Tierphysiologisches Anfängerpraktikum - Neurobiologie Augenbewegungen AUGENBEWEGUNGEN BEIM MENSCHEN Gruppe 32 Tobias Fleischmann Stephanie Glatz Sinja Grass 24. Januar 2005 [http://de.encarta.msn.com/media_461516339 _761564189_-1_1/Aufbau_des_Auges.html] Universität Ulm WS 2004/2005 1 Tierphysiologisches Anfängerpraktikum - Neurobiologie Augenbewegungen INHALTSVERZEICHNIS 1. Theorie……………………………………………………………………………….3 1.1. Aufbau des Säugerauges…………………………………………………………….3 1.2. Augenmuskeln und deren Innervierung……………………………………………..4 1.3. Aufbau des vestibulären Organs…………………………………………………….6 1.4. Defintion und Einteilungsmöglichkeiten von Reflexen……………………………..6 1.5. Aufbau des Gehirns………………………………………………………………….7 1.6. Corticaler und subcorticaler Weg der Verarbeitung visueller Information im……....8 Gehirn 1.7. Augenbewegungen…………………………………………………………………..10 1.7.1. Sakkaden…………………………………………………………………………...10 1.7.2. Glatte Folgebewegungen…………………………………………………………..10 1.7.3. Nystagmen…………………………………………………………………….…...11 1.7.4. Vestibulär gesteuerte Bewegungen………………………………………………...11 1.7.5. Vergenzbewegungen…………………………………………………………….....11 1.7.6. Rotationsbewegungen…………………………………………………...…………11 1.7.7. Fixation……………………………………………………………………….……11 2. Material und Methoden………………………...………………………………………12 2.1. EOG………………………………………………………………………………….12 2.2. Kalibrierung………………………………………………………………………….12 2.3. Versuch 1: Sprungsakkaden………………………………………………………….13 2.4. Versuch 2: Folgebewegungen………………………………………………………..13 2.5. Versuch 3: Lesen eine deutschen und eines englischen Textes……………………...14 2.6. Versuch 4: Untersuchung des OKN in Vorzugs- und Nullrichtung…………………14 3. Ergebnisse……………………………………………………………………………...14 3.1. Kalibrierung………………………………………………………………………….14 3.2 Versuch 1……………………………………………………………………..………16 3.3. Versuch 2…………………………………………………………………………….18 3.4. Versuch 3…………………………………………………………………………….19 3.5. Versuch 4…………………………………………………………………………….21 4. Diskussion……………………………………………………………………………...24 4.1 Versuch 1……………………………………………………………………………..24 4.2. Versuch 2…………………………………………………………………………….25 4.3. Versuch 3…………………………………………………………………………….26 4.4. Versuch 4…………………………………………………………………………….26 2 Tierphysiologisches Anfängerpraktikum - Neurobiologie Augenbewegungen 1. Theorie 1.1. Aufbau eines Säugerauges Folgende Abbildung stellt den Längsschnitt durch das Wirbeltierauge dar: Abb. 1: Das Säugerauge: Licht wird durch die Cornea und Linse gebrochen. Der Ciliarkörper setzt sich zusammen aus dem Ciliarmuskel und den Zonulafasern. Bei dessen Kontraktion spannen sich die Fasern an, was eine Wölbung der Linse zur Folge hat. Dort wo die Sehachse auf die Retina trifft, befindet sich die Fovea centralis. [Quelle: Merian-Schule, Freiburg] Cornea (Hornhaut): Hier werden Lichtstrahlen auf der ersten Ebene beim Durchgang gebrochen. Sie ist durchsichtig und von Nervenfasern durchzogen. Sclera (Lederhaut): zusätzliche harte weiße Schutzhaut, aus kollagenen Bindegewebsfasern Conjunctiva: Bindehaut auf Innenfläche der Lider und über der Cornea, Schleimschicht verhindert das Austrockenen Chorioidea (Aderhaut): dünnes pigmentiertes Gewebe ist verantwortlich für die Blutversorgung des Auges Corpus Ciliare (Ciliarkörper): seine Zonulafasern dienen als Halterung für die Linse, sie können sich kontrahieren und entspannen, sind also verantwortlich für die Akkomodation (Fokussieren durch Änderung der Brechkraft) der Linse, weitere Funktion: Produktion der Kammerflüssigkeit Iris (Regenbogenhaut): sie verleiht dem Auge die Augenfarbe, ist pigmentiert. Die Iris reguliert die Lichtmenge, die durch die Pupille eintritt (kreisförmige Öffnung der Iris). 3 Tierphysiologisches Anfängerpraktikum - Neurobiologie Augenbewegungen Linse: transparent und aus Proteinen, Fokussieren geschieht durch Änderung der Form der Linse, wodurch die Brechkraft variert. Augenkammern: vordere Augenkammer zwischen Cornea und Iris, hintere Augenkammer zwischen Iris und Linse. Gefüllt mit Kammerwasser zum Stofftransport, verhindert Verkleben von Iris und Linse. Die Flüssigkeit baut einen Innendruck auf, der der Cornea die konvexe Form verleiht. Glaskörper: Aus zellfreier Gallerte, Weiterleitung der Lichtstrahlen zur Retina Retina (Netzhaut): Innerste Zellschicht des Auges mit Photorezeptoren: 125 Millionen Stäbchen (Sehen im Dunkeln, nur Unterscheidung Schwarz-Weiß) und 6 Millionen Zapfen (tageslichtempfindlich, Unterscheidung von Farben). Stäbchen enthalten das Pigment Rhodopsin (Retinal und Opsin), wobei der Retinalanteil bei Lichtabsorbierung seine Struktur von 11-cis-Retinal zum transRetinal verändert. Dort wo die Sehachse auf die Retina trifft, liegt die Fovea centralis (Zentralgrube, gelber Fleck) mit ausschließlich Zapfenzellen, die 1:1 mit Retinalganglienzellen verschaltet sind. Dadurch ist die Fovea centralis die Stelle höchster Auflösung und damit Ort schäfsten Sehens Nervus opticus (Sehnerv): Verbindung zum Gehirn, Nervenfasern leiten Aktionspotentiale weiter. An dessen Durchtrittstelle befinden sich keine Photorezeptoren, daher widr diese Stelle blinder Fleck (Papille) genannt, da hier kein Licht wahrgenommen wird. 1.2. Augenmuskeln und deren Innervierung Sechs quergestreifte Muskeln sind dafür verantwortlich unsere Augen zu bewegen. Wo genau diese am Augapfel ansetzen und wie sie verlaufen zeigt Abbildung 2: Abb. 2: Die Augenmuskeln [Martin Trebsdorf - Biologie, Anatomie, Physiologie 7. Auflage 2002] 4 Tierphysiologisches Anfängerpraktikum - Neurobiologie Augenbewegungen Im Auge befinden sich also vier gerade Muskeln und zwei schräge Augenmuskeln. Erstere entspringen hinten in der Augenhöhle und ziehen vor dem Augenäquator in die Sclera (Lederhaut). Der obere schräge Augenmuskel entspringt wie die