Phylogenetischer Baum

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Vorlesung – Berger: Entwicklungsneurologie I / WS
1. Vorlesung, 07.10.2005
Basisinformationen zur Lehrveranstaltung
Einführung in die Entwicklungsneurologie
+ Literaturhinweise
Anmerkung: Bitte sich im Online-Vorlesungsverzeichnis regelmäßig umzusehen
bezüglich Terminänderungen, etc.!
A) Basisinformationen zur Lehrveranstaltung
-
Zum Vortragenden:
Prof. Dr. Ernst Berger ist Leiter des Neurologischen Zentrums am Rosenhügel. Dort gibt
es unter anderem eine Neuropsychiatrische Abteilung für Kinder und Jugendliche,
eine Kinder und Jugendpsychiatrische Neurologische Station, auch eine für
Entwicklungsneurologie, sowie die Behindertenpsychiatrische Station für
Erwachsene. Letztere, vor allem die Rehabilitation, und die Entwicklungsneurologie
bilden den Kern dieser Lehrveranstaltung.
Prof. Berger ist unter dieser Telefonnummer (bei wirklich wichtigen Fragen,
Angelegenheiten, ansonsten bitte per e-mail) zu erreichen: 880-00 321. E-Mail Adresse:
[email protected] oder [email protected].
-
2.Arbeistfeld
Das 2. Arbeitsfeld von Prof. Berger umfasst die Evaluationsforschung durch die
Arbeitsgruppe für Rehab und Integration, in Verbindung mit der Universitätsklinik für
Neuropsychiatrie des Kindes und Jugendalters unter der Leitung von Prof. Friedrich.
-
3.Arbeitsfeld
Und das 3. Arbeitsfeld von Prof. Berger umgibt die Psychosozialen Dienste, für die die
Abteilung für Jugendpsychiatrie, kurz PSD, zuständig ist. Dieses Arbeitsfeld hält die
gut funktionierende Vernetzung außerhalb des Krankenhauses instand. Eine solche
Vernetzung der Klinik selbst mit den verschiedenen Institutionen außerhalb ist hier sehr
wichtig.
-
Allgemeine Informationen zur Lehrveranstaltung
Diese Lehrveranstaltung wird als Vorlesung geführt, und unterstützt durch eine PowerPoint-Präsentation. Diese Folien sind konkordant mit dem Skript, teilweise sogar durch
aktuelle Beiträge und Dokumentationen ergänzt. Das Skriptum selbst umfasst sowohl den
Stoff vom Wintersemester, als auch den vom Sommersemester. Vorsicht aber: Das bloße
Lernen des Skriptums ist für die Prüfung nicht ausreichend!
Prüfungsmodalitäten: Jeweils am Ende des Semesters und zu Beginn des Semesters gibt
es eine schriftliche Prüfung (Sammeltermine, es besteht hier die Möglichkeit die Prüfung
über Teil I oder Teil II abzulegen), Anmeldung ist nicht erforderlich.
Bei der Prüfung gibt es 4 Gruppen, jeweils bestehend aus 3 Fragen (Erste Frage ist mehr
umfassend und bringt bestenfalls 8 Punkte, die anderen beiden Fragen sind aus
Teilbereichen und bringen jeweils 4 Punkte).
1
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B) Zur Vorlesung
-
Fachterminologie
In der Vorlesung vorkommende Fachbegriffe werden im 1en Teil der Lehrveranstaltung
erklärt und definiert, darum ist es auch sehr ratsam, den ersten Teil vor dem zweiten zu
absolvieren, da im Sommersemester die im Wintersemester besprochenen Fachtermini
bereits vorausgesetzt werden.
Fachtermini können aus dem Lateinischen, dem Griechischen, dem Deutschen kommen,
können aber auch „erfundene“ Begriffe sein. Nicht immer sind solche Termini
„übersetzbar“, da es keinen deutschen Begriff dafür gibt.
-
Literatur
Wie schon erwähnt, sind die Power-Point-Folien auf einem sehr aktuellen Stand gehalten
und eine (notwendige) Ergänzung zum Skriptum. Prof. Berger führt aber hier noch
weitere literarischen Tipps an, wie z.B.:
Goldenberg, G.: Neuropsychologie – Grundlagen, Klinik, Rehabilitation;
Jantzen, W.: Allgemeine Behindertenpädagogik, in 2 Bänden; Jantzen lehrt Allgemeine
Behindertenpädagogik in Bremen.
Lurija, A. R.: Das Gehirn in Aktion; Einführung in die Neuropsychologie. Als
Taschenbuch erhältlich. Lurija ist ein russischer Neurologe und einer der Gründerväter der
Neuropsychologie.
„Behindertenpädagogik“: Vierteljahresschrift – Zeitschrift, Psychosozial; Informationen
oder Bestellungen (nur in FB für Bildungswissenschaften erhältlich) über
[email protected].
-
Links
www.uibk.ac.at/bidok -> hier gibt es gratis Unmengen von Fachartikeln im Volltext (von
der FB für Behinderten- und Integrationspädagogik, Uni-Innsbruck).
www.univie.ac.at/kjup-rehab-integra/
www.uni-koblenz.de/~proedler/ (behindertenpädagogische Homepage, hier gibt es immer
wieder Aktuelles zum Thema Autismus).
www.bizeps.or.at (Homepage des Behindertenvereins Bizeps).
http://ethikkommission.at (=nicht die Ethikkommission von der Regierung, sondern
besetzt durch Behindertenvertreter/und vereinen; diskutieren über Themen der
Pränataldiagnostik, Sterbehilfe,..)
www.zerotothree.org./healthyminds/ (hier wird die kindliche Entwicklung – nicht nach
Alter gegliedert – thematisiert, am wissenschaftlichen Institut).
-
Einleitung, 1.Vorlesung
Die Entwicklungsneurologie gehört zu den Wissenschaften vom Menschen.
Noch immer sind zum Beispiel Unis nach Kategorien organisiert, unterschieden zwischen
Naturwissenschaften, Geisteswissenschaften; beim Menschen ist eine solche Gliederung
unbrauchbar. Es ist jedoch so, dass die Medizin schon seit längerer Zeit auf diesem Pfad
unterwegs ist, den Menschen nicht als Patienten und Menschen zu sehen, sondern ihn
vielmehr als ein zu untersuchendes und zu beobachtendes Wesen sieht, was dazu führt,
dass viele heute lieber einen Apotheker oder Heilpraktiker aufsuchen, weil sich diese der
Menschen annehmen, ihnen zuhören, mit ihnen sprechen. Die Medizin muss lernen,
wieder ihren Weg zum Patienten zu finden.
2
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3 Bereiche machen den Menschen als Menschen aus. Der Mensch als biologisches
Lebewesen, der Mensch mit seinen psychischen Funktionen und der Mensch als
soziales Wesen (mehr dazu später).
Der Mensch ist stets – auch als Neugeborenes – ein handelndes Subjekt. Er ist kein Objekt,
an dem Therapie durchgeführt wird. Die Medizin hat dies (tut es noch immer) lange Zeit
ausgeblendet (s.o.).
„Bio-psycho-soziale Einheit“
Das Menschliche Leben muss als Einheit folgender 3er Ebenen betrachtet werden:
1. soziale Ebene
Diese 3 Ebenen sind einerseits als Einheit
2. psychische Ebene
zusammenhängend, anderseits sind sie als
3. biologische Ebene
getrennte Ebenen zu sehen, da jede dieser
ihre eigenen Gesetzesmäßigkeiten hat > 2 Seiten einer
Medaille.
Jede dieser Ebenen hat ihre eigenen Gesetzesmäßigkeiten. Diese sind aber nicht
untereinander auf andere Ebene übertragbar, dies wird aber oft versucht. Beispiel: Das
Transponieren von Gesetzmäßigkeiten einer Ebene auf eine andere Ebene: daran knüpft diese
Überlegung: Wo sind diese Analogien legitim und wo nicht? Bsp.: Das Katzenhirn ist nicht
analog dem Menschlichen Gehirn, einzelne kleine Analogien sind aber durchaus möglich.
-
Diese 3 Bereiche, die den Menschen ausmachen wird auch die „Bio-psycho-soziale
Einheit“ genannt! Sie zieht sich wie ein roter Faden durch die Entwicklungsneurologie.
-
Wissenschaftliches Dilemma/Diskussion:
„Wie aus biologischem Psychologisches wird.“
-
Übergangsbereich zwischen biologischen und psychischen Phänomenen
Mit den biologischen Grundlagen psychischer Funktionen beschäftigt sich die
Neuropsychologie.
Erforscht, welche Teile des Gehirns bei unterschiedlichen Funktionen (z.B.: der Sprache,
der Motorik) beteiligt sind.
Neurosciences, Neuroimaging (Bildgebende Verfahren, bitte noch ergänzen)
Anmerkung: Skriptum S 2
„Exkurs -> Tätigkeitstheorie“: siehe Skriptseite 34/35!
-
Entwicklungsneurologie – Konzepte und Methoden, Definitionen (im Skriptum kursiv
geschrieben)
Entwicklungsneurologie ist die Lehre von der Entwicklung des menschlichen
Nervensystems als Bio-psycho-sozialer Prozess .
! Wir können nicht ungestraft das menschliche Nervensystem mit dem eines Tieres
vergleichen!
Menschliches Nervensystem nur unter Bedingungen eines menschlichen Lebens zu einem
menschlichen Nervensystem. Es organisiert sich selbst im Prozess des Lebens. Das
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Nervensystem ist nicht nur als biologischer Aspekt, sondern als bio-psycho-sozialer
Prozess zu sehen.
Entwicklungsneurologie eine wissenschaftliche und eine praktisch-medizinische Disziplin
(in der Praxis die Begegnung des Arztes mit dem Kind und den Eltern).
-
Arbeitsgebiete
1. Medizinische Praxis -> spielt sich im Arztzimmer ab, wenn Eltern sich Sorgen um
die Entwicklung ihres Kindes machen („Entwickelt sich mein Kind
altersgemäß?“ „Warum entwickelt es sich da oder dort nicht so?“)
2. Bereich der Forschung -> Entwicklungsforschung bei Risikokindern (bei
Risikoschwangerschaft beispielsweise -> wie ist da die Auswirkung auf die kognitive
Entwicklung des Kindes nachher? Hier: Frage nach den Möglichkeiten der Förderung
der kognitiven Entwicklung, im Falle eines Entwicklungsrückstandes. Die Förderung
der kognitiven Entwicklung findet gerade heute wieder ein Revival (in Zeitschriften)
-> Selektion => „nur die besten kommen durch“.
Ad Medizinische Praxis:
 Aufgaben: 1) Entwicklungsdiagnostik : entwickelt sich das Kind gut oder nicht.
2) Entwicklungsförderung : Therapie -> Interventionsmethoden
 Methoden: 1) Klinische Entwicklungsdiagnostik -> Ein Verfahren, das sich nicht auf
apparative Hilfsmittel stützt. Es wird sich der einfachen medizinischen Hilfsmittel wie
horchen, klopfen,..bedient. Wenn ein Patient zum Röntgen geschickt wird, würde dies
nicht dem klinischen entsprechen.
2) apparative Hilfsmethoden: sind bei Bedarf heranzuziehen.
Ad Entwicklungsdiagnostik
 Verhaltensbeobachtung: direkte Verhaltensbeobachtung (wenn das Kind beim Arzt
in der Praxis ist)


unstrukturierte Verhaltensbeobachtung: Inter=
aktionssituation ist auf die Bedürfnisse des Kindes
ausgerichtet, nicht strukturiert. Arzt hält sich
jedoch an vorgegebene Regeln.
strukturierte Verhaltensbeobachtung: z.B.: psycho=
logische Tests -> laufen nach einem Schema ab;
 Indirekte Verhaltensbeobachtung: stützt sich auf die spezielle Sichtweise dessen, der
dem Arzt Bericht übers Kind gibt, z.B.: die Mutter berichtet dem Arzt über Essgewohnheiten
des Kindes -> = Wirklichkeit
, keine 1:1 Abbildung;
Subjektive Sichtweise
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3. Vorlesung, Berger: 14.10.2005
WH Verhaltensbeobachtung
Differentielle Diagnostik
Förderdiagnostik
Forschung
-
-
A) Wiederholung: Methodik -> Verhaltensbeobachtung
Klinische Entwicklungsdiagnostik
Verhaltensbeobachtung
Indirekte Verhaltensbeobachtung -> gibt die Realität wieder:
Realität
Subjektive Perspektive
(durch die Infos, die mir
die Person gibt)
Direkte Verhaltensbeobachtung
 unstrukturierte VB: keine dezitierte Struktur vorgegeben, ist kein un=
strukturiertes Beobachten (Beobachtung z.B. in einer Spielsituation)
 strukturierte VB: mit vorgegebenen Rahmen, z.B. ein Psychologischer Test.
Beispiel: Videoclip -> klinische Untersuchung (= Standarduntersuchungssituation
Angesiedelt zwischen einer strukturierten und unstrukturierten VB; in dieser
Untersuchung geht es um die Diagnostik von Sprach- und Bewegungskompetenzen.
B) Differentielle Diagnostik
Residuum oder aktuelles Ereignis (Querschnittsbetrachtung): Sollte festgestellt werden,
dass die Kompetenzen eines Kindes in einem Bereich nicht dem entsprechen, den sie
entsprechen sollen, dann ist die Frage zu stellen: Ist das so aufgrund eines Ereignisses von
früher ist oder aufgrund eines aktuellen Ereignisses. Beispiel, wenn ein Kind zum
gegebenen Zeitpunkt der Untersuchung nicht reden kann, ist dies dann zurückzuführen,
dass das Kind krank war oder ist (z.B. eine aktuelle Hirnentzündung -> hier ist akutes
Handeln erforderlich -> welche Therapie / Interventionsmöglichkeiten?) oder ist dies die
Auswirkung aufgrund eines früheren Ereignisse, z.B. bei der Geburt.
Die nächste Frage richtet sich nach Details, nach der Art der Beeinträchtigung: Ist der
Entwicklungsprozess beeinträchtigt durch Verlangsamung oder Stillstand der Entwicklung.
Die Frage nach den Ursachen sucht Anhaltspunkte für isolierende Bedingungen, z.B. einer
biologischen Schädigung, Umgebungsbedingungen (-> Deprivation)
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C) Förderdiagnostik
Zuerst einmal ist die Frage zu beantworten „Was ist Entwicklungsdiagnostik“?
In der Entwicklungsdiagnostik geht es um Förderdiagnostik. Geht es um Selektion? NEIN!
Was ist Förderdiagnostik nun? Was ist sie nicht?
-
-
Traditionelle Diagnostik
Messbare Verfahren
Frage: Was hast du gelernt?
Normwerte
Defizitorientierung (vgl. Fasching)
-> beschreibt was das Kind nicht
kann
Segregation
-
-
Förderdiagnostik
Beobachtende Verfahren
Frage: Was wirst du lernen? (Zone der
Nächsten Entwicklung -> n.
Wygotski)
subjektorientiert (an den Kompetenzen
des Kindes orientiert) /
kompetenzorientiert
- Integration
Anm.: In der Pädagogik und der Entwicklungspsychologie bewegen wir uns leider noch
immer zu sehr in der Praxis d. Segregation!
Ad Zone der nächsten Entwicklung (nach Wygotski)
2 Zonen des Lernprozesses werden beschrieben
1.) Eine eigenständige Aufgabenbewältigung einer beobachteten Situation (->
Lösungsstrategien: Kind kann frei damit umgehen).
Invariante Verfügbarkeit (Jantzen), auch flexibel modifizierbar.
2.) Kooperative Aufgabenbewältigung. Nutzung von strukturierenden Angeboten
Erwachsener = Zone der nächsten Entwicklung, ein relevanter Bereich für die Entwicklung.
Ausgang Analyse
 Isolierende Bedingungen (Jantzen)
 Kompetenzen (Beschreibung dieser wird häufig vergessen)
 Protektive Faktoren (z.B. unterstützende Personen für die Planung, welche nützliche
Erfahrung konnte das Kind bisher machen?). Auf diese Faktoren wird auch häufig
vergessen.
 Umfeldressourcen
Zweck der Förderdiagnostik
Veränderung / Entwicklung
Veränderungsmöglichkeiten müssen auf allen Ebenen gedacht werden: auf der Ebene der…
a) biologischen Funktionen + Fertigkeiten
b) psychischen Kompetenzen + Eigenschaften
c) sozialer Beziehungen
Wenn ich über Veränderungen nachdenke, dann muss ich mir auch vor Augen halten: zum
Beispiel ein Kind mit spastischer Lähmung: Spastische Lähmung ist auf biologischer Ebene
nicht veränderbar, vielleicht aber ist auf der psychischen und/oder sozialen Ebene was
veränderbar. Fördertherapie, alle 3 Ebenen durchdenken, und nicht blenden lassen von
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scheinbaren Unveränderbarkeiten auf der 1., der biologischen Ebene. Man muss auf den
anderen Ebenen Strategien finden -> das ist der Zweck der Förderdiagnostik.
Apparative Hilfsmethoden
Die klinische Untersuchung gibt – in der Hand des Experten – Auskunft auf die meisten
Fragen der Entwicklungsdiagnostik. Sie steht immer am Anfang; bleiben Fragen noch offen,
werden ergänzende Verfahren, sogenannte Zusatzverfahren angewandt (Quelle: Berger, 3)









Computertomographie (CT, Röntgenbild -> ist durch Rechenmethode verfeinert in
der Aussagemöglichkeit)
Magnetresonanztomographie, tomos = schichtweise, graphos = Darstellung; also
schichtweise Untersuchung oder Darstellung: (MRT, MRI, das I steht für imaging =
bildgebend; fMRT -> „funktionelles MRT -> macht Abbildung von Gehirnaktivitäten
möglich). Bei diesem Verfahren werden mittels eines Magnetfeldes in den Zellen
Moleküle dem Magnetfeld entsprechend zugeführt. MRT ist in den 80ern in die
medizinische Praxis vorgedrungen. Mit MRT ist die Darstellung des
Zentralnervensystems (ZNS) möglich. Sowohl CT als auch MRT/MRI sind beides
bildgebende Verfahren.
