Magdalena Hahn-Ritzkat Dipl. Soz. Päd. (FH) Gruppenarbeit GESU Reader zum Seminar „Gruppenarbeit“ Wintersemester 2003/2004 Gliederung Gliederung Gliederung .................................................................................................................................. 2 Einleitung ................................................................................................................................... 3 A. Anfangssituationen ......................................................................................................... 5 Aufgabe 1: ............................................................................................................ 8 Aufgabe 2: ............................................................................................................ 8 B. Phasen des Gruppenprozesses ........................................................................................ 9 I. Forming ........................................................................................................................ 10 Aufgabe 3: .......................................................................................................... 12 II. Storming ....................................................................................................................... 14 III. Norming ................................................................................................................... 17 IV. Performing ................................................................................................................ 19 D. Gruppendynamik .......................................................................................................... 21 E. Sündenbock, Außenseiter, Rollenverteilung ................................................................ 27 Sündenbock, Außenseiter ..................................................................................................... 27 Aufgabe 4: .......................................................................................................... 35 Rollenverteilung ................................................................................................................... 35 F. Literaturverzeichnis ...................................................................................................... 40 G. Anhang ......................................................................................................................... 41 Wandzeitung......................................................................................................................... 41 Kennenlernspiel .................................................................................................................... 42 Kennenlernspiel .................................................................................................................... 43 Namenskette ......................................................................................................................... 44 © Magdalena Hahn-Ritzkat (MHR) 2003 [email protected] Einleitung Einleitung Die ausgewählten Texte im „Reader”1,2 habe ich zusammengestellt, um Ihr Wissen und Handwerkszeug für Ihrer Arbeit mit Gruppen zu erweitern. Unabhängig davon, ob Sie thematisch ausgerichtete Gruppen anbieten mit dem Ziel, Information zu vermitteln oder in eine Teamgruppe eingebunden sind, deren Ziele optimale Organisation der Arbeit durch Kooperation und Arbeitsteilung sind oder psychosoziale, selbstreflexive Gruppen leiten, mit dem Ziel der Verhaltensänderung und dem Training sozialer Kompetenz, Der Erfolg hängt davon ab, ob das Mannschaftsspiel gelingt. Immer werden Sie, wenn auch mit unterschiedlichem Fokus, mit der Dynamik der Gruppe arbeiten können und müssen. In der Sozialen Arbeit, sowie in der Gruppenarbeit gibt es selten Standardsituationen und Standardantworten. Es kommt darauf an, bei unterschiedlichsten Aufgaben in verschiedensten Gruppen in der konkreten Situation handlungsfähig zu sein. Diese stellt immer ein komplexes System dar, z. B. Kommunikation oder Rollenkonstellation in Gruppen. Jede Gruppe ist einmalig. Immer gilt es, Ihr Handwerkszeug auf diese Situation abzustimmen, also zu wissen, wie Sie komplexe Systeme zu befragen haben und wie Sie fragend analysieren. 1 Reader, engl., der: Lesebuch mit Auszügen aus der [wissenschaftlichen] Literatur und verbindendem Text. DUDEN Fremdwörterbuch, 3. Aufl. DUDEN Band Nr. 5, Bibliographisches Institut AG, Mannheim 1974 2 Die ausgewählten Textstellen sind im Schriftfont >>Times New Roman<< formatiert. Mein verbindender, eigener Text steht in >>Courier New<<. 3 Einleitung Aus meiner Sicht kommt es darauf an, dass Sie in der praktischen Arbeit mit einer bestimmten Gruppe Ihre Wahrnehmung, Ihr Handeln und die daraus resultierenden Folgen reflektieren und als professionelles Handwerkszeug einsetzen. Außerdem müssen Sie die Phänomene in der Gruppe, das Gruppenentwicklung und das Verhalten des Einzelnen miteinander in Bezug setzen und zielführend befragen. Damit hätten Sie eine hohe Kompetenz erreicht. Die Kompetenz des zielführenden Fragens zu erwerben, setzt Wissen über Wirkfaktoren und Gruppendynamik sowie Erfahrung in Gruppen voraus. Für eine kompetente Gruppenleitung (GL) ist eine theoretische Grundlage notwendig plus eine hohe, selbstreflexible Kompetenz, die wir nur in der Begegnung und Auseinandersetzung mit Anderen erwerben können. 4 Anfangssituationen A. Anfangssituationen In der einschlägigen Literatur zur Gruppenarbeit wird die Bedeutung der Anfangssituation besonders betont und behandelt. In der Arbeit mit Gruppen, entscheidet der Verlauf der ersten Sitzung oft über den Fortbestand der Gruppe. Obwohl im Kapitel über Gruppenphasen auch die Anfangssituation beschrieben ist, möchte ich diese wegen ihrer Wichtigkeit hier extra behandeln. [Schmidt-Grunert, aaO. S. 204] Jedes Gruppenmitglied kann sich an Anfangssituationen und Ängsten in Gruppen erinnern, die sie mehr oder weniger angenehm erlebt haben, sei es im Kindergarten, in der Schule, in Freizeitgruppen und nicht zuletzt im Studium. Jede und jeder hat sich selbst in großen, oft unüberschaubaren Gruppen und in kleinen, überschaubaren Gruppen erfahren und erlebt. Anfangssituationen können diese Erfahrungen reaktivieren, [Antons, aaO. S.301] Das einzelne Gruppenmitglied sieht sich insbesondere am Anfang einer Gruppe oder eines Seminar mit einer neuen Situation konfrontiert. Es ist aus seiner gewohnten psychischen und sozialen Umwelt heraus in eine ihm fremde Umgebung versetzt. So ist ihm z. B. das Seminargebäude [die Rehaklinik; Anm. MHR] unbekannt, die anderen Teilnehmer sind ihm fremd, das Seminar selbst kennt es noch nicht. Diese Situation erzeugt häufig negative Gefühle wie Unsicherheit, ängstliche Beklommenheit, Einsamkeit, Fremdheit, Gespanntheit. Diese Gefühle sind sicher nicht bei allen Teilnehmern und Teilnehmerinnen gleicher Art und gleich stark, sie sind aber dennoch in der Gruppe vorhanden und schaffen ein Bedürfnis nach Strukturierung [Hervorhebung von mir; MHR], die der unklare Situation ein Ende machen und Orientierung bieten könnte. In dieser Phase stehen für die Teilnehmer folgende Fragen unterschiedlich stark im Vordergrund — Wer bin ich hier, wer soll ich hier sein? Wie soll ich mich hier verhalten, welche meiner vielen Rollen soll ich spielen? — Wer sind die anderen? Was kann ich von ihnen erwarten? Wie werde ich auf sie wirken? Wer hat hier Einfluss und Anerkennung, bestimmt das Gruppengeschehen? Kann ich mich hier behaupten und von wem kann und will ich mich beeinflussen lassen — Was kommt hier auf mich zu? Werde ich fähig sein, meine Ziele zu erreichen? Werde ich überfordert sein? Welche Folgen wird mein Verhalten in der Gruppe haben? Werde ich fähig sein, die negativen Folgen zu ertragen? 5 Anfangssituationen Wie können Sie sich optimal auf einen Gruppenanfang vorbereiten? Die beste Vorbereitung für jeden Gruppenbeginn ist, sich in die Teilnehmer hineinzuversetzen und sich ihre Unsicherheiten bewusst zu machen (siehe die voran gestellten Ausführungen von Antons). Als AnfängerIn, mit eigener Nervosität, übersieht man die Angst der anderen leicht oder interpretiert ihr Verhalten aus der eigenen Unsicherheit heraus. Gruppenteilnehmer (GT) verhalten sich in dieser Situation meist zurückhaltend und abwartend. Als GL könnte man dies fälschlicherweise als Desinteresse, persönliche Ablehnung oder Widerstand deuten. Eine andere Form der Situationsbewältigung ist es, wenn Gruppenmitglieder versuchen, Fremdheit, Angst und Distanz zu leugnen und durch vorschnelle Kontaktangebote versuchen, dies zu überwinden. („Ich finde Euch alle so toll hier; wer kommt noch mit auf ein Bier?”) Unabhängig davon, welche Form die Gruppenmitglieder (GM) zur Situationsbewältigung auch anwenden, hier sind Sie als GL gefragt und gefordert. Generelle Aufgaben der GL in Anfangssituationen sind: Angstabbau durch Strukturierung Die GL bestimmt , am besten sehr genau, mit klaren Vorgaben den Ablauf des Geschehens in der ersten Runde. Meine Erfahrung ist, das Gruppen schnell überfordert sind, wenn man gleich zu Beginn - z.B. methodisches Vorgehen mit den GM diskutiert.) Orientierung geben durch Information über - die Einrichtung, - alle organisatorischen Daten zum Gruppenangebot z.B.(Pausen, Dauer, Rauchen, Anfangs- und Endzeiten, Erfrischungsgetränke usw.) - Konzept, - Ziel, - Geschichte 6 Anfangssituationen Modell sein durch die persönliche Vorstellung als GL. Eine fast immer passende Vorstellung für die Gruppenleitung stellt diese Standard-Situationseröffnung von Schulz von Thun dar: „Warum” und „wozu” bin ausgerechnet ich in dieser Rolle, ausgerechnet heute, ausgerechnet hier, ausgerechnet mit Ihnen und ausgerechnet zu diesem Thema zusammen? Diese Eröffnung können Sie der Situation entsprechend kurz oder ausführlich gestalten. Auch für die Vorstellungsrunde der GM können Sie diese Eröffnung wählen, dann aber den Punkt „in dieser Rolle” weglassen. Strukturierung der Vorstellungsrunde Durch die Vorgabe einer auf die Gruppe zugeschnittenen Vorstellungsrunde bekommen die GM zur weiteren Orientierung Informationen übereinander. Bei der Planung der Vorstellungsrunde für die GM beachten Sie bitte: alle soziale Daten, die Sie von den GM wissen: Alter, Geschlecht, Beruf, Soziale Schicht, usw. Gruppengröße Beziehungen der GM untereinander, Wie häufig findet die Gruppe statt (einmal, zehnmal)? Ist es eine offene oder geschlossene Gruppe? 