Philipps-Universität Marburg Fachgebiet Medienwissenschaft HS: „Der Regisseur Niklaus Schilling“ Leitung: Prof. Dr. K. Prümm Verfasser: Christian Klotz Protokoll der Sitzung vom 21.04.2005 Die Sitzung am 21.04.2005 über den Film „48 Stunden bis Acapulco“(1967) von Klaus Lemke wurde durch Herrn Prof. Prümm mit der Klärung einiger organisatorischer Fragen eröffnet. In diesem Zusammenhang wies Prof. Prümm erneut darauf hin, dass die Kriterien für den Erwerb eines Teilnahmescheins die Anfertigung eines, jeweils mindestens zwei Seiten umfassenden, Positionspapiers zu jedem der in der Niklaus Schilling- Retrospektive gezeigten Filme anzufertigen sei und dass jeder Studierende zusätzlich an einer Impulspapiergruppe teilzunehmen habe, wenn er/sie den Erwerb eines Leistungsscheines anstrebe. Um den Organisatorischen Teil der Sitzung zum Abschluss zu bringen, wurde das Plenum durch die Seminarleitung ein weiteres Mal ermutigt, im weiteren Bekanntenkreis ‚Werbung’ für den Besuch der Schilling- Retrospektive am Mittwochabend um 20.00 Uhr zu machen. Im Anschluss an die förmlichen Regularien der Sitzung stieg das Plenum in die Analyse und Diskussion des Filmes „48 Stunden bis Acapulco“, in dem Niklaus Schilling als Kameramann (nicht als Regisseur!) maßgeblich beteiligt war, ein. Dies wurde durch den mahnenden Hinweis seitens Prof. Prümm eingeleitet, man dürfe Filme wie „48 Stunden bis Acapulco“ im Rahmen einer umfassenden Analyse nicht mit heutigen Maßstäben des Kinos bewerten. Daher solle „48 Stunden bis Acapulco“ vor seinem historischen Hintergrund betrachtet werden, der durch den filmischen Aufbruch der ‚Münchner Gruppe“ in den 1960er Jahren bestimmt war. So stellte das Plenum heraus, dass es sich bei „48 Stunden…“ um einen sehr „lakonischen“ Film handele, der durch seine wortkargen Szenerien ein für den frühen Kriminalfilm typische Element im Extremen ‚zelebriert’. Im Weiteren wurde durch einen Kommilitonen darauf hingewiesen, dass die Gewaltdarstellungen aus heutiger Sicht (sic!) wohl als „eher naiv“ zu bewerten seien. Als Beispiel dient hierbei die Prügelei zwischen dem Protagonisten Frank und dem Gauner Cameron, in dessen Folge Frank Cameron erschießt. Cameron der, dem Anschein nach tödlich getroffen, vom Dach fällt. Prof. Prümm ergänzte die Sammlung an ersten Gedanken zum Film durch den Hinweis auf die den ganzen Film durchdringende „amerikanische Coolness“, die in „48 Stunden…“ ein besonderes Merkmal darstellt. Dies wird durch die auffällig durchgestylten Frauen, aber auch durch die sehr markante Hintergrundmusik betont. Auch die Lichtästhetik in „48 Stunden…“ ist gänzlich in den Dienst des Zitats gestellt: Rauhe schwarz/weiß- Wechsel sind die Regel. Dies wird in zahlreichen Szenen durch eine sehr deutliche, im Licht begründete Raumteilung verstärkt. So wird die Szene, in der Protagonist Frank, gefilmt von vorne, in seinem Wagen über einen amerikanischen Highway fährt. Zum einen stellen dabei die beiden augenähnlichen Scheinwerfer des Wagens eine markante Lichtquelle dar. Zum anderen bilden die Lichter der vorbeihuschenden Straßenbeleuchtung ein weiteres, unterteilendes Element. Gegen Ende des Films, als der Tod des Protagonisten, hervorgerufen durch dessen Verfolger, unausweichlich scheint, werfen erneut Scheinwerfer ein zugleich verwirrendes als auch beängstigendes Licht. Es wird nicht deutlich, wer in dieser Szene Verfolger, und wer Verfolgter ist. Dabei sind es im Besonderen