Elektroencephalographie, gr. Encephalos = Hirn (EEG): Tätigkeit des Hirns anhand
seiner elektrischen Parameter (die elektrischen Ströme produziert das Hirn selbst). Das
Hauptanwendungsgebiet liegt bei der Diagnostik der Epilepsie.
Evozierte (ereigniskorrelierte) Potentiale – ERP: Situation, in der ein bestimmter
Reiz von außen gegeben wird und dann sieht man nach, welche Zone im Hirn wie auf
welchen Reiz reagiert.
Polygraphie: gleichzeitige Aufzeichnung von verschiedenen Funktionssystemen
(EEG, EMG, Augenbewegungen, Atmung, Pulsfrequenz…)
Ultraschallfilm (bisher bekannt aus der Schwangerschaftsuntersuchung): hier werden
Bewegungen (vorgeburtlich) des Kindes aufgezeichnet.
Magnetencephalogramm: Aufzeichnungen der Eigenaktivität des Hirns (in den
80ern war dies der 1.Zugang, um das Hirn in seiner Tätigkeit zu sehen -> bringt
Aussagen, welche Zonen des Gehirns sind zuständig für welche Reaktionen sind ->
welche Zonen sind aktiv): elektrische Felder produzieren ein Magnetfeld (das Hirn
produziert dies).
Positron Emission Tomographie (PET), ist wieder eine Schichuntersuchung: hier
wird eine radioaktive Substanz iniziiert. Das Hirn wird in seiner Aktivität dargestellt.
SPECT ist eine weitere zusätzliche apparative Methode.
Anmerkung: Ein normales Röntgen kann nur knöcherne „Bereiche“ erkennbar machen.
Videoclip: EEG mit „EEG-Haube“: gezeigt wird, was bei diesem Verfahren ausschlaggebend
ist: Elektroden (rot gefärbt) werden angesetzt. Alles wird an einem Verstärker angeschlossen.
Aufzeichnung des Gehirns erfolgt in 16 Kanälen.
Videoclip: Ultraschallfilm eines 14 Wochen alten Fötus: Bewegungen des Föten werden
dargestellt . Dieser Ultraschallfilm wurde von H. Prechtl zur Verfügung gestellt. Prechtl ist
der „Vater“ der Entwicklungsneuro und einer der führenden Personen in der internationalen
Entwicklungsneurologie. Der Ultraschallfilm ist eine intrauterine Methode ->
Bewegungsabläufe qualitativ beurteilbar, mehr dazu aber im SS.
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D) Forschung (wissenschaftlicher Teil, während die Praxis sich mit dem einzelnen
Kind beschäftigt)
-
-
-
Aufgaben
Erschließung der Gesetzmäßigkeiten der Entwicklung
Erforschung der Einflussmöglichkeiten der Entwicklung
Ausarbeitung von Methoden der Entwicklungsförderung
Entwicklung ist schon optimierbar -> Genieproduktion ist nicht Ziel der
Entwicklungsneurologie (siehe Amerika).
Methoden
Verhaltensbeobachtung
Apparative Hilfsmethode
Vergleichende Forschung (-> diese muss methodisch sehr genau sein)
Untersuchung des ZNS von verstorbenen Säuglingen (Missbrauch in der NS-Zeit, weil
systematisches Töten von Kindern, um hier Daten zu sammeln; vgl. auch Fall „Terry
Schiavo: man hat diese Frau sterben lassen, um dann die Organe untersuchen zu können > Vernebelung, d.h. Angabe von biederen Ausreden, um den eigentlichen Grund des
Ablebenlassens zu vertuschen -> „Fremdnützige Forschung“: „ich opfere mich der
Wissenschaft, wenn andere davon profitieren“. Sensibler Punkt). Die Untersuchung
erfolgt beispielsweise physikalisch, chemisch (Gewebschemie) oder mikroskopisch.
Anmerkung: Gesetzmäßigkeiten der Entwicklung -> welches jeweilige ist vergleichbar
(bei denen von Tieren) mit denen des Menschen. Tierforschung in begrenzten Fall
notwendig, legitim.
Theorie
 Die Entwicklungsneurologie bedarf daher einer Theorie (theoretischer Rahmen mit
Blick auf Zusammenhänge), die alle 3 Ebenen des menschlichen Lebens
(biopsychosoziale Ebenen) verbindet. Diese Tätigkeitstheorie erfüllt diesen Anspruch.
Sie hat sich aus der „kulturhistorischen Schule“ (Lurija, Leontjew) entwickelt.
Entwicklungskonzept
Was ist Entwicklung? (Definition siehe BS 5, sehr wichtig für die Prüfung!)
 Veränderung: um das beschreiben zu können brauch ich einen Ausgangspunkt (->
Prozess)
 Ist Entwicklung jeder Prozess von Veränderung? Wichtige Parameter:
 Selbständigkeit
 Höherentwicklung
 Zeit -> wichtig für den Prozess von Kontinuität
 Kreislauf
 Vorstellungen über Entwicklung
 Entwicklung ist ein Kontinuum
 Entwicklung findet immer statt (?)
 Perspektive
 Veränderung eben (Prozess der Veränderung hängt von Perspektive ab: Wohin will
ich denn eigentlich?)
Am 28.10. entfällt die Vorlesung!
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4.
A)
B)
C)
Vorlesung: 21.10.2005
Was ist Entwicklung -> Entwicklungskonzept
Begriffe
Das Nervensystem
A) Was ist Entwicklung / Entwicklungskonzept
Was ist Entwicklung?
Anmerkung: Der Begriff Entwicklung ist nur auf den ersten Blick ein
selbstverständlicher Begriff. Bei genauerem Betrachten ist er aber äußerst
diskussionsbedürftig.
Was ist Entwicklung – Versuch einer Eingrenzung (kleine Wiederholung von letzter
Stunde)
 Prozess (hängt unweigerlich mit „Zeit“ zusammen)
 Perspektive („wie bewerte ich einen Prozess“) spielt eine wichtige Rolle
 Erwartungen
 Ad Prozess: Welche Art von Prozess verstehen wir als Entwicklung? Für die
Beantwortung dieser Frage ist es von Nöten das Ziel, was denn nun Entwicklung ist,
zu definieren, und zwar anhand eines Beispiels (fernab von menschlicher Entwicklung
oder biologischen Prozessen): Beispiel „Stadtentwicklung“: Wie soll sich eine Stadt
entwickeln (z.B. Wiederaufbau einer Stadt nachdem sie niedergerissen wurde). Was
bezeichnet man hier als Entwicklung? Alte Häuser erhalten oder Neue Häuser
hinbauen? Die Frage, ob ich dem Prozess „Entwicklung“(=positive Konnotation,
Konnotationen sind begleitende Elemente eines Begriffs) beifüge. Das was wir als
wünschenswertes Ziel sehen, ist nicht automatisch gegeben. Es gibt beispielsweise
Historische Epochen, in denen z.B. Gebäude oder andere Dinge gebaut/erbaut wurden,
die manchmal positiv konnotiert waren, aber auch welche, die mal nicht positiv
konnotiert waren (die brauchbar, nützlich oder aber auch weniger nützlich waren).
Was ist Entwicklung?
Definition: Entwicklung ist ein Prozess, in dem ein Organismus (=biologisches System)
wachsende Komplexität und einen höheren Grad von Struktur seiner Austauschprozesse
erlangt (-> Beziehung zur Umwelt, ist ein Prozess der Wechselbeziehung, kann einfach oder
komplex sein). Der Austausch des Organismus mit der Umwelt wird immer komplexer. Je
komplexer der Organismus, desto flexibler ist er in Bezug auf die Umwelt. Sie erhöht den
Grad der Flexibilität und sie verbessert die Bedingungen des Individuums in seinem
Wechselspiel mit der sozialen Umwelt (in die das Kind eintritt -> schon vor der Geburt). Das
Kind ist immer Teil einer gesellschaftlichen (sozialen) Umwelt!
Anmerkung:
Der erste Teil der Definition ist eine Definition auf naturwissenschaftlicher Ebene.
Der zweite Teil der Definition ist eine Definition auf „menschlicher“ Ebene.
Kriterien zur Bestimmung (Beurteilung) von Entwicklung
Befasst sich beispielsweise mit Fragen, ob das Kind normal entwickelt ist
Kriterien:
a) Relation zu einem Zeit-Bezugssystem
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Um Entwicklung beurteilen zu können, müssen 2 Beobachtungszeitpunkte (A und
B, vorher/nachher) zur Verfügung stehen. Bedeutend ist die Veränderung der
Kompetenzen des Kindes, zwischen Zeitpunkt A und Zeitpunkt B.
Zeitachse
t
A
B
2 Zeitpunkte wählen (A und B) und zu beiden Beobachtungen anstellen und
dann schauen, was hat sich zwischen den beiden Zeitpunkten verändert (Kompetenzen des
Kindes, z.B. Sprechen oder motorische Entwicklung,…)
Die Regel ist jedoch, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt (A) eine Beobachtung durch einen
Entwicklungspsychologen angestellt wird. Dieser schlagt in einer Tabelle nach, ob zu einem
Zeitpunkt (A) das Kind eine bestimmte Entwicklungsstufe erreicht hat (oder haben soll), und
zwar in den Kompetenzen, in der sich viele Kinder seines Alters befinden: Rechenmethode
 diese geht von einem Durchschnitt aus -> methodisches Problem -> weil wenn ich
z.B. die Kompetenzen eines Kindes in Punkto „Ball fangen“(Körperfang/Handfangtechnik) testen will, dann wird ich feststellen, dass ein Teil der Kinder den
Ball so fängt und ein anderer Teil der Kinder den Ball wieder anders fängt, wieder ein
anderer Teil der Kinder fängt den Ball nicht (wie ein Kind den Ball fängt, führt aber
nicht zu gewünschtem Ziel, nämlich, ob das Kind die oder die Entwicklungsstufe
erreicht hat. Diese Art von Verfahren zielt also nicht unbedingt auf die individuelle
Entwicklung eines Kindes ab). Nun wird also das beobachtete Kind in einer
Normalverteilungskurve in einen Bereich eingeordnet, der einer für seine
Kompetenzen typischen Altersspanne entspricht.
Kind
er
Kinder, die Ball fallen lassen
M
Ball wird mit Hand gefangen
Körper
Mittelwert -> von diesem gibt es eine Abweichung, festgelegte
Streuungsmaße. In diesem Streuungsbereich ist die
„Normalität“ beschrieben, d.h. hier wird der Durchschnitt Kinder
festgehalten, der für bestimmte Kompetenzen in einer
bestimmten Entwicklungsstufe steht.
z.B. siehe obige Darstellung -> Doch was steht dahinter? Was wird unter Normalität
verstanden? Darunter könnte man ein Entwicklungsparameter (z.B. die für europäische
Kinder typische „Zahnentwicklung“). Hier ergibt sich zum Beispiel die Frage „Wie
entwickeln sich die Zähne von Tansanischen Kindern? Kurz gesagt, keine Ahnung – und dann
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– dann wird eben die Beschreibung/Berechnung für eine für europäische Kinder typische
Zahnentwicklung hergenommen. Diese „für eine für europäische Kinder typische
Zahnentwicklung“ würde also unter den Begriff der „Normalität“ fallen, den „Normalbereich“.
Wie aber schon weiter oben erwähnt zielt dies nicht auf die individuelle Entwicklung eines
Kindes ab. Es ist nur eine ungefähre, berechnete Festlegung (=> Selektionsdiagnostik, „wie
komme ich also zu meinen Bezugspunkten, wenn ich mich nur auf einen Querschnitt festlege
und von bloßer Berechnung/Messung ausgehe). Ideal oder sinnvoll wäre eine Beobachtung im
Sinne von oben beschriebenen 2 Entwicklungspunkten, die beide beobachtet werden!
Das übliche Verfahren (vgl. screening-Verfahren) geht nur nach einer Durchschnittsnorm und
diese hat Selektion zur Folge.
b) Homogenität einer Entwicklungsreihe
Beobachtung (zum Zeitpunkt A) von Funktionen innerhalb derselben
Funktionsdimension. D.h. verschiedene Kompetenzen auswählen (-> je mehr,
desto komplizierter, aber aufschlussreicher das Verfahren; z.B. das Kind kann zum
Zeitpunkt A frei gehen. Nun kommt es zum Zeitpunkt B wieder zur Beobachtung:
kann das Kind noch immer frei gehen? Wie wir ja bereits wissen, ist diese Art der
Beobachtung aber nicht die Regel, denn: Zum Zeitpunkt B wird dann nicht mehr
das Freie Gehen beobachtet, sondern z.B. die Sprachentwicklung. Anm.: Die
Entwicklung der Sprache läuft in verschiedenen Bereichen ab. Es sind hier
unterschiedlich langsame/schnelle Entwicklungsprozesse festzustellen; )
Es ist also von Nöten innerhalb derselben Entwicklungsdimension die
Beobachtung (z.B. der Visomotorik, der Logomotorik,…) zu machen und zu
differenzieren!
Ad Homogenität: Innerhalb einer Dimension: überlegen, welcher Punkt B
entsteht aus dem Punkt A. Früher, ca. Ende des 17.Jahrhunderts führte man so
genannte Entwicklungstagebücher -> hier wurden Beobachtungen (durch die
Eltern) beim Kind gemacht und markante Entwicklungspunkte festgemacht. Jene
Methode wählt verschiedene Teile aus Entwicklungsreihen aus => für
Entwicklungsförderung (diese sollte sich auf Entwicklungsdimensionen beziehen)
nicht sehr nützlich.
Heute verstoßen viele gängige Entwicklungsskalen (die dem
„Tagebuchkonzept“ folgen) gegen die Homogenität, auch wenn diese für das
Screening ganz nützlich sein mögen.
c) Anwendung eines Wertemaßstabes
Die Bezugspunkte (m)eines Maßstabes müssen begründet und legitimiert werden.
Dies gilt auch für die Entwicklungsdiagnostik (vgl. screening-Methode: wohin
geht der „Bezug“, wenn ich den Bezugspunkt auf nur ein bestimmtes –
berechnetes – Alter setze -> GLOBALE URTEILE, Die Gefahr von verzerrten
Aussagen besteht hier maßgeblich! Es ist immer die Frage zu stellen „wie jemand
zu einem Ergebnis kommt!)
Verstoß besteht oft darin die „Wissenschaft als wertfrei“ zu bezeichnen: Das
stimmt nicht, das ist eine Fiktion! So eine Behauptung ist gegebenenfalls immer zu
hinterfragen, hier könnte vielleicht etwas vertuscht werden.
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B) Begriffe
Ontogenese: ist die individuelle Entwicklung des Menschen (diese beginnt schon ca. 10
Monate vor der Geburt). Vorgeburtliche Dimension ist hier genauso zu betrachten!
„(griech. ons das Seiende, genesis Werden). Im Gegensatz zur Phylogenese die
Entwicklung des Einzelwesens von der Befruchtung der Eizelle bis zum geschlechtsreifen
Zustand (Pädagogisches Wörterbuch, 2000, 412)1.“
Phylogenese: ist die stammesgeschichtliche Entwicklung der Menschheit.
„(gr.-nlat.) die; -, -n: Phylogenie. phylogenetisch: die Stammesgeschichte betreffend
(Biol.). Phylogenie die; -,...ien: Stammesgeschichte der Lebewesen (Biol.) (Duden – Das
Fremdwörterbuch 1997, 624)2.“
C) Das Nervensystem (ab Buch Seite 6)
Biologische Grundlagen von menschlicher Entwicklung
Das Nervensystem besteht aus dem:
Nervengewebe: dies ist ein spezielles Gewebe, wie z.B. Haut(gewebe) -> jedes Gewebe
hat eine bestimmte Charakteristik mit bestimmten Funktionen. Weiters ist das
Nervengewebe hochgradig vernetzt und im ganzen Organismus weitverzweigt.
-
-
Charakteristik:
starke Verzweigung
hoher Vernetzungsgrad
Nervensystem ist eine Funktionelle Einheit
Jede Gliederung ist künstlich (=nicht in der Natur des Systems vorgegeben)-> es gibt
keine allgemein-gültigen Gliederungsprinzipien
Strukturelle Gliederung (Einteilungsprinzipien) in ein:
 Zentralnervensystem (ZNS) = Sitz der Nervenzellen!
+ Gehirn
+ Rückenmark
 Peripheres Nervensystem = Nervenbahnen
+ 2 Leitungsrichtungen (vom ZNS weg oder zum ZNS)
-> efferente (vom Zentrum weg zur Peripherie, zentrifugal: z.B. Be=
wegung, wie Muskelzucken)
-> afferente (von der Peripherie zum Zentrum, zentripetal)
Funktionelle Gliederung
 Sensomotorisches NS = willkürliches NS
+ Wahrnehmung, Bewegung
+ Nervenzellen nur im ZNS
 autonomes NS = unwillkürliches NS
+ vitale Funktionen (Herzschlag, Durchblutung, Verdauung usw.)
+ Teile der Steuerzentren/Nervenzellen auch außerhalb des ZNS (z.B. in
Darmwand)
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LURIJA – Gliederung nach Funktionsbereichen
= Vertreter der Tätigkeitstheorie (russ. Gründer der Neuroopsychologie)
Lurija machte Beobachtungen von Schädigungen des Gehirns (z.B. nach einer
Schussverletzung). Sein Anliegen war die Therapie nach solchen Schädigungen.
Regulationssystem (aufbauende Systeme) des Tonus (= Spannungszustand), der
Vigilanz (Wachheit) und des Bewusstseinszustandes.
System der Aufnahme, Analyse und Speicherung von Information (Wahrnehmung)
=> Realisierung von Wahrnehmungsprozessen.
System der Programmierung, Regulation und Kontrolle von Tätigkeit (Bewegung
= Motiv + Ziel).
