Laudatio von Prof. Roland Gugler, Karlsruhe - Pfleger

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Robert Pfleger-Forschungspreis 2004
Professor Dr. Urs Meyer
Laudatio von Professor Roland Gugler
Die Geschichte des Arzneimittels
Die Geschichte des Arzneimittels von der Frühzeit bis heute zeigt eine
abenteuerliche Entwicklung. Aus der Zeit vor 40000 Jahren wurden
in dem heutigen Irak in einem Schamanengrab 7 Heilpflanzen gefunden
Aus den Hochkulturen von Assyrien und Ägypten gibt es bereits Schriften mit
hunderten von pflanzlichen und mineralischen Arzneimitteln.
Bis ins Mittelalter beruhten Grundlagen der Therapie überwiegend
auf arabischen Einflüssen. Es war Hildegard von Bingen, die in
unserem Kulturkreis im 12.Jahrh. die Arzneitherapie neu ordnete.
Der wichtigste Meilenstein der Neuzeit kam im 16. Jahrh. durch
Philippus Theophrastus Bombastus von Hohenheim, genannt
Paracelsus, der aus der Alchemie der Araber die innerliche
Anwendung der Medizin einführte. Ende des 19. Jahrh. kamen
die ersten organisch-synthetischen Arzneimittel aus der
Teerfarbenindustrie. In der Folge große Entdeckungen:
Aspirin – Insulin – Hormonpille – Antibiotika – Kortison – ß-Blocker …..
Nachdem hochwirksame, saubere Arzneimittel vorhanden waren,
haben wir in der Mitte des vergangenen Jahrh. gelernt, mit den
Wirkstoffen besser umzugehen. Schon immer war klar, dass die Dosis
ein entscheidender Faktor für die Wirkung eines Medikamentes ist.
Jetzt wurde mit der Pharmakokinetik beschrieben, wie der Körper
mit einem Medikament umgeht: Resorption, Verteilung, Ausscheidung.
War man zunächst sehr zufrieden, wenn man die Kenndaten der
Pharmakokinetik kannte, so musste man bald zur Kenntnis nehmen,
dass die interindividuellen Unterschiede der Wirkung eines
Medikamentes von einer Vielzahl von persönlichen Merkmalen
abhingen, die man nach und nach näher charakterisierte.
In erster Linie waren dies Merkmale der Pharmakokinetik:
Alter, Geschlecht, Umweltfaktoren wie Ernährungsgewohnheiten,
Rauchen, Alkohol. Die Erkrankung des Patienten selbst kann
die Wirkung eines Arzneimittels dramatisch verändern,
so z.B. eine Nierenerkrankung die Elimination eines Stoffes,
der überwiegend renal ausgeschieden wird. Eine Lebererkrankung
die Elimination eines Stoffes, der überwiegend durch
Verstoffwechselung ausgeschieden wird.
Herausragende Forschung des Preisträgers
Neben den persönlichen Faktoren waren es die Interaktionen zwischen
verschiedenen Medikamenten, die zunehmend Interesse fanden. Und jetzt sind
wir bereits mitten im Forschungsgebiet von Professor Urs Meyer. Die
Verstoffwechselung von Medikamenten in der Leber erfolgt in erster Linie durch
ein Enzymsystem im zytoplasmatischen Retikulum der Leberzelle, dem
Cytochrom P450. Dieses Enzymsystem kann durch andere Stoffe in seiner
Aktivität gehemmt oder gesteigert werden. Der Vorgang der Induktion führt z.B.
dazu, dass ein Medikament zur Aufhebung der Blutgerinnung (Marcumar) in
Gegenwart eines bestimmten Antibiotikums rascher abgebaut und dadurch
unwirksam wird. Urs Meyer hat entscheidend daran gearbeitet, dass man heute
die molekularen Grundlagen, die sich im Zusammenhang mit der Induktion
abspielen, genauer versteht.
Das nächste Problem, das die Sache noch etwas schwieriger macht, war die
Feststellung, dass das Cytochrom P450 nicht ein einheitliches Enzym ist, sondern
aus einer Reihe von Subsystemen besteht, den P450-Isoenzymen, von denen jedes
nur ganz bestimmte Metabolisierungsschritte erledigen kann.
Induktion oder Hemmung der Metabolisierung betreffen meist nur ein spezielles
Isoenzym, und viele Interaktionen lassen sich heute bereits vorhersagen, wenn man
die am Abbau des Stoffes beteiligten
Isoenzyme kennt.
Anfang der 70er Jahre wurde von verschiedenen Forschergruppen beobachtet, dass
einzelne Patienten auf ein bestimmtes Medikament abnorm reagierten, obgleich sie
sich in allen äußeren Merkmalen (Alter, Geschlecht, Dosis etc.) nicht voneinander
unterschieden. Es traten Zeichen der Überdosierung bis hin zu
Vergiftungserscheinungen auf.