geraden hinten in der Spitze der Augenhöhle, zieht dann schräg nach vorne innen aufwärts und setzt hinter dem Äquator an der Oberseite des Augapfels an. Der untere entspringt am knöchernen Boden der Augenhöhle nahe dem Tränenkanal und geht nach hinten, wo er seitlich vom Sehnervaustritt in die Lederhaut eingreift. Folgende Tabelle fasst alle Augenmuskeln nochmals zusammen, mit wissenschaftlicher Bezeichnung und zeigt, in welche Richtung das Auge bei Kontraktion des entsprechenden Muskels bewegt wird: Tabelle 1: Augenmuskeln und deren Innervierung Augenmuskel Innervation Schräge Augenmuskeln M. obliquus superior M. obliquus inferior Gerade Augenmuskeln M. rectus superior M. rectus inferior M. rectus medialis M. rectus laterlis Richtung Augenbewegung N. trochlearis N. oculomotorius unten und außen, Drehung oben und außen, Drehung N. oculomotorius N. oculomotorius N. oculomotorius N. abducens nach oben und innen nach unten und innen nach innen nach außen Diese drei Nerven, die die sechs Augenmuskeln innervieren, sind Hirnnerven. Sie gehören zu den insgesamt 12 Nerven, die direkt dem Gehirn entspringen. Hier eine kurze Aufzählung aller 12 Hirnnerven: Tab. 2: Die 12 Hirnnerven und deren Innervation Nerv N. olfactorius (I) N. opticus (II) N. oculomotorius (III) N. trochlearis (IV) N. abducens (VI) N. trigeminus (V), Drillingsnerv Innervation Riechnerv Sehnerv 4 der 6 Augenmuskeln, Ciliarmuskel M. obliquus superior M. rectus lateralis Augenhöhlendach, Cornea des Auges, Nasenhöhle. Weiterhin: Oberkiefer mit Zähnen und Gaumen, Gesichtshaut zwischen Lid und Mundspalte, sowie Mundboden und Zungenrücken, Unterkiefer mit Zähnen, Haut an Kinn. Kaumuskulatur, Trommelfellspanner. N. facialis (VII) mimische Muskulatur, sensorische Geschmacksfasern, Drüsen des Mundes. N. vestibulocochlearis (VIII) Gleichgewichts- und Hörnerv N. glossopharyngeus (IX) Rachenmuskulatur, Schleimhaut des oberen Rachenraums und Zungengrundes sowie Geschmacksknospen N. vagus (X) Innervation der Brust- und Baucheingeweide, Kehlkopfmuskulatur N. accessorius (XI) Kopfnicker, Trapezmuskel. N. hypoglossus (XII) Zungenmuskulatur 5 Tierphysiologisches Anfängerpraktikum - Neurobiologie Augenbewegungen 1.3. Aufbau des vestibulären Organs (Gleichgewichtsorgan) Für die Detektion der Körperstellung und des Gleichgewichts sind verschiedene Sinnesorgane im Innenohr der Säuger zuständig. Das vestibuläre Organ befindet sich hinter dem ovalen Fenster und setzt sich zusammen aus zwei Kammern, Utriculus und Sacculus, sowie den drei Bogengängen, die in drei Ebenen des Raumes ausgerichtet sind. Diese Strukturen enthalten Haarzellen, Utriculus und Sacculus messen die Orientierung des Körpers zur Schwerkraft sowie bei Bewegungen auftretende Beschleunigungen und senden die Information zum Gehirn. In den Bogengängen ragen die Stereocilien der Haarsinneszellen in die gallertartige Cupula (mit kalkartigen Partikeln, die Statolithen) ragen. Bei Drehbeschleunigungen des Kopfes verhindert die Trägheit der Flüssigkeit in den Bogengängen (Endolymphe), dass diese sich mitbewegt. Sie übt eine Kraft gegen die Cupula aus und diese biegt die Stereocilien ab. Setzt sich die Bewegung mit gleicher Geschwindigkeit fort, rotiert nun auch die Endolymphe und die Kraft auf die Cupula nimmt ab. Bei ruckartiger Beendigung der Rotation, bewegt sich die Endolymphe eine Zeit lang weiter und reizt wiederum die Haarzellen (dies ist der Grund, warum wir nach mehreren Drehungen um die eigene Achse Schwindelgefühle empfinden). 1.4. Definition und Einteilungsmöglichkeiten von Reflexen Reflexe sind „Alles-oder-nichts-Reaktionen“, d.h. es ist ein adäquater Reiz erforderlich, um einen Reflex tatsächlich auszulösen. Reflexe sind die einfachsten Reiz-ReaktionsVerknüpfungen bei Vielzellern und stellen eine stereotype, relativ gleichförmige Verhaltensweise bei Individuen einer Art dar. Reflexe sind biologisch zweckmäßige Antworten auf sensible Reize, sie bieten dem Lebewesen Schutz vor Gefahren. Die meisten Reflexe laufen unbewusst ab wie z.B.: Hustenreflex, Patellarsehnenreflex (Kniesehnen-), Lidschlagreflex. Bei einem Reflex sind ein Rezeptor zur Reizaufnahme und ein Effektor, der den Reiz durch Reaktion beantwortet, durch eine erregungsleitende Bahn zu einem Reflexbogen (siehe Abb.3) verbunden: Abb.3 : Schema eines Reflexbogens [Quelle: http://www.egbeck.de/skripten/] Grundsätzlich besteht ein solcher Reflexbogen aus den Elementen: Rezeptor (Sinnesorgan), sensorische (afferente) Nervenfaser, Zentralnervensystem (ZNS, Gehirn oder Rückenmark), wo die Umschaltung von einem sensiblen afferenten Neuron auf eine motorisches efferentes Neuron stattfindet, motorische (efferente) Faser und Effektor (Muskel oder Drüse). 6 Tierphysiologisches Anfängerpraktikum - Neurobiologie Augenbewegungen Man unterscheidet monosynaptische und polysynaptische Reflexe, sowie Eigen- und Fremdreflexe: Bei den monosynaptischen Reflexen findet man zwischen sensorischer und motorischer Faser nur eine Synapse, d.h. die Erregung wird direkt von der affenenten Nervenfaser auf die efferente Faser übertragen. (Bsp. Patellarsehnenreflex) Sind afferente und efferente Nervenfaser über mehrere Zwischenneurone verschaltet, so spricht man vom polysynaptischen Reflex (z.B. Husten- und Niesreflex, Totstellreflex bei Insekten). Wenn die Rezeptoren und Effektoren eines Reflexes im gleichen Organ liegen, wir dies als Eigenreflex bezeichnet. Beim monosynaptischen Dehnungsreflex liegen Muskelspindeln und Muskelfasern im selben Muskel. Jedoch sind nicht alle Eigenreflexe monosynaptisch. Bei den Fremdreflexen liegen Rezeptor und Effektor in verschiedenen Organen (z.B. Hustenreflex). Fremdreflexe sind immer polysynaptisch. Allgemein