adaptiert aus [JTWS01], verdeutlicht die quantitativen Unterschiede. So erreicht die sekundäre Immunantwort nach kürzerer Verzögerungszeit ein
höheres Niveau und es werden außerdem Ab mit höherer Affinität gebildet. Diese Affinitätsreifung
über Immunisierungsprozesse hinweg resultiert aus der wiederholten Selektion und somatischen Hypermutation der B-Zellen. Ähnliche Beobachtungen sind für die T-Zell-vermittelte Immunität gemacht
worden, allerdings liegen diesen andere, noch nicht vollständig geklärte Mechanismen zugrunde.
Antibody
−1
µg ml serum
primary response
secondary response
10000
1000
100
10
1
0.1
0.01
0.001
...
4
8
12
first antigene contact
16
20
24
60
64
68
72
days
second antigene contact
Abbildung 1.21: Immunologisches Gedächtnis
Quantitative Unterschiede zwischen primärer und sekundärer Immunantwort
20
2 Modellierung und Implementierung
Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Implementierung des Immunsystem-Simulators (Abkürzung für Another IMmune System Simulator). Es wird erläutert, wie die in Kapitel 1 beschriebenen
Immunkomponenten und Prozesse abstrahiert werden. Konkrete Details der Implementierung werden
nur insofern angesprochen, als dass sie für das Verständnis des Modells notwendig sind. Seit den 60er
Jahren ist bekannt, dass sich objektorientierte Sprachen für die Implementierung von Simulatoren besonders eignen [DN66]. ist in der objektorientierten Sprache C++ geschrieben. C++ st eine
weit verbreitete Sprache, sodass Compiler dafür auf vielen Systemen vorhanden sind. Des Weiteren
ist C++-Bytecode im Allgemeinen performanter als Java-Bytecode, der auf einer virtuellen Maschine
ausgeführt wird.
Der Simulator enthält Klassen, die
Immunorgane und
Immunkomponenten modellieren, sowie
Hilfsklassen für Verwaltungs- und Statistikzwecke.
Die Struktur des Kapitels lehnt sich an die Klassenhierarchie an. Nach der Simulatorklasse in Abschnitt 2.1 werden in Abschnitt 2.2 die einzelnen Umgebungen beschrieben. In Abschnitt 2.3 wird die
Modellierung der Rezeptoren wie z. B TCR und BCR erläutert. Abschnitt 2.4 enthält die Beschreibung
der Objekte in den Umgebungen. Am Ende wird noch kurz auf Hilfsklassen und einstellbare globale
Parameter eingegangen (Abschnitte 2.5 und 2.6). Es werden nur die jeweils wichtigsten Attribute und
Methoden der Klassen beschrieben. Die API Dokumentation von enthält detaillierte Informationen zu den Klassen, ihren Attributen und Methoden. Diese ausführliche Beschreibung der Schnittstelle ermöglicht das Einbinden der Klassen in eigene Programme sowie eine effiziente Weiterentwicklung des Simulators. Die API-Dokumentation ist unter http://archiv.tu-chemnitz.de/pub/2004/0012
und auf der beiliegenden CD zu finden. Tabelle 2.1 enthält eine Übersicht über die nicht-abstrakten
Klassen des Simulators, ihre primären Aufgabe und welchen Realweltausschnitt sie abstrahieren.
2.1
Simulator-Klasse
Die Simulator-Klasse AIMS2 enthält als Membervariablen je ein Objekt der vier Klassen CCreateEnv,
CDevEnv, CTissue, CReactEnv, die die Umgebungen der Immunreaktion modellieren. Weiterhin enthält sie je ein Objekt der Klasse CObjectCreator und CStatistics. Das Collaboration Diagramm in
Abbildung 2.1 zeigt die entsprechenden Membervariablen.
In der main() -Funktion des Programms (siehe Listing 2.1), die beim Starten als erstes gerufen wird,
wird eine Instanz der Klasse AIMS2 erzeugt, initialisiert und die Simulation gestartet. Dabei werden
in der Methode initSelf() alle „körpereigenen“ Selbst-Sequenzen (für die Selbst-Ag) erzeugt. D. h. der
Simulator besitzt über die gesamte Simulationszeit das Wissen, was für ihn „körpereigen“ bedeutet.
21
2 Modellierung und Implementierung
Klassenname
AIMS2
CCreateEnv
CDevEnv
CTissue
CReactEnv
CPeptide
CAbObject
CAgObject
CAPC
CBCell
CTCell
CPosition
CObjectCreator
CStatistics
Aufgabe
Simulatorklasse, Hauptschleife
Modell der Immunorgane
Entwicklung B-Zellen
Entwicklung T-Zellen
Initiierung der Immunreaktion
Aktivierung der Immunabwehr
Modell der Immunkomponenten
Bereitstellung der Rezeptoren
humorale Immunantwort
Infektion oder Teil des Organismus (Selbst-Ag)
Aktivierung T-Zellen
humorale Immunantwort
zelluläre Immunantwort
Hilfsklassen
Modellierung der 3D-Position
Generierung von Objekten
Statistische Auswertungen
Modell von
Organismus
Knochenmark
Thymus
Körpergewebe
periphere Lymphorgane
Protein
Ab
Ag
APC
B-Zelle
T-Zelle
Tabelle 2.1: Übersicht über nicht-abstrakte Simulatorklassen
m_objectCreator
m_objectCreator
CObjectCreator
m_objectCreator
m_tissue
m_objectCreator
CTissue
m_tissue
CCreateEnv
m_createEnv
m_createEnv
m_tissue
m_stats
m_reactEnv
CStatistics
m_reactEnv
CReactEnv
m_reactEnv
CDevEnv
m_devEnv
m_devEnv
m_reactEnv
Abbildung 2.1: Collaboration Diagramm für die Klasse AIMS2
22
AIMS2
2.2 Umgebungen
Die Anzahl der Selbst-Sequenzen wird in der Datei globals.h festgelegt, die Bitfolgen sind zufällig.
Außerdem werden in der Methode initSelf() die MHC-Moleküle zufällig erzeugt.
i n t main ( i n t a r g c , char a r g v [ ] ) {
AIMS2 s i m u l a t o r ;
simulator . initSe lf ( ) ;
simulator . runSimulation ( ) ;
r e t u r n EXIT_SUCCESS;
}
Listing 2.1: main()-Methode
Die eigentliche Simulation (Methode runSimulation() ) läuft in einer Schleife eine vordefinierte Anzahl von Schritten (siehe Abschnitt 2.6). In jedem Simulationsschritt werden die run() -Methoden aller
vier Umgebungen gerufen. Danach werden durch die Statistikklasse die für die Auswertung relevanten
Daten gesammelt. Den Ablauf der Simulation zeigt Abbildung 2.2.
NUM_SIM_CYCLES
runSimulation()
m_createEnv−>run()
m_devEnv−>run()
m_reactEnv−>run()
m_tissue−>run()
m_stats−>run()
m_stats−>printToDatFiles()
Abbildung 2.2: Ablauf der Simulation
2.2
Umgebungen
Die Klasse CDiscrete3DSpace stellt die im Simulator verwendeten diskreten 3D-Umgebungen zur
(Z – Menge der
Verfügung. Ein Objekt E der Klasse ist mathematisch gesehen eine Teilmenge des
ganzen Zahlen).
!#"%$&'(! !(#"%$)*+#,! +-"$/.
(2.1)
kann sich ein Objekt der Klasse CLivingObject (und somit Objekte der
Auf jeder Position 021
Unterklassen CBCell, CAgObject etc.) befinden. Die Objekte sind in der Membervariablen m_objects
gespeichert. m_objects ist eine STL-Map [Hew94] und verwaltet Abbildungen zwischen Positionen
im 3D-Raum und Zeigern auf 3D-Objekte. Eine STL-Map ist als binärer Suchbaum implementiert,
was schnellen Zugriff auf die Objekte über deren Position erlaubt. Die Objekte selbst haben kein Wissen über ihre Position und sie wissen auch nicht, in welcher Umgebung sie sich befinden. Zwei Objekte
können miteinander interagieren, wenn sie sich in einer Umgebung nebeneinander befinden, d. h. Ob
kann mit Objekt auf Position 0 3
41
1
jekt
auf Position 0 3
interagieren, wenn Folgendes gilt:
5
5 5
5 5
5
6 7 8 7 6 (2.2)
5 5
5 95 1 ist5 somit wie folgt definiert:
Der Interaktionsradius eines Objektes
auf5 Position
+ :<; =
>1 8 7 8 7 6 ?.
(2.3)
23
2 Modellierung und Implementierung
Gleichung 2.3 bedeutet auch, dass ein Objekt nicht mit sich selbst in Interaktion treten kann. Abbildung 2.3 zeigt eine B- und eine T-Zelle, die miteinander interagieren können.
zmax
B
T
ymax
zmin
xmin
ymin
xmax
Abbildung 2.3: Interaktion in einer 3D-Umgebung
Die Klasse CDiscrete3DSpace stellt Methoden zur Verwaltung von Objekten zur Verfügung. Das sind
z. B. Methoden für das Hinzufügen und Entfernen von Ojekten in die bzw. aus der Umgebung. In der
abstrakten Methode createCells() werden in jedem Simulationsschritt die Datenstrukturen zur Verwaltung der einzelnen Zellarten für den schnelleren Zugriff aufgebaut. Außerdem werden die Zellen für
Statistikzwecke gezählt. Weiterhin können Objekte durch die Umgebung zufällig bewegt werden. Die
Objekte bewegen sich nicht selbst, da sie kein Wissen über ihre Position haben. Die Methode doLifeCycle() ist ebenfalls abstrakt und für die Alterung der Zellen zuständig. Sie erniedrigt den Zähler für
die restliche Lebenszeit von Objekten und erhöht den Zähler für den Reifegrad unreifer Immunzellen.
Abbildung 2.4 zeigt das UML-Klassendiagramm [Obj03] von CDiscrete3DSpace.
CDiscrete3DSpace
# xMin, yMin, zMin: int
# xMax, yMax, zMax: int
# freePlaces: int
# m_objects: map<CPosition, CLivingObject*>
# createCells() :void
# doLifeCycle(): void
# doMovements(): void
# getRandomPosition(): CPosition
# initAttributes(): void
+ CDiscrete3DSpace()
+ ~CDiscrete3DSpace()
+ addObjectAtPosition(object: CLivingObject*, pos: CPosition): void
+ deleteObject(object: CLivingObject*): void
+ deleteObjectAtPosition(pos: CPosition): void
+ getNumFreePlaces(): int
+ getObjectAtPosition(pos: const CPosition): CLivingObject*
+ getRandomFreePosition(): CPosition
+ isPositionFree(pos: CPosition): bool
+ printObjects(): void
+ removeObjectAtPosition(pos: CPosition): void
+ run(): void
Abbildung 2.4: Klassendiagramm CDiscrete3DSpace
24
2.2 Umgebungen
Im Simulator gibt es vier Umgebungen, die alle von CDiscrete3DSpace abgeleitet sind:
1. CCreateEnv – Modell des Knochenmarks
2. CDevEnv – Modell des Thymus
3. CTissue – Modell des Körpergewebes
4. CReactEnv – Modell der peripheren Lymphorgane
Im Vererbungsdiagramm in Abbildung 2.5 ist zu sehen, dass CCreateEnv und CDevEnv sowie CTissue und CReactEnv jeweils von der gleichen (abstrakten) Oberklasse (CCreateNDevEnv bzw. CCreateEnvNTissue ) abgeleitet sind. Warum dies sinnvoll ist, wird in den Abschnitten 2.2.1 und 2.2.2 näher
beschrieben.
