4 Die Zusammenarbeit mit den Eltern nach Martin

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Pädagogische Hochschule Heidelberg, SS 2003
Ausarbeitung des Referates zum Thema:
Zusammenarbeit der Eltern einschließlich
der Frühförderung
(Basisliteratur)
Studentinnen:
Christiane Kolb
([email protected])
Claudia Blocherer
([email protected])
Datum:
15. Mai 2003
Studiengang:
Lehramt an Sonderschulen
Hauptseminar im Wahlpflichtbereich 1: Aufgabenfelder der Frühpädagogik
Dozentin: Fr. Prof. Dr. paed. Ursula Horsch
2
Inhaltsverzeichnis
1
Einleitung (Christiane Kolb) .............................................................................................. 3
2
Anlehnung an die Theorie von Martin Buber (Christiane Kolb) ....................................... 3
3
Die Beziehung zwischen Erzieher und Kind nach Martin Buber (Christiane Kolb) ......... 6
4
Die Zusammenarbeit mit den Eltern nach Martin Buber (Christiane Kolb) ...................... 7
5
Die Beziehung von Mutter und Kind (Claudia Blocherer) ................................................ 8
6
Die Aufgaben der Frühförderung (Claudia Blocherer) ...................................................... 9
7
Übertragung auf die Zusammenarbeit mit den Eltern von hörgeschädigten Kindern,
sowie deren Probleme (Claudia Blocherer) ............................................................................. 10
8
Literatur ............................................................................................................................ 13
3
1
Einleitung (Christiane Kolb)
Im Rahmen des Hauptseminars „Aufgaben der Frühpädagogik“ von Fr. Prof. Dr. U. Horsch
zum Wahlpflichtbereich „Sonderpädagogische Frühförderung“ haben wir uns mit dem Thema
„Zusammenarbeit der Eltern einschließlich der Frühförderung“ beschäftigt und uns vor allem
auf die dazugehörige Basisliteratur bezogen.
In dieser Ausarbeitung zum dazugehörigen vorgetragenen Referat werden wir zunächst die
zugrunde liegende Theorie von Martin Buber beleuchten, um dann in den nächsten Kapiteln
sein Verständnis der Beziehung zwischen Erzieher und Kind wie auch hinsichtlich der
Zusammenarbeit mit den Eltern zu erklären. Daraufhin werden wir Grundsätzliches zu der
Beziehung zwischen Mutter und Kind anführen, um im darauf folgenden Abschnitt auf die
Aufgaben des Früherziehers einzugehen. Schließlich werden wir dies noch auf die
Zusammenarbeit mit den Eltern von hörgeschädigten Kindern sowie deren Probleme
übertragen.
2
Anlehnung an die Theorie von Martin Buber
(Christiane Kolb)
Da die Hörgeschädigtenpädagogik bislang die Fragen der Theoriebildung vernachlässigt hat
und es daher eher zu Anleihen bei Nachbardisziplinen kam, ist „die Formulierung einer
pädagogischen Theorie“1 der Hörgeschädigtenpädagogik dringend erforderlich, um nicht in
die Abhängigkeit anderer wissenschaftlicher Disziplinen zu geraten. Somit ist man auf der
Suche nach einer Erziehungstheorie, die in der Lage ist, „die Beziehung, in der Pädagogen,
Eltern und Kind im Erziehungsprozess zueinander stehen“2, zu beschreiben.
Zwar haben Martin Buber und Carl R. Rogers keine pädagogischen Theorien formuliert, aber
es lassen sich bei ihnen Elemente einer solchen wieder finden. So sagt Martin Buber
beispielsweise: „Ich habe keine Theorie! […] Ich zeige Wirklichkeit, ich zeige etwas an
1
Horsch, U. (1998a): Verantwortung übernehmen heißt Antworten geben – Zur pädagogischen Verantwortung
in der Zusammenarbeit mit Eltern. In: Hintermair, M; Horsch, U. (1998, Hrsg.): Hörschädigung als kritisches
Lebensereignis. Aspekte der Belastung und Bewältigung von Eltern hörgeschädigter Kinder. Heidelberg: Groos
Verlag. S. 241.
2
Ebd S. 241.
4
der Wirklichkeit, was nicht oder zuwenig gesehen worden ist“ und meint mit dem Zeigen eine
dialogische Struktur, die sich im Gespräch vollziehen kann.
Im
Folgenden
wird
das
Konzept
von
Martin
Buber
auf
die
Belange
der
Hörgeschädigtenpädagogik untersucht.
Weil für Martin Buber die Kategorie „Beziehung“ eine wichtige Rolle spielt, unterscheidet er
zwei Haltungen, wie wir miteinander umgehen können: zum einen die Ich-Es-Haltung und
zum anderen die Ich-Du-Haltung.
Unter der Ich-Es-Haltung versteht er, dass wir von uns selbst ausgehend handeln und den
Anderen als Gegenstand be-handeln, also eine Distanz zwischen uns herrscht, die durch
Wissens- und Erfahrungsvorsprung des einen gegenüber des Anderen geprägt ist. Der Andere
wird dabei als neutrales Es betrachtet, das uns fremd bleibt. Über diese Ich-Es-Haltung
begeben wir uns auch nicht hinaus, wenn wir nur die Eigenschaften und Daten eines
Menschen zusammentragen und zu einer ersten Aussage über den Menschen kommen, so wie
wir es beispielsweise tun, wenn wir ein Gutachten über einen Schüler erstellen.
Die andere Haltung, die Buber anführt, ist die des „Ich-Du“. Hierbei wird der Andere nicht als
neutraler Gegenstand gesehen, sondern als mein Gegenüber, der als ganzes Wesen für mich
existiert. Grundlegend ist die Beziehung, die zwischen uns besteht, die ein dialogisches,
gegenseitiges Verhältnis zwischen Ich und Du darstellt. Elemente der Ich-Du-Beziehung sind
dabei:

