D:\75896361.doc Vorlesung – Berger: Entwicklungsneurologie I / WS 1. Vorlesung, 07.10.2005 Basisinformationen zur Lehrveranstaltung Einführung in die Entwicklungsneurologie + Literaturhinweise Anmerkung: Bitte sich im Online-Vorlesungsverzeichnis regelmäßig umzusehen bezüglich Terminänderungen, etc.! A) Basisinformationen zur Lehrveranstaltung - Zum Vortragenden: Prof. Dr. Ernst Berger ist Leiter des Neurologischen Zentrums am Rosenhügel. Dort gibt es unter anderem eine Neuropsychiatrische Abteilung für Kinder und Jugendliche, eine Kinder und Jugendpsychiatrische Neurologische Station, auch eine für Entwicklungsneurologie, sowie die Behindertenpsychiatrische Station für Erwachsene. Letztere, vor allem die Rehabilitation, und die Entwicklungsneurologie bilden den Kern dieser Lehrveranstaltung. Prof. Berger ist unter dieser Telefonnummer (bei wirklich wichtigen Fragen, Angelegenheiten, ansonsten bitte per e-mail) zu erreichen: 880-00 321. E-Mail Adresse: [email protected] oder [email protected]. - 2.Arbeistfeld Das 2. Arbeitsfeld von Prof. Berger umfasst die Evaluationsforschung durch die Arbeitsgruppe für Rehab und Integration, in Verbindung mit der Universitätsklinik für Neuropsychiatrie des Kindes und Jugendalters unter der Leitung von Prof. Friedrich. - 3.Arbeitsfeld Und das 3. Arbeitsfeld von Prof. Berger umgibt die Psychosozialen Dienste, für die die Abteilung für Jugendpsychiatrie, kurz PSD, zuständig ist. Dieses Arbeitsfeld hält die gut funktionierende Vernetzung außerhalb des Krankenhauses instand. Eine solche Vernetzung der Klinik selbst mit den verschiedenen Institutionen außerhalb ist hier sehr wichtig. - Allgemeine Informationen zur Lehrveranstaltung Diese Lehrveranstaltung wird als Vorlesung geführt, und unterstützt durch eine PowerPoint-Präsentation. Diese Folien sind konkordant mit dem Skript, teilweise sogar durch aktuelle Beiträge und Dokumentationen ergänzt. Das Skriptum selbst umfasst sowohl den Stoff vom Wintersemester, als auch den vom Sommersemester. Vorsicht aber: Das bloße Lernen des Skriptums ist für die Prüfung nicht ausreichend! Prüfungsmodalitäten: Jeweils am Ende des Semesters und zu Beginn des Semesters gibt es eine schriftliche Prüfung (Sammeltermine, es besteht hier die Möglichkeit die Prüfung über Teil I oder Teil II abzulegen), Anmeldung ist nicht erforderlich. Bei der Prüfung gibt es 4 Gruppen, jeweils bestehend aus 3 Fragen (Erste Frage ist mehr umfassend und bringt bestenfalls 8 Punkte, die anderen beiden Fragen sind aus Teilbereichen und bringen jeweils 4 Punkte). 1 D:\75896361.doc B) Zur Vorlesung - Fachterminologie In der Vorlesung vorkommende Fachbegriffe werden im 1en Teil der Lehrveranstaltung erklärt und definiert, darum ist es auch sehr ratsam, den ersten Teil vor dem zweiten zu absolvieren, da im Sommersemester die im Wintersemester besprochenen Fachtermini bereits vorausgesetzt werden. Fachtermini können aus dem Lateinischen, dem Griechischen, dem Deutschen kommen, können aber auch „erfundene“ Begriffe sein. Nicht immer sind solche Termini „übersetzbar“, da es keinen deutschen Begriff dafür gibt. - Literatur Wie schon erwähnt, sind die Power-Point-Folien auf einem sehr aktuellen Stand gehalten und eine (notwendige) Ergänzung zum Skriptum. Prof. Berger führt aber hier noch weitere literarischen Tipps an, wie z.B.: Goldenberg, G.: Neuropsychologie – Grundlagen, Klinik, Rehabilitation; Jantzen, W.: Allgemeine Behindertenpädagogik, in 2 Bänden; Jantzen lehrt Allgemeine Behindertenpädagogik in Bremen. Lurija, A. R.: Das Gehirn in Aktion; Einführung in die Neuropsychologie. Als Taschenbuch erhältlich. Lurija ist ein russischer Neurologe und einer der Gründerväter der Neuropsychologie. „Behindertenpädagogik“: Vierteljahresschrift – Zeitschrift, Psychosozial; Informationen oder Bestellungen (nur in FB für Bildungswissenschaften erhältlich) über [email protected]. - Links www.uibk.ac.at/bidok -> hier gibt es gratis Unmengen von Fachartikeln im Volltext (von der FB für Behinderten- und Integrationspädagogik, Uni-Innsbruck). www.univie.ac.at/kjup-rehab-integra/ www.uni-koblenz.de/~proedler/ (behindertenpädagogische Homepage, hier gibt es immer wieder Aktuelles zum Thema Autismus). www.bizeps.or.at (Homepage des Behindertenvereins Bizeps). http://ethikkommission.at (=nicht die Ethikkommission von der Regierung, sondern besetzt durch Behindertenvertreter/und vereinen; diskutieren über Themen der Pränataldiagnostik, Sterbehilfe,..) www.zerotothree.org./healthyminds/ (hier wird die kindliche Entwicklung – nicht nach Alter gegliedert – thematisiert, am wissenschaftlichen Institut). - Einleitung, 1.Vorlesung Die Entwicklungsneurologie gehört zu den Wissenschaften vom Menschen. Noch immer sind zum Beispiel Unis nach Kategorien organisiert, unterschieden zwischen Naturwissenschaften, Geisteswissenschaften; beim Menschen ist eine solche Gliederung unbrauchbar. Es ist jedoch so, dass die Medizin schon seit längerer Zeit auf diesem Pfad unterwegs ist, den Menschen nicht als Patienten und Menschen zu sehen, sondern ihn vielmehr als ein zu untersuchendes und zu beobachtendes Wesen sieht, was dazu führt, dass viele heute lieber einen Apotheker oder Heilpraktiker aufsuchen, weil sich diese der Menschen annehmen, ihnen zuhören, mit ihnen sprechen. Die Medizin muss lernen, wieder ihren Weg zum Patienten zu finden. 2 D:\75896361.doc 3 Bereiche machen den Menschen als Menschen aus. Der Mensch als biologisches Lebewesen, der Mensch mit seinen psychischen Funktionen und der Mensch als soziales Wesen (mehr dazu später). Der Mensch ist stets – auch als Neugeborenes – ein handelndes Subjekt. Er ist kein Objekt, an dem Therapie durchgeführt wird. Die Medizin hat dies (tut es noch immer) lange Zeit ausgeblendet (s.o.). „Bio-psycho-soziale Einheit“ Das Menschliche Leben muss als Einheit folgender 3er Ebenen betrachtet werden: 1. soziale Ebene Diese 3 Ebenen sind einerseits als Einheit 2. psychische Ebene zusammenhängend, anderseits sind sie als 3. biologische Ebene getrennte Ebenen zu sehen, da jede dieser ihre eigenen Gesetzesmäßigkeiten hat > 2 Seiten einer Medaille. Jede dieser Ebenen hat ihre eigenen Gesetzesmäßigkeiten. Diese sind aber nicht untereinander auf andere Ebene übertragbar, dies wird aber oft versucht. Beispiel: Das Transponieren von Gesetzmäßigkeiten einer Ebene auf eine andere Ebene: daran knüpft diese Überlegung: Wo sind diese Analogien legitim und wo nicht? Bsp.: Das Katzenhirn ist nicht analog dem Menschlichen Gehirn, einzelne kleine Analogien sind aber durchaus möglich. - Diese 3 Bereiche, die den Menschen ausmachen wird auch die „Bio-psycho-soziale Einheit“ genannt! Sie zieht sich wie ein roter Faden durch die Entwicklungsneurologie. - Wissenschaftliches Dilemma/Diskussion: „Wie aus biologischem Psychologisches wird.“ - Übergangsbereich zwischen biologischen und psychischen Phänomenen Mit den biologischen Grundlagen psychischer Funktionen beschäftigt sich die Neuropsychologie. Erforscht, welche Teile des Gehirns bei unterschiedlichen Funktionen (z.B.: der Sprache, der Motorik) beteiligt sind. Neurosciences, Neuroimaging (Bildgebende Verfahren, bitte noch ergänzen) Anmerkung: Skriptum S 2 „Exkurs -> Tätigkeitstheorie“: siehe Skriptseite 34/35! - Entwicklungsneurologie – Konzepte und Methoden, Definitionen (im Skriptum kursiv geschrieben) Entwicklungsneurologie ist die Lehre von der Entwicklung des menschlichen Nervensystems als Bio-psycho-sozialer Prozess . ! Wir können nicht ungestraft das menschliche Nervensystem mit dem eines Tieres vergleichen! Menschliches Nervensystem nur unter Bedingungen eines menschlichen Lebens zu einem menschlichen Nervensystem. Es organisiert sich selbst im Prozess des Lebens. Das 3 D:\75896361.doc Nervensystem ist nicht nur als biologischer Aspekt, sondern als bio-psycho-sozialer Prozess zu sehen. Entwicklungsneurologie eine wissenschaftliche und eine praktisch-medizinische Disziplin (in der Praxis die Begegnung des Arztes mit dem Kind und den Eltern). - Arbeitsgebiete 1. Medizinische Praxis -> spielt sich im Arztzimmer ab, wenn Eltern sich Sorgen um die Entwicklung ihres Kindes machen („Entwickelt sich mein Kind altersgemäß?“ „Warum entwickelt es sich da oder dort nicht so?“) 2. Bereich der Forschung -> Entwicklungsforschung bei Risikokindern (bei Risikoschwangerschaft beispielsweise -> wie ist da die Auswirkung auf die kognitive Entwicklung des Kindes nachher? Hier: Frage nach den Möglichkeiten der Förderung der kognitiven Entwicklung, im Falle eines Entwicklungsrückstandes. Die Förderung der kognitiven Entwicklung findet gerade heute wieder ein Revival (in Zeitschriften) -> Selektion => „nur die besten kommen durch“. Ad Medizinische Praxis: Aufgaben: 1) Entwicklungsdiagnostik : entwickelt sich das Kind gut oder nicht. 2) Entwicklungsförderung : Therapie -> Interventionsmethoden Methoden: 1) Klinische Entwicklungsdiagnostik -> Ein Verfahren, das sich nicht auf apparative Hilfsmittel stützt. Es wird sich der einfachen medizinischen Hilfsmittel wie horchen, klopfen,..bedient. Wenn ein Patient zum Röntgen geschickt wird, würde dies nicht dem klinischen entsprechen. 2) apparative Hilfsmethoden: sind bei Bedarf heranzuziehen. Ad Entwicklungsdiagnostik Verhaltensbeobachtung: direkte Verhaltensbeobachtung (wenn das Kind beim Arzt in der Praxis ist) unstrukturierte Verhaltensbeobachtung: Inter= aktionssituation ist auf die Bedürfnisse des Kindes ausgerichtet, nicht strukturiert. Arzt hält sich jedoch an vorgegebene Regeln. strukturierte Verhaltensbeobachtung: z.B.: psycho= logische Tests -> laufen nach einem Schema ab; Indirekte Verhaltensbeobachtung: stützt sich auf die spezielle Sichtweise dessen, der dem Arzt Bericht übers Kind gibt, z.B.: die Mutter berichtet dem Arzt über Essgewohnheiten des Kindes -> = Wirklichkeit , keine 1:1 Abbildung; Subjektive Sichtweise 4 D:\75896361.doc 3. Vorlesung, Berger: 14.10.2005 WH Verhaltensbeobachtung Differentielle Diagnostik Förderdiagnostik Forschung - - A) Wiederholung: Methodik -> Verhaltensbeobachtung Klinische Entwicklungsdiagnostik Verhaltensbeobachtung Indirekte Verhaltensbeobachtung -> gibt die Realität wieder: Realität Subjektive Perspektive (durch die Infos, die mir die Person gibt) Direkte Verhaltensbeobachtung unstrukturierte VB: keine dezitierte Struktur vorgegeben, ist kein un= strukturiertes Beobachten (Beobachtung z.B. in einer Spielsituation) strukturierte VB: mit vorgegebenen Rahmen, z.B. ein Psychologischer Test. Beispiel: Videoclip -> klinische Untersuchung (= Standarduntersuchungssituation Angesiedelt zwischen einer strukturierten und unstrukturierten VB; in dieser Untersuchung geht es um die Diagnostik von Sprach- und Bewegungskompetenzen. B) Differentielle Diagnostik Residuum oder aktuelles Ereignis (Querschnittsbetrachtung): Sollte festgestellt werden, dass die Kompetenzen eines Kindes in einem Bereich nicht dem entsprechen, den sie entsprechen sollen, dann ist die Frage zu stellen: Ist das so aufgrund eines Ereignisses von früher ist oder aufgrund eines aktuellen Ereignisses. Beispiel, wenn ein Kind zum gegebenen Zeitpunkt der Untersuchung nicht reden kann, ist dies dann zurückzuführen, dass das Kind krank war oder ist (z.B. eine aktuelle Hirnentzündung -> hier ist akutes Handeln erforderlich -> welche Therapie / Interventionsmöglichkeiten?) oder ist dies die Auswirkung aufgrund eines früheren Ereignisse, z.B. bei der Geburt. Die nächste Frage richtet sich nach Details, nach der Art der Beeinträchtigung: Ist der Entwicklungsprozess beeinträchtigt durch Verlangsamung oder Stillstand der Entwicklung. Die Frage nach den Ursachen sucht Anhaltspunkte für isolierende Bedingungen, z.B. einer biologischen Schädigung, Umgebungsbedingungen (-> Deprivation) 5 D:\75896361.doc C) Förderdiagnostik Zuerst einmal ist die Frage zu beantworten „Was ist Entwicklungsdiagnostik“? In der Entwicklungsdiagnostik geht es um Förderdiagnostik. Geht es um Selektion? NEIN! Was ist Förderdiagnostik nun? Was ist sie nicht? - - Traditionelle Diagnostik Messbare Verfahren Frage: Was hast du gelernt? Normwerte Defizitorientierung (vgl. Fasching) -> beschreibt was das Kind nicht kann Segregation - - Förderdiagnostik Beobachtende Verfahren Frage: Was wirst du lernen? (Zone der Nächsten Entwicklung -> n. Wygotski) subjektorientiert (an den Kompetenzen des Kindes orientiert) / kompetenzorientiert - Integration Anm.: In der Pädagogik und der Entwicklungspsychologie bewegen wir uns leider noch immer zu sehr in der Praxis d. Segregation! Ad Zone der nächsten Entwicklung (nach Wygotski) 2 Zonen des Lernprozesses werden beschrieben 1.) Eine eigenständige Aufgabenbewältigung einer beobachteten Situation (-> Lösungsstrategien: Kind kann frei damit umgehen). Invariante Verfügbarkeit (Jantzen), auch flexibel modifizierbar. 