CDiscrete3DSpace
CCreateNDevEnv
CCreateEnv
CDevEnv
CReactEnvNTissue
CReactEnv
CTissue
Abbildung 2.5: Vererbungsdiagramm CDiscrete3DSpace
2.2.1
Umgebungen für die Bildung und Entwicklung der Immunzellen
Die zentralen Lymphorgane sind für die Bildung und Reifung der B- und T-Zellen verantwortlich. Die
abstrakte Klasse CCreateNDevEnv enthält gemeinsame Attribute und Methoden der Klassen CCreateEnv (modelliert Knochenmark) und CDevEnv (modelliert Thymus):
m_matureCells
doLifeCycle()
moveMatureCellsToEnv()
Die Membervariable m_matureCells enthält alle Zellen, deren Reifung beendet wurde. Die Funktion
doLifeCycle() lässt die Zellen altern und reifen. Die reifen Zellen werden dann innerhalb der abstrakten Methode moveMatureCellsToEnv() in eine andere Umgebung bewegt. Die Methode ist deshalb
abstrakt, weil erst in der Unterklasse spezifiziert wird, in welche Umgebung die reifen Immunzellen
bewegt werden.
Modell des Knochenmarks
Die Klasse CCreateEnv modelliert das Knochenmark. Die Umgebung enthält die für den Prozess der
negativen Selektion (Abschnitt 1.1.3, Seite 7) benötigten Selbst-Ag und B-Zellen in der STL-Map
m_objects. In der Hauptschleife der Simulatorklasse AIMS2 wird lediglich die run() -Methode der
Klasse CCreateEnv gerufen. Den Ablauf dieser Methode veranschaulicht Abbildung 2.6.
Innerhalb von run() werden zunächst durch createCells() an zufälligen freien Plätzen der Umgebung
Selbst-Ag und B-Zellen erzeugt. Deren Anzahl kann in der Konfigurationsdatei globals.h (siehe Abschnitt 2.6) festgelegt werden. Als nächstes wird die Funktion für die negative Selektion von B-Zellen
25
2 Modellierung und Implementierung
run()
createCells()
negSelectionOfBCells()
doLifeCycle()
moveMatureCellsToEnv()
doMovements()
Abbildung 2.6: Sequenzdiagramm für die Klasse CCreateEnv
gerufen. Dabei wird für alle B-Zellen festgestellt, ob sich ein Ag in der Nähe befindet (d. h. ob Gleichung 2.2 erfüllt ist). Falls dies der Fall ist, wird die Affinität zwischen BCR und Ag berechnet. Ist
diese höher als ein einstellbarer Schwellwert (Parameter AFFINITY_REACTION_THRESHOLD in
der Datei globals.h), wird die B-Zelle vernichtet und gezählt. Danach durchlaufen alle Objekte in der
Umgebung einen Alterungs- und Reifeschritt (Methode doLifeCycle() ). Reife B-Zellen werden anschließend ins Körpergewebe, also in ein Objekt der Klasse CTissue, bewegt. Am Schluss der run() Methode wandern alle Zellen auf einen zufälligen Nachbarplatz (falls dieser frei ist). Abbildung 2.7
veranschaulicht die Abläufe im Modell des Knochenmarkes. In der Abbildung sind neben dem Klassennamen rechts oben jeweils alle in der Umgebung verfügbaren Zellarten abgebildet.
CCreateEnv
B
createCells( )
isSelfAg
selection
mechanisms
B
B
B
B
state == IMMATURE
B
B
B
CTissue
B
state == NAIVE
Abbildung 2.7: Objekte in CCreateEnv
Modell des Thymus
Bei der Modellierung des Simulators wird ignoriert, dass T-Zellen eigentlich im Knochenmark gebildet werden und lediglich ihre Entwicklung im Thymus stattfindet. T-Zellen werden durch die Methode
createCells() der Klasse CDevEnv erzeugt. Im Attribut m_objects werden neben T-Zellen SelbstAPC verwaltet. Die run()-Methode (Abbildung 2.8) läuft ähnlich ab wie in der Klasse CCreateEnv.
Sie unterscheidet sich nur in der Art des Selektionsmechanismus: B-Zellen durchlaufen die negative
Selektion (Methode negSelectionOfBCells() ), T-Zellen die positive und negative Selektion (Methode
posAndNegSelectionOfTCells() ).
Zuerst werden in der Methode createCells() T-Zellen und APC erzeugt. Während der positiven Selektion (Methode posAndNegSelectionOfTCells() ) werden die T-Zellen markiert, die das MHC-Molekül
einer benachbarten APC binden können. T-Zellen, die mit dem präsentierten Peptid benachbarter
26
2.2 Umgebungen
run()
createCells()
posAndNegSelectionOfTCells()
doLifeCycle()
moveMatureCellsToEnv()
doMovements()
Abbildung 2.8: Sequenzdiagramm für die Klasse CDevEnv
Selbst-APC eine Bindung eingehen, werden vernichtet. Reife Zellen werden nach CReactEnv bewegt, wenn sie die Markierung besitzen, also in der Lage sind, MHC zu binden. Andernfalls werden
sie vernichtet. Abbildung 2.9 veranschaulicht die Abläufe in CDevEnv.
CDevEnv
createCells( )
APC
APC
T
APC
APC
isPresentingPeptide
selection
mechanisms
T
T
T
T
state == IMMATURE
T
T
T
T
CReactEnv
state == NAIVE
Abbildung 2.9: Objekte in CDevEnv
2.2.2
Umgebungen der Immunreaktion
Die Klasse CReactEnvNTissue fasst als Oberklasse von CReactEnv und CTissue Gemeinsamkeiten in
der Implementierung von Körpergewebe und peripheren Lymphorganen zusammen. Kernstück dieser
Klasse ist die Methode checkInteraction(), in der Interaktionsmöglichkeiten zwischen den Objekten
der Umgebung geprüft werden. Die Tabelle 2.2 fasst alle möglichen Reaktionen zwischen den Objekten (Zellen, Ag und Ab) zusammen. Ein in einer Spalte bedeutet, dass das Aufeinandertreffen der
entsprechenden beiden Objekte keinen Einfluss auf das Objekt in der entsprechenden Zeile hat. Die
verwendeten Abkürzungen haben folgende Bedeutungen:
RAD react and die – es findet eine Reaktion statt, die zum Tod des Objektes in der Zeile führt, wenn
die Affinität hoch genug ist. So stirbt z. B. eine APC, wenn sie auf eine aktivierte T-Zelle trifft,
die ihr gebundenes Ag erkennt.
C1S cell gets signal – das Objekt in der entsprechenden Zeile erhält das erste stimulierende
Signal, wenn die Affinität hoch genug ist. Eine B-Zelle erhält ihr erstes Signal beim Zusammentreffen mit dem entsprechenden Ag.
C2S cell gets signal – das Objekt in der entsprechenden Zeile erhält das costimulierende Signal,
27
2 Modellierung und Implementierung
wenn die Affinität hoch genug ist. Eine T-Zelle erhält sowohl das erste als auch das costimulierende Signal beim Zusammentreffen mit einer entsprechenden APC.
EAP eat and present – die APC nimmt das Ag unspezifisch auf und präsentiert das Polypeptid auf
der Zelloberfläche.
Ag
Ag
Ab
B-Zelle
T-Zelle
APC
Ab
RAD
B-Zelle
RAD
C1S
T-Zelle
C2S
C1S, C2S
EAP
APC
C1S, C2S
RAD
Tabelle 2.2: Reaktionen der Objekte in Gewebe und peripheren Lymphorganen
Aus der Tabelle ist ersichtlich, dass es für die Implementierung ausreicht, alle T-Zellen und alle Ag zu
durchlaufen und auf Interaktionsmöglichkeiten mit Nachbarzellen zu überprüfen. Erste Tests haben
gezeigt, dass speziell für die Aktivierung der B-Zellen der Interaktionsradius wie in Gleichung 2.2
definiert, nicht ausreicht. Die B-Zellen erhielten nie das zweite (costimulierende) Signal von den TZellen, weil es zu unwahrscheinlich war, dass sich eine bereits aktivierte T-Zelle der gleichen Spezifität
wie die B-Zelle in deren Nachbarschaft befindet. Deswegen ist für die Umgebung CReactEnvNTissue
gemäß
(und ihre Unterklassen) der Interaktionsradius eines Objektes
auf Position 1
Gleichung 2.4 definiert.
5
5 5
5 5
5
8 7 8 7 +:<; =
< 1
.
(2.4)
Abbildung 2.10 zeigt die Methode checkInteraction() in Pseudonotation.
Die verwendeten Methoden doTCell[Bcell|APC]Reaction() und doAg[Ab|BCell|APC]Reaction() implementieren die in Tabelle 2.2 veranschaulichten Prozesse. Die Methode doTCellAPCReaction()
zum Beispiel berechnet die Affinität des durch die APC präsentierten Peptides zum TCR und die
des MHC-Moleküls zum CD8-Rezeptor der T-Zelle. Wenn beide jeweils über einer gewissen, vom
Anwender zu definierenden Schranke liegen (siehe Abschnitt 2.6), wird die T-Zelle aktiviert. Je höher
diese Schranken sind, desto unwahrscheinlicher ist eine Bindung und damit eine Aktivierung. Eine
T-Zelle wird aktiviert, indem ihr Attribut state auf ACTIVE gesetzt wird. Die weiteren in der run() Methode der Klasse CReactEnvNTissue gerufenen Methoden (siehe Abbildung 2.11) sind analog zu
denen in CCreateEnv und CDevEnv (siehe Seiten 25 und 26). Die Methode moveCellsToEnv() ist
abstrakt und besitzt für beide Unterklassen eine andere Implementierung, die in den nächsten beiden
Unterabschnitten näher beschrieben wird.
Modell des Körpergewebes
Im Modell des Körpergewebes – der Klasse CTissue – werden T-Zellen, B-Zellen, APC, Ag und Ab
verwaltet. Abbildung 2.12 veranschaulicht die Abläufe in CTissue.
B-Zellen werden nach ihrer Reifung als naive B-Zellen aus dem Knochenmark (CCreateEnv ) in das
Körpergewebe (CTissue ) transferiert. Falls sie innerhalb der Methode checkInteraction() ihr spezifisches Ag erkennen, wird ihr Status auf AG_DETECTED gesetzt, d. h. die B-Zelle hat ihr erstes Signal
erhalten. Die Methode checkInteraction() ist detaillierter im Abschnitt 2.2.2 beschrieben, da sie von
28
2.2 Umgebungen
foreach T-Zelle t do
0 = Position von t;
foreach 0 1 do
Obj = Objekt an Position 0 ;
if Obj ist eine B-Zelle then
doTCellBCellReaction(t, Obj);
end
if Obj ist eine APC then
doTCellAPCReaction(t, Obj);
end
end
end
foreach Antigen a do
0 = Position von a;
foreach 0 1 do
Obj = Objekt an Position 0 ;
if Obj ist ein Antikörper then
doAgAbReaction(a, Obj);
end
if Obj ist eine B-Zelle then
doAgBCellReaction(t, Obj);
end
if Obj ist eine APC then
doAgAPCReaction(t, Obj);
end
end
end
Abbildung 2.10: Ablauf der Suche nach Interaktionsmöglichkeiten zwischen Objekten in CReactEnvNTissue
run()
createCells()
checkInteraction()
doLifeCycle()
moveCellsToEnv()
doMovements()
Abbildung 2.11: Sequenzdiagramm für die Klassen CReactEnv und CTissue
29
2 Modellierung und Implementierung
CTissue
T
APC
B
createCells( )
APC
APC
APC
APC
APC
APC
B
B
B
B
B
B
B
state == NAIVE
state == AG_DETECTED
T
CReactEnv
CCreateEnv
isPresentingPeptide
B
B
T
state == ACTIVE
T
T
state ==
ACTIVE
T
produced by active b cells
Abbildung 2.12: Objekte in CTissue
der Oberklasse CReactEnvNTissue geerbt wird. B-Zellen, die ihr erstes Signal erhalten haben, werden innerhalb der Methode moveCellsToEnv() in die peripheren Lymphorgane (CReactEnv ) bewegt,
wo sie ihr zweites Signal von aktivierten T-Zellen erhalten. Die Methode createCells() erzeugt neben
zufälligen Ag auch APC. Außerdem implementiert sie die klonale Expansion von T-Zellen. Auch alle
vorhandenen Ag werden am Anfang jedes Simulationsschrittes geklont. Dies modelliert die Vermehrung von Pathogenen im Wirtskörper (Bakterien, Viren). Trifft ein APC auf ein beliebiges Ag, erhält
sie den Status presentsPeptide =TRUE und wird ebenfalls nach CReactEnv bewegt. Aktive B- und TZellen kommen aus den peripheren Lymphorganen (CReactEnv ) ins Körpergewebe (CTissue ). Solche
T-Zellen vermehren sich hier durch Teilung und können infizierte APC abtöten. B-Zellen produzieren
Ab, die ihr spezifisches Ag vernichten können.
