word - Deutsche Gesellschaft für Immunologie

Werbung
Sehr geehrte(r) Abgeordnete(r),
diesen Brief verfasse ich als Forscher /Arzt und Mitglied einer der größten deutschen Fachgesellschaften in der
Biomedizin, der Deutschen Gesellschaft für Immunologie (DGfI). Ziel ist es, bei Ihnen für den weiteren Einsatz
von Tierexperimenten in der biomedizinischen Forschung zu werben. Aktueller Anlass ist eine Bürgerinitiative, die
die Europäische Kommission zur kompletten Abschaffung von Tierversuchen auffordert. Ein solches Vorhaben
hätte katastrophale Folgen für die Forschung in Europa, die Krankenversorgung weltweit und auch die
Volkswirtschaft. Ich möchte Sie als meinen EU-Abgeordneten ganz persönlich bitten, dies zu verhindern.
Als Immunologen tragen wir in Forschung und Klinik zur besseren Therapie bisher schwer oder gar nicht
therapierbarer Krankheiten bei. Zu diesen gehören neben Infektionen/Impfungen (Ebola!), Allergien (bei über
20% der europäischen Bevölkerung) auch sogenannte Autoimmunkrankheiten wie Rheuma (bei ca. 1% der
europäischen Bevölkerung) oder Multiple Sklerose und vor allem Krebs. Ein jüngst mit Hilfe der Immunologie
erreichter dramatischer Fortschritt betrifft etwa den schwarzen Hautkrebs (malignes Melanom). Noch vor zwei
Jahren lag das durchschnittliche Überleben dieser Erkrankung Im Endstadium IV bei wenigen Monaten; eine
wirksame Therapie gab es nicht. Im Jahr 2013 wurde in mehreren Studien eine zuvor intensiv in Mäusen
getestete Immuntherapie publiziert, die im Stadium IV Tumorreduktionen um 80 % bewirkt. Viele Patienten haben
die Krankheit bis heute überlebt. Die Reagenzien sind verfügbar, so dass Ärzte auch hierzulande von einem
sensationellen Durchbruch sprechen. Auch bei anderen Krebsformen, z.B. Leukämien, haben immunologische
Therapieformen zu erheblich verbesserten Überlebenschancen geführt. Entsprechend wählte das renommierte
Wissenschafts-Journal „Science“ die Krebs-Immuntherapie zum Durchbruch des Jahres 2013.
Von entscheidender Bedeutung ist die Tatsache, dass alle hier genannten Therapien ohne vorherige jahrelange
tierexperimentelle Forschung nicht entwickelt worden wären. Am Beispiel des Melanoms lässt sich dies auch
dem Laien einfach aufzeigen. Von der Identifizierung der beteiligten Moleküle, über deren Beeinflussung durch
Antikörper, bis hin zur Therapie von Tumoren mit Hilfe dieser Antikörper, ging die Studie an Mäusen derjenigen
am Menschen jeweils um Jahre voraus. Eine Präsentation hierzu stellen wir Ihnen auf Wunsch gerne zur
Verfügung. Da die beteiligten Moleküle auf vielen Immunzellen vorhanden sind, wäre es absolut sträflich und
unethisch gewesen, die Antikörper beim Menschen ohne vorherigen Tierversuch anzuwenden. Andernfalls wären
völlig andere Effekte einschließlich einer Verschlimmerung der Krankheit möglich gewesen. Betrachtet man die
gesamte Breite erfolgreicher Medikamente in der Krebstherapie, so ist die überwiegende Mehrzahl an
Tierversuchen auf den Menschen übertragbar. Gemäß einem aktuellen Übersichtsartikel über 69 verschiedene
Medikamente (Trends Immunol Vol 36, No. 4; 2015) sind alle Therapeutika zuvor bei Tumoren von Mäusen
erfolgreich getestet worden.