dauert der polysynaptische Fremdreflex länger als der Eigenreflex, da eben mehr Synapsen vorhanden sind. 1.5. Aufbau des Gehirns Das Gehirn wird grob in folgende Bereiche eingeteilt (siehe Abb.3): Telencephalon (Endhirn) und Diencephalon (Zwischenhirn) werden zusammengefasst als Prosencephalon. Aus dem Telencephalon geht bei höheren Tieren das Cerebrum (Großhirn) hervor. Im Telencephalon sind beispielsweise Sprache, Bewusstsein und Gedächtnis verankert. Im Diencephalon befindet sich das laterale Geniculatum, was für die Augenbewegungen eine große Rolle spielt. Es schließt sich das Mesencephalon (Mittelhirn) an, welches aus Tectum und Tegmentum besteht. Als Rhombencephalon werden Metencephalon (Hinterhirn) und Myelencephalon (Nachhirn) zusammengefasst. Aus dem Metencephalon geht später das Cerebellum (Kleinhirn) und die Pons (Brücke). Hier werden größtenteils Bewegungen koordiniert. Aus dem Myelencephalon geht die Medulla oblongata (verlängertes Rückenmark) hervor. Abb. 4: Gliederung des Gehirns [Quelle: http://brain.exp.univie.ac.at/07_vorlesung_ss04/bilder.htm] 7 Tierphysiologisches Anfängerpraktikum - Neurobiologie Augenbewegungen 1.6. Corticaler und subcorticaler Weg der Verarbeitung visueller Information im Gehirn Die besondere Bedeutung der visuellen Wahrnehmung für Menschen und andere Primaten kann man an der Größe und der Anzahl der an der Bildanalyse beteiligten Gehirnareale ablesen. Lichtstrahlen werden durch die Cornea, Linse und Glaskörper zur Retina weitergeleitet. Photonen des Lichtstrahls stellen den adäquaten Reiz der Photorezeptoren in der Retina dar. Es kommt zu einer Potentialänderung der Membran dieser Zellen und zur Veränderung des Rhodopsins (siehe Punkt 1). Auf diese Weise werden Signale über zwischengeschaltete Interneurone zu den Retinalganglienzellen weitergeleitet, wo dann Aktionspotentiale generiert werden. In der Retina wird eine Ganglienzelle immer von denselben Photorezeptoren erregt, die auf Reize in einem bestimmten Bereich des visuellen Feldes reagieren. Nebeneinander liegende Retinalganglienzellen besitzen benachbarte und auch überlappende rezeptive Felder und projizieren zu benachbarten Neuronen im Gehirn. Diese räumliche Ordnung bleibt von der Rezeptorebene in der Retina bis in die höheren Verarbeitungsebenen im Cortex (neuronale topographische Karten) weitgehend erhalten. Dieses Phänomen wird als Retinotopie bezeichnet. Über Aktionspotentiale, die erstmals von Retinalganglienzellen ausgehen, gelangen dann Informationen zu bestimmten für die visuelle Verarbeitung zuständige Gehirnareale. Zunächst verläuft die Fortleitung über die Axone des Nervus opticus, dessen Fasern sich am Chiasma opticum überkreuzen. Dies bedeutet, dass Informationen der linken Gesichtshälfte von der rechten Gehirnhälfte verarbeitet werden. Vom Chiasma opticum zieht ein großer Teil der Fasern zum Corpus geniculatum laterale (laterales Geniculatum) im Thalamus. Das Geniculatum besteht aus sechs übereinanderliegenden Zellkörperschichten, zwei Schichten mit relativ großen (magno-) Neuronen und 4 Schichten mit kleinen (parvo-) Neuronen. Durch den Erhalt der räumlichen Anordnung der retinalen Ganglienzellen bei der Projektion sind auch die Geniculatumschichten retinotop organisiert. Vom lateralen Geniculatum ziehen zwei parvozelluläre Bahnen (diese vermitteln Informationen über Farbe, Form und Tiefe) und eine magnozelluläre Bahn (Bewegungsinformationen) zum primären visuellen Cortex. Dieser Weg der Informationen wird corticaler Pfad genannt, da die Verarbeitung der Reize von corticalen Gehirnarealen übernommen wird. Dieser Weg soll anschaulich noch einmal in folgender Abbildung verdeutlicht werden: 8 Tierphysiologisches Anfängerpraktikum - Neurobiologie Augenbewegungen Abb. 5 : Der corticale Pfad der visuellen Informationsverarbeitung. Dieser geht von der Retina im Auge aus und führt über Retinalganglienzellen und den Nervus opticus zum lateralen Geniculatum im Thalamus. Von dort ziehen Bahnen zum visuellen Cortex. Während der corticale Pfad für das Erkennen von Objekten bzw. für die Farb-, Muster-und Formwahrnehmung dient, ist der subcorticale Pfad der Steuerung von Handlungen bzw. der Bewegungs- und Positionswahrnehmung von besonderer Bedeutung. Die restlichen Fasern, die von Chiasma opticum ausgehen, sind mit dem Colliculus superior, einem Kerngebiet der Corpora quadrigemina, verbunden. Weiterhin projizieren Fasern zum Nucleus accessorius, zum Nucleus praeopticus und zum Praetectum im Diencephalon, welches beispielsweise am Pupillenreflex beteiligt ist. Der superiore Colliculus ist zudem verschaltet mit dem visuellen Cortex. Vom Colliculus superior führt die Projektion dann zu den Augenmuskelkernen, den Ausgangsort der drei Hirnnerven, die die sechs Augenmuskeln innervieren (siehe Tabelle 1). Dieser Pfad reicht allein zur zielgerichteten Augenbewegung aus, verfügt jedoch über über eine schlechte Mustererkennung (diese Leistung wird wie schon erklärt vom corticalen Pfad übernommen). Eine übersichtliche Zusammenfassung bietet folgende Abbildung: 9 Tierphysiologisches Anfängerpraktikum - Neurobiologie Augenbewegungen Abb. 6: Der corticale und subcorticale Pfad der visuellen Verarbeitung. 1.7. Augenbewegungen Augenbewegungen sind Vorraussetzung für optimales Sehen, da nur die Fovea centralis die höchste Auflösung und somit schärfstes Sehen aufweist. Sie dienen der aktiven Informationsaufnahme. Reize werden auf die Fovea centralis der Retina projiziert, da dort aufgrund einer 1:1 – Verschaltung der Photorezeptoren mit den Retinalganglienzellen höchste Auflösung stattfindet. Augenbewegungen lassen sich grob in willkürlich und reflektorisch aufteilen, sinnvoller jedoch ist deren Unterscheidung nach Bewertung von Amplitude, Dauer und Geschwindigkeit. 