Modell der peripheren Lymphorgane
Wie in Abbildung 2.13 zu sehen, sind im Modell der peripheren Lymphorgane – der Klasse CReactEnv
– APC, B-Zellen und T-Zellen enthalten. Naive T-Zellen kommen aus CDevEnv (Thymus), aktive
APC und B-Zellen, die ihr erstes Signal erhalten haben, kommen aus CTissue (Körpergewebe). Naive
T-Zellen werden beim Zusammentreffen mit einer entsprechenden APC bzw. B-Zelle aktiviert. BZellen können von aktivierten T-Zellen ihr zweites, das costimulierende Signal erhalten. Solche BZellen durchlaufen den Prozess der klonale Expansion mit somatischer Hypermutation. Sie teilen
sich, wobei der BCR mutiert wird. Jede B-Zelle speichert im Attribut remainingSomHypSteps die
Anzahl verbleibender Schritte für die somatische Hypermutation. Die Mutation des BCR erfolgt in
Abhängigkeit dieses Wertes: Je größer der Wert, desto mehr Mutationen. Der folgende vereinfachte
30
2.2 Umgebungen
Auszug aus dem Quelltext (Listing 2.2) veranschaulicht die Implementierung. Die dabei verwendete
Methode mutateBCR() wird im Abschnitt 2.4 über B-Zellen näher erläutert. Durch Klonierung neu
entstandene B-Zellen und B-Zellen, die soeben aktiviert wurden, bekommen ihre Lebenszeit erhöht.
Dies modelliert den lebensverlängernden Einfluss von Chemokinen und Zytokinen auf solche Zellen
aus dem biologischen Vorbild. Aktivierte B- und T-Zellen werden nach CTissue bewegt, um dort die
körperfremden Ag bzw. infizierte APC zu vernichten.
i f ( b c e l l > g e t S t a t e ( ) = = SOM_HYP ) {
i f ( b c e l l >getRemainin g SomHy p Ste p s ( ) < = 0 ) {
b c e l l > s e t S t a t e ( ACTIVE ) ;
b c e l l > s e t L i f e t i m e ( INITIAL_CELL_LIFETIME ) ;
} else {
/
c l o n e b c e l l i f enough s p a c e
/
i f ( ( ! ( r a n d ( ) % BCELL_CLONE_RATE_IN_CREACTENV) ) & &
( t h i s >g e t N u m F r e e P l a c e s ( ) > = 1 ) )
{
CBCell c l o n e = new CBCell ( b c e l l ) ;
C P o s i t i o n pos = t h i s >g e t R a n d o m F r e e P o s i t i o n ( ) ;
c l o n e >mutateBCR ( ) ;
c l o n e >decrRemainin g SomHy p Ste p s ( ) ;
c l o n e > s e t L i f e t i m e ( INITIAL_CELL_LIFETIME ) ;
t h i s > a d d O b j e c t A t P o s i t i o n ( c l o n e , pos ) ;
}
}
Listing 2.2: Somatische Hypermutation
CReactEnv
B
T
T
T
T
B
B
state == NAIVE
APC
CTissue
APC
B
state ==
SOM_HYP
APC
B
isPresentingPeptide
B
B
state == ACTIVE
B
T
CTissue
CDevEnv
APC
B
B
state == AG_DETECTED
T
T
T
T
state == ACTIVE
Abbildung 2.13: Objekte in CReactEnv
31
2 Modellierung und Implementierung
2.3
Rezeptoren
Wie in Abschnitt 1.1.2 beschrieben, resultiert die Ag-Ab-Bindung aus einer Vielzahl von Wechselwirkungen. Dieser Sachverhalt kann am exaktesten unter Verwendung von Antikörperbibliotheken [AG00] modelliert werden. Eine solche Modellierung ist jedoch nicht Anliegen dieser Diplomarbeit.
Die Grundbausteine von Ag und Ab sind Aminosäuren. Aus der Aminosäuresequenz (der Primärstruktur des Proteins) resultiert letztlich auch die dreidimensionale Tertiärstruktur, die die Bindungsmöglichkeiten bestimmt. Ein Protein hat endlich viele Aminosäuren, die Anzahl anderer Einflüsse
wie z. B. des pH-Wertes ist ebenfalls endlich. Daher ist es zumindest in erster Näherung plausibel,
Rezeptoren über eine endliche Anzahl kontinuierlicher Merkmale zu beschreiben. In [dCT02] werden mehrere Formenräume vorgeschlagen, die bei der Implementierung künstlicher Immunsysteme
eingesetzt werden. Allgemein ist ein dimensionaler Formenraum gemäß Gleichung 2.5 definiert.
(2.5)
Ein , ist dann die Modellierung eines konkreten Merkmales, z. B. die erste Aminosäure
im Protein oder der pH-Wert. Die verschiedenen Formenräume unterscheiden sich in den Mengen
. Ein Ag ist somit ein ?" !1 . Es wird vernachlässigt, dass nicht das gesamte Ag bindet. Die
Bindungsstärke zwischen 1 ergibt sich über ein geeignetes Abstandsmaß . Die Affinität
zwischen
und ist dann entweder komplementär zum Abstand (je größer , desto kleiner )
oder nicht komplementär.
Im Simulator wird aus Effizienzgründen ein binärer Hamming-Formenraum verwendet. Dabei ist
Also
=
/ ?.
/ ?. / ?. / ?. =
/ ?.
Als Abstandsmaß wird der Hamming-Abstand verwendet. Für zwei Bitstrings
ist dieser definiert als
Die Affinität
(2.7)
ist als nicht-komplementär zu gemäß Gleichung 2.9 definiert.
nach Gleichung 2.10. Dabei ist Berechnen lässt sich die Affinität mit Komplexität
Funktion Exklusives Oder.
Daraus folgt, dass Gleichung 2.10 mit 32
(2.6)
und
(2.8)
(2.9)
die binäre
(2.10)
. Abbildung 2.14 zeigt ein Beispiel zur Berechnung der Affinität nach
.
2.4 Objekte in den Umgebungen
XOR
1
0
0
1
1
1
0
0
1
1
0
0
0
1
0
1
1
0
1
0
1
1
0
1
0
1
1
0
1
1
1
1
0
1
1
1
1
0
0
1
1
l
Affinity = 11/14
Abbildung 2.14: Beispiel Affinitätsberechnung
Wie in Abschnitt 1.1.2 beschrieben, gibt es Ig-Spezifitäten. D. h. man benötigt
Bits, um diese zu kodieren. Bits sind für die Kodierung der TCR-Spezifitäten notwendig. Es
wird jedoch aus Effizienzgründen angenommen, dass Ag aus genau einem kontinuierlichen Epitop
bestehen. APC präsentieren somit immer das gesamte Epitop auf ihrer Oberfläche. D. h., dass im
Simulator die Länge des TCR gleich der Länge des BCR ist. Voreingestellt (siehe Abschnitt 2.6) sind
die Längen der Bitstrings, wie sie in Abbildung 2.15 zu sehen sind.
Ag
0
45
Ig/BCR
0
45
MHC molecule
0
13
CD4/CD8 receptor
0
13
TCR
0
45
Ag:MHC complex
Ag
0
MHC
45
63
Abbildung 2.15: Voreingestellte Längen der Bitstrings
Die Bildung der Ag, Ab, TCR und BCR geschieht zufällig. Damit werden die im Grundlagenabschnitt beschriebenen Genumlagerungen modelliert. Für die positive Selektion der T-Zellen muss ein
„körpereigenes“ MHC-Molekül definiert sein. Dieses wird beim Initialisieren des Simulators zufällig erzeugt. Ebenso wie die Selbst-Ag, die für die negative Selektion von B- und T-Zellen benötigt
werden.
2.4
Objekte in den Umgebungen
Die STL-Map m_objects verwaltet in allen Umgebungen Objekte der Klasse CLivingObject. Diese
Klasse besitzt jedoch abstrakte Methoden (siehe Klassendiagramm 2.17), es können also gar keine Objekte dieser Klasse existieren. Hier wird das Prinzip des Polymorphismus verwendet. So ist
es möglich, Objekte der Unterklassen CAPC, CBCell, CTCell, CAbObject und CAgObject einfach
gemeinsam zu verwalten. Abbildung 2.16 zeigt das Vererbungsdiagramm. Allen Unterklassen von
CLivingObject gemeinsam ist das Attribut remainingLifeTime, die restliche Lebenszeit der Objekte,
und entsprechende Methoden zum Verändern und Abfragen derselben. Alle verfügbaren Methoden
sind im Klassendiagramm in Abbildung 2.17 zu sehen. Außerdem ist die abstrakte Methode print()
definiert, die es allen Objekten erlaubt, ihren aktuellen Status auszugeben. Beispiele davon sind in den
folgenden Unterkapiteln zu finden.
33
2 Modellierung und Implementierung
CLivingObject
CAbObject
CAgObject
CImmuneCell
CAPC
CBCell
CTCell
Abbildung 2.16: Vererbungsdiagramm CLivingObject
CLivingObject
# remainingLifeTime: int
+ CLivingObject()
+ ~CLivingObject()
+ decrRemainingLifeTime(): void
+ incRemainingLifeTime(): void
+ isLifeTimeExpired(): bool
+ print(): void
+ setLifeTime(lifetime: int): void
Abbildung 2.17: Klassendiagramm CLivingObject
Antigene
Die Klasse CAgObject modelliert Pathogene im Allgemeinen. Im Attribut m_epitop wird das Epitop
in Form eines Bitstrings verwaltet. Dessen Länge lengthEpitope wird am Anfang der Simulation global festgelegt (siehe Abschnitt 2.6). Die Boolsche Variable isSelfAg gibt an, ob es sich bei dem Ag
um ein „körpereigenes“ Objekt handelt. D. h. ob das Epitop eine der im CObjectCreator verwalteten
Selbst-Sequenzen ist. Abbildung 2.18 zeigt, welches Wissen ein Ag-Objekt im Simulator über sich
selbst besitzt. Ein Ag weiß weder auf welcher Position noch in welcher Umgebung es sich befindet.
Diese Information hat nur die entsprechende Umgebung selbst.
CAgObject 0x8091eb8
remainingLifeTime: 7
Epitop: 1 0 0 0 0 0 0 1 [8]
isSelfAg: 0
Abbildung 2.18: Ausgaben von ag->print()
Antikörper
Die von B-Zellen produzierten Ab sind für die humorale Immunantwort verantwortlich. Objekte der
Klasse CAbObject werden von reifen B-Zellen erzeugt und in der Umgebung platziert. Trifft solch ein
Ab auf ein Ag, wird die Affinität zwischen dem Epitop des Ag und der Sequenz m_paratop des Ab berechnet. Ist dieser Wert größer oder gleich dem globalen Parameter AFFINITY_REACTION_THRESHOLD (siehe Abschnitt 2.6), so wird das Ag vernichtet. Ebenso wie ein Ag hat ein Ab sehr wenig
intrinsisches Wissen (Abbildung 2.19).
34
2.4 Objekte in den Umgebungen
CAbObject 0x80b4c68
remainingLifeTime: 10
Paratop: 0 0 0 1 0 0 1 0 [8]
Abbildung 2.19: Ausgaben von ab->print()
B-Zellen
Die B-Zell-Reifung in der Klasse CCreateEnv vernichtet diejenigen B-Zellen, deren BCR ein SelbstAg binden kann. Reife B-Zellen gelangen ins Körpergewebe (CTissue ). Treffen sie dort auf ihr spezifisches Ag, nehmen sie es auf (Methode eatAndPresent() ) und gelangen in den Zustand AG_DETECTED. Zellen in diesem Zustand werden in die perhiperen Lymphorgane (CReactEnv ) bewegt, können
durch einen T-Zelle ihr costimulierendes Signal erhalten und in den Zustand SOM_HYP übergehen.
Die folgende Liste gibt eine Übersicht über die möglichen Zustände einer B-Zelle.
