Datum: 12. Oktober 2006 Thema: Virushepatitis – Formen, Symptome, Behandlung Referenten: Univ.-Prof. Dr. Christian Müller, Univ.-Klinik für Innere Medizin IV, Klinische Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie Prim. Univ.-Doz. Dr. Michael Gschwantler, Prim. Univ.-Doz. Dr. Werner Weiss, Wilhelminenspital, IV. Medizinische Abteilung Angelika Widhalm Virushepatitis – ein Überblick Unter dem Begriff Virushepatitis versteht man entzündliche Erkrankungen der Leber, welche durch Virusinfektionen verursacht werden. Virushepatitiden stellen weltweit ein großes Problem dar. Erreger von Virushepatitiden können in drei Gruppen unterteilt werden: 1. Die „klassischen“ Hepatitisviren, zu welchen die Erreger der Hepatitis A, B, C, D und E gehören. 2. Viren wie das Zytomegalie- und das Epstein-Barr-Virus, die im Allgemeinen systemische Infektionen verursachen, welche die Leber miteinbeziehen können. 3. „Exotische“ Hepatitisviren, die im Wesentlichen in tropischen Regionen vorkommen. Unter diesem Begriff wird eine sehr heterogene Gruppe von Viren zusammengefasst, die schwere, teilweise tödlich verlaufende Infektionen mit Leberbeteiligung hervorrufen können. Wichtige Vertreter sind etwa Gelbfiebervirus, Lassavirus und Ebolavirus. Hepatitisviren können bezüglich der Leber grundsätzlich zwei unterschiedliche Krankheitsbilder hervorrufen: eine akute Hepatitis, die von einer Gelbsucht begleitet wird, sowie eine chronische Hepatitis. Das Hepatitis A Virus (HAV) wird meist durch kontaminierte, unvollständig gekochte Speisen, verunreinigtes Trinkwasser oder als Schmierinfektion übertragen. HAV ist weltweit verbreitet. Besonders in Regionen mit schlechten hygienischen Verhältnissen ist die Durchseuchungsrate sehr hoch. Ein beträchtliches Infektionsrisiko besteht bei Reisen in Entwicklungsländer. Die Inkubationszeit liegt zwischen 15 und 45 Tagen. Bei mehr als 90% aller Patienten, die mit HAV infiziert werden, entwickeln sich keine klinischen Symptome. Die stattgehabte Infektion wird dann später durch den Nachweis von gegen das Virus gerichteten Antikörpern im Blut diagnostiziert. Nur ein relativ kleiner Teil aller Infizierten entwickelt eine akute Hepatitis A. Die Hepatitis A als die „gutartigste“ aller Virushepatitiden bezeichnet werden: Fulminante Verlaufsformen sind extrem selten (etwa 0,2%), es treten keine chronischen Verlaufsformen auf und die Hepatitis A stellt keinen Risikofaktor für das Leberkarzinom dar. Gegen Hepatitis A ist eine aktive Schutzimpfung verfügbar (Havrix®; bzw. ein Kombinationsimpfstoff mit Hepatitis B: Twinrix®). Zusätzlich kann das Risiko einer Infektion gesenkt werden, wenn nur abgekochtes Wasser getrunken wird und auf den Verzehr von ungekochten Nahrungsmitteln (wie Meeresfrüchte, Salate, rohes Obst und Speiseeis) verzichtet wird. Das Hepatitis B Virus (HBV) ist weltweit verbreitet. Man rechnet insgesamt mit etwa 350 Millionen chronisch Infizierten. Besonders in Asien und Afrika stellt die chronische Hepatitis B ein enormes medizinisches Problem dar: In vielen Regionen ist bis zu 30% der Bevölkerung chronisch mit HBV infiziert und Komplikationen wie Leberzirrhose und Leberkarzinom zählen zu den häufigsten Todesursachen. HBV wird im Wesentlichen durch Kontakt mit infektiösem Blut (z.B. bei intravenösem Drogenabusus, Nadelstichverletzungen, Piercen und Tätowieren mit verunreinigten Nadeln), durch Geschlechtsverkehr sowie während der Geburt von der Mutter auf das Kind übertragen. In Ländern mit hoher Durchseuchungsrate (z.B. Südostasien oder Afrika) ist die Übertragung von der Mutter auf das Kind der häufigste Übertragungsweg. In den Industriestaaten ist Geschlechtsverkehr der häufigste Übertragungsweg. Die Inkubationszeit liegt zwischen 40 und 140 Tagen. Nach Infektion mit dem Hepatitis B Virus kann es zur Entwicklung einer akuten Hepatitis B kommen. Diese heilt in den meisten Fällen spontan aus. In etwa 5% der Fälle entwickelt sich im Anschluss an die akute Hepatitis B eine chronische Hepatitis B. Nach einer Infektion kann es auch primär zur Entwicklung einer chronischen Hepatitis B kommen (ohne, dass