1.7.1. Sakkaden Dies sind ruckartige, ballistische Augenbewegungen, also Bewegungen, die, wenn sie einmal ausgelöst wurden, nicht mehr korrigierbar sind und bis zum Ende so ablaufen. Sakkaden können beispielsweise bei Blickwechsel oder beim Lesen auftreten. Sakkaden können, je nach Lesekompetenz, eine unterschiedliche Dauer besitzen, sie schwankt zwischen 10 – 30 ms. Weiterhin sind Sakkaden durch eine Amplitude von 1 – 40 ° und einer Geschwindigkeit von 200 – 800 °/s charakterisiert. Sie werden beispielsweise durch akustische Reize aus einer anderen Richtung ausgelöst, woraufhin das Lebewesen seinen Blickrichtung ruckartig wechselt. 1.7.2. Glatte Folgebewegungen Werden kleine bewegte Ziele oder großflächige Muster verfolgt, nimmt das Auge glatte Folgebewegungen vor, das Bild wird immer in den Bereich der Fovea centralis projiziert. Hier bei darf eine Winkelgeschwindigkeit von 120 °/s nicht überschritten werden, da sonst das Bild auf der Retina nicht scharf gehalten werden kann und das betrachtet Objekt verschwimmt. Diese Augenbewegungen gehen meist mit Kopfbewegungen einher. 10 Tierphysiologisches Anfängerpraktikum - Neurobiologie Augenbewegungen 1.7.3. Nystagmen Ein Nystagmus bezeichnet die mehrfache Aneinanderreihung von einer Folgebewegung und einer Sakkade. Dieses Bewegungsmuster tritt beispielsweise auf, wenn man in einem fahrenden Zug aus dem Fenster schaut. Ein vorbeifahrender Baum wird verfolgt, nachdem er aus dem Sichtfenster verschwunden ist, richtet sich der Blick zurück nach vorn…usw. Man unterscheidet den optokinetischen Reflex (OKR) und den vestibulo oculären Reflex (VOR). Bei ersterem verfolgen die Augen ein visuelles Ziel und werden durch eine Rückstellsakkade wieder in Ausgangsposition geführt (siehe Beispiel Zug). Der VOR gleicht Verschiebungen des Bildes auf der Retina aus, die durch Kopfbewegungen zustande kommen. 1.7.4. Vestibulär gesteuerte Bewegungen Diese dienen dem Festhalten von fixierten Objekten während Kopf- und Körperbewegungen. Hierbei werden Meldungen aus dem vestibulären Sytem mit dem visuellen Eingang verrechnet. Diese werden auch bei geschlossenen Augen ausgeführt, beispielsweise wenn wir gedreht werden und unsere Augen wieder öffnen. Wir können sofort wieder einen Punkt fixieren. 1.7.5. Vergenzbewegungen Vergenzbewegungen unterteilen sich in Konvergenz und Divergenz. Grundsätzlich ermöglichen Vergenzbewegungen die Fixation von Objekten, deren räumliche Tiefe/Distanz sich ändert. Betrachtet man abwechselnd Gegenstände in der Ferne und in der Nähe, dann bewegen sich beide Augen spiegelbildlich. Es ändert sich also der Winkel der Sehachsen zueinander (Vergenz). Konvergenz: Wird ein Objekt aus der Ferne nah herangeholt und fixiert, dann konvergieren die Sehachsen zueinander, die Augen werden nasal gedreht. Divergenz: Wird ein Objekt aus der Nähe in die Ferne gebracht und fixiert, dann divergieren die Sehachsen auseinander, die Augen werden temporal gedreht. Die Amplitude der Vergenzbewegungen beträgt 5 °, die Dauer 1 s und die Geschwindigkeit 5 °/s. 1.7.6. Rotationsbewegungen Rotationsbewegungen sind durch eine Amplitude von ca. 10 ° charakterisiert. Sie dienen der waagerechten Stabilisierung des Horizontes auf der Retina bei schräg gehaltenem Kopf. Sie treten beispielsweise auf, wenn wir im Liegen Fernsehen. Dennoch haben wir das Gefühl nicht alles 100%ig zufrieden stellend zu sehen, weshalb wir insbesondere bei spannenden Szenen im Fernsehen uns wieder aufrichten. 1.7.7. Fixation Hierbei wird ein bestimmtes Objekt im visuellen Feld beobachtet. Auch während einer Fixation stehen die Augen nicht völlig still, es lassen sich Tremor, Mikrosakkaden und Driftbewegungen feststellen: Mikrosakkaden dauern 10 – 20 ms und weisen eine Amplitude von 2 -5 Bogenminuten ( 1 Bogenminute ist 1/60 °/s). 11 Tierphysiologisches Anfängerpraktikum - Neurobiologie Augenbewegungen Der Tremor, permanentes Augenzittern, besitzt eine Frequenz von 70 – 90 Hz und eine Amplitude von 0,5 – 1 Bogenminute. Letzteres entspricht dem Abstand zweier Rezeptoren. So werden abwechselnd zwei Rezeptoren erregt, wodurch ein „Verblassen“ des Bildes aufgrund einer Adaption verhindert wird. Langsame Driftbewegungen zeichnen sich durch eine Amplitude bis zu 2.5 Bogenminuten und einer Geschwindigkeit von 6 Bogenminuten aus. 2. Material und Methoden 2.1. EOG Es werden im Zuge dieser Untersuchungen die unterschiedlichen Augenbewegungen charakterisiert, hierfür findet die sog. Elektro- Oculographie- Methode (EOG) Anwendung, die zur Messung einen bestimmten Sachverhalt an der Retina des menschlichen Auges heranzieht: Die Retina ist gegenüber der Cornea negativ aufgeladen, so dass mittels zwei aufgeklebter Elektroden (jeweils an den Schläfen der Testperson) und einer Stirn-Elektrode zwischen den Augen die Spannungsänderung infolge einer horizontalen Augenbewegung gemessen werden kann. Vergleiche zum Versuchsaufbau Abb.7 und Abb.8! Abb.7: Versuchsaufbau (EOG) [Praktikumssskript, „Neurobiologie“] 2.2. Kalibrierung (Dominosteine) Vor Beginn der Versuchsreihe wird die Apparatur, sprich Oszilloskop, Schreiber und Elektroden, kalibriert, d.h. es wird die Messgenauigkeit gegenüber festgelegten Werten geprüft. Hierdurch erhält man repräsentative Ergebnisse und die Durchführung ist reproduzierbar. Bei der Kalibrierung sitzt die Versuchsperson in einem bestimmten Abstand von 72 cm zu 2 Dominosteinen und sieht abwechselnd von einem Stein zum anderen (horizontale Augenbewegung) (Abb.2). Es finden sechs Durchgänge statt, bei denen sich der Abstand zwischen den beiden Dominosteinen jeweils um 5 cm (letzter Durchgang um 2,5 cm) verkleinert: Begonnen wird bei