Kapitel 7: Erforschung der Evolution

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Kapitel 7: Erforschung der Evolution
Moleküle kann man aufgrund ihrer dreidimensionalen Struktur in Familien einordnen
und so den Entwicklungsweg nachvollziehen (z.B. die menschliche und die RinderRibonuclease sind sich sehr ähnlich). Das Problem dabei ist aber, dass erst von
wenigen Proteinen die Struktur bekannt ist.
Deshalb sind Sequenzvergleiche zu einem wichtigen Instrument geworden.
Denn man kennt Basen- und Aminosäuresequenzen von vielen Proteinen.
Wenn man die beiden Methoden kombiniert, kann man viel über Funktion- und
Wirkmechanismen, Beziehungen zu bereits bekannten Molekülen, evolutionären
Ursprung und den Zeitpunkt herausragender evolutionärer Ereignisse dieses
Proteins herausfinden.
7.1 Homologien
Homologe Moleküle:
abstammen.
Moleküle,
die
von
einem
gemeinsamen
Vorfahren
Paraloge Moleküle: Homologe Moleküle innerhalb von einer Art (unterscheiden sich
in Einzelheitien ihrer biochemischen Funktion)
Orthologen Moleküle: Homologe Moleküle in verschiedenen Arten (biochemische
Funktion oft sehr ähnlich oder identisch; Informationen über evolutionäre Geschichte)
Eine Homologie äussert sich meist durch eine grosse Ähnlichkeit in der Basen- und
Aminosäurensequenz und in der dreidimensionalen Struktur.
7.2 Aufdeckung von Homologien
Um Proteine zu analysieren eignet sich die Aminosäuresequenzierung am besten.
Um nun 2 Aminosäuren miteinander zu vergleichen braucht man eine Methode, die
sich Sequenzalignment nennt.
Dabei werden 2 Aminosäuresequenzen nebeneinander gelegt und so lange
gegeneinander weiter geschoben, bis man die meisten Sequenzübereinstimmung
(Alignements) gefunden hat.
Um mehrere solche Alignements zu verbinden, kann man bei der einen
Aminosäuresequenz auch Lücken einfügen (Insertionen) oder Aminosäuren
ausschneiden (Deletionen), wie dies im Laufe der Evolution auch geschehen ist
(z.B. bei einer der vier Hämoglobinketten im Vergleich mit der Myoglobinkette findet
man 23 Übereinstimmungen über die Ketten verteilt und 22 Übereinstimmungen
gegen Ende der Sequenz, durch Einfügen von Lücken und Ausschneiden von
Aminosäuren gelingt es, eine grössere Übereinstimmungen zu erreichen).
Um eine sinnlose Anhäufung von Lücken zu vermeiden, hat man ein Punktesystem
eingeführt; bei jeder Übereinstimmung gibt es 10 Punkte und für jede Lücke werden
25 Punkte abgezogen. Die Gesamtzahl, die sich daraus ergibt nennt man
Alignmentpunkte.
7.2.1 Statistische Signifikanz von Alignments
Man kann den Prozentsatz der Übereinstimmung ausrechnen, weiss dann aber noch
nicht, ob die Ähnlichkeit rein zufällig, oder ob sie evolutiv begründet ist.
Um dies zu überprüfen, durchmischt man eine der beiden Aminosäuresequenzen
und stellt einen neuen Sequenzvergleich an. Dies wiederholt man viele Male und
erhält so eine Verteilung, welche für jede mögliche Punktzahl die Anzahl an
durchmischten Sequenzen zeigt. Wenn man die Punktezahl der ursprünglichen
Aminosäuresequenz mit den zufällig gebildeten vergleicht und die ursprüngliche weit
über dem Durchschnitt liegt, kann man ziemlich sicher sein, dass die beiden
Sequenzen homolog sind.
7.2.2 Entferntere evolutionäre Beziehungen
In der vorher beschriebenen Methode, werden nur identische Aminosäuren
berücksichtigt. Es gibt aber auch viele Aminosäuren die sich sehr ähnlich sind. Sie
lassen sich aufgrund verschiedener Kriterien einteilen (z.B. geladene, polare, grosse
hydrophobe,…)
Wenn ähnliche Aminosäuren gegeneinander ausgetauscht werden, hat dies meist
keinen grossen Einfluss auf die Funktion (konservative Substitution).