Ergänzung: FRAGE zur letzten Vorlesung
„Gibt es Auswirkungen bei diversen Apparativen Methoden?“
-
praktisch nebenwirkungsfreie Verfahren: Ultraschall, Magnetresonanz;
nebenwirkungsarme Verfahren: Röntgen und diverse ionisierende Verfahren wie PET
Lebensperspektivistische Summation (im Laufe des Lebens) des Röntgenverfahrens =>
Kumulation.
In den 80er Jahren gab es Diskussionen bezüglich biologischer Schäden: Ergebnis -> Studien
konnten bis heute keinerlei gröbere Auswirkungen nachweisen. Die Verfahren sind also
weitgehend schadensfrei. Auch bei der Ultraschalluntersuchung konnte keine brauchbare
Hypothese erstellt werden, die auf eine Organschädigung hindeuten könnte.
5. Vorlesung: 04.11.2005
A) Makroskopische Struktur und Entwicklung des Zentralnervensystems
1) Embryonalphase
2)Hirn - Überblick
Betrachtung ohne Zuhilfenahme eines Mikroskop (mit Ausnahme für eine starke
Vergrößerung, wenn noch etwas nicht so gut entwickelt ist), z.B. eine Lupe geht noch.
-
1) Embryonalphase (Schwangerschaft)
 Menschlicher Keimling (wenige Millimeter): Walzenförmiges Gebilde von
wenigen Millimetern Länge.
 3 Keimblätter (Kb): äußeres – mittleres – inneres Keimblatt => Neuralplatte:
ist ein Teil des äußeren Keimblattes. Die Neuralplatte ist eine Ansammlung
von speziellen Zellen (aus denen bilden sich Nervengewebe).
 Ad Keimblätter:
Entoderm (inneres Keimblatt) -> innere Körperoberfläche (Darmrohr) und
Verdauungsdrüsen, die sich von ersterem ableiten.
Mesoderm (mittleres Keimblatt) -> Muskulatur, Binde- und Kreislaufgewebe.
Ektoderm (äußeres Keimblatt) -> Derivate der Haut: äußere Körperoberfläche und
Nervensystem.
13
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Abbildung: Neuralrohrentwicklung
Neuralplatte senkt sich zur Neuralrinne -> Verschluss -> und wird zum Neuralrohr (weiter:
andere Form). Das Neuralrohr hat eine Längsausdehnung, dies hat der Keimling auch. Am
Kopfende verbreitert sich das Neuralrohr -> Hirnbläschen -> Differenzierung -> weitere
Hirnbläschen (=> stellen die Anteile von versch. Hirnteilen dar). Vorstufe eines Hirnteils ->
Wachstums- und Faltungsprozesse. Durch unterschiedliche Geschwindigkeit kommt es dann
zu einer Faltung.
Übergreifend dazu ein Beispiel: Analogiebild: Das Beispiel von der Knackwurst ->
Vorstellung, man schiebt einen Strohhalm unter die Haut der Kackwurst. Jetzt wird ein
(Hasen)Luftballon am Ende des Strohhalms angebunden und aufgeblasen -> Entwicklung von
Hirnteilen. Nicht alle Teile werden gleich groß (beim Luftballon), ein Teil wird größer, ein
Teil wird zusammengefaltet.
2) Hirn – Überblick
 Encephalon (=griechisch)/ Cerebrum (=lat. das Gehirn): Die Begriffe werden
so oder so verwendet. Anmerkung: Spricht man von Entzündungen, so wird
am Ende immer ein –itis angehängt: z.B.: Encephalitis, Meningitis,
Bronchitis,…
 Mit Verkleinerungssilbe: Cerebrellum = Kleinhirn
Hirnteile
a) Endhirn oder Telencephalon (= Fernhirn oder Endhirn): Blase -> bläst sich am meisten
auf, ist am Ende befindlich. Vom Endhirn aus entwickelt sich das Großhirn (=paarig) > Großhirnanlage => 2 Großhirnhälften.
b) Zwischenhirn/Diencephalon
c) Mittelhirn/Mesencephalon
d) Hinterhirn/Melencephalon (Kleinhirnanlage)
e) Nachhirn/Myelenencephalon (verlängertes Rückenmark)
Ventrikelentwicklung
Abbildung: Hasenluftballon durchgeschnitten:
Großhirn: Zweifache Zulegung
VOREDENDE
Hohlraum (System)
Strohhalm
HINTERENDE
- enge Durchgänge -> siehe folgende Punkte:
-
Dieses Raumsystem innerhalb der Hirnanlage (Hohlraum oder Ventrikelsystem): hier gehört jedem
dieser Hirnteile ein Stückchen dieses Hohlraumes.
Zwischenhirn/: Seitenventrikel (links und rechts) => ursprünglich 1. + 2. Ventrikel. Hingegen linker
und rechter Ventrikel + 3. Ventrikel: Schmaler Durchgang = „Fenster“ (= Foramen interventriculare =
Fenster zwischen den Ventrikeln.
14
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-
-
Mittelhirn: Dünner, zündholzdünner Gang -> in den nächsten großen Hohlraum: dieser Gang
zwischen 3. + 4. Ventrikel = „Wasserleitung“(aquaeductus cerebri). Hohlraumanteil des Hinterhirns =
4. Ventrikel.
Weiter: 4. Ventrikel (s.o.)
…weiter… dann „Strohhalm“: dieser hat auch einen Hohlraum
…weiter…Rückenmark (auch mit Hohlraum: Zentralkanal = „centralis kanalis“)
Ventrikelsystem (Buch Seite 9)
Abbildung: hier ist ein Ventrikelsystem in Endzustand zu sehen und…
-
-
…linker + rechter Ventrikel
linker Seitenventrikel, dieser hat verschiedene Anteile:
 „Hinterhorn“
 „Unterhorn“
Ad: C-Form
 „Vorderhorn“
 „Pars centralis“
Foramen interventriculare
3. Ventrikel
Aquaeductus cerebri
4. Ventrikel
Grosshirn 1
Abbildung: siehe Buch Seite 9
Unterabschnitt des Hirns => „Lappen“ oder „Lobus“, hier ein Überblick
 rechte und linke Hälfte/Hemisphäre (ad Grosshirn!)
 Gehirnlappen (Lobus)
 Stirnlappen (lobus frontalis)
 Scheitellappen (Lobus parietalis)
 Hinterhauptslappen (Lobus occipitalis)
 Schläfenlappen (Lobus temporalis)
Zwischen dem Temporallappen, dem Frontallappen und dem Parientallappen,
diese Grenze ist gut erkennbar.
Auch die Grenze zwischen dem Parientallappen und dem Frontallappen ist gut
erkennbar.
Grosshirn 2
a) Oberfläche: Windungen (Gyri) und Furchen (Sulci) (liegen zwischen den Windungen).
Einer dieser Furchen ist gut erkennbar: „Sulcus cerebralis“. Die „fissura lateralis“ ist
die „tiefere Grube“. Die Furchen haben bestimmte Bezeichnungen: Werden
bezeichnet nach dem Lappen auf dem sie liegen (ob oben oder unten).
b) Schichtstruktur:
 Cortex (= die Rinde)….grau (graue Substanz), die enthält Zellen
 Bahnen (Fortsätze der Nervenzellen)…weiße Substanz
 Subcorticale Ganglien…graue Substanz
 Ansammlung von Nervenzellen (= Ganglion)
15
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 (Thalamus, Hypothalamus)
Grosshirn 3
Abbildung: Grosshirnbahnen -> siehe Buch
Kleinhirn (oder Cerebrellum)+ Rückenmark (=> Nervensystem = entspricht dem
„Strohhalm“)
Medulla spinalis = Marksflüssigkeit (Rückenmarksflüssigkeit)
Columna spinalis = ?
Zwischen dem Rückenmark und dem Hirn ist das verlängerte Mark (= medulla oblongata,
gebräuchlicher Begriff)
1) Das Kleinhirn oder cerebrellum liegt unter dem Hinterhauptslappen und besitzt
ebenfalls 3 Schichten.
2) Der Übergang vom Gehirn zum Rückenmark: verlängertes Mark oder Medulla
oblongata (=> MRT-Bild)
Die Hirnhäute (insgesamt gibt es 3 davon)
Abbildung auf Seite 11 : Schnittbild zeigt als äußerstes den Knochen, dann die Hirnhäute und
dann das Hirngewebe.
-
-
Haare – Kopfhaut – Unterhauptgewebe (nicht so fettreich wie an anderen Stellen) – derbe
Schicht (perios = äußere Beinhaut, hier sind viele kleine Blutgefäße. Beim Skalpieren
wird der Knochen freigelegt, z.B. siehe Indianer => Verblutung) – innere Beinhaut.
Knochenhaut (oder „Dura mater“, wörtlich übersetzt die „harte Mutter“) = aber auch die
äußerste Hirnhaut – darunter ist ein Raum: „Subduralraum“ – dann die „Arachnoidea (wie
Spinnengewebe) – in der / unten drinnen = „Subarachnoidealraum“ – unter dem: die „Pia
mater“ (wörtlich übersetzt die „heilige Mutter“). Die „Pia mater“ folgt auch der
Oberflächenstruktur der Windungen und Furchungen.
Liquor
-
ist lat.: für Flüssigkeit: dieser Liquor ist in Hohlraum drinnen. „Cerebrospinalis“ =>
gehört dem Hirn und dem Rückenmark (ad „medulla spinalis“).
Wird im Ventrikelsystem gebildet – im Plexus (= Venengeflecht) chorioideus
(Venengeflecht im Seitenventrikel) – und aus Blutplasma produziert.
Liquor fließt durch ganzes Ventrikelsystem, um…
…Gehirn und Rückenmark im Subarachnoidealraum zu umspülen. Kommt aus dem
Blutplasma und wird auch wieder zu Blutplasma (-> Rückresorption zum Blutplasma)
Funktionen des Liquors
-
hat mechanische Schutzfunktion
hat Stoffwechselfunktion (der Liquor hat diese Funktion fürs Gehirn)
Wichtige Substanz, die er Gehirn bringt: Abwehrkörper => also immunologische
Funktion
16
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-
Diagnostizierbare Erkrankungen durch Punktion: mit einer Nadel, die innen Hohl ist für
die Gewebsentnahme, geht man durch die Hautoberfläche. Im Liquor diagnostizierbar:
 Stoffwechselveränderungen
 Entzündungen
 Blutungen (z.B. Gefäßzerreißungen)
Ad Liquorpunktion
-
ist ein Verfahren zur Gewinnung des Liquor für Untersuchungen.
a) Lumbalpunktion (in der Lendengegend) = (Neurologisch)
b) Suboccipitalpunktion (neurologisch)
c) Ventrikelpunktion (Neurochirurg macht ein Loch durch den Knochen und holt sich
aus dem Ventrikel direkt die Flüssigkeit).
Ad Lumbalpunktion
Hier gibt’s kein Rückenmark mehr an dieser Stelle. Das Rückenmark endet auf der Höhe der
12. Rippe. Wirbelsäule…-> im Kreuzbein. Rückenmarkshäute gehen bis zum Kreuzbein: Ist
eine Zone, die ziemlich ungefährlich ist, weil hier kein Rückenmark mehr ist. Jedoch sind
aber hier noch Nervenfasern, die zum Beispiel bei einer Epidorialanästhesie (bei Kaiserschnitt)
betäubt und außer gefecht gesetzt werden.
Nun zurück zur Lumbalpunktion: man fährt nun mit der Nadel an dieser Stelle durch -> nur
wenig schmerzhaft, und hier wird dann der Liquor entnommen ( ist ungefährlich dieser
Eingriff).
6. Vorlesung: 11.11.2005
1) Aspekte der Pathologie des Zentralnervensystems
2) Ethik in der Medizin
3) Hydrocephalos Internus
4) Rückenmark
5) Mikroskopische Struktur und Entwicklung des ZNS
-
1) Aspekte der Pathologie des Zentralnervensystems (BS 12)
Grundorientierung im Zusammenhang mit Pathologischen Missbildungen 1
In jedem dieser Entwicklungsschritte können Störungen auftreten. Strukturbildung kann
beeinträchtigt werden. Besonders kritisch sind die ersten 3 Schwangerschaftsmonate, weil
hier die Strukturbildung erfolgt.
 Porencephalie:
 Hier fehlt Hirngewebe => LOCH, hier ist also an einer bestimmten Stelle einfach ein
Loch (Bsp.: „Frontalhirnsyndrom“)
 Anencephalie: oder halbseitige Anencephalie
 Eine halbseitige Anencephalie bedeutet z.B. dass auf einer Seite kein (Groß)-Hirn ist.
 Keine 1:1 Aussage über Funktion/Struktur möglich.
 Umkehrschluss auch nicht zulässig.
 Kompensatorische Funktionsänderungen sind möglich.
 Wenn jemand „so“ zur Welt kommt, hat dieser später kaum Beeinträchtigungen
(Epileptische Anfälle sind möglich. Sprache und Intelligenz entwickeln sich aber
völlig normal)
 Eine Pneumencephalographie oder „Luftfüllung“ des Gehirns, ist hier möglich.
17
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



Komplettanencephalie:
Hier fehlt die komplette Schädeldecke
Ganz ohne Hirnentwicklung:
nicht lebensfähig
Ergänzung:
- Mit einer Lumbalpunktion ist üblicherweise der uns geläufigere „Kreuzstich“ gemeint.
- Bei einer Epidorialanästhesie werden Nervenfasern außer Gefecht gesetzt. Diese wird oft
bei einem „Kaiserschnitt“ vorgenommen.
Missbildungen 2
-
-
-
 Meningoencephalocelen:
Das heißt, dass über dem Kleinhirn kein Schließprozess stattgefunden hat. Es kommt zu
einer Auswölbung (wo „celen“ drin ist), zur Ausbildung eines Sacks, in dem Hirnhäute
und Hirn drinnen sind. Die Füllung kann unterschiedlich sein.
Dieser „Sack“ ist operativ entfernbar. Problem eventuell: Ist das entfernte Nervengewebe
da drin funktionell relevant gewesen oder sind vielleicht gar Nervenbahnen beschädigt
worden? Relevant problematisch wird es, wenn dabei eine Myelocele (mit
Rückenmarksgewebe drinnen) oder wenn von den Nervenbahnen etwas weggeschnitten
wurde.
Ad Myelocele und Auswirkungen durch die OP:
 bei Entfernung der Rückenmarkssubstanz: diese hat Steuerung der
Ausscheidungsorgane inne. Hier kann es in weiterer Folge dann zu gehäuften
Infektionen der Blase kommen.
 Nervenbahnen (efferent): diese tragen wichtige Impulse. Folgen: Lähmung der unteren
Extremitäten.
 Nervenbahnen (afferent): kann in weiterer Folge die Empfindungsfähigkeit, also
Empfindungslosigkeit in einigen Körperteilen darunter führen. (z.B. „Vegetative
Phasen“ – Regulation durch die Durchblutung.-> „Wundliegen“, vgl. mit der Situation
bei Querschnittgelähmten Menschen)
2) Ethik in der Medizin
Einstieg: Der australische Moralphilosoph Peter Singer (wir sprechen von der Zeit Ende
80er – Anfang 90er): „Muss dieses Kind am Leben bleiben“ (Bezug auf Ebene dieser
Kinder mit Myelocele => Leben dieses Kindes nicht lebenswert, so Singer. Vgl. auch
Singers Thesen: „Schwere Behinderungen (genannt werden geistige Behinderungen,
Spina bifida und Hämophilie) sind mit Unglück und Leid verbunden: dies sowohl für die
unmittelbar Betroffenen wie auch für ihre Angehörigen. Eltern soll es daher nicht
verwehrt sein, eine behinderte Person zu ersetzen, d.h. durch Tötung quasi Platz zu
schaffen für ein gesundes, glückliches und beglückendes Kind.“ Vgl. Peter Singer,
Einführung in die Heil- und Integrative Pädagogik, Bettina Schech SS 05, 13):
Bioethische Diskussion also auch hier!
Ad: Meningoencephalocelen
 Spina bifida (d.h. das Wirbelbogen/Lenden nicht geschlossen sind, diese Stelle bleibt
offen.
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 Die „Spina bifida“ ist funktionell belanglos und muss nicht zwangsläufig zu einer
Missbildung führen.
 „Agyrie“ -> keine Ausbildung von Hirnwindungen
 „Mikrogyrie“ -> besonders kleine Hirnwindungen
 „Corpus callosum-Agenesie“ = Nicht-Ausbildung. „Corpus-callosum“ =
„Balken“ (jene Masse an den Hirnbahnen, die die Hirne mit den Hemisphären
verbinden). Die funktionelle Relevanz hält sich in Grenzen (z.B.
Teilleistungsschwächen möglich). Manchmal fehlt auch ein Teil des „Callosum“.
3) Hydrocephalos Internus (oder „Wasserkopf“ durch Liquoransammlung)
 hat nicht mit Hirnentwicklung zu tun.
 Es kommt hier zu einer Stauung des Liquor im Ventrikelsystem.
 Eine frühzeitige Behebung durch die so genannte „Shunt-Operation“ ermöglicht später
eine weitgehend normale/optimale Entwicklung:
„Shunt-Operation“
Einleitend: Bei einem Baby befindet sich zwischen den Knochen noch Bindegewebe (bis
etwa zum 1. Lebensjahr). Bei einem Wasserkopf nun weitet sich die Hirnsubstanz aus und
kann nicht „eingeengt“ werden.
Bei Feststellung eines Wasserkopfes: „Shunt-Operation“:
 Hier wird ein künstlicher Umweg angelegt mit einem Röhrchen im Ventrikelsystem.
 Diese werden mit einem Schlauchsystem (Anm.: der Schlauch ist etwa einen „halbenkleinen-Finger-dick“. Der Schlauch, der unter der Haut befindlich ist, wächst auch
nicht mit) verbunden.
 Schlauchsystem: hat ein Ventil -> für Steuerprozess: Ventil öffnet sich bei Druck
durch den Liquor. Der Liquor wird dann ins Herz oder in die Bauchhöhle abgeleitet ->
Resorption.