7 Anfangssituationen Aufgabe 1: Ergänzen Sie bitte weiter, und begründen Sie die Bedeutung für die Gestaltung der Vorstellungsrunde Im Anhang finden Sie einige Übungen für Vorstellungsrunden3. Aufgabe 2: Wählen Sie für eine fiktive Gruppe eine der Vorstellungsrunden aus und begründen Sie, warum Sie diese für geeignet oder ungeeignet halten. (Siehe hierzu auch eine Mind Map4 Übersicht) Merke: Für Anwendungen von Übungen gilt generell: Übungen aus Büchern können eine gute Anregung sein. Sie sollten sie nicht 1:1 anwenden, ohne geprüft zu haben, ob sie für das Ziel der Veranstaltung in der konkreten Gruppe sinnvoll sind. Manchmal reichen kleine Änderungen, um Übungen auf die Situation anzupassen. 3 Dießner, Helmar; aaO. , S.28-31 4 mindmap, engl.. (1) Eine Mind Map ist die graphische Darstellung eines Konzeptes, Begriffes, Planes oder Ähnlichem, dessen konstitutive Elemente und Zusammenhänge in bildhafter Form gezeigt werden. Dadurch lässt sich ein kompakter Überblick bieten, der das Verständnis und das Memorisieren erleichtert. (2) [ http://www.masternewmedia.com/issue22/mind_mapping.htm ] “Mind maps are a simplified version of concept maps developed (and copyrighted) by Toni Buzan (http://www.mind-map.com/) as a graphical tool to unlock the potential of the brain. A nice FAQ about mind maps explaining their key features and history is available at: http://members.ozemail.com.au/~caveman/ Creative/ Mindmap/mindmapfaq.html“ 8 Gruppenphasen B. Phasen des Gruppenprozesses Für Ihre Arbeit mit Gruppen möchte ich Sie auf folgendes hinweisen: Der Entwicklungsprozess von Gruppen kann unter verschiedenen Gesichtspunkten erforscht und beschrieben werden. Auch hier gilt, dass alle Modelle Versuche darstellen, einen hochkomplexen Vorgang, - die Dynamik in Gruppen - zu systematisieren und Ableitungen für die Arbeit in und mit Gruppen zu erlangen. Gruppenphasen verlaufen sehr selten nach dem Lehrbuch bzw. sind in ihren verschiedenen Erscheinungsformen und Gesichtern nicht jederzeit zu erkennen. Trotzdem halte ich es für sinnvoll, sich damit auseinander zu setzen, weil es Ihre Wahrnehmung schärft und Ihnen in der Arbeit mit Gruppen eine Orientierungshilfe sein kann. Sie haben damit eine Systematisierung zur Verfügung, mit der Sie z.B. einen Gruppenverlauf analysieren können. Merke: Jede „große” Gruppenphase beinhaltet auch alle anderen Phasen im Kleinen. (Auch im Forming, gibt es kleine Stormings, Normings und Performings.) Das Gruppenphasenmodell von Stahl, mit Interventionsempfehlung für den Coach, ist vor allem eine Arbeitshilfe für Teams, Themen- u. Arbeitsgruppen. Stahl hat ein bekanntes Phasenmodell von Tuckman dargestellt und erweitert. 9 Gruppenphasen Aus Schmidt-Grunert ist das Modell für Entwicklungsstufen in Sozialarbeitsgruppen I. Forming [...]Die Gründungsphase: Forming 5 Das Forming ist eine von Ungewissheit geprägte Situation, in der es der Gruppe an Regeln mangelt, die sie beinahe aus dem Nichts entwickeln muss. Die wesentliche evolutionäre Leistung der Gruppe besteht auf diesem Hintergrund in der Herausbildung einer ersten Sicherheit spendenden Struktur, durch die die Gruppe sich nach außen abgrenzen und nach innen finden kann. Für die einzelnen Mitglieder erweist sich das Forming als eine aufregende Phase, die von der seelischen Wiederbelebung der Vergangenheit geprägt ist und zunächst mit Hilfe der Übertragung alter Verhaltensmuster bewältigt wird. Das Klima im Forming wird als „gehemmt" beschrieben: Vorsichtige, wir-kungsorientierte Kommunikation und Konformismus prägen das Miteinander. Ziel des Formings ist die Sättigung des Sicherheitsbedürfnisses der Gruppenmitglieder. Die Gruppe im Forming Die Stunde Null Bevor der Gruppenzug in das Gleisoval einfahren kann, muss er zunächst einmal eingesetzt werden und ins Rollen kommen. Aus den lose Versammelten, die sich am Forming-Bahnhof treffen, soll eine Gruppe entstehen. Wie kommen sie „vom Ich zum Wir"? Gruppen unterscheiden sich von losen Ansammlungen dadurch, dass die Beteiligten einen Gemeinsamkeit stiftenden Gruppenvertrag 6 haben, der sich im Verlauf des Gruppenprozesses weiter entwickelt. Und in der Stunde Null? Woraus entwickelt sich der erste Gruppenvertrag, den die Gruppe braucht, um ihren Prozess überhaupt anfahren zu können? 5 Stahl, Eberhard, aaO, S. 67-68 . 6 [[Anm. MHR]] Gruppenvertrag kann verstanden werden als ausgesprochene oder unausgesprochene Übereinkunft von Normen, Werten, Verhaltensregeln usw. bis hin zur schriftlichen Fixierung über Schweigepflicht, Teilnahmepflicht, Gesprächsregeln usw.. 10 Gruppenphasen I. Forming Zwei Voraussetzungen. Jedes der in der Formingphase versammelten Gruppenmitglieder bringt als Material für den ersten Gruppenvertrag zwei Dinge mit: (1) Ein grundlegendes Situationsverständnis und damit zusammenhängende Erwartungen hinsichtlich der offiziellen sachlichen Ziele des Miteinanders:„Zu welchem Zweck sind wir zusammen gekommen? (2) Damit einhergehende Vorstellungen über die angemessene Art des Miteinanders: “Wie sollten wir angesichts dessen miteinander umgehen ?“ Aus diesen beiden Beausteinen entwickelt sich im Verlauf des Formings ein erster locker geknüpfter Gruppenvertrag, der es den Einzelnen erlaubt, aufeinander zuzugehen." In dieser Situation zeigen GM häufig eine ... [Stahl, aaO, S.88-89] Darstellungsscheu. Wann immer die Gruppe ins [...] (Forming)7 eintritt, sind die Einzelnen aufgefordert, sich zu zeigen. Sie müssen sich mit ihrem Wissen, ihrer Gestaltungsfähigkeit, ihren Ansichten und ihren Schwachpunkten einbringen. Das erfordert von ihnen Risikobereitschaft, da es durchaus passieren kann, dass ihr Wissen als „Besserwisserei", ihr Unwissen als „Dummheit", ihre Ansichten als „untragbar" und ihr Gestaltungswille als „Dominanz" verstanden werden. Diese Risikobereitschaft wächst im gleichen Maße wie die Reißfestigkeit der Konventionsstruktur zunimmt, ist also im Forming eher gering zu veranschlagen. Leitung als Strukturersatz. Die Gruppe ist im Forming besonders anleitungsbedürftig, wenn sie arbeiten soll. Der Coach muss in aller Regel selbst Leitungsfunktionen übernehmen und seinerseits verantwortungs-, darstellungs- und verpflichtungsfreudig sein, um das Eis zu brechen. Schwer haben es im Forming Gruppen, die keine Führung haben bzw. die vorübergehende Wahrnehmung der Leitungsfunktion durch Mitglieder nicht dulden; sie brauchen in der Regel lange, um wirklich arbeitsfähig zu werden.8 Damit sind wir aber schon beim nächsten Punkt: Was kann (seitens der Leitung) getan werden, um die Gruppe im Forming zu unterstützen? Interventionsansätze im Forming In allen Phasen des Gruppenprozesses, auch im Forming, ist es die Aufgabe des Coaches, Katalysator der Gruppenvertragsentwicklung zu sein: Die Entwick7 [[Anm. MHR]] Korrektur von mir 8 [[Anm. MHR]] In der Sozialarbeit gibt es überproportional viele Teams oder Gruppen ohne Leitung. Meine Erfahrung ist, dass sich dahinter häufig ein nicht eingestandener Wunsch nach Leitung verbirgt. Einzelne Gruppenmitglieder, die leiten wollen, gestatten weder sich noch anderen diese hervorgehobene Position. Der Einzelne beugt sich der Gruppennorm eines überhöhten Ideals von „alle sind gleich kompetent”; niemand ist besonders qualifiziert oder unqualifiziert. In solchen Situationen ist es sinnvoll und Aufgabe der GL, zu klären, welche Beweggründe hinter der Teamentscheidung liegen und sie bewusst werden zu lassen, ohne dass zwangsläufig daraus eine Veränderung erfolgen muss. 11 Gruppenphasen I. Forming lung einer Konventionsstruktur zu ermöglichen oder voranzubringen. Er muss der „Appellohrigkeit" (Schulz von Thun, 1981) des Beginns entgegenkommen und Konformität ermöglichen, indem er hilft, offizielle Ziele zu klären und Konventionen zu entwickeln. Gleichzeitig muss er Individualität, Ausdrucksorientierung und „Appell-Schnabeligkeit" ermutigen. Gerade, wer es als Leiter mit seiner Gruppe eilig hat, tut gut daran, in dieser Phase langsam voranzugehen, denn eine Gruppe, die ohne primäre Konventionsstruktur arbeiten soll und muss, tut dies in aller Regel ineffizient. Aus Leitungssicht sind vier Aspekte besonders wesentlich, wenn es gilt, der Gruppe einen guten Start zu ermöglichen: (1) (2) (3) (4) Gewissheit vermitteln, Wahrheit der Situation veröffentlichen, Konflikte verschieben und Scheu und Zurückhaltung akzeptieren. Der Coach unterstützt die einzelnen Mitglieder dabei, Gewissheiten zu erlangen: Gewissheit über zwischenmenschliche Grundregeln, Gewissheit über offizielle Ziele und Gewissheit über die Zugehörigkeit zur Gruppe. Konventionen setzen. Der Coach macht der Gruppe zu Beginn deutlich, welche Regeln er zunächst setzen will (z.B. in Bezug auf Arbeitszeiten, Anrede, Zwischenfragen etc.) und welche dieser Regeln mit seinem Einverständnis in Frage gestellt und geändert werden dürfen. Damit nimmt er der Gruppe eine große Last ab. Offizielle Ziele vorgeben. Der Coach sollte seinen inhaltlichen „Fahrplan" offenlegen (z.B. durch Aushängen eines Übersichtsplanes), so dass jeder Teilnehmer abzuschätzen vermag, inwieweit er angesichts der offiziellen Ziele auf seine Kosten kommen wird. Akzeptation vor Konfrontation. Der Coach sollte für seinen Kontakt zu den Teilnehmern die Regel „Akzeptation vor Konfrontation" beherzigen. Konzentrieren Sie sich bei allen auf jene Ausschnitte der Persönlichkeit, die Sie mehr oder minder vorbehaltlos annehmen können und tolerieren Sie in dieser Phase andere Aspekte, die Sie auf Dauer nicht werden hinnehmen können. Jede Kritik an Teilnehmern wird im Forming seitens der Betroffenen als Zurechtweisung erlebt und von den anderen als „typische Kostprobe des Leiterverhaltens" gewertet Aufgabe 3: Wie können Sie in einer solchen Situation z. B. auf einen/e Vielredner(in) eingehen und ihn/sie in seinem/ihren Redefluss stoppen, ohne dass Sie das Verhalten in einer Form zum Problem machen, mit dem sich die Gruppe zu beschäftigen hat. 12 Gruppenphasen I. Forming 13 Gruppenphasen II. II. Storming Storming [Stahl, aaO., S. 95] Die Streitphase: Storming Das Storming ist die Phase, die der Klärung von Zielkonflikten in der Gruppe dient. Die wesentliche evolutionäre Leistung der Gruppe besteht darin, bestehende Widersprüche zwischen Gruppenmitgliedern aufzudecken, und die Möglichkeiten und Grenzen der Zusammenarbeit ebenso wie Alternativen für später zu treffende Entscheidungen zu klären. Die Gruppe differenziert sich nach innen aus und entfaltet ihr Konfliktpotential. Für die einzelnen Mitglieder ist das Storming eine Zeit des Farbe-Bekennens; sie müssen sich in der Gruppe als Individuum mit eigenen (auch abweichenden) Bedürfnissen abgrenzen und den Kontakt zu den anderen Mitgliedern entlang dieser Grenzen gestalten. Wir beschreiben fünf Voraussetzungen für den konstruktiven Verlauf des Stormings und stellen Interventionen vor, die diese Voraussetzungen erfüllen helfen. Die Gruppe