Am heutigen Abend erklingen Werke von 4 Komponisten, deren

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Mittwoch, 6. Februar 2013
20 Uhr, Volkshaus
6. Philharmonisches Konzert Reihe A
Letzte Worte. Legenden.
Hector Berlioz (1803-1869)
Ouvertüre »König Lear« (Le Roi Lear) op. 4
Béla Bartók (1881-1945)
Konzert für Viola und Orchester op. posth. (Version Serly)
Allegro moderato
Lento
Allegretto
Pause
Johannes Brahms (1833-1897)
Sinfonie Nr. 3 F-Dur op. 90
Allegro con brio
Andante
Poco allegretto
Allegro
Dirigent: GMD Marc Tardue
Viola: Christian Götz
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Der Dirigent
Marc Tardue wurde als Sohn franko-italienischer Eltern in Amerika geboren. Er absolvierte das
Peabody Conservatory in Baltimore und studierte anschließend Klavier und Dirigieren, darüber
hinaus ist er ausgebildeter Gesangslehrer und Klavierbegleiter. Schon kurz nach Beendigung
seiner Studien erhielt er von amerikanischen Choral-, Sinfonie- und Opernensembles
Engagements als musikalischer Leiter und Chefdirigent. Von 1982 bis 1984 war Marc Tardue
Chefdirigent der National Opera von Reykjavik, 1984 gewann er den internationalen
Dirigentenwettbewerb »Concours International d’Execution Musicale Ernest Ansermet« (CIEM).
1985 übernahm er kurzfristig beim »Ensemble Instrumentale de Grenoble« Aufführungen der 9.
Sinfonie von Beethoven und wurde sowohl vom Publikum wie auch den Musikern dermaßen
umjubelt, dass das Orchester ihn umgehend zum Musikdirektor wählte. Unter seiner Leitung
wurde das Repertoire des Klangkörpers um große Sinfonien sowie Chor- und Opernwerke
erweitert. Zwischen 1991 bis 2002 war Marc Tardue Chefdirigent des Sinfonieorchesters des
Theaters Biel (Schweiz), von 1999 bis 2009 des Orquestra Nacional do Porto (Portugal). Seit
2010 ist er künstlerischer Leiter und Musikdirektor der »Oper Schenkenberg« (Schweiz). Als
gern gesehener Gastdirigent arbeitet er mit renommierten Orchestern im In- und Ausland
zusammen. Für seine künstlerischen Leistungen wurde Marc Tardue mit vielen Preisen und
Auszeichnungen geehrt, u.a. erhielt er 1989 den französischen Kulturorden »Chevalier des Arts
et des Lettres« und 2004 die »Medalha de Mérito Cultural«, eine der höchsten Ehrungen
Portugals.
Der Solist
Christian Götz, 1984 in Halle/Saale geboren, hatte ab dem 6. Lebensjahr Violinunterricht an der
Musikschule Leipzig. Nach dem Abitur studierte er an der Hochschule für Musik und Theater
Leipzig, später an der Universität der Künste Berlin bei Professor Hartmut Rohde, an der er 2009
sein Diplomexamen absolvierte. Bereits seit 2007 war er Mitglied der Orchesterakademie des
Rundfunksinfonieorchesters Berlin. Eine regelmäßige Zusammenarbeit verband ihn überdies mit
dem Bachorchester des Gewandhauses zu Leipzig. In der Saison 2009/2010 hatte er einen
Zeitvertrag bei der Dresdner Philharmonie. Seit 1. Januar 2011 ist Christian Götz Solo-Bratscher
der Jenaer Philharmonie.
Avantgarde gegen Konservative
Beim Verfassen eines Programmführers gehen mir immer drei Aspekte der Werkbesprechung
durch den Kopf: Die Werkanalyse, das Hörerlebnis – denn dem Konzertpublikum steht zumeist
keine Partitur zur Verfügung – und der Inhalt (biografische und programmatische Einflüsse).