2.) Kooperative Aufgabenbewältigung. Nutzung von strukturierenden Angeboten Erwachsener = Zone der nächsten Entwicklung, ein relevanter Bereich für die Entwicklung. Ausgang Analyse Isolierende Bedingungen (Jantzen) Kompetenzen (Beschreibung dieser wird häufig vergessen) Protektive Faktoren (z.B. unterstützende Personen für die Planung, welche nützliche Erfahrung konnte das Kind bisher machen?). Auf diese Faktoren wird auch häufig vergessen. Umfeldressourcen Zweck der Förderdiagnostik Veränderung / Entwicklung Veränderungsmöglichkeiten müssen auf allen Ebenen gedacht werden: auf der Ebene der… a) biologischen Funktionen + Fertigkeiten b) psychischen Kompetenzen + Eigenschaften c) sozialer Beziehungen Wenn ich über Veränderungen nachdenke, dann muss ich mir auch vor Augen halten: zum Beispiel ein Kind mit spastischer Lähmung: Spastische Lähmung ist auf biologischer Ebene nicht veränderbar, vielleicht aber ist auf der psychischen und/oder sozialen Ebene was veränderbar. Fördertherapie, alle 3 Ebenen durchdenken, und nicht blenden lassen von 6 D:\75896361.doc scheinbaren Unveränderbarkeiten auf der 1., der biologischen Ebene. Man muss auf den anderen Ebenen Strategien finden -> das ist der Zweck der Förderdiagnostik. Apparative Hilfsmethoden Die klinische Untersuchung gibt – in der Hand des Experten – Auskunft auf die meisten Fragen der Entwicklungsdiagnostik. Sie steht immer am Anfang; bleiben Fragen noch offen, werden ergänzende Verfahren, sogenannte Zusatzverfahren angewandt (Quelle: Berger, 3) Computertomographie (CT, Röntgenbild -> ist durch Rechenmethode verfeinert in der Aussagemöglichkeit) Magnetresonanztomographie, tomos = schichtweise, graphos = Darstellung; also schichtweise Untersuchung oder Darstellung: (MRT, MRI, das I steht für imaging = bildgebend; fMRT -> „funktionelles MRT -> macht Abbildung von Gehirnaktivitäten möglich). Bei diesem Verfahren werden mittels eines Magnetfeldes in den Zellen Moleküle dem Magnetfeld entsprechend zugeführt. MRT ist in den 80ern in die medizinische Praxis vorgedrungen. Mit MRT ist die Darstellung des Zentralnervensystems (ZNS) möglich. Sowohl CT als auch MRT/MRI sind beides bildgebende Verfahren. Elektroencephalographie, gr. Encephalos = Hirn (EEG): Tätigkeit des Hirns anhand seiner elektrischen Parameter (die elektrischen Ströme produziert das Hirn selbst). Das Hauptanwendungsgebiet liegt bei der Diagnostik der Epilepsie. Evozierte (ereigniskorrelierte) Potentiale – ERP: Situation, in der ein bestimmter Reiz von außen gegeben wird und dann sieht man nach, welche Zone im Hirn wie auf welchen Reiz reagiert. Polygraphie: gleichzeitige Aufzeichnung von verschiedenen Funktionssystemen (EEG, EMG, Augenbewegungen, Atmung, Pulsfrequenz…) Ultraschallfilm (bisher bekannt aus der Schwangerschaftsuntersuchung): hier werden Bewegungen (vorgeburtlich) des Kindes aufgezeichnet. Magnetencephalogramm: Aufzeichnungen der Eigenaktivität des Hirns (in den 80ern war dies der 1.Zugang, um das Hirn in seiner Tätigkeit zu sehen -> bringt Aussagen, welche Zonen des Gehirns sind zuständig für welche Reaktionen sind -> welche Zonen sind aktiv): elektrische Felder produzieren ein Magnetfeld (das Hirn produziert dies). Positron Emission Tomographie (PET), ist wieder eine Schichuntersuchung: hier wird eine radioaktive Substanz iniziiert. Das Hirn wird in seiner Aktivität dargestellt. SPECT ist eine weitere zusätzliche apparative Methode. Anmerkung: Ein normales Röntgen kann nur knöcherne „Bereiche“ erkennbar machen. Videoclip: EEG mit „EEG-Haube“: gezeigt wird, was bei diesem Verfahren ausschlaggebend ist: Elektroden (rot gefärbt) werden angesetzt. Alles wird an einem Verstärker angeschlossen. Aufzeichnung des Gehirns erfolgt in 16 Kanälen. Videoclip: Ultraschallfilm eines 14 Wochen alten Fötus: Bewegungen des Föten werden dargestellt . Dieser Ultraschallfilm wurde von H. Prechtl zur Verfügung gestellt. Prechtl ist der „Vater“ der Entwicklungsneuro und einer der führenden Personen in der internationalen Entwicklungsneurologie. Der Ultraschallfilm ist eine intrauterine Methode -> Bewegungsabläufe qualitativ beurteilbar, mehr dazu aber im SS. 7 D:\75896361.doc D) Forschung (wissenschaftlicher Teil, während die Praxis sich mit dem einzelnen Kind beschäftigt) - - - Aufgaben Erschließung der Gesetzmäßigkeiten der Entwicklung Erforschung der Einflussmöglichkeiten der Entwicklung Ausarbeitung von Methoden der Entwicklungsförderung Entwicklung ist schon optimierbar -> Genieproduktion ist nicht Ziel der Entwicklungsneurologie (siehe Amerika). Methoden Verhaltensbeobachtung Apparative Hilfsmethode Vergleichende Forschung (-> diese muss methodisch sehr genau sein) Untersuchung des ZNS von verstorbenen Säuglingen (Missbrauch in der NS-Zeit, weil systematisches Töten von Kindern, um hier Daten zu sammeln; vgl. auch Fall „Terry Schiavo: man hat diese Frau sterben lassen, um dann die Organe untersuchen zu können > Vernebelung, d.h. Angabe von biederen Ausreden, um den eigentlichen Grund des Ablebenlassens zu vertuschen -> „Fremdnützige Forschung“: „ich opfere mich der Wissenschaft, wenn andere davon profitieren“. Sensibler Punkt). Die Untersuchung erfolgt beispielsweise physikalisch, chemisch (Gewebschemie) oder mikroskopisch. Anmerkung: Gesetzmäßigkeiten der Entwicklung -> welches jeweilige ist vergleichbar (bei denen von Tieren) mit denen des Menschen. Tierforschung in begrenzten Fall notwendig, legitim. Theorie Die Entwicklungsneurologie bedarf daher einer Theorie (theoretischer Rahmen mit Blick auf Zusammenhänge), die alle 3 Ebenen des menschlichen Lebens (biopsychosoziale Ebenen) verbindet. Diese Tätigkeitstheorie erfüllt diesen Anspruch. Sie hat sich aus der „kulturhistorischen Schule“ (Lurija, Leontjew) entwickelt. Entwicklungskonzept Was ist Entwicklung? (Definition siehe BS 5, sehr wichtig für die Prüfung!) Veränderung: um das beschreiben zu können brauch ich einen Ausgangspunkt (-> Prozess) Ist Entwicklung jeder Prozess von Veränderung? Wichtige Parameter: Selbständigkeit Höherentwicklung Zeit -> wichtig für den Prozess von Kontinuität Kreislauf Vorstellungen über Entwicklung Entwicklung ist ein Kontinuum Entwicklung findet immer statt (?) Perspektive Veränderung eben (Prozess der Veränderung hängt von Perspektive ab: Wohin will ich denn eigentlich?) Am 28.10. entfällt die Vorlesung! 8 D:\75896361.doc 4. A) B) C) Vorlesung: 21.10.2005 Was ist Entwicklung -> Entwicklungskonzept Begriffe Das Nervensystem A) Was ist Entwicklung / Entwicklungskonzept Was ist Entwicklung? Anmerkung: Der Begriff Entwicklung ist nur auf den ersten Blick ein selbstverständlicher Begriff. Bei genauerem Betrachten ist er aber äußerst diskussionsbedürftig. Was ist Entwicklung – Versuch einer Eingrenzung (kleine Wiederholung von letzter Stunde) Prozess (hängt unweigerlich mit „Zeit“ zusammen) Perspektive („wie bewerte ich einen Prozess“) spielt eine wichtige Rolle Erwartungen Ad Prozess: Welche Art von Prozess verstehen wir als Entwicklung? Für die Beantwortung dieser Frage ist es von Nöten das Ziel, was denn nun Entwicklung ist, zu definieren, und zwar anhand eines Beispiels (fernab von menschlicher Entwicklung oder biologischen Prozessen): Beispiel „Stadtentwicklung“: Wie soll sich eine Stadt entwickeln (z.B. Wiederaufbau einer Stadt nachdem sie niedergerissen wurde). Was bezeichnet man hier als Entwicklung? Alte Häuser erhalten oder Neue Häuser hinbauen? Die Frage, ob ich dem Prozess „Entwicklung“(=positive Konnotation, Konnotationen sind begleitende Elemente eines Begriffs) beifüge. Das was wir als wünschenswertes Ziel sehen, ist nicht automatisch gegeben. Es gibt beispielsweise Historische Epochen, in denen z.B. Gebäude oder andere Dinge gebaut/erbaut wurden, die manchmal positiv konnotiert waren, aber auch welche, die mal nicht positiv konnotiert waren (die brauchbar, nützlich oder aber auch weniger nützlich waren). Was ist Entwicklung? Definition: Entwicklung ist ein Prozess, in dem ein Organismus (=biologisches System) wachsende Komplexität und einen höheren Grad von Struktur seiner Austauschprozesse erlangt (-> Beziehung zur Umwelt, ist ein Prozess der Wechselbeziehung, kann einfach oder komplex sein). Der Austausch des Organismus mit der Umwelt wird immer komplexer. Je komplexer der Organismus, desto flexibler ist er in Bezug auf die Umwelt. Sie erhöht den Grad der Flexibilität und sie verbessert die Bedingungen des Individuums in seinem Wechselspiel mit der sozialen Umwelt (in die das Kind eintritt -> schon vor der Geburt). Das Kind ist immer Teil einer gesellschaftlichen (sozialen) Umwelt! Anmerkung: Der erste Teil der Definition ist eine Definition auf naturwissenschaftlicher Ebene. Der zweite Teil der Definition ist eine Definition auf „menschlicher“ Ebene. Kriterien zur Bestimmung (Beurteilung) von Entwicklung Befasst sich beispielsweise mit Fragen, ob das Kind normal entwickelt ist Kriterien: a) Relation zu einem Zeit-Bezugssystem 9 D:\75896361.doc Um Entwicklung beurteilen zu können, müssen 2 Beobachtungszeitpunkte (A und B, vorher/nachher) zur Verfügung stehen. Bedeutend ist die Veränderung der Kompetenzen des Kindes, zwischen Zeitpunkt A und Zeitpunkt B. Zeitachse t A B 2 Zeitpunkte wählen (A und B) und zu beiden Beobachtungen anstellen und dann schauen, was hat sich zwischen den beiden Zeitpunkten verändert (Kompetenzen des Kindes, z.B. Sprechen oder motorische Entwicklung,…) Die Regel ist jedoch, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt (A) eine Beobachtung durch einen Entwicklungspsychologen angestellt wird. Dieser schlagt in einer Tabelle nach, ob zu einem Zeitpunkt (A) das Kind eine bestimmte Entwicklungsstufe erreicht hat (oder haben soll), und zwar in den Kompetenzen, in der sich viele Kinder seines Alters befinden: Rechenmethode diese geht von einem Durchschnitt aus -> methodisches Problem -> weil wenn ich z.B. die Kompetenzen eines Kindes in Punkto „Ball fangen“(Körperfang/Handfangtechnik) testen will, dann wird ich feststellen, dass ein Teil der Kinder den Ball so fängt und ein anderer Teil der Kinder den Ball wieder anders fängt, wieder ein anderer Teil der Kinder fängt den Ball nicht (wie ein Kind den Ball fängt, führt aber nicht zu gewünschtem Ziel, nämlich, ob das Kind die oder die Entwicklungsstufe erreicht hat. Diese Art von Verfahren zielt also nicht unbedingt auf die individuelle Entwicklung eines Kindes ab). Nun wird also das beobachtete Kind in einer Normalverteilungskurve in einen Bereich eingeordnet, der einer für seine Kompetenzen typischen Altersspanne entspricht. Kind er Kinder, die Ball fallen lassen M Ball wird mit Hand gefangen Körper Mittelwert -> von diesem gibt es eine Abweichung, festgelegte Streuungsmaße. In diesem Streuungsbereich ist die „Normalität“ beschrieben, d.h. hier wird der Durchschnitt Kinder festgehalten, der für bestimmte Kompetenzen in einer bestimmten Entwicklungsstufe steht. z.B. siehe obige Darstellung -> Doch was steht dahinter? Was wird unter Normalität verstanden? Darunter könnte man ein Entwicklungsparameter (z.B. die für europäische Kinder typische „Zahnentwicklung“). Hier ergibt sich zum Beispiel die Frage „Wie entwickeln sich die Zähne von Tansanischen Kindern? Kurz gesagt, keine Ahnung – und dann 10 D:\75896361.doc – dann wird eben die Beschreibung/Berechnung für eine für europäische Kinder typische Zahnentwicklung hergenommen. Diese „für eine für europäische Kinder typische Zahnentwicklung“ würde also unter den Begriff der „Normalität“ fallen, den „Normalbereich“. Wie aber schon weiter oben erwähnt zielt dies nicht auf die individuelle Entwicklung eines Kindes ab. Es ist nur eine ungefähre, berechnete Festlegung (=> Selektionsdiagnostik, „wie komme ich also zu meinen Bezugspunkten, wenn ich mich nur auf einen Querschnitt festlege und von bloßer Berechnung/Messung ausgehe). Ideal oder sinnvoll wäre eine Beobachtung im Sinne von oben beschriebenen 2 Entwicklungspunkten, die beide beobachtet werden! Das übliche Verfahren (vgl. screening-Verfahren) geht nur nach einer Durchschnittsnorm und diese hat Selektion zur Folge. b) Homogenität einer Entwicklungsreihe Beobachtung (zum Zeitpunkt A) von Funktionen innerhalb derselben Funktionsdimension. D.h. verschiedene Kompetenzen auswählen (-> je mehr, desto komplizierter, aber aufschlussreicher das Verfahren; z.B. das Kind kann zum Zeitpunkt A frei gehen. Nun kommt es zum Zeitpunkt B wieder zur Beobachtung: kann das Kind noch immer frei gehen? Wie wir ja bereits wissen, ist diese Art der Beobachtung aber nicht die Regel, denn: Zum Zeitpunkt B wird dann nicht mehr das Freie Gehen beobachtet, sondern z.B. die Sprachentwicklung. Anm.: Die Entwicklung der Sprache läuft in verschiedenen Bereichen ab. Es sind hier unterschiedlich langsame/schnelle Entwicklungsprozesse festzustellen; ) Es ist also von Nöten innerhalb derselben Entwicklungsdimension die Beobachtung (z.B. der Visomotorik, der Logomotorik,…) zu machen und zu differenzieren! Ad Homogenität: Innerhalb einer Dimension: überlegen, welcher Punkt B entsteht aus dem Punkt A. Früher, ca. Ende des 17.Jahrhunderts führte man so genannte Entwicklungstagebücher -> hier wurden Beobachtungen (durch die Eltern) beim Kind gemacht und markante Entwicklungspunkte festgemacht. Jene Methode wählt verschiedene Teile aus Entwicklungsreihen aus => für Entwicklungsförderung (diese sollte sich auf Entwicklungsdimensionen beziehen) nicht sehr nützlich. Heute verstoßen viele gängige Entwicklungsskalen (die dem „Tagebuchkonzept“ folgen) gegen die Homogenität, auch wenn diese für das Screening ganz nützlich sein mögen. c) Anwendung eines Wertemaßstabes Die Bezugspunkte (m)eines Maßstabes müssen begründet und legitimiert werden. Dies gilt auch für die Entwicklungsdiagnostik (vgl. screening-Methode: wohin geht der „Bezug“, wenn ich den Bezugspunkt auf nur ein bestimmtes – berechnetes – Alter setze -> GLOBALE URTEILE, Die Gefahr von verzerrten Aussagen besteht hier maßgeblich! Es ist immer die Frage zu stellen „wie jemand zu einem Ergebnis kommt!) Verstoß besteht oft darin die „Wissenschaft als wertfrei“ zu bezeichnen: Das stimmt nicht, das ist eine Fiktion! So eine Behauptung ist gegebenenfalls immer zu hinterfragen, hier könnte vielleicht etwas vertuscht werden. 11 D:\75896361.doc B) Begriffe Ontogenese: ist die individuelle Entwicklung des Menschen (diese beginnt schon ca. 10 Monate vor der Geburt). Vorgeburtliche Dimension ist hier genauso zu betrachten! „(griech. ons das Seiende, genesis Werden). Im Gegensatz zur Phylogenese die Entwicklung des Einzelwesens von der Befruchtung der Eizelle bis zum geschlechtsreifen Zustand (Pädagogisches Wörterbuch, 2000, 412)1.“ Phylogenese: ist die stammesgeschichtliche Entwicklung der Menschheit. „(gr.-nlat.) die; -, -n: Phylogenie. phylogenetisch: die Stammesgeschichte betreffend (Biol.). Phylogenie die; -,...ien: Stammesgeschichte der Lebewesen (Biol.) (Duden – Das Fremdwörterbuch 1997, 624)2.“ C) Das Nervensystem (ab Buch Seite 6) Biologische Grundlagen von menschlicher Entwicklung Das Nervensystem besteht aus dem: Nervengewebe: dies ist ein spezielles Gewebe, wie z.B. Haut(gewebe) -> jedes Gewebe hat eine bestimmte Charakteristik mit bestimmten Funktionen. Weiters ist das Nervengewebe hochgradig vernetzt und im ganzen Organismus weitverzweigt. - - Charakteristik: starke Verzweigung hoher Vernetzungsgrad Nervensystem ist eine Funktionelle Einheit Jede Gliederung ist künstlich (=nicht in der Natur des Systems vorgegeben)-> es gibt keine allgemein-gültigen Gliederungsprinzipien Strukturelle Gliederung (Einteilungsprinzipien) in ein: Zentralnervensystem (ZNS) = Sitz der Nervenzellen! + Gehirn + Rückenmark Peripheres Nervensystem = Nervenbahnen + 2 Leitungsrichtungen (vom ZNS weg oder zum ZNS) -> efferente (vom Zentrum weg zur Peripherie, zentrifugal: z.B. Be= wegung, wie Muskelzucken) -> afferente (von der Peripherie zum Zentrum, zentripetal) Funktionelle Gliederung Sensomotorisches NS = willkürliches NS + Wahrnehmung, Bewegung + Nervenzellen nur im ZNS autonomes NS = unwillkürliches NS + vitale Funktionen (Herzschlag, Durchblutung, Verdauung usw.) + Teile der Steuerzentren/Nervenzellen auch außerhalb des ZNS (z.B. in Darmwand) 12 D:\75896361.doc LURIJA – Gliederung nach Funktionsbereichen = Vertreter der Tätigkeitstheorie (russ. Gründer der Neuroopsychologie) Lurija machte Beobachtungen von Schädigungen des Gehirns (z.B. nach einer Schussverletzung). Sein Anliegen war die Therapie nach solchen Schädigungen. Regulationssystem (aufbauende Systeme) des Tonus (= Spannungszustand), der Vigilanz (Wachheit) und des Bewusstseinszustandes. System der Aufnahme, Analyse und Speicherung von Information (Wahrnehmung) => Realisierung von Wahrnehmungsprozessen. System der Programmierung, Regulation und Kontrolle von Tätigkeit (Bewegung = Motiv + Ziel). Ergänzung: FRAGE zur letzten Vorlesung „Gibt es Auswirkungen bei diversen Apparativen Methoden?