1. Co-Autor: XXXX XXXXX cand. med. vet. , 6. Fachsemester 2. Co-Autor: XXXX XXXXX cand. med. vet. , 6. Fachsemester XXX, den XX. Juni 2004 Krankenbericht Über einen Patienten der Klinik für Geburtshilfe, Gynäkologie und Andrologie der Groß- und Kleintiere der Justus-Liebig-Universität Gießen. Die Untersuchung findet am Montag, den 21. Juni 2004 im Rahmen einer Klinischen Demonstration statt. Besitzer des Patienten ist Frau XY aus Gießen. Betreuende Tierärztin ist Frau XXXX. Vorbericht Der Patient, bei dem es sich um eine 7-jährige Mischlingshündin handelt, gebärt nach Besitzerangaben am 17. Juni 2004 gegen 21.30 Uhr einen Welpen, der als Todgeburt ausgetrieben wird. Gegen 0.15 Uhr wird ein weiterer, lebender Welpe geboren. Am Freitag, den 18. Juni 2004 wird die Hündin in der Klinik für Geburtshilfe, Gynäkologie und Andrologie vorgestellt. Ein Deckzeitpunkt oder der Beginn der Wehen sind der Besitzerin nicht bekannt. Bei der Aufnahmeuntersuchung wird ein reduziertes Allgemeinbefinden der Hündin festgestellt. Die Pulsfrequenz beträgt 128 / min., die Atmung ist hechelnd, die Temperatur beträgt 39,9 ° Celsius. Die Lymphknoten erscheinen unauffällig, der Herzschlag ist abgesetzt und regelmäßig. Der Umfang des Abdomens ist vermehrt, die Bauchdecke stellt sich als angespannt dar. Fruchtanteile sind nicht palpierbar. Die Labien der Hündin sind ödematisiert, weiter lässt sich ein blutiger, grünlich und unangenehm riechender Vaginalausfluss beobachten. Das Gesäuge der Hündin ist angebildet und unauffällig. Milchbildung lässt sich für alle Mammarkomplexe nachweisen. Bei der durchgeführten Vaginoskopie wird eine Rötung der Schleimhaut festgestellt, Fruchtanteile sind nicht sichtbar. Sonographisch lässt sich der Puls für zwei ungeborene Früchte darstellen, ein Welpe befindet sich vor dem Beckeneingang. Röntgentechnisch lassen sich vier ungeborene Welpen darstellen, einer der Welpen befindet sich in Hinterendlage vor dem Becken. Die behandelnde Tierärztin entschließt sich für eine Sectio caesarea radicalis. Als Praemedikation wird eine Braunüle geschoben und 6 ml Polamivet verabreicht. Epidural werden 1,5 ml Procasel verabreicht. Der Patient wird mit Sauerstoff/Lachgas im Verhältnis 1:2 in Narkose versetzt. Nach Entwicklung der Welpen wird je nach Bedarf Isofluran eingesetzt. Die Operation wird per Pulsoximetrie und Elektrokardiogramm überwacht. Das Operationsfeld wird über die Linea alba eröffnet, der Uterus vorgelagert. Durch eine Incision des linken und rechten Uterushornes werden ein nicht frisch toter Welpe, ein hochgradig atemdepressiver Welpe, sowie zwei geringgradig atemdepressive Welpen entwickelt. Der Uterus stellt sich intra operationem als intakt dar. Vor die Zervix, sowie beidseitig cranial der Ovarien ( mit Durchstechen der cranialen Keimdrüsenbänder) werden Ligaturen, jeweils mit Vicryl-4-metric als Nahtmaterial, gelegt. Der Uterus wird vorsichtig 1 frei präpariert und inklusive der Ovarien entnommen. Das Operationsfeld wird auf Nachblutungen kontrolliert, sowie die Ovarien auf Vollständigkeit. Die Schleimhaut des Zervixstumpfes wird ausgeschält und der Stumpf anschließend mit Iodtinktur behandelt. Der Zervixstumpf wird einstülpend mit Safil-4-metric vernäht. Das Operationsfeld wird auf Nachblutungen kontrolliert. Die Bauchhöhle wird durch Einzelhefte mit Safil-4-metric geschlossen. Eine Fascienentspannungsnaht wird ebenfalls mit Safil-4-metric geknüpft, sowie eine subcutane Raffnaht mit Safil-3,5-metric. Die Hautwunde wird intracutan mit Vicryl-2metric verschlossen. Postoperativ wird der Patient mit Synulox s.c., sowie Finadyne i.v. behandelt. Ein dritter Welpe verstirbt am 20. Juni 2004 gegen 18.00 Uhr, die überlebenden Welpen werden mit Milchaustauscher aufgezogen und mit Synulox behandelt. Signalement Bei dem zu untersuchenden Patienten handelt es sich um eine 7 jährige Mischlingshündin mit dem Namen „Mandy“. Die Fellfarbe