 Bei rechtzeitigem Eingriff durch diese Operation => völlig normale Entwicklung
möglich.
Risikofaktoren
-
Liquorstauung kann auch Entzündung des Gehirns vorangegangen sein, welches
wiederum zu einer Schädigung von Gehirnsubstanz geführt haben kann.
Komplikationen: Verstopfung des Ableitesystems
Entzündungen




Meningoencephalitis: Hirnhäute und Hirnsubstanz sind entzündet.
Meningitis = Entzündung der Meningen
Encephalitis = nur die Gehirnsubstanz ist entzündet.
Encephalomyelitis: hier ist auch das Rückenmark entzündet.
Läsionen
 Gemeint ist hier, dass das Hirngewebe zerstört wird. Hierfür gibt es verschiedene
Ursachen und Zeitpunkte.
19
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Tabelle:
Zeitpunkt/Ursachen
Pränatal
Trauma
z.B. wenn Mutter stürzt
Perinatal (= od.
peritraumatisch)
Geburtstrauma
Postnatal
Unfall
Weitere
Gegebenheiten:
- Häufiges
Schütteln des
Babys kann
Schädigungen
des Gehirns zur
Folge haben.
- Alle Felder
können in allen
Phasen
Ursachen sein.
-
-
-
-
Drogengebrauch
während der
Schwangerschaft:
Studie europaweit
dazu gemacht: siehe
„Berger-HP“: 270
Kinder wurden
untersucht. Die
Untersuchung stützt
sich auf 95 dieser
Kinder.
Es hat sich eine
Relevanz des
„Zusatzkonsums“ ge
zeigt. Ansonsten ist
Entwicklungsrisiko
minimal.
Nikotin: schwer zu
überprüfen, aber:
insgesamt auf
Wachstum relevant.
Alkohol dagegen hat
sehr relevante
Auswirkung.
Entzündung
Virusinfekt der
Mutter (Virus kann
durch
Plazentaschranke)
->
Lebensgefährlich in
den ersten 3
Monaten.
Intoxikation/Vergiftungen
Medikamente
-
-
Sauerstoffmangel
Plazentainsuffizienz
(Mutterkuchen
durch
Plazentainfarkt..)
Zu lange und
stressige Geburt
kann zu einem
Sauerstoffmangel
führen, das
wiederum kann
Hirnschädigungen
zu Folge haben.
Erstickungsunfall
Am
wichtigsten
jedoch aber
sind die
psychosozialen
Elemente,
noch wichtiger
als
biologischen
E.
Auch hier hat
der
Zusatzkonsum
eine tragende
Rolle =>
Sprachentwick
lung.
ZNS-Pathologie
- MR und CT
 Abbildung: „Atrophie“ (nach schwerer Verletzung des ZNS)
20
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 Hydrocephalos
 Tumor
Zurück zur Struktur
Rückenmark = medulla spinalis oder Myelon
= nicht überall gleich dick, d.h. von der jeweiligen –Steuerungsfunktion abhängig.
Abbildung: Rumpf von hinten. Dann Sack von Rückenmarkshäuten (Kreuzstich unterhalb
Rückenmark)
MRT (d.h. ohne Röntgen) Rückenmark/HWS




Anmerkung: „Foramen magnum“ = Das „große Fenster“
Die „Medulla oblongata“ = Das „verlängerte Rückenmark“
Bandscheiben
Wirbelbogen
4) Rückenmark 2 (BS 14)
 Wir wollen uns nun mal die Struktur anschauen:
Rückenmark = Säule
- Vorderwurzel (efferent) -> Reize vom Rückenmark zu den Muskeln
- Hinterwurzel (afferent) -> Reize zum Rückenmark von der Peripherie
- Graue Substanz (ist nur drinnen) mit Nervenzellen.
- Weiße Substanz = auf und absteigende Nervenbahnen (Zellfortsätze + Fasern)
- Graue Substanz: Vorder- und Hinterhorn; besteht aus Zellen (umgibt d.
Zentralkanal)
-
Vorder- und Hinterwurzel
RM-Häute
Ad „Medulla Oblongata“: reicht gerade ins „Foramen magnum“.
- In der Medulla Oblongata sind wichtige Steuerzentren: wenn es zu einem Druck kommt,
dann kann das Hirn nur auf das Foramen magnum ausweichen: Atemzentrum wird
gequetscht, Bsp.: „Schädelhirntrauma“.
- Bei akutem Druck = gefährlich
4) Mikroskopische Struktur + Entwicklung des ZNS (Ab S14)
 d.h. mit Zuhilfenahme des Mikroskops: Lichtmikroskop
 später Elektronenmikroskop
Ad Lichtmikroskop:
 um Bausteine des Nervengewebes anzusehen, d.h. einzelne Bausteine (Zellen) und den
Aufbau des Nervengewebes.
21
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Zellentwicklung
differenzieren sich in Zellenstränge
Matrixzelle
(=Mutterzelle, entsteht Fötalentwicklung)
Gliablasten
Neuroblasten
(Blasten => Zellen in
Entwicklung)
Gliazyten
Neurozyten
Anm.: Die „Zyten“ sind die „reifen“Zellen.
Anm.: Nervengewebe besteht eben aus 2 versch. Zelltypen: Gliazellen und
Nervenzellen!
Ad Gliazellen/Funktionen
 Stoffwechselfunktionen (Kaliumionenpuffer -> K+- Puffer, Transmitterregulation,
Beteiligung an Gedächtnisfunktionen)
 Narbenbildung (nach Zerstörung von Nervenzellen = „Glianarbe“)
 Ventrikelauskleidung (ev. auch Stützfunktion als „Baugerüst“ des Nervensystems)
 Myelinbildung (Schwann’sche Zellen)
 Gliazellen sind auch nach der Entwicklung vermehrungsfähig
Nervenzellen/Funktionen
 Informationsverarbeitung
 Reizleitung
 Informationsübertragung
Struktur dieser Zelle, um
Aufgaben zu erfüllen. Bsp.:
Reize weitergeben.
7. Vorlesung:
Arbeit mit dem Lichtmikroskop
-> Das Neuron
Mikroskopische Entwicklungsphasen
Gesetzmäßigkeiten der Organisationsphase
Prinzipien der ZNS-Entwicklung
Deprivationsforschung
Ultrastruktur der Nervenzelle
Arbeit mit dem Lichtmikroskop
 Das Neuron = kleinste Funktions- und Struktureinheit
Neuronen stehen untereinander in Kontakt.
Die Synapse ist:
 die kleinste Funktions- und Struktureinheit
 ein Zellkörper mit
 Fortsätzen, den:
22
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a) Dendriten (dendros = Ast; „stark verästet“): sind also kurz, stark verzweigt, es gibt
mehrere von ihnen an jeder Zelle.
b) Neuriten = Axon, lang, wenig verzweigt. Neuriten bilden die Verbindung der linken
und rechten Hirnhälften. Sie können zudem sehr lang sein (von wenigen mm bis 1
Meter). Und sie können umhüllt sein.
c) Synapsen: Zellfortsätze anderer Neuronen
Mikroskopische Entwicklungsphasen
 diese erklären uns sehr viel, was mit der Entwicklung zu tun hat.





-
Induktionsphase: Anregung der Zellbildung der Matrixzelle. (Neuralplatte) Etwa
zwischen der 3. – 6. Schwangerschaftswoche => Annäherungswerte.
(Vermehrung) Proliferationsphase: Vermehrung der Zellen, ca. 2 – 6 LM (= sind inLunarmonat = weiblicher Zyklus)
einander
Migrationsphasen: Wanderung der Nervenzellen, ca. 3 – 6 LM
verwoben
Organisationsphase: Ausbildung eines Netzwerks interneuronaler Verbindung; etwa 6.
LM bis etwa 7. Lebensjahr (diese Zeitspanne umfasst den Entwicklungsprozess von
der Geburt und der frühkindlichen Entwicklungsperiode).
Myelinisation: Ausbildung der Hüllen der Neuriten (Myelinscheiden) => mit dem Ziel:
der Erhöhung der Leitungsgeschwindigkeit. Ca. 4. LM – Erwachsenenalter. Bis in die
70er hinein dachte man, dass dies erst die eigentliche Entwicklung sei (des ZNS).
Organisationsphase
Funktionelles Netzwerk: einzelne Neurone treten mit Neuriten und vielen Dendriten in
Kontakt.
Vermehrung und Längenwachstum der Zellfortsätze
Dickenwachstum der Zellfortsätze
Ausbildung der Dornfortsätze (dendritic spines): Die Dornfortsätze sind Träger der
Kontaktstellen: Sie dienen der Ausbildung der Synapsen.
Gesetzmäßigkeiten der Organisationsphase I
 Frage: Wenn Neuriten / Dendriten in die Länge wachsen: Wohin wachsen sie dann?
Sind Botenstoffe.
1)
a)
b)
c)
Ausbildung der Verzweigungen + Verbindungen der Neurone: mehrere Schritte
Zelle beginnt Fortsätze auszubilden
Fortsätze treten in Kontakt mit anderen Neuronen (durch „Botenstoffe“)
Ausbildung v. Fortsätzen + Kontakten erfolgt zuerst im Überschuss (Skriptum S 17)
Gesetzmäßigkeiten der Organisationsphase II
a) Inbetriebnahme => zur funktionellen Ordnung des Systems + Differenzierung
b) Selektion: Rückbildung überschüssiger Verbindungen
c) Beispiel: „Optisches System“
Allgemein: aus dem Skript: S 17
 „Somit ist die endgültige Struktur des ZNS vor allem als Produkt der Tätigkeit des
ZNS zu verstehen. Die im Genom (= Gesamtheit aller Gene im einfachen
Chrosmosomensatz einer Zelle; aus: Strachota, „Heilpädagogik und Medizin“) vorhandene
genetische Information würde nämlich quantitativ gar nicht ausreichen, die große Zahl
interneuronaler Kontakte zu determinieren. Das Gehirn unterliegt somit dem Prozess
der Selbstorganisation in der Entwicklung. Die Kenntnisse über diese
23
D:\75896361.doc
Entwicklungsprozesse stammen aus der Deprivationsforschung (darüber noch im
Verlauf dieser Vorlesung). Die Fragestellung dieser Forschung bezieht sich auf den
Zusammenhang von Umwelteinfluss und Entwicklung des Individuums, bekannt als
„Anlage-Umwelt-Problem“. Die Antwort lautet: Die Grundinformation ist natürlich
genetisch bedingt, die Ausdifferenzierung aber nicht. Diese ist ein Produkt der
Inbetriebnahme. Anlage und Umwelt ergibt somit das Produkt der Entwicklung.
Prinzipien der ZNS-Entwicklung
 Die endgültige Struktur des Zentralnervensystems ist ein Produkt der Tätigkeit des
ZNS = Prozess der Selbstorganisation (ohne, dass eine Information mitgebracht wird)
 Ab dem 6. LM kommt es zu einer Abnahme der Synapsen: gehen etwa 2 – 3
Zehnerpotenzen zurück => große Dynamik
 Die Richtung, in die sie wachsen, ist genetisch vorgegeben.
 Die Grundinformation ist genetisch bedingt (Anlage)
 Die Ausdifferenzierung ist ein Produkt der Inbetriebnahme: Aus Anlage und Umwelt
ergibt sich somit das Produkt der Entwicklung.
Deprivationsforschung
 „Verarmung“ oder „Beraubung“: z.B. „Der Abdeckung eines Auges beraubt“.
 Es gibt verschiedene Fragerichtungen der Deprivationsforschung:
1) Deprivation1 generell: ist ein Anregungsmangel (Reizabschirmung, Kontaktarmut,
Verarmung, Beraubung)
a) Soziale Deprivation: Deprivation auf der psychischen und sozialen Ebene.
b) Sensomotorische Deprivation: Deprivation auf der biologischen Ebene (hier
vorwiegend „Vergleichende Forschung an Tieren“)
a) Soziale Deprivation
 Rene SPITZ (schweizer Kinderarzt und Psychoanalytiker): Beobachtete die
Entwicklung von Kindern inhaftierter Mütter.
 Situation: kein Experiment: d.h. gegebene Prozesse werden beobachtet, es herrschen
keine geschaffenen Bedingungen vor.
 2 Gruppen:
a) Gruppe 1: Kinder im Säuglingsheim, unter perfekten Hygienebedingungen
b) Gruppe 2: Kinder wachsen bei Müttern in den Zellen auf. Keine optimale
Hygienebedingungen.
 Ergebnis der Beobachtung: Die Kinder/Säuglinge, die bei ihren Müttern auf der Zellen
blieben, durchliefen insgesamt eine bessere Entwicklung, z.B. wurden die Kinder
weniger krank. Hingegen, die Kinder, die im Säuglingsheim blieben, wiesen immer
wieder schwere Entwicklungsstörungen auf, wurden öfters krank und die Sterberate
war auch höher (gegeben durch die erhöhte Deprivation).
c) Sensomotorische Deprivation
 A.H. RIESEN: Optische Deprivation von Katzen
1
Deprivation (lat. deprimere herabdrücken, niederdrücken; engl. deprivation).
1) Entzug von oder Mangel an Liebe und Zuwendung. Der Begriff wird heute meist anstelle des Begriffs
Hospitalismus verwendet.
2) Mangel an oder Entzug von anregungs- und abwechslungsreichen Umweltreizen. In beiden
Begriffsverwendungen hängen die krank machenden und entwicklungshemmenden Symptome von der
Art und Dauer der Deprivation ab (aus: Schaub & Zenke (Hrsg.)/ Pädagogisches Wörterbuch, S. 134)
24
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-
Vernähung der Augenlider neugeborener Katzen (zu NS-Zeiten wurde dies auch mit
Kindern gemacht)
Öffnung der Lidnaht zu unterschiedlichem Intervall.
Tötung der Tiere und Untersuchung der Gehirne (Sehrinde)
 Ergebnis der Beobachtung: bleibende strukturelle Veränderungen im
Zentralnervensystem durch den Reizmangel. Bleibende strukturelle Veränderungen
erst dann, wenn die Lidnaht zumindest 3 Monate gedauert hatte. Anmerkung: Ersten
3 Monate: „kritische Periode“ (=> „Gesetz der sensiblen Periode“, siehe die ersten 3
Schwangerschaftsmonate – wichtige Entwicklungsphase!)
 Das oben angeführte Gesetz, also das biologische Gesetz der „Kritischen Periode“: ist
beim Menschen relativiert zu sehen, nicht allgemeingültig.
 Auch das „Prinzip der Frühförderung“ relativiert sich damit. Auch eine Spätförderung
ist möglich.
 „Kritische Perioden“ gelten jeweils für bestimmte Funktionssysteme einer Gattung.
 Man muss die Systeme auch vergleichen, die sich ähnlich entwickeln!
Zusammenfassung:
Deprivation wirkt sich schädlich in und für die Entwicklung aus.
- Deprivation in der Entwicklung des Kindes => durch „isolierende Bedingungen“ (vgl. JANTZEN)
- Auswirkungen auf allen 3 Ebenen (biologische/psychische/soziale Ebene)
- Konkrete Deprivationsfolgen sind von der Art und Weise der Deprivation und den
- Kompensationsmöglichkeiten (von der sozialen Umwelt) abhängig.
Ultrastruktur der Nervenzelle
 Elektronenmikroskopische Beobachtung (keine Lichtstrahlen, sondern
Elektronenstrahlen!)
 Elektrische Linsen sind magnetische Spulen, die den Elektronenstrahl ablenken.
Ein Blick nun auf das Innere der Nervenzelle
 Zellmembran bildet eine „Wand“
 Zytoplasma: füllt das Zellinnere
 Zellorganellen: schwimmen im Zytoplasma, sind frei verteilt.
-
Die Zellmembran
hat einen mehrschichtigen Aufbau, dieser wird realisiert durch:
a) Proteine
b) Phosphorlipide (= Fette)
-
Poren: haben auch mögliche Durchgänge
-
Der Zellkern
46 Chromosomen2
Nucleinsäuren3:
Die Chromosomen sind Gebilde im Zellinneren, die man mit dem Mikroskop entdeckt hat – bereits Anfang
des 20. Jahrhunderts hat man vermutet, dass die Chromosomen die Träger der Erbanlagen sind.
Die Analyse der Chromosomen ergab dann, dass sie verschiedene Proteine und Nukleinsäuren enthalten.
(Strachota /Heilpädagogik und Medizin, Foliensatz 8. VO)
3
1952 wurde bewiesen, dass Nukleinsäuren jener Stoff sind, in dem die Natur unser Erbe angelegt hat: jene
Nukleinsäure, die die Natur als Erbanlage verwendet, heißt: Desoxyribonukleinsäure DNS – engl. DANN. Die
DNA ist der Stoff, aus dem die Gene sind. (ebd., 8. VO)
2
25
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a) DNS = Desoxyribonukleinsäure (man hat Sauerstoffanteil weggenommen hier)
b) RNS = Ribonukleinsäure (mehr Sauerstoff)
c) Die Reihenfolge der Nukleinsäuren: „genetischer Code“ => Entschlüsselung4: man
kennt nur die Nukleinsäuren und deren Abfolge, daher: keine funktionelle
Entschlüsselung. Anmerkung: „genetic-engeneering“ = Phantasie.
d) Proteine: sind Eiweißkörper und aus Aminosäurenketten aufgebaut
Zusammengefasst:
- All diese oben aufgezählten Bausteine des Zellkerns bilden Ketten, die schraubenförmig
ineinander verdreht sind.
- Funktion: Zentrale der genetischen Information + Steuerung der Proteinbiosynthese (die
vom Zellkern ausgeht).
-
-
-
Zellorganellen
Ribosomen – liegen an - (Ort, an dem die Proteinbiosynthese passiert). Anmerkung: Die
Messengerribonukleinsäure nimmt eine Kopie und wandert zu den Ribosomen ab und legt
sich dort an.