Solche Substitutionen sind für die Evolution wahrscheinlicher, als die radikale
Veränderung von Substituenten.
Dafür hat man nun ein Punktesystem entwickelt, das Homologien zwischen weniger
offensichtlich verwandten Sequenzen entdeckt.
Es gibt viele Punkte, wenn ein Substituent für eine bestimmte Aminosäure häufig
vorkommt (also ähnlich ist), ein hoher negativer Wert wird erreicht, wenn ein
Substituent selten oder nie beobachtet wird.
Faustregeln:
 Bei Sequenzlängen über 100 Aminosäuren ist eine Sequenzidentität von über
25 % mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht bloss zufällig. => Sequenzen sind
homolog
 Sind zwei Sequenzen hingegen zu weniger als 15 % identisch, eher keine
Homologie feststellbar
 Bei Sequenzen zwischen 15 und 25% Identität sind weitere Analysen
notwendig, um die Signifikanz der Übereinstimmung zu bewerten.
7.2.3 Mithilfe von Datenbanken
Hat man die Sequenz eines Proteins erstmals bestimmt, kann ein Vergleich mit allen
bereits charakterisierten Sequenzen hervorragende Einblicke in dessen evolutionäre
Verwandtschaftsbeziehungen und damit in seine Struktur und Funktion vermitteln.
7.3 Die Untersuchung der dreidimensionalen Struktur
Biomoleküle funktionieren als komplexe dreidimensionale Strukturen und nicht als
lineare Polymere. Die Mutationen mögen zwar bei den Aminosäuresequenzen
geschehen, auswirken wird sich das aber auf die Funktion.
7.3.1 Tertiär und Primärstruktur
Im Laufe der Evolution sind die dreidimensionalen Strukturen viel besser
konserviert worden, als die Primärstruktur. Deutlich wird dies beispielsweise bei den
Globinen. Im Vergleich sind menschliches Myoglobin und Leghämoglobin aus der
Lupine verblüffend ähnlich, was die Struktur betrifft, obwohl nur 15.6%
Sequenzübereinstimmung besteht. Dies spricht dafür, dass das Gerüst, welches die
Hämgruppe bindet und die reversible Bindung von Sauerstoff ermöglicht, über einen
langen Evolutionszeitraum hinweg konserviert worden ist.
Es gibt aber auch Ähnlichkeiten zwischen Proteinen, die man noch weniger erwarten
würde, meist dann, wenn sie völlig verschiedene biologische Rollen einnehmen.
Die Suche nach solchen verwandtschaftlichen Beziehungen wird heute meist mit
dem Computer durchgeführt, so können schnell und effizient Strukturen verglichen
werden.
7.3.2 dreidimensionale Strukturen und Auswertung von Sequenzvergleichen
Je nach dem, wie wichtig eine Region oder ein Aminosäurerest für die Funktion eines
Proteins ist, wird es stärker konserviert als andere. Die Herstellung von Sequenzvorlagen (Sequence templates) kann zur Identifizierung neuer Familienmitglieder
beitragen, die mit anderen Mitteln vielleicht unentdeckt blieben. Dabei nimmt man als
Sequenzvorlagen konservierte Reste, die strukturell und funktionell wichtig und für
eine bestimmte Familie charakteristisch sind.
7.3.3 Motivwiederholungen lassen sich durch Sequenzvergleiche innerhalb
einer Sequenz nachweisen
Über 10% aller Proteine enthalten 2 oder mehr Domänen, die einander ähneln. Beim
Eigendiagonalen Diagramm (selfdiagonal plot) vergleicht man die Sequenz
sozusagen mit sich selbst, indem man die Proteinsequenz sowohl in vertikaler als
auch horizontaler Richtung jeweils vom Amino – zum Carboxylende hin aufträgt. So
kann man Motivwiederholungen innerhalb der Aminosäuresequenz eines Proteins
auffinden. Die zentrale Diagonale entspricht dabei dem Alignment der Sequenz mit
sich selbst.
7.3.4 Konvergente Evolution: gemeinsame Lösungen für biochem. Probleme
divergente Evolution:
konvergente Evolution:
Proteine, die von einem gemeinsamen Vorfahren
abstammen.
Ganz unterschiedliche Evolutionswege führen zur selben
Lösung.
Proteine haben unabhängig voneinander ähnliche Strukturen entwickelt, um ähnliche
biochemische Funktionen zu erfüllen.