“ - praktisch nebenwirkungsfreie Verfahren: Ultraschall, Magnetresonanz; nebenwirkungsarme Verfahren: Röntgen und diverse ionisierende Verfahren wie PET Lebensperspektivistische Summation (im Laufe des Lebens) des Röntgenverfahrens => Kumulation. In den 80er Jahren gab es Diskussionen bezüglich biologischer Schäden: Ergebnis -> Studien konnten bis heute keinerlei gröbere Auswirkungen nachweisen. Die Verfahren sind also weitgehend schadensfrei. Auch bei der Ultraschalluntersuchung konnte keine brauchbare Hypothese erstellt werden, die auf eine Organschädigung hindeuten könnte. 5. Vorlesung: 04.11.2005 A) Makroskopische Struktur und Entwicklung des Zentralnervensystems 1) Embryonalphase 2)Hirn - Überblick Betrachtung ohne Zuhilfenahme eines Mikroskop (mit Ausnahme für eine starke Vergrößerung, wenn noch etwas nicht so gut entwickelt ist), z.B. eine Lupe geht noch. - 1) Embryonalphase (Schwangerschaft) Menschlicher Keimling (wenige Millimeter): Walzenförmiges Gebilde von wenigen Millimetern Länge. 3 Keimblätter (Kb): äußeres – mittleres – inneres Keimblatt => Neuralplatte: ist ein Teil des äußeren Keimblattes. Die Neuralplatte ist eine Ansammlung von speziellen Zellen (aus denen bilden sich Nervengewebe). Ad Keimblätter: Entoderm (inneres Keimblatt) -> innere Körperoberfläche (Darmrohr) und Verdauungsdrüsen, die sich von ersterem ableiten. Mesoderm (mittleres Keimblatt) -> Muskulatur, Binde- und Kreislaufgewebe. Ektoderm (äußeres Keimblatt) -> Derivate der Haut: äußere Körperoberfläche und Nervensystem. 13 D:\75896361.doc Abbildung: Neuralrohrentwicklung Neuralplatte senkt sich zur Neuralrinne -> Verschluss -> und wird zum Neuralrohr (weiter: andere Form). Das Neuralrohr hat eine Längsausdehnung, dies hat der Keimling auch. Am Kopfende verbreitert sich das Neuralrohr -> Hirnbläschen -> Differenzierung -> weitere Hirnbläschen (=> stellen die Anteile von versch. Hirnteilen dar). Vorstufe eines Hirnteils -> Wachstums- und Faltungsprozesse. Durch unterschiedliche Geschwindigkeit kommt es dann zu einer Faltung. Übergreifend dazu ein Beispiel: Analogiebild: Das Beispiel von der Knackwurst -> Vorstellung, man schiebt einen Strohhalm unter die Haut der Kackwurst. Jetzt wird ein (Hasen)Luftballon am Ende des Strohhalms angebunden und aufgeblasen -> Entwicklung von Hirnteilen. Nicht alle Teile werden gleich groß (beim Luftballon), ein Teil wird größer, ein Teil wird zusammengefaltet. 2) Hirn – Überblick Encephalon (=griechisch)/ Cerebrum (=lat. das Gehirn): Die Begriffe werden so oder so verwendet. Anmerkung: Spricht man von Entzündungen, so wird am Ende immer ein –itis angehängt: z.B.: Encephalitis, Meningitis, Bronchitis,… Mit Verkleinerungssilbe: Cerebrellum = Kleinhirn Hirnteile a) Endhirn oder Telencephalon (= Fernhirn oder Endhirn): Blase -> bläst sich am meisten auf, ist am Ende befindlich. Vom Endhirn aus entwickelt sich das Großhirn (=paarig) > Großhirnanlage => 2 Großhirnhälften. b) Zwischenhirn/Diencephalon c) Mittelhirn/Mesencephalon d) Hinterhirn/Melencephalon (Kleinhirnanlage) e) Nachhirn/Myelenencephalon (verlängertes Rückenmark) Ventrikelentwicklung Abbildung: Hasenluftballon durchgeschnitten: Großhirn: Zweifache Zulegung VOREDENDE Hohlraum (System) Strohhalm HINTERENDE - enge Durchgänge -> siehe folgende Punkte: - Dieses Raumsystem innerhalb der Hirnanlage (Hohlraum oder Ventrikelsystem): hier gehört jedem dieser Hirnteile ein Stückchen dieses Hohlraumes. Zwischenhirn/: Seitenventrikel (links und rechts) => ursprünglich 1. + 2. Ventrikel. Hingegen linker und rechter Ventrikel + 3. Ventrikel: Schmaler Durchgang = „Fenster“ (= Foramen interventriculare = Fenster zwischen den Ventrikeln. 14 D:\75896361.doc - - Mittelhirn: Dünner, zündholzdünner Gang -> in den nächsten großen Hohlraum: dieser Gang zwischen 3. + 4. Ventrikel = „Wasserleitung“(aquaeductus cerebri). Hohlraumanteil des Hinterhirns = 4. Ventrikel. Weiter: 4. Ventrikel (s.o.) …weiter… dann „Strohhalm“: dieser hat auch einen Hohlraum …weiter…Rückenmark (auch mit Hohlraum: Zentralkanal = „centralis kanalis“) Ventrikelsystem (Buch Seite 9) Abbildung: hier ist ein Ventrikelsystem in Endzustand zu sehen und… - - …linker + rechter Ventrikel linker Seitenventrikel, dieser hat verschiedene Anteile: „Hinterhorn“ „Unterhorn“ Ad: C-Form „Vorderhorn“ „Pars centralis“ Foramen interventriculare 3. Ventrikel Aquaeductus cerebri 4. Ventrikel Grosshirn 1 Abbildung: siehe Buch Seite 9 Unterabschnitt des Hirns => „Lappen“ oder „Lobus“, hier ein Überblick rechte und linke Hälfte/Hemisphäre (ad Grosshirn!) Gehirnlappen (Lobus) Stirnlappen (lobus frontalis) Scheitellappen (Lobus parietalis) Hinterhauptslappen (Lobus occipitalis) Schläfenlappen (Lobus temporalis) Zwischen dem Temporallappen, dem Frontallappen und dem Parientallappen, diese Grenze ist gut erkennbar. Auch die Grenze zwischen dem Parientallappen und dem Frontallappen ist gut erkennbar. Grosshirn 2 a) Oberfläche: Windungen (Gyri) und Furchen (Sulci) (liegen zwischen den Windungen). Einer dieser Furchen ist gut erkennbar: „Sulcus cerebralis“. Die „fissura lateralis“ ist die „tiefere Grube“. Die Furchen haben bestimmte Bezeichnungen: Werden bezeichnet nach dem Lappen auf dem sie liegen (ob oben oder unten). b) Schichtstruktur: Cortex (= die Rinde)….grau (graue Substanz), die enthält Zellen Bahnen (Fortsätze der Nervenzellen)…weiße Substanz Subcorticale Ganglien…graue Substanz Ansammlung von Nervenzellen (= Ganglion) 15 D:\75896361.doc (Thalamus, Hypothalamus) Grosshirn 3 Abbildung: Grosshirnbahnen -> siehe Buch Kleinhirn (oder Cerebrellum)+ Rückenmark (=> Nervensystem = entspricht dem „Strohhalm“) Medulla spinalis = Marksflüssigkeit (Rückenmarksflüssigkeit) Columna spinalis = ? Zwischen dem Rückenmark und dem Hirn ist das verlängerte Mark (= medulla oblongata, gebräuchlicher Begriff) 1) Das Kleinhirn oder cerebrellum liegt unter dem Hinterhauptslappen und besitzt ebenfalls 3 Schichten. 2) Der Übergang vom Gehirn zum Rückenmark: verlängertes Mark oder Medulla oblongata (=> MRT-Bild) Die Hirnhäute (insgesamt gibt es 3 davon) Abbildung auf Seite 11 : Schnittbild zeigt als äußerstes den Knochen, dann die Hirnhäute und dann das Hirngewebe. - - Haare – Kopfhaut – Unterhauptgewebe (nicht so fettreich wie an anderen Stellen) – derbe Schicht (perios = äußere Beinhaut, hier sind viele kleine Blutgefäße. Beim Skalpieren wird der Knochen freigelegt, z.B. siehe Indianer => Verblutung) – innere Beinhaut. Knochenhaut (oder „Dura mater“, wörtlich übersetzt die „harte Mutter“) = aber auch die äußerste Hirnhaut – darunter ist ein Raum: „Subduralraum“ – dann die „Arachnoidea (wie Spinnengewebe) – in der / unten drinnen = „Subarachnoidealraum“ – unter dem: die „Pia mater“ (wörtlich übersetzt die „heilige Mutter“). Die „Pia mater“ folgt auch der Oberflächenstruktur der Windungen und Furchungen. Liquor - ist lat.: für Flüssigkeit: dieser Liquor ist in Hohlraum drinnen. „Cerebrospinalis“ => gehört dem Hirn und dem Rückenmark (ad „medulla spinalis“). Wird im Ventrikelsystem gebildet – im Plexus (= Venengeflecht) chorioideus (Venengeflecht im Seitenventrikel) – und aus Blutplasma produziert. Liquor fließt durch ganzes Ventrikelsystem, um… …Gehirn und Rückenmark im Subarachnoidealraum zu umspülen. Kommt aus dem Blutplasma und wird auch wieder zu Blutplasma (-> Rückresorption zum Blutplasma) Funktionen des Liquors - hat mechanische Schutzfunktion hat Stoffwechselfunktion (der Liquor hat diese Funktion fürs Gehirn) Wichtige Substanz, die er Gehirn bringt: Abwehrkörper => also immunologische Funktion 16 D:\75896361.doc - Diagnostizierbare Erkrankungen durch Punktion: mit einer Nadel, die innen Hohl ist für die Gewebsentnahme, geht man durch die Hautoberfläche. Im Liquor diagnostizierbar: Stoffwechselveränderungen Entzündungen Blutungen (z.B. Gefäßzerreißungen) Ad Liquorpunktion - ist ein Verfahren zur Gewinnung des Liquor für Untersuchungen. a) Lumbalpunktion (in der Lendengegend) = (Neurologisch) b) Suboccipitalpunktion (neurologisch) c) Ventrikelpunktion (Neurochirurg macht ein Loch durch den Knochen und holt sich aus dem Ventrikel direkt die Flüssigkeit). Ad Lumbalpunktion Hier gibt’s kein Rückenmark mehr an dieser Stelle. Das Rückenmark endet auf der Höhe der 12. Rippe. Wirbelsäule…-> im Kreuzbein. Rückenmarkshäute gehen bis zum Kreuzbein: Ist eine Zone, die ziemlich ungefährlich ist, weil hier kein Rückenmark mehr ist. Jedoch sind aber hier noch Nervenfasern, die zum Beispiel bei einer Epidorialanästhesie (bei Kaiserschnitt) betäubt und außer gefecht gesetzt werden. Nun zurück zur Lumbalpunktion: man fährt nun mit der Nadel an dieser Stelle durch -> nur wenig schmerzhaft, und hier wird dann der Liquor entnommen ( ist ungefährlich dieser Eingriff). 6. Vorlesung: 11.11.2005 1) Aspekte der Pathologie des Zentralnervensystems 2) Ethik in der Medizin 3) Hydrocephalos Internus 4) Rückenmark 5) Mikroskopische Struktur und Entwicklung des ZNS - 1) Aspekte der Pathologie des Zentralnervensystems (BS 12) Grundorientierung im Zusammenhang mit Pathologischen Missbildungen 1 In jedem dieser Entwicklungsschritte können Störungen auftreten. Strukturbildung kann beeinträchtigt werden. Besonders kritisch sind die ersten 3 Schwangerschaftsmonate, weil hier die Strukturbildung erfolgt. Porencephalie: Hier fehlt Hirngewebe => LOCH, hier ist also an einer bestimmten Stelle einfach ein Loch (Bsp.: „Frontalhirnsyndrom“) Anencephalie: oder halbseitige Anencephalie Eine halbseitige Anencephalie bedeutet z.B. dass auf einer Seite kein (Groß)-Hirn ist. Keine 1:1 Aussage über Funktion/Struktur möglich. Umkehrschluss auch nicht zulässig. Kompensatorische Funktionsänderungen sind möglich. Wenn jemand „so“ zur Welt kommt, hat dieser später kaum Beeinträchtigungen (Epileptische Anfälle sind möglich. Sprache und Intelligenz entwickeln sich aber völlig normal) Eine Pneumencephalographie oder „Luftfüllung“ des Gehirns, ist hier möglich. 17 D:\75896361.doc Komplettanencephalie: Hier fehlt die komplette Schädeldecke Ganz ohne Hirnentwicklung: nicht lebensfähig Ergänzung: - Mit einer Lumbalpunktion ist üblicherweise der uns geläufigere „Kreuzstich“ gemeint. - Bei einer Epidorialanästhesie werden Nervenfasern außer Gefecht gesetzt. Diese wird oft bei einem „Kaiserschnitt“ vorgenommen. Missbildungen 2 - - - Meningoencephalocelen: Das heißt, dass über dem Kleinhirn kein Schließprozess stattgefunden hat. Es kommt zu einer Auswölbung (wo „celen“ drin ist), zur Ausbildung eines Sacks, in dem Hirnhäute und Hirn drinnen sind. Die Füllung kann unterschiedlich sein. Dieser „Sack“ ist operativ entfernbar. Problem eventuell: Ist das entfernte Nervengewebe da drin funktionell relevant gewesen oder sind vielleicht gar Nervenbahnen beschädigt worden? Relevant problematisch wird es, wenn dabei eine Myelocele (mit Rückenmarksgewebe drinnen) oder wenn von den Nervenbahnen etwas weggeschnitten wurde. Ad Myelocele und Auswirkungen durch die OP: bei Entfernung der Rückenmarkssubstanz: diese hat Steuerung der Ausscheidungsorgane inne. Hier kann es in weiterer Folge dann zu gehäuften Infektionen der Blase kommen. Nervenbahnen (efferent): diese tragen wichtige Impulse. Folgen: Lähmung der unteren Extremitäten. Nervenbahnen (afferent): kann in weiterer Folge die Empfindungsfähigkeit, also Empfindungslosigkeit in einigen Körperteilen darunter führen. (z.B. „Vegetative Phasen“ – Regulation durch die Durchblutung.-> „Wundliegen“, vgl. mit der Situation bei Querschnittgelähmten Menschen) 2) Ethik in der Medizin Einstieg: Der australische Moralphilosoph Peter Singer (wir sprechen von der Zeit Ende 80er – Anfang 90er): „Muss dieses Kind am Leben bleiben“ (Bezug auf Ebene dieser Kinder mit Myelocele => Leben dieses Kindes nicht lebenswert, so Singer. Vgl. auch Singers Thesen: „Schwere Behinderungen (genannt werden geistige Behinderungen, Spina bifida und Hämophilie) sind mit Unglück und Leid verbunden: dies sowohl für die unmittelbar Betroffenen wie auch für ihre Angehörigen. Eltern soll es daher nicht verwehrt sein, eine behinderte Person zu ersetzen, d.h. durch Tötung quasi Platz zu schaffen für ein gesundes, glückliches und beglückendes Kind.“ Vgl. Peter Singer, Einführung in die Heil- und Integrative Pädagogik, Bettina Schech SS 05, 13): Bioethische Diskussion also auch hier! Ad: Meningoencephalocelen Spina bifida (d.h. das Wirbelbogen/Lenden nicht geschlossen sind, diese Stelle bleibt offen. 18 D:\75896361.doc Die „Spina bifida“ ist funktionell belanglos und muss nicht zwangsläufig zu einer Missbildung führen. „Agyrie“ -> keine Ausbildung von Hirnwindungen „Mikrogyrie“ -> besonders kleine Hirnwindungen „Corpus callosum-Agenesie“ = Nicht-Ausbildung. „Corpus-callosum“ = „Balken“ (jene Masse an den Hirnbahnen, die die Hirne mit den Hemisphären verbinden). Die funktionelle Relevanz hält sich in Grenzen (z.B. Teilleistungsschwächen möglich). Manchmal fehlt auch ein Teil des „Callosum“. 3) Hydrocephalos Internus (oder „Wasserkopf“ durch Liquoransammlung) hat nicht mit Hirnentwicklung zu tun. Es kommt hier zu einer Stauung des Liquor im Ventrikelsystem. Eine frühzeitige Behebung durch die so genannte „Shunt-Operation“ ermöglicht später eine weitgehend normale/optimale Entwicklung: „Shunt-Operation“ Einleitend: Bei einem Baby befindet sich zwischen den Knochen noch Bindegewebe (bis etwa zum 1. Lebensjahr). Bei einem Wasserkopf nun weitet sich die Hirnsubstanz aus und kann nicht „eingeengt“ werden. Bei Feststellung eines Wasserkopfes: „Shunt-Operation“: Hier wird ein künstlicher Umweg angelegt mit einem Röhrchen im Ventrikelsystem. Diese werden mit einem Schlauchsystem (Anm.: der Schlauch ist etwa einen „halbenkleinen-Finger-dick“. Der Schlauch, der unter der Haut befindlich ist, wächst auch nicht mit) verbunden. Schlauchsystem: hat ein Ventil -> für Steuerprozess: Ventil öffnet sich bei Druck durch den Liquor. Der Liquor wird dann ins Herz oder in die Bauchhöhle abgeleitet -> Resorption. Bei rechtzeitigem Eingriff durch diese Operation => völlig normale Entwicklung möglich. Risikofaktoren - Liquorstauung kann auch Entzündung des Gehirns vorangegangen sein, welches wiederum zu einer Schädigung von Gehirnsubstanz geführt haben kann. Komplikationen: Verstopfung des Ableitesystems Entzündungen Meningoencephalitis: Hirnhäute und Hirnsubstanz sind entzündet. Meningitis = Entzündung der Meningen Encephalitis = nur die Gehirnsubstanz ist entzündet. Encephalomyelitis: hier ist auch das Rückenmark entzündet. Läsionen Gemeint ist hier, dass das Hirngewebe zerstört wird. Hierfür gibt es verschiedene Ursachen und Zeitpunkte. 