75883917 1 5/13/2016 Festkörperphysik I WS 2002/03 Peter Böni Physik-Department E21 Technische Universität München 85747 Garching Vorlesungsnotizen, Übungsblätter und Lösungen: http://www.ph.tum.de/lehrstuehle/E21 (Vorlesungs/Lectures Button drücken) oder http://www.ph.tum.de/lehrstuehle/E21/uebungen/uebungen.html 75883917 2 5/13/2016 Vorwort Dieses Manuskript ist weder eine Vorlesung noch ein Repetitorium. Es enthält einfach einige Stichworte und Bilder die ich zu meiner Vorlesung verwendet habe. Unterrichtsziele: Freude an der Physik wecken Zusammenhänge mit anderen Gebieten in der Physik wecken Motivieren, tiefer in die Materie einzudringen Abstrahieren lernen Anschluss an Fachliteratur schaffen Ich werde versuchen, den Stoff möglichst einfach darzustellen, was dazu führen kann, dass die Vereinfachungen manchmal an die Grenze des Erlaubten gehen. Diese Vorlesung ist eine Einführung und kein Ersatz für ein Lehrbuch. Literatur zur Vorlesung für Festkörperphysik: C. Kittel: N. W. Ashcroft, N. D. Mermin: „Solid State Physics“, (Saunders College Publishing, 1976) J.M. Ziman: „Einführung in die Festkörperphysik“, (10. Auflage, Oldenbourg Verlag, 1993) (Klassiker, Stoff-Referenz für Diplomprüfung) „Principles of the Theory of Solids“, (Cambridge Press, 1972) Ich gehe davon aus, dass das Manuskript einige Fehler enthält, da es zum erstenmal geschrieben wird und der Verfasser die Vorlesung zum ersten Mal hält. Bitte Fehler per e-mail melden. Kontakt: [email protected] http://www.ph.tum.de/lehrstuehle/E21 75883917 3 5/13/2016 Festkörperphysik am Physik-Department der TU München: Lehrstühle Arbeitsgebiete Abstreiter Niedrigdimensionale Halbleitersysteme, optische Eigenschaften Gross: Supraleitung, Tieftemperaturphysik Böni: Magnetismus, Multischichten, Neutronen Kinder: Hochtemperatur-Supraleiter Koch: Materialien für die Mikroelektronik Laubereau: Ultraschnelle Phänomene, Laserphysik Menzel: Oberflächenphysik Petry: Licht-, Röntgen- und Neutronenstreuung, weiche Materie Stimming: Energiespeicherung, Brennstoffzellen Stutzmann: Halbleiter mit großer Bandlücke Götze, Gross, Kleber, Theoretische Festkörperphysik Schwabl, Vogl: außerdem: Biophysik (Parak, Sackmann) Elektronikpraktikum für Studenten: Vorbesprechung: 21.10.2002 13:00-13:30 PH2 117, Garching 75883917 4 5/13/2016 Angewandte Physik Vorlesung: Festkörperphysik mit Neutronen Dr. Andreas Meyer (E13) Zeit und Ort: Mo 11:00 - 13:00, Raum PH HS3, Garching Erster Termin: 21.10.2002 Voraussetzungen / Organisatorisches: Die Veranstaltung ist für Studenten ab dem Vordiplom gedacht und auf 2 Semester konzipiert Schlagwörter: Materialphysik, Streumethoden, Neutronenstreuung Inhalt Neutronentrahlen als Sonde zur Erforschung grundlegender Eigenschaften von Materialien Erzeugung, Eigenschaften Ingenieurwissenschaftliche Anwendungen: Tomographie, innere Spannungen Streutheorie Strukturbestimmung: Vom Metall zum Biomolekül Schwingungen: Formgedächtnislegierungen, Nanokristalle, Gläser Massentransport: Sprungdiffusion im Kristallgitter, Teilchenbewegung in Flüssigkeiten Relaxation: Dynamik in Polymeren, Biomolekülen, Lava Magnetische Streuung: Domänenstruktur, Spinwellen, Supraleitung Experimentiereinrichtungen, alternative Messmethoden Die Vorlesung wird sich an der Festkörperphysikvorlesung orientieren 75883917 5 5/13/2016 Interdisziplin. Oberseminar zu Fragen der Festkörperphysik Physik-Department, HS 3, 17:00 c.t. Organisator: Prof. Böni (E21) Datum Sprecher 17.10.02 Dr. Marius Schmidt 24.10.02 Prof. P. Saalfrank, Uni Regensburg 31.10.02 Dr. H.