IMMATURE:
Nach Erzeugung der Zelle befindet sich diese INITIAL_MATURITY_STEPS Simulationsschritte im unreifen Zustand.
NAIVE:
Dies ist der Grundzustand nach der Reifung.
AG_DETECTED: Trifft eine B-Zelle auf ihr spezifisches Ag, so geht sie in diesen Zustand über. Die
B-Zelle hat ihr erstes Signal erhalten.
SOM_HYP:
Der Zustand nach Erhalt des costimulierenden Signals durch eine T-Zelle hält
SOMATIC_HYPERMUTATION_STEPS Simulationszyklen an.
ACTIVE:
Die somatische Hypermutation ist beendet und die Zelle schüttet Ab aus.
Abbildung 2.20 zeigt die nötigen Schritte zur Aktivierung einer B-Zelle. Dabei findet Schritt 2.20(a)
im Körpergewebe und Schritt 2.20(b) in den peripheren Lymphorganen statt.
state == ACTIVE
T
Peptide
TCR
BCR
Peptide
MHC−Receptor
MHC
2
1
setState(AG_DETECTED)
state == AG_DETECTED
setState(ACTIVE)
B
B
(a) erstes Signal durch BCR
(b) zweites Signal durch T-Zelle
Abbildung 2.20: Aktivierung einer B-Zelle
Bei der somatischen Hypermutation wird der BCR in einzelnen Bitstellen verändert. Das geschieht
mit einer variablen Mutationsrate. Diese hängt von der Anzahl Simulationsschritte ab, die sich die
Zelle schon im Zustand SOM_HYP befindet. Je länger das der Fall ist, desto weniger Mutationen
finden statt. Listing 2.3 zeigt die Implementation der Methode mutateBCR(), die in Listing 2.3 gerufen
wird.
35
2 Modellierung und Implementierung
v o i d CBCell : : mutateBCR ( )
{
v e c t o r < bool > s e q = t h i s >m_BCR . g e t S e q u e n c e ( ) ;
i n t m u t a t i o n R a t e = t h i s >somHypStep ;
for ( int i = 0 ; i < seq . s i z e ( ) ; i ++) {
i f ( ! ( rand ( ) % mutationRate ) )
seq [ i ] = seq [ i ] ^ seq [ i ] ;
}
t h i s >m_BCR. s e t S e q u e n c e ( s e q ) ;
}
Listing 2.3: Mutation des BCR
Eine B-Zelle, die ihr erstes Signal bereits erhalten hat und deren Lebenszeit noch zwölf weitere Simulationsschritte beträgt, ist in Abbildung 2.21 zu sehen.
CBCell 0x808bb18
state: 2
maturityLevel: 0
remainingLifeTime: 12
BCR: 0 0 0 0 0 1 0 0 [8]
MHC: 0 1 0 1 1 [5]
presentedPeptide: 0 1 0 0 1 1 1 1 [8]
Abbildung 2.21: Ausgabe von bcell->print()
T-Zellen
T-Zellen reifen im Thymus, der im Simulator durch die Klasse CDevEnv modelliert ist. Wird eine TZelle erzeugt, werden TCR und CD8-Rezeptor mit zufälligen Bitstrings initialisiert (Attribute m_TCR
und m_CD8_Receptor ). Der Anfangswert der Boolschen Variable isAbleToBindMHC ist FALSE. TZellen durchlaufen die Prozesse negative und positive Selektion. Kann die T-Zelle bis zum Ende des
Reifeprozesses (maturityLevel gleich Null) das MHC-Molekül einer APC binden und wurde sie nicht
als autoreaktiv erkannt, gelangt sie in den Zustand NAIVE. Naive T-Zellen werden in die Umgebung
CReactEnv bewegt.
Die Aufgabe von T-Zellen ist die Vernichtung infizierter Körperzellen. Für ihre Aktivierung sind zwei
Signale notwendig. Das erste erhält die T-Zelle, wenn die Affinität des TCR zum präsentierten Peptid
einer Nachbarzelle größer gleich AFFINITY_REACTION_THRESHOLD ist. Dies wird in der Methode getAffinityTCRToPeptide() der Klasse CTCell verifiziert. Das costimulierende Signal erhält die
T-Zelle, wenn die Methode getAffinityCD8ToPeptide() zwischen CD8-Rezeptor und MHC-Molekül
der präsentierenden Zelle eine Affinität über dem Schwellwert AFFINITY_MHC_THRESHOLD berechnet. Die Aktivierung von T-Zellen kann entweder durch B-Zellen oder durch APC, wie in Abbildung 2.22 dargestellt, erfolgen.
Abbildung 2.23 zeigt die Ausgabe einer unreifen T-Zelle, die in der Lage ist, MHC zu binden und nach
zwei weiteren Simulationsschritten zur naiven T-Zelle wird, insofern sie nicht noch als autoreaktiv
erkannt und vernichtet wird.
36
2.5 Hilfsklassen
presentsPeptide == TRUE
APC
Peptide
MHC
TCR
MHC−Receptor
2
1
setState(ACTIVE)
T
Abbildung 2.22: Aktivierung einer T-Zelle
CTCell 0x808ea58
state: 0
isAbleToBindMHC: 1
maturityLevel: 2
remainingLifeTime: 14
TCR: 0 1 1 0 1 1 1 0 [8]
CD8: 1 0 0 0 1 [5]
Abbildung 2.23: Ausgaben von tcell->print()
APC
Die Hauptfunktion von APC ist die Aktivierung von T-Zellen. Ag werden unspezifisch aufgenommen und in einer für T-Zellen erkennbaren Form präsentiert. Das aufgenommene Ag wird im Attribut
m_presentedPeptide verwaltet. Die Aufnahme benachbarter Ag ist in der Methode eatAndPresent()
implementiert, die das Epitop des Ag in dem Attribut m_presentedPeptide speichert und die Boolsche Variable presentsPeptide auf TRUE setzt. Mit Hilfe des MHC-Moleküls m_MHCMolecule auf
der APC kann eine benachbarte T-Zelle das präsentierte Peptid erkennen. Dies geschieht, indem die
T-Zelle mit ihrem CD8-Rezeptor an das MHC-Molekül und mit ihrem TCR an das präsentierte Peptid
bindet (siehe Abbildung 2.22). Abbildung 2.24 zeigt die Ausgabe einer APC, die noch 13 Simulationsschritte zu leben hat und sich im Zustand presentsPeptide befindet.
CAPC 0x808cf00
remainingLifeTime: 13
MHC: 0 1 0 1 1 [5]
presentedPeptide: 1 0 1 0 0 1 1 0 [8]
Abbildung 2.24: Ausgaben von apc->print()
2.5
Hilfsklassen
Die in diesem Kapitel beschriebenen Klassen bilden keine Immunkomponenten ab. CObjectCreator
verwaltet zum einen das Wissen über das Selbst („körpereigene Eiweiße“) und zum anderen stellt er
den Umgebungen alle in Kapitel 2.4 beschriebenen Objekte bereit. Die Klasse CStatistics dient der
Datensammlung zu Auswertungszwecken.
37
2 Modellierung und Implementierung
2.5.1
CObjectCreator
CObjectCreator verwaltet in den Membervariablen m_selfSequences und m_MHC das Wissen des Simulators über das Selbst. Das ist notwendig, weil sichergestellt werden muss, dass in die Umgebungen
für die Entwicklung der Immunzellen (CCreateEnv und CDevEnv ) nur Selbst-Ag bzw. Selbst-APC
gelangen. Auch das MHC-Molekül muss auf allen APC einheitlich ausgeprägt sein, damit die T-Zellen
in ihrer Entwicklung lernen können, Zellen mit diesem Molekül auf der Oberfläche zu erkennen.
Am Anfang der Simulation werden durch Aufruf der Methode initCreateSelfSequences() die SelbstSequenzen zufällig erzeugt. Deren Anzahl kann über den Parameter NUM_SELFSEQUENCES festgelegt werden (siehe Abschnitt 2.6). Analog erzeugt initCreateMHC() das MHC-Molekül. 1
Die Klasse stellt außerdem Methoden bereit, die beim Aufruf Objekte aller in Kapitel 2.4 beschriebenen nicht-abstrakten Klassen zurück liefern. Abbildung 2.25 zeigt das Klassendiagramm und alle
verfügbaren get-Methoden.
CObjectCreator
# m_MHC: vector<CPeptide*>
# m_SelfSequences: vector<CPeptide*>
# getMHC(): CPeptide
# getSelfSequence(): CPeptide
# getSequence(): CPeptide
+ CObjectCreator()
+ ~CObjectCreator()
+ getAPCObject(): CAPC*
+ getAbObject(): CAbObject*
+ getAgObject(): CAgObject*
+ getBCellObject(): CBCell*
+ getSelfAPCObject(): CAPC*
+ getSelfAgObject(): CAgObject*
+ getTCellObject(): CTCell*
+ initCreateMHC(number: int, length: int): void
+ initCreateSelfSequences(number: int, length: int): void
+ printMHCMolecules(): void
+ printSelfSequences(): void
Abbildung 2.25: Klassendiagramm CObjectCreator
2.5.2
Datensammlung und Statistik
In jedem Simulationsschritt werden durch die Klasse CStatistics alle relevanten Daten aus den vier
Umgebungen gesammelt und gespeichert. Da sehr viele private Attribute gelesen werden, wurde auf
die Implementierung von get-Methoden für jedes Attribut verzichtet. Stattdessen ist die Klasse CStatistics als friend-Klasse für alle Umgebungen deklariert. Ein Objekt der Klasse kann also auf alle privaten Attribute der Umgebungen zugreifen, was dem Prinzip der Datenkapselung widerspricht, aber
die Effizienz und die Übersichtlichkeit des Quellcodes fördert. Tabelle 2.3 enthält eine Übersicht über
alle gesammelten Daten. In der letzten Spalte steht das Attribut, in welchem die jeweilige Datenreihe
gespeichert wird. Der Dateiname für die Ausgabe wird durch Anhängen des Suffixes .log aus diesem
generiert. In den Dateien steht in der i-ten Zeile die Anzahl der entsprechenden Zellen in der jeweiligen Umgebung im i-ten Simulationsschritt. Die Visualisierung kann dann z. B. mit dem Programm
gnuplot [WK02] erfolgen.
1
Indem in der Datei globals.h der Parameter NUM_MHC_MOLECULES entsprechend gesetzt wird, können mehrere
MHC-Moleküle erzeugt werden. Dies wird für die mögliche Erweiterung des Simulators zur Unterscheidung von CD4und CD8-T-Zellen benötigt.
38
2.6 Globale Parameter
CCreateEnv
B-Zellen Gesamtzahl
Anzahl durch negative Selektion vernichteter
Ag
Gesamtzahl
CDevEnv
T-Zellen Gesamtzahl
Anzahl durch negative Selektion vernichteter
Anzahl durch positive Selektion vernichteter
APC
Gesamtzahl
CTissue
B-Zellen Gesamtzahl
Anzahl mit Status AG_DETECTED
Anzahl aktiver
T-Zellen Gesamtzahl
Anzahl aktiver
APC
Gesamtzahl
Anzahl derer, die Peptid präsentieren
Ag
Gesamtzahl
Anzahl Selbst-Ag
Anzahl der bei Immunreaktion vernichteter
Ab
Gesamtzahl
Anzahl der bei Immunreaktion vernichteter
CReactEnv
B-Zellen Gesamtzahl
Anzahl mit Status AG_DETECTED
Anzahl mit Status SOM_HYP
Anzahl aktiver
T-Zellen Gesamtzahl
Anzahl aktiver
APC
Gesamtzahl
Anzahl derer, die Peptid präsentieren
ce_b
ce_b_negSel
ce_ag
de_t
de_t_posSel
de_t_posSel
de_apc
ts_b
ts_b_detected
ts_b_active
ts_t
ts_t_active
ts_apc
ts_apc_presenting
ts_ag
ts_ag_self
ts_ag_death
ts_ab
ts_ab_death
re_b
re_b_ag_detected
re_b_somhyp
re_b_active
re_t
re_t_active
re_apc
re_apc_presenting
Tabelle 2.3: Übersicht über gesammelte Daten aus den Umgebungen
2.6
Globale Parameter
In der Datei globals.h werden alle Parameter für die Simulation eingestellt. Dies geschieht in der
aktuellen Version vor dem Kompilieren des Programms, die Datei wird in allen anderen Quelldateien
als Headerdatei eingebunden.