die natürlichen Lichtquellen, wie ein Kommilitone bemerkt, die in „48 Stunden…“ die Szenerie bestimmen. Künstlich gesetzte Lichtquellen, wie im als Vorbild fungierenden Film Noir, sind so gut wie nicht existent. So blieb jedoch die Frage offen, ob die oftmals als „chaotisch“ bezeichneten Lichtsetzungen (am Beispiel der Verfolgungsjagd gegen Ende des Films) Absicht seien, oder zufällig geschahen. In diesem Zusammenhang vermerkte Prof. Prümm, diese Frage zurück zu stellen um sie später evtl. Niklaus Schilling selbst zu stellen. Ist das Tempo in „48 Stunden…“ als systematisch zu bezeichnen? – Diese Frage sollte das Plenum im Anschluss an die Diskussion um die im Film verwendeten Stilmittel beschäftigen. Dabei stellte sich sehr bald eine zweite, entscheidende Frage, nämlich nach der Funktion des Schnitts in „48 Stunden…“. Dieser sei nämlich, im Gegensatz zu vielen anderen Filmen des Genres gänzlich als „gegen den Strich“ zu bezeichnen. Als Grund dafür, so Prof. Prümm, müsse man evtl. eine „Kritik am Aktions- Kino“ der 60er Jahre sehen. Diese These mag sich bestätigen lassen, beachtet man den nur langsamen Verlauf des Filmes. So gibt es keine schnellen Schnitte. Im Gegenteil: Zum Teil für den Handlungsverlauf uninteressante Dinge wie die Zärtlichkeiten zwischen zwei Protagonisten werden in „48 Stunden..“ quälend langsam erzählt. In diesem Zusammenhang stellte das Plenum heraus, dass „48 Stunden…“ mit einem ganz speziellen Frauenbild arbeitet. So wird der weibliche Körper (Beispiel: Nach der nicht dargestellten Liebesnacht zwischen Frank und Laura) als Objekt in Szene gesetzt. Dabei bleiben die Frauen in „48 Stunden…“ im Grunde Staffage und sind austauschbar. Dass dies im Grunde auch für die männlichen Protagonisten gilt, wurde dem Plenum bei der genaueren Analyse der Charakterbeschreibungen bewusst. Die Dialoge, welche die Figuren in „48 Stunden…“ führen, sind auf eine besondere Art unabhängig von den Bilder, die synchron dazu ablaufen. Somit erzählt der Film zwar eine Ganoven- Geschichte, lässt den Betrachter jedoch im Dunkeln darüber, worum es genau geht. Es entsteht so der Eindruck, die einzelnen narrativen Elemente stehen im Film für sich, und arbeiten zwar parallel, jedoch nicht ineinander. Somit wird ein Bild nicht aus erzähl- technischen Aspekten gezeigt – nein, ein Bild wird um des Bildes-Wegen gezeigt. Gleiches gilt bei „48 Stunden…“ im Übrigen für sämtliche Elemente des Film. So steht die eingespielte Musik oft in einem absoluten Kontrast zum Bild.’. Die Sprache bildet, wie schon erwähnt, keine Einheit mit dem gezeigten Bild. Sie wirkt, so Prof. Prümm, völlig artifiziell.. Um an einem Beispiel einen gänzlich künstlich wirkenden Bildaufbau zu demonstrieren, wurde dem Plenum durch Prof. Prümm eine Szene aus dem Film „Liebe ist kälter als der Tod“(1969) von Rainer Werner Fassbinder gezeigt. In dieser Szene sieht man einen rauchenden Mann beim Zeitungslesen. Als ein weiterer Mann dazu kommt und den Sitzenden reizt, kommt es unvermindert zu einer Prügelei. In der darauf folgenden Einstellung sieht man die Prügelnden vor dem Gangsterboss sitzen, um sich für diesen Ausbruch der Gewalt zu rechtfertigen. Die den Raum füllenden Personen wirken dabei eher wie Statisten in einer Theaterprobe, da sie statisch im Raum stehen ohne eine besondere Bedeutung für die Szene zu haben. Dieses, an das ‚Anti- Theater’ der Münchner Gruppe in den 1960er Jahren angelehnte Stilmittel macht