im Storming Nach dem Forming verfugt die Gruppe über eine Sicherheit spendende Konventionsstruktur, über einen gemeinsamen Nenner nach innen und eine Abgrenzung nach außen. Das erste große Ziel „Dazugehören" ist für alle Beteiligten vorläufig erreicht. Als nächstes steht eine weitergehende Differenzierung nach innen an, die dadurch vorankommt, dass Unterschiede deutlich hervortreten. [Stahl, aaO., S. 117-118] Interventionsansätze im Storming Die Rolle des Coaches. Manche Auftraggeber und viele Gruppenmitglieder erwarten, dass eine tüchtige Gruppe ohne Storming auskommt. Ebenso erwarten sie von einem kompetenten Leiter, dass er der Gruppe Scherereien erspart. Zusätzlich haben nicht wenige Gruppenleiter das inoffizielle Ziel, die Gruppe jederzeit im Griff zu haben. Wer immer derartige Erwartungen hegt, fällt einem Missverständnis zum Opfer, das wir als „Ideologie des guten Willens" beschrieben haben: Jede Gruppe, die nicht vollständig autoritär geleitet wird, indem ihr alle Ziele gesetzt und alle Wege vorgegeben werden und deren Verfolgung überwacht wird, muss sich selbst organisieren. Und das bedeutet: Sie braucht das Storming zu ihrer Entwicklung so notwendig wie eine Pflanze die Sonne zum Wachstum. Deshalb ist ein „hilfreicher" Leiter, der die Gruppe konsequent befriedet, ein Hemmschuh der Gruppenentwicklung. Die Rolle des Coaches ist im Storming (wie 14 Gruppenphasen II. Storming in allen anderen Phasen) die eines Katalysators: Er bringt den notwendigen Prozess voran, ohne Einfluss auf den Inhalte auszuüben. Wenn der Coach „Aktien" im Gruppengeschehen hat - Ziele, die er in und mit der Gruppe erreichen möchte - geschieht dies aus einer anderen Rolle heraus, z.B. als Vorgesetzter, Teilnehmer oder Lehrer der Gruppe. In diesem Falle tut er gut daran, seine Rollenvielfalt und seine Rollenwechsel transparent zu machen. Andernfalls gerät er bei den Teilnehmern zu Recht unter Manipulationsverdacht und ist damit als Katalysator des Gruppenprozesses kaum noch tauglich. Wie ein Sprengmeister sich Gedanken darüber machen muss, auf welche Art und Weise er eine Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg unschädlich macht, wird der Gruppenleiter daraufhinarbeiten, das Storming in konstruktive Bahnen zu lenken. Auf Lage und Ausmaß des „Sprengstoffes" haben jedoch beide keinen Einfluss. Und beide würden im Sinne ihres Auftrages fahrlässig handeln, wenn sie dieses Ausmaß ignorieren oder verniedlichen würden. Die folgenden Hinweise für Interventionen im Storming sind deshalb immer darauf gerichtet, konstruktives Storming zu fördern und destruktiven Entgleisungen vorzubeugen. Sie wenden sich an Leiter, die sich in dieser Phase als „Klärungshelfer" (Thomann u. Schulz von Thun, 1988), nicht als „Friedensengel" oder „Feuerwerker" verstehen. [Stahl, aaO., S. 126] Dissens festhalten. Halten Sie den mit Mühe erstrittenen Dissens fest und sorgen Sie dafür, dass er weder verniedlicht noch dramatisiert wird. Andernfalls ginge die Gruppe ohne geklärte Ausgangslage ins Norming: „Ich habe den Eindruck, dass die wesentlichen Konfliktlinien nun deutlich geworden sind: Ein Teil der Gruppe wünscht sich eine opulente Weihnachtsfeier, ein anderer Teil möchte keine. Weiterhin haben Sie, Herr Friedenburg aus Ihrem Herzen keine Mördergrube gemacht und gefordert, dass Ihr Vorgesetzter, Herr Maschweski, nicht mehr an dieser Gruppe teilnimmt, damit Sie offen sprechen können. Dieses Ansinnen weist nun Herr Maschewski aufs Schärfste zurück, weil er sich ausgegrenzt fühlen würde. Sagen Sie bitte sofort Bescheid, falls ich irgendwo schief liege oder etwas unterschlagen habe. Schauen Sie abschließend bitte bei sich nach, ob noch etwas Unausgesprochenes im Raum ist, das heraus will". Durch diese Einladung zur Ergänzung und zum Widerspruch werden die Beteiligten in die Verantwortung eingebunden: Wer hier und jetzt seine Zustimmung gibt, hat es schwerer, fünf Minuten später während der Vertragsverhandlungen einen neuen Streit vom Zaun zu brechen. Deshalb bedarf es auch beim Übergang vom Storming zum Norming der Sorgfalt. 15 Gruppenphasen II. Storming Konsens (Forming) [Stahl,aaO., S.97] Abbildung 7. In jeder Gruppe gibt es eine Konfliktstruktur, die das Verhältnis der individuellen Zielpools zueinander spiegelt: Das Formingthema „Dazugehören" bildet die gemeinsame Schnittmenge der persönlichen Zielpools von A, B und C. Darüber hinaus teilen A und B, A und C, B und C jeweils gemeinsame Ziele. Aus diesen Überschneidungen können Koalitionen erwachsen. Alles, was jenseits des Konsens liegt, birgt Konfliktstoff. Am Ende dieser Phase geht es darum, dass sich die Gruppenteilnehmer mit einem Restdissens in der Gruppe versöhnen und den Dissens als Teil der Gruppe akzeptieren lernen. Eine hilfreiche Unterstützung der Gruppe durch die GL kann hier die klare Benennung von Konsens und Dissens sein. Merke: Oft ist es notwendig, dass die GL das Gemeinsame, das was die Gruppe zusammenhält, immer wieder anspricht und ins Bewusstsein ruft. Am Trennenden entzündet sich der Konflikt und verstellt den Blick für das Mögliche, auch bei der GL. 16 Gruppenphasen III. Norming III. Norming [Stahl, aaO., S.127-128] Die Vertragsphase: Norming Das Norming ist die Phase der Vertragsbildung, in der die Vereinbarungsstruktur der Gruppe Gestalt gewinnt. Die wesentliche evolutionäre Leistung der Gruppe besteht in der Selektion tragfähiger Ziel. Der Zielpool der Gruppe erhält dadurch eine Ausrichtung, die gemeinsames Handeln ermöglicht. Für die einzelnen Mitglieder ist das Norming eine Phase der Ernüchterung, geprägt durch ein „erwachsenes" Klima. Erwartungen werden hinsichtlich des in der Gruppe Möglichen und Machbaren überprüft und geklärt; von Illusionen kann und muss Abschied genommen werden. Wir beschreiben Interventionen, die der Coach als „Moderator", „Notar" und „Schlichter" einsetzen kann, um der Gruppe durch diese Phase zu helfen. Die Gruppe im Norming Vom Trennenden zum Überbrückenden Ist das Storming konstruktiv verlaufen, herrscht anschließend in der Gruppe eine Stimmung wie nach einem Sommergewitter: Die Luft ist rein, die Sicht ist klar, die Atmosphäre entspannt sich. Diese nachgewitterliche Stimmung ist geprägt von Erleichterung: die heiklen Punkte sind angesprochen worden, nun ist vorerst das Schlimmste vorüber. Dieses Empfinden mündet bei den Beteiligten häufig in den Wunsch „Lasst uns jetzt das Kriegsbeil begraben, die Friedenspfeife rauchen und wieder an die Arbeit gehen!". Diesem Wunsch lässt sich aus gruppendynamischer Sicht allerdings noch nicht vollends entsprechen: Zwischen dem Rauchen der Friedenspfeife und dem Arbeitsbeginn müssen erst einmal die Lehren aus den vorangegangenen Konflikten gezogen werden. Im Storming hat sich die Konfliktstruktur der Gruppe entfaltet. Die Formingillusion „Wir wollen alle dasselbe" ist zerbrochen, statt dessen ist deutlich geworden, welche sachlichen, zwischenmenschlichen und persönlichen Ziele der Beteiligten nicht zusammenpassen oder einander zuwiderlaufen. Nachdem das Trennende benannt ist, müssen wir als nächstes schauen, ob und wie wir die bestehenden Gräben überbrücken können. Erst nach einem entsprechenden Brückenschlag kann störungsfrei miteinander gearbeitet werden. [Stahl, aaO., S.144] Interventionsansätze im Norming Der Leiter als Moderator. Im Norming hat der Leiter in erster Linie die Rolle eines Moderators inne, der die Gruppe dabei unterstützt, für die bestehenden Zielkonflikte einen angemessenen Gruppenvertrag zu entwickeln. Die Rolle des Gruppendynamikers und Sprengmeisters (Storming) muss nur noch eingenom- 17 Gruppenphasen III. Norming men werden, wenn es zu Komplikationen kommen sollte. Die Interventionen im Norming beschränken sich daher weitgehend auf das klassische Moderatorenhandwerk: Themen formulieren, Ideen sammeln und strukturieren, Ergebnisse zusammenfassen.. Zusätzlich ist gelegentlich die Kunstfertigkeit des Verhandlungsführers gefragt . Ein wichtiger Grundsatz lautet: „Moderator kann nur sein, wer den Auftrag dazu hat". Wer im Norming die Oberhand behalten will, muss allen Beteiligten etwas zumuten dürfen, deshalb braucht er das Vertrauen der Gruppe in seine Allparteilichkeit. Wenn dieses Vertrauen angeknackst erscheint, muss zunächst die Beziehung der Gruppe zum Moderator geklärt werden, bevor an den Regeln der Gruppe gearbeitet werden kann. Die Moderatorenzwickmühle. Jeder Coach, der es der Gruppe recht machen möchte (und wer will das nicht?), gerät als Normingmoderator leicht in eine Zwickmühle aus sich widersprechenden Erwartungen: l» er soll „das endlose Gefeilsche" möglichst rasch über die Bühne bringen und ^ er soll vorschnelle Lösungen verhindern. Sobald sich die Verhandlungen in der Gruppe zäh und schwierig gestalten, werden meist Stimmen laut, die vom Coach fordern, er möge „jetzt mal auf den Tisch hauen und einfach entscheiden". Kommt er dieser Aufforderung nach, kann er sich der darauf folgenden Vorwürfe beinahe sicher sein, der Gruppe Kompromisse oder Entscheidungen gegen ihren Willen aufgenötigt zu haben. Die folgenden Phasen und Interventionsansätze sind sehr stark auf Lern- und Arbeitsgruppen ausgerichtet. Für Gruppen, wie sie im Gesundheitsbereich angeboten werden, bei denen es um soziales Lernen, um Selbstreflexion, Selbsterfahrung und Copingstrategien geht, gelten diese Interventionsansätze nur bedingt. Will man dieses Schema auch auf diese Gruppen anwenden, dann ist zu beachten, dass sich diese Gruppen spätestens nach dem „Storming”, im „Forming”, „Norming”, und „Performing” gleichzeitig bewegen. 18 Gruppenphasen IV. Performing IV. Performing [Stahl, aaO., S.153] Die Arbeitsphase: Performing Das Performing ist die Arbeitsphase der Gruppe, in der sich durch das Miteinandertun aus der Vereinbarungsstruktur die Kooperationsstruktur entwickelt. Die wesentlichen evolutionäre Leistung der Gruppe besteht in der Restabilisierung der Gruppe. Der bestehende Vertrag gilt und wird weitgehend eingehalten. Unkalkulierbare Veränderungen, die den Arbeitsablauf durchkreuzen, werden durch kurzfristige Anpassungen im Geiste des bestehenden Gruppenvertrages abgefedert. Für die einzelnen Mitglieder bringt diese Phase Klarheit, wie nützlich der Einzelne für die Gruppe und umgekehrt die Gruppe für ihn ist. Wesentliche Komplikationen des Performings sind Prozessüberhänge, Versagensangst und Aktionismus. Wir beschreiben zwei Interventionen, die der Coach in der Rolle des „Urlaubers" einsetzen kann. Die Gruppe im Performing „Endlich wird gearbeitet" Nachdem die vordringlichen Zielkonflikte im Rahmen der Vereinbarungsstruktur geregelt worden sind, kann sich die Gruppe nun daran machen, den verabredeten Zielen auf den vereinbarten Wegen einen Schritt näher zu kommen „Es wird endlich gearbeitet!" - dieser Seufzer ist zu Beginn des Performings von den meisten Mitgliedern zu hören. Natürlich war auch die Entwicklung der Vereinbarungsstruktur ein schönes Stück Arbeit. Die meisten Gruppen erleben diese strukturbildende Anstrengung aber als leidiges, im besten Falle notwendiges Übel. Nun müssen die im Norming gebauten Brücken zwischen den Beteiligten ihre Tragfestigkeit unter Beweis stellen. Jetzt kommt die „wirkliche" Arbeit - eine Zeit des Miteinander-tuns, des Einanderunterstützens, des Voneinanderlernens und des Gemein-sam-etwas-Schaffens. Die Gruppe erlebt Erfolge und Misserfolge, Engpässe und Durchbrüche, Möglichkeiten und Grenzen der Kooperation angesichts anstehender Aufgaben. Die Gruppenstruktur wird im Performing einem Erfolgstest ausgesetzt, der den Beteiligten ein Feedback hinsichtlich der Effizienz ihres Miteinanders liefert: „Sind wir so, wie wir uns organisiert haben, in der Lage, unsere Ziele zu erreichen?" 