19 D:\75896361.doc Tabelle: Zeitpunkt/Ursachen Pränatal Trauma z.B. wenn Mutter stürzt Perinatal (= od. peritraumatisch) Geburtstrauma Postnatal Unfall Weitere Gegebenheiten: - Häufiges Schütteln des Babys kann Schädigungen des Gehirns zur Folge haben. - Alle Felder können in allen Phasen Ursachen sein. - - - - Drogengebrauch während der Schwangerschaft: Studie europaweit dazu gemacht: siehe „Berger-HP“: 270 Kinder wurden untersucht. Die Untersuchung stützt sich auf 95 dieser Kinder. Es hat sich eine Relevanz des „Zusatzkonsums“ ge zeigt. Ansonsten ist Entwicklungsrisiko minimal. Nikotin: schwer zu überprüfen, aber: insgesamt auf Wachstum relevant. Alkohol dagegen hat sehr relevante Auswirkung. Entzündung Virusinfekt der Mutter (Virus kann durch Plazentaschranke) -> Lebensgefährlich in den ersten 3 Monaten. Intoxikation/Vergiftungen Medikamente - - Sauerstoffmangel Plazentainsuffizienz (Mutterkuchen durch Plazentainfarkt..) Zu lange und stressige Geburt kann zu einem Sauerstoffmangel führen, das wiederum kann Hirnschädigungen zu Folge haben. Erstickungsunfall Am wichtigsten jedoch aber sind die psychosozialen Elemente, noch wichtiger als biologischen E. Auch hier hat der Zusatzkonsum eine tragende Rolle => Sprachentwick lung. ZNS-Pathologie - MR und CT Abbildung: „Atrophie“ (nach schwerer Verletzung des ZNS) 20 D:\75896361.doc Hydrocephalos Tumor Zurück zur Struktur Rückenmark = medulla spinalis oder Myelon = nicht überall gleich dick, d.h. von der jeweiligen –Steuerungsfunktion abhängig. Abbildung: Rumpf von hinten. Dann Sack von Rückenmarkshäuten (Kreuzstich unterhalb Rückenmark) MRT (d.h. ohne Röntgen) Rückenmark/HWS Anmerkung: „Foramen magnum“ = Das „große Fenster“ Die „Medulla oblongata“ = Das „verlängerte Rückenmark“ Bandscheiben Wirbelbogen 4) Rückenmark 2 (BS 14) Wir wollen uns nun mal die Struktur anschauen: Rückenmark = Säule - Vorderwurzel (efferent) -> Reize vom Rückenmark zu den Muskeln - Hinterwurzel (afferent) -> Reize zum Rückenmark von der Peripherie - Graue Substanz (ist nur drinnen) mit Nervenzellen. - Weiße Substanz = auf und absteigende Nervenbahnen (Zellfortsätze + Fasern) - Graue Substanz: Vorder- und Hinterhorn; besteht aus Zellen (umgibt d. Zentralkanal) - Vorder- und Hinterwurzel RM-Häute Ad „Medulla Oblongata“: reicht gerade ins „Foramen magnum“. - In der Medulla Oblongata sind wichtige Steuerzentren: wenn es zu einem Druck kommt, dann kann das Hirn nur auf das Foramen magnum ausweichen: Atemzentrum wird gequetscht, Bsp.: „Schädelhirntrauma“. - Bei akutem Druck = gefährlich 4) Mikroskopische Struktur + Entwicklung des ZNS (Ab S14) d.h. mit Zuhilfenahme des Mikroskops: Lichtmikroskop später Elektronenmikroskop Ad Lichtmikroskop: um Bausteine des Nervengewebes anzusehen, d.h. einzelne Bausteine (Zellen) und den Aufbau des Nervengewebes. 21 D:\75896361.doc Zellentwicklung differenzieren sich in Zellenstränge Matrixzelle (=Mutterzelle, entsteht Fötalentwicklung) Gliablasten Neuroblasten (Blasten => Zellen in Entwicklung) Gliazyten Neurozyten Anm.: Die „Zyten“ sind die „reifen“Zellen. Anm.: Nervengewebe besteht eben aus 2 versch. Zelltypen: Gliazellen und Nervenzellen! Ad Gliazellen/Funktionen Stoffwechselfunktionen (Kaliumionenpuffer -> K+- Puffer, Transmitterregulation, Beteiligung an Gedächtnisfunktionen) Narbenbildung (nach Zerstörung von Nervenzellen = „Glianarbe“) Ventrikelauskleidung (ev. auch Stützfunktion als „Baugerüst“ des Nervensystems) Myelinbildung (Schwann’sche Zellen) Gliazellen sind auch nach der Entwicklung vermehrungsfähig Nervenzellen/Funktionen Informationsverarbeitung Reizleitung Informationsübertragung Struktur dieser Zelle, um Aufgaben zu erfüllen. Bsp.: Reize weitergeben. 7. Vorlesung: Arbeit mit dem Lichtmikroskop -> Das Neuron Mikroskopische Entwicklungsphasen Gesetzmäßigkeiten der Organisationsphase Prinzipien der ZNS-Entwicklung Deprivationsforschung Ultrastruktur der Nervenzelle Arbeit mit dem Lichtmikroskop Das Neuron = kleinste Funktions- und Struktureinheit Neuronen stehen untereinander in Kontakt. Die Synapse ist: die kleinste Funktions- und Struktureinheit ein Zellkörper mit Fortsätzen, den: 22 D:\75896361.doc a) Dendriten (dendros = Ast; „stark verästet“): sind also kurz, stark verzweigt, es gibt mehrere von ihnen an jeder Zelle. b) Neuriten = Axon, lang, wenig verzweigt. Neuriten bilden die Verbindung der linken und rechten Hirnhälften. Sie können zudem sehr lang sein (von wenigen mm bis 1 Meter). Und sie können umhüllt sein. c) Synapsen: Zellfortsätze anderer Neuronen Mikroskopische Entwicklungsphasen diese erklären uns sehr viel, was mit der Entwicklung zu tun hat. - Induktionsphase: Anregung der Zellbildung der Matrixzelle. (Neuralplatte) Etwa zwischen der 3. – 6. Schwangerschaftswoche => Annäherungswerte. (Vermehrung) Proliferationsphase: Vermehrung der Zellen, ca. 2 – 6 LM (= sind inLunarmonat = weiblicher Zyklus) einander Migrationsphasen: Wanderung der Nervenzellen, ca. 3 – 6 LM verwoben Organisationsphase: Ausbildung eines Netzwerks interneuronaler Verbindung; etwa 6. LM bis etwa 7. Lebensjahr (diese Zeitspanne umfasst den Entwicklungsprozess von der Geburt und der frühkindlichen Entwicklungsperiode). Myelinisation: Ausbildung der Hüllen der Neuriten (Myelinscheiden) => mit dem Ziel: der Erhöhung der Leitungsgeschwindigkeit. Ca. 4. LM – Erwachsenenalter. Bis in die 70er hinein dachte man, dass dies erst die eigentliche Entwicklung sei (des ZNS). Organisationsphase Funktionelles Netzwerk: einzelne Neurone treten mit Neuriten und vielen Dendriten in Kontakt. Vermehrung und Längenwachstum der Zellfortsätze Dickenwachstum der Zellfortsätze Ausbildung der Dornfortsätze (dendritic spines): Die Dornfortsätze sind Träger der Kontaktstellen: Sie dienen der Ausbildung der Synapsen. Gesetzmäßigkeiten der Organisationsphase I Frage: Wenn Neuriten / Dendriten in die Länge wachsen: Wohin wachsen sie dann? Sind Botenstoffe. 1) a) b) c) Ausbildung der Verzweigungen + Verbindungen der Neurone: mehrere Schritte Zelle beginnt Fortsätze auszubilden Fortsätze treten in Kontakt mit anderen Neuronen (durch „Botenstoffe“) Ausbildung v. Fortsätzen + Kontakten erfolgt zuerst im Überschuss (Skriptum S 17) Gesetzmäßigkeiten der Organisationsphase II a) Inbetriebnahme => zur funktionellen Ordnung des Systems + Differenzierung b) Selektion: Rückbildung überschüssiger Verbindungen c) Beispiel: „Optisches System“ Allgemein: aus dem Skript: S 17 „Somit ist die endgültige Struktur des ZNS vor allem als Produkt der Tätigkeit des ZNS zu verstehen. Die im Genom (= Gesamtheit aller Gene im einfachen Chrosmosomensatz einer Zelle; aus: Strachota, „Heilpädagogik und Medizin“) vorhandene genetische Information würde nämlich quantitativ gar nicht ausreichen, die große Zahl interneuronaler Kontakte zu determinieren. Das Gehirn unterliegt somit dem Prozess der Selbstorganisation in der Entwicklung. Die Kenntnisse über diese 23 D:\75896361.doc Entwicklungsprozesse stammen aus der Deprivationsforschung (darüber noch im Verlauf dieser Vorlesung). Die Fragestellung dieser Forschung bezieht sich auf den Zusammenhang von Umwelteinfluss und Entwicklung des Individuums, bekannt als „Anlage-Umwelt-Problem“. Die Antwort lautet: Die Grundinformation ist natürlich genetisch bedingt, die Ausdifferenzierung aber nicht. Diese ist ein Produkt der Inbetriebnahme. Anlage und Umwelt ergibt somit das Produkt der Entwicklung. Prinzipien der ZNS-Entwicklung Die endgültige Struktur des Zentralnervensystems ist ein Produkt der Tätigkeit des ZNS = Prozess der Selbstorganisation (ohne, dass eine Information mitgebracht wird) Ab dem 6. LM kommt es zu einer Abnahme der Synapsen: gehen etwa 2 – 3 Zehnerpotenzen zurück => große Dynamik Die Richtung, in die sie wachsen, ist genetisch vorgegeben. Die Grundinformation ist genetisch bedingt (Anlage) Die Ausdifferenzierung ist ein Produkt der Inbetriebnahme: Aus Anlage und Umwelt ergibt sich somit das Produkt der Entwicklung. Deprivationsforschung „Verarmung“ oder „Beraubung“: z.B. „Der Abdeckung eines Auges beraubt“. Es gibt verschiedene Fragerichtungen der Deprivationsforschung: 1) Deprivation1 generell: ist ein Anregungsmangel (Reizabschirmung, Kontaktarmut, Verarmung, Beraubung) a) Soziale Deprivation: Deprivation auf der psychischen und sozialen Ebene. b) Sensomotorische Deprivation: Deprivation auf der biologischen Ebene (hier vorwiegend „Vergleichende Forschung an Tieren“) a) Soziale Deprivation Rene SPITZ (schweizer Kinderarzt und Psychoanalytiker): Beobachtete die Entwicklung von Kindern inhaftierter Mütter. Situation: kein Experiment: d.h. gegebene Prozesse werden beobachtet, es herrschen keine geschaffenen Bedingungen vor. 2 Gruppen: a) Gruppe 1: Kinder im Säuglingsheim, unter perfekten Hygienebedingungen b) Gruppe 2: Kinder wachsen bei Müttern in den Zellen auf. Keine optimale Hygienebedingungen. Ergebnis der Beobachtung: Die Kinder/Säuglinge, die bei ihren Müttern auf der Zellen blieben, durchliefen insgesamt eine bessere Entwicklung, z.B. wurden die Kinder weniger krank. Hingegen, die Kinder, die im Säuglingsheim blieben, wiesen immer wieder schwere Entwicklungsstörungen auf, wurden öfters krank und die Sterberate war auch höher (gegeben durch die erhöhte Deprivation). c) Sensomotorische Deprivation A.H. RIESEN: Optische Deprivation von Katzen 1 Deprivation (lat. deprimere herabdrücken, niederdrücken; engl. deprivation). 1) Entzug von oder Mangel an Liebe und Zuwendung. Der Begriff wird heute meist anstelle des Begriffs Hospitalismus verwendet. 2) Mangel an oder Entzug von anregungs- und abwechslungsreichen Umweltreizen. In beiden Begriffsverwendungen hängen die krank machenden und entwicklungshemmenden Symptome von der Art und Dauer der Deprivation ab (aus: Schaub & Zenke (Hrsg.)/ Pädagogisches Wörterbuch, S. 134) 24 D:\75896361.doc - Vernähung der Augenlider neugeborener Katzen (zu NS-Zeiten wurde dies auch mit Kindern gemacht) Öffnung der Lidnaht zu unterschiedlichem Intervall. Tötung der Tiere und Untersuchung der Gehirne (Sehrinde) Ergebnis der Beobachtung: bleibende strukturelle Veränderungen im Zentralnervensystem durch den Reizmangel. Bleibende strukturelle Veränderungen erst dann, wenn die Lidnaht zumindest 3 Monate gedauert hatte. Anmerkung: Ersten 3 Monate: „kritische Periode“ (=> „Gesetz der sensiblen Periode“, siehe die ersten 3 Schwangerschaftsmonate – wichtige Entwicklungsphase!) Das oben angeführte Gesetz, also das biologische Gesetz der „Kritischen Periode“: ist beim Menschen relativiert zu sehen, nicht allgemeingültig. Auch das „Prinzip der Frühförderung“ relativiert sich damit. Auch eine Spätförderung ist möglich. „Kritische Perioden“ gelten jeweils für bestimmte Funktionssysteme einer Gattung. Man muss die Systeme auch vergleichen, die sich ähnlich entwickeln! Zusammenfassung: Deprivation wirkt sich schädlich in und für die Entwicklung aus. - Deprivation in der Entwicklung des Kindes => durch „isolierende Bedingungen“ (vgl. JANTZEN) - Auswirkungen auf allen 3 Ebenen (biologische/psychische/soziale Ebene) - Konkrete Deprivationsfolgen sind von der Art und Weise der Deprivation und den - Kompensationsmöglichkeiten (von der sozialen Umwelt) abhängig. Ultrastruktur der Nervenzelle Elektronenmikroskopische Beobachtung (keine Lichtstrahlen, sondern Elektronenstrahlen!) Elektrische Linsen sind magnetische Spulen, die den Elektronenstrahl ablenken. Ein Blick nun auf das Innere der Nervenzelle Zellmembran bildet eine „Wand“ Zytoplasma: füllt das Zellinnere Zellorganellen: schwimmen im Zytoplasma, sind frei verteilt. - Die Zellmembran hat einen mehrschichtigen Aufbau, dieser wird realisiert durch: a) Proteine b) Phosphorlipide (= Fette) - Poren: haben auch mögliche Durchgänge - Der Zellkern 46 Chromosomen2 Nucleinsäuren3: Die Chromosomen sind Gebilde im Zellinneren, die man mit dem Mikroskop entdeckt hat – bereits Anfang des 20. Jahrhunderts hat man vermutet, dass die Chromosomen die Träger der Erbanlagen sind. Die Analyse der Chromosomen ergab dann, dass sie verschiedene Proteine und Nukleinsäuren enthalten. (Strachota /Heilpädagogik und Medizin, Foliensatz 8. VO) 3 1952 wurde bewiesen, dass Nukleinsäuren jener Stoff sind, in dem die Natur unser Erbe angelegt hat: jene Nukleinsäure, die die Natur als Erbanlage verwendet, heißt: Desoxyribonukleinsäure DNS – engl. DANN. Die DNA ist der Stoff, aus dem die Gene sind. (ebd., 8. VO) 2 25 D:\75896361.doc a) DNS = Desoxyribonukleinsäure (man hat Sauerstoffanteil weggenommen hier) b) RNS = Ribonukleinsäure (mehr Sauerstoff) c) Die Reihenfolge der Nukleinsäuren: „genetischer Code“ => Entschlüsselung4: man kennt nur die Nukleinsäuren und deren Abfolge, daher: keine funktionelle Entschlüsselung. Anmerkung: „genetic-engeneering“ = Phantasie. d) Proteine: sind Eiweißkörper und aus Aminosäurenketten aufgebaut Zusammengefasst: - All diese oben aufgezählten Bausteine des Zellkerns bilden Ketten, die schraubenförmig ineinander verdreht sind. - Funktion: Zentrale der genetischen Information + Steuerung der Proteinbiosynthese (die vom Zellkern ausgeht). - - - Zellorganellen Ribosomen – liegen an - (Ort, an dem die Proteinbiosynthese passiert). Anmerkung: Die Messengerribonukleinsäure nimmt eine Kopie und wandert zu den Ribosomen ab und legt sich dort an. (A-) Granuläres Reticulum: mit oder (A-)- ohne Ribosomen an der Oberfläche Mikrotubuli: dienen dem Transport durch die Zelle (tubulus = Röhre) Vesikel: sind Bläschen, schwimmen durch Zytoplasma durch. Die Vesikel sind das Transportsystem der Transmitter (siehe im weiteren Verlauf). Die Transmitter werden produziert, und sie sind Trägerstoff von einem zum nächsten Neuron (=> Reizübertragung) m-RNS = Messenger- oder „Boten-RNS“ Mitochondrien: sind das Kraftwerk der Zelle -> siehe „Zitronensäurezyklus“, weil ziehen aus dem Zyklus Energie ab und speichern es im „ATP“ (= Adenostriphosphat) Mitochondrien sind frei schwimmend im Zytoplasma verteilt Zentrum des Zellstoffwechsels (vorwiegend Zucker) Liefern die Energie in Form von „ATP“ (s.o.) Transmitter a) Überträgersubstanz an Synapsen b) Acetylcholin im sensomotorischen Nervensystem (Nerven -> Muskel) in den erregenden Synapsen c) Noradrenalin im autonomen Nervensystem d) Serotonin (vgl. Kasper -> „Depression“) e) Histamin f) Gaba (Gamma-Amino-Buttersäure) das a im Gaba bedeutet “acid” (=> in hemmenden Synapsen als Trägersubstanz verwendet). Funktionen der Nervenzelle (ab S 21) Reizleitung nicht zu verwechseln mit dem Die „Human Genome Organisation“, kurz „HUGO“ (weltweit öffentliches Humangenomprojekt), und das vom Amerikaner Craig Venter gegründete Privatunternehmen „Celera Genomics“, lieferten sich jahrelang einen „Wettstreit“, bei dem es darum ging, wer bis zum Jahre 2005 mit einer höheren Genauigkeit die Entschlüsselung der DNA-Sequenz schafft. Anmerkung: Keinem der beiden Unternehmen gelang eine 100%ige Entschlüsselung. 