Über RECEPTOR_LENGTH wird die global im Simulator verwendete Länge der Rezeptoren eingestellt. TCR, BCR, Ag besitzen dieselbe Länge. MHC_LENGTH definiert die Länge der MHCMoleküle. Über NUM_SIM_CYCLES wird die Anzahl der Simulationsschritte festgelegt. Die Anzahl der Selbst-Sequenzen steht im Parameter NUM_SELFSEQUENCES. AFFINITY_REACTION_THRESHOLD und AFFINITY_MHC_THRESHOLD legen fest, ab welchem Affinitätswert davon
ausgegangen wird, dass der Rezeptor sein Peptid erkannt hat.
Für die Umgebungen kann die Ausdehnung eingestellt werden. SPACE_[X|Y|Z]MIN ist das Mini-
39
2 Modellierung und Implementierung
mum in der jeweiligen Dimension, SPACE_[X|Y|Z]MAX sind die oberen Schranke (dieser Wert wird
nicht angenommen). Eine Umgebung hat somit
_ _ _ _ _ 8
_ 8
Plätze. Des Weiteren wird festgelegt, wie viele neue Objekte pro Simulationsschritt in den jeweiligen
Umgebungen erzeugt werden sollen, sofern freie Plätze vorhanden sind. Die entsprechenden Parameter sind
NUM_NEW_AG_PER_CYCLE_IN_CCREATEENV,
NUM_NEW_BCELLS_PER_CYCLE_IN_CCREATEENV,
NUM_NEW_APC_PER_CYCLE_IN_CDEVENV,
NUM_NEW_TCELLS_PER_CYCLE_IN_CDEVENV,
NUM_NEW_AG_PER_CYCLE_IN_CTISSUE und
NUM_NEW_APC_PER_CYCLE_IN_CTISSUE.
Die Objekte bekommen bei ihrer Generierung ihre Lebenszeit mit INITIAL_CELL_LIFETIME,
INITIAL_AG_LIFETIME, INITIAL_SELFAG_LIFETIME bzw. INITIAL_AB_LIFETIME initialisiert. Immunzellen benötigen INITIAL_MATURITY_STEPS bis zur Zellreifung.
Weitere einstellbare Werte sind:
AG_CLONE_RATE_IN_CTISSUE
Die Anzahl der Simulationsschritte modulo derer die Ag in CTissue geklont werden.
BCELL_CLONE_RATE_IN_CREACTENV
Die Anzahl der Simulationsschritte modulo derer die B-Zellen in CCreateEnv geklont werden.
TCELL_CLONE_RATE_IN_CTISSUE
Die Anzahl der Simulationsschritte modulo derer die T-Zellen in CTissue geklont werden.
SOMATIC_HYPERMUTATION_STEPS
Die Anzahl der Simulationsschritte, die eine B-Zelle im Zustand der somatischen Hypermutation verbleibt.
AB_PRODUCTION_RATE
Die Anzahl Ab, die von einer aktiven B-Zelle pro Simulationsschritt produziert werden.
40
3 Auswertung und Tests
In diesem Kapitel werden die Ergebnisse der Arbeit zusammengefasst. Der Beschreibung des aktuellen
Entwicklungsstandes im Abschnitt 3.1 folgen Testreihen der vorliegenden Version (Abschnitt3.2). Im
Abschnitt 3.3 werden abschließend weitere mögliche Entwicklungsschritte aufgezeigt.
3.1
Entwicklungsstand der Software
Dieser Abschnitt beschreibt Version 1.0 der Software vom 20.12.2003. Auf der beiliegenden
CD findet sich sowohl die Software als auch die dazugehörige API-Dokumentation.
3.1.1
Installation und Benutzung
Die Software wurde unter Linux (Kernel 2.4.21, gcc 3.3) entwickelt und getestet. Zum Ausführen werden lediglich ein C++ Compiler und die STL-Bibliotheken benötigt. Empfohlen wird der
Gnu C Compiler (gcc) ab Version 3.31 . Im Verzeichnis mit dem Quellcode müssen dann nur noch
configure und make ausgeführt werden. Nach dem Kompilieren steht das ausführbare Programm
aims2 im aktuellen Verzeichnis zur Verfügung, das die Simulation mit den voreingestellten Parametern startet. Wird das Programm mit dem Kompilerflag DEBUG_ON kompiliert, wird während des
Programmlaufes ein ausführliches Logfile aims.dbg im temporären Verzeichnis angelegt. Für andere
Plattformen und Betriebssysteme liegen keine Erfahrungen vor, sollte aber auf allen heute
erhältichen Systemen mit installiertem C++ Compiler lauffähig sein.
3.1.2
Entwicklungsstand
ist im aktuellen Entwicklungsstand kommandozeilenbasiert. Die Simulation wird über Parameter gesteuert. Diese Einstellungen werden in einer Konfigurationsdatei vorgenommen (siehe Abschnitt 2.6). Im Folgenden wird beschrieben, welche Komponenten und Prozesse eines realen Immunsystems im Simulator modelliert wurden. Es werden T-Zellen, B-Zellen und APC unterschieden.
Daraus resultiert auch die Unterscheidung der Rezeptoren BCR, TCR und CD8. B-Zellen und APC
tragen ein MHC-Molekül auf ihrer Oberfläche. T-Zellen werden nur aktiviert, wenn sie neben einem
entsprechenden Peptid am TCR auch das MHC-Molekül an den CD8-Rezeptor binden können. Im
Simulator läuft sowohl die zelluläre (T-Zell-vermittelte) als auch die humorale (B-Zell-vermittelte)
Immunantwort ab. Es gibt vier verschiedene Umgebungen als Modelle von Körperorganen:
Klasse CCreateEnv : Modell des Knochenmarks
Klasse CDevEnv : Modell des Thymus
1
Mit früheren Versionen wurden beim Entwickeln Laufzeitprobleme in der Implementierung der STL festgestellt.
41
3 Auswertung und Tests
Klasse CTissue : Modell des Körpergewebes
Klasse CReactEnv : Modell der peripheren Lymphorgane
Folgende Immunprozesse sind im Simulator implementiert:
Mechanismus der Genumlagerung bei der Entstehung der Immunzell-Rezeptoren
negative Selektion von B-Zellen
positive und negative Selektion von T-Zellen
klonale Expansion von B-und T-Zellen
somatische Hypermutation von B-Zellen
Hofmeyr und Forrest vergleichen in ihrer Arbeit [HF00] das Modell ihres AIS mit dem Immunsystem
von Wirbeltieren. Daran angelehnt zeigt Tabelle 3.1 eine Gegenüberstellung des realen Immunsystems
und des Modells, das dem Simulaor zugrunde liegt.
+
Peptid/Protein/Epitop/Paratop
Rezeptoren
B-Zellen, T-Zellen
variable Ab-Region
konstante Ab-Region
Gedächtniszellen
Pathogen
Bindung
Zirkulation
Thymus
Knochenmark
MHC
Zytokine
erstes Signal
zweites Signal
klonale Selektion, somatische Hypermutation
positive Selektion von B-Zellen
positive und negative Selektion von T-Zellen
Bitstring
Bitstring
Klassen CBCell, CTCell
Bitstring
NICHT MODELLIERT
NICHT MODELLIERT 2
Bitstring
Affinitätsmaß komplementär zum HammingAbstand
Objektbewegung am Ende jedes Simulationsschrittes
Klasse CDevEnv
Klasse CCreateEnv
Bitstring
NICHT MODELLIERT
Bindung Peptid an TCR bzw. BCR
B-Zellen: durch T-Zellen
T-Zellen: CD8-Rezeptor
Kopieren von Objekten, Bitmanipulation am
BCR
MODELLIERT
MODELLIERT
Tabelle 3.1: Vergleich zwischen Immunsystem und 2
Die Implementierung von Gedächtniszellen in das bestehende System ist einfach. Es muss lediglich bei einigen aktivierten
B-Zellen die Lebenszeit auf „unendlich“ gesetzt werden und ein neuer Zustand MEMORY definiert werden, von dem
aus sie bei erneutem Zusammentreffen mit ihrem spezifischen Ag direkt in den Zustand ACTIVE gelangen.
42
3.2 Test des Systems
3.2
Test des Systems
Durch die Klasse CStatistics werden in jedem Simulationsschritt Daten über die Anzahl der Zellen
gesammelt. Dies geschieht separat für jede Zellart in allen Umgebungen. In den Diagrammen in diesem Abschnitt ist die Anzahl über den Simulationsschritten aufgetragen. Zur besseren Visualisierung
wurden die einzelnen Datenpunkte mit einer Linie verbunden. Für die Tests über Parametereinflüsse
auf das Simulationsergebnis wurden nur einige Parameter ausgewählt und variiert, die Erarbeitung
umfassender Testreihen ist nicht Teil dieser Arbeit. Die hier präsentierten Tests sollen vielmehr dazu
beitragen, die Arbeitsweise des Simulators zu verdeutlichen. In vielen dieser Tests sind die Umgebungen relativ klein (1000 bis 3375 Plätze). Dies ist zum einen der Effizienz der Simulation und zum
anderen der Übersichtlichkeit geschuldet. Auf keinen Fall kann man aus diesen kleinen Testreihen
generelle Aussagen über den Simulationsverlauf in Abhängigkeit von Parameterkonfigurationen ableiten. Tendenzielle Aussagen sind jedoch zulässig.
3.2.1
Selektionsmechanismen
Abbildung 3.1 zeigt die Effekte der negativen und positiven Selektion auf die Zellpopulationen für 50
Simulationsschritte. Alle Umgebungen hatten eine Ausdehnung von zehn Einheiten in jeder Dimension, d. h. 1000 verfügbare Plätze. Die Länge der Rezeptoren, von Epitop und Paratop betrug zehn
Bit. Das MHC-Molekül wie auch der CD8-Rezeptor waren Bitstrings der Länge 5. Die Parameter AFFINITY_REACTION_THRESHOLD und MHC_REACTION_THRESHOLD hatten die Werte 0,6
bzw. 0,5. Im Simulator existierten 128 Selbst-Sequenzen. Mit dieser Konfiguration werden im Durchschnitt ca. 7,5% der B-Zellen als autoreaktiv erkannt und vernichtet. 10,9% der T-Zellen werden durch
die negative Selektion aussortiert und 9,6% durch die positive. Außerdem ist in den Abbildungen zu
sehen, dass die Anzahl Selbst-Ag und Selbst-APC am Anfang der Simulation linear ansteigt und dann
konstant bleibt. Das liegt daran, dass ab einem gewissen Simulationsschritt (in Abbildung 3.1(a) ab
Schritt 10) keine freien Plätze in der Umgebung mehr vorhanden sind. Die Plätze, die durch den Tod
der selektierten Immunzellen frei werden, werden in der Implementierung zuerst wieder mit Immunzellen (also B- und T-Zellen) besetzt. Pro Simulationsschritt werden gleichviel oder mehr Plätze durch
Immunzellen frei, als neu besetzt werden: Gleichviel Plätze würden frei, wenn alle Zellen nur aufgrund ihres Reifestadiums aus der Umgebung wegbewegt würden. Durch die Selektionsmechanismen
können es mehr sein. Diese zusätzlichen freien Plätze werden dann durch Ag besetzt.
Einflüsse von Parametern
Für die Tests in der Umgebung CCreateEnv wurden beispielhaft die Parameter AFFINITY_REACTION_THRESHOLD und NUM_SELFSEQUENCES ausgewählt und variiert. Die Konfiguration ist
die gleiche wie in diesem Abschnitt weiter oben beschrieben, mit Ausnahme der beiden variierten
Parameter.
Die Variation des Parameters AFFINITY_REACTION_THRESHOLD ergibt signifikante Unterschiede im Simulationsablauf. Für Affinitätsgrenzen zwischen 0,5 und 0,8 wurden jeweils 50 Schritte
simuliert. Abbildung 3.2 zeigt die Visualisierung der Simulationen. Tabelle 3.2 fasst die Ergebnisse zusammen. Ein Eintrag entspricht der gemittelten Anzahl Zellen über alle 50 Simulationsschritte
hinweg. Wie zu erwarten, werden mit fallender Affinitätsgrenze mehr B-Zellen selektiert, da die Wahrscheinlichkeit einer Bindung beim Zusammentreffen von Ag und B-Zelle zunimmt.