19 Gruppenphasen IV. Performing [Stahl, aaO., S.166] Interventionsansätze im Performing Die Rolle des Coaches. War der Coach in seiner Funktion als Katalysator des Gruppenprozesses mal väterlicher Pate (Forming), mal Klärungshelfer und Sprengmeister (Storming), mal Moderator, Schlichter und Notar (Norming), so ist er jetzt - arbeitslos. Sobald die Gruppe über eine adäquate Vereinbarungsstruktur verfugt und solange die sich daraus entwickelnde Kooperationsstruktur hält, braucht sie den Coach so wenig wie ein Pkw zwischen den Inspektionsterminen den Mechaniker. Vielleicht bleibt der Coach in einer anderen Rolle (Teilnehmer, Vorgesetzter) an Bord. Vielleicht wird er gelegentlich als Fachmann oder Referent in inhaltlichen Fragen gebraucht. Wenn nicht, dann hat er jetzt Urlaub. Wer als Coach unbedingt eine Rolle braucht, des Urlaubs überdrüssig ist und sich um seine Existenzberechtigung sorgt, kann sich während des Perfor-mings bestenfalls noch als zurückhaltendes Frühwarnsystem verdingen und die Gruppe rechtzeitig auf die nachlassende Tragfähigkeit der Kooperationsstruktur und aufkeimende Komplikationen hinweisen - das ist aber wirklich das mögliche Maximum an Coachaktivität. Dementsprechend schlank bleibt der Interventionskatalog. Zurückhaltung Damit die Beteiligten den wechselseitigen Nutzen des Performings wirklich erleben können, muss der Coach klar und deutlich das Feld räumen und sich fortan zurückhalten. Sonst besteht die Gefahr, dass die Gruppe sich weniger auf das Gelingen als auf die Vermeidung des Misslingens konzentriert „Hat unser Coach nicht eben sanft den Kopf geschüttelt? Sind wir etwa im Begriff uns zu vergaloppieren? Was ist denn jetzt schon wieder schiefgelaufen?". Das Beste, was der Coach jetzt für die Gruppe tun kann, ist, ihr sein Vertrauen durch Rückzug zu beweisen. Das ist für viele Coaches keine leichte Übung. Konnten sie während der vorhergehenden Phasen glänzen und sich profilieren, so sind sie jetzt abgemeldet. Die Arbeitsphase der Gruppe ist halt nicht die Arbeitsphase des Coaches. Der nutzt diese Zeit besser, um sich innerlich zu sammeln, damit er als Coach wieder zur Verfügung steht, wenn sich das Gruppenperfor-ming dem Ende zuneigt. Wer diese Weisheit nicht besitzt, läuft Gefahr, zum Hemmschuh der Gruppe zu werden. 20 Gruppendynamik D. Gruppendynamik Der Aufsatz von Antons, der sich vor allem auf Forschungsergebnisse von Bion bezieht, benennt die Macht als ein wichtiges Steuerungsmoment der Dynamik im Gruppenprozess. [Antons, aaO., S.301-307] ASPEKTE DER DYNAMIK VON GRUPPEN (BIONS THEORIE DER GRUNDANNAHMEN UND DIE MACHT IN GRUPPEN) In Gruppen — und damit auch in Lern- und Arbeitsgruppen — gibt es neben vielen Unterschiedlichkeiten und Überraschungen auch Regelmäßigkeiten, die mit einiger Wahrscheinlichkeit im Laufe eines gruppenorientierten Lern- und Arbeitsprozesses auftreten, diesen beeinflussen oder sogar prägen. Das einzelne Gruppenmitglied sieht sich insbesondere am Anfang einer Gruppe oder eines Seminar mit einer neuen Situation konfrontiert. Es ist aus seiner gewohnten psychischen und sozialen Umwelt heraus in eine ihm fremde Umgebung versetzt. So ist ihm z. B. das Seminargebäude unbekannt, die anderen Teilnehmer sind ihm fremd, das Seminar selbst kennt es noch nicht. Diese Situation erzeugt häufig negative Gefühle wie Unsicherheit, ängstliche Beklommenheit, Einsamkeit, Fremdheit, Gespanntheit. Diese Gefühle sind sicher nicht bei allen Teilnehmern und Teilnehmerinnen gleicher Art und gleich stark, sie sind aber dennoch in der Gruppe vorhanden und schaffen ein Bedürfnis nach Strukturierung, die der unklare Situation ein Ende machen und Orientierung bieten könnte. In dieser Phase stehen für die Teilnehmer folgende Fragen unterschiedlich stark im Vordergrund. —Wer bin ich hier, wer soll ich hier sein? Wie soll ich mich hier verhalten, welche meiner vielen Rollen soll ich spielen? —Wer sind die anderen? Was kann ich von ihnen erwarten? Wie werde ich auf sie wirken? Wer hat hier Einfluss und Anerkennung, bestimmt das Gruppengeschehen? Kann ich mich hier behaupten und von wem kann und will ich mich beeinflussen lassen? — Was kommt hier auf mich zu? Werde ich fähig sein, meine Ziele zu erreichen? Werde ich überfordert sein? Welche Folgen wird mein Verhalten in der Gruppe haben? Werde ich fähig sein, die negativen Folgen zu ertragen? Besonders in dieser Phase meinen viele Teilnehmer, sich in irgendeiner Form vom Leiter / Trainer / Dozenten / Moderator oder von äußeren, mitgebrachten Normen abhängig machen zu müssen, statt sich Schritt um Schritt selbst zu orientieren und die damit verbundene Unsicherheit als natürlich, wenn auch nicht unbedingt angenehm zu akzeptieren. B i o n spricht hier von „Abhängigkeit". 21 Gruppendynamik [Antons, aaO., S.302] Andere Teilnehmer meinen, sich in Untergruppen oder mit mindestens einem oder einer anderen enger zusammenschließen zu müssen, um das Gefühl des Alleinseins zu vermeiden und eine erste emotionale Orientierung zu haben. B i o n nennt dieses Verhaltensmuster "Pairing" (also etwa: Paar- und Bündnisbildung). Pairing, die Bildung von Paaren oder Untergruppen, und Abhängigkeit, die Fixierung auf den/die Leiter oder auf Normen, wirken sich auf die Struktur und den Prozess einer Gruppe aus. Sie können sich dabei verbinden mit zwei anderen, von B i o n beschriebenen, typischen emotionalen Mustern: Flucht- und Kampfverhalten (fight/flight). — Verbinden sich Abhängigkeit und Flucht, dann bedeutet das,dassß man sich dem Leiter unterwirft, da man die eigene Entmündigung ohnehin erwartet. — während die Fluchtreaktion bei Pairing so aussieht, daß man sichin oder mit der Untergruppe zurückzieht und sich isoliert („wir bilden unsere eigene Gruppe", „... halten uns raus", „... sind beleidigt"). — Im Falle der Abhängigkeit bedeutet Kampf, daß man sich gegen den Leiter oder gegen die Normen zur Wehr setzt, mit ihnen kämpft, Opposition betreibt (Gegen-Abhängigkeit, Protest gegen die Autorität). — während Kampf sich im Falle des Pairing dadurch zeigt, daß man sich mit und im Schütze der Untergruppe durchsetzen will, ohne Rücksicht auf die übrigen Teilmehmer zu nehmen. Bevor solche Gruppenphänomene nicht geklärt, bearbeitet bzw. durchbrochen sind, absorbieren sie Energie. Sie nehmen den einzelnen Teilnehmer gefühlsmäßig mehr oder minder in Beschlag. Dies hindert daran, die Aufmerksamkeit auf die Bearbeitung des anstehenden Stoffes zu richten und sich auf die Ziele hin zu orientieren, an denen die einzelnen Teilnehmer der Lern- oder Arbeitsgruppe wirklich interessiert sind und womit sie sich wirklich beschäftigen möchten. Andererseits hemmen diese Phänomene auch den Prozess der Gesamtgruppe, d. h. es kommt nicht oder nur sehr mühsam zu einer Zusammenarbeit, die sachlich und atmosphärisch das trifft, worum es den einzelnen Teilnehmern eigentlich geht (Workculture). Die beschriebenen Phänomene sind in gruppenarbeitsorientierten Lernveranstaltungen kaum zu vermeiden. Aber sie sind zu bearbeiten, wenn sie den Lernprozeß behindern. Der Trainer, der solche Muster selbst wahrnehmen und beschreiben kann, hat dazu mehrere Möglichkeiten: — er kann die negativen Spannungen benennen, die Gründe ihres Zustandekommens sichtbar und damit auch ansprechbar machen — er kann die eigenen Gefühle aussprechen und den Teilnehmern helfen, die ihren klar zu machen und zu ändern ; ; — er kann für sich selbst voraussetzen und akzeptieren, daß in den Frühstadien eines gruppenorientierten Seminars viel Energie darauf verwendet werden muß, die beschriebenen emotionalen Muster zu durchbrechen, um wirklich produktive Arbeitsarrangements treffen zu können. 22 Gruppendynamik [Antons, aaO., S.303] Die Grundmuster des Verhaltens, die B i o n für die Frühstadien von Gruppen beschreiben hat, können — wenn sie sich nicht auflösen — den Entwicklungsprozeß einer Gruppe stark beeinflussen, ja sogar regelrecht zur typischen Konfliktbewältigungstechnik der Gruppen werden. Um dies genauer darzustellen, benötigen wir einen weiteren Begriff, den der Macht. Um sie dreht sich in Gruppen vieles, sie gibt manchen auf den ersten Blick übertriebenen und sinnlosen Verhaltensweisen letztlich Sinn und vermag bisweilen zweckvolle Unklarheit in der Gruppenstruktur zu erklären. , Was bedeutet nun Macht in einem Seminar und wie wirkt sie sich aus? Offiziell und für alle sichtbar hat in einem Seminar der Trainer Macht. Das Seminar ist vorerst sein „Reich", sein „Gelände". Er genießt Vorschuß-Autorität, häufig gestützt durch eine unausgesprochene Erwartung, die letztlich heißt „der Trainer weiß alles und kann alles", zumindest im Hinblick auf den Stoff und auf die konkreten Probleme, die der einzelne Teilnehmer lösen bzw. gelöst haben möchte. Dagegen sind die Teilnehmerinnen und Teilnehmer offiziell alle gleich. Tendenziell möchte aber fast jeder Teilnehmer besondere Aufmerksamkeit durch den Trainer erfahren und auf diese Weise aus der Gruppe herausgehoben werden. Die entsprechenden Verhaltensmuster wurden bereits anhand der Begriffe Abhängigkeit und Gegenabhängigkeit dargestellt: Sie reichen von schutzsuchender Unterwerfung und Musterschüler-Habitus über demonstrativ zur Schau getragenem Desinteresse bis zur ständigen Rangelei und Opposition. Die Aufmerksamkeit und das Verhalten der Teilnehmer sind jedenfalls — wie in einer Hierarchis — verstärkt „nach oben", auf den Trainer gerichtet. Die anderen Teilnehmer werden dagegen eher als Rivalen um die Gunst und Aufmerksamkeit des Trainers wahrgenommen. Inoffiziell, d.h. „unter der Decke" wird dadurch viel Dynamik ausgelöst, deren unterschwelliges Ziel die Herstellung einer Rangordnung unter den Teilnehmern ist. Das entscheidende Kriterium dieser Rangordnung kann man „Einfluss" oder „Macht" nennen. Sie bildet sich in einem Machtkampf heraus, der mit sehr unterschiedlichen Mitteln geführt wird. Erst in einem späteren Stadium kommt „Vertrauen" hinzu oder anders formuliert: Vor der Ver- trauensfrage beschäftigt Gruppen unterschwellig die Machtfrage. Macht und Einfluss erlangt: — — — — — wer Orientierung und Stärke glaubwürdig darstellt wer die Bedürfnisse relativ vieler Teilnehmer trifft und ausdrückt wer häufiger vom Trainer bestätigt wird wer Normen setzt oder sich über Normen hinwegsetzt wer distanziert beobachtet, gelegentlich treffende Aussagen macht und dadurch signalisiert, daß er „treffen" kann, wenn er will, ohne selbst „getroffen" zu werden — wer die anderen Teilnehmer oder den Trainer emotional auf sich auf- merksam macht — wer seine Schwäche glaubwürdig darstellt und damit Auseinander- setzung mit sich blockiert — oder aber, wer infolge eines Pairings mit Helfern, Beschützern oder Hilfstruppen auftritt und damit ebenfalls Auseinandersetzung unter- bindet. 