einem Abstand von 30 cm, beendet mit 7,5 cm. 12 Tierphysiologisches Anfängerpraktikum - Neurobiologie Augenbewegungen d D1 D2 s Abb.8: Versuchsaufbau (EOG) VP = Versuchsperson; D = Dominostein; d = Strecke zwischen den Dominosteinen s = Strecke zwischen VP und D1 VP 2.3. Versuch 1: Sprungsakkaden (Dominosteine) In diesem Teilversuch sollen Sprungsakkaden veranschaulicht werden, indem der Versuchsaufbau der Kalibrierung beibehalten wird (s.o.). Die Versuchsperson befindet sich weiterhin in einem Abstand von 72 cm vor den Dominosteinen. Sie blickt in diesem Fall möglichst regelmäßig zwischen den Dominosteinen hin und her. Es finden fünf Durchgänge statt, wobei der Abstand zwischen den Steinen bei jedem Durchgang um 5 cm verringert wird. Begonnen wurde hier mit 30 cm Abstand, am Ende waren es 10 cm. Ziel dieses Versuches ist, die Korrelation zwischen Amplitude und Augengeschwindigkeit zu ermitteln. 2.4. Versuch 2: Folgebewegungen (Lichtpunkt; Tischkante) Diese beiden Teilversuche beschäftigen sich mit dem Zusammenhang zwischen Amplitude und Geschwindigkeit des Reizes und der daraus resultierenden Geschwindigkeit der Augenbewegung. Hier findet jedoch einerseits die Reizung durch einen sinusförmig bzw. mit konstanter Geschwindigkeit bewegten Lichtpunkt statt ( a ) und andererseits durch die Augenbewegung entlang einer Tischkante ( b ). a. Verfolgung eines Lichtpunktes Die Versuchsperson befindet sich weiterhin in der gleichen Haltung wie in Versuch 1. Ihr Blick ist auf ein Oszilloskop gerichtet, auf dessen Bildschirm sich ein Lichtpunkt in der horizontalen Ebene hin und her bewegt. - Sinus- Frequenz (nieder- und hochfrequent): Der Lichtpunkt wird zur Mitte hin stets beschleunigt und nimmt vor Erreichen des linken bzw. rechten Endes wieder ab. - Dreiecksspannung (hoch- und niederfrequent): 13 Tierphysiologisches Anfängerpraktikum - Neurobiologie Augenbewegungen Der Lichtpunkt bewegt sich mit konstanter Geschwindigkeit. b. Tischkantenversuch Die Augen der Versuchsperson blicken möglichst ohne den Kopf zu bewegen entlang einer Tischkante. Ein Durchgang verläuft einzig mit der Augenbewegung, der zweite Durchgang hingegen mit Hilfe eines Finger, der die Tischkante entlang fährt. 2.5. Versuch 3: Lesen eines deutschen und eines englischen Textes Die Versuchsperson bleibt wie in den vorhergehenden Versuchen an den drei Messelektroden angeschlossen. Der Kopf bleibt ebenfalls auf dem Kinnhalter fixiert um die konstante Distanz von ca. 70cm zum Objekt, in diesem Fall den beiden Textvorlagen, zu gewährleisten. Der VP wird nun zuerst ein deutscher Text vorgelegt, der laut, in normalem Lesetempo, vorgelesen werden soll, dann ein englischer. Auf dem Ausdruck sind bei jedem Zeilensprung vom Ende der aktuellen Zeile zum Anfang der neuen Zeile Rückstellsakkaden zu erkennen, anhand derer man die Lesezeit pro Zeile und alle daraus folgenden Resultate ermitteln kann. Es sollen im Endeffekt die Anzahl der Worte errechnet werden, die pro Sekunde vom Probanden gelesen werden. 2.6. Versuch 4: Untersuchung des OKN in Vorzugs- und Nullrichtung Ein Projektionsgerät bildet auf einen Schirm, der sich in etwa 1,5 Meter von der Versuchperson entfernt befindet, ein Muster aus schwarzen und weißen Punkten ab, die sich mit unterschiedlich einstellbarer Geschwindigkeit von links nach rechts bewegen. Die Versuchperson soll dabei die Muster auf dem Schirm versuchen zu verfolgen. Aus dieser Situation heraus entsteht bei der Versuchsperson ein optokinetischer Nystagmus, der dann bei unterschiedlicher Geschwindigkeit des Musters untersucht wird. Bei jeder Geschwindigkeit wird in Vorzugsrichtung (binokular) und in Nullrichtung (monokular/mit dem rechten Auge, da sich das Bild von links nach rechts bewegt) gemessen. 3. Ergebnisse 3.1. Kalibrierung: In der Kalibrierungsmessreihe wurden jeweils 4 Amplituden ausgemessen (in mm) (siehe Ergebnis- Anhang) und die Mittelwerte bestimmt (Tab.1): Eine Amplitude (Abb.3) definiert sich maximaler Ausschlag einer Sakkade und folglich als folgende Strecke: 14 Tierphysiologisches Anfängerpraktikum - Neurobiologie Augenbewegungen Abb.9: Amplitudenbereich Zur Erstellung einer Regressionsgeraden ( = Eichkurve) benötigt man jeweils den Sehwinkel (α in ° ), der in Abhängigkeit von der entsprechenden Amplitude in einem Koordinatensystem aufgetragen wird. Hierzu verwendet man die Winkelfunktion, bei der der Abstand (d) zwischen den beiden Dominosteinen (variabel) durch den Abstand (s) zwischen dem Dominostein (D1) (konstant) dividiert wird, was den Tangenz von α ergibt (vgl. Abb.8): tan α = d s s = 72 cm Amplitude, Abstand (d) und Abstand (s), sowie der berechnete Sehwinkel werden in Form von Mittelwerten in Tab. 4 zusammengefasst. Tab.3: Gemessene Werte (Amplitude, Abstand d und s) Amplitude [ ø ] Abstand (d ) Abstand (s) [ø] Sehwinkel [ø] [mm] [cm] [cm] [°] 21,00 30 72 22,62 18,50 25 72 19,14 15,75 20 72 15,53 12,00 15 72 11,77 8,25 10 72 7,91 6,30 7,5 72 5,95 Im Folgenden werden Sehwinkel ( ° ) und Amplitude (mm) in einem Koordinatensystem gegeneinander aufgetragen, um die Regressionsgerade in Form einer Ursprungsgeraden zu ermitteln (Abb.10): 15 Tierphysiologisches Anfängerpraktikum - Neurobiologie Augenbewegungen Sehwinkel [ ° ] y = 0,972x 25 20 15 10 5 0 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 Amplitude [mm] Abb.10 : Regressionsgerade bei der Abhängigkeit zwischen dem Sehwinkel und der Amplitude Die allgemeine Formel für eine Geradengleichung lautet: Y = m*x+b Es ergibt sich aus den Werten die Geradengleichung = 0,972 * x Wobei: Steigung (m) Y-Achsenabschnitt (b) = = y + 0 0,972 0 Der Y- Achsenabschnitt (B) ist logischerweise gleich Null, weil es sich um eine Ursprungsgerade handelt. 