Hinweis: Dieses Protokoll stammt von der Seite www.chids.de (Chemie in der Schule). Dort können unterschiedliche Materialien für den Schulunterricht heruntergeladen werden, unter anderem hunderteMarburg von Experimentalvorträgen so wie der vorliegende: Philipps-Universität http://online-media.uni-marburg.de/chemie/chids/veranstaltungen/uebungen_experimentalvortrag.html Fachbereich Chemie Lehramt Sommersemester 2006 Seminar: Übungen im Experimentalvortrag (OC) Mit einem Menü durch die Organische Chemie Experimentalvortrag vom 08.06.06 Ina Böckler Auf der Heide 4 35085 Hachborn Inhaltsverzeichnis: 1. Einleitung…………………………………...……………………………1 2. Definition Nahrungsmittel………………...…………………………….2 3. Klassifizierung der Nahrungsmittel……………………………………3 4. Das Menü………………………………………………………………...8 4.1 Vorspeise: Baguette mit „Lachskaviar“ à la Ferran Adrià…………..8 4.1.1 4.1.2 Das Baguette, die Stärke, die α-Amylase und der Geschmack…………8 Demo 1: Stärkeabbau durch Speichel…………….……………….9 Versuch 1: Stärke-Smiley…………….…………………………16 Versuch 2: Fehling-Probe……………………………………….18 Lebensmittelfärbung und Alginate in der Lebensmittelindustrie…...….20 Versuch 3: Darstellung von E 110 (Gelborange S)……….……….22 Versuch 4: Kaviar aus Alginat…………………………….........27 4.2 Hauptgericht: Schweinefilet an neuen Kartoffeln…………………31 4.2.1 Fleisch und Fleischzartmacher………………………………...…31 Demo 2: Enzymwirkung von Papaya......…...…...…...….............35 Versuch 5: Aminosäure-Nachweis mit Ninhydrin………...……...36 4.2.2 Food-Design: Der etwas andere Stärkenachweis…………………...40 Versuch 6: Die Kartoffelschrift…………………………………41 4.3 Nachspeise: Obstsalat……………………………………………...42 4.3.1 Das natürliche Übel……………………………………………..42 Demo 3: Enzymatische Bräunung……………………...………..43 4.3.2 „Omas Tricks und Tipps“………………………………………..43 Versuch 7: Reduktionswirkung von Ascorbinsäure……...……….46 4.3.3 Guten Appetit!!!...........................................................................49 Demo 4: Geschmack von Obstsalat…………………………………...49 5. Schulrelevanz…………………………………………………………...49 5.1 Das Thema im Lehrplan……………………………………………49 5.2 Bedeutung von Essen und Trinken: Eine Rechtfertigung für die Behandlung im Chemieunterricht…….50 6. Literaturverzeichnis…………………………...……………………….51 1. Einleitung: Bei dem Experimentalvortrag mit dem wohlklingenden Titel „Mit einem Menü durch die Organische Chemie“ handelt es sich um einen Vortrag, der sich mit der Chemie bestimmter Nahrungsmittel beschäftigt. Die ausgewählten Nahrungsmittel sind so aufeinander abgestimmt, dass sie ein sinnvolles dreigängiges Menü mit Vorspeise, Hauptgericht und Nachspeise ergeben. Durch diese Menüabfolge und die dazugehörigen wohlbekannten oder auch mal etwas exotischeren Zutaten ergibt sich ein natürlicher roter Faden, an dem sich der Vortrag entlang hangelt. Das erstellte Menü liefert dabei neben interessanten Untersuchungsansätzen, die sich oft als alltagsrelevante Fragen oder naturwissenschaftliche Betrachtungen der „Geheimtipps von Oma“ entpuppen, auch viele mögliche chemische Experimente zum Thema der Nährstoffe, insbesondere der Kohlenhydrate und Proteine. Darüber hinaus werden weitere Nahrungsmittelbestandteile bzw. deren Inhaltsstoffe und Zusatzstoffe