Osternacht 2013 „Was sucht ihr den Lebenden unter den Toten?“ Liebe Brüder und Schwestern, Christus ist nicht vom Bett auferstanden. Er ist nicht vom Schlaf auferwacht. Er war auch nicht scheintot. Er ist VON DEN TOTEN auferstanden! Von den Toten: das heißt: Er ist vorher wirklich gestorben. Um das Einmalige, absolut Unerwartbare und Unvergleichliche dieses Ereignisses zu verstehen, müssen wir zunächst darauf schauen, was es heißt, wenn wir sagen: Er war wirklich tot! Zu Abraham sprach Gott noch: „Streck deine Hand nicht gegen den Knaben aus, und tu ihm nichts zuleide!“ Doch Gott Vater selbst erlaubt seinem Sohn, sich wirklich ganz hinzugeben aus Liebe zu uns Menschen – bis zum Tod am Kreuz. So schenkt der Vater wirklich seinen Sohn. Und der Sohn hat es wirklich getan und ist wahrhaft gestorben. Diejenigen unter uns und es werden wohl die meisten sein - die schon einmal an einem Totenbett gestanden haben, und auch die - das werden weniger sein - die schon in der Minute dabei waren, als ein Mensch starb, wir alle mögen uns vor Augen führen, was das heißt, daß ein Mensch gestorben ist: kein Blut zirkuliert mehr in seinen Venen, seine Lungen atmen keine Luft mehr, die Augen sind leer, der Körper wird kalt und regungslos. Vor uns ist plötzlich kein Mensch mehr, sondern nur noch der Leichnam eines Menschen, der nach und nach die Temperatur seiner Umgebung annimmt und der Verwesung entgegenharrt. Brüder und Schwestern, Jesus Christus, wahrer Gott und wahrer Mensch, ist am Karfreitag wahrhaft gestorben. Um drei Uhr nachmittags neigt er sein Haupt und haucht den Geist aus. Sein Leichnam wird vom schrecklichen Kreuz abgenommen, vorsichtig die Nägel von den Handgelenken und von den Füßen gelöst, der kostbare, blutverkrustete, von Wunden übersäte, tote Körper der Mutter übergeben, ins Grab gelegt – so wie ihn das Grabtuch von Turin bezeugt. Schnell muß es gehen. Der Freitagabend bricht herein, und der Sabbat steht vor der Tür. Marias Seele ist von einem Schwert durchbohrt. Unblutig hat sie mit ihrem Sohn die Kreuzigung durchlitten. Doch sie hat die Worte Jesu nicht vergessen: Der Menschensohn wird leiden und gekreuzigt werden, aber am dritten Tag wird er auferstehen. In ihr lebt der Glaube auch jetzt noch. So tritt Maria ein in diese Nacht ohne ihren Sohn, der wirklich tot ist, vor dessen Grab ein schwerer Stein gesetzt wurde. Es folgt der Karsamstag, der Sabbat, an dem Jesus tot und bei den Toten ist. Der geheimnisvolle stille Tag – still, wie der Tod still ist. Wie wird Maria diesen Tag durchlebt haben? Unbeschreibliche Trauer, tiefste Einsamkeit, brennendster Schmerz - und doch in all dem Glaube. Es gibt keinen Moment, in dem die Mutter ohne Glaube ist. Die Apostel hatten Jesu Worte auch gehört, er werde auferstehen, aber sie glauben nicht und verstecken sich voller Angst und Verwirrung. Drei Frauen sind es, die nach dem Sabbat, am ersten Tag der Woche in aller Frühe zum Grab kommen, um das zu tun, was sie tun können: den toten Leib liebevoll ehren, ihn einbalsamieren: Maria Magdalena, Johanna und Maria, die Mutter des Jakobus. Starke, mutige und vor allem liebvolle Frauen, echte Frauen, die in ihrer übergroßen Trauer doch nicht gelähmt sind und liebevoll zu handeln wissen. Aber, Brüder und Schwestern, inzwischen, noch in der Nacht ist das von Jesus Vorhergesagte und doch Unvorstellbare eingetroffen: das Ereignis aller Ereignisse, für das uns die rechen Worte fehlen und das wir „die Auferstehung“ nennen. Ein Ereignis, von keinem Menschen beobachtet, von niemandem erfaßbar, die Wachen ihrer Sinne beraubend, jenseits unserer Vorstellungskraft und doch ganz wirklich geschehen in unserer Welt. Das Grab ist wirklich leer. Und so finden es die drei Frauen vor, der Stein ist weggewälzt. „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, sondern er ist auferstanden. Erinnert euch an das, was er euch gesagt hat, als er noch in Galiläa war: Der Menschensohn muß den Sündern ausgeliefert und gekreuzigt werden und am dritten Tage auferstehen.“ Er war wirklich und wahrhaft tot. Aber wir brauchen ihn nicht bei den Toten zu suchen. Das Grab ist leer. Und der Leichnam, den sie am Freitag noch am Kreuz leiden gesehen haben, wurde nicht gestohlen. Die Leinenbinden liegen ordentlich da. Kein Leichendieb hätte Zeit und Muße gehabt, das Grabesinnere aufzuräumen. Die Frauen eilen zu den Aposteln. Johannes kommt als erster an, wartet aber und läßt Petrus den Vortritt. Dieser, der erste Papst, nimmt die amtliche Prüfung vor und geht voll Verwunderung nach Hause. Der Liebesjünger Johannes sieht und glaubt – wie uns das vierte Evangelium morgen früh berichten wird. Der Herr wird sich in der Folge den Seinen zeigen, mit ihnen sprechen und essen. Erst dann werden sie alle erkennen, daß die Botschaft von der Auferstehung kein Weibergeschwätz ist, kein Märchen ersonnen von kranken Hirnen in übergroßer Trauer und kein Schwindel kirchlicher Funktionäre. Der Auferstandene ist kein Gespenst, kein Phantom, kein Phantasiegebilde. Sie sehen ihn, sie berühren ihn, erkennen ihn an seinen verklärten Wunden, sprechen und essen mit ihm. Einmal erscheint er sogar 500 Brüdern zugleich, wie Paulus berichtet. Der Herr ist genauso wahrhaft auferstanden wie er wirklich gestorben ist. Sie glauben. Und sie glauben von nun an mit einer solchen Kraft, daß sie für diesen Glauben bis ans Ende der Welt gehen und sogar den Tod auf sich nehmen werden, so wie auch heute noch die wahren Missionare. Gott hat das Herz von Stein aus ihrer Brust genommen und ihnen ein Herz von Fleisch gegeben, ein gläubiges, mutiges und zuversichtliches Herz. Ein Haufen verängstigter und enttäuschter Anhänger eines offensichtlich Gescheiterten wird zum Kollegium der Apostel, zu den Säulen der Weltkirche. – Und so wird auch uns und vielen in aller Welt heute nacht diese Botschaft verkündet. Sie wird verkündet werden bis zum Ende, bis er wiederkommt. Und der Mensch, jeder von uns, hat sich vor dieser Botschaft zu entscheiden: glaube ich oder lehne ich ab. Botschaft der Hoffnung. Botschaft der Freude. Botschaft des Lebens. Botschaft des Lichtes. Botschaft des Trostes. Christus ist auferstanden. Der Tod ist besiegt. Wir dürfen hoffen. Es gibt einen Weg. Auch für uns. Den Weg des Lebens. Gehen wir ihn! Amen