Trotz der genannten Fortschritte sterben beispielsweise an Krebs bekanntermaßen immer noch viele Patienten
einen schrecklichen Tod und weitere Studien sind dringend erforderlich. Diese Notwendigkeit steht aber in
unmittelbarem Gegensatz zur Sicht in der Öffentlichkeit. Wissenschaftler mit Bekenntnis zu Tierversuchen
werden in eine moralische Schmuddelecke gestellt. Völlig überzogene, hochemotionale Plakate und Texte von
Tierschützern, mit oder ohne einer dahinter stehenden Organisation, brandmarken Wissenschaftler als Übeltäter
bis hin zur Androhung von Gewalt. Dies, obwohl Wissenschaftler Tierexperimente nicht aus sadistischer Freude,
sondern zum Wohl der Menschheit durchzuführen. Keiner tötet gerne ein Tier, insbesondere nicht nach dem
Studium der Biologie oder Medizin!
Aber diese einseitigen Aktivitäten von „Tierschützern“ zeigen Wirkung. So hat das EU-Parlament Richtlinien
erlassen, die neben Sinnvollem zum Wohl der Tiere auch seltsame Nebeneffekte bewirkt haben, die unsere
Forschung massiv behindern. Als Beispiel soll die Planung von Maus-„Altersheimen“ in manchen Bundesländern
erwähnt werden, die aus der EU-Richtlinie (2010/63/EU) resultiert, der zufolge kein Tier ohne Grund getötet
werden darf. Wie einseitig dies ist, erkennt man an der erlaubten Tötung männlicher Küken in der
Massentierzucht. Damit aber nicht genug. Die oben erwähnte Eingabe an die EU-Kommission soll die
bestehende Richtlinie aushebeln, um Tierversuche in der EU komplett auszusetzen. Dies würde die Kastration
biomedizinischer Forschung in Europa bedeuten und uns dazu verurteilen, weiter an Krebs unwürdig zu sterben
– oder auf Erkenntnisse aus Ländern zu warten, wo Tierschutz bereits jetzt weit weniger kritisch gesehen wird.
In diesem Sinne bitten wir Sie DRINGEND, sich schon im Rahmen der öffentlichen Anhörung am 11. Mai mit den
gravierenden, negativen Folgen der erwähnten Eingabe auseinanderzusetzen und aktiv gegen ein Verbot
tierexperimenteller Forschung einzutreten, sollte es in dieser Sache zu einem Gesetzgebungsverfahren kommen.
Bitte setzen Sie sich auch insgesamt für eine klarere Darstellung der Notwendigkeit von Tierversuchen in der
Öffentlichkeit ein – nicht für uns, sondern zum Wohle unserer Gesellschaft. Völlig unbestritten ist, dass sich
zunehmend mehr Fragen ohne Tierversuche lösen lassen. An Methoden zur Reduktion und möglichst dem
Ersatz von Tierversuchen wird zu Recht intensiv geforscht. Die vielfältigen Interaktionen verschiedenster Zellen
und Moleküle im Organismus sind dennoch zu komplex, als dass sie alleine durch Gewebekultur oder ComputerModelle vorhersagbar sind. Auf absehbare Zeit wird es daher nicht möglich sein, Tierversuche zu ersetzen. Mit
der Novellierung des Tierschutzgesetzes ist aber sichergestellt, dass jedes Experiment ausführlich begründet und
erst nach ausführlicher Prüfung und Abwägung des zu erwartenden Nutzens durch unabhängige Kommissionen
behördlich genehmigt werden muss. All dies erspart uns dennoch nicht die Notwendigkeit von Tierversuchen, die
übrigens zum größten Teil in Mäusen und nicht etwa in größeren Säugetieren durchgeführt werden.
Ich möchte Sie ganz persönlich bitten, hierzu als mein EU-Abgeordneter Ihren Beitrag zu leisten, gerade auch
durch entsprechende unmissverständliche Aussagen in der Öffentlichkeit. Die erwähnte Präsentation lasse ich
Ihnen bei Bedarf gerne zukommen.
In Erwartung Ihrer geschätzten Antwort verbleibe ich
Herunterladen