-B. Braun 7.11.02 Prof. J-M. Triscone (Uni Genf) 14.11.02 Prof. G. Heger (RTWH Aachen) 21.11.02 Dr. R. Röhlsberger 28.11.02 Prof. Bernd Büchner (RWTH Aachen) 5.12.02 12.12.02 19.12.02 9.1.03 16.1.03 23.1.03 Titel Eingeladen von Reaktionskinetik bestimmt mit der E13, Petry zeitaufgelösten, makromolekularen Röntgenstrukturanalyse Wird noch mitgeteilt E20, Menzel Magnetism in nanostructures – from superparamagnetism to mesoscopic quantum effects E21, Böni Local Probe Studies of Ferroelectrics and Electrostatic Modulation of Superconductivity in Cuprates E23, Gross Untersuchung von ferroelektrischen FRM2, Petry Domänen und Phasenübergängen mit Neutronen- und Röntgenstrahlen Reflexion mit Resonanz: E13, Petry Röntgenwellenleiter in der Festkörperphysik Magnonischer Wärmetransport E23, Gross 75883917 6 5/13/2016 Seminar: Neutronen in Forschung und Industrie Physik-Department, HS 3, 15:00 s.t. Veranstalter: Profs. Böni, Böning, Petry und Schreckenbach Datum Sprecher 23.9.02 Prof. Loewenhaupt (TU Dresden) Dr. Klose 24.9.02 GRS-Bib. (SNS) 14.10.02 Dr. Unruh (FRM-II) 21.10.02 Prof. Rauch (Atominsitut Wien) Prof. Sckreckenbach (TUM) Prof. Kneschaurek (Klinikum r. d. Isar) 28.10.02 Dr. Valloppilly 4.11.02 11.11.02 18.11.02 25.11.02 2.12.02 9.12.02 16.12.02 13.1.03 20.1.03 Prof. Türler (Radiochemie, TUM) Prof. Eckold (Uni Göttingen) Prof. Keimer (MPI f. Festkörperforschung) Dr. Major (MPI f. Metallforschung) Dr. Johnson (ILL) Dr. Heumann (MPI für Biochemie) Dr. Doster (E13, TUM) Titel Neuartige magnetische Phänomene in hohen Magnetfeldern Nanomagnetism and Polarised Neutron Reflectometry Röngten- und Neutronen Kleinwinkelstreuung an nanokristallinen Arzneistoffträgersystemen Seminar zum 80.ten Geburtstag Prof. L. Köster Influence of interfaces on the magnetism of ultra thin films and multilayers: 3 case studies Neutronenaktivierungsanlyse Zeitaufgelöste 3-Achsenspektrometrie Neutronenspinecho in der Reflektometrie Understanding neutron scattering data using total energy calculations; carbon nanotubes, quantum rotors, hydrogen bonds and molecular magnets Neutronenstreuung an Chaporone Dynamische Neutronenstreuung an Biomolekülen 75883917 7 Provisorisches Inhaltsverzeichnis: 1. Einführung 2. Struktur und Strukturbestimmung 3. Thermische Bewegung im festen Körper 4. Elektronenzustände in Kristallen 5. Ladungstransport 6. Magnetismus 7. Supraleitung 8. Halbleiter 9. Kooperative Phänomene 5/13/2016 75883917 8 5/13/2016 1. Einführung 1.1 Grössenordnungen Lebewesen Gegenstände Moleküle Planet Atome Sonnensystem Nukleonen, Elektronen Galaxien Quarks Weltraum Kondensierte Materie: Es besteht eine Wechselwirkung zwischen den Atomen und Molekülen: Gase, Plasma Flüssigkeiten Festkörper galaktische Objekte 1019 cm-3 1020-1023 cm-3 1023 cm-3 nukl. Dichte (1045?) 1.2. Übergang fest-flüssig nicht immer scharf definiert Festkörper hat definierte Form, Flüssigkeit passt sich dem Gefäss an. kristalline Materie: dreidimensionale, periodische Anordnung von Atomen quasikristalline Materie: nur Ordnung in Bezug auf Orientierung amorphe Materialien: eingefrorene Flüssigkeiten: Frage der Viskosität (1 poise = 0.1 Nsm-2): 75883917 9 5/13/2016 Wasser: 10-3 Nsm-2, Öl: 1 Nsm-2, Honig: 103 Nsm-2, Fensterglas: >1021 Nsm-2 Polymere, Flüssigkristalle etc. Wie sieht man Strukturen: o o o o Äussere Form: Bergkristalle, Eiskristalle z. B. Beugungsbilder (Fig. Busch und Schade, Fig. 3) Transmissionselektronenmikroskopie Atomkraftmikroskopie 1.3. Physikalische Eigenschaften von Festkörpern Zusammensetzung: Elemente (Fe, Mg, …) Legierungen (Bsp. Fe50Co48V2: weichmagnetisches Material) Chemische Verbindungen (H20, Y2BaCuO7, …) Mischungen Eigenschaften: Isolatoren (SrTiO3, Glas, …) Halbleiter (Si, Ge, …) Halbmetalle (Bi, Sb, …) Metalle (Cu, Cr, etc.) Phänomene: mechanische thermische dielektrische magnetische optische Transport (Halleffekt, Seebeckeffekt, thermoelektrische etc.) Emission Kontakte 75883917 10 5/13/2016 Parameter: Form Orientierung Druck Temperatur Elektromagnetische Felder Dotierung Wichtig für: Lehre: o Logisches Denken o Systematisches Vorgehen Grundlagenforschung: o Modellsysteme (mathematische Prozesse, Sandhaufen, Waldbrände, Strassenverkehr …) o Phasenübergänge o Universalität von Prozessen (Solitonen …) Anwendungen: o Computer: Packungsdichte, Schnelligkeit, Leistungsdichte o Datenspeicher o Motoren o Sensoren o Materialien: Kunststoffe, … o Katalysatoren o Energietechnik: Treibstoffe, Brennstoffzellen … 1.4. Perfekter Kristall Einfaches Modell: dreidimensionale, periodische Anordnung von Atomen Raumgitter mit Motiven an Gitterpunkten Man wählt irgendeinen Punkt als Koordinatenursprung und definiert die übrigen Gitterpunkte durch nicht koplanare Ortsvektoren. R n n1a1 n2 a 2 n3a 3 . Das aufgespannte Volumen bezeichnet man als Einheitszelle. Die Definition der Einheitszelle ist nicht immer eindeutig. 75883917 11 5/13/2016 Die Gitterpunkte können jetzt dekoriert werden mit Atomen i, deren Positionen gegeben sind durch q i ui a1 vi a 2 wi a 3 u i , vi und wi werden Basiskoordinaten genannt. Oft ist die einfach primitive Elementarzelle nicht symmetrisch und man verwendet eine mehrfach primitive Zelle: Beispiel: zentriertes Rechteck. Im folgenden ist das Punktgitter eines Kristalls gezeigt. Volumen: VEZ a1 (a 2 a 3 ) . 75883917 12 5/13/2016 Durch Dekoration mit einem “Motiv” erhalten wir die Kristallstruktur: Wir beschäftigen uns im nächsten Kapitel mit der Klassifikation von Kristallstrukturen. 75883917 13 5/13/2016 2. Struktur und Strukturbestimmung Analyse von Kristallstrukturen erfordert Strahlung: Licht: zu gross Röntgen: Durch elektromagnetische Strahlung werden Hüllenelektronen zu Schwingungen angeregt, wodurch jedes Atom im Kristall zur Quelle einer 12.4 Kugelwelle wird: ( Å) E 10 keV E (keV ) 8.85 Neutronen: Werden am Atomkern gestreut: ( Å ) E 40 meV E (meV ) Elektronenstreuung: Werden durch Hüllenelektronen gestreut: 12 ( Å) E (eV ) E 100 eV Elektronenmikroskopie: Durchstrahlen von Atomen Atomkraftmikroskopie: Oberflächen Ionen (He) Etc. Anwendung des Huyghens-Fresnelschen Prinzips führt zu geometrischer Theorie: keine Mehrfachstreuung. Besser: Dynamische Theorie: Aussage über Intensität der Diffraktionspeaks und Form der Intensitätsmaxima. Vor allem wichtig für Elektronenstreuung. 1.1 Theorie nach M. von Laue Elastische Streuung an einem Punkt: 75883917 14 5/13/2016 r klein R sehr gross In Punkt P entsteht Streuwelle (Kugelwelle), Isotrope Streuung Kein Comptoneffekt (bei Röntgenstrahlen) elastische Streuung Keine Sekundärstreuung Die folgende Herleitung gilt auch für andere Strahlungsarten. Elastische Streuung: | k || k 0 | , kohärent (feste Phasenbeziehung) AP (t ) ae it e ik 0 r AB (t ) f AP (t )e ikρ f: Streuamplitude, k k0 2 1 für R r gilt: R k r R . k f f a Also: AB (t ) AP (t )e ik (R r) ae it e ik 0 r e ik R e ik r e it e ik R fe i (k 0 k)r R R R Wir setzen: A0 a i t ik R e e R und Damit: AB (t ) A0 fe iQr Q k0 k Q ist der Streuvektor. Elastische Streuung an einem Gitter: Die Punkte seien durch Translationsvektoren a i gegeben: R n n1a1 n2 a 2 n3a 3