Resistenzentwicklung gegenüber HBV Polymeraseinhibitoren

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Klinisches Management der HBV Resistenz
Prof. Dr. med. Thomas Berg
Medizinische Klinik m. S. Hepatologie und Gastroenterologie, Universitätsklinikum Charité, Campus
Virchow-Klinikum, Universitätsmedizin Berlin, Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin, Tel.: ++ 49 30
450 553071, Fax.: ++ 49 30 450 553903, e-mail: [email protected]
Molekularer Grundlagen der viralen Resistenzentwicklung
HBV-Mutanten entwickeln sich im Verlauf der chronischen Infektion als Folge spontaner Mutationen.
Die virale HBV-Polymerase/reverse Transkriptase (rt) besitzt im Gegensatz zu zellulären DNA
Polymerasen keine 3’-5’ Exonuklease „Proofreading“ Funktion, d.h. die Polymerase ist nicht in der
Lage, unkorrekt während des Elongationsprozesses in den Polynukleotidstrang eingebaute Basen zu
entfernen. Man schätzt die Rate der fälschlicherweise in die virale DNA eingebauten Nukleotide auf
1010 pro Tag (entsprechend 1010 HBV-Varianten pro Tag). Das bedeutet, dass jede denkbare Mutation
täglich im Verlauf der chronischen HBV-Infektion entstehen kann. Die hieraus resultierende HBVQuasispezies Population ist dynamisch und entwickelt sich in Abhängigkeit des Selektionsdrucks (z.B.
durch antivirale Therapie).
Faktoren, die die Resistenzbildung beeinflussen
Mit zunehmender Nukleos(t)id-Therapiedauer steigt die Wahrscheinlichkeit der Selektion resistenter
Polymerasegen-Mutanten. Die genetische Barriere einer Substanz, d. h. die spezifische Susceptibilität
gegenüber HBV Polymerasegen-Mutationen, beeinflusst zusätzlich das Risiko und die
Geschwindigkeit der Resistenzbildung.
Hauptrisikofaktor für die Entwicklung bzw. die Selektion resistenter Mutanten ist jedoch die
inkomplette Suppression der HBV-Replikation unter Therapie (Abb. 7). Diese enge Korrelation
zwischen dem Ausmaß der virologischen Response und dem Risiko der Resistenzbildung im
Langzeitverlauf der Therapie mit Nukleos(t)id-Analoga konnte klinisch sowohl für Lamivudin als auch
für Adefovir nachgewiesen werden (Abb. 8). Patienten, die innerhalb der ersten 6-12 Monate eine
komplette Suppression der HBV-DNA erreichen, haben ein sehr geringes Resistenzrisiko (keine
Replikation = keine Selektion von Mutanten = keine Resistenz), während die Resistenzrate > 60%
erreicht, wenn sich trotz Behandlung weiterhin eine hohe HBV-Replikation nachweisen lässt.
Diagnostik der Resistenz gegen Nukelos(t)id-Analoga
Während einer Therapie mit Nukleos(t)id-Analoga sollte die HBV-DNA in 3-monatigen Abständen
mittels sensitiver Tests (Sensitivitätslimit < 103 Kopien/ml, entsprechend ca. < 102 IU/ml) bis zur
Suppression unter die Nachweisgrenze gemessen werden. Bei kompletter Response (HBV DNA
negativ) reichen im weiteren Verlauf 3-6-monatige Kontrollen der Viruslast aus. Ein Anstieg der
Virämie um > 1 log Stufe vom Tiefpunkt unter Therapie weist auf eine Resistenzentwicklung hin und
sollte – nach Bestätigung durch kurzfristige Kontrolle - zur Umstellung des Therapieschemas führen
(Medikamenten-Compliance des Patienten vorausgesetzt). Eine direkte Bestimmung der Resistenzassoziierten Mutanten bestätigt zwar die Diagnose, ist aber in der klinischen Routine meist nicht
erforderlich.
Therapieoptionen bei Resistenz gegen Nukleos(t)id-Analoga
Therapie der Lamivudin-Resistenz
Aufgrund der unterschiedlichen Resistenzprofile können Patienten mit einer Resistenz gegen
Nukleosid-Analoga (z.B. Lamivudin-Resistenz) erfolgreich mit einem Nukleotid-Analogon (z.B.