Akzeptanz und Bestätigung:
Akzeptanz nach Martin Buber bedeutet mehr als das Akzeptieren der Stärken,
Schwächen und Eigenschaften: „es geht dabei vielmehr um das Akzeptieren der
Anderheit des Anderen, es geht darum, dass er überhaupt ein Anderer ist und nicht
ich“3. Für Carl R. Rogers heißt dies, die warmherzige Sichtweise des Anderen sowie
den Respekt vor seiner Person.
Während sich Akzeptanz auf den gegenwärtigen Stand des Anderen bezieht, wie er
gerade ist, schließt Bestätigung auch ein, was der Andere einmal werden kann. Indem
3
Danner, H. (Hrsg., 1985): Zum Menschen erziehen. Pestalozzi, Steiner, Buber. Frankfurt am Main, Berlin,
München: Diesterweg Verlag. S. 67.
5
ich den Anderen bestätige, heißt dies aber auch, dass ich ihn in manchen Dingen nicht
bestätige und mit ihm infolgedessen um eine Entscheidung ringe.

Empathie und Umfassung
Unter Empathie versteht Martin Buber, die Welt mit den Augen des Anderen zu sehen.
Im engeren Sinn, sich in seinen Gegenüber einzufühlen.
Bubers Begriff der Umfassung bedeutet hier aber mehr als Sich-Einfühlen, nämlich
sich bis zu einem bestimmten Grad vorstellen können, „was der Andere denkt, was er
fühlt und wozu er bereit ist“4, den Anderen in seiner Einzigartigkeit zu begreifen, ohne
dabei die eigene Person aus den Augen zu verlieren, ohne sich selbst untreu zu
werden.