23 Gruppendynamik Macht und Einfluss hat der Teilnehmer, auf den viele Interaktionen bezogen sind; ob diese nun direkt oder indirekt, mit Worten, Blicken oder Gesten durchgeführt, von Ängsten oder Aggressionen, Anerkennung oder Mitleid, Sympathie oder Abneigung motiviert sind. Macht wird erlebt als Ausgeliefertsein (das Gefühl ist dann Ohnmacht), als Konkurrenz oder als Schutz, Sicherheit und Orientierung schaffend. Macht und Einfluss können — und werden in der Regel — im Verlauf des Gruppenprozesses wechseln. Wesentlich ist dabei, daß Macht- und Einflußfaktoren nicht nur mit Stärke, sondern auch mit Schwäche verbunden sind. Macht und Einfluss zeigen sich deshalb auch nicht nur im Durch- setzen, sondern auch im Verhindern (Veto- oder Blockademacht), ihr Er- scheinungsbild ist nicht nur offen, sondern auch verdeckt und manipulativ. Die Ausübung von wie auch die Reaktion auf Macht kann sowohl aggres- sive als auch depressive Gefühlsstörungen auslösen. Solch aggressiven oder depressiven Gefühle können sich — auch bei einer Person — abwech- seln. Der aggressive Impuls richtet sich dann z. B. gegen die Macht des Schwachen, dessen Schwäche als manipulierend erlebt wird (das mindert depressiv getönte Schuldgefühle und Handlungsängste) oder gegen die Schwäche des Mächtigen (das mindert Angst und Ohnmachtsgefühle). [Antons, aaO., S.305] Wesentlich dabei ist, daß latente, unausgesprochene Aggression Ver unsicherung schafft und die Entwicklung der Gruppe hin zur koopera tiven Arbeitsfähigkeit lahmt, während manifeste, klar geäußerte und klar bezogene Aggression bisher Unterschwelliges deutlich macht, da durch Handlungsfähigkeit schafft und den Gruppenprozeß eher befördert. Eine wichtige Funktion des Trainers ist deshalb, unterschwellige Aggres sionen aufzugreifen, anzusprechen und sie sichtbar zu machen. Und dies selbst dann, wenn es ihm ebenfalls lieber wäre, einen Konflikt zu ver meiden, rational wegzudrücken bzw. wieder ins Unterschwellige zu verschieben. Bei durch Stärke oder Schwäche übermächtigen Mitgliedern der Gruppe — also etwa dem Trainer selbst, bei stabilen Pairings oder sehr hilflosen Teilnehmern — kann der Widerstand der Teilnehmer gegen eine offene Konfrontation (und die Angst vor deren phantasierten Folgen) so stark sein, daß sich der Konflikt nicht aufdecken läßt. Die Mächtigen halten dann mit Macht den Deckel auf dem Topf, obwohl über dessen brodelnden Inhalt eigentlich jeder Bescheid weiß. Es gilt dann sich zu überprüfen, auf weitere Hinweise zu sehen und die Situation neu anzusprechen, wenn die Behinderung der Gruppe das nächste Mal deutlich und lästig spürbar ist. Eine Lerngruppe bildet ständig neue Macht- und Einflußstrukturen, aber nur durch eine offene Klärung lernt sie mit ihren Macht- und Einflußpotentialen konstruktiv, im Sinne ihrer Aufgabenbewältigung umzugehen und dies in einem Klima, das auch die emotionalen Bedürfnisse der beteiligten Personen befriedigt. Eine These dieses Arbeitspapiers war, daß die B i o n'schen Grundmuster des Verhaltens in Gruppen zur typischen Konfliktbewältigungstechnik einer Gruppe pervertieren können, wenn es nicht gelingt, sie aufzulösen. Der Lern- und Arbeitsvorteil von Gruppen (Flexibilität, Kreativität und Selbststeuerung) würde dann verspielt. Zum Schluß soll deshalb betrachtet werden, wie sich Kampf und Flucht, wie sich Abhängigkeit und Pairing darstellen, wenn sie den Gruppenprozeß längerfristig prägen und Teil der „Gruppenkultur" werden. 24 Gruppendynamik Im Fall von Konflikten ist dann zu beobachten: — Ein oder mehrere Gruppenmitglieder werden veranlaßt, die Gruppe zu verlassen. Das kann mit Hilfe verschiedener Mittel geschehen: mit Spott, mit Diffamieren, durch Kaltstellen und Ignorieren oder durch Schuldzuweisung nach dem Sündenbockmodell. Die Verfahren reichen dabei vom Hinauswurf bis zum Hinausekeln oder zum Angebot, „mit Anstand" (oder als „der Klügere") Konsequenzen zu ziehen. [Antons, aaO., S.306] — Diese Art Konfliktlösung kann man auch von der umgekehrten Seite betrachten, indem man sagt: ein Teil der Gruppe schließt sich aus, gibt auf, springt ab. — In vielen Fällen reicht bereits eine angedeutete Drohung mit Ausschluß oder die Drohung, die Gruppe zu verlassen, um einen Konflikt zum eigenen Vorteil und auf Kosten anderer zu lösen. — Eine andere, ebenfalls wohlbekannte Form der Konfliktlösung könnte man Unterdrückung nennen: wer Macht und Einfluss besitzt, zwingt die anderen zum Nachgeben. Einer oder eine Gruppe beherrscht oder manipuliert andere und hält sie in (Verlust-)Angst und damit in Abhängigkeit. — Umgekehrt gesehen, kann man auch sagen: die Seite, die sich schwächer fühlt, sich unterwirft, dem Druck nachgibt, die Auseinandersetzung scheut, sich fügt, macht sich abhängig. — Eine häufige Form von Konfliktbewältigung, die dann bevorzugt wird, wenn es gilt, Unterschwelliges nicht offenbar werden zu lassen — also z. B. nicht über Ärger, Gefühle des Mißtrauens und der Rivalität oder über die Angst vor Dominanz zu sprechen — ist der „faule Kompromiß": Jede Partei macht der anderen soviel Zugeständnisse, daß zwar die aktuelle Situation überbrückt, aber an dem eigentlichen Frontverlauf nichts geändert wird. Der alte Konflikt wird absehbar an einer neuen Stelle wieder auftreten. Da dies alle bereits erahnen, aber nicht aus sprechen, bleibt ein unbefriedigendes Gefühl. — Eine letzte Form des Umgangs mit Konflikten, die sich aus den B i o n'- schen Annahmen ableiten lassen, kennen wir bereits als Pairing oder Allianz, d.h. als Zweckbündnis, bei dem bewußt Äpfel und Birnen ver tauscht werden und man gemeinsam vor sich und anderen den Etiket tenschwindel verleugnet. Anders formuliert: Um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, spricht man nicht über die Probleme und Konflikte unterein ander und läßt auch niemand anderen darauf zu sprechen kommen. Man klärt die eigene Beziehung nicht, sondern legt deren Probleme auf Eis. Unausgesprochen bleibt z. B.: „Ich bin zwar durchaus nicht der Meinung von X, aber ich unterstütze ihn voll, denn ich brauche ihn, um mich hier nicht so fremd und allein zu fühlen". Dadurch entsteht ein kurzfristiger Vorteil gegenüber anderen, die über ihre Differenzen offen sprechen. Und diesen Vorteil nützt man aus. Solche Konfliktlösungen sind für die Arbeitsfähigkeit und das Klima einer Gruppe destruktiv. Sie alle behindern und blockieren einen Prozess, der mit der Zeit zu einer echten Kooperation mit reifen Entscheidungen führt, zu Lösungen, die von der ganzen Gruppe erarbeitet sind und alle Mitglieder weitgehend befriedigen. 25 Gruppendynamik [Antons, aaO., S.306] Um dies aber leisten zu können, muß die Arbeitskultur der Gruppe es ermöglichen, daß unterschiedliche Bedürfnisse und Interessen benannt, differente Meinungen diskutiert, abweichende Meinungen ernst genommen, gegeneinander abgewogen, kreativ ergänzt, völlig umgedacht und neu formuliert werden. Nur so hat die Lösung Chancen, inhaltlich besser und emotional befriedigender und tragfähiger zu sein als alle vorangegangenen Teilvorschläge. Man könnte dies „Integration" nennen. Integration in diesem Sinne setzt aber voraus, — daß sich alte Muster wie Kampf und Flucht, Abhängigkeit und Gegen abhängigkeit aufgelöst haben oder die Gruppe sie zumindest selbst aussteuern kann, — daß die Macht- und Einflußstruktur weitgehend geklärt ist (was bleibt vom Schwachen, wenn seine Macht — und was vom Starken, wenn seine Schwäche entdeckt und besprochen wird?) und Kompetenzen sich entfalten können, ohne sich in Rivalitäten zu verstricken, — daß ein „Vertrauensklima" den Arbeitsprozeß trägt, so daß die eigenen Meinungen und Möglichkeiten angstfrei dargestellt und eingebracht werden können. 26 Sündenbock, Außenseiter, Rollenverteilung E. Sündenbock, Außenseiter, Rollenverteilung Sündenbock, Außenseiter Rollenverteilung, Rollenübernahme, Rollenverhalten sind im menschlichen Miteinander notwendige und gute Regulative. Sie sparen Zeit, Energie, geben Sicherheit und sind identitätsstiftend. Sie entlasten den Menschen alles und jenes immer wieder neu entscheiden zu müssen. Zu Schwierigkeiten kommt es vor allem dann, wenn wir in einem Rollenkorsett leben – wenn wir für wechselnde Aufgaben und Situationen nicht auch wechselnde Rollen einnehmen und ausfüllen können, oder wenn uns andere ein Rollenkorsett anlegen wollen oder wenn wir Rollenversprechen geben und sie nicht erfüllen können oder wollen. Mit der folgenden Textauswahl sollen Sie einen Einblick in die Rollendynamik von Gruppen bekommen. Dadurch erhalten Sie eine Hilfestellung für Kompetenz in der Gruppenleitung. Im folgenden habe ich für Sie zu diesem Thema Texte von Antons, Stahl und Schmidt-Grunert zusammen gestellt. [Antons, aaO., S.307-306] GRUPPENPROJEKTIONEN: AUSSENSEITER UND SÜNDENBÖCKE In den meisten Gruppenverläufen gibt es Phasen, in denen ein Mitglied nicht dazuzugehören scheint; was er oder sie tut, ist „daneben", unpassend, falsch. Das kann bis zur Ausstoßung oder dem Abbruch der Teilnahme dieses Mitglieds gehen. Nicht jedes Gruppenmitglied eignet sich für diese Rolle; zwei Arten von Menschen bieten sich dafür an: —solche, die aufgrund unveränderbarer Eigenschaften anders sind als die '"•" anderen, z. B. eine andere Hautfarbe, eine andere Sprache, ein Gebrechen ' haben (das schwarze Schaf unter weißen) und sich von daher zur Ab lehnung anbieten; solche, die in ihrer Lebensgeschichte, beginnend mit ihrer Rolle in der Familie, bevorzugt Außenseiterpositionen eingenommen haben und ein Repertoire an Verhaltensweisen mitbringen, die einen Ausschluß provozieren: Zurückweisen von Kontakt- und Hilfsangeboten, gezieltes