Sportmedien und Mediensport I 3. Einschaltquoten: Eine gute Medienwährung? Sebastian Ende [email protected] Ermittlung der Einschaltquoten Seit 1985 werden in Deutschland die Einschaltquoten von der GfK (Gesellschaft für Konsum-, Markt-, und Absatzforschung) ermittelt. Die GfK hat von der AGF (Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung) den Auftrag zur Durchführung der kontinuierlichen Fernsehzuschauerforschung in Deutschland. Dadurch ist gewährleistet, daß es in Deutschland eine "einheitliche Währung" für die Nutzungswerte TV gibt, und zwar sowohl für die öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehsender wie auch für die Werbeagenturen und Werbungtreibenden. Die Kosten von jährlich rund 35 Mill. DM werden von den Fernsehsendern und Firmen der Werbewirtschaft getragen. Um die Zahlen zu ermitteln, wählt die GfK Haushalte aus, deren Zusammensetzung statistisch den rund 34,3 Millionen TV-Haushalten in Deutschland entspricht. Diese bilden die Grundlage der GfK-Fernsehforschung. Alle Haushalte in denen die Fernsehnutzung gemessen wird, bilden ein verkleinertes Abbild der Grundgesamtheit. Dieses Abbild wird Panel genannt. Derzeit gibt es in Deutschland 5.640 Haushalte zur Ermittlung des TV-Konsums (seit 2001 davon 140 EUAusländerhaushalte), damit werden ca. 13.000 Personen > 3 Jahre erfasst. In jedem Bundesland gibt es mindestens 220 Haushalte, in NRW als dem einzigen Bundesland etwas mehr als 1.000. Diese Haushalte werden nach den wichtigsten soziodemographischen Kriterien gezielt von der GfK ausgewählt. Soziodemographische Kriterien u.a.: Haushaltsgröße Alter des Haushaltsvorstandes Schulbildung des Haushaltsvorstandes Zahl der Kinder unter 14 Jahren im Haushalt Gemeindegrößenklasse, Regierungsbezirk, Bundesland Wohnart Schulbildung der Personen im Haushalt Ausstattung des Haushalts mit Fernsehgeräten, Videorecordern, Teletext-Fähigkeit, etc. Zugehörigkeit im Hinblick auf Empfangsebenen Kabel, Satellit, Antenne Bewerbungen seitens der Haushalte werden nicht beachtet. Grundlage für den Aufbau und die fortlaufende Aktualisierung des Panels sind Strukturpläne, welche von der Arbeitgemeinschaft Media Analyse (AG.MA) erstellt werden. Dies erfolgt unter anderem mittels Interviews, von denen jährlich ca. 50.000 durchgeführt werden. Die MA stellt für das Fernsehpanel mit deutschen Haushaltsvorständen die benötigten Informationen über die Soziodemographie, Haushaltsmerkmale und Geräteausstattung der Grundgesamtheit (Haushalte mit mind. 1 TV) zur Verfügung. Eine Person im Panelhaushalt repräsentiert durchschnittlich 6.086 Personen. „Die Auswahl anhand dieser Kriterien stellt sicher, dass die wirklich relevanten Einflußgrößen auf die TV-Nutzung berücksichtigt werden und repräsentative Aussagen für das Fernsehverhalten in Deutschland getroffen werden können.“ (GfK Fernsehzuschauerforschung in Deutschland.) Das Messverfahren Im Haushalt wird ein elektr. Messgerät fest installiert. Mittels einer Fernbedienung melden sich alle Haushaltsmitglieder per Knopfdruck an, sobald sie fernsehen. Es erfolgt eine sekundengenaue Aufzeichnung der gesehenen Programme. Des weiteren erfasst die Gfk die Nutzung von Viedeotext, Telespielen und d-Box. Auch per Videorecorder aufgezeichnete Sendungen können registriert werden. Die Daten aus den einzelnen Haushalten werden nachts zwischen 03:00 und 05:00 Uhr telefonisch abgerufen und bei der GfK-Fernsehforschung gewichtet und hochgerechnet. Daraus läßt sich das Zuschauerverhalten bei Sendungen und Werbeblöcken für beliebige Zielgruppen, Regionen und Empfangssituationen ermitteln. Wichtige Begriffe Einschaltquote: Haushalte, die während eines bestimmten Zeitraumes den Fernseher eingeschaltet hatten. Auch Haushaltsreichweite genannt. Ratings: Reichweite bei speziellen Zuschauergruppen – interessant für Werbebranche. Marktanteil: Dieser Wert ist für den Vergleich mit Konkurrenzsendern von Bedeutung. Hier geht es darum, die prozentuale Aufteilung der Zuschauer unter den Anbietern zu ermitteln. Also: Wenn x Leute insgesamt ferngesehen haben, wie viele entfallen davon auf jeden einzelnen Sender? Zielgruppe: Da die Kenndaten