Kongruenz
Kongruenz fordert vom Ich, sich selbst gegenüber ehrlich zu sein, dem Anderen nichts
vorzumachen und sich somit nicht hinter einer Rolle zu verstecken
Auf diese Weises versteht Martin Buber unter der Ich-Du-Beziehung „etwas Dauerhaftes,
eine vertraute Form des Miteinander-Umgehenkönnens und dem Gefühl des Daseins für
einander“5, ebenso und gerade dann wenn man räumlich getrennt ist. So lässt sich
heraushören, dass Vertrauen eine zentrale Rolle spielt. Aber auch Konflikte, die daraufhin
beide verändern, muss dieses Ich-Du-Verhältnis überstehen. In echten Ich-Du-Beziehungen
wird es dann darum gehen, für beide tragbare Entscheidungen zu treffen, die die weitere
Beziehung nicht stören.
Diese beiden Haltungen, die Ich-Es- Haltung und die Ich-Du-Haltung, bedeuten für Martin
Buber, zwischen den beiden zu wählen und sich im besten Fall für die Ich-Du-Beziehung zu
entscheiden. Dabei ist sich Martin Buber bewusst, dass man nicht jedem Menschen, dem man
begegnet
in
einer
Ich-Du-Haltung
gegenüber
treten
Schalterbeamten, bei dem man eine Fahrkarte kaufen möchte6.
4
Horsch 1998a, S. 252.
5
Ebd S. 246.
6
Vgl. Danner 1985, S. 66 f.
kann,
beispielsweise
dem
6
3
Die Beziehung zwischen Erzieher7 und Kind
nach Martin Buber (Christiane Kolb)
Das Verhältnis zwischen Erzieher und Schüler sollte ebenfalls ein dialogisches sein, das auf
einer vertrauensvollen Beziehung gegründet ist. Dabei muss dem Erzieher bewusst sein, dass
sich in seinem Beruf die beiden Haltungen, Ich-Es und Ich-Du, verschränken. Daher muss er
für sich stets klären, wann er sich in der Ich-Es-Welt befindet, in der er an Wissen und
Erfahrung kompetent sein soll, und wann in der Ich-Du Welt.
Geht man von Bubers Forderung aus, dass am Anfang aller Entwicklung die Beziehung steht,
so ist es die Aufgabe des Erziehers, „den Dialog mit dem Kind zu suchen und eine Ich-DuBeziehung zu pflegen, damit das Kind am Du des Erziehers zum Ich werden kann“ 8. Die
Besonderheit an dieser Erzieher-Kind-Beziehung ist die Einseitigkeit, das heißt, es existiert
die eine Seite, die erzieht, und eine andere Seite, die erzogen wird, aber nicht umgekehrt.
Zwar wirken die Erfahrungen, die das Kind macht, auf den Erzieher zurück, doch erzogen
wird der Erzieher durch das Kind nicht.
Als Erzieher hat man Verantwortung9 für das Kind übernommen, das heißt nach Martin
Buber, der dies „personhafte Verantwortung“ nennt, dass ich mich dem Kind anbiete, dass ich
ihm Antworten auf seine Fragen gebe, auch auf diese, die im Vertrauen gestellt sind. Dies
verlangt vom Erzieher mehr als nur empathisch zuzuhören und die Äußerungen
widerzuspiegeln, es beinhaltet zugleich, dass ich nur Antworten gebe, zu denen ich stehen
kann, zu denen ich kongruent bin. Personhafte Verantwortung hat somit etwas mit
Verbindlichkeit und Vertrauen zu tun, sich ganz auf das Kind mit seiner Anderheit
einzustellen, es umfassen. Um dies zu erfüllen, muss ich als Erzieher völlig „da sein“ und