vorher eine akute Hepatitis B bestand). Die Diagnose einer HBV-Infektion erfolgt durch den Nachweis spezifischer Antigene und Antikörper im Blut des Patienten. Für die Prophylaxe der Hepatitis B ist ein aktiver Impfstoff als Monoimpfstoff (Engerix®) oder in Kombination mit Hepatitis A (Twinrix®) verfügbar. Kondome schützen vor der Übertragung von HBV durch Geschlechtsverkehr. Das Hepatitis C Virus (HCV) ist weltweit verbreitet. Man rechnet mit etwa 200 Millionen Infizierten. In Österreich kann man von 90.000 Infizierten ausgehen. Die Infektion erfolgt im Wesentlichen durch Kontakt mit infiziertem Blut. Der wichtigste Übertragungsmodus ist heute der i.v.-Drogenabusus bei Mehrfachverwendung von Injektionsnadeln. Auch bei nicht sachgemäß durchgeführtem Tätowieren oder Piercen kann das Virus übertragen werden. Die Übertragung durch infizierte Blutkonserven ist heute durch die genaue Testung aller Spender eine Rarität. Ist die Mutter zum Zeitpunkt der Geburt infiziert, so besteht ein etwa 5%iges Risiko, dass das Virus während der Geburt auf das Kind übertragen wird. Das Risiko einer Übertragung des HCV durch Geschlechtsverkehr wird als sehr gering eingestuft. Die Inkubationszeit liegt zwischen 6 und 12 Wochen. Nach Infektion mit dem Hepatitis C Virus kommt es nur sehr selten zur Entwicklung einer akuten Hepatitis. Meist entwickelt sich primär eine chronische Hepatitis, die oft ohne oder nur mit minimalen klinischen Symptomen verlaufen kann. Das Problem der chronischen Hepatitis C besteht darin, dass sich nach jahrelangem Verlauf bei einem Teil der Patienten eine Leberzirrhose bzw. ein Leberkarzinom entwickeln kann. Die Diagnose erfolgt durch den Nachweis spezifischer Antikörper und der Erbsubstanz des Hepatitis C Virus im Blut des Patienten. Während die chronische Hepatitis C in den meisten Fällen gutartig verläuft, schreitet sie bei 10-30% aller Betroffenen nach einer Latenz von 20 - 30 Jahren zu einer Leberzirrhose bzw. zu einem Leberzell-Karzinom fort. Diese Komplikationen machen die chronische Hepatitis C zu einem ernsten volksgesundheitlichen und gesundheitsökonomischen Problem. Die durch Hepatitis C verursachte Leberzirrhose ist derzeit in Österreich die häufigste Ursache für eine Lebertransplantation. Es wäre daher wünschenswert, die chronische Hepatitis C in einem frühen Stadium - vor dem Auftreten von Komplikationen - zu therapieren. Derzeit ist keine Schutzimpfung gegen das Hepatitis C Virus verfügbar. Die Häufigkeit der Hepatitis D ist regional sehr unterschiedlich: Während die Prävalenz im Amazonasbecken, im Mittleren Osten, in Südeuropa und Italien relativ hoch ist, ist die Infektion in Nord- und Mitteleuropa selten. Das Hepatitis D Virus (HDV) wird im Wesentlichen durch Kontakt mit infektiösem Blut, durch Geschlechtsverkehr sowie während der Geburt von der Mutter auf das Kind übertragen. Die Inkubationszeit der Hepatitis D schwankt zwischen wenigen Wochen und mehreren Monaten. Grundsätzlich können sich nur Patienten mit HDV infizieren, die gleichzeitig mit HBV infiziert sind, da HDV das HBV zu seiner Vermehrung benötigt. Nach Infektion mit HDV kann es zur Entwicklung einer akuten oder einer chronischen Hepatitis D kommen. Die Hepatitis D wird durch den Nachweis virusspezifischer Antikörper im Blut diagnostiziert. Das Hepatitis E Virus (HEV) ist hauptsächlich in Süd- und Südostasien, Nordafrika sowie in Mittelamerika verbreitet ist. Die Durchseuchungsrate ist abhängig vom hygienischen Standard. Für Europäer besteht ein Infektionsrisiko bei Reisen in entsprechende Endemiegebiete. Einzelne Berichte legen jedoch die Vermutung nahe, dass die Hepatitis E – wenn auch selten – so doch sporadisch auch in Europa auftritt. HEV wird im Wesentlichen durch kontaminierte, unvollständig gekochte Speisen, verunreinigtes Trinkwasser oder als Schmierinfektion übertragen. Die Inkubationszeit liegt zwischen 19 und 75 Tagen. Bei den meisten Patienten, die mit HEV infiziert werden, entwickeln sich keine klinischen Symptome. Die stattgehabte Infektion wird dann später durch den Nachweis spezifischer Antikörper im Blut