4 26 D:\75896361.doc Reizübertragung Reizverarbeitung Prozess im Innern der Nervenzelle. Bsp.: Ultrastruktur der Zelle 8. Vorlesung: 25.11.2005 Reizleitung/Membranverhältnisse Myelinisation Funktionen der Nervenzelle Reizübertragung Reizverarbeitung Reizleitung – Membranverhältnisse Anmerkung: Membran: hat mehrere Schichten. Die Membran ist zentraler Punkt. Abbildung: Membran mit ihren Schichten. In der Wand => sind Durchgänge => Stofftransport. Elektrisch-geladene Teilchen. Aus dem Skriptum: S 21 Die Zellmembran trennt den Innenraum der Zelle vom Außenmilieu. In beiden Räumen finden sich unterschiedliche Ionenkonzentrationen: Im Außenmilieu überwiegen die NatriumIonen (Na+), im Innenraum überwiegen die Kalium-Ionen (K+). Darüber hinaus gibt es verschiedenartige negativ geladene Ionen. Die Summe dieser Ladungen ergibt im Ruhezustand der Zelle an der Außenseite der Membran eine positive Ladung, an der Innenseite der Membran eine negative Ladung. Verbindet man diese beiden Bereiche über ein Spannungsmessgerät, so zeigt dieses eine Spannung von -70 mVolt (Ruhepotential) an. Nervensignal (Analogiemodell) – „Depolarisation“(=> bestimmte Spannungsverhältnisse) Ein Modell geht hiervon aus: Anmerkung: Polarisation = Elektrophysiologischer Begriff Depolarisation Kanal öffnet sich und durch diesen können Na+ in das Innere der Nervenzelle strömen. Das Konzentrationsgefälle sinkt, sobald sich der Kanals öffnet, ab. - - 1. Schritt: Reiz (mechanisch, chemisch) auf die Zellmembran -> Na+ strömen ins Innere. 2. Schritt: Nervensignal 2 Repolarisation: Ursprungszustand wird wieder hergestellt. Na+ müssen aktiv aus dem Zellinneren hinaus befördert werden – mithilfe einer „Natriumpumpe“ Ursprüngliche Konzentrations- und Spannungsverhältnisse werden wiederhergestellt (Ruhepotential) 2 verschiedene Betrachtungsweisen: sind nicht identisch. 1) Elektrophysiologische Betrachtungsweise (Spannungsverhältnisse, Ruhepotential, Spannungsänderung) 2) Chemische Betrachtungsweise (chemische Vorgänge, Natrium-Kalium-Konzentration) 27 D:\75896361.doc Kontinuierliche Reizleitung Dieser Vorgang breitet sich über die gesamte Zellmembran aus (= Hülle der Zelle) => Weiterleitung über die gesamte Zelle. - == Kontinuierliche Reizleitung (ab S 21) - Phase der Myelinisation – aus elektronenmikroskopischer Sicht a) b) c) 4. Lebensmonat bis Erwachsenenalter Die Schwann’sche Zelle bildet die Myelinscheide. Abbildung: S 23 im Skript: darauf zu sehen: Zellkörper Axon=Neurit Gliazelle (= Schwann’sche Zelle) wickelt sich um Axom herum und hinterlässt Teil der Zelle selbst (Zellsubstanz). Die Gliazelle hat eine bestimmte Größe. d) An einer bestimmten Stelle liegt ein Axom frei (Anmerkung: zwischen den Schwann’schen Zellen befinden sich „Schnürringe“ (oder „Ranvierringe“, nach Ranvier benannt) e) Die Hülle ist keine kontinuierliche Hülle (Anm.: die Hülle, die durch die Umwicklung ist) Myelinisiertes Axiom oder Saltatorische Reizleitung (s. Buch) Beschleunigung der Reizleitung => Effekt der Saltatorischen Reizleitung Die Stellen der „Einschnitte“ nennt man Knoten (v. Ranvier) Ranvier’scher Schnürring: befindet sich zwischen den „Schwann’schen Zellen“ Stromfluss von Schnürring zu Schnürring = „Sprunghaft(e)“/ Saltatorische Reizleitung Peripherer Nerv (Abbildung S 23) 2 unterschiedliche Vergrößerungen: Querschnitt durch peripheren Nerven Es gibt Punkte da drinnen – das sind die Axone. Die Weiße Hülle = „Bindegewebshülle“. Axone werden durch „Endoneurium“ zu Bündeln zusammengefasst und vom „Perineurium“ umgeben = Peripherer Nerv Afferente und Efferente Axone -> In den Bündeln liegen Afferente und Efferente Axone. Funktionen der Nervenzelle (S 24) Reizübertragung auf das nächste Neuron = interneuronal (d.h. zwischen zwei Neuronen) (an ein)Zielorgane (auf das Reiz weitergegeben werden muss) (Muskel, Drüsenzelle, …) Interneuronale Reizübertragung Kontaktstelle = Synapse (es gibt unterschiedliche Synapsen): erregende oder hemmende Synapsen. Erregende / hemmende Synapsen, wirken eben erregend oder hemmend auf das Neuron. Erregend würde bedeuten, dass sie nahe an den Dendriten sind. Hemmend würde heißen, dass sie nahe am Zellkörper sind. 28 D:\75896361.doc Wie sieht nun eine Synapse aus? Hier eine Darstellung Impulsübertragung: Chemische Synapse (s. Buch) Aufgabe der Transmittersubstanz => diesen Spalt zu überwinden: Impulsübertragung Transmitterbildung im Neuron Transport zur Synapse (Mikrotubuli, Vesikel) Anlagerung an Präsynaptische Membran Änderung der Gitterstruktur (an Synapse) Transmittersubstanz wird an Synapsenspalt ausgeschüttet. Synapse arbeitet immer nach „Alles-oder-nichts-Prinzip“ Dann: Inaktivierung => der Transmittersubstanz (=> chemischer Vorgang) am Beispiel des Acetylcholin: dies ist ein Essigsäurerest, gekoppelt an Aminosäure. Bei der Spaltung wirkt der Transmitter nicht mehr (=> Acetylcholinestherase – wird dann aufgespalten) Reizübertragung auf Zielorgan Anmerkung: ad verschieden starke Impulse (Impulsintensität) => Zahl der aktivierten Synapsen => Regulator der Impulsintensität. Reizübertragung auf das Zielorgan Muskel = Wie ist der Kontakt zwischen der Nervenfaser und der Muskelfaser: Blick auf Myofibrillen (Aktion: „Zusammenziehen“ oder „Auseinanderziehen“ => Muskelkontraktion): sind aufgebaut, dass verschiedene Eiweißstrukturen ineinander verschoben sind => Verkürzung / Kontrahierung des Muskels. Da muss aber vorher ein Reiz darauf wirken. 29 D:\75896361.doc Endstruktur heißt: „motorische Endplatte“ => durch die Reizleitung wird Acetylcholin in den Spalt zwischen Nervengewebe und Muskelgewebe ausgeschüttet und genauso abgebaut. Kontaktstelle zwischen Muskel = „motorische Endplatte“ Transmitter Acetylcholin Störung des Transmitterabbaus: Mangel an Acetylcholin-Esterase => Mylastenia gravis. Hier noch eine Ergänzung aus dem Heft! Reizübertragung passiert: aber kein 2.Mal, weil keine Inaktivierung. Anmerkung: Psychopharmaka nehmen Einfluss auf Serotonin-Aufbau/Produktion und Abbau. Funktionen der Nervenzelle – elektronenmikroskopisch betrachtet - - Reizverarbeitung: darüber wissen wir nur sehr wenig. Abbildung: Zeigt eine Zelle von außen (S 26): „Was befindet sich da an der Zelloberfläche?“ = Synapsen – an allen Fortsätzen, d.h. Zelle an gesamter Oberfläche Reize (durch hemmende oder erregende Synapsen) erhält => aus unterschiedlichen Zonen des Nervensystems. Viele Impulse auf Nervenzelle => diese muss „Reizhagel“ verarbeiten. Zelloberfläche: Zahlreiche hemmende und erregende Synapsen (nach Berger) Zellinneres: differenzierte chemische Prozesse Axon = „Empfänger“ Integrative Prozesse: n. Berger-Skript (26): Ein Neuron enthält also viele Informationen von anderen Neuronen. An verschiedenen Orten und Zeiten treffen unterschiedliche Reize ein (= räumlich-zeitlichesMuster). Das Neuron muss eine Integrationsleistung vollbringen, d.h. die verschiedenen Reize summieren; denn als Antwort geht nur eine Information über das Axon an das nächste Neuron. Dort treffen erneut viele verschiedene Informationen von verschiedenen anderen Neuronen ein u.s.w.. Schon auf Einzelzellniveau ereignen sich also hochkomplexe Intgrationsvorgänge. - Auf 1 Kubikmillimeter kommen 1 Million Synapsen! „Funktionelles System“: v. ANOCHIN in den 30ern entwickelt bezüglich Prozesse: auf Ebene der einzelnen Zelle, diese ist wieder Teil des Neuronalen Netzwerks => Subsystem. Funktion des Zentralnervensystems - Abriss der Phylogenese 1 (= stammesgeschichtliche Entwicklung) 30 D:\75896361.doc Hierbei ein Schritt zurück in die Entwicklung, d.h. ein paar Millionen Jährchen => „Million years before“: Darstellung: Anhang zu dieser Vorlesung: aus Birbaumer/Schmidt: „Biologische Psychologie“, 5.Auflage Abbildung 1: Kolokalisation eines klassischen Transmitters (Azetylcholin, ACH, schwarze Vesikel), mit einem Neuropeptid (VIP, vasoactive intestinal peptide, rote Vesikel) in einem Neuron des autonomen Nervensystems. 3 Abbildung 2: Bahnung im Nervensystem 31 D:\75896361.doc 4 Abbildung 3: Struktur einer Zelle und ihrer wichtigen Bestandteile, dargestellt an einer "idealisierten Modellzelle" bei einer etwa 24 000 fachen Vergrößerung. 5 Abbildung 4: Adenosintriphosphat 32 D:\75896361.doc 6 Abbildung 5: siehe Text darunter! 33 D:\75896361.doc 7 9. Vorlesung: 02.12.2005 Blick in die Phylogenese: Stammesgeschichtliche Entwicklung Tier-Mensch-Übergang 1 + 2 Phylogenese des Gehirns 1 + 2 Ontogenese des Gehirns ZNS – Funktionstheorien Exkurs „Funktionelles System“ Blick in die Phylogenese / Stammesgeschichtliche Entwicklung Ergänzung: Die Phylogenese (griechisch φυλογένεση, ein Kompositum aus φύλο, neugriechische Aussprache: fílo - der Stamm, das Geschlecht und γεννήση, neugriechische Aussprache: jénnissi - die Geburt, Entstehung) ist die Stammesentwicklung der Lebewesen (biologische Evolution) im Verlauf der Erdgeschichte. Der Begriff ist nicht nur auf die Evolution von Tierstämmen begrenzt sondern schließt die Entwicklung von Taxa auf allen Ebenen der Systematik ein. Er wird auch benutzt, um die Evolution einzelner Merkmale im Verlauf der Entwicklungsgeschichte zu charakterisieren. Die Erforschung der Phylogenese erfolgt insbesondere durch * Auswertung von morphologischen und anatomischen Merkmalen von Fossilien, * Vergleich der morphologischen, anatomischen und physiologischen Merkmale rezenter (jetztzeitiger) Lebewesen, * Vergleich der Ontogenese vorwiegend rezenter Lebewesen, 34 D:\75896361.doc * Analyse der DNA, z.B. durch Sequenzanalyse. Aus diesen Daten kann dann ein phylogenetischer Baum erstellt werden, der die vermuteten Verwandtschaftsverhältnisse darstellt. Ein wissenschaftstheoretisches Problem der Phylogeneseforschung ist, dass die der Phylogenese zugrundeliegenden Evolutionsprozesse in der Regel nicht direkt beobachtet oder experimentell nachvollzogen werden können. Daher müssen Belege aus verschiedenen Bereichen herangezogen werden, um einigermaßen stimmige Stammbäume rekonstruieren zu können. So kommt es häufiger zu unterschiedlichen Auffassungen, wie beispielsweise die Diskussion um die Einteilung verschiedener protostomer Tierstämme in Häutungstiere (vorwiegend genetisch begründet) oder Articulata (vorwiegend morphologisch begründet) zeigt. Bei der Bewertung von Merkmalen ist es oft wichtig, Homologien von Analogien zu unterscheiden. a) Homologien, z.B. homologe Organe oder homologe Verhaltensweisen zeigen einen gleichen Grundbauplan oder eine gleiche Grundstruktur, die entsprechend den ökologischen Erfordernissen variiert ist. Homologe Organe können sehr unterschiedliche Funktionen erfüllen und dementsprechend äußerlich sehr unterschiedlich aussehen. Ein typisches Beispiel sind die Vordergliedmaßen von Wirbeltieren. Teilweise sind sie als Laufbeine ausgebildet, sie können jedoch auch als Flügel (Vögel, Flugsaurier, Fledertiere), Flossen (Fische, Pinguine, Ichthyosaurier, Wale), Greifwerkzeuge (Mensch, Affen und manche Saurier), Grabwerkzeuge (Maulwürfe, Nacktmullen, Beutelmullen) gebaut sein. Das Knochengerüst ist jedoch grundsätzlich gleich; dieses "so-und-nicht-anders-Sein" der gleichartigen "Bauweise" kann nur phylogenetisch interprtiert und erklärt werden. Homologien weisen auf eine phylogenetische Verwandtschaft hin und stellen wesentliche Belege für die Konstruktion von Stammbäumen dar. Homologien lassen sich im biologischen Kontext weiter unterscheiden in Orthologien (Abstammung vom gleichen Vorfahren) und Paralogien (Genduplikationen innerhalb der Art). b) Analogien, z.B. analoge Organe zeigen - zum Teil verblüffende - äußerliche Ähnlichkeiten und dienen der gleichen Funktion. Sie sind aber unabhängig voneinander entstanden durch konvergente Entwicklung. So sehen die Linsenaugen von Tintenfischen und Wirbeltieren äußerlich gleich aus und dienen der gleichen Funktion. Erst bei genauer mikroskopischer Analyse stellt man fest, dass sie einen unterschiedlichen Feinbau haben. Die Untersuchung der Ontogenese zeigt, dass sie aus unterschiedlichen Keimblättern entstehen. Analogien sind kein Beweis für nahe phylogenetische Verwandtschaft. Vielmehr legen sie im Regelfall eine getrennte Entwicklung nahe.8 Phylogenetischer Baum 35 D:\75896361.doc aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie Wechseln zu: Navigation, Suche Phylogenetischer Baum basierend auf rRNA Genen Ein phylogenetischer Baum ist ein Baum, der die evolutionären Beziehungen zwischen verschiedenen Arten oder anderen Einheiten, von denen man vermutet, dass sie einen gemeinsamen Vorfahren besitzen, darstellt. Damit ist ein phylogenetischer Baum eine Form des Kladogramms. In einem phylogenetischen Baum repräsentiert jeder Knoten mit Vorfahren den nächsten gemeinsamen Verwandten dieser Vorfahren. Die Kantenlänge entspricht meist der geschätzten Zeit, in der sich die Arten separiert haben, oder der Anzahl der Mutationen, die während dieser Entwicklung passierten. Jeder Knoten in einem phylogenetischen Baum wird als taxonomische Einheit bezeichnet, wobei man innere Knoten oft als hypothetische taxonomische Einheiten bezeichnet, wenn die entsprechenden Arten oder Einheiten nicht beobachtet werden können. Datenquellen und Interpretation Phylogenetische Bäume werden heute meist anhand von sequenzierten Genen der untersuchten Spezies aufgebaut. Dabei berechnet man ein Sequenzalignment des gleichen Gens (oder evtl. der gleichen Gene) dieser Arten, und verwendet die im Alignment erscheinenden Ähnlichkeiten und Unterschiede, um den Baum aufzubauen. Arten, deren Sequenzen ähnlich sind, liegen im Baum dann wahrscheinlich näher beieinander als solche mit stark unterschiedlichen Sequenzen. Da die Komplexität der Berechnung solcher Bäume jedoch mit der Anzahl der Sequenzen exponentiell ansteigt, verwendet man Heuristiken, um die Bäume zu generieren. Ziel der Erstellung phylogenetischer Bäume ist es, die Evolution möglichst detailliert zu erklären. Allerdings weiß man heute, dass die Gene sich nicht gleichmäßig entwickelt haben. Einige Gene, die heute im Menschen vorkommen, haben beispielsweise nur gemeinsame Vorfahren mit dem Schimpansen, andere kommen in allen Säugetieren vor, etc. Deshalb können bei der phylogenetischen Analyse verschiedener Gene der gleichen Spezies unterschiedliche phylogenetische Bäume entstehen, die für sich jedoch alle korrekt sind. Um die Entstehungspunkte und Verzweigungen bei der Evolution der einzelnen Arten festzustellen, müssen deshalb verschiedene Genregionen untersucht werden. Weiterhin sollten 36 D:\75896361.doc Ergebnisse aus der klassischen Phylogenie sowie morphologische Merkmale zur Interpretation hinzugezogen werden. Gewurzelte und ungewurzelte Bäume Ein gewurzelter phylogenetischer Baum ist ein gerichteter Baum mit einem einzelnen Knoten, der dem (meist rechnerisch ermittelten) nächsten gemeinsamen Vorfahren aller Einheiten im Baum entspricht. Ein ungewurzelter Baum dagegen besitzt keinen ausgezeichneten nächsten gemeinsamen Vorfahren, sondern soll lediglich die Verwandtschaftsnähe oder -ferne der einzelnen Arten darstellen. Näheres zu gewurzelten und ungewurzelten Bäumen ist im Artikel Baum (Graphentheorie) nachzulesen. Unterschiede zwischen Gen- und Speziesbäumen Verschiedene Formen der Gen/Speziesentwicklung: Üblicherweise wird von dem ersten Fall ausgegangen: Speziation geht mit der Aufspaltung der Genentwicklung einher. Eine Rekonstruktion des Artenbaumes wird erschwert durch die drei anderen Fälle: 1.) das Gen wird nur von einer der neuen Spezies übernommen (Genverlust) 2.) das Gen wird dupliziert, was bei einer anschliessenden Speziation (nicht gezeigt) zu zweideutigen Vergleichsmöglichkeiten führt 3.) es findet horizontaler Gentransfer zwischen zwei unterschiedlichen Arten statt, die dadurch bei der Baumrekonstruktion fälschlicherweise zusammengerückt werden Siehe dazu u.a.: [1] und [2], Homologe Gene, Orthologe Gene, Paraloge Gene, sowie den Absatz Kritik. 