(A-) Granuläres Reticulum: mit oder (A-)- ohne Ribosomen an der Oberfläche
Mikrotubuli: dienen dem Transport durch die Zelle (tubulus = Röhre)
Vesikel: sind Bläschen, schwimmen durch Zytoplasma durch. Die Vesikel sind das
Transportsystem der Transmitter (siehe im weiteren Verlauf). Die Transmitter werden
produziert, und sie sind Trägerstoff von einem zum nächsten Neuron (=> Reizübertragung)
m-RNS = Messenger- oder „Boten-RNS“
Mitochondrien: sind das Kraftwerk der Zelle -> siehe „Zitronensäurezyklus“, weil ziehen
aus dem Zyklus Energie ab und speichern es im „ATP“ (= Adenostriphosphat)
Mitochondrien
 sind frei schwimmend im Zytoplasma verteilt
 Zentrum des Zellstoffwechsels (vorwiegend Zucker)
 Liefern die Energie in Form von „ATP“ (s.o.)
Transmitter
a) Überträgersubstanz an Synapsen
b) Acetylcholin
 im sensomotorischen Nervensystem (Nerven -> Muskel)
 in den erregenden Synapsen
c) Noradrenalin
 im autonomen Nervensystem
d) Serotonin (vgl. Kasper -> „Depression“)
e) Histamin
f) Gaba (Gamma-Amino-Buttersäure)
 das a im Gaba bedeutet “acid” (=> in hemmenden Synapsen als Trägersubstanz
verwendet).
Funktionen der Nervenzelle (ab S 21)
 Reizleitung
nicht zu verwechseln mit dem
Die „Human Genome Organisation“, kurz „HUGO“ (weltweit öffentliches Humangenomprojekt), und das vom
Amerikaner Craig Venter gegründete Privatunternehmen „Celera Genomics“, lieferten sich jahrelang einen
„Wettstreit“, bei dem es darum ging, wer bis zum Jahre 2005 mit einer höheren Genauigkeit die Entschlüsselung
der DNA-Sequenz schafft. Anmerkung: Keinem der beiden Unternehmen gelang eine 100%ige Entschlüsselung.
4
26
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

Reizübertragung
Reizverarbeitung
Prozess im Innern der Nervenzelle.
Bsp.: Ultrastruktur der Zelle
8. Vorlesung: 25.11.2005
Reizleitung/Membranverhältnisse
Myelinisation
Funktionen der Nervenzelle
Reizübertragung
Reizverarbeitung
Reizleitung – Membranverhältnisse
Anmerkung:
Membran: hat mehrere Schichten. Die Membran ist zentraler Punkt.
Abbildung: Membran mit ihren Schichten. In der Wand => sind Durchgänge =>
Stofftransport.
Elektrisch-geladene Teilchen.
Aus dem Skriptum: S 21
Die Zellmembran trennt den Innenraum der Zelle vom Außenmilieu. In beiden Räumen
finden sich unterschiedliche Ionenkonzentrationen: Im Außenmilieu überwiegen die NatriumIonen (Na+), im Innenraum überwiegen die Kalium-Ionen (K+). Darüber hinaus gibt es
verschiedenartige negativ geladene Ionen. Die Summe dieser Ladungen ergibt im
Ruhezustand der Zelle an der Außenseite der Membran eine positive Ladung, an der
Innenseite der Membran eine negative Ladung.
Verbindet man diese beiden Bereiche über ein Spannungsmessgerät, so zeigt dieses eine
Spannung von -70 mVolt (Ruhepotential) an.
Nervensignal (Analogiemodell) – „Depolarisation“(=> bestimmte Spannungsverhältnisse)
Ein Modell geht hiervon aus:
Anmerkung: Polarisation = Elektrophysiologischer Begriff
Depolarisation
Kanal öffnet sich und durch diesen können Na+ in das Innere der Nervenzelle strömen. Das
Konzentrationsgefälle sinkt, sobald sich der Kanals öffnet, ab.
-
-
1. Schritt:
Reiz (mechanisch, chemisch) auf die Zellmembran -> Na+ strömen ins Innere.
2. Schritt: Nervensignal 2
Repolarisation: Ursprungszustand wird wieder hergestellt.
Na+ müssen aktiv aus dem Zellinneren hinaus befördert werden – mithilfe einer
„Natriumpumpe“
Ursprüngliche Konzentrations- und Spannungsverhältnisse werden wiederhergestellt
(Ruhepotential)
2 verschiedene Betrachtungsweisen:
 sind nicht identisch.
1) Elektrophysiologische Betrachtungsweise (Spannungsverhältnisse, Ruhepotential,
Spannungsänderung)
2) Chemische Betrachtungsweise (chemische Vorgänge, Natrium-Kalium-Konzentration)
27
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Kontinuierliche Reizleitung
Dieser Vorgang breitet sich über die gesamte Zellmembran aus (= Hülle der Zelle) =>
Weiterleitung über die gesamte Zelle.
- == Kontinuierliche Reizleitung (ab S 21)
-
Phase der Myelinisation – aus elektronenmikroskopischer Sicht



a)
b)
c)
4. Lebensmonat bis Erwachsenenalter
Die Schwann’sche Zelle bildet die Myelinscheide.
Abbildung: S 23 im Skript: darauf zu sehen:
Zellkörper
Axon=Neurit
Gliazelle (= Schwann’sche Zelle) wickelt sich um Axom herum und hinterlässt Teil
der Zelle selbst (Zellsubstanz). Die Gliazelle hat eine bestimmte Größe.
d) An einer bestimmten Stelle liegt ein Axom frei (Anmerkung: zwischen den Schwann’schen
Zellen befinden sich „Schnürringe“ (oder „Ranvierringe“, nach Ranvier benannt)
e) Die Hülle ist keine kontinuierliche Hülle (Anm.: die Hülle, die durch die Umwicklung
ist)
Myelinisiertes Axiom oder Saltatorische Reizleitung (s. Buch)
 Beschleunigung der Reizleitung => Effekt der Saltatorischen Reizleitung
 Die Stellen der „Einschnitte“ nennt man Knoten (v. Ranvier)
 Ranvier’scher Schnürring: befindet sich zwischen den „Schwann’schen Zellen“
 Stromfluss von Schnürring zu Schnürring = „Sprunghaft(e)“/ Saltatorische Reizleitung
Peripherer Nerv (Abbildung S 23)
2 unterschiedliche Vergrößerungen:
Querschnitt durch peripheren Nerven
 Es gibt Punkte da drinnen – das sind die Axone. Die Weiße Hülle =
„Bindegewebshülle“.
 Axone werden durch „Endoneurium“ zu Bündeln zusammengefasst und vom
„Perineurium“ umgeben = Peripherer Nerv
 Afferente und Efferente Axone ->
 In den Bündeln liegen Afferente und Efferente Axone.
Funktionen der Nervenzelle (S 24)
Reizübertragung
 auf das nächste Neuron = interneuronal (d.h. zwischen zwei Neuronen)
 (an ein)Zielorgane (auf das Reiz weitergegeben werden muss) (Muskel,
Drüsenzelle, …)
Interneuronale Reizübertragung
Kontaktstelle =
Synapse (es gibt unterschiedliche Synapsen): erregende oder hemmende Synapsen.
 Erregende / hemmende Synapsen, wirken eben erregend oder hemmend auf das
Neuron. Erregend würde bedeuten, dass sie nahe an den Dendriten sind. Hemmend
würde heißen, dass sie nahe am Zellkörper sind.
28
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Wie sieht nun eine Synapse aus? Hier eine Darstellung
Impulsübertragung: Chemische Synapse (s. Buch)
 Aufgabe der Transmittersubstanz => diesen Spalt zu überwinden: Impulsübertragung
 Transmitterbildung im Neuron
 Transport zur Synapse (Mikrotubuli, Vesikel)
 Anlagerung an Präsynaptische Membran
 Änderung der Gitterstruktur (an Synapse)
 Transmittersubstanz wird an Synapsenspalt ausgeschüttet.
 Synapse arbeitet immer nach „Alles-oder-nichts-Prinzip“
 Dann: Inaktivierung => der Transmittersubstanz (=> chemischer Vorgang) am
Beispiel des Acetylcholin: dies ist ein Essigsäurerest, gekoppelt an Aminosäure.
 Bei der Spaltung wirkt der Transmitter nicht mehr (=> Acetylcholinestherase – wird
dann aufgespalten)
Reizübertragung auf Zielorgan
Anmerkung: ad verschieden starke Impulse (Impulsintensität) => Zahl der aktivierten Synapsen => Regulator
der Impulsintensität.
Reizübertragung auf das Zielorgan Muskel
= Wie ist der Kontakt zwischen der Nervenfaser und der Muskelfaser:
 Blick auf Myofibrillen (Aktion: „Zusammenziehen“ oder „Auseinanderziehen“ =>
Muskelkontraktion): sind aufgebaut, dass verschiedene Eiweißstrukturen ineinander
verschoben sind => Verkürzung / Kontrahierung des Muskels. Da muss aber vorher
ein Reiz darauf wirken.
29
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 Endstruktur heißt: „motorische Endplatte“ => durch die Reizleitung wird Acetylcholin
in den Spalt zwischen Nervengewebe und Muskelgewebe ausgeschüttet und genauso
abgebaut.
 Kontaktstelle zwischen Muskel = „motorische Endplatte“
 Transmitter Acetylcholin
 Störung des Transmitterabbaus: Mangel an Acetylcholin-Esterase => Mylastenia
gravis. Hier noch eine Ergänzung aus dem Heft!
 Reizübertragung passiert: aber kein 2.Mal, weil keine Inaktivierung.
 Anmerkung: Psychopharmaka nehmen Einfluss auf Serotonin-Aufbau/Produktion und
Abbau.
Funktionen der Nervenzelle – elektronenmikroskopisch betrachtet
-
-
Reizverarbeitung: darüber wissen wir nur sehr wenig.
Abbildung: Zeigt eine Zelle von außen (S 26): „Was befindet sich da an der
Zelloberfläche?“
= Synapsen – an allen Fortsätzen, d.h. Zelle an gesamter Oberfläche Reize (durch
hemmende oder erregende Synapsen) erhält => aus unterschiedlichen Zonen des
Nervensystems. Viele Impulse auf Nervenzelle => diese muss „Reizhagel“ verarbeiten.
Zelloberfläche: Zahlreiche hemmende und erregende Synapsen (nach Berger)
Zellinneres: differenzierte chemische Prozesse
Axon = „Empfänger“
Integrative Prozesse: n. Berger-Skript (26): Ein Neuron enthält also viele Informationen von anderen
Neuronen. An verschiedenen Orten und Zeiten treffen unterschiedliche Reize ein (= räumlich-zeitlichesMuster). Das Neuron muss eine Integrationsleistung vollbringen, d.h. die verschiedenen Reize summieren;
denn als Antwort geht nur eine Information über das Axon an das nächste Neuron. Dort treffen erneut viele
verschiedene Informationen von verschiedenen anderen Neuronen ein u.s.w.. Schon auf Einzelzellniveau
ereignen sich also hochkomplexe Intgrationsvorgänge.
-
Auf 1 Kubikmillimeter kommen 1 Million Synapsen!
„Funktionelles System“: v. ANOCHIN in den 30ern entwickelt
 bezüglich Prozesse: auf Ebene der einzelnen Zelle, diese ist wieder Teil des
Neuronalen Netzwerks => Subsystem.
Funktion des Zentralnervensystems
- Abriss der Phylogenese 1 (= stammesgeschichtliche Entwicklung)
30
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Hierbei ein Schritt zurück in die Entwicklung, d.h. ein paar Millionen Jährchen => „Million
years before“: Darstellung:
Anhang zu dieser Vorlesung: aus Birbaumer/Schmidt: „Biologische Psychologie“, 5.Auflage
Abbildung 1: Kolokalisation eines klassischen Transmitters (Azetylcholin, ACH, schwarze Vesikel), mit
einem Neuropeptid (VIP, vasoactive intestinal peptide, rote Vesikel) in einem Neuron des autonomen
Nervensystems.
3
Abbildung 2: Bahnung im Nervensystem
31
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4
Abbildung 3: Struktur einer Zelle und ihrer wichtigen Bestandteile, dargestellt an einer "idealisierten
Modellzelle" bei einer etwa 24 000 fachen Vergrößerung.
5
Abbildung 4: Adenosintriphosphat
32
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6
Abbildung 5: siehe Text darunter!
33
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7
9. Vorlesung: 02.12.2005
Blick in die Phylogenese: Stammesgeschichtliche Entwicklung
Tier-Mensch-Übergang 1 + 2
Phylogenese des Gehirns 1 + 2
Ontogenese des Gehirns
ZNS – Funktionstheorien
Exkurs „Funktionelles System“
Blick in die Phylogenese / Stammesgeschichtliche Entwicklung
Ergänzung:
Die Phylogenese (griechisch φυλογένεση, ein Kompositum aus φύλο, neugriechische
Aussprache: fílo - der Stamm, das Geschlecht und γεννήση, neugriechische Aussprache:
jénnissi - die Geburt, Entstehung) ist die Stammesentwicklung der Lebewesen (biologische
Evolution) im Verlauf der Erdgeschichte.
Der Begriff ist nicht nur auf die Evolution von Tierstämmen begrenzt sondern schließt die
Entwicklung von Taxa auf allen Ebenen der Systematik ein. Er wird auch benutzt, um die
Evolution einzelner Merkmale im Verlauf der Entwicklungsgeschichte zu charakterisieren.
Die Erforschung der Phylogenese erfolgt insbesondere durch
* Auswertung von morphologischen und anatomischen Merkmalen von Fossilien,
* Vergleich der morphologischen, anatomischen und physiologischen Merkmale rezenter
(jetztzeitiger) Lebewesen,
* Vergleich der Ontogenese vorwiegend rezenter Lebewesen,
34
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* Analyse der DNA, z.B. durch Sequenzanalyse.
Aus diesen Daten kann dann ein phylogenetischer Baum erstellt werden, der die vermuteten
Verwandtschaftsverhältnisse darstellt.
Ein wissenschaftstheoretisches Problem der Phylogeneseforschung ist, dass die der
Phylogenese zugrundeliegenden Evolutionsprozesse in der Regel nicht direkt beobachtet oder
experimentell nachvollzogen werden können. Daher müssen Belege aus verschiedenen
Bereichen herangezogen werden, um einigermaßen stimmige Stammbäume rekonstruieren zu
können. So kommt es häufiger zu unterschiedlichen Auffassungen, wie beispielsweise die
Diskussion um die Einteilung verschiedener protostomer Tierstämme in Häutungstiere
(vorwiegend genetisch begründet) oder Articulata (vorwiegend morphologisch begründet)
zeigt.
Bei der Bewertung von Merkmalen ist es oft wichtig, Homologien von Analogien zu
unterscheiden.
a) Homologien, z.B. homologe Organe oder homologe Verhaltensweisen zeigen
einen gleichen Grundbauplan oder eine gleiche Grundstruktur, die
entsprechend den ökologischen Erfordernissen variiert ist. Homologe Organe
können sehr unterschiedliche Funktionen erfüllen und dementsprechend
äußerlich sehr unterschiedlich aussehen. Ein typisches Beispiel sind die
Vordergliedmaßen von Wirbeltieren. Teilweise sind sie als Laufbeine
ausgebildet, sie können jedoch auch als Flügel (Vögel, Flugsaurier,
Fledertiere), Flossen (Fische, Pinguine, Ichthyosaurier, Wale), Greifwerkzeuge
(Mensch, Affen und manche Saurier), Grabwerkzeuge (Maulwürfe,
Nacktmullen, Beutelmullen) gebaut sein. Das Knochengerüst ist jedoch
grundsätzlich gleich; dieses "so-und-nicht-anders-Sein" der gleichartigen
"Bauweise" kann nur phylogenetisch interprtiert und erklärt werden.
Homologien weisen auf eine phylogenetische Verwandtschaft hin und stellen
wesentliche Belege für die Konstruktion von Stammbäumen dar. Homologien
lassen sich im biologischen Kontext weiter unterscheiden in Orthologien
(Abstammung vom gleichen Vorfahren) und Paralogien (Genduplikationen
innerhalb der Art).
b) Analogien, z.B. analoge Organe zeigen - zum Teil verblüffende - äußerliche
Ähnlichkeiten und dienen der gleichen Funktion. Sie sind aber unabhängig
voneinander entstanden durch konvergente Entwicklung. So sehen die
Linsenaugen von Tintenfischen und Wirbeltieren äußerlich gleich aus und
dienen der gleichen Funktion. Erst bei genauer mikroskopischer Analyse stellt
man fest, dass sie einen unterschiedlichen Feinbau haben. Die Untersuchung
der Ontogenese zeigt, dass sie aus unterschiedlichen Keimblättern entstehen.
Analogien sind kein Beweis für nahe phylogenetische Verwandtschaft.
Vielmehr legen sie im Regelfall eine getrennte Entwicklung nahe.8
Phylogenetischer Baum
35
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Phylogenetischer Baum basierend auf rRNA Genen
Ein phylogenetischer Baum ist ein Baum, der die evolutionären Beziehungen zwischen
verschiedenen Arten oder anderen Einheiten, von denen man vermutet, dass sie einen
gemeinsamen Vorfahren besitzen, darstellt. Damit ist ein phylogenetischer Baum eine Form
des Kladogramms. In einem phylogenetischen Baum repräsentiert jeder Knoten mit Vorfahren
den nächsten gemeinsamen Verwandten dieser Vorfahren. Die Kantenlänge entspricht meist
der geschätzten Zeit, in der sich die Arten separiert haben, oder der Anzahl der Mutationen,
die während dieser Entwicklung passierten. Jeder Knoten in einem phylogenetischen Baum
wird als taxonomische Einheit bezeichnet, wobei man innere Knoten oft als hypothetische
taxonomische Einheiten bezeichnet, wenn die entsprechenden Arten oder Einheiten nicht
beobachtet werden können.