für jede einzelne Person bekannt sind, kann auch ermittelt werden, wieviele Zuschauer aus verschiedenen Altersgruppen, mit welchem Einkommen etc. bestimmte Programme sehen. Am wichtigsten für die Werbewirtschaft und damit die Sender sind die Zuschauer zwischen 14 und 49 Jahren. Daher ist die spezielle Zielgruppe 14 - 49 normalerweise interessanter als die Reichweite bei allen Zuschauern. Das Messverfahren ist statistisch abgesichert und die AGF sowie die Werbebranche erkennen die Zahlen an. Nutzung der Daten durch die Sender Die mit Hilfe der GfK gewonnenen Informationen dienen den Fernsehsendern als Erfolgskontrolle. Als erfolgreich kann man Sendungen bezeichnen, bei denen hohe Preise für Werbespots verlangt werden können. Das ist dann der Fall, wenn viele Leute aus einer bestimmten Zielgruppe als Zuschauer zu erwarten sind oder wenn nicht so viele, aber dafür finanzstarke und konsumfreudige Personen vor den Bildschirm gelockt werden können. Die Daten sind damit Grundlage der Werbepreiskalkulation. Die entscheidende Größe ist der Tausenderkontaktpreis (Preis für 1000 Personen, die zur Sendezeit der Werbung zusehen). Dieser hängt davon ab, wie viele Zuschauer zur jeweiligen Sendung zu erwarten sind. Preise für Werbung im deutschen Abendprogramm: 30 s kosten ca. 80.000 bis 100.000 DM. (Zum Vergleich: in den USA zur Primetime bis 600.000 $, beim Superbowl 1 Mill. $) Ist eine bestimmte Zielgruppe gewünscht, hängt der Preis vom Anteil der Zuschauer aus dieser Zielgruppe ab. Wenn eine Zielgruppe optimal für ein Produkt ist, wird für deren Erreichen von der Werbung betreibenden Industrie auch ein höherer Kontaktpreis in Kauf genommen. Das hat zur Folge das Einschaltquoten immer ignoriert werden, wenn mit einem besonders kaufkräftigem Publikum argumentiert werden kann. Dann zählt nicht die Menge, sondern die „Qualität“ der Zuschauer. Das bedeutet einen Ausschluß derjenigen bei der Programmgestaltung, die keine Kaufkraft haben. Es wird auch analysiert zu welchem Zeitpunkt in einer bestimmten Sendung die Zuschauerzahlen sinken. Daraus lassen sich u. a. Hinweise für die inhaltliche Gestaltung des Programms gewinnen. (wer hat wann zu welchem Sender umgestellt – Rückschlüsse auf eigene Programmgestaltung) Die Redakteure erfahren von der GfK welches Publikum diese oder jene Sendung bevorzugt. Dieses Wissen fließt in die langfristige Programmplanung. Nicht zuletzt werden die Einschaltquoten für Eigenwerbung genutzt. Private Sender konzentrieren sich bei der Auswertung der Quoten nur auf die 14 – 49jährigen Zuschauer (Werbeindustrie hat diese Menschen gern vor dem Fernseher), während die Öffentlich Rechtlichen alle Altersgruppen ab 3 Jahre berücksichtigen. Zum Beispiel ist der Zuschaueranteil von über 50jährigen beim ZDF besonders hoch. Nutzung der Daten in Werbe- u. Mediaagenturen In den Agenturen versucht man abzuschätzen, wie ein neues Fernsehkonzept o. -format beim Publikum ankommen wird. Der Begriff dafür ist Forecast. Forecast stellt eines der bestgehüteten Geschäftsgeheimnisse dar. Es gibt besondere Auswertungsprogramme, die feststellen welche Sendungen stabil laufen und wie es sich mit Zuschauergröße u. –struktur bei diesen Sendungen verhält. Der Ist- Zustand wird ermittelt. Über mathematische Verfahren errechnet man per Computer eine Prognose für die neue Sendung. Wenn Agenturen auf Grund dieser Ergebnisse kein Vertrauen in ein bestimmtes Format setzen, buchen sie keine Spots und die Finanzierung ist nicht mehr gesichert. Die Mediaplaner der Werbeagenturen haben die Quoten der Programme und Werbeblöcke und wissen auch wie das Publikum strukturiert ist. Sie vergeben keine Aufträge, wenn ihre Zielgruppe nicht zu den Zuschauern gehört oder wenn Zuschauer aus zu vielen Zielgruppen erreicht werden, da die Fernsehsender sich jeden Kontakt bezahlen lassen. Das Wissen um die Zuschauer stammt aus der Datensammlung der GfK, wo neben soziodemographischen Informationen auch das Konsumverhalten der einzelnen Haushaltsmitglieder des Panels sowie Sendeprotokolle der Sender gespeichert sind. Sendeprotokolle enthalten u.a.: Ausstrahlungszeitpunkt und Dauer von Sendungen und Werbeblöcken. Die Sender werden unterschiedlichen Kategorien zugeordnet, und Codiert. Sendercodierung geschieht nach folgenden Kriterien: Programmsparten (Unterhaltung, Werbung, Information), Sendungsform (Talk, Nachrichten, Spielfilm), Themen der Sendung (z.B. bei Blitz oder Explosiv), regionaler Bezug, Produktionsart u. -datum, Herkunftsland und Zielgruppe (Männer, Frauen, Kinder, Bildung usw.). So ist es möglich festzustellen wer was gesehen hat. Die Datenbank umfaßt Detailinformationen. 