37 D:\75896361.doc 1.) Per Definition können phylogenetische Bäume Hybridisierung und lateralen Gentransfer, die ebenfalls wichtige Methoden der Genübertragung sind, nicht darstellen. Deshalb vertreten einige Forscher die Ansicht, dass man nicht einen Baum sondern vielmehr ein phylogenetisches Netz aufbauen sollte (das sich im Sinne der Graphentheorie von einem Baum dadurch unterschiedet, dass es "Querverbindungen" zwischen sonst nicht direkt verwandten Arten zulässt). 2.) Bäume, die ausgestorbene Arten nicht enthalten, müssen mit Vorsicht interpretiert werden (siehe auch obige Bemerkung zur Interpretation). 9 Abriss der Phylogenese 1 Abschnitt Menschwerdung: vor 4 Millionen Jahren unserer Zeitrechnung Australopitecus: gibt es nicht mehr; hatte 1 Million Jahre neben der Gattung Homo gelebt. a) In den 70ern gab es hierzu einen Skelettfund – „Lucy“ b) Diese lebt ca. vor 3 Millionen Jahren c) Die Australopitecinen waren die ersten Werkzeughersteller (nicht Verwender!!) d) Ihr Gehirnvolumen betrug etwa 500cm³ Homo a) lebte ca. zur gleichen Zeit, in b) Ostafrika: aus dem Skript S 27: von dort erfolgte die Ausbreitung nach Europa (2 Mio. Jahre alte Funde im „Massif Central“ in Frankreich), weiter c) nach Asien (vor ca. 2,7 Mio. Jahren), und nach d) Amerika (vor ca. 30 000 Jahren Von diesem Zeitpunkt weg entwickelte sich – im Wechselspiel mit den umgebenden Lebensbedingungen über viele, viele Generationen hinweg – das Gehirn zu seiner heutigen Größe und Gestalt. Phylogenese 2 Entwicklung des aufrechten Ganges Freiwerden der oberen Extremitäten Voraussetzung für die Werkzeugproduktion Diese Entwicklung beruht auf einer Klimaveränderung in Ost-Afrika, die zur partiellen Umwandlung einer Wald- in eine Steppenlandschaft führte. Filmsequenz dazu: Nachstellung zu „Lucy“ Tier-Mensch-Übergang 1 Auch hier eine Sequenz dazu: Anmerkungen: Aufrechter Gang Veränderungen der anatomischen Bedingungen: Atmungsbereich Funktionelle und strukturelle Veränderungen Tier-Mensch-Übergang 2 Sequenz hierzu: Werkzeugherstellung 38 D:\75896361.doc Werkzeug vorfinden und Werkzeugbenutzung / Werkzeugherstellung – Übergang („Was werde ich brauchen, um dies oder das herzustellen“? „Bonobos“: Zwergschimpansen -> bei denen wurde diese Funktion beobachtet und studiert. Ökologische Bedingungen für die Freiwerdung der oberen Extremitäten Hintergrund: Umweltkatastrophe in Ost-Afrika -> Eine Erdkrustenverschiebung Tektonische Verschiebung: Ostafrikanischer Grabenbruch, heute „Olduvai-Schlucht“. Es kam zu einer Teilung in 2 Landschaftsstrukturen (Wald / Steppenlandschaft dort, wo der Bruch entstand) Lebensbedingungen änderten sich dadurch Phylogenese 3 Lebensbedingungen veränderten sich also Die Steppe verlangte einen „aufrechten Gang“, um den „Überblick“ nicht zu verlieren. Andere Kompetenzen und Verhaltensweisen waren nun nötig. Das Freiwerden der oberen Extremitäten war notwendig für andere (neue) Funktionen Kletternde Baumbewohner entwickelten sich über viele Generationen zu aufrecht gehenden Bodenbewohnern mit komplexen manipulativen Fähigkeiten. Phylogenese des Gehirns 1 : Quantitative Zunahme aus dem Skript S 27 u.: Diese (oben angeführte) Entwicklung steht in unmittelbarer Wechselbeziehung zur Gehirnentwicklung, die heute recht gut durch Schädelfunde dokumentiert ist. Unser Gehirn ist ein Produkt der Phylogenese und entstand in der Auseinandersetzung vieler Generationen von Individuen mit ihrer Umwelt. „Die Hand hat das Gehirn erschaffen“ (F. ENGELS) Volumsvermehrung Homo habilis : 800 cm³ Homo erectus : 1000 cm³ Aus dem Skript S 28: Die quantitative Veränderung bestand: in der Vergrößerung des Gesamtvolumens, die vor allem zugunsten bestimmter Hirnanteile erfolgte: a) Vergrößerung des Okzipitallappens: visuelle Erfahrung b) Vergrößerung des Frontallappens: Willkürbewegung, Handlungsplanung c) Vergrößerung des Temporallappens: Tondifferenzierung (Sprache) Phylogenese des Gehirns 2: Qualitative Zunahme - Zelldifferenzierung, Verbindungen Veränderungen insbesondere in diesen Regionen: insbesondere Zunahme der intracorticalen (Verbindungen zwischen den Hirnrinden)Verbindungen.. Ergänzung: 5 5 Evolution und Funktion des Gehirns. Es ist natürlich unbestritten, dass die Beziehung zwischen Hirn- und Körpergewicht beim Homo sapiens ein ungleich günstigeres Verhältnis als bei den übrigen Vertebraten erreicht (s. Box 20-2 -> siehe Anhang zu dieser Vorlesung). Die Evolutionsbiologie führt die starke Enzephalisation auf die Interaktion zwischen Jäger und Beute zurück: unter dem Selektionsdruck entwickeln fleischfressende Lebewesen erfolgreiche Strategien, größere Mengen energiereicher Nahrung zu finden. Mit zeitlich und örtlich zunehmend schwierigerer Lokalisation der Beute 39 D:\75896361.doc Ontogenese des Gehirns - Prozess der Selbstorganisation: aus dem Skript S 28: Auch für die Ontogenese gilt: Das Gehirn entwickelt sich selbst in der Wechselbeziehung des Individuums zur Umwelt („Aneignungsprozess“). Struktur und Funktion entstehen durch einen Entwicklungsprozess, der durch die Tätigkeit bestimmt wird (vgl. Organisationsphase) => Prozess der Selbstorganisation. Menschliches Gehirn – allgemeine Charakteristika Großhirnrinde als höchste Regulationsebene Tertiäre Rindenfelder: mehr als 50% der Hirnrinde Fähigkeit der Hirnrinde, in der Ontogenese funktionelle Hirnorgane als Produkt des gesellschaftlichen Lebens zu bilden (v. Leontjew) ZNS-Funktionstheorien Abbildung: Gehirnkarte mit … … einzelnen Gebieten des Gehirns (v. Brodmann -> Brodmannareale: Wichtig: weil er auch die Funktionen des Gehirns zugeordnet hat) - 18.Jahrhundert: „Lokalisationstheorie“ -> Es gibt bestimmte Zonen des Gehirns, die für bestimmte Funktionen zuständig sind. Im selben Jahrhundert: „Holistische Theorie“ -> Man braucht ja für jede Funktion das Ganze Gehirn! Heutige Kenntnisse: „Theorie der dynamischen Lokalisation“ -> Komplexe Funktionen beruhen auf Zusammenwirken von Arealen (Gehirnareale) => siehe „Funktionelles Organ“ von Leontjew (war ein Kollege von Lurija). Die zerebrale Funktion / Definition von Lurija Was ist eine Gehirnfunktion ? - Lurija: 6 a) Aufgabe: Anpassung des Organismus b) Er weist darauf hin, dass das Gehirn alleine keinen Sinn macht, dass dies alleine nichts hergibt. Denn: Das Hirn ist ein Teil des Organismus und dieser wiederum bezieht sich auf die Umwelt => Umweltorientierung. c) Weiters müssen mehrere Areale zusammenwirken und die einzelnen Elemente sind austauschbar. entwickeln sich die Sinnessysteme und ihre neuronalen Analysatoren zu neuer Größe (vor allem Sensomotorik der Hände). Die Entwicklung von Sprache hat möglicherweise mit dem hohen Enzephalisationsfaktor wenig zu tun, da Sprachentwicklung wahrscheinlich spät in der Entwicklung des Homo sapiens auftrat (vor ca. 80 bis 40 000 Jahren wird häufig geschätzt). Die vergleichende Untersuchung von Lern- und Denkprozessen weist darauf hin, dass die überlegenen Denk- und Lernleistungen des Menschen auf die quantitative Zunahme von informationsverarbeitenden Einheiten (Neuronenverbänden) und nicht auf qualitative Neuentwicklungen (z.B. Sprachneurone) rückführbar sind. (Birbaumer/Schmidt: „Biologische Psychologie“, 5.Auflage, S 458 f.) 6 Definition: Die Zerebrale Funktion ist – selbst komplex strukturiert – Teil eines Funktionellen Systems, das eine bestimmte Anpassung des Organismus bezüglich einer biologischen oder psychischen Aufgabe realisiert; es besteht aus einem hochdifferenzierten Komplex austauschbarer Elemente (LURIJA) 40 D:\75896361.doc - Motorischer Anteil: Beispiele a) Wenn der Organismus sich auf die Umwelt bezieht, dann spielt der motorische Anteil eine sehr wichtige Rolle. Der motorische Anteil ist ein ganz zentraler Punkt in jeder Funktion des Gehirns (ontogenetisch). b) Entstehung des Mengenbegriffs: durch das konkrete Hantieren von Kindern mit Mengen. c) Tonhöhenwahrnehmung (hat mit Bewegung zu tun) -> Funktion des Gehörorgans bei Tonhöhendifferenzierung -> „inneres Mitsingen“ (Einstellung des Stimmapparates auf die gehörte Tonhöhe, Aktivierung der Stimmmuskulatur) d) Aktivierung der Muskeln des Zusehers bei sportlicher Aktivität (dies macht man sich im Profisport vor allem beim Sporttraining zugute) e) Mitartikulieren beim Diktatschreiben (besonders bei schwierigen Wörtern) -> Beispiel dazu im Buch und als Darstellung auch im Anhang! Kette konsekutiver Elementarprozesse Struktur: Akustischer Analysator Optischer Analysator Motorischer Analysator (für die Generierung der Bewegungszustände) Intermodale Verbindungen (Verbindung zwischen einzelnen Funktionsbereichen) Die gesamte Funktion besteht aus einer Kette von aufeinander folgenden modalen und intermodalen Elementarfunktionen -> a) Akustische Analyse: auditiv-visuelle Integration b) Visueller Analysator, um Infos wieder zu übertragen in (visu- INTEGRAc) Motorischen Analysator – motorischer Impuls (motorischer TION Siehe S 30. Analysator Pawlow / S 30 Das Hirn nicht isoliert betrachtet, sondern als Teil des Organismus. Von Sinnesorganen zu trennen wäre Unsinn. Projektionsfeld (unmittelbare Verknüpfung m. Peripherie) - Assoziationsfeld (Verknüpfung mit anderen Gebieten) ZENTRALES ENDE Afferente Leitungsbahnen Efferente Leitungsbahnen PERIPHERES ENDE Zentrales Ende und Peripheres Ende sind in beiden Richtungen miteinander (afferent / efferent) verbunden. Analysator – Typen Hauptleitung – efferent: Motorik + gleichztg.: afferente Leitungsrichtung: Reafferenz (Kontrollfunktion) Hauptleitung – afferent: Wahrnehmung + glztg.: efferente Leitungsrichtung: Reefferenz (z.B. Reefferenz zur Feineinstellung, vgl. Pupillen) Ergänzung: Ein motorischer Analysator wäre z.B. die Bewegung 41 D:\75896361.doc Ergänzung: Ein perzeptiver Analysator wäre z.B. die Wahrnehmung „Funktionelles System“ – n. Leontjew (S 31 mitte) Dieser Begriff ist ein übergeordneter theoretischer Begriff, vgl. auch Nervenzelle - Abbildung: Funktionelles Hirnorgan (schematische Darstellung – siehe unten) 7 - - akustische Wahrnehmung (Bereich Temporallappen). Grundlegender Gedanke von Leontjew ist hier wiedergegeben. Kooperation der zentralen Enden ( mit Analysatoren anhängend) mehrerer Analysatoren. Zusammengefasst nach Berger-Skript S 31: Bei der Realisierung einer komplexen cerebralen Funktion (z.B. Schreiben nach Diktat – s.w.o.) wirken die zentralen Enden mehrerer Analysatoren zusammen -> „funktionelles Hirnorgan“. Bei Ausfall eines einzigen Kettengliedes zerfällt die gesamte komplexe Funktion; sie kann jedoch durch Ersatz dieses Elementes wiederhergestellt werden. Dieser Gedanke ist von zentraler Bedeutung für Rehabilitation und Behindertenpädagogik! Ad obige Abbildung: Charakteristika: Verbindungen im Kortex a) Entwicklung in Ontogenese b) Relative Beständigkeit c) Weisen eine gewisse Plastizität auf (durch die Möglichkeit des Ersatzes einzelner Elemente) Funktionselemente der ZNS-Tätigkeit - Vorgreifende Wiederspiegelung (Anochin) Reflexe (Pawlow) Signalsysteme (Pawlow) - Vorgreifende Wiederspiegelung 1, Anochin 1962 Jedes Lebewesen muss sich an die Umwelt anpassen, d.h. n. Skriptum: die eigenen Lebensprozesse mit Vorgängen in der Umwelt in Übereinstimmung bringen. Dies setzt die Abbildung (od. Wiederspiegelung) dieser Vorgänge im Inneren des Organismus voraus (Raum-Zeit-Strukturen der Umwelt werden im Organismus als chemisch-strukturelle Veränderungen abgebildet). Zahlreiche Umweltereignisse 7 Abbildung: Charakteristika des funktionellen Hirnorgans n. Leontjew / aus d. Berger Skript: S 31 42 D:\75896361.doc (Tag-Nacht-Rhythmus, Jahreszeiten, Wettererscheinungen etc.) wiederholen sich rhythmisch oder aperiodisch. - - Vorgreifende Wiederspiegelung 2 Vorwegnehmend Wiederspiegelnd, d.h. vorwegerkennen, was passieren wird (den Organismus rechtzeitig auf künftige Ereignisse einstellen) Nach dem Skript S 32: „Anpassung“ bedeutet also, den Organismus rechtzeitig auf künftige Ereignisse einzustellen, also Künftiges vorbereitend vorwegzunehmen. Ereignisabfolgen müssen anhand ihrer „Vorboten“ identifiziert werden – genau das meint der Begriff „vorgreifende Wiederspiegelung“. Diese Fähigkeit besitzt bereits der Einzeller, in besonderen Maße aber das Nervengewebe. ZNS (n. Skript S 32): „Man kann das ZNS als hochspezialisiertes Substrat betrachten, das sich als Apparat der maximalen, raschesten Vorwegnahme der wiederholt aufeinanderfolgenden Erscheinungen der Außenwelt entwickelt hat“ (ANOCHIN). Ereigniskette / Beispiel Ereignis A Wolken Ereignis B Wind Ereignis C Gewitter „Ereignis C wird bei Eintritt von Ereignis A vorwegnehmend identifiziert“… Reflexe (Pawlow 1922) -> mehr dazu auch noch im Anhang „Reflexe sind beständige Verbindungen der inneren und äußeren Reize mit bestimmten Tätigkeiten der arbeitenden Organe“ (Pawlow 1922) Der Reiz führt zur Tätigkeit eines Organes (z.B. Muskelkontraktion) Verknüpfung zwischen äußeren Reiz und einem Organ (durch Vermittlung des Nervensystems kommt es genauer gesagt zu einer Tätigkeit des Organs) -> Entstehung in Phylogenese: angeborener oder unbedingter Reflex. Verknüpfung in Ontogenese: erworbener oder bedingter Reflex. Anhang: 43 D:\75896361.doc 44 D:\75896361.doc 10. Vorlesung: 09.12.2005 Aktuelle Meldung Reflexe: Bedingter Reflex Psycho-Physisches Problem Funktionsentwicklung Ausbildung bedingter Reflexe Systemogenese Dysfunktion/Restitution Aktuelle Meldung In den Niederlanden kam es jetzt zur „Freigabe der Tötung von Neugeborenen“ – nach Belgien! D.h.: „Straffreie Kindereuthanasie“ – bei aussichtlosen Krankheiten. „Erklärung“ – Kinderärztevereinigung: „Unter bestimmten Bedingungen ist es erlaubt, die lebenserhaltenden Maßnahmen zurückzuschrauben auf ein Minimum! Patientenverfügung: ist, so Berger, eine höchst problematische Vorstellung, denn Folgende Fragen stehen hierbei im Raum, die wohl kaum einer beantworten kann: 1.) „Was jeder von uns unter bestimmten Bedingungen in seiner letzten Lebensphase wollen würde“ – ist eine Frage, die wir erst beantworten können, wenn wir tatsächlich in der Situation sind. 2.) Die „Rederei“ vom „Recht auf einen würdevollen oder gar schönen Tod“ ist mehr eine Fiktion, eine gut-gemeinte Floskel, denn den Tod kann man nicht schön-reden! 