meine Präsenz nicht nur vortäuschen.
7
Zur besseren Lesbarkeit werde ich im Folgenden nur noch von dem Erzieher reden, was dann auch die
Früherzieher / -förderer, Berater und Pädagogen einschließt.
8
Horsch 1998a, S. 257.
9
Verantwortung wird hier in zweierlei Hinsicht verstanden: Zum einen die pädagogische Verantwortung, die ich
als Erzieher dem Kind gegenüber übernommen habe, und zum anderen, dass Verantwortung auch Ziel der
Erziehung sein kann, also Erziehung zur Verantwortung.
7
Wie in Kapitel 2 erwähnt, beinhaltet dieses Ja-Sagen zum Kind nicht nur, grundsätzlich
seinen Entscheidungen zu zustimmen, sondern auch das gemeinsame Ringen um diese und
das Bereithalten von Alternativen. Trotz dieses Ringens behält das Kind jedoch die Zusage,
dass der Erzieher bei ihm bleibt und weiterhin zu ihm steht.
4
Die Zusammenarbeit mit den Eltern nach
Martin Buber (Christiane Kolb)
Auch wird die Theorie von Martin Buber hinsichtlich der Elternberatung und –begleitung
angeführt, da hier leider viel zu oft die Fachkompetenz des Beraters überwiegt und die IchDu-Beziehung vernachlässigt wird, also eine Einseitigkeit besteht, die nicht im Sinne Martin
Bubers ist.
So fordern Eltern mittlerweile, dass sie bei ihrer Suche nach Beratung und Hilfe nicht länger
„be-handelt“ werden, sondern ein Austausch zwischen ihnen und dem Berater stattfindet
sowie ihr Mitsprachrecht berücksichtigt wird. Für ihr Kind wünschen sie sich, dass sein Du
vom Erzieher nicht aus den Augen verloren wird. Das heißt folglich, dass sie sich einen
Berater wünschen, der sowohl in der Welt des Ich-Es als auch in der Welt des Ich-Du zu
Hause ist.
Die Erfahrung, dass der Erzieher über die beziehungsstiftenden bzw. –tragenden Variablen
Empathie, Akzeptanz und Kongruenz ihnen und dem Kind gegenüber verfügt, lässt die Eltern
sich selbst auch wieder positiv in ihrer Rolle als Vater und Mutter erleben, wenn sie dieses
Empfinden beispielsweise auf Grund der Diagnose Hörschädigung des eigenen Kindes
verloren haben. So können sie selbst wieder Vertrauen in sich schöpfen und ihr „intuitive
parenting“10 erneut erlangen, so dass (weitere) Störungen der Beziehungsentwicklung
zwischen Eltern und Kind abgewandt werden können.
Deutlich wird hier, dass die Zusammenarbeit mit den Eltern, wie eigentlich jede dialogische
Beziehung, von personhafter Verantwortung des Betreuers getragen sein sollte. Zu dieser
personhaften Verantwortung gehört es dann auch, zu der Frage „Was würden Sie an unserer
10
Vgl. Papousek, H.; Papousek, M. (1995): Vorsprachliche Kommunikation: Anfänge, Formen, Störungen und
psychotherapeutische Ansätze. In: Petzhold, H. G. (Hrsg.): Die Kraft liebevoller Blicke. Band 2.
Säuglingsbeobachtungen revolutionieren die Psychotherapie. Paderborn: Junfermann Verlag. S. 123 – 142.
8
Stelle tun?“ oder zu Vorstellungen der Eltern hinsichtlich der Zukunft ihres Kindes, die man