Werfen wir einen Blick auf vergangene Epochen, insbesondere das 19. Jahrhundert, indem
Musikkritik, Musikjournalismus und Musikwissenschaft ihren größten Einfluss auf Komponisten
und Gesellschaft hatten. Die Musik wurde als höchste Vereinigung aller Künste angesehen und
dem mündigen Publikum ein enormes Musikverständnis zugesprochen. Dann wird deutlich, wie
wichtig vor allem die Frage nach dem äußeren Einfluss auf die Komposition sowie die
Werkinterpretation und -beschreibung ist.
Dies führt uns auf direktem Weg zum »Musikstreit« zwischen Avantgardisten und
vermeintlichen Konservativen: Programmmusik gegen absolute Musik – Berlioz, Liszt und
Wagner gegen Schubert, Schumann und Brahms. Zwei Lager, die aus derselben Tradition
hervorgingen und sich alle auf den Vollender der Klassik und großen Visionär Ludwig van
Beethoven beziehen. Sie alle meinten, dass es nach Beethoven schwierig wäre, Musik zu
komponieren und suchten deshalb nach eigenen Wegen und Innovationen.
Für den Außenstehenden schlagen alle Komponisten eine ähnliche Richtung ein: Der Musik
wurden nun Programme, Ideen und Vorbilder aus anderen Künsten wie Literatur oder Malerei zu
Grunde gelegt.
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Doch die beiden Lager führten einen erbitterten Kampf gegeneinander. Für die
Programmmusiker wie Berlioz und Liszt war die Musik die höchste Vereinigung aller Künste.
Sie konnte Geschichten formulieren, Charaktere erschaffen, mit Klangfarben Bilder malen und
Gefühle ausdrücken. Sie war eine erzählende Kunst.
Dem gegenüber standen die Verfechter der absoluten Musik. Auch sie setzten manchmal ihren
Werken klare Überschriften voran. Doch strebten sie nach dem romantischen Ideal, das die
Vollendung des Kunstwerkes von der Phantasie des Rezipienten abhängig macht und dieser nicht
durch konkrete Programminhalte davon abgelenkt oder im schlimmsten Fall fehlgeleitet werden
sollte.
Wir erkennen nun die unterschiedlichen Sichten der Komponisten auf die Herangehensweisen an
ihre Schöpfungen. Doch wie liegen diese Dinge heute? Wie erhalten wir Informationen über das
Werk? Ist es für unser Verständnis und Hörvergnügen wichtig, den biografischen Hintergrund
und die Intentionen des Künstlers zu kennen, wenn wir diese Musik hören?
Das heutige Konzert wird von zwei Vertretern eben dieser beiden Oppositionen umrahmt. Zum
einen die Ouvertüre zu König Lear von Hector Berlioz, in welcher die Geschichte des Königs
Lear nach Shakespeare erzählt wird, und die berühmte 3. Sinfonie des Romantikers Johannes
Brahms. Dazwischen spielt das Orchester das von Béla Bartók vor seinem Tod begonnene und
von seinem Schüler Tibor Serly vollendete Bratschen-Konzert. Auch hier stellt sich die Frage
nach dem Programm, da der Lebenslauf eines Künstlers ebenfalls programmatischen Einfluss auf
sein Werk nehmen kann.
Doch lassen Sie sich selbst von der Musik Geschichten und Legenden erzählen oder machen Sie
– nach dem romantischen Ideal – mit ihrer eigenen Phantasie erst die Brahms’sche Sinfonie zu
einem Kunstwerk.
Die Komponisten und Ihre Werke
Wir beginnen mit der Ouvertüre »König Lear« (Le Roi Lear) op. 4 von Hector Berlioz. Ein
Stück, welches sich sowohl eines inhaltlichen Programms bedient, als auch von prägenden
biografischen Ereignissen beeinflusst wurde. Die Entstehungsgeschichte jedenfalls liest sich wie
ein Abenteuerroman.
1827 kam Berlioz, als eine Schauspielergruppe aus England in Paris gastierte, erstmals mit dem
Oeuvre Shakespeares in Kontakt. Er verdiente sein Studiengeld damals selbst als Varietésänger,
besuchte eine solche Aufführung mit der Schauspielerin Harriett Smithson und verfiel ihr. Sicher
trug dies dazu bei, die Vorstellungen der Theatertruppe, welche vorzugsweise Shakespeare
aufführte, häufiger zu besuchen.