wie z.B. Lebensmittelfarbstoffe, untersucht. Die meisten der durchgeführten Experimente sind auch als Schülerversuche denkbar. Im Rahmen dieses Themas werden dann die Inhaltsstoffe und Eigenschaften der ausgewählten Nahrungsmittel genauer untersucht und mit bekannten Reaktionen der Organischen Chemie nachgewiesen und überprüft. Um die bekannten chemischen Reaktionen interessanter zu gestalten, sind sie oftmals in einen neuen Zusammenhang und in eine andere Gestalt gebracht. Auf die Fette wird im Rahmen dieses Experimentalvortrags nicht eingegangen, da diese als eigenständiges Thema innerhalb eines anderen Vortrags in diesem Semester behandelt wurden. Letztendlich soll dieser Vortrag dazu beitragen, dass das Fach Chemie von Schülern als wichtiges Fach erkannt wird, mit dessen Hilfe man alltägliche Phänomene wie das Zubereiten von Nahrungsmitteln und die Eigenschaften der Inhaltsstoffe besser verstehen und im optimalen Fall auch seinen Mitmenschen wie z.B. Geschwistern oder Eltern erklären kann. Dadurch soll gewährleistet werden, dass der Schulstoff nicht als isoliertes Wissensgut in der unendlichen Weite eines Schülerkopfes verloren geht, sondern durch ständiges Wiederholen im Zusammenhang mit der Lebensumwelt eines Schülers gefestigt wird. Darüber hinaus ist das Thema der Chemie von Nahrungsmitteln für das Fach Chemie an sich sehr wichtig, da es sein Image aufbessern kann, wenn Schüler merken, dass 1 alles in ihrem Leben aus Chemie besteht und mithilfe ihres gelernten Wissens erschlossen werden kann. Dies würde neben der „Chemie ist wenn es knallt und stinkt-Philosophie“ eine neue Abteilung der „Chemie ist unser Leben und unsere Umwelt-Philosophie“ erschließen und somit ein weites Interessenfeld für Schüler eröffnen. 2. Definition Nahrungsmittel: Um die Chemie von Nahrungsmitteln hinreichend untersuchen zu können, muss man sich zuerst darüber im Klaren sein, was überhaupt durch den Begriff „Nahrungsmittel“ alles eingeschlossen wird. Zu Beginn muss erwähnt werden, dass es sich bei diesem Begriff um einen veralteten Begriff handelt, der längst durch den Begriff „Lebensmittel“ verdrängt wurde. In diesem Vortrag wurde aber auf den Begriff „Nahrungsmittel“ zurückgegriffen, da so auch die Bezeichnung des Themas im Hessischen Lehrplan für den Gymnasialen Bildungsgang lautet. Die allgemeine Definition aus der Deutschen Basisverordnung Lebensmittelrecht (DBL, Artikel 2) lautet wie folgt: „Lebensmittel (früher Nahrungsmittel) sind alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden. Zu Lebensmitteln zählen auch Getränke, Kaugummi sowie alle Stoffe, einschließlich Wasser, die dem Lebensmittel bei seiner Herstellung oder Veroder Bearbeitung absichtlich zugesetzt werden.“ Der Begriff „Lebensmittel“ impliziert, dass es sich dabei um Mittel handelt, von denen man lebt. Manchmal wird die Bedeutung dieses Wortes auch abgeändert und dient dann auch als Abgrenzung zu Nahrungsmitteln, die nicht leben, wie z.B. pasteurisierte Milch, die keinerlei Mikroorganismen enthält. Außerdem wird der Begriff „Lebensmittel“ oft als übergeordneter Begriff für Nahrungs- und Genussmittel verwendet, wobei zwischen reiner Nahrungsaufnahme und Genuss nicht immer eine