so noch nicht stehen lassen kann, seine eigene Position sichtbar zu machen, ohne dabei aus
der Ich-Du-Beziehung herauszutreten oder an diesem Konflikt zu zerbrechen. Denn auch hier
ist es wichtig, dass die Eltern – genau wie oben schon angeführt das Kind – die Gewissheit
haben, dass man als Erzieher trotzdem weiterhin für sie da ist.
5
Die Beziehung von Mutter und Kind (Claudia
Blocherer)
(Aufsatz: "Die Bedeutung des Hörens für die Beziehungsentwicklung" von U. Horsch)
Beziehung kann sich nur mit einem "Ich" und einem "Du" entwickeln. Was Martin Buber
damit meint, wurde bereits in den vorangegangen Punkten erläutert. Beziehung und damit das
(hören) Lernen, gelingt nur, wenn die Mutter oder die Bezugsperson in Beziehung tritt mit
ihrem Kind. Das Kind sucht nach Verbundenheit mit der Bezugsperson (dies zeigt sich schon
direkt nach der Geburt, wenn das Kind nach taktiler, akustischer und optischer Berührung auf
der Suche ist), es wartet auf Zärtlichkeit und Ansprache. Mart in Buber sagt, dass es eine
Grunderfahrung des Menschen sei, Zwiesprache zu halten. Als "Antwort" ist es wichtig, dass
die Mutter das Kind akzeptiert und bestätigt. Nur so kann es sich angstfrei und zu einem
mutigen Menschen entwickeln. Damit die Mutter das Kind so akzeptieren kann wie es ist,
muss sie selber kongruent sein, d.h. selber echt und zu sich ehrlich sein. Eine weitere wichtige
Komponente gegenüber dem Kind ist, sich einfühlen können in dessen Bedürfnisse. Auch das
gelingt nur, wenn die Mutter u m ihren eigenen Standort weiß. Diese Fähigkeiten entwickeln
aber Eltern intuitiv und sind unbedingt wichtig, damit das Kind selbst Liebe und
Verbundenheit entwickeln kann.
Neuere Forschungen bestätigen übrigens, dass Gefühle sehr wichtig sind. Sie bestimmen die
"Architektur" unseres Gehirns (Greenspan), wie sich Nervenbahnen verbinden. Nur durch die
tragfähige Mutter-Kind-Beziehung ist es dem Kind erst möglich zu lernen.
Hören und Sprechen lernen
Lernen funktioniert also nur mit einer guten Beziehung. So auch das Hören und Sprechen
lernen. Der Blickkontakt sei die erste Verständigungsebene zwischen Erwachsenem und
Säugling. Vorgeburtlich nimmt es aber auch schon die Stimme der Mutter wahr. Die Stimme
9
der Mutter ist dabei besonders wichtig. Sie beruhigt, wenn das Kind weint. Es gibt
Forschungen, die zeigen, dass das vier Tage alte Baby bereits die Muttersprache erkennt und
mit vier Monaten die korrekt segmentierte Sprache der falsch segmentierten vorzieht. Mit
einem Jahr kann es Laute, die in der Muttersprache nicht vorkommen, nicht mehr lernen.
Man hat herausgefunden, dass Kinder über eigene Spracherwerbsmechanismen verfügen, die
aber nur zum Tragen kommen, wenn die Mutter unterstützend durch beziehungsstiftende
Faktoren einwirkt. Diese Faktoren sind z. B. Blickkontakt, handlungsbezogenes Sprechen,
Motheres (melodiöse Form des Sprechens), turn-taking (Lallen wiederholen). Jede Beziehung