ist schwarz, die Ohren sind in den Spitzen abgeknickt. Die Hündin wiegt 27 kg. Allgemeine Untersuchung Die Hündin zeigt in Gegenwart ihrer Welpen einen Schutztrieb. In Abwesenheit ihrer Welpen verhält sie sich leicht ängstlich, ansonsten aber ruhig. Der Ernährungs- und Pflegezustand sind als gut einzustufen. Die Pulsfrequenz beträgt 106 / min., die Atmungsfrequenz ist hechelnd, die Körperinnentemperatur beträgt 39,6 °C. Die Körperoberflächentemperatur scheint im Bereich des Gesäuges leicht erhöht. Caudal des Umbilicus zieht eine etwa 15cm lange Wundnaht beckenwärts. Die Wunde ist trocken, eine Schwellung und erhöhte Oberflächentemperatur ist nicht festzustellen. Die Wundheilung ist als gut anzusehen. Das Allgemeinbefinden ist als reduziert einzustufen. Das Haarkleid ist geschlossen, Der Unterbauch ist vom Brustbein bis zum letzten Inguinalzitzenpaar rasiert, ebenso ein Feld dorso-cranial des Os sacrum. Der Hauttugor ist erhalten. Die Lnn. mandibulares, Lnn. cervicales und Lnn. poplitei superficiales sind von physiologischer Größe, Form, Konsistenz und Lage, verschieblich und nicht schmerzhaft. Die sichtbaren Schleimhäute sind feucht, glatt, glänzend und ohne Auflagerungen, sowie von physiologischer Farbe. Die Episkleralgefäße sind deutlich gezeichnet und gut gefüllt. Die Zeit der kapillären Rückfüllung liegt unter zwei Sekunden. Die Herzauskultation ergab keine Nebengeräusche. Der Herzschlag ist kräftig und gut abgesetzt. Nasenausfluß wurde nicht beobachtet. Die Atmung ist hechelnd, costo-abdominal, bei der Auskultation der Lunge wurden keine pathologischen Veränderungen festgestellt. Die Futteraufnahme wird als mäßig beschrieben. Kot- und Harnabsatz werden während der Untersuchung nicht beobachtet. Die Belastung der Gliedmaßen ist uneingeschränkt. Spezielle gynäkologische Untersuchung Das Abdomen stellt sich adspektorisch symmetrisch dar, Umfangsvermehrung lassen sich adspektorisch und palpatorisch nicht feststellen. Die Bauchdecke lässt sich als leicht 2 angespannt bezeichnen. Das Perineum ist unauffällig, die Rima vulvae ist geschlossen und verläuft gerade. Die Labien sind leicht ödematisiert. Ein Vaginalausfluss kann nicht festgestellt werden. Auf eine Vaginoskopie wird wegen der vor drei Tagen durchgeführten Ovariohysterektomie verzichtet. Die Mammarkomplexe sind unterschiedlich stark angebildet und befinden sich alle in der Sekretionsphase. Das Gewebe ist weich und elastisch, Umfangsvermehrungen, Schmerzhafigkeit oder Verhärtungen lassen sich palpatorisch nicht feststellen. Die Oberflächentemperatur scheint im Bereich der Milchleisten leicht erhöht. Diagnose 1. Ovariohysterektomie nach durchgeführter Sectio caesarea 2. Erhöhte Körperinnentemperatur, wahrscheinlich aufgrund Toxämie durch Lysis eines Welpen im Uterus Epikrise Indikationen für eine Sectio caesarea: Jede medikamentös und/oder manuell-instrumentell nicht beeinflussbare Geburtsstörung zwingt zum Kaiserschnitt. Aufgrund der Länge und Enge des Geburtsweges und der Multiparität ergeben sich diagnostische Schwierigkeiten, so dass die Ursache der jeweils vorliegenden Dystokie nicht immer eindeutig zu ermitteln ist und manchmal erst im Verlauf der Operation beurteilbar wird. Man trennt die absolute Indikation, bei der es keine geburtshilfliche Alternative zur Sectio caesarea gibt, von der relativen Indikation, bei der die verschiedenen Möglichkeiten der Geburtshilfe gegeneinander abgewogen werden müssen. Störungen im Geburtsverlauf, bei denen ein Kaiserschnitt durchgeführt werden muss, können vom Muttertier ausgehen, durch die Eihäute verursacht werden oder durch die Früchte bedingt sein. Zudem kann eine abnorm verlängerte Trächtigkeitsdauer eine Sectio caesarea notwendig machen: a) Störungen der Graviditätsdauer: Bei Fleischfressern verlängert sich die Tragezeit oft bei Einfrüchtigkeit um mehrere Tage über die physiologischen Schwankungen hinaus (mittlere Trächtigkeitsdauer: 