43
3 Auswertung und Tests
40
20
35
Selbst-APC
T-Zellen
tote T-Zellen; neg.
tote T-Zellen; pos.
30
15
25
10
20
B-Zellen
tote B-Zellen
Ag
15
10
5
5
0
0
0
5
10
15
20
25
30
35
40
45
50
0
5
10
(a) Selektion der B-Zellen
15
20
25
30
35
40
45
50
40
45
50
40
45
50
(b) Selektion der T-Zellen
Abbildung 3.1: Selektion bei B- und T-Zellen
20
20
15
15
10
B-Zellen
tote B-Zellen
Ag
10
5
B-Zellen
tote B-Zellen
Ag
5
0
0
0
5
10
15
20
25
30
35
40
45
50
0
5
10
(a) Affinitätsgrenze=0,5
20
25
30
35
(b) Affinitätsgrenze=0,6
20
20
15
15
10
15
B-Zellen
tote B-Zellen
Ag
10
5
B-Zellen
tote B-Zellen
Ag
5
0
0
0
5
10
15
20
25
30
35
(c) Affinitätsgrenze=0,7
40
45
50
0
5
10
15
20
25
30
35
(d) Affinitätsgrenze=0,8
Abbildung 3.2: Einfluss des Parameters AFFINITY_REACTION_THRESHOLD auf die negative Selektion der B-Zellen
44
3.2 Test des Systems
Affinitätsgrenze
Anzahl B-Zellen
0,5
0,6
0,7
0,8
15,36
16,8
18,16
18,62
Anzahl selektierter
B-Zellen
1,72
1,26
0,54
0,24
Anteil selektierter
B-Zellen
11,2%
7,5%
3,0%
1,3%
Tabelle 3.2: Einfluss des Parameters AFFINITY_REACTION_THRESHOLD auf die negative Selektion der B-Zellen
Bei einer Rezeptorlänge von zehn Bit ergeben sich 1024 verschiedene Bitstrings. In der folgenden
Simulation wurden zuerst ca. 10% (128) der möglichen Bitstrings als Selbst-Sequenzen definiert und
dann 50% (512). Der entsprechend modifizierte Parameter heißt NUM_SELFSEQUENCES. Die
Affinitätsgrenze betrug 0,6. Abbildung 3.3 und Tabelle 3.3 fassen die Ergebnisse zusammen. Der
Wert der Anzahl (selektierter) B-Zellen ist der Durchschnittswert über die 50 Simulationsschritte. Die
Simulationen mit beiden Konfigurationen wurden zehn mal wiederholt, sodass die Werte in der Tabelle
gemittelte Werte darstellen. Daraus lässt sich ein leichter Einfluss der Anzahl von Selbst-Sequenzen
ablesen: je mehr Selbst-Sequenzen, desto mehr B-Zellen werden selektiert. Im konkreten Beispiel
führt eine Vervierfachung der Anzahl Selbst-Sequenzen zu einer Erhöhung des Anteils selektierter
Zellen um 1,55%. Eigentlich würde man ein zahlenmäßig eindeutigeres Ergebnis erwarten. Dass dies
nicht der Fall ist, liegt hauptsächlich an der begrenzten Dimension der Umgebung ( ), die
die Anzahl gleichzeitig existierender Selbst-Sequenzen beschränkt.
20
20
15
15
10
B-Zellen
tote B-Zellen
Ag
10
5
B-Zellen
tote B-Zellen
Ag
5
0
0
0
5
10
15
20
25
30
35
40
45
50
0
(a) 128 Selbst-Sequenzen
5
10
15
20
25
30
35
40
45
50
(b) 512 Selbst-Sequenzen
Abbildung 3.3: Einfluss des Parameters NUM_SELFSEQUENCES auf die negative Selektion der BZellen
Anzahl SelbstSequenzen
128
512
Anteil SelbstSequenzen
12,5%
50%
Anzahl B-Zellen
16,58
16,34
Anzahl selektierter B-Zellen
0,9
1,14
Anteil selektierter B-Zellen
5,43%
6,98%
Tabelle 3.3: Einfluss des Parameters NUM_SELFSEQUENCES auf die negative Selektion der BZellen
45
3 Auswertung und Tests
Zur Untersuchung der negativen Selektion der T-Zellen in CDevEnv wurde der Parameter MHC_REACTION_THRESHOLD variiert. Im ersten Experiment war eine Bindung des MHC-Moleküls
an den CD8-Rezeptor schon bei 50% komplementärer Bits gegeben (MHC_REACTION_THRESHOLD ist 0,5). Im zweiten Experiment mussten mindestens 90% aller Bits komplementär sein
(MHC_REACTION_THRESHOLD ist 0,9), um eine Bindung herzustellen. Alle anderen Parameter wurden gegenüber vorhergehenden Experimenten nicht verändert. Tabelle 3.4 fasst die Ergebnisse
beider Tests zusammen. Im ersten Fall werden weniger T-Zellen selektiert und vernichtet als im zweiten. Das ist plausibel, weil bei einer Affinitätsgrenze von 0,5 nur 50% der Bitstellen im TCR genau
komplementär zum MHC-Molekül sein müssen. Der TCR der T-Zellen wird zufällig erzeugt. Daher
gibt es im Durchschnitt mehr T-Zellen mit mindestens 50%iger Komplementarität (diejenigen mit
mindestens 90%iger Komplementarität sind Teil dieser Menge). Somit müssen im ersten Fall weniger
Zellen als nicht-MHC-bindend aussortiert werden.
MHCAffinitätsgrenze
0,5
0,9
Anzahl T-Zellen
19,12
19,12
Anzahl negativ selektierter T-Zellen
1,9
2,86
Anteil negativ selektierter T-Zellen
9,9%
15,0%
Tabelle 3.4: Einfluss des Parameters MHC_REACTION_THRESHOLD auf die negative Selektion
der T-Zellen
3.2.2
Immunreaktion
Im Organismus wird die Immunreaktion in den peripheren Lymphorganen (CReactEnv ) durch Zellen des angeborenen Immunsystems initiiert. Diese wurden vorher im Körpergewebe (CTissue ) aktiviert. Im Körpergewebe findet auch die eigentliche Immunreaktion statt. Abbildung 3.4 zeigt das
-Umgebung. Die Affinitätsgrenzen
Ergebnis der Simulation der Immunreaktion in einer AFFINITY_REACTION_THRESHOLD und MHC_REACTION_THRESHOLD hatten bei diesem
Experiment jeweils den Wert 0,7. Es wurden 100 Simulationsschritte durchgeführt.
Das erste Bild zeigt die B-Zellen und Ab im Körpergewebe. Ab Simulationsschritt 30 gibt es fast nur
noch aktive B-Zellen. Dementsprechend werden sehr viele Ab ausgeschüttet. Die Ab-Konzentration
steigt vom Schritt 30 bis zum Schritt 34 an und fällt dann wieder ab. Von Simulationsschritt 50 an
gibt es sehr viele aktive B-Zellen und keine Ab mehr. Durch Ausgaben des Simulators auf der Kommandozeile wurde überprüft, dass die aktiven B-Zellen wirklich Ab produzieren. Diese können aber
nicht in die Umgebung eingebracht werden, weil keine Plätze mehr frei sind. Die schon existierenden
Ab reagieren entweder mit ihrem spezifischen Ag und werden dabei vernichtet oder ihre Lebenszeit
läuft aus. Die B-Zellen selbst verhindern das Einbringen neuer Ab in die Umgebung, weil sie die
ganzen Plätze besetzen. Der Platzmangel in den Umgebungen ist ein häufiges Problem und wird im
Abschnitt 3.3 besprochen.
Teilbild 3.4(b) zeigt sehr anschaulich die klonale Expansion der B-Zellen. Es gibt relativ wenig Zellen,
die nur ihr erstes Signal erhalten haben. Nach Erhalt des zweiten (costimulierenden) Signals werden
die B-Zellen geklont und durchlaufen die somatische Hypermutation. Es sind insgesamt weniger aktive Zellen in der Umgebung als hypermutierende, da aktive Zellen am Ende jedes Simulationszyklusses
ins Körpergewebe transferiert werden.
Abbildung 3.4(d) scheint inkonsistent zu Abbildung 3.4(c) zu sein. In CTissue gibt es über die ganze
Simulationszeit hinweg aktive T-Zellen. Von Simulationsschritt 35 an gibt es jedoch in den peripheren
46
3.2 Test des Systems
350
4000
3500
300
3000
250
B-Zellen
B-Zellen, erstes Signal
aktive B-Zellen
Ab
B-Zellen
B-Zellen, erstes Signal
B-Zellen, som. Hyp.
aktive B-Zellen
2500
200
2000
150
1500
100
1000
50
500
0
0
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
0
10
20
(a) B-Zellen in CTissue
30
40
50
60
70
80
90
100
80
90
100
(b) B-Zellen in CReactEnv
600
12
T-Zellen
aktive T-Zellen
T-Zellen
aktive T-Zellen
500
10
400
8
300
6
200
4
100
2
0
0
0
10
20
30
40
50
60
(c) T-Zellen in CTissue
70
80
90
100
0
10
20
30
40
50
60
70
(d) T-Zellen in CReactEnv
Abbildung 3.4: Ablauf der Immunreaktion in CTissue und CReactEnv
47
3 Auswertung und Tests
Lymphorganen (CReactEnv ) quasi keine T-Zellen mehr. Das Problem ist wiederum der Platzmangel
in der Umgebung. (Dabei ist zu beachten, dass sich in CReactEnv auch noch APC aufhalten, sodass
der Platzmangel an den beiden Grafiken 3.4(c) und 3.4(d) nicht ersichtlich ist). Um dieses Problem
zu umgehen, reicht es nicht, die Dimension der Umgebungen zu erhöhen. Tests haben gezeigt, dass
es dann zu keiner Immunreaktion mehr kommt, weil die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Zellen miteinander interagieren können, sinkt. Vorschläge, wie dieses Problem behoben werden kann, werden in
Abschnitt 3.3 gemacht.
Die Ab-Ag-Reaktion aus dem gleichen Experiment zeigt Abbildung 3.5. Im ersten Bild ist zu sehen,
dass die Zahl der Ag in der Umgebung von Simulationsbeginn sehr schnell ansteigt und fast die ganze
Umgebung CTissue mit Ag besetzt ist (es gibt insgesamt 3375 Plätze). Das liegt zum einen daran,
dass sich die Ag exponentiell vermehren (Klonierung in jedem Schritt) und zum anderen dauert die
Entwicklung der Immunzellen in CCreateEnv und CDevEnv fünf Simulationszyklen 3 . Der Organismus hat also erst nach einer gewissen anfänglichen Lernzeit überhaupt eine Möglichkeit auf Ag zu
reagieren. Abbildung 3.5(b) zeigt einen vergrößerten Ausschnitt aus Abbildung 3.5(a). Ein Großteil
der ausgeschütteten Ab reagieren mit ihrem spezifischen Ag. Die Anzahl der vernichteten Ag und
Ab ist gleich, da im Simulator immer nur ein Ag mit einem Ab reagieren kann und beide bei dieser
Reaktion vernichtet werden. Die Abbildungen zeigen, dass die humorale Immunantwort im Simulator
stattfindet. Wie deren Intensität noch erhöht werden könnte, wird in Abschnitt 3.3 besprochen.
3500
Ag
Ab
vernichtete Ag
vernichtete Ab
140
3000
120
2500
Ag
Ab
vernichtete Ag
vernichtete Ab
100
2000
80
1500
60
1000
40
500
20
0
0
0
10
20
30
40
50
60
70
(a) gesamter Simulationsverlauf
80
90
100
25
30
35
40
45
50
(b) vergrößerter Ausschnitt
Abbildung 3.5: Ablauf der humoralen Immunreaktion in CTissue
Einflüsse von Parametern
In diesem Abschnitt soll exemplarisch der Einfluss der beiden Parameter AFFINITY_REACTION_THRESHOLD und MHC_REACTION_THRESHOLD auf die Immunreaktion untersucht werden.