bewusst, worum es dem Regisseur sowohl in „Liebe ist kälter…“ als auch „48 Stunden bis Acapulco“ geht: Um Dekonstruktion! So konnte das Plenum im weiteren Verlauf der Sitzung immer mehr dekonstruktive Elemente in „48 Stunden…“ ausmachen. Unter anderem fielen dabei die zahlreichen, sinnentleerten Szenen auf, die regelmäßig eingebracht werden. Doch nicht nur einzelne Szenen werden in „48 Stunden…“ jegliche Bedeutung entzogen: Selbst der eigentliche Mittelpunkt der Kriminalstory, die Industriespionage, rückt beinahe in den Hintergrund und wird im Grunde am Anfang des Films nur als Aufhänger genutzt, um den Zuschauer an den Film zu fesseln. Wir sprechen in diesem Zusammenhang von einem so genannten „Mac Guffin“1. 1 MacGuffin ist der von Alfred Hitchcock geprägte Begriff für mehr oder weniger beliebige Objekte oder Personen, die in einem Film nur dazu dienen, die Handlung auszulösen oder voranzutreiben ohne selbst von Die besondere Psychologie der Figuren in „48 Stunden…“ besteht, so wurde es im Plenum erarbeitet, darin, dass im Grunde jeder Charakter ein Mac Guffin für sich ist. Jeder Charakter zeigt in keiner Weise irgendeine Form von Gefühlsausdrücken. Kein Charakter lässt eine Erklärung seines Handelns zu und kein Charakter in „48 Stunden…“scheint ein vollständig ausgeprägten Charakter zu besitzen. In diesem Zusammenhang verglich Prof. Prümm „48 Stunden…“ mit dem Kurzroman „Der Fremde“ von Albert Camus von 1942. Der Protagonist dieses Buches, ein gewisser Meursault, ermordet zu Beginn des Romans einen Araber, scheint davon jedoch gänzlich unberührt zu sein. Mit derselben Gleichgültigkeit nimmt er später den Tod seiner Mutter und andere Schicksalsschläge war. Ohne eigentlichen Charakter und Geist bewegt sich diese Figur, wie auch Frank in „48 Stunden...“ durch die Dramaturgie, die eigentlich keine ist – oder zumindest keine sein will. Denn ähnlich der Nouvelle Vague will Lemkes „48 Stunden bis Acapulco“ eins nicht sein: Ein Film, dessen theatralische Wurzeln zu erkennen sind. Somit soll „48 Stunden…“ ein Film im eigentlichen Sinne sein, der die filmischen Attribute besonders überbetont, wenn nicht gar übertreibt. Dies zeigt sich auch an der Austauschbarkeit der weiblichen Personen (Laura zu Frank: „Du hast eben Monika zu mir gesagt.“).Um die Ähnlichkeiten und bewussten Anlehnungen an den amerikanischen Film Noir zu verdeutlichen, wurde schließlich ein weiterer Filmausschnitt begutachtet. Dabei handelte es sich um eine Szene aus dem Film „Kiss me deadly“ (1955) von Robert Aldrich. In der gezeigten Szene kommt es aufgrund der Gier der „bösen“ Protagonistin ein einem Haus zu einer „Atomexplosion“. Die dabei sehr beeindruckenden schwarz/ weiß- Wechsel und die Unterteilungen der Räumlichkeiten durch geschickte Lichtsetzungen stehen repräsentativ für die Ära des Film Noir. Am Ende scheitert der Protagonist in „48 Stunden…“, wie eigentlich für den Film Noir üblich, am Verrat. Und wie in den meisten Vertretern der eben genannten Gattung wird auch am Ende von „48 Stunden...“ ein Traum zerstört: Der Traum vom Mythos Amerika, der Traum vom Mythos der Unterwelt. (Der „kleine Ganove“: „Heutzutage kann sich jeder Acapulco leisten…“) besonderem Interesse zu sein. Vor allem in Krimis und Thrillern ist der MacGuffin neben dem klassischen Whodunit ein verbreitetes Mittel um Spannung über die gesamte Filmhandlung hinweg aufrechtzuerhalten. (http://de.wikipedia.org/wiki/Mc_Guffin) [L.A.: 26.04.05]