45 D:\75896361.doc - Reflexe8 (von Pawlow) Ein Reiz führt durch Vermittlung des NS zu einer Tätigkeit eines Organs (z.B. Muskelkontraktion, Drüsensekretion,..) Verknüpfung entsteht in der Phylogenese: angeboren Ontogenese: erworben Bedingter Reflex Voraussetzung = unbedingter Reflex (Nahrung löst – z.B. beim Pawlow’schen Hund – Magensaftproduktion aus) -> Vorgreifende Wiederspiegelung. Häufige gleichzeitige Darbietung des unbedingten Reizes (Nahrung) mit einem neutralen Reiz (z.B. „Glocke“ beim Pawlow’schen Hund) -> Neutraler Reiz erhält Signalfunktion und wird zu bedingten Reiz. Dieser löst (zugleich) die Magensaftproduktion aus. Bedingter Reflex 2: Konditionierung9 Entwicklung bedingter Reflexe = „Konditionierung“ – ist an Existenz der Hirnrinde gebunden. Bedingte Reflexe können auch gelöscht werden, wenn z.B. zeitlich auf den „Glockenschlag“ keine Nahrung folgt (vgl. Pawlow’scher Hund) Reetablierung/oder Wiederetablierung eines gelöschten bedingten Reflexes Bedingter Reflex = Mechanismus der „Vorgreifenden Wiederspiegelung“ Entwicklung komplexer Vorgänge – z.B. optische Entfernungswahrnehmung – beruht auf bedingtem Reflex. Signalsysteme (n. Pawlow) - 1. Signalsystem: Bedingter Reiz = einfacher sensorischer Reiz (z.B. Geruchseindruck, Höhenempfinden,..) - 2. Signalsystem: Bedingter Reiz = ein Symbol (d.h. wenn ich mit meinem Hund spazieren gehe und an einem Restaurant vorbeigehe, dann kommen mir und meinem Hund vielleicht angenehme „Schnitzelgerüche“ entgegen. Komm ich an einem Restaurant vorbei, wo ein Schild mit einem Symbol von einem Teller mit Besteck drauf ist, dann weiß ich als Mensch, dass das ein Restaurant ist, der Hund nicht. Für mich ist das Symbol eine Information, der Hund kann damit allerdings nichts anfangen). Symbole (oder Semiotik genannt) können Schriftzeichen, Worte, Bilder sein, die für etwas stehen. - Das was bezeichnet wird = unbedingter Reiz - Das 2. Signalsystem ermöglicht die „Handhabung“ von Gegenständen, unabhängig von ihrer sinnlichen Wahrnehmung (Anwesenheit) -> Entscheidender Schritt in die Welt der Sprache. Das Psycho-Physische Problem 8 Reflex: sich unwillkürlich, ohne willentliche Beeinflussung abspielende Reaktion auf einen -> Reiz. Reflexboden: Leitungsbahn eines Reflexes. Auropalpebraler Reflex: Lidschlag, plötzliches Augenzwinkern bei Säuglingen als Reaktion auf einen akustischen Reiz. Form der -> Reflexaudiometrie, besonders bei unruhigen Kindern unsichere Ergebnisse (aus: Franke, U. 2004: Logopädisches Handlexikon, 5. überarbeitete Auflage 2004; 181) 9 Konditionierung: Form des Lernens, Methode und Ergebnis von Verknüpfung zwischen -> Reiz und Reaktion. (audiol.) (Uttenweiler/Wedel): Verbindung eines auditiven Reizes mit einem optischen bei Hörschwellenmessung. Klassische Konditionierung (Pawlow) Koppelung zweier voneinander unabhängiger Reize auf eine Reaktion, die von einem der beiden Reize unbedingt abhängig ist S 1 + S2 = R. S1 auf R1 = unbedingte Reaktion, durch Koppelung entsteht S2 = R1 + R2 . Operante Konditionierung : das Verhalten wird durch die nachfolgenden Konsequenzen gesteuert. Respondente Konditionierung : das Verhalten wird durch bestimmte Reize als Antwort und Reaktion auf einen Reiz ausgelöst (ebd., 123 f.). 46 D:\75896361.doc Das Modell der „Signalsysteme“ beschreibt die Beziehung zwischen biologischenund psychischen Prozessen. Die „Psychische Wiederspiegelung“ ist eine qualitativ neue Stufe der Beziehung zwischen Individuum und Umwelt, die in der Phylogenese entstanden sind. Die Tätigkeitstheorie10 (siehe Wygotski, von dem diese Theorie stammt) bietet einen umfassenden Theorierahmen (BS 34/35) zur Analyse dieser Zusammenhänge. Funktionsentwicklung (ab 35) Entwicklungslinien Systemogenese (Anochin) Interiorisation (siehe SS 06 -> Wygotski) Entwicklungslinien – Gliederung in Teilprozesse: Differenzierung des biologischen Erbes Ausbildung der bedingten Reflexe (in früherer Entwicklung -> Lernvorgänge, die darauf zurückgehen) -> früher: galten Lernprozesse als BASIS. Aneignung des gesellschaftlichen Erbes: stützt sich auf all die bekannten Funktionen, ist aber eine eigenständige Entwicklungslinie. Hat auch eine gewisse Führungsrolle. Aktives Handeln des Individuums = Aneignung (Handeln bezieht sich auf die Auseinandersetzung mit der Umwelt). Die Aneignungsprozesse auf allen 3 Entwicklungsebenen = Voraussetzung der Entwicklung Gesellschaftliches Erbe und Biologisches Erbe - Wie wir bereits aus den Ergebnissen der Deprivationsforschung wissen, ist auch die Entfaltung des biologischen Erbes den Bedingungen und Gesetzmäßigkeiten der gesellschaftlichen Ebene unterworfen (vgl. Folgen der sozialen Deprivation für die biologischen Prozesse), der somit die Führungsfunktion im Entwicklungsprozess zukommt. - Der Stellenwert der jeweils phylogenetisch jüngsten und höchsten Regulationsebene kommt auch darin zum Ausdruck, dass beim Menschen vom Anfang an (bereits pränatal) partielle kortikale Funktionen nachweisbar sind. In der weiteren Entwicklung übernimmt die Hirnrinde in wachsenden Ausmaß Koordinations- und Führungsfunktion (BergerSkript: 35 f.) - Gesellschaftliches Erbe -> siehe weiter oben! Ausbildung bedingter Reflexe Absicherung von Bindung: - Interaktionserfahrung, Geruch, Geschmack -> Positive Emotion - „Lächelreaktion“ -> bedingter Reflex - „Dunkelangst“ als Produkt von Erfahrung (ist auch nicht angeboren) - Optische Raumwahrnehmung Aneignung des gesellschaftlichen Erbes Werkzeuggebrauch – Bedeutung („sinnlich-praktisches Werkzeug, wie z.B. ein Löffel oder ein Blatt Papier -> Gebrauch als Werkzeug hat sich gesellschaftlich entwickelt 10 Kurz zusammengefasst: Halten wir also fest: Tätigkeiten (die Form der Beziehung zwischen Subjekt und Objekt) werden durch neurophysiologische Prozesse realisiert, die der Ebene der Operationen entsprechen; die Operationen sind aber nicht auf diese neurophysiologischen Prozesse reduzierbar, da sie den extrazerebralen Beziehungen untergeordnet sind. Somit sind Psychologisches und Physiologisches ein und dasselbe, jedoch von verschiedenen Standpunkten betrachtet (vgl. die Betrachtungsweise von Licht als Strahlung oder als elektromagnetische Welle) (Berger-Skriptum: 35) 47 D:\75896361.doc und ist somit Teil des gesellschaftlichen Erbes, und auch Teil des Aneignungsprozesses. Sprache: als Teil des gesellschaftlichen Erbes vorhanden und durch Aneignung. Lernen Systemogenese (Anochin 1968) Eine Darstellung: ZNS „sensorische Faser“ afferente Leitung Rezeptor „motorische Faser“ efferente Leitung Defektor Die biologische Reifung („Inbetriebnahme“) solcher Systeme passiert, dass immer ein funktionelles System gemeinsam reift (Einheit, auf die der Reifungsprozess zu beziehen ist). Bsp.: Reifung des Atmungssystems Und damit den Anforderungen der Anpassungsaufgaben entspricht (Beziehung Organismus und seiner Umwelt und den Anforderungen dafür). Dysfunktion / Restitution (Ab 37) damit ist eine Fehlfunktion, Mangel oder eine Beeinträchtigung gemeint. Restitution meint die Wiederherstellung der beeinträchtigten Funktionen. Frage Wie kommt es zu einer Beeinträchtigung verschiedenster Funktionen oder solcher Funktionen? Wie kann man diese wiederherstellen? Dysfunktion - = Beeinträchtigung eines funktionellen Organs Funktionsstörung eines funktionellen Hirnorgans kann folgende Ursachen haben - Häufigste Ursache: Läsion (siehe Buch auch S 13) -> post-, peri- oder pränatal. Es handelt sich z.T. um die Zerstörung von Gewebe, Neuronen oder Neuriten (= Nervengewebe). Eine Läsion kann wie gesagt in verschiedenen Entwicklungsphasen auftreten - Deprivation (stützt sich auf Anamnesen, d.h. zum Beispiel die Frage nach den Einzelfunktionen,…) oder „verhinderte Inbetriebnahme“: Die Formen der Deprivation haben wir bereits kennengelernt. Jene der „Sozialen Deprivation“ wollen wir herausgreifen, d.h. also, dass ein Entwicklungsprozess von Funktionen ins Stocken gerät oder nicht stattfindet, da es ein „Nichtauseinandersetzen“ mit der Umwelt nicht stattgefunden hat. „Verhinderte Inbetriebnahme“ ist „leichter kompensierbar“. Wygotski’sche Regel Schädigung ist nicht gleich Schädigung, weil: Es kommt auch darauf an, wann diese oder eine Schädigung stattfindet, und deshalb sind auch die Schädigungsfolgen unterschiedlich! 48 D:\75896361.doc Restitution Neurophysiologische / Neuropsychologische Prozesse: biologische Struktur und psychische Prozesse. Es geht um die „Wiederherstellung“ von zerstörtem Gewebe. - - - 1.) => Stammzellenbildung: Pluripotente embryonale Zellen (Ausgang ist die „Matrixoder Mutterzelle“ des ZNS: a) Ependylzellen (Form von Gliazellen) ) -> differenzieren sich in der Entwicklung. 2.) => Regeneration v. Dendriten und Axonen: mögliche und wahrscheinliche Möglichkeit der Restitution von beeinträchtigten Funktionen durch Läsionen (-> vgl. Birbaumer & Schmidt: „irreversible und reversible Läsionen“, oder chemische Läsionen;) 3.) => Ersatz einzelner Elemente funktioneller Hirnorgane (Bsp.: Ein Mensch, der durch vielleicht einen Unfall oder anderen Ursachen erblindet, muss auch erst nicht wieder ‚lesen’ lernen.) 4.) => Änderung der physiologischen Organisation der Steuerungsstruktur 5.) => Exteriorisation: Komplexe Funktionen entstehen durch Wiederholung und Interiorisation (s. Abschn 3.) ursprünglicher äußerer Prozesse. Die Wiederentfaltung und Exteriorisation ermöglichen das Auffinden und den Ersatz des gestörten Elementarprozesses. Ablauf: siehe folgendes Beispiel fehlerhafte Funktion nach Außen verlagern = Exteriorisation, in die einzelnen Elementarprozesse zergliedern, Ersatz des gestörten Elementarprozesses, Interiorisation und Automatisation Aus diesen drei Gesichtspunkten ergeben sich die allgemeinen Grundlagen therapeutischer Strategien bei zerebraler Dysfunktion. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das komplexe Zusammenwirken verschiedener Funktionsanteile einerseits innerhalb eines Analysators, anderseits zwischen verschiedenen Analysatoren gegeben ist, z.B. „Schluckrestitution“ (Berger-Skript: 38 f.). Ad „Schluckrestitution“: Schlucken = angeborenes funktionelles System mit peripheren Anteilen: Tastempfindung in verschiedenen Zonen Koordination zahlreicher Muskel ZNS – Steuerung Wiederentfaltung = Einzelschritte, Bewußtseinsmachung Einzelschritte üben, dann automatisieren . Therapiekonzept Wiederherstellung neurophysiologischer und psychologischer Steuerungsprozesse, im Zusammenhang des Systems - Tätigkeit / Handlung / Operation Übungsverfahren in einem für das Individuum sinnvollen Zusammenhang seines Lebens, Orientierung auf ein Motiv: Bsp.: Therapieverfahren nach J. Ayres oder Bewegungstherapie nach Petö. 49 D:\75896361.doc 11. Vorlesung: 13.01.2006 Behindertenpädagogik/Abriss Begriffsbestimmung Zur Geschichte der Behindertenpädagogik Arbeitskonzept der Behindertenpädagogik Anm.: Diese Mitschrift ist rein-basierend auf dem Skript, von mir noch mit ein paar Ergänzungen, konnte an diesem Freitag leider prüfungsbedingt nicht anwesend sein. Begriffsbestimmung: „Behindertenpädagogik“ wird hier als übergeordneter Begriff verwendet (vgl. Jantzen), da dies den Bezug auf einen klar definierbaren Behinderungsbegriff erlaubt; andere Begriffe, wie Sonder- oder Heilpädagogik sind unklarer: „Sonderpädagogik“ stellt die in diesem Bereich traditionell dominierenden Strategien der Absonderung und „Heilpädagogik“ den Heilungsanspruch in den Vordergrund stellt. Definition (Schuntermann): Behindert ist eine Person, deren Teilhabe am Gesellschaftsleben, insbesondere am Arbeitsleben, infolge ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigung aufgehoben oder nicht nur vorübergehend eingeschränkt ist. Eine gesundheitliche Beeinträchtigung ist a) eine Gesundheitsstörung im Sinne eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes, oder b) damit im Zusammenhang stehend ein anatomischer Strukturschaden oder eine psychische bzw. physiologische Funktionsstörung oder Aktivitätsstörung. Definition von Wolfgang Jantzen: „Behinderung kann nicht als naturwüchsig entstandenes Phänomen betrachtet werden. Sie wird sichtbar und damit als Behinderung erst existent, wenn Merkmale und Merkmalskomplexe eines Individuums aufgrund sozialer Interaktion und Kommunikation in Bezug gesetzt werden zu jeweiligen gesellschaftlichen Minimalvorstellungen über individuelle und soziale Fähigkeiten. Indem festgestellt wird, dass ein Individuum aufgrund seiner Merkmalsausprägung diesen Vorstellungen nicht entspricht, wird Behinderung offensichtlich, sie existiert als sozialer Gegenstand erst von diesen Augenblick an.“ Das Konzept „Behinderung“ der Weltgesundheitsorganisation („International Classification of Impairments, Deseases and Handicaps“, ICIDH, WHO 1980) Biologischer Defekt (die „Pathologie“) …bezeichnet die Zerstörung oder die abnorme Funktion eines biologischen Systems. Schädigung …bezeichnet die unmittelbare funktionelle Konsequenz des biologischen Defekts, z.B. die Bewegungsstörung. Beeinträchtigung …bezeichnet den Funktionsverlust im persönlichen Alltag, z.B. den Hilfsbedarf beim Ankleiden, Kochen etc. Behinderung …bezeichnet die sozialen Konsequenzen eines Defekts, z.B. den Verlust des Arbeitsplatzes. D.h. der Defekt stellt den biologischen Anteil der Behinderung dar. Dieser führt in der Interaktion mit der sozialen Umwelt zur Beeinträchtigung, aus der schließlich eine Behinderung entstehen kann. Somit ist Behinderung nicht eine Eigenschaft des Individuums; sie entsteht erst in der Beziehung zwischen Individuum und Gesellschaft. Unter den Defekten als Behinderungsursachen liegt der genetisch – chromosomal bedingte Anteil unter 10%; der weitaus überwiegende Anteil ist prä-, peri- oder postnatalen Schädigungen zuzuschreiben und ein hoher Anteil von Behinderungsursachen ist nicht derzeit klärbar. 