Beide erhalten in vier Versuchen jeweils den gleichen Wert zwischen 0,5 und 0,8. Es wurden 100
Schritte in einer -Umgebung simuliert. Abbildung 3.6 zeigt den Simulationsverlauf für
die B-Zellen in CTissue, Abbildung 3.7 in CReactEnv. Tabelle 3.5 enthält die Gesamtzahl der jeweiligen Zellart über die 100 Simulationsschritte summiert.
3
Dies wird über den Parameter INITIAL_MATURITY_STEPS gesteuert, der in diesem Experiment den Wert fünf hatte.
48
3.2 Test des Systems
50
60
45
50
40
35
40
B-Zellen
B-Zellen, erstes Signal
aktive B-Zellen
Ab
30
25
B-Zellen
B-Zellen, erstes Signal
aktive B-Zellen
Ab
30
20
20
15
10
10
5
0
0
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
0
10
(a) Parameter haben Wert 0,5
20
30
40
50
60
70
80
90
100
(b) Parameter haben Wert 0,6
60
60
B-Zellen
B-Zellen, erstes Signal
aktive B-Zellen
Ab
B-Zellen
B-Zellen, erstes Signal
aktive B-Zellen
Ab
50
50
40
40
30
30
20
20
10
10
0
0
0
10
20
30
40
50
60
70
(c) Parameter haben Wert 0,7
80
90
100
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
(d) Parameter haben Wert 0,8
Abbildung 3.6: Einfluss der Parameter AFFINITY_REACTION_THRESHOLD und MHC_REACTION_THRESHOLD auf die humorale Immunantwort in CTissue
49
3 Auswertung und Tests
Über die Ab-Produktion in CTissue (Abbildung 3.6) in Abhängigkeit der beiden Parameter lassen
sich nur bedingt Aussagen treffen. Es ist in den ersten drei Teilabbildungen zu sehen, dass eine erhöhte
Affinitätsgrenze nicht zu einer erhöhten Anzahl aktiver B-Zellen und somit zu erhöhter Ab-Produktion
führt. Konkrete Werte aus Tabelle 3.5 belegen dies: bei einer Affinitätsgrenze von 0,5 gibt es ca. 2500
aktive B-Zellen, bei 0,6 3100 und bei einem Wert von 0,7 für die Affinitätsgrenzen gibt es nur etwa
1800 aktive B-Zellen. Der Test mit Affinitätsgrenzen von 0,8 (Abbildungen 3.6 und 3.7) unterscheidet
sich im Simulationsverlauf deutlich von den anderen drei Teilexperimenten (Werte 0,5, 0,6 und 0,7).
Es gibt insgesamt nur 82 aktive B-Zellen, 2 aktive T-Zellen und keine Ab. D. h es findet in diesem Fall
eigentlich keine Immunreaktion statt. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Bindung stattfindet, ist zu
gering: Für eine Bindung müssen mindestens 80% der Bits der Bindungspartner komplementär sein.
Der Schluss „Je kleiner die Affinitätsgrenzen (desto wahrscheinlicher eine Bindung), desto stärker
ist die Immunreaktion (Anzahl aktiver Zellen)“ ist nicht zulässig, wie die Experimente zeigen. Diese
Reduktion wäre zu vereinfacht. Es gibt andere Einflussfaktoren, die eine große Rolle spielen:
Der Zufall hat großen Einfluss auf den Simulationsverlauf: Es hat sich gezeigt, dass auch Experimente mit Affinitätsgrenze 0,5 gibt, bei denen keine Immunreaktion eintritt. Es müssten hinreichend viele Experimente mit derselben Konfiguration gemacht werden, um Zufallseinflüsse
auszuschließen.
Ein anderer Einflussfaktor ist der beschränkte Platz in den Umgebungen. Es können oftmals
keine aktiven Zellen oder Ab mehr hinzugefügt werden. Außerdem ist wird mit steigendem
Platzmangel die Bewegungsmöglichkeit der Objekte in der Umgebung beschränkt. Dies führt
gleichzeitig dazu, dass die Wahrscheinlichkeit dafür sinkt, dass ein Objekt im nächsten Schritt
andere Objekte in seiner Interaktionsumgebung hat. Das ganze System ist mit steigendem Platzmangel weniger dynamisch. Wie dieses Problem zu lösen wäre, wird in Abschnitt 3.3 besprochen.
0,5
0,6
0,7
0,8
309
62
372
18
88
60
684
23
102
24
433
10
0
0
524
2
3371
269
2544
2
212396
2994
187470
21932
4168
294
3100
68
207131
3139
182107
21885
3564
262
1767
3
210635
2701
185795
22139
3313
140
82
0
40133
1302
32388
6443
T-Zellen
T-Zellen CTissue
aktive T-Zellen CTissue
T-Zellen CReactEnv
aktive T-Zellen CReactEnv
T-Zellen
B-Zellen CTissue
B-Zellen im Zustand AG_DETECTED CTissue
aktive B-Zellen CTissue
Ab CTissue
B-Zellen CReactEnv
B-Zellen im Zustand AG_DETECTED CReactEnv
B-Zellen im Zustand SOM_HYP CReactEnv
aktive B-Zellen CReactEnv
Tabelle 3.5: Einfluss der Parameter AFFINITY_REACTION_THRESHOLD und MHC_REACTION_THRESHOLD auf die Immunantwort
50
3.2 Test des Systems
4000
4000
3500
3500
3000
B-Zellen
B-Zellen, erstes Signal
B-Zellen, som. Hyp.
aktive B-Zellen
3000
2500
2500
2000
2000
1500
1500
1000
1000
500
500
0
B-Zellen
B-Zellen, erstes Signal
B-Zellen, som. Hyp.
aktive B-Zellen
0
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
0
10
(a) Parameter haben Wert 0,5
30
40
50
60
70
80
90
100
80
90
100
(b) Parameter haben Wert 0,6
4000
4000
3500
3500
3000
20
B-Zellen
B-Zellen, erstes Signal
B-Zellen, som. Hyp.
aktive B-Zellen
3000
2500
2500
2000
2000
1500
1500
1000
1000
500
500
0
B-Zellen
B-Zellen, erstes Signal
B-Zellen, som. Hyp.
aktive B-Zellen
0
0
10
20
30
40
50
60
70
(c) Parameter haben Wert 0,7
80
90
100
0
10
20
30
40
50
60
70
(d) Parameter haben Wert 0,8
Abbildung 3.7: Einfluss der Parameter AFFINITY_REACTION_THRESHOLD und MHC_REACTION_THRESHOLD auf die humorale Immunantwort in CReactEnv
51
3 Auswertung und Tests
3.3
Weiterführende Aufgaben
In diesem Abschnitt wird beschrieben, wie sich in der aktuellen Version beobachtete Probleme lösen
lassen und welche Erweiterungsmöglichkeiten es sowohl für die Implementierung als auch für das
Modell gibt.
Bei den Tests war festzustellen, dass der Platz in den Umgebungen zu Problemen führte: Waren die
Umgebungen zu klein dimensioniert, waren alle verfügbaren Plätze rasch besetzt und es konnten z. B
keine Ab produziert werden. Außerdem sind dann keine Zellbewegungen mehr möglich, was dem
biologischen Vorbild nicht entspricht. Wurde die Dimension vergrößert, fand keine Interaktion mehr
zwischen den Zellen statt, sodass es zu keiner Immunreaktion kam. (B-Zellen z. B. müssen zuerst mit
ihrem spezifischen Ag interagieren und danach mit einer speziellen T-Zelle.) Es sind verschiedene
Lösungsmöglichkeiten denkbar. Zum ersten könnte eine geeignete Konfiguration des Simulators das
Problem lösen (große Umgebungen, viele Simulationsschritte, Affinitätsgrenze niedrig). Zum zweiten
ist es denkbar, den Interaktionsradius der Zellen weiter zu vergrößern. Dies kann für alle Zellen gleich
geschehen; es ist aber auch möglich, nur z. B. den B-Zellen, die ihr erstes Signal erhalten haben, einen
größeren Interaktionsradius zu geben. Das würde adäquat den Einfluss von Zytokinen modellieren:
B-Zellen, die ihr erstes Signal erhalten haben, schütten Zytokine aus, um aktive T-Zellen anzulocken.
Von denen erhalten sie dann ihr zweites Signal.
Weiterhin könnten umfassende systematische Tests zum besseren Verständnis der Arbeitsweise des
Immunsystems führen. Interessant wäre es, zu erfahren, bei welcher Konfiguration es zu einer Immunreaktion mit Vernichtung aller Ag kommt und ob es eine Konfiguration gibt, die zum Tod des
Organismus führt. Bei der Diskussion von Abbildung 3.5 wurde festegestellt, dass das Immunsystem
eine Lernphase benötigt, bevor es überhaupt die Möglichkeit hat, auf Ag zu reagieren. Weitere Tests
könnten zeigen, ob die Immunreaktion effektiver abläuft, wenn Ag erst eingebracht werden, wenn die
ersten Immunzellen bereits zur Reife gelangt sind.
Eine Erweiterung der Statistikklasse könnte Aufschluss geben, wie schnell ein Ag gefunden und
vernichtet wird und wie viele Selbst-Ag angegriffen werden. Außerdem wäre es interessant, eine Zelle
über ihre gesamte Lebenszeit zu verfolgen, in welchen Umgebungen eine bestimmte Zelle wann mit
welchen anderen Zellen interagiert.
Eine Verfeinerung des Modells ist ebenso denkbar. Modellierungen von Gedächtniszellen sowie
CD4-T-Zellen sind nur ein paar Beispiele dafür. Außerdem könnte die somatische Hypermutation genauer modelliert werden: Klone, die in einer gewissen Zeit kein Ag binden können, sterben. Die, die
das Ag gut binden können, werden auf irgendeine Art bevorzugt. So könnte z. B. ihre Mutationsrate
langsamer verringert werden oder sie erhalten eine längere Lebenszeit.
Für die praktische Benutzbarkeit wäre es wünschenswert, die Parameter per Konfigurationsdatei einstellen zu können, ohne neu kompilieren zu müssen. Die Konfiguration des Simulators wäre ebenso
über eine graphische Benutzeroberfläche denkbar. In dieser könnten dann auch die Umgebungen visualisiert werden (Zellkonzentrationen). Für diesen Zweck können die Umgebungen auch zweidimensional sein. (Dafür müssen im Simulator die Parameter für obere und untere Grenze in einer Dimension
auf denselben Wert gesetzt werden).
Der Grundlagenabschnitt hat versucht zu vermitteln, dass das biologische Vorbild künstlicher Immunsysteme enorm komplex ist. Das Modell, das dem Simulator zugrunde liegt, ist detaillierter als die
Modelle in derzeitigen künstlichen Immunsystemen. Es wurde gezeigt, dass im implementierten Simulator die verschiedenen Immunprozesse, wie z. B. Selektionsmechanismen oder Immunreaktion,
52
3.3 Weiterführende Aufgaben
ablaufen. Außerdem wurde durch Beispieltests belegt, dass die Funktion des Systems sehr stark von
Parametereinstellungen abhängt. Erweiterungsmöglichkeiten gibt es sowohl in Bezug auf das Modell
als auch für die konkrete Implementierung. Einige Möglichkeiten wurden im letzten Abschnitt vorgeschlagen.
53
3 Auswertung und Tests
54
Literaturverzeichnis
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[WK02] W ILLIAMS , T HOMAS und C OLIN K ELLEY: Gnuplot. http://www.gnuplot.info/, Dezember
2002.
