Autor: Michael Freissmuth Enzyminduktion Unter Enzyminduktion versteht man die vermehrte Bildung von Enzymen der Biotransformation durch verstärktes Ablesen (=Transkription) der entsprechenden Gene. Enzyminduktion ist die Basis für die pharmakokinetische Toleranz (=Abnahme der Wirkung durch vermehrten Abbau des Pharmakons). Im Vordergrund des Interesses stehen die Cytochrom-P-450 abhängigen Monooxygenasen der Genfamilien 1,2, und 3 (CYP1, CYP2, CYP3); es werden aber auch Enyzme der Phase II (und P-Glykoprotein-Pumpen) in unterschiedlichem Ausmaß induziert. Ursprünglich wurden 2 Typen der Enzyminduktion unterschieden: Phenobarbital-Typ und Methylcholanthren-Typ (=Typ der anabolen Steroide= Dioxin-Typ) Sie unterscheiden sich im Enyzmmuster z.B. Methylcholanthern-Typ: von CYP1A1 und UDP-Glukuronlytransferase=UGT Phenobarbital-Typ: von CYP2 und CYP 3 in der Geschwindigkeit des Auftretens bei maximal wirksamen Konzentrationen des Induktors wird das Maximum der Induktion beim Methylcholanthren-Typ nach ca. 24 Stunden beim Phenobarbital-Typ nach 48 Stunden erreicht; und in der Kreuztoleranz (weil CYP1 eine untergeordnete Rolle bei der Elimination spielt, ist der Effekt einer Induktion vom Methylcholanthern-Typ auf andere Arzneimittel bescheiden; beim Phenobrabital-Typ sind aber zahlreiche Arzneimittel betroffen).* *Allerdings werden polyzyklische Kohlenwasserstoffe (Benzo[a]pyren, Dimethylbenzanthracen, etc.) durch CYP1A1 zum ultimalen Karzinogen gegiftet (s. auch chemische Kanzerogenese); daher ist dieser Typ der Induktion wichtig, um das die Tumor-promovierende Eigenschaft von Dioxin zu verstehen. Die Enzyme der Biotransformation bilden zusammen mit den P-Glykoproteinpumpen (Produkte der MDR-Gene = "multi-drug resistance-genes") eine metabolische Barriere, die den Organismus vor Fremdstoffen (Xenobiotika) schützen sollen. Die überwiegende Zahl der Fremdstoffe sind (potentiell) giftig, es ist daher notwendig sie rasch zu eliminieren oder in eine ausscheidungsfähige Form zu bringen. Der Bedarf an solchen Enzymen und Pumpen variiert, je nachdem mit welchen Mengen von Fremdstoffen der Organismus konfrontiert ist. Es ist daher verständlich, dass im Rahmen der Evolution auch ein Mechanismus entwickelt worden ist, mit dem die Enzymmenge dem Bedarf angepasst werden kann. Dazu bedarf es im Prinzip eines Rezeptors oder mehrerer Rezeptoren, die einerseits diverse Fremdstoffe erkennen können und andererseits die Transkription der mRNA von den Genen steigern, die die Enzyme und Pumpen kodieren. (Es sind natürlich auch andere Mechanismen vorstellbar, wie zum Beispiel durch Stabilisierung der Enzyme gegen den Abbau). Tatsächlich sind in den letzten Jahren drei solche Rezeptoren identifiziert worden: CAR – (konstitutiv/constitutive Androstan-Rezeptor) PXR – (Pregnan-X-Rezeptor) AH-Rezeptor (der Rezeptor für aromatische Kohlenwasserstoffe/aromatic hydrocrabons) CAR – prototypischer Induktor = Phenobarbital – bevorzugt CYP2 (weniger CYP3) PXR – prototypischer Induktor = Rifampicin – bevorzugt CYP3A4 (und P-Glykoprotein/MDR1; weniger CYP2) AH-Rezeptor – prototypischer Induktor = Dioxin (=TCDD= 2,3,7,8-Tetrachlordibenzo-p-dioxin) – bevorzugt – bevorzugt CYP1A1 (und UGT) Aus dieser kurzen Zusammenstellung ergeben sich für die Praxis folgende wichtige Aspekte: 1) Es ist wichtig zu wissen, ob ein Pharmakon ein Enzyminduktor ist und welche Enzyme (CYP2-Gruppe oder CYP3A4) induziert werden 2) Auch wenn ein Pharmakon, selbst kein Induktor ist, ist es wichtig zu wissen, über welches Enzymsystem das Pharmakon metabolisiert wird; wenn ein Induktor verabreicht wird, wird die Halbwerstzeit verkürzt. Als Faustregel kann gelten, dass ein Enzyminduktor, die Halbwertszeit auf die Hälfte verkürzt. Aber: Das Ausmaß der Induktion kann maskiert sein, weil der Induktor gleichzeitig um den Abbau konkurriert. 3) Enzyminduktion ist reversibel: Wenn ein Patient mit einem Pharmakon in Gegenwart eines anderen Phramakons, das als Enzyminduktor wirkt, therapeutisch eingestellt wird, bedarf es nach Absetzen des Induktors einer Neueinstellung: durch Nachlassen der Enzyminduktion sinkt der Metabolismus des Pharmakons (die Clearance nimmt ab, die Halbwertszeit nimmt zu) – es besteht die Gefahr der Intoxikation. 4) Alle Enyzminduktoren (gleichgültig, ob über Aktivierung des AH-Rezeptors, des CAR oder PXR) müssen die hepatische Hämsynthese steigern – denn es wäre sinnlos, nur das Protein der CYPs zu machen ohne auch mehr Häm (als prosthetische Gruppe) zur Verfügung zu stellen. Daher wird auch immer das Schlüsselenzym der Hämsynthese (=Aminolävulinsäure-Synthetase) induziert – es steigt daher auch die -Aminolävulinsäure (ALA) an. Das lässt sich diagnostisch nützen – z.B. um eine Belastung durch Dioxin nachzuweisen. bei der akuten intermittierenden Porphyrie und anderen hepatischen Porphyrien (Defekten in der hepatischen Hämsynthese) kommt es unter Enzyminduktoren zur Provokation eines Anfalls; z.B. akutes Abdomen mit geistiger Verwirrtheit (akute Demyelinisierung mit autonomer Neuropathie und ZNS-Störung durch raschen Anstieg der Prophyrine, die sich auf Grund des Enzymdefektes anstauen). Besonders gut untersucht ist der Mechanismus der Enyzminduktion durch den AH-Rezeptor: Im inaktiven Zustand liegt der Rezeptor im Cytosol vor; nach Besetzung des Rezeptors mit einem Agonisten (TCDD) werden die am Rezeptor-haftenden heast-shock Proteine freigesetzt (z.B. hsp90); der AH-Rezeptor (hier Ah abgekürzt wandert in den Kern) und findet dort seinen Partner Arnt (= AH-receptor nuclear translocator); das resultierende Dimer (aus Ah und Arnt) bindet an die DNA und zwar an spezifische Erkennungssequenzen (hier als DRE = dioxin-response elements abgekürzt) und rekrutiert die Cofaktoren, die für die Aktivierung der RNA-Polymerase II (mRNA-Polymerase; hier mit RNAPII abgekürzt).