63d, normaler Spielraum: 60-66d). Wenn der Decktermin absolut sicher ist, sollte am 68. Tag eine Sectio caesarea durchgeführt werden, weil überreife Feten oft schwer geboren werden und lebensschwach sein können. Bei Einfrüchtigkeit sollte schon vor dem 68. Tag ein Kaiserschnitt durchgeführt werden, da Einzelfrüchte meist sehr groß sind, was in der Geburt zu Komplikationen wie Verzögerung, Lebensschwäche bis hin zum Fruchttod führt. b) Geburtsstörungen seitens des Muttertieres Störungen der Wehentätigkeit Man unterscheidet drei Arten von Wehenschwäche: Bei Typ I können sich aufgrund von Calcium-Mangel die glatten Muskelfasern des Myometriums nicht kontrahieren, während die 3 Tokolyse bei Typ II durch eine Stimulation der ß2-Adrenozeptoren (Adrenalinwirkung bei Stress) hervorgerufen wird. Bei Typ III ist das Nachlassen der Wehentätigkeit auf die Erschöpfung der Energiereserven zurückzuführen. Ein Uterusspasmus bedingt ebenfalls die Sistierung der Geburt. Es besteht die Gefahr der Uterusruptur . Eine Sectio caesarea ist dann vorzunehmen, wenn mit konservativen Methoden (bei Wehenschwäche Ruhe, Calcium, Glucose, Oxytocin, ggf. ß-Blocker; beim Uterusspasmus erst ein Tokolytikum, dann vorsichtige Weheninduktion, ß-selektive Sympathikomimetika) keine Besserung erreicht wird. Geburtsstörungen durch den knöchernen Geburtsweg Ein absolut zu enges Becken kann evtl. bei noch nicht ausgewachsenen Junghündinnen zu Geburtsstörungen führen. Ein relativ zu enges Becken kann z.B. bei Zwerghunderassen durch ein Missverhältnis zwischen Beckengröße und Kopfumfang der Frucht bedingt sein. Eine Exostosen- oder Kallusbildung nach einer Beckenfraktur kann ebenfalls den Geburtsweg versperren. Geburtsstörungen durch den weichen Geburtsweg Bei einer mangelhaften Öffnung der Zervix und schon geplatzten Fruchtblasen ist eine Sectio caesarea das Mittel der Wahl. Sind die Fruchtblasen noch intakt, kann noch einige Stunden gewartet werden, evtl. ist eine konservative Therapie der Wehenschwäche mit dem Versuch der manuellen Weitung sinnvoll. Bei einer mangelnden Weite der Zervix sind die Früchte immer tot und Veränderungen an Eihäuten und Fruchtwasser feststellbar. Hier sollte eine Sectio caesarea nur bei Undurchführbarkeit der Fetotomie durchgeführt werden, da durch die erhebliche Keimflora im Uterus die Prognose nicht so günstig ist wie bei frisch toten oder noch lebenden Welpen. Eine Torsio uteri ist immer nur mittels geburtshilflicher Probelaparatomie diagnostizierbar, deren Befund dann über die weitere Vorgehensweise entscheidet. Möglich sind eine Retorsion mit Abwarten der normalen Geburt oder aber die Retorsion mit anschließender Hysterotomie und Extraktion der Frucht. Wenn das Organ schon stark geschädigt ist, sollte eine Hysterektomie durchgeführt werden. Des Weiteren können krankhafte Zustände den weichen Geburtsweg versperren. In diesem Zusammenhang kommen neben Verletzungen des Geburtskanals während und vor der Geburt v. a. Zubildungen und Missbildungen an Uterus, Zervix, Vagina oder Vulva in Betracht, die je nach Schwere eine Sectio caesarea nötig machen können. c) Geburtsstörungen durch Eihäute: Hier ist die Eihautwassersucht zu erwähnen, die als Hydramnion, Hydrallantois und als Mischform auftreten kann. Da die Früchte wahrscheinlich tot oder nicht lebensfähig sind, sollte sofort die Geburt eingeleitet oder, wenn dies nicht möglich, eine Sectio caesarea vorgenommen werden. Hierbei ist zu beachten, dass das Fruchtwasser langsam abgelassen wird, da sonst die Gefahr des hypovolämischen Schockes besteht. d) Geburtsstörungen seitens der Früchte Dazu zählen Missbildungen, die mit einer erheblichen Vergrößerung der Feten (auch Riesenwuchs) oder mit einer den Durchtritt der Welpen behindernden Abweichung der Form 4 oder Haltung verbunden sind, zum Beispiel Hydrocephalus, Anasarka oder Doppelmissbildungen. Bei absolut (Fetus zu groß) und relativ (Becken