Botschaften in Berlin

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(...) die einstige Botschaft der ČSSR war 1974-1978 als einer der wenigen eigenständigen
Botschaftsneubauten in der DDR errichtet worden. Der Entwurf der Architekten Věra Machoninová
und Vladimír Machonin, die sich im Rahmen eines unter tschechischen und slowakischen Architekten
ausgeschriebenen Wettbewerbs durchsetzen konnten, sah ein würfelartiges Gebäude mit einer
Stahlbeton- Rahmenkonstruktion vor. Die Fassade des fünfgeschössigen Solitärs mit seiner weit in
den Stadtraum hineinwirkenden plastischen Gliederung wird durch einen horizontalen Wechsel von
Material und Form gekennzeichnet, der sich auch über die abgeschrägten Gebäudeecken fortsetzt:
auf kleinteiligen Natursteinplatten folgen bronzierte Fensterbänder, in deren Glasscheiben sich der
Himmel und die umliegende Bebauung spiegeln.
Eine überdachte Vorfahrt durchläuft diagonal die 48 mal 48 Meter große Grundfläche des
teilweise aufgeständerten Gebäudes und gliedert den Grundriss in zwei Teile. In der Außenansicht
wird diese Zweiteilung der Anlage durch die beiden metallverkleideten Schächte deutlich, in denen
sich die Treppenhäuser verbergen, und die die Gebäudehöhe überragen und zusätzlich seitlich aus
dem Baukörper heraustreten. In der einen Gebäudehälfte, die ursprünglich für den Ausstellungs-,
Handels- und Konsularbereich errichtet worden war, hat sich heute das Max- Planck- Institut für
Wissenschaftsgeschichte eingemietet, das separat erschlossen werden kann. In diesem Gebäudeteil
befinden sich außerdem der gesondert zugängliche Konsularbereich der Botschaft sowie zweistöckige
Maisonettewohnungen für Botschaftsmitarbeiter. Die zweite Gebäudehälfte, die von der Botschaft
genutzt wird, verläuft entlang der Mohren- und Wilhelmstraße. Sie setzt sich mit einer eigenwilligen
Fassadengestaltung deutlich vom Max- Planck- Institut ab. Dies zeigt sich bereits in der plastisch
ausgebildeten ersten Botschaftsetage, die sich oberhalb des Luftgeschosses anschließt: rundum
verglast, tritt sie wie ein Erker aus der Kubatur des Gebäudes hervor. Vergleichbar dem piano nobile
eines klassischen Botschaftspalais, verfügt sie als Repräsentationsgeschoss zudem über eine
größere Raumhöhe als die übrigen Etagen. Demgegenüber ist die anschließende dreigeschossige
Bürozone deutlich zurückgenommen: ihre Etagen sind niedriger und wachsen nicht über die Bauflucht
hinaus.
Mit seiner dem Brutalismus entliehenen Formensprache verrät das Äußere der Botschaft nur
wenig über die Raumgestaltung im Inneren. Schon beim Betreten des Hauses erlebt der Besucher
durch die kräftigen monochromen Farben der verspielten Raumfiguren im Foyer der Botschaft einen
starken Kontrast zu den Materialien der Fassade. Eine scheinbar frei schwebende Treppe mit farbigen
Akzenten führt durch einen Deckendurchbruch ins Obergeschoss und scheint dabei das schwer
wirkende Gebäude zu entlasten. Die gesamte Inneneinrichtung im originalen Design der siebziger
Jahre wurde von den Architekten eigens für die Botschaft entworfen. Verschiebbare Wände sorgen
dabei dafür, dass die Raumaufteilung variabel gestaltet werden kann. Ganz in grün, rot oder gelb
gehalten, wölben sich die bauchigen Formen der runden kleinen Tagungsräume mit ihren raumhohen
Glastüren in das Foyer hinein. Die Wölbung des orangefarbenen Empfangsraums zeichnet sich auch
nach außen ab. In dem vorkragenden Stockwerk befinden sich die Botschafter-, Tagungs- und
Festräume mit variablen Wänden. Gleich ob Kino-, Konferenzsaal oder andere Veranstaltungsräume,
das Möbeldesign ist speziell auf jeden repräsentativen Bereich der Botschaft von den Architekten
abgestimmt worden. Dadurch wird ein ständiger Materialwechsel von profilierten Fliesen,
Flokatiteppichen, Holzvertäfelungen und stoffbespannten Wänden erlebbar. Das Lichtkonzept wird
unter anderem durch große Vielfalt an hängenden Decken- aber auch an Stehlampen aus den
siebziger Jahren geprägt. Und im Konferenzraum wölben sich Leuchtstäbe aus einer orangefarbenen
Decke, die in die Holzvertäfelung integriert wurden. Eine beige gepolsterte Sesselgruppe mit
geschwungenem Holzgestell und den dazu passenden flachen Holztischchen ist vor eine große
Schwarz-Weiß-Fotografie der Prager Rathausuhr platziert, In dem holzverkleideten und mit
orangefarbenem Teppich ausgelegten Kinosaal orientieren sich die Sitzreihen halbkreisförmig zur
Bühne. Von der sichtbaren Deckenkonstruktion hängen orange, fast raumbreite Lampenröhren mit
vielen runden Lichtöffnungen unterschiedlich tief hinab und verleihen dem Saal mit dieser
unregelmäßigen Staffelung eine festliche Dynamik.
Innen und außen nahezu vollständig erhalten, ist die Botschaft der Tschechischen Republik
heute eines der herausragenden Beispiele für die repräsentative Betonarchitektur in der DDR und die
stark plastische geprägte Architektur der siebziger Jahre insgesamt.
Aus: Kerstin Englert/Jürgen Tietz (Hrsg.): Botschaften in Berlin. Berlin: Gebr. Mann Verlag 2004
ISBN: 3-7861-2494-9
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