3.2. Versuch 1: Sprungsakkaden (Dominosteine) Bei diesem Versuch wurden jeweils 3 Amplituden ausgemessen (in mm) (siehe ErgebnisAnhang) und die Mittelwerte bestimmt, sowie entsprechend 3 mal die Dauer (Zeit) bestimmt und gemittelt (Tab.2): Eine Amplitude (Abb.4) definiert sich als folgende Strecke (mm): Die Dauer (Zeit) (Abb.5) ermittelt man wie folgt [1/v Schreiber*mm]: 16 Tierphysiologisches Anfängerpraktikum - Neurobiologie Augenbewegungen Abb.11: Amplitudenbereich Abb.12: Dauerbereich Aus den Ergebnissen kann man den Zusammenhang zwischen vorgegebener Amplitude und der Augengeschwindigkeit (v Auge) ermitteln, die in ° pro Sekunde angegeben wird, indem man die Amplitude in ° umrechnet und durch die durchschnittliche Dauer ( s ) der Amplituden dividiert (Tab.5): V Auge (°/s) = Amplitude t(s) Eine Amplitude von 1 mm entspricht einem Sehwinkel von 0,61°, also multipliziert man den Betrag der Amplitude (mm) mit 0,61° und erhält somit die Amplitude in ° (Tab.5). Tab.4: Ergebnisse und Ermittlung der Augengeschwindigkeit anhand verschiedener Parameter Abstand Sehwinkel Amplitude Zeit ( t ) Amplitude Augengeschwindigkeit (d) [mm] [ø] [ ° ] [ø] [mm] [ø] [ s ] [ °] [ °/s ] 300 22,62 11,3 0,07 6,89 98,43 250 19,14 9,7 0,07 5,92 84,57 200 15,53 8,3 0,05 5,06 101,2 150 11,77 6,8 0,05 4,15 83,00 100 7,91 4,5 0,04 2,75 68,75 Der Zusammenhang zwischen Amplitude und Augengeschwindigkeit wird graphisch veranschaulicht (Abb.13), indem der Sehwinkel in Abhängigkeit von der Augengeschwindigkeit in einem Koordinatensystem aufgetragen werden: 17 Tierphysiologisches Anfängerpraktikum - Neurobiologie Augenbewegungen v Auge [ °/s ] 110 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 sehwinkel [ ° ] Abb. 13: Augengeschwindigkeit in Abhängigkeit vom Sehwinkel 3.3. Versuch 2: Folgebewegungen (Lichtpunkt; Tischkante) a. Verfolgung eines Lichtpunktes Bei der Verfolgung des Lichtpunktes mit Sinus- Spannung (siehe Tab.3 und ErgebnisAnhang) entsteht eine gleichmäßige Aufzeichnung, die bei niedriger Frequenz eine Amplitude von durchschnittlich 3 mm aufweist und im Vergleich zur hochfrequenten Durchführung eine größere Dauer hat (ø 0,9 s). Die Amplituden der hochfrequenten Aufzeichnung sind zwar auch durchschnittlich 3,2 mm groß, dauern jedoch nur ca. 0,35 s. Bei der Dreiecksspannung ergeben sich ähnliche Bilder (siehe Tab.3 und Ergebnis- Anhang): bei der niederfrequenten Aufzeichnung weisen die Amplituden ca. 2 mm auf und die Zeit beträgt etwa 0,4 s, die hochfrequente Durchführung hingegen hat eine leicht größere Amplitude von 3,3 mm und die Zeit ist auf 0,3 s beschränkt. Tab.5: Amplitude und Dauer ( v Schreiber = 10 mm/s) bei unterschiedlichen Spannungen Spannung Amplitude [ø] [mm] Zeit ( t ) [ø] [s] Sinus niederfrequent 3,0 0,9 18 Tierphysiologisches Anfängerpraktikum - Neurobiologie Augenbewegungen b. Sinus hochfrequent 3,2 0,3 Dreieck niederfrequent 2,0 0,4 Dreieck hochfrequent 3,3 0,3 Tischkantenversuch Der Blick entlang der Tischkanten (ohne Finger) verursacht eine sehr unregelmäßige Aufzeichnung mit vielen Sprüngen. Die Durchführung mit dem Finger entlang der Tischkante bewirkt im Vergleich dazu einen regelmäßigeren Verlauf. Vergleiche hierzu die Schreiberaufzeichnungen zu diesem Versuch im Anhang. 3.4. Versuch 3: Lesen eines deutschen und eines englischen Textes Bei den verwendeten Texten handelt es sich um folgende (die Zeilensprünge sind vom verwendeten Originaltext 1 zu 1 übernommen): Deutscher Text: Am nördlichen Ortsrand der Gemeinde Lonsee liegt – direkt oberhalb der Bahnlinie von Stuttgart nach Ulm – der Salenberg, ein nach Südwesten ausgerichteter, von 560 auf 640 Meter ansteigender Hang des oberen Lonetals. Englischer Text: In plants, as in humans, sexual reproduction involves the union of gametes. When gametes fuse, the chromosome number of the resulting cell is twice that of either gamete. Wir stellen zunächst fest wie viel Wörter pro Zeile in den Texten vorhanden sind, und mit welcher Geschwindigkeit sie jeweils gelesen wurden: Tab.6: Worte pro Zeilen und benötigte Lesezeit in beiden Texten Worte pro Benötigte Lesezeit pro Zeile Zeile [sec] Deutscher Text Zeile1 7 3,24 Zeile2 7 2,7 19 Tierphysiologisches Anfängerpraktikum - Neurobiologie Augenbewegungen Zeile3 Zeile4 Zeile5 Englischer Text Zeile1 Zeile2 Zeile3 Zeile4 6 7 4 2,32 4,2 2,9 7 8 8 5 3,16 3,8 2,96 3,34 Aus diesen Werten erfolgt die Berechnung der pro Sekunde gelesenen Worte in den einzelnen Zeilen: Tab.7: Worte pro Sekunde in beiden Texten Worte pro Sekunde Deutscher Text Zeile1 2,16 Zeile2 2,59 Zeile3 2,59 Zeile4 1,67 Zeile5 1,38 Worte pro Sekunde Englischer Text Zeile1 2,22 Zeile2 2,11 Zeile3 2,7 Zeile4 1,5 Grafisch sieht dies folgendermaßen aus: Lesegeschwindigkeiten in den Texten 3 Deutscher Text 2,5 [Worte/sec] 2 Englischer Text 1,5 1 0,5 0 Zeile1 Zeile2 Zeile3 Zeile4 Zeile5 Abb.14: Lesegeschwindigkeiten in den einzelnen Zeilen in beiden Texten 20 Tierphysiologisches Anfängerpraktikum - Neurobiologie Augenbewegungen 3.5.Versuch 4: Untersuchung des OKN Ermittelung des Sehwinkels Von den ermittelten Daten einer jeden neuen Winkelgeschwindigkeit des Projektionsgeräts wird zur Auswertung die Durchschnittsamplitude von 4 ausgewählten Amplituden verwendet. Anhand der durch die Kalibrierung erstellten Gleichung kann die Amplitude sofort in den ihr entsprechenden Sehwinkel umgerechnet werden. Tab.8: Messwerte der Bestimmung des Sehwinkels Winkelgeschwindigkeit [°/sec] 20 30 40 60 90 120 Sehwinkel in Vorzugsrichtung [°] Sehwinkel in Nullrichtung [°] 20,3 17,5 15,4 17,5 15,2 16,5 15,7 14,4 12,9 14,1 Bei 120°/sec konnte das Auge der VP der Bewegung nicht mehr folgen; es gibt keine Daten. Grafische Darstellung: 25 Sehwinkel 20 15 In Vorzugsrichtung In Nullrichtung 10 5 0 0 50 100 150 Winkelgeschwindigkeit [°/sec] Abb.15: Zusammenhang zwischen Winkelgeschwindigkeit des Reizes und Sehwinkel des Auges Ermittlung der Rückstellsakkaden pro Sekunde: Zur Ermittlung der durchschnittlichen Rückstellsakkadenzahl pro Sekunde verwendet man einen möglichst langen Zeitabschnitt auf dem Ausdruck des Schreibers. durch Die gesamte Zahl der sich innerhalb diesen Abschnittes befindlichen Rückstellsakkaden wird durch die gesamte verwendete Zeitspanne geteilt, ohne Rücksicht auf die Amplitudengröße der Sakkaden. 