Ionenkanäle und Neurodegeneration Sven G. Meuth Neurologische Klinik der Universität Würzburg Die Multiple Sklerose (MS) wird als entzündlich-demyelinisierende Erkrankung des zentralen Nervensystems betrachtet, bei der die schubförmig auftretenden neurologischen Symptome durch den Abbau der Myelinscheide bedingt sind. Die Akkumulation dauerhaften klinisch-neurologischen Schadens kann jedoch allein durch de- und remyelinisierende Prozesse nicht zufrieden stellend erklärt werden. Die im Verlauf zunehmenden neurologischen Defizite werden vielmehr als Folge einer axonalen/neuronalen Degeneration betrachtet, die abhängig vom Stadium der Erkrankung verschiedene Ursachen haben kann: 1. Neuronen und deren Axone werden während der akuten Entzündung durch infiltrierende Lymphozyten und Makrophagen sowie aktivierte Gliazellen entweder durch direkten Zell-Zell-Kontakt oder die Freisetzung verschiedener Mediatoren (NO, Glutamat) geschädigt; 2. durch Schädigung der die Myelinscheide bildenden Oligodendrozyten kommt es indirekt durch einen fehlenden trophischen Einfluss auf das Axon zur axonalen Degeneration; 3. durch eine veränderte Verteilung und Expression verschiedener Ionenkanäle und Transporter kommt es im demyelinisierten Axon zu einer lokal gesteigerten elektrischen Aktivität und einer intrazellulären Kalziumakkumulation mit nachfolgender mitochondrialer Dysfunktion und neuronalem Zelltod. Die pharmakologische Modulation dieser Ionenkanäle und Transporter mit zum Teil bereits zugelassenen Substanzen könnte zu einer direkten Neuroprotektion beitragen. Einzelne Substanzen haben ihre Wirksamkeit bereits in tierexperimentellen Studien belegt und sind nun auch Gegenstand erster klinischer Studien.