Datenquellen und Interpretation
Phylogenetische Bäume werden heute meist anhand von sequenzierten Genen der
untersuchten Spezies aufgebaut. Dabei berechnet man ein Sequenzalignment des gleichen
Gens (oder evtl. der gleichen Gene) dieser Arten, und verwendet die im Alignment
erscheinenden Ähnlichkeiten und Unterschiede, um den Baum aufzubauen. Arten, deren
Sequenzen ähnlich sind, liegen im Baum dann wahrscheinlich näher beieinander als solche
mit stark unterschiedlichen Sequenzen. Da die Komplexität der Berechnung solcher Bäume
jedoch mit der Anzahl der Sequenzen exponentiell ansteigt, verwendet man Heuristiken, um
die Bäume zu generieren.
Ziel der Erstellung phylogenetischer Bäume ist es, die Evolution möglichst detailliert zu
erklären. Allerdings weiß man heute, dass die Gene sich nicht gleichmäßig entwickelt haben.
Einige Gene, die heute im Menschen vorkommen, haben beispielsweise nur gemeinsame
Vorfahren mit dem Schimpansen, andere kommen in allen Säugetieren vor, etc.
Deshalb können bei der phylogenetischen Analyse verschiedener Gene der gleichen Spezies
unterschiedliche phylogenetische Bäume entstehen, die für sich jedoch alle korrekt sind. Um
die Entstehungspunkte und Verzweigungen bei der Evolution der einzelnen Arten
festzustellen, müssen deshalb verschiedene Genregionen untersucht werden. Weiterhin sollten
36
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Ergebnisse aus der klassischen Phylogenie sowie morphologische Merkmale zur
Interpretation hinzugezogen werden.
Gewurzelte und ungewurzelte Bäume
Ein gewurzelter phylogenetischer Baum ist ein gerichteter Baum mit einem einzelnen Knoten,
der dem (meist rechnerisch ermittelten) nächsten gemeinsamen Vorfahren aller Einheiten im
Baum entspricht.
Ein ungewurzelter Baum dagegen besitzt keinen ausgezeichneten nächsten gemeinsamen
Vorfahren, sondern soll lediglich die Verwandtschaftsnähe oder -ferne der einzelnen Arten
darstellen. Näheres zu gewurzelten und ungewurzelten Bäumen ist im Artikel Baum
(Graphentheorie) nachzulesen.
Unterschiede zwischen Gen- und Speziesbäumen
Verschiedene Formen der Gen/Speziesentwicklung: Üblicherweise wird von dem ersten Fall
ausgegangen: Speziation geht mit der Aufspaltung der Genentwicklung einher. Eine
Rekonstruktion des Artenbaumes wird erschwert durch die drei anderen Fälle:
1.) das Gen wird nur von einer der neuen Spezies übernommen (Genverlust)
2.) das Gen wird dupliziert, was bei einer anschliessenden Speziation (nicht gezeigt) zu
zweideutigen Vergleichsmöglichkeiten führt
3.) es findet horizontaler Gentransfer zwischen zwei unterschiedlichen Arten statt, die
dadurch bei der Baumrekonstruktion fälschlicherweise zusammengerückt werden
Siehe dazu u.a.: [1] und [2], Homologe Gene, Orthologe Gene, Paraloge Gene, sowie den
Absatz Kritik.
37
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1.) Per Definition können phylogenetische Bäume Hybridisierung und lateralen
Gentransfer, die ebenfalls wichtige Methoden der Genübertragung sind, nicht
darstellen. Deshalb vertreten einige Forscher die Ansicht, dass man nicht einen
Baum sondern vielmehr ein phylogenetisches Netz aufbauen sollte (das sich im
Sinne der Graphentheorie von einem Baum dadurch unterschiedet, dass es
"Querverbindungen" zwischen sonst nicht direkt verwandten Arten zulässt).
2.) Bäume, die ausgestorbene Arten nicht enthalten, müssen mit Vorsicht
interpretiert werden (siehe auch obige Bemerkung zur Interpretation). 9
Abriss der Phylogenese 1
Abschnitt Menschwerdung: vor 4 Millionen Jahren unserer Zeitrechnung
 Australopitecus: gibt es nicht mehr; hatte 1 Million Jahre neben der Gattung Homo
gelebt.
a) In den 70ern gab es hierzu einen Skelettfund – „Lucy“
b) Diese lebt ca. vor 3 Millionen Jahren
c) Die Australopitecinen waren die ersten Werkzeughersteller (nicht Verwender!!)
d) Ihr Gehirnvolumen betrug etwa 500cm³
 Homo
a) lebte ca. zur gleichen Zeit, in
b) Ostafrika: aus dem Skript S 27: von dort erfolgte die Ausbreitung nach Europa (2 Mio.
Jahre alte Funde im „Massif Central“ in Frankreich), weiter
c) nach Asien (vor ca. 2,7 Mio. Jahren), und nach
d) Amerika (vor ca. 30 000 Jahren
 Von diesem Zeitpunkt weg entwickelte sich – im Wechselspiel mit den umgebenden
Lebensbedingungen über viele, viele Generationen hinweg – das Gehirn zu seiner
heutigen Größe und Gestalt.
Phylogenese 2





Entwicklung des aufrechten Ganges
Freiwerden der oberen Extremitäten
Voraussetzung für die Werkzeugproduktion
Diese Entwicklung beruht auf einer Klimaveränderung in Ost-Afrika, die zur
partiellen Umwandlung einer Wald- in eine Steppenlandschaft führte.
Filmsequenz dazu: Nachstellung zu „Lucy“
Tier-Mensch-Übergang 1




Auch hier eine Sequenz dazu:
Anmerkungen: Aufrechter Gang
Veränderungen der anatomischen Bedingungen: Atmungsbereich
Funktionelle und strukturelle Veränderungen
Tier-Mensch-Übergang 2


Sequenz hierzu:
Werkzeugherstellung
38
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

Werkzeug vorfinden und Werkzeugbenutzung / Werkzeugherstellung – Übergang
(„Was werde ich brauchen, um dies oder das herzustellen“?
„Bonobos“: Zwergschimpansen -> bei denen wurde diese Funktion beobachtet und
studiert.
Ökologische Bedingungen für die Freiwerdung der oberen Extremitäten
 Hintergrund: Umweltkatastrophe in Ost-Afrika -> Eine Erdkrustenverschiebung
 Tektonische Verschiebung: Ostafrikanischer Grabenbruch, heute „Olduvai-Schlucht“.
 Es kam zu einer Teilung in 2 Landschaftsstrukturen (Wald / Steppenlandschaft dort,
wo der Bruch entstand)
 Lebensbedingungen änderten sich dadurch
Phylogenese 3
 Lebensbedingungen veränderten sich also
 Die Steppe verlangte einen „aufrechten Gang“, um den „Überblick“ nicht zu verlieren.
Andere Kompetenzen und Verhaltensweisen waren nun nötig.
 Das Freiwerden der oberen Extremitäten war notwendig für andere (neue) Funktionen
 Kletternde Baumbewohner entwickelten sich über viele Generationen zu aufrecht
gehenden Bodenbewohnern mit komplexen manipulativen Fähigkeiten.
Phylogenese des Gehirns 1 : Quantitative Zunahme
 aus dem Skript S 27 u.: Diese (oben angeführte) Entwicklung steht in unmittelbarer
Wechselbeziehung zur Gehirnentwicklung, die heute recht gut durch Schädelfunde
dokumentiert ist. Unser Gehirn ist ein Produkt der Phylogenese und entstand in der
Auseinandersetzung vieler Generationen von Individuen mit ihrer Umwelt. „Die Hand
hat das Gehirn erschaffen“ (F. ENGELS)
 Volumsvermehrung
 Homo habilis : 800 cm³
 Homo erectus : 1000 cm³
 Aus dem Skript S 28: Die quantitative Veränderung bestand: in der Vergrößerung des
Gesamtvolumens, die vor allem zugunsten bestimmter Hirnanteile erfolgte:
a) Vergrößerung des Okzipitallappens: visuelle Erfahrung
b) Vergrößerung des Frontallappens: Willkürbewegung, Handlungsplanung
c) Vergrößerung des Temporallappens: Tondifferenzierung (Sprache)
Phylogenese des Gehirns 2: Qualitative Zunahme
-
Zelldifferenzierung, Verbindungen
Veränderungen insbesondere in diesen Regionen: insbesondere Zunahme der
intracorticalen (Verbindungen zwischen den Hirnrinden)Verbindungen..
Ergänzung: 5
5
Evolution und Funktion des Gehirns. Es ist natürlich unbestritten, dass die Beziehung zwischen Hirn- und
Körpergewicht beim Homo sapiens ein ungleich günstigeres Verhältnis als bei den übrigen Vertebraten erreicht
(s. Box 20-2 -> siehe Anhang zu dieser Vorlesung).
Die Evolutionsbiologie führt die starke Enzephalisation auf die Interaktion zwischen Jäger und Beute zurück:
unter dem Selektionsdruck entwickeln fleischfressende Lebewesen erfolgreiche Strategien, größere Mengen
energiereicher Nahrung zu finden. Mit zeitlich und örtlich zunehmend schwierigerer Lokalisation der Beute
39
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Ontogenese des Gehirns
-
Prozess der Selbstorganisation:
 aus dem Skript S 28: Auch für die Ontogenese gilt: Das Gehirn entwickelt sich selbst in
der Wechselbeziehung des Individuums zur Umwelt („Aneignungsprozess“). Struktur
und Funktion entstehen durch einen Entwicklungsprozess, der durch die Tätigkeit
bestimmt wird (vgl. Organisationsphase) => Prozess der Selbstorganisation.
Menschliches Gehirn – allgemeine Charakteristika
 Großhirnrinde als höchste Regulationsebene
 Tertiäre Rindenfelder: mehr als 50% der Hirnrinde
 Fähigkeit der Hirnrinde, in der Ontogenese funktionelle Hirnorgane als Produkt des
gesellschaftlichen Lebens zu bilden (v. Leontjew)
ZNS-Funktionstheorien
 Abbildung: Gehirnkarte mit …
 … einzelnen Gebieten des Gehirns (v. Brodmann -> Brodmannareale: Wichtig: weil
er auch die Funktionen des Gehirns zugeordnet hat)
-
18.Jahrhundert: „Lokalisationstheorie“ -> Es gibt bestimmte Zonen des Gehirns, die für
bestimmte Funktionen zuständig sind.
Im selben Jahrhundert: „Holistische Theorie“ -> Man braucht ja für jede Funktion das
Ganze Gehirn!
Heutige Kenntnisse: „Theorie der dynamischen Lokalisation“ -> Komplexe Funktionen
beruhen auf Zusammenwirken von Arealen (Gehirnareale) => siehe „Funktionelles
Organ“ von Leontjew (war ein Kollege von Lurija).
Die zerebrale Funktion / Definition von Lurija
 Was ist eine Gehirnfunktion ?
-
Lurija: 6
a) Aufgabe: Anpassung des Organismus
b) Er weist darauf hin, dass das Gehirn alleine keinen Sinn macht, dass dies alleine nichts
hergibt. Denn: Das Hirn ist ein Teil des Organismus und dieser wiederum bezieht sich
auf die Umwelt => Umweltorientierung.
c) Weiters müssen mehrere Areale zusammenwirken und die einzelnen Elemente sind
austauschbar.
entwickeln sich die Sinnessysteme und ihre neuronalen Analysatoren zu neuer Größe (vor allem Sensomotorik
der Hände).
Die Entwicklung von Sprache hat möglicherweise mit dem hohen Enzephalisationsfaktor wenig zu
tun, da Sprachentwicklung wahrscheinlich spät in der Entwicklung des Homo sapiens auftrat (vor ca. 80 bis 40
000 Jahren wird häufig geschätzt). Die vergleichende Untersuchung von Lern- und Denkprozessen weist darauf
hin, dass die überlegenen Denk- und Lernleistungen des Menschen auf die quantitative Zunahme von
informationsverarbeitenden Einheiten (Neuronenverbänden) und nicht auf qualitative Neuentwicklungen (z.B.
Sprachneurone) rückführbar sind. (Birbaumer/Schmidt: „Biologische Psychologie“, 5.Auflage, S 458 f.)
6
Definition: Die Zerebrale Funktion ist – selbst komplex strukturiert – Teil eines Funktionellen Systems, das
eine bestimmte Anpassung des Organismus bezüglich einer biologischen oder psychischen Aufgabe realisiert; es
besteht aus einem hochdifferenzierten Komplex austauschbarer Elemente (LURIJA)
40
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-
Motorischer Anteil: Beispiele
a) Wenn der Organismus sich auf die Umwelt bezieht, dann spielt der motorische Anteil
eine sehr wichtige Rolle. Der motorische Anteil ist ein ganz zentraler Punkt in jeder
Funktion des Gehirns (ontogenetisch).
b) Entstehung des Mengenbegriffs: durch das konkrete Hantieren von Kindern mit
Mengen.
c) Tonhöhenwahrnehmung (hat mit Bewegung zu tun) -> Funktion des Gehörorgans bei
Tonhöhendifferenzierung -> „inneres Mitsingen“ (Einstellung des Stimmapparates auf
die gehörte Tonhöhe, Aktivierung der Stimmmuskulatur)
d) Aktivierung der Muskeln des Zusehers bei sportlicher Aktivität (dies macht man sich
im Profisport vor allem beim Sporttraining zugute)
e) Mitartikulieren beim Diktatschreiben (besonders bei schwierigen Wörtern) -> Beispiel
dazu im Buch und als Darstellung auch im Anhang!
Kette konsekutiver Elementarprozesse






Struktur:
Akustischer Analysator
Optischer Analysator
Motorischer Analysator (für die Generierung der Bewegungszustände)
Intermodale Verbindungen (Verbindung zwischen einzelnen Funktionsbereichen)
Die gesamte Funktion besteht aus einer Kette von aufeinander folgenden modalen und
intermodalen Elementarfunktionen ->
a) Akustische Analyse: auditiv-visuelle Integration
b) Visueller Analysator, um Infos wieder zu übertragen in (visu- INTEGRAc) Motorischen Analysator – motorischer Impuls (motorischer TION
Siehe S 30.
Analysator
 Pawlow / S 30
 Das Hirn nicht isoliert betrachtet, sondern als Teil des Organismus. Von
Sinnesorganen zu trennen wäre Unsinn.
 Projektionsfeld (unmittelbare Verknüpfung m. Peripherie) - Assoziationsfeld (Verknüpfung mit anderen
Gebieten)
ZENTRALES ENDE
Afferente
Leitungsbahnen
Efferente
Leitungsbahnen
PERIPHERES ENDE
 Zentrales Ende und Peripheres Ende sind in beiden Richtungen miteinander (afferent / efferent)
verbunden.
Analysator – Typen
 Hauptleitung – efferent: Motorik + gleichztg.: afferente Leitungsrichtung: Reafferenz (Kontrollfunktion)
 Hauptleitung – afferent: Wahrnehmung + glztg.: efferente Leitungsrichtung: Reefferenz (z.B.
Reefferenz zur Feineinstellung, vgl. Pupillen)
 Ergänzung: Ein motorischer Analysator wäre z.B. die Bewegung
41
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 Ergänzung: Ein perzeptiver Analysator wäre z.B. die Wahrnehmung
„Funktionelles System“ – n. Leontjew (S 31 mitte)
 Dieser Begriff ist ein übergeordneter theoretischer Begriff, vgl. auch Nervenzelle
- Abbildung: Funktionelles Hirnorgan (schematische Darstellung – siehe unten)
7
-
-
akustische Wahrnehmung (Bereich Temporallappen). Grundlegender Gedanke von
Leontjew ist hier wiedergegeben.
Kooperation der zentralen Enden ( mit Analysatoren anhängend) mehrerer Analysatoren.
Zusammengefasst nach Berger-Skript S 31: Bei der Realisierung einer komplexen cerebralen Funktion (z.B.
Schreiben nach Diktat – s.w.o.) wirken die zentralen Enden mehrerer Analysatoren zusammen ->
„funktionelles Hirnorgan“. Bei Ausfall eines einzigen Kettengliedes zerfällt die gesamte komplexe
Funktion; sie kann jedoch durch Ersatz dieses Elementes wiederhergestellt werden. Dieser Gedanke ist von
zentraler Bedeutung für Rehabilitation und Behindertenpädagogik!
Ad obige Abbildung: Charakteristika: Verbindungen im Kortex
a) Entwicklung in Ontogenese
b) Relative Beständigkeit
c) Weisen eine gewisse Plastizität auf (durch die Möglichkeit des Ersatzes einzelner
Elemente)
Funktionselemente der ZNS-Tätigkeit
-
Vorgreifende Wiederspiegelung (Anochin)
Reflexe (Pawlow)
Signalsysteme (Pawlow)
-
Vorgreifende Wiederspiegelung 1, Anochin 1962
Jedes Lebewesen muss sich an die Umwelt anpassen, d.h. n. Skriptum: die eigenen
Lebensprozesse mit Vorgängen in der Umwelt in Übereinstimmung bringen. Dies setzt die Abbildung (od.
Wiederspiegelung) dieser Vorgänge im Inneren des Organismus voraus (Raum-Zeit-Strukturen der Umwelt
werden im Organismus als chemisch-strukturelle Veränderungen abgebildet). Zahlreiche Umweltereignisse
7
Abbildung: Charakteristika des funktionellen Hirnorgans n. Leontjew / aus d. Berger Skript: S 31
42
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(Tag-Nacht-Rhythmus, Jahreszeiten, Wettererscheinungen etc.) wiederholen sich rhythmisch oder
aperiodisch.
-
-
Vorgreifende Wiederspiegelung 2
Vorwegnehmend Wiederspiegelnd, d.h. vorwegerkennen, was passieren wird (den
Organismus rechtzeitig auf künftige Ereignisse einstellen)
Nach dem Skript S 32: „Anpassung“ bedeutet also, den Organismus rechtzeitig auf künftige Ereignisse
einzustellen, also Künftiges vorbereitend vorwegzunehmen. Ereignisabfolgen müssen anhand ihrer
„Vorboten“ identifiziert werden – genau das meint der Begriff „vorgreifende Wiederspiegelung“. Diese
Fähigkeit besitzt bereits der Einzeller, in besonderen Maße aber das Nervengewebe.