21 Tierphysiologisches Anfängerpraktikum - Neurobiologie Augenbewegungen Tab.9:Abhängigkeit der Winkelgeschwindigkeit Rückstellsakkaden pro Sekunde von der Winkelgeschwindigkeit Rückstellsakkaden pro Sekunde in Rückstellsakkaden pro Sekunde in [°/sec] Vorzugsrichtung Nullrichtung 20 0,41 30 0,63 40 0,96 60 1,21 90 1,78 120 k.A. Grafische Darstellung: Rückstellsakkaden pro Sekunde 2 1,8 1,6 1,4 1,2 In Vorzugsrichtung 1 In Nullrichtung 0,8 0,6 0,4 0,2 0 0 50 100 150 Winkelgeschwindigkeit [°/sec] Abb.15: Zusammenhang zwischen Rückstellsakkaden pro Sekunde Winkelgeschwindigkeit des Reizes und Ermittlung des Gainwerts Der Gainwert (siehe Pkt 4.2) stellt das Verhältnis zwischen Reizgeschwindigkeit und Augenwinkelgeschwindigkeit dar. Hierzu wird die Winkelgeschwindigkeit des Auges durch die Winkelgeschwindigkeit des Reizes geteilt. Die Winkelgeschwindigkeit des Auges ergibt sich aus den schon ermittelten durchschnittlichen Sehwinkeln dividiert durch die durchschnittliche Zeitdauer einer Rückstellsakkade. 22 0,44 0,65 0,96 1,41 1,72 k.A. Tierphysiologisches Anfängerpraktikum - Neurobiologie Augenbewegungen Tab.10: Berechnete Gainwerte in Abhängigkeit von der Winkelgeschwindigkeit d. Reizs Winkelgeschwindigkeit [°/sec] 20 30 40 60 90 120 Winkelgeschwindigkeit d. Auges Winkelgeschwindigkeit (Vorzugsrichtung) Gainwert d. Auges Gainwert [°/sec] (Vorzugsrichtung) (Nullrichtung) [°/sec] (Nullrichtung) 9,3 0,46 7,6 11,1 0,37 12,2 14,6 0,37 15 17,8 0,3 20 19,2 0,21 21,4 Grafische Darstellung: 0,5 0,45 0,4 Gainwert 0,35 0,3 in Vorzugsrichtung 0,25 in Nullrichtung 0,2 0,15 0,1 0,05 0 0 50 100 150 Winkelgeschwindigkeit [°/sec] Abb.16: Zusammenhang zwischen Winkelgeschwindigkeit des Reizes und Gainwert 23 0,38 0,41 0,38 0,33 0,24 Tierphysiologisches Anfängerpraktikum - Neurobiologie Augenbewegungen 4. Diskussion: Allgemein: Das „natürliche Sehen“ soll hier zwar untersucht werden, aber auch unter den vorgegebenen Versuchsbedingungen sind Störungen nicht immer auszuschließen. Störgrößen sind: -Elektrische Aktivitäten von Gesichtsmuskeln (Um diese gering zu halten, sollte die VP nicht reden und den Kopf still halten) -Korrektursakkaden der VP -Tremor während einer Fixation 4.1. Versuch 1: Sprungsakkaden (Dominosteine) In Abb. 13 wird sichtbar, dass die Augengeschwindigkeit in linearer Abhängigkeit zum Sehwinkel steht (Proportionalität). Die drei kleinsten Sehwinkel weisen Werte auf, die linear zueinander stehen (bis 15,53°), dann wird deutlich, dass die Werte der beiden größten Sehwinkel (11,77° und 7,91°) zwar auch linear verlaufen, jedoch nicht mit den vorigen Werten im Einklang stehen (sie sind nach unten versetzt). Sie weisen also größere Winkel auf, die mit geringerer Geschwindigkeit der Augen bewerkstelligt werden. Zu erwarten war ein durchgehend linearer Verlauf, denn je größer der Sehwinkel, desto größer ist die Strecke, die die Augen zurücklegen müssen und entsprechend schneller müssen sie sein, um in der gleichen Zeit eine derart größere Strecke zu schaffen. Es bleibt zu vermuten, dass die Versuchsperson eben nicht den gleichen Takt für die kurzen und langen Strecken beibehalten hat, wodurch die Augengeschwindigkeit in unserem Diagramm (Abb.13) bei den anfangs großen Winkeln geringer ist. Eine weitere Möglichkeit besteht jedoch auch darin, dass die Augengeschwindigkeit nur bis zu einem Grenzwert linear verläuft, denn bei normalem Sehen beträgt der Sehwinkel ca. 10° und wird er größer, werden i.d.R. Kopfbewegungen zu Hilfe genommen. In unserem Versuch wurden diese Ausgleichbewegungen möglichst unterdrückt (aber dennoch kann hier eine Fehlerquelle liegen). Abb. 13 kann man entnehmen, dass bei uns der Sehwinkel von 15,53° auf einen Grenzwert hinweist. Die größeren Winkel heben sich ab, weil hier automatisch eine andere Geschwindigkeit verwendet wird. Machen Sie eine Aussage darüber, ob eine Sakkade in diesem Zusammenhang rein ballistisch (vergleichbar einem Golfschlag) ist, also eine Abweichung nur durch eine erneute Sakkade (weitere Schläge) kompensiert, oder ob sie in ihrem Verlauf korrigiert werden kann. Bei den hier angewandten Augenbewegungen findet ein ständiger ruckartiger Blickwechsel zwischen den Dominosteinen statt, es handelt sich also um Sakkaden (siehe Theorieteil). Entsprechend sind sie rein ballistisch, d.h. einmal ausgelöst, nicht mehr korrigierbar, sondern nur durch eine erneute Sakkade kompensierbar. 