Drei Jahre nach diesem Ereignis verdingte er sich als Musiklehrer an einem Mädchenpensionat,
wo er auf die Klavierlehrerin und Pianistin Marie-Félicité Moke traf und sich mit ihr verlobte.
Neben dieser Anstellung komponierte er immer neue Stücke und gewann endlich mit seiner
Kantate »Sardanapale« den Rom-Preis, auf welchen er bereits vier Jahre lang hin gearbeitet
hatte. Mit diesem Preis war sein Einkommen auf mindestens fünf Jahre gesichert, außerdem
erhielt er ein Stipendium in Rom. Im Januar 1831 traf er dort auf Felix Mendelssohn Bartholdy,
der schon 1826 mit seiner Ouvertüre »Sommernachtstraum« einen Shakespeare-Text zur Vorlage
benutzt hatte. In der Folge fühlte sich Berlioz inspiriert, sich weiterhin mit den englischen
Dramentexten des Poeten von Avon auseinanderzusetzen.
In dieser Zeit erhielt er einen Brief von der Mutter seiner Verlobten, die ihm mitteilte, dass das
Bündnis aufgehoben und Marie-Félicité den reichen Pariser Klavierbauer Camille Pleyel heiraten
würde. Die Legende besagt, dass er sich, von dieser Nachricht geschockt, sofort auf den Weg
zurück nach Paris machte, um alle an diesem Komplott beteiligten Personen und schließlich sich
selbst umzubringen. Sein Plan war es, sich mit einer gestohlenen Pistole und in Frauenkleidern
Zugang zu den Wohnräumen der Familie Moke in Paris zu verschaffen und dort ein Blutbad
anzurichten.
Glücklicherweise nahm eine damalige Reise von Rom nach Paris mehrere Tage und
Zwischenstopps in Anspruch. So kam er zuerst nach Genua, wo sich sein Gemüt soweit beruhigt
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zu haben schien, dass er nur noch sich selbst umbringen wollte. Jedoch wurde er von Freunden
abgehalten. Sein Weg führte ihn weiter nach Nizza, wo er nun vollends seinen Mordplan verwarf
und sich eine einmonatige Auszeit nahm. Er bewohnte ein Zimmer direkt am Meer, wachte
durch das Rauschen der Wellen auf, beobachtete die Schiffe im Hafen und erkundete die
umliegende Gegend. In seiner Niedergeschlagenheit suchte er Ablenkung in seiner Arbeit. Er
erinnerte sich an Shakespeare. Besonders angetan hatte es ihm die niederschmetternde
Geschichte des König Lear, der anscheinend die gleichen Schmerzen erlitten hatte, wie Berlioz
ein paar Wochen zuvor.
König Lear war ein stolzer Mann, der sich zur Ruhe setzen und sein Reich auf seine drei Töchter
aufteilen wollte. Um eine Entscheidung herbeizuführen, veranstaltete er einen Liebestest, den
seine Lieblingstochter Cordelia verlor. Stattdessen bekamen die beiden anderen Töchter den
gesamten Besitz. In ihrer Gier verstießen sie den König, der einsam im englischen Moor
herumirrte und darüber wahnsinnig wurde. Seine Lieblingstochter, inzwischen mit dem
französischen König verheiratet, erfuhr vom Schicksal ihres Vaters und eilte ihm mit einer
Armee zu Hilfe. Gemeinsam mit Königstreuen kämpften sie gegen die Verräter. Cordelia und ihr
Vater gerieten dabei in Gefangenschaft und sollten getötet werden. Zwar gewannen die Krieger
des Königs den Kampf, aber für Cordelia kam jede Hilfe zu spät. König Lear erkannte nun das
erschreckende Ausmaß seines Fehlers, beweinte den Tod seiner Tochter und starb als
gebrochener Mann.