ZNS (n. Skript S 32): „Man kann das ZNS als hochspezialisiertes Substrat betrachten, das sich als Apparat
der maximalen, raschesten Vorwegnahme der wiederholt aufeinanderfolgenden Erscheinungen der
Außenwelt entwickelt hat“ (ANOCHIN).
Ereigniskette / Beispiel
Ereignis A
Wolken
Ereignis B
Wind
Ereignis C
Gewitter
 „Ereignis C wird bei Eintritt von Ereignis A vorwegnehmend identifiziert“…
Reflexe (Pawlow 1922) -> mehr dazu auch noch im Anhang
 „Reflexe sind beständige Verbindungen der inneren und äußeren Reize mit
bestimmten Tätigkeiten der arbeitenden Organe“ (Pawlow 1922)
 Der Reiz führt zur Tätigkeit eines Organes (z.B. Muskelkontraktion)
 Verknüpfung zwischen äußeren Reiz und einem Organ (durch Vermittlung des
Nervensystems kommt es genauer gesagt zu einer Tätigkeit des Organs) -> Entstehung
in Phylogenese: angeborener oder unbedingter Reflex.
 Verknüpfung in Ontogenese: erworbener oder bedingter Reflex.
Anhang:
43
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44
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10. Vorlesung: 09.12.2005
Aktuelle Meldung
Reflexe: Bedingter Reflex
Psycho-Physisches Problem
Funktionsentwicklung
Ausbildung bedingter Reflexe
Systemogenese
Dysfunktion/Restitution
Aktuelle Meldung
In den Niederlanden kam es jetzt zur „Freigabe der Tötung von Neugeborenen“ – nach
Belgien! D.h.: „Straffreie Kindereuthanasie“ – bei aussichtlosen Krankheiten.
 „Erklärung“ – Kinderärztevereinigung: „Unter bestimmten Bedingungen ist es erlaubt,
die lebenserhaltenden Maßnahmen zurückzuschrauben auf ein Minimum!
 Patientenverfügung: ist, so Berger, eine höchst problematische Vorstellung, denn
Folgende Fragen stehen hierbei im Raum, die wohl kaum einer beantworten kann:
1.) „Was jeder von uns unter bestimmten Bedingungen in seiner letzten Lebensphase
wollen würde“ – ist eine Frage, die wir erst beantworten können, wenn wir tatsächlich
in der Situation sind.
2.) Die „Rederei“ vom „Recht auf einen würdevollen oder gar schönen Tod“ ist mehr eine
Fiktion, eine gut-gemeinte Floskel, denn den Tod kann man nicht schön-reden!
45
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-
Reflexe8 (von Pawlow)
Ein Reiz führt durch Vermittlung des NS zu einer Tätigkeit eines Organs (z.B.
Muskelkontraktion, Drüsensekretion,..)
Verknüpfung entsteht in der Phylogenese: angeboren
Ontogenese: erworben
Bedingter Reflex
 Voraussetzung = unbedingter Reflex (Nahrung löst – z.B. beim Pawlow’schen Hund –
Magensaftproduktion aus) -> Vorgreifende Wiederspiegelung.
 Häufige gleichzeitige Darbietung des unbedingten Reizes (Nahrung) mit einem
neutralen Reiz (z.B. „Glocke“ beim Pawlow’schen Hund) -> Neutraler Reiz erhält
Signalfunktion und wird zu bedingten Reiz. Dieser löst (zugleich) die
Magensaftproduktion aus.
Bedingter Reflex 2: Konditionierung9
 Entwicklung bedingter Reflexe = „Konditionierung“ – ist an Existenz der Hirnrinde
gebunden.
 Bedingte Reflexe können auch gelöscht werden, wenn z.B. zeitlich auf den
„Glockenschlag“ keine Nahrung folgt (vgl. Pawlow’scher Hund)
 Reetablierung/oder Wiederetablierung eines gelöschten bedingten Reflexes
 Bedingter Reflex = Mechanismus der „Vorgreifenden Wiederspiegelung“
 Entwicklung komplexer Vorgänge – z.B. optische Entfernungswahrnehmung – beruht
auf bedingtem Reflex.
Signalsysteme (n. Pawlow)
- 1. Signalsystem: Bedingter Reiz = einfacher sensorischer Reiz (z.B. Geruchseindruck,
Höhenempfinden,..)
- 2. Signalsystem: Bedingter Reiz = ein Symbol (d.h. wenn ich mit meinem Hund spazieren
gehe und an einem Restaurant vorbeigehe, dann kommen mir und meinem Hund vielleicht
angenehme „Schnitzelgerüche“ entgegen. Komm ich an einem Restaurant vorbei, wo ein
Schild mit einem Symbol von einem Teller mit Besteck drauf ist, dann weiß ich als
Mensch, dass das ein Restaurant ist, der Hund nicht. Für mich ist das Symbol eine
Information, der Hund kann damit allerdings nichts anfangen). Symbole (oder Semiotik
genannt) können Schriftzeichen, Worte, Bilder sein, die für etwas stehen.
- Das was bezeichnet wird = unbedingter Reiz
- Das 2. Signalsystem ermöglicht die „Handhabung“ von Gegenständen, unabhängig von
ihrer sinnlichen Wahrnehmung (Anwesenheit) -> Entscheidender Schritt in die Welt der
Sprache.
Das Psycho-Physische Problem
8
Reflex: sich unwillkürlich, ohne willentliche Beeinflussung abspielende Reaktion auf einen -> Reiz.
Reflexboden: Leitungsbahn eines Reflexes. Auropalpebraler Reflex: Lidschlag, plötzliches Augenzwinkern bei
Säuglingen als Reaktion auf einen akustischen Reiz. Form der -> Reflexaudiometrie, besonders bei unruhigen
Kindern unsichere Ergebnisse (aus: Franke, U. 2004: Logopädisches Handlexikon, 5. überarbeitete Auflage 2004;
181)
9
Konditionierung: Form des Lernens, Methode und Ergebnis von Verknüpfung zwischen -> Reiz und Reaktion.
(audiol.) (Uttenweiler/Wedel): Verbindung eines auditiven Reizes mit einem optischen bei
Hörschwellenmessung. Klassische Konditionierung (Pawlow) Koppelung zweier voneinander unabhängiger
Reize auf eine Reaktion, die von einem der beiden Reize unbedingt abhängig ist S 1 + S2 = R. S1 auf R1 =
unbedingte Reaktion, durch Koppelung entsteht S2 = R1 + R2 . Operante Konditionierung : das Verhalten wird
durch die nachfolgenden Konsequenzen gesteuert. Respondente Konditionierung : das Verhalten wird durch
bestimmte Reize als Antwort und Reaktion auf einen Reiz ausgelöst (ebd., 123 f.).
46
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 Das Modell der „Signalsysteme“ beschreibt die Beziehung zwischen biologischenund
psychischen Prozessen.
 Die „Psychische Wiederspiegelung“ ist eine qualitativ neue Stufe der Beziehung
zwischen Individuum und Umwelt, die in der Phylogenese entstanden sind.
 Die Tätigkeitstheorie10 (siehe Wygotski, von dem diese Theorie stammt) bietet einen
umfassenden Theorierahmen (BS 34/35) zur Analyse dieser Zusammenhänge.
Funktionsentwicklung (ab 35)
 Entwicklungslinien
 Systemogenese (Anochin)
 Interiorisation (siehe SS 06 -> Wygotski)
Entwicklungslinien – Gliederung in Teilprozesse:
 Differenzierung des biologischen Erbes
 Ausbildung der bedingten Reflexe (in früherer Entwicklung -> Lernvorgänge, die
darauf zurückgehen) -> früher: galten Lernprozesse als BASIS.
 Aneignung des gesellschaftlichen Erbes: stützt sich auf all die bekannten Funktionen,
ist aber eine eigenständige Entwicklungslinie. Hat auch eine gewisse Führungsrolle.
 Aktives Handeln des Individuums = Aneignung (Handeln bezieht sich auf die
Auseinandersetzung mit der Umwelt).
 Die Aneignungsprozesse auf allen 3 Entwicklungsebenen = Voraussetzung der
Entwicklung
Gesellschaftliches Erbe und Biologisches Erbe
- Wie wir bereits aus den Ergebnissen der Deprivationsforschung wissen, ist auch die
Entfaltung des biologischen Erbes den Bedingungen und Gesetzmäßigkeiten der
gesellschaftlichen Ebene unterworfen (vgl. Folgen der sozialen Deprivation für die
biologischen Prozesse), der somit die Führungsfunktion im Entwicklungsprozess
zukommt.
- Der Stellenwert der jeweils phylogenetisch jüngsten und höchsten Regulationsebene
kommt auch darin zum Ausdruck, dass beim Menschen vom Anfang an (bereits pränatal)
partielle kortikale Funktionen nachweisbar sind. In der weiteren Entwicklung übernimmt
die Hirnrinde in wachsenden Ausmaß Koordinations- und Führungsfunktion (BergerSkript: 35 f.)
- Gesellschaftliches Erbe -> siehe weiter oben!
Ausbildung bedingter Reflexe
 Absicherung von Bindung:
- Interaktionserfahrung, Geruch, Geschmack -> Positive Emotion
- „Lächelreaktion“ -> bedingter Reflex
- „Dunkelangst“ als Produkt von Erfahrung (ist auch nicht angeboren)
- Optische Raumwahrnehmung
Aneignung des gesellschaftlichen Erbes
 Werkzeuggebrauch – Bedeutung („sinnlich-praktisches Werkzeug, wie z.B. ein Löffel
oder ein Blatt Papier -> Gebrauch als Werkzeug hat sich gesellschaftlich entwickelt
10
Kurz zusammengefasst: Halten wir also fest: Tätigkeiten (die Form der Beziehung zwischen Subjekt und
Objekt) werden durch neurophysiologische Prozesse realisiert, die der Ebene der Operationen entsprechen; die
Operationen sind aber nicht auf diese neurophysiologischen Prozesse reduzierbar, da sie den extrazerebralen
Beziehungen untergeordnet sind. Somit sind Psychologisches und Physiologisches ein und dasselbe, jedoch von
verschiedenen Standpunkten betrachtet (vgl. die Betrachtungsweise von Licht als Strahlung oder als
elektromagnetische Welle) (Berger-Skriptum: 35)
47
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und ist somit Teil des gesellschaftlichen Erbes, und auch Teil des
Aneignungsprozesses.
 Sprache: als Teil des gesellschaftlichen Erbes vorhanden und durch Aneignung.
 Lernen
Systemogenese (Anochin 1968)
Eine Darstellung:
ZNS
„sensorische Faser“
afferente Leitung
Rezeptor
„motorische Faser“
efferente Leitung
Defektor
 Die biologische Reifung („Inbetriebnahme“) solcher Systeme passiert, dass immer ein
funktionelles System gemeinsam reift (Einheit, auf die der Reifungsprozess zu
beziehen ist). Bsp.: Reifung des Atmungssystems
 Und damit den Anforderungen der Anpassungsaufgaben entspricht (Beziehung
Organismus und seiner Umwelt und den Anforderungen dafür).
Dysfunktion / Restitution (Ab 37)
 damit ist eine Fehlfunktion, Mangel oder eine Beeinträchtigung gemeint.
 Restitution meint die Wiederherstellung der beeinträchtigten Funktionen.
Frage
 Wie kommt es zu einer Beeinträchtigung verschiedenster Funktionen oder solcher
Funktionen?
 Wie kann man diese wiederherstellen?
Dysfunktion
- = Beeinträchtigung eines funktionellen Organs
Funktionsstörung eines funktionellen Hirnorgans kann folgende Ursachen haben
- Häufigste Ursache: Läsion (siehe Buch auch S 13) -> post-, peri- oder pränatal. Es handelt
sich z.T. um die Zerstörung von Gewebe, Neuronen oder Neuriten (= Nervengewebe).
Eine Läsion kann wie gesagt in verschiedenen Entwicklungsphasen auftreten
- Deprivation (stützt sich auf Anamnesen, d.h. zum Beispiel die Frage nach den
Einzelfunktionen,…) oder „verhinderte Inbetriebnahme“: Die Formen der Deprivation
haben wir bereits kennengelernt. Jene der „Sozialen Deprivation“ wollen wir
herausgreifen, d.h. also, dass ein Entwicklungsprozess von Funktionen ins Stocken gerät
oder nicht stattfindet, da es ein „Nichtauseinandersetzen“ mit der Umwelt nicht
stattgefunden hat. „Verhinderte Inbetriebnahme“ ist „leichter kompensierbar“.
Wygotski’sche Regel
 Schädigung ist nicht gleich Schädigung, weil: Es kommt auch darauf an, wann diese
oder eine Schädigung stattfindet, und deshalb
 sind auch die Schädigungsfolgen unterschiedlich!
48
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Restitution
 Neurophysiologische / Neuropsychologische Prozesse: biologische Struktur und
psychische Prozesse.
 Es geht um die „Wiederherstellung“ von zerstörtem Gewebe.
-
-
-
1.) => Stammzellenbildung: Pluripotente embryonale Zellen (Ausgang ist die „Matrixoder Mutterzelle“ des ZNS: a) Ependylzellen (Form von Gliazellen) ) -> differenzieren
sich in der Entwicklung.
2.) => Regeneration v. Dendriten und Axonen: mögliche und wahrscheinliche
Möglichkeit der Restitution von beeinträchtigten Funktionen durch Läsionen (-> vgl.
Birbaumer & Schmidt: „irreversible und reversible Läsionen“, oder chemische
Läsionen;)
3.) => Ersatz einzelner Elemente funktioneller Hirnorgane (Bsp.: Ein Mensch, der durch
vielleicht einen Unfall oder anderen Ursachen erblindet, muss auch erst nicht wieder
‚lesen’ lernen.)
4.) => Änderung der physiologischen Organisation der Steuerungsstruktur
5.) => Exteriorisation: Komplexe Funktionen entstehen durch Wiederholung und
Interiorisation (s. Abschn 3.) ursprünglicher äußerer Prozesse. Die Wiederentfaltung
und Exteriorisation ermöglichen das Auffinden und den Ersatz des gestörten
Elementarprozesses.
Ablauf: siehe folgendes Beispiel
fehlerhafte Funktion nach Außen verlagern = Exteriorisation,
in die einzelnen Elementarprozesse zergliedern,
Ersatz des gestörten Elementarprozesses,
Interiorisation und Automatisation
 Aus diesen drei Gesichtspunkten ergeben sich die allgemeinen Grundlagen
therapeutischer Strategien bei zerebraler Dysfunktion. Dabei ist zu berücksichtigen,
dass das komplexe Zusammenwirken verschiedener Funktionsanteile einerseits
innerhalb eines Analysators, anderseits zwischen verschiedenen Analysatoren gegeben
ist, z.B. „Schluckrestitution“ (Berger-Skript: 38 f.).
 Ad „Schluckrestitution“:
Schlucken = angeborenes funktionelles System mit peripheren Anteilen:
 Tastempfindung in verschiedenen Zonen
 Koordination zahlreicher Muskel
ZNS – Steuerung
Wiederentfaltung = Einzelschritte, Bewußtseinsmachung
Einzelschritte üben, dann automatisieren .
Therapiekonzept
 Wiederherstellung neurophysiologischer und psychologischer Steuerungsprozesse, im
Zusammenhang des Systems
- Tätigkeit / Handlung / Operation
 Übungsverfahren in einem für das Individuum sinnvollen Zusammenhang seines
Lebens, Orientierung auf ein Motiv: Bsp.: Therapieverfahren nach J. Ayres oder
Bewegungstherapie nach Petö.
49
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11. Vorlesung: 13.01.2006
Behindertenpädagogik/Abriss
Begriffsbestimmung
Zur Geschichte der Behindertenpädagogik
Arbeitskonzept der Behindertenpädagogik
Anm.: Diese Mitschrift ist rein-basierend auf dem Skript, von mir noch mit ein paar
Ergänzungen, konnte an diesem Freitag leider prüfungsbedingt nicht anwesend sein.
Begriffsbestimmung:
„Behindertenpädagogik“ wird hier als übergeordneter Begriff verwendet (vgl. Jantzen), da
dies den Bezug auf einen klar definierbaren Behinderungsbegriff erlaubt; andere Begriffe,
wie Sonder- oder Heilpädagogik sind unklarer: „Sonderpädagogik“ stellt die in diesem
Bereich traditionell dominierenden Strategien der Absonderung und „Heilpädagogik“ den
Heilungsanspruch in den Vordergrund stellt.
Definition (Schuntermann):
Behindert ist eine Person, deren Teilhabe am Gesellschaftsleben, insbesondere am
Arbeitsleben, infolge ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigung aufgehoben oder nicht nur
vorübergehend eingeschränkt ist. Eine gesundheitliche Beeinträchtigung ist a) eine
Gesundheitsstörung im Sinne eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen
Zustandes, oder b) damit im Zusammenhang stehend ein anatomischer Strukturschaden
oder eine psychische bzw. physiologische Funktionsstörung oder Aktivitätsstörung.
Definition von Wolfgang Jantzen: „Behinderung kann nicht als naturwüchsig entstandenes Phänomen
betrachtet werden. Sie wird sichtbar und damit als Behinderung erst existent, wenn Merkmale und
Merkmalskomplexe eines Individuums aufgrund sozialer Interaktion und Kommunikation in Bezug gesetzt
werden zu jeweiligen gesellschaftlichen Minimalvorstellungen über individuelle und soziale Fähigkeiten.
Indem festgestellt wird, dass ein Individuum aufgrund seiner Merkmalsausprägung diesen Vorstellungen
nicht entspricht, wird Behinderung offensichtlich, sie existiert als sozialer Gegenstand erst von diesen
Augenblick an.“
Das Konzept „Behinderung“ der Weltgesundheitsorganisation („International
Classification of Impairments, Deseases and Handicaps“, ICIDH, WHO 1980)
Biologischer Defekt (die „Pathologie“) …bezeichnet die Zerstörung oder die abnorme
Funktion eines biologischen Systems.