Mit der Messung der Blutspiegel der Medikamente zeigte sich, dass diese Personen
fünf-bis zehnfach höhere Konzentrationen im Blut hatten als die normal
Reagierenden. An der Aufklärung dieser Vorgänge war bereits ein früherer
Preisträger des Robert-Pfleger-Forschungspreises beteiligt: Prof. Michel
Eichelbaum.
Urs Meyer hat entscheidenden Anteil an der Beschreibung der molekularen
Mechanismen dieser genetischen Polymorphismen. Genetisch bestimmte
Polymorphismen sind nämlich verantwortlich dafür, weshalb eine Gruppe
sogenannter „Poor Metabolizer“ bestimmte Enzymschritte nur sehr viel langsamer
vollziehen kann als andere. Während wir hier in Mitteleuropa für bestimmte
Enzymschritte nur 2% Poor Metabolizer haben, sind es in Japan für den gleichen
Enzymschritt 20%.
Urs Meyer hat mit seiner Arbeitsgruppe insbesondere die genetischen
Polymorphismen zweier Isoenzyme CYP-2D6 und CYP-2C19 sowie den
Polymorphismus der N-Acetyltransferase untersucht, die Enzyme in gereinigter
Form isoliert, die normalen Gene und die Gene der Mutanten geklont und
sequenziert. Er hat einen DNA-Test entwickelt, mit dem man weltweit
epidemiologische Studien zur Verbreitung der Mutationen durchführen kann.
Bedeutung für die Medizin
Wo liegt die Bedeutung dieser Arbeiten für die praktische Medizin?
Urs Meyer hat als erster den primären Enzymdefekt der phamakogenetischen
Erkrankung Akute intermittierende Porphyrie beschrieben, einer ernsten
neurologisch-psychiatrischen Erkrankung.
Es ist weiter anzunehmen, dass genetische Polymorphismen ein Rolle spielen
bei der Krebsentstehung, weil Veränderungen in der Metabolisierung von
Fremdstoffen ihre Kanzerogenität dramatisch
steigern können. Neben dem besseren Verständnis der Wirkung eines
Arzneimittels bei einem Individuum hilft die Pharmakogenetik, ethnische
Unterschiede in der Arzneimittelwirkung zu verstehen.
Der Preisträger
Nach diesen Ausführungen über die Entwicklung der ArzneimittelForschung und die speziellen, herausragenden wissenschaftlichen Verdienste
des Preisträgers lohnt es sich, sich die Person von Urs Meyer etwas genauer
anzusehen.
Geboren und aufgewachsen ist er in einem Bauerndorf in der Nähe von Baden in
der Schweiz. Obwohl sein Vater Arzt war, entstand hier eine Naturverbundenheit
und Bodenständigkeit durch den ständigen Umgang mit Enten und Kühen bei
den Bauern, die er immer beibehalten hat.
Das Gymnasium hat er in Aarau besucht. Dass er nach seinen eigenen Angaben
ein mittelmäßiger Schüler war, hat er mit Albert Einstein gemeinsam, der aus der
gleichen Stadt und Schule kam.
Seine Interessen waren eher Fussball, Handball, Skirennen. Seine didaktischen
Fähigkeiten hat er früh geübt mit dem Erwerb des Schweizer Skilehrer-Patents.
Daneben hat er sich sehr für das Theater interessiert, Kinderrollen gespielt,
später auch Regie geführt: also wollte er Schauspieler und Regisseur werden.
Auf Druck des Vaters begann er aber zunächst mit dem Medizinstudium. Doch
schon nach 3 Jahren trieb es ihn wieder
in das Bühnenstudio des Zürcher Schauspielhauses. Nach 6 Monaten riet man
ihm aber, lieber Medizin weiterzustudieren, denn Schauspieler sollte man nur
werden, wenn man außergewöhnlich begabt sei. Urs Meyer sagt selber, die
Schauspielerei habe ihm bei mancher mündlichen Prüfung geholfen.
Nach dem Studium ging Urs Meyer zunächst für 2 Jahre in die biomedizinische
Forschung. Ihn zog es dann für 7 Jahre nach
San Francisco, USA, wo er zunächst seine klinische Ausbildung als Intern und
Resident ableistete. Ebenfalls in San Francisco, später auch in Dallas, war er in
der Klinischen Pharmakologie tätig bei so berühmten Forschern wie Ken
Melmon, Rudi Schmid und Ronald Estabrook.
1974 kehrte er zurück nach Zürich, wurde dort Leiter der klinischen
Pharmakologie der Universität. Seit 1983 ist er Professor der Universität Basel
und bis heute Leiter der Abteilung Pharmakologie des Biozentrums der
Universität, einem in der Welt hoch renommierten Forschungszentrum.
Ein Versuch, die Persönlichkeit von Urs Meyer in knappen Worten zu
beschreiben, ist schwer. Unbestreitbar ist seine herausragende Eigenschaft die
des begeisterten Forschers, der sich auf seinem Weg nicht bremsen lässt.
Genauso versteht er es aber, Studenten und junge Forscher zu begeistern.
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