Zur musikalischen Wiedergabe eines solchen Programms bedurfte es einer Erweiterung des
traditionellen Klangspektrums. Neben den bisherigen musikalischen Ausdrucksmitteln, wie
Rhythmik, Kontrapunkt oder motivisch-thematischer Arbeit in der klassischen Periode,
emanzipierte sich nun die Klangfarbe als ästhetisches Kompositionsmittel.
Tiefe Streicher, noch an Beethoven erinnernd, dominieren den Anfang der Ouvertüre. König
Lear wird charakterisiert. In der Folge taucht dieses Motiv immer wieder auf, mal mit
fanfarenschmetternden Bläsern und Pauken, dann mit hektischen, nicht zu bremsenden,
schneidenden Streichern. Ganz nach Gemütszustand ändert sich auch die Orchestrierung. Ein
ebensolches Charaktermotiv gibt Berlioz Cordelia. In den hohen Lagen erklingen die Streicher in
lieblicher Begleitung durch die Holzbläser. Einen Höhepunkt erreicht das Geschehen mit der
Verstoßung des Königs und dem einsetzenden Allegro, welches in einem verrückten Tempo den
Wahnsinn Lears nachzeichnet. Die Ouvertüre scheint glücklich zu enden, doch in der letzten
Minute hören wir vom Tod Cordelias und dem im Chaos versinkenden Reich Lears.
August Wilhelm Schlegel, ein Schriftsteller und Zeitzeuge beschreibt dies so: »[Eine] furchtbare
Sinfonie, in der die Menschheit, während die Erde von Gewittern bebt, ihr ganzes Leid
auszuschreien scheint.«
Das zweite Stück des Abends scheint ebenfalls biografisch beeinflusst zu sein. Jedenfalls
erkennen Kritiker im Konzert für Viola und Orchester op. posth. von Béla Bartók den
Lebensweg des Komponisten wieder. Eine immer wieder zitierte Legende unterstreicht diesen
Eindruck: »Es tut mir leid, dass ich mit vollem Gepäck scheiden muss.«, dies sollen die letzten
Worte Bartóks auf dem Totenbett gewesen sein. Ein Sprichwort sagt: Reise mit leeren Taschen,
damit du viele Eindrücke darin einpacken kannst. Bartók erwähnt hier seine Koffer, die er
während seiner (Lebens-)Reise füllte und deren Eindrücke er zum Schluss nicht mehr zu Papier
bringen konnte.
Noch im Jahr 1944 nahm er aus Geldnot einen Auftrag des Bratschisten William Primrose für
ein Konzert an. Zur Vorbereitung studierte er das bisherige Repertoire für Viola, um die
technischen Möglichkeiten des Instruments auszuloten. Dabei ließ er sich von Hector Berlioz’
»Harold en Italie« mit konzertanter Viola und seiner Klangfarbigkeit inspirieren.
Rezitativisch werden wir bei Bartók von der Solo-Viola begrüßt, die uns rhapsodisch etwas zu
erzählen scheint. Dabei steigert sie sich in explosive Erregung hinein, um dann wieder in
melancholische Resignation zurückzufallen. Ebenso erscheint ihr Spiel manchmal schroff und
widerborstig, dann wieder sanft, fast wehmütig. Das Orchester erhält dabei nur eine Nebenrolle,
wogegen dem Solisten in virtuosen Partien höchstes technisches Können abverlangt wird.
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Es schließt sich ein zweiter Satz voller erhabener Ruhe und Wärme an. Der volle Klang der
Viola ermöglicht diese friedvollen Momente, welche fast schon meditativ anwirken. An seine
Biografie angelehnt, könnte man meinen, hier seine tiefe Traurigkeit zu hören: Ein Emigrant, ein
Flüchtling, gelandet in der grenzenlosen Moderne New York Citys – ohne Aussicht auf
Rückkehr. Trauer um die Heimat, welcher er in der Einsamkeit am Saranac Lake nahe zu
kommen sucht.
Im letzten Satz kommt er diesem Zuhause wieder näher. Nützlich vor allem für diesen Satz
waren sicherlich seine früheren Studien der ungarischen Volksmusik. Das Allegro vivace
begegnet uns mit tänzerischem Schwung und dem Temperament des Balkans. Jedoch ist das
Spiel der Viola ähnlich wie im ersten Satz zwiegespalten zwischen den Gefühlen für die gute alte
Heimat und der Angst vor den Verwüstungen des 2. Weltkriegs.