zwischen Mutter und Kind ist ganz einzigartig. Das Baby baut durch die ganz individuellen
Erfahrungen mit der Mutter eine bestimmte Erwartungshaltung auf. Wird diese plötzlich
gestört, weil sich die Mutter anders verhält (z.B. durch die Diagnose Hörschädigung), kann es
zu Interaktionsstörungen kommen. Daher ergeben sich für den Früherzieher folgende
Aufgaben.
6
Die Aufgaben der Frühförderung (Claudia
Blocherer)
Der Früherzieher sollte die Einzigartigkeit jeder Beziehung unterstützen. Hinsichtlich eines
Diagnoseschocks sollten Eltern erst mal wieder in ihrem Eltern sein bestätigt werden. Wichtig
ist herauszufinden, welche Förderangebote passen zu der Situation und den Eltern. Eltern
sollten selbst entdecken, welchen Weg sie mit ihrem Kind gehen wollen und ihnen nicht
Angebote einfach überstülpen. Dazu gehört eine hohe fachliche Kompetenz seitens des
Frühförderers, sowie Sensibilität. Er muss fähig sein, herauszufinden, wo die Eltern stehen
und was sie wollen. Es muss davor gewarnt werden, vorschnelle Förderangebote zu machen.
Da das Hören aber sehr wichtig bleibt für das Kind und es einen Anspruch darauf hat, sollte
eine gute Hörversorgung in Anspruch genommen werden.
10
7
Übertragung auf die Zusammenarbeit mit den
Eltern von hörgeschädigten Kindern, sowie
deren Probleme (Claudia Blocherer)
(Aufsatz: "Die Beziehung von Eltern und hörgeschädigten Kindern" von B. Bertram)
Die Diagnose Hörschädigung bei einem Kind löst bei den meisten Eltern erst einmal einen
Schock aus. Eltern stellen sich dann sehr unterschiedlich der Situation. Die einen betrachten
sie als Herausforderung, werden dann aber zu "Märtyrer-Eltern", die sich völlig aufopfern.
Die anderen fühlen sich der Situation nicht gewachsen, geben sich gegenseitig
Schuldzuweisungen und zerbrechen gar an der Lebensaufgabe. Alle sind jedoch umtrieben
von der Ungewissheit bezüglich der Zukunft ihres Kindes. Erfolgt die Diagnose durch die
Fachleute dann auch noch entsprechend unsensibel, ergibt sich ein Gefühl der dauernden
Verletzung. Eltern haben in dieser Situation auch oft das Gefühl allein gelassen zu sein.
Hilfreich ist hier ein soziales Netz, das sie auffangen könnte, doch gerade das zerbricht
manchmal. Es ist daher ganz wichtig, dass Fachleute feinfühlig vorgehen. Sie sollten die
Eltern in ihrem Elternsein erst mal bestärken, so dass sie zu ihrer natürlichen und gesunden
Emotionalität zurückfinden. N ur durch die elterliche Liebe und Wertschätzung kann sich das
behinderte Kind optimal entwickeln und seine Entwicklungsmöglichkeiten freisetzen.
Schwierigkeiten bei dem Aufbau von Eltern-Kind-Beziehungen mit einem hörgeschädigten
Kind: Für die optimale emotionale Entwicklung entscheidend ist eine frühe und stabile
Bindungsbeziehung. Mutter-Kind-Beziehungen entstehen nicht durch Prägung, wie man
herausgefunden hat, sondern durch biologisch bedeutsame Verhaltenstendenzen und
Verhaltensbereitschaften. Folgende Schlüsselvariablen sind wichtig:

Wahrnehmung der Befindlichkeit des Säuglings

richtige Interpretation der Äußerungen aus der Sicht des Kindes

prompte Reaktion

Angemessenheit der Reaktion
Die mütterliche Feinfühligkeit ist sehr bedeutsam für die emotionale Entwicklung des Kindes.
Es will sich emotional austauschen. Dafür braucht es Vertraulichkeit, Zuverlässigkeit,
Fürsorge und die Gegenwart der Bezugspersonen. Die Stetigkeit einiger weniger Personen ist
11
entscheidend. Auch die Kommunikation mit den Bezugspersonen ist wichtig. Da fängt aber
das Dilemma für Eltern mit einem hörgeschädigten Kind an. Sie sind zunächst verunsichert
im Umgang mit dem Kind. Hörende Kinder haben immer noch akustischen Kontakt, auch
wenn sie nicht im Blickkontakt mit der Bezugsperson stehen. Ein hörgeschädigtes Kind fühlt
sich so oft allein gelassen. Die Kommunikation Mutter-Kind wird somit ständig unterbrochen
und ist instabil. Nur die elterlich Mimik ist vorhanden. Die Sprachmelodie, die sprachliche
Zugewandtheit wie trösten oder der liebevollen Autorität ist nicht vorhanden. Ein
verlässliches Bezugssystem ist aber nur gewährleistet durch ein kommunikatives Miteinander.
Für die Eltern ist das sehr belastend, da sie dem Kind die Welt nicht wirklich vermitteln
können und das Kind kann sich umgekehrt nur schlecht artikulieren (Freude, Wünsche,
Kummer). Eltern fühlen sich dadurch hilflos. Der Blick- und Körperkontakt, sowie die
Ansprache wird verringert (obwohl das Gegenteil nötig wäre), das Kind wird dadurch
frustriert. Ein weiteres Problem ist, dass Eltern erkennen müssen, in Zukunft auf Fachleute
angewiesen zu sein. Das beraubt sie ein Stück weit ihrer Souveränität. Mit der fachlichen
Hilfe setzen sie sich ständiger Kontrolle und Bewertung durch andere Menschen aus. Manche
fühlen sich dadurch ausgeliefert, andere empfinden sie als hilfreich. Hinzu kommt, dass das
hörgeschädigte Kind oft als Objekt einer jeweiligen Therapie gesehen wird und es auf Hören
und Sprechen lernen reduziert wird. Es wird wenig gesehen, was es k ann. Deshalb ist es
wichtig, dass Fachleute die Eltern wertschätzen und sie in ihren elterlichen Kompetenzen
stärken. Gut wären psychologische Beratungsangebote, sowie Selbsthilfegruppen.
Geschwisterproblematik
Zuletzt soll noch auf die Geschwister von hörgeschädigten Kindern eingegangen werden. Sie
haben mit folgenden Problemen zu kämpfen:

sie müssen Rücksicht nehmen

die Eltern haben nicht mehr soviel Zeit

sie sollen stark und groß sein

es wird von ihnen ein hohes Maß an Loyalität gegenüber dem behinderten
Geschwister erwartet

Überbeanspruchung von Selbständigkeit und Hilfsbereitschaft

im Jugendalter stehen sie im Konflikt zwischen Ablösung und der starken Bindung
durch die Verantwortung für das behinderte Geschwister

sie sind belastet durch die Verhaltensstörung des Geschwister
12
Um sie zu entlasten, sind folgende Vorschläge sinnvoll:

Freiraum für sich bekommen

Zeit, gemeinsam mit den Eltern zu verbringen ohne das Geschwister

Gelegenheit Wut und Ärger über das behinderte Geschwister äußern zu dürfen

Anerkennung für ihr Engagement

Eltern entlasten, dass sie mehr Zeit für das gesunde Geschwister haben
13
8
Literatur
Basisliteratur:

Betram, B. (2003): Die Beziehung von Eltern und hörgeschädigten Kindern. In:
Horsch, U. (2003, Hrsg.): Frühe Dialoge (in Druck).

Horsch, U. (1998a): Verantwortung übernehmen heißt Antworten geben – Zur
pädagogischen Verantwortung in der Zusammenarbeit mit Eltern. In: Hintermair, M;
Horsch, U. (1998, Hrsg.): Hörschädigung als kritisches Lebensereignis. Aspekte der
Belastung und Bewältigung von Eltern hörgeschädigter Kinder. Heidelberg: Groos
Verlag. S. 383 – 268.

Horsch, U. (1998b): Die Bedeutung des Hörens für die Beziehungsentwicklung. In:
Spektrum Hören. Hamburg. S. 6 – 17.
Zusätzliche Literatur:

Danner, H. (Hrsg., 1985): Zum Menschen erziehen. Pestalozzi, Steiner, Buber.
Frankfurt am Main, Berlin, München: Diesterweg Verlag.

Papousek, H.; Papousek, M. (1995): Vorsprachliche Kommunikation: Anfänge,
Formen, Störungen und psychotherapeutische Ansätze. In: Petzhold, H. G. (Hrsg.):
Die Kraft liebevoller Blicke. Band 2. Säuglingsbeobachtungen revolutionieren die
Psychotherapie. Paderborn: Junfermann Verlag. S. 123 – 142.
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