50 D:\75896361.doc Die aktuelle Version der WHO: International Classification of functions, ICF, WHO 1999): Abbildung 6: WHO-Modell (n. Berger-Skript: „Entwicklungsneurologie 1“, 94) Die WHO klassifiziert die Funktionsfähigkeit des Menschen unter drei verschiedenen Aspekten: 1) Körperfunktionen und –strukturen: Mögliche Störungen auf dieser Dimension werden als „Schäden“ („impairments“) bezeichnet. Die Schäden werden in „Funktionsstörungen“ und „Strukturschäden“ gegliedert. Funktionen des Körpers - Mentale Funktionen - Sensorische Funktionen - Stimm- und Sprechfunktionen - Funktionen des kardio-vaskulären, hämatologischen, des immunologischen und des Atmungssystems - Funktionen des Verdauungs-, des Stoffwechsel- und des endokrinen Systems. - Funktionen der Haut und mit ihr im Zusammenhang stehenden Strukturen. Strukturen des Körpers - Struktur des Nervensystems - Das Auge, das Ohr und mit diesen im Zusammen hang stehende Strukturen. - Strukturen, die an der Stimme und am Sprechen beteiligt sind. - Strukturen des kardiovaskulären, des immunolog ischen und des Atmungssystems. - Mit dem Verdauungs-, Stoffwechsel und endokrinen System im Zusammenhang stehende Strukturen. - Die Haut und mit ihr im Zusammenhang stehende Strukturen. 2) Klassifikation der Aktivitäten Das Aktivitätskonzept wird damit begründet, dass es zu den zentralen Eigenschaften menschlichen Daseins gehört, zu handeln, aktiv zu sein, zu arbeiten, zu spielen, die Aufgaben und Arbeiten des täglichen Lebens zu erfüllen. Störungen auf dieser Dimension werden „Aktivitätsstörungen“ oder „Leistungsstörungen“ (acitivity limitations) genannt. Siehe nun untere Tabelle 51 D:\75896361.doc 3) Klassifikation der Partizipation Das Partizipationskonzept wird dadurch begründet, dass sich die Daseinsentfaltung einer Person stets im Kontext der sozialen und physikalischen Umwelt (Umweltfaktoren) vollzieht und von diesem mitbestimmt wird. Siehe nun Tabelle auf der nächsten Seite 52 D:\75896361.doc Fortesetzung 11.Vorlesung -> -> -> -> -> -> -> -> -> Entsprechend diesen definitorischen Abgrenzungen sind Defekte – gleich welcher Art – im Folgenden für unsere Erörterungen nicht unmittelbar von Bedeutung (keine Behinderungsklassifikation nach biologischen Defekten!), entsprechend ist der Prozess der Schädigung, wie er als Syndrom sich entwickelt und existiert und sozial als Behinderung sichtbar wird. Dieser Konzeption folgend ist Bestimmung und Beschreibung von Behinderung mittels medizinischer Daten oder psychologischer Testergebnisse nicht möglich. Medizin und Psychologie können lediglich eine Beschreibung der Funktions- und Strukturschäden bzw. der Leistungs- und Aktivitätsstörungen beitragen. Die Feststellung der Behinderung (der Einschränkungen der Partizipation) selbst ist jedoch weder durch Tests noch durch irgendeine umfangreiche „Objektivierung“ möglich. Sie bezieht sich auf die Wechselwirkung zwischen Individuum und seiner sozialen Umwelt. Behinderung wird im realen Leben auf zwei Ebenen wirksam: auf der sozialen Ebene: Behinderung wird in allen einschlägigen Gesetzen als „Arbeitskraft minderer Güte“ definiert; auf der individuellen Ebene ist die Einschränkung der Teilhabe am Leben der Gesellschaft = Isolation entscheidend. Isolationskonzept (n. Jantzen) Menschliche Entwicklung beruht vor allem auf der aktiven Auseinandersetzung mit der Umwelt (=Aneignungsprozess) (s. Abschn. 2.5.3); das „gesellschaftliche Erbe der Menschheit“ (Werkzeuggebrauch, Sprache, Kulturgüter…) muss von jedem Einzelnen individuell „angeeignet“ werden; das bedeutet, dass in der Auseinandersetzung mit der Umwelt subjektive innere Abbilder entstehen, die die Grundlage des weiteren Lebens sind. Vollzieht sich die individuelle Entwicklung unter „isolierenden Bedingungen“, so ist dieser Aneignungsprozess beeinträchtigt, die Abbilder sind inadäquat (gewissermaßen verzerrt, unvollständig). 53 D:\75896361.doc Isolierende Bedingungen (die zur Isolation führen können) entstehen durch: organischen Defekt (z.B. Sinnesdefekt, Bewegungsstörung…) = Läsion soziale Isolation = Deprivation Die inadäquaten Abbilder – Grundlage der künftigen Umweltbeziehungen – führen zu Konflikten, negativen Emotionen etc. und halten auf diese Weise ihrerseits die isolierenden Bedingungen aufrecht. Dieser Circulus vitiosus ist nur durch Aufhebung der isolierenden Bedingungen durchbrechbar. Daraus ergibt sich die Zielsetzung der Behindertenpädagogik = Überwindung der Isolation 4.2. Zur Geschichte der Behindertenpädagogik (nach Jantzen) Aufgrund der vorhandenen geschichtlichen Quellen ist anzunehmen, dass behinderte Menschen etwa ab dem 5. Jahrhundert v. Chr. Als soziales Problem in Erscheinung getreten sind. Davor waren ihre Überlebenschancen aufgrund des niedrigen Niveaus der gesamtgesellschaftlichen Nahrungsmittelproduktion minimal. In den Skalvenhaltergesellschaften der Antike war Behinderung meist ein Todesurteil (siehe Bestimmungen über Kindertötung in der römischen Rechtsordnung). In der Feudalgesellschaft des Mittelalters wurde der Umgang mit behinderten durch die Frage nach der Wehrfähigkeit einerseits und durch das Gebot der christlichen Nächstenliebe anderseits bestimmt. Etwa ab dem 5. Jahrhundert n. Chr. Ist die Einrichtung von Armenasylen festzustellen. In der Regierungszeit Karl des Großen sind Ansätze zur Organisation eines „Fürsorgewesens“ festzustellen. Etwa ab dem 14. Jahrhundert entsteht ein ausgedehnteres System von Armenhäusern („Hospital“). Im 14. – 16. Jhdt. Ist ein Wandel in der Einstellung der katholischen Kirche festzustellen: Das Unterdrückungsmittel der Inquisition gewinnt gegenüber dem Gedanken der christlichen Nächstenliebe die Oberhand; das gilt auch gegenüber behinderten Menschen. Der Wandel gesellschaftlicher Strukturen im Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus (17. – und 18. Jahrhundert) reißt viele Menschen aus ihren bisherigen sozialen Zusammenhängen. Nur ein Teil findet in der entstehenden industriellen Lohnarbeit eine neue Lebensgrundlage. Die übrigen bilden die große Masse der Armen und Arbeitslosen der damaligen Zeit, die mehr oder weniger freiwillig in den Asylen, Armenhäusern leben. Die Gruppe sozial Ausgegrenzter gehören auch die Behinderten („arbeitsunfähig“) an. Die französische Revolution proklamiert die gesellschaftliche Unterstützung arbeitunfähiger Menschen. Die Entstehung der Pädagogik um 1800 beruht auf dem Interesse der herrschenden Gesellschaftsschichten an der Schaffung einer minimalen Arbeitsqualifikation, die in Abend- und Morgenschulen – angeschlossen an Industriegebiete – vermittelt wird. In dieser Zeit ist der Lehrer defacto ein verlängerter Arm des Fabriksbesitzers, bei 12 Stunden täglicher Arbeitszeit der Kinder werden etwa 12 Unterrichtsstunden pro Woche vermittelt. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts beginnt die Entwicklung einer systematischen Behindertenbetreuung auch für Proletarierkinder (1815: Einrichtung einer Nachhilfeklasse in einer Armenschule durch Lehrer Traugott Weise in Zeitz; 1830: 48 Taubstummenanstalten mit 820 Kindern in Deutschland). In Wien um 1900 gibt es – in Abweichung von den Schulgesetzen Maria Theresia’s in der Realität keine Pflichtschule. Der Schulbesuch von Arbeiterkindern ist auf maximal 2 – 3 Jahre 54 D:\75896361.doc beschränkt, das Familieneinkommen einer Arbeiterfamilie stammt zu dieser Zeit zu 20% aus Kinderarbeit. In der Phase des wirtschaftlichen Aufschwunges von 1890 – 1913 werden die Forderungen nach Fürsorgemaßnahmen und Bildung, die vom liberalen Bürgertum und der erstarkenden Arbeiterbewegung erhoben werden, lauter. Sie können jedoch an der realen Situation nur wenig verändern. In der Zeit der Herrschaft des deutschen Faschismus wird auf den Grundlagen der ab 1920 entwickelten Erblehre und Rassenlehre ab 1939 eine systematische Vernichtung Behinderter durchgeführt, die den Decknamen „Aktion T4“ trägt (siehe auch Strachota „Heilpädagogik und Medizin“). Diese systematisch geplante und durchgeführte Aktion forderte etwa 250 000 Todesopfer. Die Gesamtzahl der Sterilisationen auf dem Gebiet des Deutschen Reiches (1939 – 45) wird mit 320 000 angenommen. Die Kinder „Euthanasie“ sind etwa 5 000 Kinder zum Opfer gefallen, wobei die Anstalt am Spiegelgrund (Wien) ab 1940 Vorbildfunktion hatte. In der Anstalt Hartheim bei Linz (siehe auch Strachota „Heilpädagogik und Medizin“) wurden etwa 20 000 Tötungen vorgenommen, in Mauer-Öhling beträgt die dokumentierte Zahl 1279. Eine große Zahl von deutschen und österreichischen Ärzten, insbesondere Psychiatern spielten eine entscheidende und aktive Rolle in dieser Vernichtungsmaschinerie oder beteiligten sich an der theoretischen Begründung der Vernichtungsaktion. Die meisten dieser Verbrechen blieben ungestraft, viele Berufskarrieren wurden nach 1945 fortgesetzt (z.B. Prof. Dr. Hans Bertha in Graz, Prim. Dr. Heinrich Groß in Wien, der bereits verstorben ist). In der Zeit nach 1945 gewinnt der Gedanke der Integration behinderter Menschen im deutschsprachigen Bereich nur langsam an Boden. Die Entwicklung in den skandinavischen Ländern war wesentlich schneller und radikaler. Die heutige Situation der Integration behinderter Menschen ist sehr inhomogen (nach Lebensalter, geographischer Lage). Der Blick in die Geschichte zeigt, dass die Behindertenbetreuung jeweils in engem Zusammenhang zur gesamtgesellschaftlichen Situation steht und in hohem Maße Ausdruck der ökonomischen Verhältnisse ist. 4.3. Arbeitskonzept der Behindertenpädagogik: Die organisatorischen Strukturen der Betreuung behinderter Menschen orientieren sich auch heute noch oft an den Grundsätzen der Absonderung („Segregation“ – Sonderschulen, Heime etc…) und an den einzelnen Beeinträchtigungen – am Defekt. Durch die Defektorientierung und die Zersplitterung der Behindertenpädagogik in Spezialdisziplinen gehen die gemeinsamen Bedingungen von Behinderung und ihrer Überwindung verloren. Rahmenbedingungen: Allgemeine Parameter: ZIEL = Überwindung der Isolation / WEG = Aneignung der Realität und des gesellschaftlichen Erbes durch die aktive Tätigkeit. Es geht also darum, die behindertenpädagogische Arbeit auf der sozialen und auf der individuellen Ebene so zu organisieren, dass das größtmögliche Maß an Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erzielt werden kann. Strukturelle Bedingungen: Die Organisationsstrukturen müssen persönliche Entfaltung, Eigenverantwortlichkeit und Selbstkontrolle behinderter Menschen ermöglichen. Diese Forderung wird im Begriff des „Normalisierungsprinzips“ (Bengt-Nirje) zusammengefasst. 55 D:\75896361.doc Ein daraus abgeleitetes Strukturmodell (nach A. PIRELLA) muss folgende Bedingungen erfüllen: Die Kooperation einer demokratisch strukturierten Behörde mit Vertretern der behinderten Menschen, die Einrichtung von Regionalzentren (Sonderpädagogische Förderzentren sind damit gemeint) mit ambulanten Expertenteams, die Einrichtung von Kleinwohnheimen und Tageszentren. Individuelle Ebene: Am Anfang muss eine individuelle Analyse der konkreten Isolationsbedingungen auf den verschiedenen Ebenen erfolgen (keine Behinderungsklassifikation): biologische / psychische / soziale Ebene. Auf jeder Ebene sind mit den zur Verfügung stehenden Analysemethoden Spezifizierungen vorzunehmen: Prüfung der sensomotorischen, der perzeptiven, der begrifflichen, der kognitiven, der emotionalen Bedingungen sowie der sozialen Beziehungen. Daraus ergeben sich die aktuellen Schwerpunkte im Gesamtbetreuungskonzept: Man greift jenen Punkt heraus, der die größte Chance an Veränderung (bezogen auf die Teilhabe am sozialen Leben) bietet. Man muss sich immer auf das „Hier und Jetzt“ beziehen, da sich das Muster der Faktoren in einem dynamischen Prozess befindet. Ohne die derzeit nicht im Vordergrund stehenden Bereiche aus dem Auge zu verlieren. Der Anteil der Medizin: Die Beantwortung der Frage nach der Rolle der Medizin in diesem Konzept der Behindertenpädagogik geht von einem sozialmedizinischen Grundverständnis aus, das ebenfalls auf dem Modell der bio-psycho-sozialen Einheit „Mensch“ beruht. Die Themengebiete dieser Medizin liegen vor allem dort, wo biologische Defekte und psychische Beeinträchtigungen eine zentrale Rolle spielen; ihre Aufgaben liegen in der Rehabilitation / Entwicklungsförderung: REHABILITATION ZU BESCHREIBEN HEISST, DIE LEBENSSITUATION EINES MENSCHEN ALS VERÄNDERBAR ZU BEGREIFEN: Diese Aussage bezieht sich auf die Behinderung, nicht unbedingt auf den Defekt. Definition (Berger): Rehabilitation zu betreiben heißt, den Entwicklungs- und Lernprozess von Menschen mit somatischen oder psychischen Läsionen zu strukturieren. Das Ziel ist die ungehinderte Teilnahme am sozialen Leben. Rehabilitation ist dementsprechend in ihrem Kern eine pädagogische Aufgabe, die sich verschiedener Methoden bedienen muss in Übereinstimmung mit der Unterschiedlichkeit möglicher Defekte auf der biotischen oder psychischen Ebene. Sie bedarf der interdisziplinären Kooperation. Rehabilitation bedarf jedenfalls eines umfassenden Ansatzes, der die biologische, psychische und soziale Ebene umfasst. Die Konzentration der Medizin auf die biologischen und psychischen Anteile von Behinderung muss ebenfalls mit der oben beschriebenen individuellen Analyse isolierender Bedingungen und ihrer Wertung bezogen auf die aktuelle Lebenssituation beginnen. Jede therapeutische Maßnahme muss danach beurteilt werden, ob sie geeignet ist, in ihren Konsequenzen die Erfahrungsspielräume des Individuums zu erweitern (Isolation zu durchbrechen, Aneignungsprozesse zu fördern, Autonomie zu vergrößern). Auch biologische Faktoren haben ihren jeweiligen Stellenwert nur im Gesamt – Lebenszusammenhang des Individuums. 56 D:\75896361.doc 1 Schaub, H. und Zenke, Karl G. (Hrsg.): Pädagogisches Wörterbuch, 4., grundlegend überarbeitete und erweiterte Auflage Oktober 2000. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München. 2 Wissenschaftlicher Rat der Dudenredaktion/Prof. Dr. Dr. h. c. Günther Drosdowski, Dr. Werner ScholzeStubenrecht und Dr. Matthias Wermke (Hrsg.): Der Duden – Das Fremdwörterbuch. 1997. Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, Mannheim. 3 Birbaumer/Schmidt: Biologische Psychologie, 5. Auflage, Springer-Verlag Berlin Heidelberg, Abb. 9-6., 155 57 D:\75896361.doc 4 ebd., 139 ebd., 31 6 ebd., 33 7 ebd., 37 8 http://de.wikipedia.org/wiki/Phylogenese 9 http://de.wikipedia.org/wiki/Phylogenetischer_Baum 5 58