Übertreten von Gruppenregeln, Entwerten der Gruppe etc .Solche Menschen 27 Sündenbock, Außenseiter, Rollenverteilung (Kombinationen aus beidem sind möglich) sind nicht nur Opfer der Gruppe; meist führt eine Kette von eskalierenden Interaktionen zum Ausschluß. Für einen gruppendynamischen Zugang zu dieser Problematik ist es weniger wichtig nachzuforschen, wer warum zum Außenseiter wird; mehr Aufschluß bringt die Betrachtung des Prozesses unter der Fragestellung: was geschieht hier in der gesamten Gruppe? Wozu braucht diese Gruppe in dieser Situation einen Außenseiter, einen Sündenbock? Der „Sündenbock" war bei den alten Israeliten ein realer Hammel, der zur Zeit der frühjährlichen rituellen Reinigung symbolisch mit den Sünden der Gemeinschaft beladen und in die Wüste gejagt wurde (Der „Prügelknabe" dürfte eine ähnliche rituelle Herkunft haben). — Wenn damals, in einem religiösen Kontext, eine solche EntSchuld-igung gewirkt haben mag, so haben Gruppen heute doch meist mit massiven Schuldgefühlen zu kämpfen, wenn sie „erfolgreich" ein Mitglied zum Verlassen gebracht haben. Den hier wirksam werdenden Vorgang nennt man Projektion (vgl. 7.93): ein Motiv, ein Gefühl, ein Verhalten oder eine Haltung, die ich bei mir selbst nicht akzeptiere, sehe ich beim anderen vergrößert. Bei ihm kann ich das entsprechende dann bekämpfen, ohne merken zu müssen, daß der Kampf eigentlich einer Regung in mir selbst gilt. — Der Begriff entspricht dem technischen Vorgang, in dem ein Film- oder Diaprojektor ein kleines Bild aus seinem „Inneren" heraus vergrößert und auf die Projektionsfläche wirft. Menschen haben schon immer versucht, sich auf diese Weise vor der Auseinandersetzung mit den eigenen ungeliebten Eigenschaften zu schützen: Jesus empfielt in der Bergpredigt (Mt. 7.3-4, Lk. 6.41-42), nicht den Splitter im Auge des Bruders, sondern den Balken im eigenen Auge zu betrachten (wie überhaupt die Bergpredigt sich gegen das Projektive wendet); Goethe läßt Mephisto sagen: „Sprich, wovon Du willst — Du wirst immer von Dir selbst selber reden!" Sündenbock-Projektionen spielen in individuellen wie in internationalen Beziehungen ein Rolle. Sie wirken beim Zustandekommen von Feindbildern, von nationalen, rassischen und anderen Vorurteilen (vgl. 7.92); sie wirken auch in Gruppen. R. S c h i n d l e r (z. B. 1968, 1969) hat ein Gruppenmodell vorgelegt, mit dem die Funktion von Sündenböcken in Gruppen verständlich wird. Positiv formuliert, bilden sich Gruppen um ein gemeinsames Ziel. S c h i n d - I e r formuliert es andersherum und sagt, daß sie sich gegen einen gemeinsamen Gegner bilden. Gruppengegner kann eine reale Person sein, genauso gut aber ein Zustand, ein Mangel oder Mißstand ; Alkoholikergruppen bilden sich gegen den Feind Alkohol, Diätgruppen gegen die Freßsucht — Menschen, die in ein gruppendynamisches Training kommen, wollen vielleicht ihrem Mangel an Sozialkompetenz oder Sensitivität abhelfen. Eng verbunden mit Sündenbock- und Außenseiterrolle sind Vorurteile und Stereotypen. Nicht selten werden mit deren Hilfe Außenseiter und Sündenböcke produziert. [Schmidt-Grunert, aaO., S.116-118] DIE FUNKTION DES SÜNDENBOCKS Das Phänomen des Sündenbockjagens tritt sowohl zwischen zwei Individuen auf als auch im vielgestaltigen Beziehungsgeflecht der Gruppe. Obwohl die Groupworker primär in Gruppensituationen damit zu tun haben, müssen wir unseren Ausgangspunkt von der intrapsychischen Ebene aus nehmen und prüfen, wie individuelle Bedürfnisse und Dynamik den Prozess des Sündenbockjagens hervorrufen und fördern. Dann wird es eher möglich zu verstehen, wie die unterschiedlichen individuellen Verhaltensmuster kombiniert werden, um den Interaktionsprozeß und die 28 Sündenbock, Außenseiter, Rollenverteilung Gruppenstruktur zunächst zu schaffen und sodann von ihnen beeinflußt zu werden. DER SÜNDENBOCK 9 9 Das am häufigsten beobachtete Kennzeichen des Sündenbocks ist seine Unfähigkeit, mit Aggressionen fertigzuwerden. Ein starker passiver und masochistischer Zug tritt gewöhnlich deutlich hervor. Sei es, daß er sich unbehaglich oder unfähig oder zu schuldbeladen fühlt, um seinen eigenen ärgerlichen Gefühlen Ausdruck zu verleihen, der potentielle Sündenbock muß den Spott oder die Ablehnung der anderen suchen: Er kann wie ein Schwamm passiv Bestrafung aufsaugen, um damit sein psychisches Gleichgewicht durch negative Stützung von außen aufrechtzuerhalten. Auf der anderen Seite finden wir auch eine bestimmte Art der Annäherung an andere, durch die der Sündenbock zuerst den Angriff provozieren muß, um so die Verantwortung für die Aggression nach außen zu verlagern und sich von der Schuld für seine nachfolgende Feindseligkeit freizusprechen. Gleichgültig, ob das Bedürfnis des Sündenbocks grundsätzlich mehr auf Buße oder auf die Bestätigung, die Umwelt sei „böse", abzielt, er benötigt die Zusammenarbeit mit seinen Verfolgern und gebraucht eine Vielzahl von Techniken, um sie sich zu sichern. Drei grundlegende Fakten machen es glaubhaft, daß der Verfolgte seine Rolle häufig absichtlich übernimmt. Erstens neigt ein solcher Mensch dazu, sich mit Situationen, Personen und zwischenmenschlichen Arrangements in Kontakt zu bringen, die sich nach entsprechender Untersuchung oder im Rückblick als ihn verletztend herausstellen, und zwar so, daß die Verletzung immer wieder erfolgt und er keine Gelegenheit hat, anpassungsfähiger zu werden. Tatsächlich verstärkt er seine Provokationen oft oder bleibt immer länger in der gefährlichen Situation, die zu einem Anwachsen der Beschimpfungen führt. Ein Beispiel dafür ist ein Bub in einer Gruppe von sechs heranwachsenden Jungen, der Woche um Woche immer wieder mit schmutzigen Schuhen auf der sauberen Turnmatte der Gruppe scheinbar achtlos herumlief. Das steigerte die Schmähungen von seilen der anderen Mitglieder und führte schließlich zum körperlichen Angriff. Die einzige beobachtbare Veränderung im Verhalten des Jungen war ein noch störrischerer Gesichtsausdruck, als er sich mit einem gewissen Fatalismus schwerfällig zum Schauplatz des Kampfes begab. Zweitens beobachtet man häufig, daß der Sündenbock das Vorhandensein von Verfolgungsmustern leugnet und nicht zugibt, daß er sie sucht. Tut er das nicht, dann wird er doch leugnen, daß irgendwelche negativen Veränderungen, vor allem in ihm selber, vorgehen. „Ich habe nur Blödsinn gemacht." „Die anderen haben sich nichts dabei gedacht." - „Es macht mir wirklich nichts aus, wenn sie mich nicht leiden können." Den dritten Beweis für die Zweckgerichtetheit seines Verhaltens bekommen wir dann, wenn der Sündenbock zugibt, daß die Situation schlimm aussieht: er wird nämlich dann immer hartnäckig dabei bleiben, daß sie außerhalb seiner Kontrolle und ganz einfach hoffnungslos ist. Er kann nun projizieren („Die fangen immer an") oder resignieren („Sie werden nie wie ich sein") oder sich hilflos zeigen („Ich habe versucht, mich zu verteidigen, aber ich kann einfach nicht zurückschlagen"). All das kann als Widerstand gegen eine Änderung des Angriffsmusters gewertet werden, besonders, wenn mit diesen Äußerungen kein Versuch verbunden ist, die Situation konstruktiv zu meistern, oder wenn sie zwar in solchen Versuchen münden, diese aber erst dann stereotyp wiederholt werden, wenn sie offensichtlich schon längst keine Wirkung mehr haben. [[Textformatierung in der Gliederung von mir; MHR]] 29 Sündenbock, Außenseiter, Rollenverteilung DER EINZELNE SÜNDENBOCK UND DIE GRUPPE Wenn man die Vielzahl der Beziehungsmuster, die sich zwischen dem einzelnen Sündenbock und der Gruppe entwickeln, ihre Auswirkungen auf alle Beteiligten und ihre Bedeutung für die therapeutische Intervention betrachtet, lassen sich einige typische Konstellationen skizzieren. 1. Verstoßung Hier treibt man das Symbol für etwas aus, was die Gruppe ablehnt und war ihr Gleichgewicht und ihr Leitbild bedroht. Dieser Schritt ist möglicherweise nur vorübergehend wirkungsvoll. Wenn die Erinnerung an das ausgeschlossene Mitglied nicht ständig wachgehalten und eingesetzt werden kann, wird man schon bald einen neuen Sündenbock findenmüssen. Wir stellen fest, daß es zunehmend schwerer wird, sich die Fehler des früheren Mitglieds durch ausführliche Schilderung ins Gedächtnis zu rufen. Ohne ein begleitendes Ritual (z. B. ein humorvolles Lied, in dem die Fehler besungen werden) oder ein materielles Symbol (z.B. ein Bild oder ein persönlicher Besitzgegenstand) gelingt das immer weniger und führt wahrscheinlich zu einem Verlust der Fähigkeit, projektive Bedürfnisse zu befriedigen oder ihnen Erleichterung zu verschaffen. Es gibt nur zwei Ausnahmen von diesem Umstand: (a) die Ungleichheit zwischen Gruppe und Sündenbock kann so groß sein, daß eine nega tive Assoziation immer wieder möglich wird (Anmerkung des Übersetzers: wie z.B. im Fall des Gruppenverräters); (b)die Gruppe kann später ein anderes Ventil für ihre Spannungen finden oder ein anderes Mittel, um ihre inneren Probleme zu lösen. 2.Institutionalisierung Der Sündenbock erhält einen festen Platz im dynamischen Gleichgewicht der Gruppe. Das dem Opfer zugefügte Leid wird sorgfältig aufgewogen durch soziale, emotionale oder materielle Belohnungen. Leicht erkennbare Beispiele für dieses Arrangement sind der ewige Gruppenclown, der übereifrige Botenjunge, das Team-Maskottchen usw.Tritt noch ein sado-masochistischer Charakter hinzu, so kann das eine wesentliche Stützung dieses Modells vivendi bedeuten. Es gibt für diese Situation wenig Möglichkeiten der Intervention. Das Gruppengleichgewicht wird eher statisch sein und geringe Rollenflexibilität und kaum erkennbare Entwicklung auf individueller oder Gruppenebene aufweisen. 3.Einkapselung Durch diesen Prozess ist der Abweichende innerhalb der Gruppe isoliert. In bezug auf die Gefühlsstruktur der Gruppe ist er ein Satellit, der durch die Anziehungskraft des Group-workers am Rande des interaktionellen Netzwerkes gehalten wird. Dieses Arrangement erweist sich als erträglich und oft stabil, besonders wenn der potentielle Sündenbock nicht herausfordernd handelt, bzw. wenn er sich gefühlsmäßig abseits hält. Schuld- und Verantwortungsgefühle der Gruppe sind befriedigt. Die Bedürfnisse des Abweichenden sind gerade noch erfüllt. Die Interaktionen und wechselseitigen Drohungen bleiben sehr gering, solange die soziale Distanz aufrechterhalten wird und keine neuen Belastungen in das System hineinkommen. 4. Introspektive Einbeziehung Hier ist der Angriff mit einer gründlichen Untersuchung der Hintergründe für das Verhalten des Devianten verbunden und gewöhnlich von einer Selbstprüfung begleitet. Dies bedeutet eine Abkehr von den drei oben genannten statischen Positionen. Man stellt fest, daß der Sündenbockjäger sich um Reaktionen des Sündenbocks bemüht. Der Wunsch, das Verhalten des Opfers zu verstehen, zeigt gewöhnlich die Bereitschaft, sich mit ihm zu identifizieren und die eigenen Probleme zu untersuchen. 