Béla Bartók konnte dieses Werk leider nicht mehr beenden. Wie andere seiner Kompositionen
wurde auch diese von seinem ehemaligen Schüler Tibor Serly, ebenfalls einem Bratschisten,
fertiggestellt.
Das berühmteste Werk dieses Abends erklingt nach der Pause. Nun können wir in direkter
Gegenüberstellung den Kontrast zwischen den gegnerischen Lagern der Programmmusiker und
den Vertretern der absoluten Musik anhand der 3. Sinfonie in F-Dur op. 90 von Johannes
Brahms hören, den Unterschied zwischen extern intendierter und aus sich selbst heraus
geschaffener Musik.
Brahms begann recht spät mit der Komposition von Sinfonien. Noch um 1870 schrieb er dem
Dirigenten Hermann Levi: »Ich werde nie eine Sinfonie komponieren! Du hast keinen Begriff
davon, wie es unser einem zu Mute ist, wenn er immer so einen Riesen [Beethoven] hinter sich
marschieren hat.« Doch schon sein Freund Robert Schumann hatte ihn gedrängt, eine Sinfonie
zu schreiben. Denn nur ein solches Großwerk bringt einen Komponisten in der Gunst des
Publikums und der Kritiker voran.
Für seine 1. Sinfonie benötigte Brahms dann doch vierzehn Jahre und vollendete sie 1876. Auch
er musste zunächst seinen eigenen sinfonischen Stil und seinen eigenen Gattungsbegriff
gegenüber Beethoven festigen. In der 1883 fertiggestellten Sinfonie Nr. 3 finden wir diesen nun
ausgeprägt vor.
Ähnlich wie bei Beethovens 5. Sinfonie wird das Eröffnungsmotiv, hier ein aufwärtssteigendes
Motto in den Bläsern, zur Grundlage für die restliche Sinfonie. Jedoch bringt Brahms dieses
Akkord-Motiv nicht plakativ an exponierter Stelle, sondern bindet es geschickt in den
harmonischen Ablauf ein. Ohne Notenanalyse bleibt es für den Hörer oftmals sogar unerkannt.
Es besteht aus einem Dur-Moll-Wechsel, der sich ebenfalls durch das gesamte Werk zieht.
Genau wie dieses Motiv arbeitet er auch alle anderen Themen mit Hilfe der »entwickelten
Variation« charakteristisch aus. Besonders im zweiten Satz, dem Andante, kann man dies am
pastoralen Hauptthema in den Klarinetten verfolgen. Es wirkt fast kammermusikalisch, was ihn,
wie auch am Schluss der Sinfonie, wieder von Beethoven abgrenzt.
Anstelle des Scherzos im dritten Satz tritt nun bei Brahms ein Poco allegretto. Besonders
markant für den Hörer sind die »Seufzer«-Passagen, die in ihrem Schwelgen an Tschaikowski
erinnern.
Es schließt sich der letzte Satz, ein Konglomerat der bisherigen Themen, an. Am Anfang erinnert
es wieder an den stolzen Beethoven, wird dann aber mit den Synthesen der vorangegangenen
Sätze zusammengeführt. Nach etwa zwei Minuten taucht das Lieblingsmotiv des Publikums auf,
weshalb sich diese Sinfonie einer großen Beliebtheit erfreut. Oder vielleicht doch eher wegen der
Erinnerungen an die 5. Sinfonie Beethovens, die auch für den Hörer erkennbar wiederkehren.
Jedoch hat sich Brahms im Gegensatz zu seinem großen Vorbild noch eine
Satzformverschiebung herausgenommen. Eine überdimensionale Coda lässt das Werk nicht
enden. Die Themen werden noch einmal variiert, welches den Anschein einer zweiten
Durchführung erweckt. Danach erlischt die Sinfonie, ohne großes Pathos.
Jessica Brömel, M.A
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