55
56
Abkürzungsverzeichnis
A B . . . . . . . . . . . . Antikörper
Antikörper
ADCC . . . . . . . . . antikörperabhängige zellvermittelte Zytotoxizität
engl. antibody dependent cellular cytotoxicity
AG . . . . . . . . . . . . Antigen
Antigen
APC . . . . . . . . . . . antigen-präsentierende Zelle
antigen-präsentierende Zelle
BALT . . . . . . . . . bronchienassoziiertes Gewebe
BCR . . . . . . . . . . . B-Zell-Rezeptor
engl. B cell receptor
C-D OMÄNE . . . . konstante Domäne
C-R EGION . . . . . konstante Region
CD40L . . . . . . . . CD40-Ligand
DNA . . . . . . . . . . Desoxyribonukleinsäure
engl. desoxyribonucleic acid
FAB . . . . . . . . . . . antigenbindender Teil
engl. fragment antigene binding
FAS L . . . . . . . . . . Fas-Ligand
F C . . . . . . . . . . . . . kristallisierbarer Teil
engl. fragment crystalizable
GALT . . . . . . . . . darmassoziiertes Gewebe
engl. gut-associated lymphoid tissue
I G . . . . . . . . . . . . . Immunglobulin
MALT . . . . . . . . . mucosaassoziiertes Gewebe
MHC . . . . . . . . . . Haupthistokompatibilitätskomplex
engl. major histocompatibility complex
NK-Z ELLEN . . . natürliche Killerzellen
RNA . . . . . . . . . . Ribonukleinsäure
engl. ribonucleic acid
57
Abkürzungsverzeichnis
TCR . . . . . . . . . . . T-Zell-Rezeptor
engl. T cell receptor
V-D OMÄNE . . . . variable Domäne
V-Domäne
V-R EGION . . . . . variable Region
58
Glossar
Affinitätsreifung Während der humoralen Immunantwort entstehen
Affinität zur ihrem
Antigen.
Anergie Zelle reagiert auch bei ausreichender Stimulierung nicht auf ihr
in einem inaktivem Zustand.
Antikörper mit wachsender
Antigen, sie befindet sich
Antigen ist eine vom Immunsystem als fremd erkannte Substanz. Ein Antigen löst meist eine Immunreaktion aus; ist dies nicht der Fall, wird es als Tolerogen bezeichnet.
Antikörper sind von B-Zellen gebildete
Immunglobuline. Sie können spezifisch an ihr
gen binden und spielen eine entscheidende Rolle bei der humoralen Immunantwort.
Anti-
Apoptose wird der programmierte Zelltod genannt. Von der Zelle selbst initiiert, wird dabei die
DNA des Zellkernes zerstört, sodass keine Proteinsynthese mehr möglich ist.
antigen-präsentierende Zelle APC sind u. a.
Makrophagen und
dendritische Zellen. Sie
Antigene auf ihrer Oberfläche in die sekundären Lymphorgane und präsentietransportieren
ren diese dort den T- und B-Zellen, um sie zu aktivieren.
Aminosäure Aminosäuren sind Carbonsäuren (Carbonylgruppe: ), bei denen ein Wasserstoffatom durch eine Aminogruppe ( ) ersetzt ist. Aminosäuren sind Bestandteile der Prote
ine.
B-Lymphozyt
B-Zelle
B-Zelle B-Zellen sind eine Unterart der
ständig ist.
CD4-T-Zelle
T-Helferzelle
CD8-T-Zelle
T-Killerzelle
Chemokine sind
Lymphozyten, die für die humorale Immunantwort zu-
Zytokine mit chemoattraktiver Wirkung.
dendritische Zelle
APC, die mit ihren langen Fortsätzen
um ihnen
Antigene zu präsentieren.
Lymphozyten umschließen kann,
Disulfidbrücken sind inter- oder intramolekulare Wechselwirkungen zwischen zwei Schwefelatomen (-S-S-). In Polypeptiden treten sie bevorzugt zwischen den
Aminosäuren Cystein und
Cystin auf.
Enzym Enzyme sind katalytisch wirksame
Proteine. Sie beschleunigen die Reaktion, indem sie
die Aktivierungsenergie herabsetzen. Das Enzym nimmt an der Reaktion teil, indem eine Enzym:Substrat Komplex gebildet wird, es wird aber durch die Reaktion nicht verändert.
Epitop ist die Antikörperbindungsstelle am
Antigen, auch Antigendeterminante genannt.
59
Glossar
Exon Der für die Synthese von
Proteinen benötigte Teil eines Gens wird Exon genannt. Das
Gegenteil sind Introns, die nicht direkt ein Protein kodieren. Deren Funktion ist noch nicht
vollständig geklärt.
Lymphozyt, der dafür sorgt, dass die Immunantwort bei
Gedächtniszelle ist ein langlebiger
weiteren Kontakten mit dem Erreger schneller und effizienter verläuft.
Gen ist eine
DNA-Sequenz, die als Einheit transkribiert (übersetzt) wird. Ein Gen kodiert nahe
verwandte
Proteine.
Genom Summe aller
Gene im Erbgut.
Gens. Die Gensegmente enthalten die Kodierung der
VGensegment ist ein Teil eines
Domänen der Polypeptidketten von Antigenrezeptoren. Sie werden durch
somatische ReExons für vollständige V-Domänen zusammengesetzt.
kombination zu
Granulozyt Granulozyten gehören zu den weißen Blutzellen. Sie können
Pathogene zerstören
oder phagozytieren. Es gibt eosinophile, basophile und neutrophile Granulozyten.
Immunglobuline wird eine Familie von Plasmaproteinen genannt, die bei der Immunreaktion beBCR ist ein membrangebundenes Immunglobulin.
teiligt sind. Der
Interleukine
Lymphokine
Isotyp eines Immunglobulines wird auch seine Klasse genannt. Beim Menschen gibt es die Isotypen IgA, IgD, IgE, IgG und IgM. Sie unterscheiden sich strukturell in den konstanten Regionen
ihrer schweren Ketten und funktionell in ihrer Effektorfunktion bei der Bindung an ein
Antigen.
klonale Deletion ist der Prozess der Eliminierung autoreaktiver unreifer Lymphozyten.
Selektion
klonale
Lymphozyten genannt,
klonale Expansion wird der Prozess der Reifung und Vermehrung von
die durch ihr spezifisches
Antigen aktiviert wurden.
klonale Selektion
klonale Selektion Die Theorie der klonalen Selektion ist der Grundgedanke der adaptiven Immunität. Danach gibt es keine reifen autoreaktiven Lymphozyten (diese wurden durch die klonale
Deletion eliminiert) und reife Lymphozyten, die auf ihr spezifisches
Antigen treffen, durchklonale Expansion.
laufen den Prozess der
Kohlenhydrat Die Klasse der Kohlenhydrate unterteilt sich in Monosaccharide, Disaccharide und
(hydratiPolysaccharide. Ihr Name kommt von ihrer allgemeinen Summenformel sierter Kohlenstoff). Wichtige Kohlenhydrate sind z. B. Glucose, Saccharose, Stärke und Zellulose.
Komplementkaskade Gesamtheit voneinander abhängiger Reaktionen des
tems.
Komplementsys-
Komplementsystem Als Komplement bezeichnet man im Blut gelöste
Proteine, die bei der
unspezifischen Immunabwehr eine wichtige Rolle spielen. Sie heften sich an Pathogene oder
infizierte Zellen und machen sie so anderen Abwehrmechanismen erkennbar.
Lymphknoten sind hochorganisierte lymphatische Strukturen an den Schnittstellen des lymphatischen Gewebes. Hier wird die adaptive Immunantwort eingeleitet.
Lymphozyten treffen in
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Glossar
den Lymphknoten auf
zu Effektorzellen.
Antigene und
APC und werden bei entsprechender Spezialisierung
Lymphoblast auch Plasmazelle genannt, ist ein aktivierter Lymphozyt, der in der Lage ist, sich zu
teilen und zu Effektorzellen zu differenzieren.
Lymphokine sind von
leukine.
Lymphozyten abgegebene
Zytokine. Weitere Bezeichnung ist
Inter-
Lymphozyt Die Lymphozyten sind eine Unterart der weißen Blutkörperchen (Leukozyten). Die erworbene Immunität basiert im Wesentlichen auf den Lymphozyten, dabei speziell auf den
B-Zellen und den
T-Zellen.
Lysosom ist ein mit
Enzymen gefülltes
Vesikel, in dem organische Stoffe abgebaut werden.
Makrophage Makrophagen entwickeln sich aus einer Unterart der weißen Blutzellen, den Monozyten. Makrophagen sind
antigen-präsentierende Zellen und spielen bei der humoralen sowie
der zellulären Immunantwort eine Rolle.
Makropinozytose bezeichnet die rezeptorunabhängige Aufnahme extrazellulären Materials. Dieser
Mechanismus wird z. B. von
dendritischen Zellen angewendet.
Milz gehört zu den peripheren Lymphorganen. Sie ist ein faustgroßes Organ, das direkt hinter dem
Magen liegt. Ihre Funktion besteht in der Vernichtung alternder roter Blutzellen und in der
Antigenen aus dem Blut.
Aufnahme von
Mutation bezeichnet die sprunghafte Veränderung eines
negative Selektion
Gens.
klonale Deletion
Opsonierung ist der Prozess der Anlagerung von Plasmabestandteilen an
Phagozytose zu vereinfachen.
Antigene, um deren
Pathogen ist ein infektiöser Mikroorganismus, der im Wirt Krankheiten hervorruft.
Phänotyp Die Menge aller tatsächlich ausgebildeten Merkmale eines Organismus wird als Phänotyp
bezeichnet.
Phagolysosom entsteht durch die Verschmelzung von
Phagosom und
Phagosom ist ein bei der
Vesikel, das das
Phagozytose entstandenes
Lysosom(en).
Pathogen enthält.
Phagozytose ist der Prozess der Aufnahme und Verdauung von Fremdpartikeln in
Vesikeln.
positive Selektion Während der Reifung der
T-Zellen im Thymus überleben nur diejenigen
Zellen, die in der Lage sind, Peptid:MHC Komplexe zu binden.
klonale Selektion
Protein ist ein langkettiges Polypeptid bestehend aus
Aminosäuren.
Rezeptor-Editing ist der Prozess des Austausches einer leichten Kette eines autoreaktiven Rezeptors gegen eine andere, sodass der resultierende Rezeptor nicht mehr autoreaktiv ist.
somatische Rekombination ist die Umordnung der
Gensegmente für den Lymphozytenrezeptor während der Zellreifung. Da diese Änderungen nur in Körperzellen ablaufen, werden sie
nicht vererbt.
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Glossar
somatische Hypermutation Nach der Aktivierung naiver
B-Zellen werden die Gensegmente
überdurchschnittlich oft mutiert. So werden
BCR mit erhöhter Ab-Affinität gebildet. Die
Veränderungen werden nicht vererbt.
TT-Helferzelle wird auch CD4-T-Zelle genannt. Die T-Helferzellen bilden eine Unterart der
Zellen, die andere Zellen zur Immunabwehr gegen Erreger aktivieren kann. Sie erkennen MHCII:Peptid Komplexe.
T-Killerzelle auch CD8-T-Zellen. Die T-Killerzellen bilden eine Unterart der
T-Zellen, die in der
Lage ist, andere Zellen abzutöten. Sie werden durch MHC-I:Peptid Komplexe aktiviert.
T-Lymphozyt
T-Zelle.
T-Zelle Unterart der
Lymphozyten, die für die zelluläre Immunantwort zuständig ist.
V-Domäne ist der variable Bereich der Polypeptidkette eines
Immunglobulines.
Vesikel Als Vesikel bezeichnet man eine von Membran umschlossene Zellorganelle, die auch Bläschen genannt wird.
Zytokine sind von Zellen aufgrund eines Aktivierungssignals abgegebene
halten der Zelle selbst oder anderer Zellen beeinflussen.
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Proteine, die das Ver-
Selbstständigkeitserklärung
Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Arbeit mit dem Titel
Ein Simulator für das Immunsystem
selbständig angefertigt, nicht anderweitig zu Prüfungszwecken vorgelegt, keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt und wörtliche sowie sinngemäße Zitate als solche gekennzeichnet habe.
Chemnitz, den 15. Februar 2004
Chemnitz, am 15. Februar 2004
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Selbstständigkeitserklärung
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Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Arbeit mit dem Titel
EIN SIMULATOR FÜR DAS IMMUNSYSTEM
selbständig angefertigt, nicht anderweitig zu Prüfungszwecken
vorgelegt, keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt
und wörtliche sowie sinngemäße Zitate als solche gekennzeichnet
habe.
Chemnitz, am 15.02.2004
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