30 Sündenbock, Außenseiter, Rollenverteilung (Quelle: Bernstein/Lowy 1978, S. 117-12710) [Antons, aaO., S.195] Zwei Fragen sind im Zusammenhang mit den Vorurteilen zu stellen: • Woher kommen Sie? Menschen, die bestimmten Gruppierungen angehören wollen (Familie, Berufsstand, Schulklasse, Konfession), müssen in einem hohen Ausmaß die Wertsysteme und Glaubensvorstellungen dieser Gruppe teilen. Um Gruppenzugehörigkeit zu erlangen, ist es notwendig, mit den affektiv verwurzelten Überzeugungen dieser Gruppe übereinzustimmen. Diese Übereinstimmung macht einen wesentlichen Teil des sogenannten Wir-Gefühls einer Gruppe aus, sie ist Erkennungszeichen und Bedingung für die Zugehörigkeit. — Wer also „dabeisein will", muß auch die Stereotype einer Gruppe oder Gesellschaft übernehmen: ,Ein Junge weint nicht', ,die Schotten sind geizig', .Kapitalisten beuten aus'. Man kann also sagen, daß Stereotype und Vorurteile, genetisch gesehen, bedingt sind durch soziales Lernen im Streben nach Gruppenzugehörigkeit. • Wozu dienen Sie? Stereotype, ähnlich wie auch Gewohnheiten, sparen Zeit und Mühe, sich in jeder Situation jeweils neu entscheiden zu müssen — was sowieso nicht leistbar wäre und nur eine geringe Handlungsfähigkeit des Menschen ermög-, liehen würde, da es enorm viel Zeit und psychischer Energie brauchen wü dauernd solche Entscheidungen zu treffen. Insofern sind Stereotype sinnvoll! und werden beibehalten, solange sie das Individuum schützen und befriedi-\ gen. Sie wirken also entlastend, auch dadurch, daß sie eine Gruppenzuge-j hörigkeit und damit Sicherheit vermitteln. Man kann sagen, daß mit Hilfe j von Stereotypen Verhaltensweisen innerhalb von sozialen Gruppen bestimmt und reguliert werden. Eine Abwehr gegen die Infragestellung und Änderung von Stereotypen ist in diesem Sinne als Schutzfunktion für die entsprechen de Sozietät zu verstehen. . . . . . . Von diesen sozialen Funktionen her ist es verständlich, daß Stereotype meist • einfacher strukturiert sind als die Wirklichkeit 0 die Erfahrung grob vereinfachen • ein vorschnelles, nicht der Realität angepaßtes Urteilen implizieren • eine hohe Konstanz und Rigidität besitzen. Daraus wird vielleicht deutlich, daß es nicht darum gehen kann, bestehende Stereotype gewaltsam zu zerbrechen in der Illusion, man käme ohne sie aus. Es kommt vielmehr darauf an, sich seiner Stereotype, die man aufgrund diverser Gruppenzugehörigkeiten erworben hat, bewußt zu werden und sie in den Situationen, in denen eine Konfrontation mit dem stereotypisierten Objekt (z. B. mit den Schotten) ansteht, auf ihren Gehalt hin zu prüfen. Ergänzungen: Meine Erfahrung ist, dass diese Rollen nicht automatisch in allen Gruppen auftreten. Wenn es dazu kommt, brauchen die GM die Hilfe der GL. Jeder Außenseiter ist Täter und Opfer. Seine Rolle hat eine belastende und eine entlastende Seite für ihn. Entlastend: 10 Bernstein, S./Lowy, L. :Neue Untersuchungen zur Sozialen Gruppenarbeit. 2.Auflage Freiburg i. Br. 1978 [zitiert bei Schmidt-Grunert aaO. S.118] 31 Sündenbock, Außenseiter, Rollenverteilung - an ihn werden keine großen Anforderungen gestellt, er kann sich Wünschen, Aufgaben, Kontakten entziehen, die Anderen wenden sich an ihn, er kann passiv bleiben, die anderen sind die „Bösen”, weil sie immer etwas von ihm wollen, er muss nicht aktiv werden. Belastend - er ist einsam, er gehört nicht dazu, er hat kein Netzwerk, bekommt wenig Unterstützung, (z.B. Infodefizit), er muss sich immer abgrenzen, muss aufpassen, dass er nicht vereinnahmt wird. 32 Sündenbock, Außenseiter, Rollenverteilung Herausforderungen und Aufgaben der GL im Umgang mit Außenseiter und Sündenbock Merke: Analysieren Sie in der konkreten Situation genau, ob es sich bei der Ausgrenzung vor allem um eine Gruppenprojektion handelt, oder vor allem (in „reiner Form” kommt es äußerst selten vor) ein intrapsychisches Problem des Ausgegrenzten ist. Bei der Gruppenprojektion gibt die Analyse der Gruppendynamik (eventuell über ein Gruppensoziogramm)ersten Zugang und Erkenntnisse für die GM. In diesem Fall geht es darum, den Lernprozess für das einzelne GM in seinem Gruppenverhalten anzustoßen. Ist das Sündenbockphänomen vor allem durch ein manifestes, neurotisches Verhalten des Betroffenen hervorgerufen, sprengt es die Möglichkeiten einer Arbeitsgruppe. Es gehört in einer therapeutischen Gruppe bearbeitet mit dem Ziel einer Verhaltensänderung des Individuums. In Arbeitsgruppen, Semestergruppen, Teams usw. geht es meines Erachtens primär darum, die Arbeitsfähigkeit aller GM zu gewährleisten und zu erhalten. Hier kann es z.B. eine große Hilfe und Erleichterung für alle sein, wenn Sie gemeinsam klären, wer, wann, wodurch, den „Sündenbockmechanismus” auslöst. Dadurch können alle etwas lockerer damit umgehen und sind nicht immer wieder aufs Neue irritiert. Als GL sollten sie auf keinen Fall das Problem übergehen oder ignorieren. 33 Sündenbock, Außenseiter, Rollenverteilung Merke: Als GL sind Sie nicht für den Sündenbock in Ihrer Gruppe verantwortlich. Nicht jeder Außenseiter muss integriert werden, kann aber trotzdem in der Gruppe bleiben. Es kann sein, dass alle Versuche scheitern, ihn zu integrieren. Es kann sein, dass es für den Sündenbock besser ist, sich von der Gruppe zu trennen. Der Sündenbock leidet mehr unter den hinter der Rolle verborgenen Konflikten als unter seiner Rolle. Seine Position hat auch eine notwendige Schutzfunktion für ihn. Einen Schutz sollte man dem anderen nicht entreißen. Der einzige erfolgreiche Weg ist, wenn der Sündenbock es wagen kann, auf seinen Schutz langsam zu verzichten. Als GL müssen Sie u.U. den Sündenbock vor den GM, aber auch die GM vor dem Sündenbock schützen. Achten Sie darauf, dass sich die Gruppe nicht zu lange mit der Person des Rollenträgers beschäftigt, damit würde nochmals eine Verstärkung der Positionen erfolgen. Achten Sie auf Ihre Allparteilichkeit und schützen Sie nicht einseitig, die Versuchung ist hier groß. Es ist ganz besonders schwierig für die GL, wenn ein GM die Gruppe stark behindert und die Gruppe dies zulässt und eine Trennung aus moralischen und Normgründen als Lösung nicht akzeptieren kann. Als GL müssen Sie immer genau prüfen, welches Handeln angebracht ist. Zwei Beispiele hierzu: 1. Haben Sie per Arbeitsauftrag die Arbeitsfähigkeit der Gruppe zu garantieren, dann müssen Sie handeln. 34 Sündenbock, Außenseiter, Rollenverteilung 2. Geht es um eine Gruppe, die lernen muss, Konflikte zu lösen, dann würden Sie, wenn Sie die Konfliktklärung stellvertretend übernehmen, Lernen verhindern. Aufgabe 4: Nennen Sie Beispiele (aus eigener Erfahrung) in denen aus Ihrer Sicht die Gruppenleitung stellvertretend für die Gruppe handeln muss und solche, in denen es Gruppenthema werden muss. Rollenverteilung Im folgenden Abschnitt von Stahl, ist noch einmal anschaulich dargestellt, wie dem Individuum mit starken neurotischen Anteilen, die Wahrnehmung der konkreten Situation verstellt ist. Wie es scheinbar unausweichlich „seine Realität” immer wieder herstellt, herstellen muss. [Stahl, aaO., S.315] Neurotische Besetzung von psychologischen Rollen. Mitunter ist das Verhaltensrepertoire eines Menschen in Gruppen so eingeschränkt, dass er sich - im Extremfall - nur in einer einzigen Beziehungskonstellation (z.B. „Versager unter Könnern") sicher fühlt. So, als müsse ein vorgegebenes Drehbuch immer wieder neu inszeniert werden, schafft der Einzelne dann beinahe zwanghaft immer wieder die gleichen Beziehungsmuster. Dazu besetzt er selbst die entsprechende Rolle und drängt seine Mitspieler einseitig in die komplementären (ergänzenden) Rollen: Wenn ich den Versager spielen will, muss jemand anderes den „Könner", den „Einpeitscher" oder den „Fordernden" übernehmen, sonst macht mein Verhalten keinen Sinn. Wie Wiederholungstäter suchen Menschen mit einem sehr eingeengten Rollenrepertoire immer wieder das gleiche Beziehungsklima, den gleichen Beziehungsvertrag, die gleichen zwischenmenschlichen Konstellationen auf: „Schon komisch, ich bin immer das „Opfer" (der „Böse Bube", die „Stimmungskanone", etc.), egal, an wen ich gerate", wäre vielleicht der innere Begleittext zu diesem Geschehen. Ein solch starres, situationsunangepasstes Verhalten bei der Rollenvergabe hat in der Regel neurotischen Charakter, d.h. es steht im Dienste der Abwehr 35 Sündenbock, Außenseiter, Rollenverteilung unbewusster Ängste. Gerade wegen seines unbewussten Hintergrundes ist es durch Lernerfahrungen nur in begrenztem Umfang beeinflussbar. Die verborgene seelische Wahrheit hinter neurotischem Rollenverhalten lautet: „Nur so, in dieser Rollenkonstellation fühle ich mich sicher. Vielleicht ist das, was ich in dieser Rolle immer wieder erlebe, nicht sehr erfreulich, aber zumindest weiß ich, was mich erwartet. Jenseits dieses Rollengefängnisses fühle ich mich haltlos, orientierungslos und unsicher. Insgeheim wünsche ich mir manchmal etwas anderes - ich weiß aber nicht, wie ich das anstellen soll." Menschen mit neurotischem Rollenverhalten behindern die Gruppe gelegentlich in ihrer Entwicklung. Sie zwingen die anderen immer wieder dazu, sich mit den hinter ihrem Verhalten liegenden Themen zu beschäftigen - egal, ob das für die Gruppe ansteht oder nicht. Mit dem folgende Text möchte ich Sie noch mit zwei weiteren „gruppendynamischen Hauptrollen” bekannt machen und einer weiteren Ausführung zu „Sündenbock und Außenseiter”. [Stahl, aaO., S.318-321] Vier gruppendynamische Hauptrollen Hinsichtlich der Frage nach dem thematischen Einfluss eines Mitgliedes auf das Miteinander unterscheiden wir vier wesentliche Rollen: Führer, Mitläufer, Außenseiter und Sündenbock. 