4,5 Mill. Sendungstitel und die dazugehörigen Was spiegeln die Einschaltquoten wieder Große Konzerne haben bessere Möglichkeiten für die Vermarktung ihrer Produktionen als kleinere, da sie finanziell besser ausgestattet sind. Dadurch haben ihre Produkte einen besseren Stand auf dem Markt, was sich zuerst an den Kinokassen zeigt und später bei den Einschaltquoten fortsetzt. Die Folge ist, daß kleinere Produktionen gar keine Chance haben sich durchzusetzen, auch wenn sie Wünsche des Publikums berücksichtigen, die von den „großen“ vernachlässigt werden. So entwickelte sich eine Marktstruktur, die durch wenige Anbieter und viele Nachfrager charakterisiert ist – eine oligopolistische Konkurrenz weniger Konzerne. Wenn Vielfalt verloren geht, bleiben auch die Interessen der Zuschauer auf der Strecke. Für Fernsehsender ist das erste Gebot kostengünstig zu produzieren. Uns werden viele Fernsehsehserien aus den USA angeboten, weil sie sich auf dem amerikanischen Markt bereits amortisiert haben und deshalb billig einzukaufen sind. Im Jahr 1996 wurden 6,89 Mrd. DM in Fernsehwerbung investiert. Da ist es klar das sich die Verantwortlichen fragen, bei welchem Sender sich die konsumfreudigsten Zielgruppen finden lassen. Eine Investition muß sich lohnen und möglichst auch buchhalterisch erfassbaren Nutzen bringen. Der Betrag für diese Investitionen ist im Preis der im Handel angebotenen Produkte mit einkalkuliert. Die Behauptung der Privatsender in einer Kampagne für die Fernsehwerbung– sie ermögliche für den Zuschauer kostenloses Fernsehvergnügen – ist also nicht ganz richtig. Ein wichtiger Aspekt ist, dass die Agenturen nicht die genaue Zuschauerzahl für den eigenen Werbespot kennen (technisch möglich, aber die AGF behält diese Zahlen für sich), sondern nur die für den gesamten Werbeblock. Aus diesem Grund läßt sich keine genaue Aussage über die verkaufsrelevante Wirkung der Werbung treffen. Es weiß also niemand ganz genau, ob sich Fernsehwerbung im speziellen Fall des einzelnen Spots überhaupt rentiert. Dadurch wird die Finanzierung des Fernsehens durch Werbung in Frage gestellt. Thesen: 1. Einschaltquoten messen was von den Zuschauern mangels Alternative geschluckt wurde. (Dieter Prokop) 2. Einschaltquoten spiegeln nicht die Publikumswünsche wieder, sondern die Kapitalkraft der Medien. (Dieter Prokop) 3. Einschaltquoten spiegeln den Geiz der Medien wieder. (Dieter Prokop) Medien sind Schlachtfelder auf dem die Sieger nicht siegen weil sie demokratisch ihr Publikum finden, sondern weil sie die Macht haben, andere vom Markt zu drängen. (Dieter Prokop) Literatur: Buß, M. (1998). Das System der GfK- Fernsehforschung: Entwicklung und Nutzen der Forschungsmethode. In W. Klingler, G. Roters & O. Zöllner (Hrsg.), Fernsehforschung in Deutschland. Themen – Akteure – Methoden (Bd. 2, S. 787 – 813). Baden – Baden: Normos. Lilienthal, V. (1998). Leitwährung unter Druck. Politische Funktionen und Probleme der Fernsehforschung. In W. Klingler, G. Roters & O. Zöllner (Hrsg.), Fernsehforschung in Deutschland. Themen – Akteure – Methoden (Bd. 2, S. 967 – 985). Baden – Baden: Normos. Prokop, D. (1998). Warum Einschalquoten kein demokratisches Bild der Publikumswünsche ergeben. In W. Klingler, G. Roters & O. Zöllner (Hrsg.), Fernsehforschung in Deutschland. Themen – Akteure – Methoden (Bd. 2, S. 955 – 966). Baden – Baden: Normos. Müller, D. K. (2000). Fernsehforschung ab 2000 – Methodische Kontinuität. Media Perspektiven, 1, 2 – 7. http://www.ardwerbung.de/mediaperspektiven/inhalt/MP00/MP00_01/1-2000Mueller.pdf http://www.Gfk.de/. Menüpunkt Unternehmensbroschüren. „GfK Fernsehforschung.pdf“