diagnostiziert. Ein Teil aller Infizierten entwickelt eine akute Hepatitis E, die im Allgemeinen spontan ausheilt. Fulminante Verlaufsformen sind selten. Eine Infektion mit dem Hepatitis E Virus scheint jedoch für schwangere Frauen gefährlich zu sein. Chronische Verläufe der Hepatitis E wurden bisher nicht beschrieben. Derzeit existiert keine Impfung gegen Hepatitis E. Die Prophylaxe bei Reisen in entsprechende Endemiegebiete muss sich daher auf allgemeine hygienische Maßnahmen beschränken (siehe unter Hepatitis A). Therapie der Virushepatitis Chronische Hepatitis C: Die Medikamente Interferon und Ribavirin sind heute die Säulen der Therapie der chronischen Hepatitis C. Interferon ist ein körpereigener Stoff, der bei jeder Virusinfektion von körpereigenen Immunzellen produziert wird und die Vermehrung von eingedrungenen Viren hemmt. Er wird heute gentechnologisch hergestellt und in Form des pegylierten Interferons, das aufgrund seiner längeren Verweildauer im Körper nur einmal pro Woche unter die Haut gespritzt werden muss, verwendet. Ribavirin ist ein sog. Nukleosid-Analog, das als „falscher Baustein“ in das Virusgenom eingebaut wird und dadurch die weitere Virusvermehrung hemmt. Es wird in Form von Tabletten eingenommen. Durch die Therapie mit pegyliertem Interferon in Kombination mit Ribavirin ist es heute möglich ca. 50% der chronischen Hepatitis C Infektionen zur Ausheilung zu bringen. Beim Subtyp III sind es sogar 70-80%, beim Subtyp I ca. 40-50%. Leider sind beide Medikamente mit Nebenwirkungen behaftet. Interferon kann zu Fieberzuständen, Muskel- und Gelenksschmerzen, Gewichtsabnahme, Müdigkeit und Abgeschlagenheit führen, Ribavirin führt zu einer vorübergehenden Blutarmut. Die Nebenwirkungen können durch engmaschige Laborkontrollen und Adaptierung der Medikamentendosis verringert, sehr oft jedoch nicht gänzlich vermieden werden. Zur Therapie unbedingt notwendig ist eine genaue Aufklärung und hohe Motivation des Patienten, da die Therapiedauer mindestens 6 Monate (Subtyp III), meist jedoch 1 Jahr (Subtyp I) beträgt. Ist das Virus auch 6 Monate nach Ende der Therapie nicht mehr nachweisbar, so kann von einer kompletten Heilung des Patienten von der Hepatitis C Virus Infektion ausgegangen werden. Chronische Hepatitis B: Auch bei der chronischen Hepatitis B ist die Verwendung von pegyliertem Interferon die Therapie der ersten Wahl. Hierbei kann in ca. 40% der behandelten Patienten innerhalb von 6 Monaten eine deutliche Reduktion der Virusvermehrung und Verminderung der entzündlichen Aktivität in der Leber erreicht werden. Dieser günstige Zustand hält dann oft auch nach Ende der Therapie weiter an. In den letzten Jahren sind zudem auch in Tablettenform einzunehmende Hemmstoffe der Hepatitis B Vermehrung entwickelt worden, von denen Lamivudin (Zefix) und Adevofir (Hepasera) bereits am Markt angeboten werden. Diese Wirkstoffe sind fast nebenwirkungsfrei, erreichen das gleiche Behandlungsergebnis wie pegyliertes Interferon, jedoch erst nach einer längeren Behandlungszeit von 3-4 Jahren. Resistenzentwicklung des Virus gegen eine der eingesetzten Substanzen ist möglich und macht den Wechsel zum alternativen Präparat erforderlich. Eine konsequente Verminderung der Virusreplikation und damit Verminderung der entzündlichen Aktivität in der Leber führt zu einer deutlichen Verbesserung des histologischen (feingeweblichen) Zustandes der Leber. Weitere Informationen: Prim. Univ.-Doz. Dr. Michael Gschwantler Wilhelminenspital, IV. Medizinische Abteilung Montleartstrasse 37, 1160 Wien Tel: +43/1/49150-2401 e-Mail: [email protected] Prim. Univ.-Doz. Dr. Werner Weiss Wilhelminenspital, IV. Medizinische Abteilung Montleartstraße 37, 1160 Wien Tel.: 1/491 50-0 e-Mail: [email protected] Univ.-Prof. Dr. Christian Müller Univ.-Klinik für Innere Medizin IV Klin. Abtl. Gastroenterologie und Hepatologie Währinger Gürtel 8-21, 1090 Wien Tel.: 01/404004793 e-Mail: [email protected] Angelika Widhalm Verein Hepatitis (Selbst-) Hilfe Österreich Plattform Gesunde Leber Anton Burggasse 1/44, 1040 Wien Tel.: 01/60122-72283 e-Mail: [email protected]