Adefovir) behandelt werden. Heutzutage wird aber die sequentielle Monotherapie mit Nukleos(t)idAnaloga, d.h. insbesondere der Wechsel von einer Lamivudin- auf eine Adefovir-Monotherapie nicht
mehr empfohlen, da in der Folge unter dieser ADV-Monotherapie mit einer hohen Rate von AdefovirResistenzbildungen zu rechnen ist. Die Adefovir-Resistenz kann jedoch deutlich reduziert werden,
wenn zusätzlich zur ADV-Behandlung die Lamivudintherapie beibehalten wird („add on Prinzip“).
Ein weiterer wichtiger Aspekt für das erfolgreiche Management der Nukleos(t)idAnaolgaresistenz ist der Zeitpunkt der Therapieumstellung bei Nachweis einer Resistenzbildung.
Lampertico und Mitarbeiter konnten zeigen, dass bei nachgewiesener genotypischer
Lamivudinresistenz die sofortige Umstellung der Therapie (auf Adefovir plus Fortführung von
Lamivudin) zu einem signifikant bessern Therapieansprechen führt, als wenn die Therapie erst im
späteren Verlauf der Resistenzentwicklung (bei hoher Virämie und erhöhten Transaminasen)
umgestellt wird.
Therapie der Adefovir-Resistenz
Lamivudin, Telbivudin und Entecavir sind bei Adefovir-Resistenz wirksam. Da die Mehrzahl der
Adefovir-resistenten Patienten bereits mit Lamivudin vorbehandelt wurde, wird aufgrund des hohen
Risikos der erneuten Lamivudin-Resistenzentwicklung eine Fortführung der Adefovir-Therapie eher
empfohlen („add on“).
Inkomplette Response auf Adefovir
Ein signifikanter Prozentsatz der Adefovir-behandelten Patienten zeigt trotz regelmäßiger
Medikamenteneinnahme ein inkomplettes virologisches Ansprechen welches durch eine persistierend
hohe Hepatitis B Replikation innerhalb der ersten 6-12 Therapie-Monate gekennzeichnet ist. Dieses
primäre Therapieversagen steht nicht im Zusammenhang mit einer genotypischen Adefovir-Resistenz
und ist daher von einem sekundären Therapieversagen im Rahmen der Resistenzbildung
abzugrenzen. Eine hohe Virämie und eine vorbestehende Lamivudinresistenz scheinen Risikofaktoren
für das primäre Therapieversagen darzustellen. Tenofovir (300 mg/Tag) hat sich in dieser Situation als
äußerst effektive Therapieoption erwiesen.
Zusammenfassung und Ausblick
Ziel der antiviralen Therapie mit Nukleos(t)id-Analoga ist eine möglichst rasche und komplette
Suppression der HBV-Replikation. Unter dieser Voraussetzung scheint auch aktuell eine initiale
Monotherapie vertretbar zu sein. Eine Kombinationstherapie ist indiziert, wenn es unter einer
Monotherapie zur Resistenzbildung kommt, und sollte mit zwei Substanzen erfolgen, die
untereinander nicht kreuzresistent sind (d.h. Nukleosid-Analogon plus azyklischem NukleotidAnalogon). Ein primäres inkomplettes virologisches Ansprechen stellt heutzutage das Hauptproblem
bei der Nukleos(t)id-Analoga Therapie dar. Die unter der Behandlung persistierende Virämie kann
nicht nur zu einer Progression der Erkrankung führen, sondern ist auch mit einer hohen Rate an
Resistenzentwicklungen assoziiert. Bei inkompletter virologischer Response sollte daher frühzeitig
(vor Resistenzentwicklung) ein alternatives Therapieschema eingesetzt werden. Die neuartigen und
im Vergleich zu Adefovir und Lamivudin stärker antiviral wirksamen Inhibitoren der HBV-Polymerase
wie Entecavir, Telbivudin und Tenofovir (Zulassung im Mail 2008 erwartet) haben nicht nur die
therapeutischen Optionen bei der chronischen HBV-Infektion weiter verbessert, sondern haben auch
zu einem deutlichen Rückgang der Resistenzentwicklung beigetragen.
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