Beispiel für konvergente Evolution: Serinproteasen. Durch ihre Ähnlichkeiten könnte
man meinen, die Proteine seien homolog. Aber die massiven Unterschiede in der
Gesamtstruktur dieser Proteine machen eine evolutionäre Verwandtschaftsbeziehung extrem unwahrscheinlich. Es ist extrem unwahrscheinlich, dass zwei
Proteine, die sich aus einem gemeinsamen Vorläufer entwickelt haben, ähnliche
Aktivitätszentren behalten haben sollen, während andere Aspekte ihrer Struktur sich
so dramatisch verändert haben.
7.3.5 Der Vergleich von RNA – Sequenzen ermöglicht Einblicke in die
Sekundärstruktur
Der Vergleich mehrerer homologer RNA – Sequenzen kann Hinweise auf die
dreidimensionale Struktur der RNA selbst vermitteln. Die einzelsträngigen
Nukleinsäuren falten sich zu komplexen Strukturen, die von Watson – Crick –
Basenpaarungen und anderen Wechselwirkungen zusammengehalten werden. Die
Basen können somit (sofern sie aufeinander passen) eine Bindung (Watson – Crick –
Basenpaarung) eingehen, was dann die dreidimensionale Struktur verändert. Dort,
wo die Sequenzen mehrerer homologer RNA – Moleküle bekannt sind, kann diese
Art der Sequenzanalyse ganze Sekundärstrukturen erschliessen sowie einige
zusätzliche Wechselwirkungen darüber hinaus.
7.4
Auf der Basis von Sequenzinformationen lassen sich Stammbäume
konstruieren
Sequenzen, die einander ähnlicher sind als andere, haben offenbar weniger Zeit
gehabt, sich auseinander zu entwickeln als Sequenzen, die weniger ähnlich sind.
Vergleicht man die Sequenzen, lässt sich ein Stammbaum konstruieren, bei dem die
Länge der Verknüpfung zwischen einem Proteinpaar proportional zur Anzahl der AS
ist, die sich bei den beiden Sequenzen jeweils unterscheiden. Die Zeitskala wird
durch die Ergebnisse von Fossiluntersuchungen geliefert, und zeigt den jeweiligen
Zeitpunkt der Divergenz.
7.5
Moderne
Verfahren
ermöglichen
Untersuchungen von Evolutionsprozessen
die
experimentelle
Polymerasekettenreaktion erlaubt die direkte Untersuchung fossiler DNA –
Sequenzen. Mit ihr kann man zum Teil auch Genome untersuchen, die nicht mehr
gegenwärtig sind.
Mit der kombinatorischen Chemie lässt sich die molekulare Evolution untersuchen.
Bei diesem Verfahren werden grosse Molekülpopulationen en masse produziert und
auf eine bestimmte biochemische Eigenschaft hin selektioniert.
7.5.1. In manchen Fällen lässt sich urtümliche DNA amplifizieren und
sequenzieren
Methode: DNA wird mittels PCR amplifiziert und sequenziert.
Urtümliche DNA kann so ausgewertet werden, da die DNA eine extreme chemische
Stabilität aufweist.
Voraussetzungen für das erfolgreiche sequenzieren urtümlicher DNA :
- hinreichende DNA – Mengen für Amplifikation
- alle Quellen potenzieller Verunreinigungen müssen konsequent ausgeschlossen
werden
7.5.2. Die experimentelle Untersuchung der molekularen Evolution
Drei wichtige Voraussetzungen für die Evolution:
- Vorhandensein einer Population mit grosser Vielfalt.
- Selektion durch unterschiedliche Fitness.
- Durchsetzung, Anreicherung der fitesten Organismen in einer Population.
Diese drei Prozesse kann man auch in vitro an Nucleinsäuremolekülen ablaufen
lassen. So kann man nachvollziehen, wie Evolutionsereignisse zu katalystischen
Aktivitäten und spezifischen Bindungskapazitäten führten.
Vorgehen:
- Ausgangspopulation schaffen
- Ausgangspopulation wird einem Selektionsprozess unterworfen, der bestimmte
Moleküle mit den gewünschten Bindungs – oder Reaktionseigenschaften
heraussortiert.
- Selektionsprozess – überstandene Moleküle mittels PCR vermehren (Primer auf
spezifische Sequenzen gerichtet, die sich an den Enden aller Sequenzen in dieser
Population befinden.) (Beispiel dazu siehe evt. Buch)
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