Schädigung …bezeichnet die unmittelbare funktionelle Konsequenz des biologischen
Defekts, z.B. die Bewegungsstörung.
Beeinträchtigung …bezeichnet den Funktionsverlust im persönlichen Alltag, z.B. den
Hilfsbedarf beim Ankleiden, Kochen etc.
Behinderung …bezeichnet die sozialen Konsequenzen eines Defekts, z.B. den Verlust des
Arbeitsplatzes.
D.h. der Defekt stellt den biologischen Anteil der Behinderung dar. Dieser führt in der
Interaktion mit der sozialen Umwelt zur Beeinträchtigung, aus der schließlich eine
Behinderung entstehen kann. Somit ist Behinderung nicht eine Eigenschaft des Individuums;
sie entsteht erst in der Beziehung zwischen Individuum und Gesellschaft. Unter den Defekten
als Behinderungsursachen liegt der genetisch – chromosomal bedingte Anteil unter 10%; der
weitaus überwiegende Anteil ist prä-, peri- oder postnatalen Schädigungen zuzuschreiben und
ein hoher Anteil von Behinderungsursachen ist nicht derzeit klärbar.
50
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Die aktuelle Version der WHO: International Classification of functions, ICF, WHO 1999):
Abbildung 6: WHO-Modell (n. Berger-Skript: „Entwicklungsneurologie 1“, 94)
Die WHO klassifiziert die Funktionsfähigkeit des Menschen unter drei verschiedenen
Aspekten:
1) Körperfunktionen und –strukturen:
Mögliche Störungen auf dieser Dimension werden als „Schäden“ („impairments“)
bezeichnet. Die Schäden werden in „Funktionsstörungen“ und
„Strukturschäden“ gegliedert.
Funktionen des Körpers
- Mentale Funktionen
- Sensorische Funktionen
- Stimm- und Sprechfunktionen
- Funktionen des kardio-vaskulären, hämatologischen,
des immunologischen und des Atmungssystems
- Funktionen des Verdauungs-, des Stoffwechsel- und des
endokrinen Systems.
- Funktionen der Haut und mit ihr im Zusammenhang
stehenden Strukturen.
Strukturen des Körpers
- Struktur des Nervensystems
- Das Auge, das Ohr und mit diesen im Zusammen
hang stehende Strukturen.
- Strukturen, die an der Stimme und am Sprechen
beteiligt sind.
- Strukturen des kardiovaskulären, des immunolog
ischen und des Atmungssystems.
- Mit dem Verdauungs-, Stoffwechsel und endokrinen System im Zusammenhang stehende
Strukturen.
- Die Haut und mit ihr im Zusammenhang
stehende Strukturen.
2) Klassifikation der Aktivitäten
Das Aktivitätskonzept wird damit begründet, dass es zu den zentralen
Eigenschaften menschlichen Daseins gehört, zu handeln, aktiv zu sein, zu arbeiten,
zu spielen, die Aufgaben und Arbeiten des täglichen Lebens zu erfüllen. Störungen
auf dieser Dimension werden „Aktivitätsstörungen“ oder
„Leistungsstörungen“ (acitivity limitations) genannt.
Siehe nun untere Tabelle
51
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3) Klassifikation der Partizipation
Das Partizipationskonzept wird dadurch begründet, dass sich die Daseinsentfaltung
einer Person stets im Kontext der sozialen und physikalischen Umwelt
(Umweltfaktoren) vollzieht und von diesem mitbestimmt wird.
Siehe nun Tabelle auf der nächsten Seite
52
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Fortesetzung 11.Vorlesung -> -> -> -> -> -> -> -> ->
Entsprechend diesen definitorischen Abgrenzungen sind Defekte – gleich welcher Art – im
Folgenden für unsere Erörterungen nicht unmittelbar von Bedeutung (keine
Behinderungsklassifikation nach biologischen Defekten!), entsprechend ist der Prozess der
Schädigung, wie er als Syndrom sich entwickelt und existiert und sozial als Behinderung
sichtbar wird.
Dieser Konzeption folgend ist Bestimmung und Beschreibung von Behinderung mittels
medizinischer Daten oder psychologischer Testergebnisse nicht möglich. Medizin und
Psychologie können lediglich eine Beschreibung der Funktions- und Strukturschäden bzw. der
Leistungs- und Aktivitätsstörungen beitragen. Die Feststellung der Behinderung (der
Einschränkungen der Partizipation) selbst ist jedoch weder durch Tests noch durch irgendeine
umfangreiche „Objektivierung“ möglich. Sie bezieht sich auf die Wechselwirkung zwischen
Individuum und seiner sozialen Umwelt.
Behinderung wird im realen Leben auf zwei Ebenen wirksam:
 auf der sozialen Ebene: Behinderung wird in allen einschlägigen Gesetzen als
„Arbeitskraft minderer Güte“ definiert;
 auf der individuellen Ebene ist die Einschränkung der Teilhabe am Leben der
Gesellschaft = Isolation entscheidend.
Isolationskonzept (n. Jantzen)
Menschliche Entwicklung beruht vor allem auf der aktiven Auseinandersetzung mit der
Umwelt (=Aneignungsprozess) (s. Abschn. 2.5.3); das „gesellschaftliche Erbe der
Menschheit“ (Werkzeuggebrauch, Sprache, Kulturgüter…) muss von jedem Einzelnen
individuell „angeeignet“ werden; das bedeutet, dass in der Auseinandersetzung mit der
Umwelt subjektive innere Abbilder entstehen, die die Grundlage des weiteren Lebens sind.
Vollzieht sich die individuelle Entwicklung unter „isolierenden Bedingungen“, so ist dieser
Aneignungsprozess beeinträchtigt, die Abbilder sind inadäquat (gewissermaßen verzerrt,
unvollständig).
53
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Isolierende Bedingungen (die zur Isolation führen können) entstehen durch:
 organischen Defekt (z.B. Sinnesdefekt, Bewegungsstörung…) = Läsion
 soziale Isolation = Deprivation
Die inadäquaten Abbilder – Grundlage der künftigen Umweltbeziehungen – führen zu
Konflikten, negativen Emotionen etc. und halten auf diese Weise ihrerseits die isolierenden
Bedingungen aufrecht. Dieser Circulus vitiosus ist nur durch Aufhebung der isolierenden
Bedingungen durchbrechbar. Daraus ergibt sich die
Zielsetzung der Behindertenpädagogik = Überwindung der Isolation
4.2. Zur Geschichte der Behindertenpädagogik (nach Jantzen)
Aufgrund der vorhandenen geschichtlichen Quellen ist anzunehmen, dass behinderte
Menschen etwa ab dem 5. Jahrhundert v. Chr. Als soziales Problem in Erscheinung getreten
sind. Davor waren ihre Überlebenschancen aufgrund des niedrigen Niveaus der
gesamtgesellschaftlichen Nahrungsmittelproduktion minimal. In den
Skalvenhaltergesellschaften der Antike war Behinderung meist ein Todesurteil (siehe
Bestimmungen über Kindertötung in der römischen Rechtsordnung).
In der Feudalgesellschaft des Mittelalters wurde der Umgang mit behinderten durch die Frage
nach der Wehrfähigkeit einerseits und durch das Gebot der christlichen Nächstenliebe
anderseits bestimmt. Etwa ab dem 5. Jahrhundert n. Chr. Ist die Einrichtung von Armenasylen
festzustellen. In der Regierungszeit Karl des Großen sind Ansätze zur Organisation eines
„Fürsorgewesens“ festzustellen. Etwa ab dem 14. Jahrhundert entsteht ein ausgedehnteres
System von Armenhäusern („Hospital“).
Im 14. – 16. Jhdt. Ist ein Wandel in der Einstellung der katholischen Kirche festzustellen: Das
Unterdrückungsmittel der Inquisition gewinnt gegenüber dem Gedanken der christlichen
Nächstenliebe die Oberhand; das gilt auch gegenüber behinderten Menschen.
Der Wandel gesellschaftlicher Strukturen im Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus
(17. – und 18. Jahrhundert) reißt viele Menschen aus ihren bisherigen sozialen
Zusammenhängen. Nur ein Teil findet in der entstehenden industriellen Lohnarbeit eine neue
Lebensgrundlage. Die übrigen bilden die große Masse der Armen und Arbeitslosen der
damaligen Zeit, die mehr oder weniger freiwillig in den Asylen, Armenhäusern leben. Die
Gruppe sozial Ausgegrenzter gehören auch die Behinderten („arbeitsunfähig“) an. Die
französische Revolution proklamiert die gesellschaftliche Unterstützung arbeitunfähiger
Menschen. Die Entstehung der Pädagogik um 1800 beruht auf dem Interesse der
herrschenden Gesellschaftsschichten an der Schaffung einer minimalen Arbeitsqualifikation,
die in Abend- und Morgenschulen – angeschlossen an Industriegebiete – vermittelt wird. In
dieser Zeit ist der Lehrer defacto ein verlängerter Arm des Fabriksbesitzers, bei 12 Stunden
täglicher Arbeitszeit der Kinder werden etwa 12 Unterrichtsstunden pro Woche vermittelt.
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts beginnt die Entwicklung einer systematischen
Behindertenbetreuung auch für Proletarierkinder (1815: Einrichtung einer Nachhilfeklasse in
einer Armenschule durch Lehrer Traugott Weise in Zeitz; 1830: 48 Taubstummenanstalten
mit 820 Kindern in Deutschland).
In Wien um 1900 gibt es – in Abweichung von den Schulgesetzen Maria Theresia’s in der
Realität keine Pflichtschule. Der Schulbesuch von Arbeiterkindern ist auf maximal 2 – 3 Jahre
54
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beschränkt, das Familieneinkommen einer Arbeiterfamilie stammt zu dieser Zeit zu 20% aus
Kinderarbeit. In der Phase des wirtschaftlichen Aufschwunges von 1890 – 1913 werden die
Forderungen nach Fürsorgemaßnahmen und Bildung, die vom liberalen Bürgertum und der
erstarkenden Arbeiterbewegung erhoben werden, lauter. Sie können jedoch an der realen
Situation nur wenig verändern.
In der Zeit der Herrschaft des deutschen Faschismus wird auf den Grundlagen der ab 1920
entwickelten Erblehre und Rassenlehre ab 1939 eine systematische Vernichtung Behinderter
durchgeführt, die den Decknamen „Aktion T4“ trägt (siehe auch Strachota „Heilpädagogik
und Medizin“). Diese systematisch geplante und durchgeführte Aktion forderte etwa 250 000
Todesopfer. Die Gesamtzahl der Sterilisationen auf dem Gebiet des Deutschen Reiches (1939
– 45) wird mit 320 000 angenommen. Die Kinder „Euthanasie“ sind etwa 5 000 Kinder zum
Opfer gefallen, wobei die Anstalt am Spiegelgrund (Wien) ab 1940 Vorbildfunktion hatte. In
der Anstalt Hartheim bei Linz (siehe auch Strachota „Heilpädagogik und Medizin“) wurden
etwa 20 000 Tötungen vorgenommen, in Mauer-Öhling beträgt die dokumentierte Zahl 1279.
Eine große Zahl von deutschen und österreichischen Ärzten, insbesondere Psychiatern
spielten eine entscheidende und aktive Rolle in dieser Vernichtungsmaschinerie oder
beteiligten sich an der theoretischen Begründung der Vernichtungsaktion. Die meisten dieser
Verbrechen blieben ungestraft, viele Berufskarrieren wurden nach 1945 fortgesetzt (z.B. Prof.
Dr. Hans Bertha in Graz, Prim. Dr. Heinrich Groß in Wien, der bereits verstorben ist).
In der Zeit nach 1945 gewinnt der Gedanke der Integration behinderter Menschen im
deutschsprachigen Bereich nur langsam an Boden. Die Entwicklung in den skandinavischen
Ländern war wesentlich schneller und radikaler. Die heutige Situation der Integration
behinderter Menschen ist sehr inhomogen (nach Lebensalter, geographischer Lage).
Der Blick in die Geschichte zeigt, dass die Behindertenbetreuung jeweils in engem
Zusammenhang zur gesamtgesellschaftlichen Situation steht und in hohem Maße Ausdruck
der ökonomischen Verhältnisse ist.
4.3. Arbeitskonzept der Behindertenpädagogik:
Die organisatorischen Strukturen der Betreuung behinderter Menschen orientieren sich auch
heute noch oft an den Grundsätzen der Absonderung („Segregation“ – Sonderschulen, Heime
etc…) und an den einzelnen Beeinträchtigungen – am Defekt. Durch die Defektorientierung
und die Zersplitterung der Behindertenpädagogik in Spezialdisziplinen gehen die
gemeinsamen Bedingungen von Behinderung und ihrer Überwindung verloren.
Rahmenbedingungen:
Allgemeine Parameter: ZIEL = Überwindung der Isolation / WEG = Aneignung der Realität
und des gesellschaftlichen Erbes durch die aktive Tätigkeit. Es geht also darum, die
behindertenpädagogische Arbeit auf der sozialen und auf der individuellen Ebene so zu
organisieren, dass das größtmögliche Maß an Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erzielt
werden kann.
Strukturelle Bedingungen:
Die Organisationsstrukturen müssen persönliche Entfaltung, Eigenverantwortlichkeit und
Selbstkontrolle behinderter Menschen ermöglichen. Diese Forderung wird im Begriff des
„Normalisierungsprinzips“ (Bengt-Nirje) zusammengefasst.
55
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Ein daraus abgeleitetes Strukturmodell (nach A. PIRELLA) muss folgende Bedingungen
erfüllen: Die Kooperation einer demokratisch strukturierten Behörde mit Vertretern der
behinderten Menschen, die Einrichtung von Regionalzentren (Sonderpädagogische
Förderzentren sind damit gemeint) mit ambulanten Expertenteams, die Einrichtung von
Kleinwohnheimen und Tageszentren.
Individuelle Ebene:
Am Anfang muss eine individuelle Analyse der konkreten Isolationsbedingungen auf den
verschiedenen Ebenen erfolgen (keine Behinderungsklassifikation): biologische / psychische /
soziale Ebene. Auf jeder Ebene sind mit den zur Verfügung stehenden Analysemethoden
Spezifizierungen vorzunehmen: Prüfung der sensomotorischen, der perzeptiven, der
begrifflichen, der kognitiven, der emotionalen Bedingungen sowie der sozialen Beziehungen.
Daraus ergeben sich die aktuellen Schwerpunkte im Gesamtbetreuungskonzept:
Man greift jenen Punkt heraus, der die größte Chance an Veränderung (bezogen auf die
Teilhabe am sozialen Leben) bietet. Man muss sich immer auf das „Hier und Jetzt“ beziehen,
da sich das Muster der Faktoren in einem dynamischen Prozess befindet. Ohne die derzeit
nicht im Vordergrund stehenden Bereiche aus dem Auge zu verlieren.
Der Anteil der Medizin:
Die Beantwortung der Frage nach der Rolle der Medizin in diesem Konzept der
Behindertenpädagogik geht von einem sozialmedizinischen Grundverständnis aus, das
ebenfalls auf dem Modell der bio-psycho-sozialen Einheit „Mensch“ beruht. Die
Themengebiete dieser Medizin liegen vor allem dort, wo biologische Defekte und psychische
Beeinträchtigungen eine zentrale Rolle spielen; ihre Aufgaben liegen in der Rehabilitation /
Entwicklungsförderung: REHABILITATION ZU BESCHREIBEN HEISST, DIE
LEBENSSITUATION EINES MENSCHEN ALS VERÄNDERBAR ZU BEGREIFEN:
Diese Aussage bezieht sich auf die Behinderung, nicht unbedingt auf den Defekt.
Definition (Berger):
Rehabilitation zu betreiben heißt, den Entwicklungs- und Lernprozess von Menschen mit
somatischen oder psychischen Läsionen zu strukturieren.
Das Ziel ist die ungehinderte Teilnahme am sozialen Leben. Rehabilitation ist
dementsprechend in ihrem Kern eine pädagogische Aufgabe, die sich verschiedener
Methoden bedienen muss in Übereinstimmung mit der Unterschiedlichkeit möglicher Defekte
auf der biotischen oder psychischen Ebene. Sie bedarf der interdisziplinären Kooperation.
Rehabilitation bedarf jedenfalls eines umfassenden Ansatzes, der die biologische, psychische
und soziale Ebene umfasst.
Die Konzentration der Medizin auf die biologischen und psychischen Anteile von
Behinderung muss ebenfalls mit der oben beschriebenen individuellen Analyse isolierender
Bedingungen und ihrer Wertung bezogen auf die aktuelle Lebenssituation beginnen. Jede
therapeutische Maßnahme muss danach beurteilt werden, ob sie geeignet ist, in ihren
Konsequenzen die Erfahrungsspielräume des Individuums zu erweitern (Isolation zu
durchbrechen, Aneignungsprozesse zu fördern, Autonomie zu vergrößern). Auch biologische
Faktoren haben ihren jeweiligen Stellenwert nur im Gesamt – Lebenszusammenhang des
Individuums.
56
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1
Schaub, H. und Zenke, Karl G. (Hrsg.): Pädagogisches Wörterbuch, 4., grundlegend überarbeitete und
erweiterte Auflage Oktober 2000. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München.
2
Wissenschaftlicher Rat der Dudenredaktion/Prof. Dr. Dr. h. c. Günther Drosdowski, Dr. Werner ScholzeStubenrecht und Dr. Matthias Wermke (Hrsg.): Der Duden – Das Fremdwörterbuch. 1997. Bibliographisches
Institut & F. A. Brockhaus AG, Mannheim.
3
Birbaumer/Schmidt: Biologische Psychologie, 5. Auflage, Springer-Verlag Berlin Heidelberg, Abb. 9-6., 155
57
D:\75896361.doc
4
ebd., 139
ebd., 31
6
ebd., 33
7
ebd., 37
8
http://de.wikipedia.org/wiki/Phylogenese
9
http://de.wikipedia.org/wiki/Phylogenetischer_Baum
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