13 Rollen im Gruppenfeld Der inoffizielle Führer. Er verdankt seinen Einfluss der Tatsache, dass die von ihm verkörperten Themen von der Gruppe „gewünscht" werden und hoch im Kurs stehen. Er drückt aus und lebt vor, was in der Gruppe gerade thematisch favorisiert wird. Sein seelisches Heimatgebiet befindet sich im Zentrum des vorhandenen Gruppenfeldes, falls die Gruppe im Feld verharrt. Ist die Gruppe in Aufbruchstimmung, verschiebt sich die Führerschaft meist auf jene Mitglieder, die am Rand des Gruppenfeldes in Richtung auf die anvisierten Qualitäten siedeln. Der inoffizielle Führer ist weniger derjenige, der der Gruppe seinen Willen aufzwingt, als vielmehr derjenige, der den Willen der Gruppe personifiziert und daher als ihr Sprecher fungieren kann. Dieser Zusammenhang ist gerade und immer dann zu beachten, wenn ich es als hierarchisch legitimierter Vorgesetzter der Gruppe (Chef, Lehrer,...) schwer habe mit ihrem inoffiziellen Führer: Wenn ich den inoffiziellen Führer attackiere, fühlt sich die gesamte Gruppe angegriffen. Und wenn ich ihn durch Bestrafung, Versetzung oder Demontage entmachte, habe ich meistens nichts gewonnen, da der thematische Strom, der ihn getragen hat, weiterströmt und mit großer Wahrscheinlichkeit einen neuen Themenführer gebären wird. Umgekehrt könnte ich als Vorgesetzter natürlich versuchen, ein mir genehmes Gruppenmitglied zum inoffiziellen Führer aufzubauen. Will ich aber einen Vasallen installieren, der thematisch gegen den Strom der Gruppe schwimmt, sind meine Erfolgsaussichten gering, da es ihm an gruppendynamischem Einfluss fehlen wird. 36 Sündenbock, Außenseiter, Rollenverteilung Er wird vielleicht den Gehorsam, niemals aber die Gefolgschaft der Gruppe gewinnen. Erfolgversprechender ist es, den inoffiziellen Führer als thematischen Sprecher der Gruppe zu akzeptieren und mit ihm unter Einbeziehung der anderen die Auseinandersetzung über strittige Ziele und Themen zu führen. Dann besteht die Chance für ein konstruktives Storming zwischen Gruppe und Vorgesetztem. Ist in Gruppen ein siamesischer Themenzwilling (z.B. Leistung vs. Solidarität) umstritten, kommt es häufig zur Fraktionsbildung mit zwei inoffiziellen Führern, die den thematischen Konflikt dann in ihrer persönlichen Gegnerschaft verkörpern. Der Mitläufer. Er lässt sich vom thematischen Strom treiben und tritt hinter den inoffiziellen Führer zurück. Sein Einfluss manifestiert sich vor allem in seiner Zurückhaltung. Er verzichtet darauf, der Gruppe eigene Impulse zu geben und verkörpert seinerseits keine zusätzlichen markanten Themen. Sein Hauptziel in der Gruppe ist nicht die Schaffung eines von ihm geprägten Klimas, sondern das Dazugehören. Mitläufer üben das passive Wahlrecht aus, ohne sich selbst zur Wahl zu stellen und verhalten sich dabei ähnlich wie Wechselwähler: Wenn der thematische Wind in der Gruppe dreht, schließen sie sich einem neuen Führer an. Durch ihr Mitlaufen entscheiden sie über die Besetzung der Führungsrolle. Da Mitläufer das Geschäft der Einflussreichen betreiben, ohne im eigenen Namen zu sprechen und ihre eigenen Interessen offen zu benennen, ist es schwer, mit ihnen in einen differenzierten Austausch (Re-Forming) oder eine konstruktive Auseinandersetzung (Storming) zu geraten: Sie sind wankelmütig, solange die Machtverhältnisse ungeklärt sind und neigen eher zur unterschwelligen Stimmungsmache als zur differenzierten Argumentation, wenn sie sich auf eine Seite schlagen. Dadurch behindern sie ihre Gruppen häufig bei der Entwicklung eines den äußeren Umständen und den widerstreitenden Interessen gemäßen Gruppenvertrages. Als Coach muss man Mitläufern in diesem Fall mit schonungsloser Geduld und konfrontativem Verständnis begegnen: Indem man sie immer wieder freundlich darauf hinweist, dass ihre persönliche Meinung von Interesse wäre, aber noch nicht greifbar geworden ist, unterstützt man sie bei der Formulierung eigener Standpunkte und erschwert ihnen dadurch das Mitlaufen. Der Außenseiter. Er ist ein Vertreter geduldeter randständiger oder feldferner Themen. Er hält sich wortwörtlich an der Außenseite des Gruppenfeldes auf. Wenn ich als Coach weiß, wer diese gruppendynamische Rolle in einer Gruppe inne hat, kann ich daraus folgern, welche derzeit einflusslosen Themen im Feld mitschwimmen und dort immerhin toleriert werden. Der Außenseiter stellt ein thematisches Reservoir für die Gesamtgruppe dar. Auf ihn kann zurückgegriffen werden, wenn Feldveränderungen Not tun und die durch sie repräsentierten Themen bearbeitet werden müssen. In manchen Gruppen gibt es auch geliebte Außenseiter, die solche Themen und Strömungen vertreten, die die Gruppe sich gern an die Brust heftet, ohne ihnen allzu viel Einfiuss einräumen zu wollen. Als Coach kann man der Gruppe die randständigen Sichtweisen des Außenseiters im Sinne einer Horizonterweiterung und eines Perspektivenwechsels zugänglich machen, indem man diesem Aufmerksamkeit zukommen lässt: „Was vermuten Sie (als Außenseiter), wie es den anderen in der jetzigen Situation zu Mute ist? Haben Sie eine Idee, worum es den Streithähnen wirklich geht? Was glauben Sie, müsste diese Gruppe lernen, um voran zu kommen?" Oder: „Was glauben Sie anderen, wie der Außenseiter über das aktuelle Geschehen denkt?". Dabei darf es nicht darum gehen, den Außenseiter zum inoffiziellen Führer aufzubauen oder als Vorbild darzustellen - auch und gerade dann nicht, wenn man 37 Sündenbock, Außenseiter, Rollenverteilung als Coach glaubt, dass das Gruppenfeld sich in dessen Richtung entwickeln sollte. Den inoffiziellen Führer bestimmt die Gruppe selbst, und man tut keinem Außenseiter einen Gefallen damit, ihn als Verbündeten noch stärker von der Gruppe zu entfernen, als das ohnehin der Fall ist. Der Sündenbock. Er ist das Gegenstück zum inoffiziellen Führer. An ihn werden die Tabuthemen der Gruppe delegiert. Er trägt gewissermaßen jenen thematischen Sprengstoff mit sich herum, der der Gruppe zu bedrohlich und heikel erscheint, als dass er öffentlich gezündet werden könnte. Bildlich gesprochen steht der Sündenbock außerhalb des Feldes, in dessen Schattenbereich. Zu diesem dunklen Bereich werden die Grenzen des Gruppenfeldes gut bewacht und die Grenzsicherung fällt dann am leichtesten, wenn es einen Buhmann gibt, einen identifizierten Un-Thementräger, der sie zu bedrohen scheint. Seine Ausgrenzung ist eine Methode, die innere Sicherheit zu stabilisieren. In diesem Sinn ist die Sündenbockrolle durchaus einflussreich und kann aus einem Gruppenfeld nicht einfach eliminiert werden. Psychodynamisch ist der Sündenbock vor allem Projektionsleinwand nach dem Motto: „Das, was er tut, denkt und fühlt, ist uns zwar nicht unbekannt aber so unangenehm, dass wir es bei uns nicht dulden könnten. Also werden wir ihn mit genau jener Gnadenlosigkeit verfolgen, mit der wir entsprechende Strebungen in uns selbst gewöhnlich zur Strecke bringen." Indem die durch den Sündenbock vertretenen Themen vom Rest der Gruppe an ihn delegiert und somit aus dem eigenen Selbstbild verdrängt werden können, muss er - anders als der Außenseiter fortlaufend aufgespürt, gestellt, bekämpft und ausgegrenzt werden. Es wäre auch ein Missverständnis anzunehmen, die Gruppe wolle den Sündenbock loswerden. Das Gegenteil ist der Fall: Sie braucht ihn so dringend wie kaum ein anderes Mitglied, um sich ihres Feldes in Abgrenzung zu den von ihm vertretenen tabuisierten Themen immer wieder versichern zu können. Als Coach wird man vor allem darauf hinarbeiten, in der Grupe jene tabuisierten Themen bearbeitbar zu machen, die der Sündenbock vertritt. Dabei sollte der Rollenträger selbst möglichst wenig im Rampenlicht stehen, um ihm die zusätzliche Belastung der Rolle des „Vom Coach als Opfer Titulierten" zu ersparen. Will man dennoch eine Personalisierung der Auseinandersetzung ermöglichen, vertritt man die tabuisierten Themen vorübergehend selbst und arbeitet mit den Reaktionen der Gruppe darauf weiter. 38 Sündenbock, Außenseiter, Rollenverteilung 39 Literaturverzeichnis F. Literaturverzeichnis 1) Schmidt-Grunert, Marianne: Soziale Arbeit mit Gruppen - Eine Einführung. Lambertus-Verlag, Freiburg im Breisgau 1997 2) Stahl, Eberhard: Dynamik in Gruppen - Handbuch der Gruppenleitung. Verlagsgruppe Beltz, Weinheim, Basel, Berlin 2002 3) Antons, Klaus: Praxis der Gruppendynamik – Übungen und Techniken. 5. überarbeitete und ergänzte Auflage, Verlag für Psychologie Dr. C.J. Hogrefe, Göttingen, Toronto, Zürich 1992 4) Dießner Helmar: Gruppendynamische Übungen und Spiele. Junfermann Verlag, Paderborn 1997 40 Anhang G. Anhang Im Anhang finden Sie einige Übungen für Vorstellungsrunden11. Wandzeitung Vorstellung Material 2 Blätter DIN A l/D IN A 2, verschiedenfarbige Filzstifte (dick und dünn) Durchführung Alle Gruppenmitglieder schreiben ihren Namen auf die Blätter, die an der Wand hängen. Dazu soll jeder etwas Spezifisches und Charakteristisches zu seiner Person ergänzen oder auch malen. Reflexion Wer hatte Schwierigkeiten, etwas Spezifisches oder Charakteristisches zu seiner Person zu finden? Wer hatte Probleme beim Malen? Wer ist mit seiner Darstellung zufrieden/unzufrieden? Modifikation Jeder Teilnehmer bekommt ein eigenes großes Blatt sowie ein Set Filzstifte und hat viel Platz für die eigene Darstellung Notizen 11 Dießner, Helmar; aaO., S. 28-31 41 Anhang Kennenlernspiel Vorstellung Material Filzstifte, Pappstreifen (ca. 20cm x 16cm) Durchführung Die Teilnehmer sitzen an ihren Arbeitstischen und schreiben ihre Namenskärtchen selbst. Ein Gruppenmitglied beginnt, eine andere Person vorzustellen und versucht, sie in bezug auf Alter, Familienstand, Kinder, Beruf, soziales Engagement, Hobbys richtig einzuschätzen. Im Anschluß daran bestätigt, korrigiert und ergänzt der Vorgestellte die Einschätzungen. Danach werden die Rollen gewechselt. Reflexion Ergibt sich ggf. aus dem Verlauf des Kennenlernspiels. Modifikation Die Teilnehmer sitzen ohne Namenskärtchen im Kreis. Notizen 42 Anhang Kennenlernspiel Den anderen Teilnehmer mit seinen Bedürfnissen besser verstehen und kennenlernen Material farbiges Kordelknäuel, Stühle, Decken Durchführung Teilnehmer sitzen auf Stühlen oder Decken im Kreis. Der Kursleiter oder ein Teilnehmer hält den Kordelanfang fest und wirft das Knäuel einem anderen Teilnehmer zu. Dabei interviewt er sein Gegenüber: Welche Erwartungen hast du an dieses Seminar? Wo liegen deine kreativen Stärken/Schwächen? Was bestimmt deinen täglichen Arbeitsalltag? Der Befragte wird nun selber zum Interviewer, indem er das Knäuel weiterwirft und sein neues Gegenüber befragt, usw. Der Abschluß besteht darin, daß sich die Teilnehmer, die den gleichen Farbstrang in der Hand halten, zu einer Gruppe zusammenschließen und für den weiteren Sitzungsverlauf zusammenbleiben. In dieser Subgruppe hat jeder die Möglichkeit, die Teilnehmer näher kennenzulernen. Reflexion Ergibt sich ggf. aus dem Sitzungsverlauf. Modifikation Verwendung eines einfachen Kordelknäuels, ohne die Bildung von Subgruppen. Notizen 43 Anhang Namenskette Wahrnehmung • Konzentration • Gedächtnisleistung Durchführung Die Gruppenteilnehmer sitzen zum ersten Mal in der Runde zusammen. Nachdem sich jeder kurz vorgestellt hat, wird eine Namenskette gebildet: Ein Teilnehmer sagt laut seinen Namen, der Nachbar wiederholt den Namen seines Vorgängers und fügt seinen hinzu, usw. Reflexion Ergibt sich ggf. aus dem Spielverlauf. Modifikation Sollte die Gruppe sehr groß sein, kann sie in 2 Kreise, d.h. einen inneren und einen äußeren Kreis geteilt werden. Notizen 44