24 Tierphysiologisches Anfängerpraktikum - Neurobiologie Augenbewegungen 4.2. Versuch 2: Folgebewegungen (Lichtpunkt; Tischkante) Als Maß dafür, wie gut die Augen einem Reiz folgen wird der gain- Wert verwendet, welcher sich aus dem Quotienten aus der Augengeschwindigkeit und der Reizgeschwindigkeit ergibt. Da die Augengeschwindigkeit nicht schneller sein kann als die Reizgeschwindigkeit, ist der gain-Wert stets kleiner als eins: gain = v Auge v Reiz < 1 a. Verfolgung eines Lichtpunktes Die Geschwindigkeitsänderungen der Sinus- und der Dreiecksspannung werden in den Aufzeichnungen des Oszilloskops deutlich: bei einer niedrigen Frequenz ist auch die Augenbewegung langsamer (aus der Amplitudendauer interpretiert) und entsprechend bei der höheren Frequenz schneller. Die Winkelgeschwindigkeit der Augenbewegung ist ungefähr gleich der Winkelgeschwindigkeit des sich bewegenden Lichtpunktes, darum verlaufen die Bewegungen bei der Sinus- Spannung, die durch weiche Übergänge während des Richtungswechsels charakterisiert ist, glatter und regelmäßiger als bei der Dreieckspannung, welche sich durch abrupte Richtungsänderungen infolge ihrer konstanten Geschwindigkeit auszeichnet. Im Grunde könnte man erwarten, dass die Aufzeichnungen der Dreiecksspannung noch extremere Dreiecksform aufweisen, da jedoch das Auge automatisch einen derart abrupten Richtungswechsel leicht abbremst, indem es an diesen Stellen kurze Zeit dem Lichtpunkt nicht mehr exakt folgt. Man könnte versuchen einen größerflächigen Punkt zu verfolgen, wobei sich dann die Frage stellt, ob das Ergebnis ggf. durch willkürliche Sakkaden infolge von Fixationswechsel innerhalb der Punktfläche beeinflusst wird. b. Tischkantenversuch Versucht man die Tischkante ohne Finger glatt entlang zu schauen, entstehen sehr unrgelemäßige Augenbewegungen, die sich in der Aufzeichnung widerspiegeln. Diese Bewegungen werden als Ziel- und Korrektursakkaden bezeichnet. Bei Durchführung mit dem Finger kann die Versuchsperson glatte Augenbewegungen machen, wodurch die Aufzeichnungen regelmäßiger werden. Das liegt daran, dass jetzt ein Fixationspunkt gegeben ist, der verfolgt werden kann. Diese Bewegungen sind evolutiv begründet (Verfolgung eines potentiellen Beutetieres oder Feindes): Das bewegte Objekt wird fixiert und bleibt dadurch im Bereich der Fovea centralis, wodurch es sich nur wenig und langsam auf der Netzhaut bewegt. In diesem Versuch wird festgestellt, dass beim Entlangblicken der Tischkante ein Punkt besser verfolgt wird als die Linie . 25 Tierphysiologisches Anfängerpraktikum - Neurobiologie Augenbewegungen 4.3. Versuch 3: Lesen eines deutschen und eines englischen Textes Vorneweg sollte bemerkt werden dass sich mit diesem Versuch keine wirklich aussagekräftigen Daten ermitteln lassen, denn jede kleinste Störung bewirkt aufgrund der Kürze der benutzten Texte eine mehr oder minder erhebliche Abweichung. Um realistische Werte zu erlangen wäre es eigentlich nötig viel längere Texte zu verwenden (was aber auch weitaus mehr Arbeitszeit bedeuten würde). Es sollte sich eigentlich die Tendenz feststellen lassen, dass der englische Text im Schnitt schneller gelesen wird als der deutsche. Diese zuerst unlogisch erscheinende Tatsche lässt sich leicht dadurch erklären, dass beim Lesen eines Textes in fremder Sprache, welche man natürlich in gewissem Maße beherrschen sollte, das Hauptaugenmerk des Lesenden am Lesen des Textes selbst liegt, und nicht am Verstehen des selben. Denn da man in der fremden Sprache nicht so geübt ist, wie in der Muttersprache, konzentriert man sich viel eher darauf den text richtig zu lesen anstatt ihn auch zu verstehen. In der Muttersprache werden hingegen sofort Zusammenhänge mit den gelesenen Wörtern assoziiert, welche sich in einem etwas langsameren Lesefluss bemerkbar machen. Bei unseren Ergebnissen zeigt sich dieser Zusammenhang leider nicht so deutlich. Auffällig ist der Unterschied in en zweiten Zeilen bei denen im englischen Text das Wort „gametes“ vorkommt, über dessen Aussprache Die Versuchsperson ins Stocken geriet und der ´Lesefluss damit deutlich verlangsamt wurde. Einzig in den ersten und dritten Zeilen liegt die Lesegeschwindigkeit im englischen Text über der des deutschen, doch beide Male nur in unerheblichem Maße. Zudem hin kommt in jener dritten Zeile des deutschen Textes ein Bindestrich und ein Komma vor, welche beide geringe Pausen beim Lesen bewirken. 4.4.Versuch 4: Untersuchung des OKN Sehwinkel Sowohl in Vorzugsrichtung als auch Nullrichtung werden die Sehwinkel mit größer werdender Geschwindigkeit des Reizes immer kleiner. Die Augen können den Mustern immer nur über noch kürzer werdende Strecken folgen weshalb die Amplitude der Rückstellsakkade abnimmt. Zu Beginn bei 20°/sec ist der Sehwinkel in Vorzugsrichtung noch größer als der in Nullrichtung, doch bis auf eine Ausnahme ist dann der Sehwinkel in Nullrichtung stets größer. Dies widerspricht eigentlich der Theorie, denn die Verarbeitung in Nullrichtung verläuft größtenteils über den prim. Visuellen Cortex, also auf corticalem Weg, während der in Vorzugsrichtung hauptsächlich subcortical abläuft. Der corticale Weg beansprucht mehr Rechenzeit als der subcorticale, da er mehr Neuronen involviert, deshalb sollten die Sehwinkel in Nullrichtung eigentlich kleiner sein als in Vorzugsrichtung. Rückstellsakkaden pro Sekunde Mit zunehmender Reizgeschwindigkeit kommen auf die gleiche Zeitspanne immer mehr Rückstellsakkaden, da das Muster den Schirm immer schneller verlässt und das Auge schneller wieder „zurückspringen“ muss. Die Werte von Vorzugs- und Nullrichtung unterscheiden sich dabei nicht erwähnenswert. Gainwert Der Gainwert nimmt mit zunehmender Winkelgeschwindigkeit immer mehr ab. Das Auge hat bei den hohen Reizgeschwindigkeiten immer stärkere Probleme seine Geschwindigkeit an die 26 Tierphysiologisches Anfängerpraktikum - Neurobiologie Augenbewegungen des Reizes anzupassen. In Nullrichtung sollten die Werte generell wiederum niedriger sein als in Vorzugsrichtung, doch sind die Ergebnisse hierfür bis auf den ersten Wert immer höher. (siehe auch Diskussion von Sehwinkel) 5. Literaturverzeichnis - Penzlin, Heinz: Lehrbuch der Tierphysiologie, 3. Auflage -Campbell, Neil A.: Biologie.6.Aufl., Spektrum Akademischer Verlag -Eckert, Roger: Tierphysiologie, 4.Auflage, Thieme Verlag -Skript Neurobiologie -www.wikipedia.de -Trebsdorf, Martin: Biologie, Anatomie, Physiologie, 7. Aufl. 2002 6. Anhang 27