zu klein) zu großen Früchten bedingt das fetopelvine Missverhältnis die Dystokie. Abgestorbene Früchte: Wenn erkannt wird, dass der vorliegende Fetus lebensschwach oder bereits abgestorben ist, muss die Geburt so schnell wie möglich beendet werden, da die schon innerhalb von 6-12 Stunden eintretende Zersetzung toter Früchte das Muttertier aufs höchste gefährden kann. Falls die Geburt durch Extraktion und Wehenanregung nicht schnell zu bewerkstelligen ist, ist ein Kaiserschnitt induziert. Bei schon faulen oder emphysematösen Früchten ist aufgrund der Sepsis des Muttertieres eine Sectio caesarea mit Hysterektomie unumgänglich, wobei Prognose und Operationsrisiko vom Allgemeinzustand des Tieres abhängen. Bei mumifizierten Früchten ist der Kaiserschnitt induziert, wenn der Abort nicht auslösbar ist. Ebenso können nicht korrigierbare fehlerhafte Lagen der Feten eine Sectio caesarea erforderlich machen, so zum Beispiel die Rückenquerlage oder auch das gleichzeitige Eintreten zweier Welpen in den Geburtskanal. Beim Kaiserschnitt unterscheidet man die Sectio caesarea conservativa und die Sectio caesarea radicalis: Sectio caesarea conservativa (Hysterotomie): Die konservative Schnittentbindung wird unter Erhalt der Gebärmutter durchgeführt. Sie setzt voraus, dass auf die Erhaltung der Zuchtfähigkeit Wert gelegt wird. Die medizinische Indikation ist gegeben, wenn das Tier noch keine schwerwiegenden Störungen des Allgemeinbefindens aufweist, die Jungen am Leben sind oder erst unmittelbar zuvor gestorben und der Uterus keine pathologischen Veränderungen aufweist. Da die Sectio caesarea conservativa nur bei relativ frischen Geburten und guten Operationsbedingungen durchgeführt wird, ist die Prognose sehr günstig; der Heilungserfolg liegt bei 98 bis 99%, sofern der Patient nicht durch schwere Organschäden vorbelastet ist. Sectio caesarea radicalis (Sectio porro, Ovariohysterektomie): Die Indikation zur Entfernung der Gebärmutter besteht bei verschleppter Geburt, wenn Allgemeinstörungen, pathologisch gefärbter Vaginalausfluss oder Anzeichen einer Peritonitis vorliegen. Auch wenn der Uterus so weitgehend verändert ist, so dass eine Wiederherstellung fraglich ist. Beim Fleischfresser wird die Hysterektomie mit der Ovariektomie verbunden, da die zurückgebliebenen Ovarien zystös oder tumorös entarten können. Therapie Die Therapie besteht aus einer postoperativen Versorgung. Eine gezielte systemische Antibiose ist über mindestens fünf Tage aufrechtzuerhalten, wobei vorteilhafterweise Depotpräparate oder orale Antibiotika einzusetzen sind. Die Säugebereitschaft der Milchdrüse und Laktation kann über Oxytocinpräparate gefördert, oder bei unerwünschter Milchproduktion über Prolaktinhemmer und Kühlung eingeschränkt werden. 5 Bei Intoxikationserscheinungen ist eine Infusionstherapie, möglichst unter Kontrolle der Blutwerte (Hämatokrit, Blutgase, Harnstoff, Leberparameter etc.), bis zu einer Normalisierung des Allgemeinbefindens durchzuführen. Die Flüssigkeitsinfusion (Vollelektrolytlösungen, Physiologische NaCl-, Ringerlösung, Glucose, Lävulose) ist gegebenenfalls durch Kreislauf-, Leberschutz- und Vitaminpräparate zu vervollständigen. Mögliche postoperative Komplikationen sind: ● Nachblutungen aus dem Zervixstumpf bis zur Verblutung. Bei Verdacht auf Stumpfblutung (blasse Schleimhäute) ist eine Relaparotomie, eine erneutes Abbinden und ggf. eine Bluttransfusion durchzuführen. ● Selten treten 10 – 14 Tage post operationem Scheidenblutungen aufgrund arrodierter Gefäße am Amputationsstumpf auf. ● Nach der Operation können sich unterschiedlich ausgeprägte Puerperalerkrankungen (Intoxikationen, Infektionen) oder gelegentlich auch Peritonitiden entwickeln die symptomatisch zu behandeln sind. ● Störungen der Wundheilung ( Wundinfektionen, -eiterungen, Nahtdehiszenzen) Prognose Die Prognose ist als gut einzustufen. _____________________ ______________________ 6