scharfe Grenze zu ziehen ist. Eine Unterscheidungsmöglichkeit besteht darin, dass im Gegensatz zu Nahrungsmitteln der Nährwert bei Genussmitteln kaum von Bedeutung ist. Dieser 2 kleine Überblick veranschaulicht, dass es viele Möglichkeiten gibt, Lebensmittel zu definieren. Im Folgenden werde ich aber die allgemeine Definition aus der DBL als zugrunde liegende Auffassung des Begriffes verwenden. Da es sich dieser allgemeinen Definition zufolge bei den Lebensmitteln um ein sehr weites Feld handelt, ist es ratsam, eine Klassifizierung vorzunehmen, mithilfe welcher man einen besseren Überblick über die Lebensmittel bekommt. 3. Klassifizierung von Nahrungsmitteln: Entsprechend unseres Speiseplans kann man die Nahrungsmittel in 7 Nahrungsmittelklassen unterteilen. Getränke Öle und Fette Fisch, Fleisch und Fleischprodukte Kohlenhydratreiche Nahrungsmittel: Brot, Kartoffeln, Reis, Nudeln Milch und Milchprodukte Gemüse Obst Abb. 1: Die 7 Nahrungsmittelklassen im Ernährungskreis [2] Der Ernährungskreis gibt Aufschluss über die Anteile an Lebensmitteln, die zur Ernährung herangezogen werden sollten. Dabei stehen Getränke in der Mitte und nehmen eine Sonderstellung ein, da man zwar 30 Tage ohne feste Nahrung-, aber nur 3 Tage ohne Trinken überleben kann. Ergänzt wird dieses „ÜberlebensSchema“ noch durch die Tatsache, dass man nur 3 Minuten ohne Atmen überleben kann. 3 Essen: 30 Tage Trinken: 3 Tage Atmen: 3 Minuten Abb. 2: Das Überlebensschema (stark vereinfacht und nicht maßstabsgerecht) Auf dem abgebildeten Kuchenschema findet man ihrem Anteil an unserer Ernährung entsprechend um die Getränke kreisförmig angeordnet noch folgende Nahrungsmittelklassen: Kohlenhydratreiche Nahrungsmittel (Brot, Nudeln, Reis, Kartoffeln), Gemüse, Obst, Milch und Milchprodukte (Käse), Eiweißreiche Nahrungsmittel (Fisch, Fleisch und Fleischprodukte) sowie die Klasse der Fette und Öle. Aus der Übersicht geht deutlich hervor, dass der Hauptanteil der täglich aufgenommenen Nahrung aus Kohlenhydraten, Gemüse und Obst bestehen sollte. Eingeschränkt werden sollte der Konsum von Fleisch, Fisch, Fett und fetthaltigen Lebensmitteln. Neben dieser groben Einteilung in die 7 Nahrungsmittelklassen, erfolgt die geläufigste- und lebensmittelchemisch sinnvollste Einteilung im Allgemeinen nach natürlichen Inhaltsstoffen. Diese gliedert man wiederum in Nährstoffe, Begleitstoffe und Zusatzstoffe. [1] Nahrungsmittel Nährstoffe Begleitstoffe Zusatzstoffe Abb. 3: Klassifizierung nach natürlichen Inhaltsstoffen 4 Zu den Nährstoffen zählen Nahrungsmittelinhaltsstoffe, die dem Aufbau und Erhalt der Körpersubstanz dienen, sowie als Energielieferant und biochemischer Funktionsträger fungieren können [1]. Die Nährstoffe besitzen einen experimentell bestimmbaren Nährwert, welcher den energieliefernden Beitrag eines Nahrungsmittels angibt. Die Nährstoffe lassen sich ihren spezifischen Aufgaben entsprechend nochmals unterteilen in Grundnährstoffe, Baustoffe, Brennstoffe und Wirkstoffe. Grundnährstoffe sind Eiweißstoffe (Proteine), Fette und Kohlenhydrate, deren Energiewert in Joule (J) angegeben wird. Geläufiger ist hierbei aber wohl immer noch die Angabe in Kilokalorien (kcal), obwohl es sich nicht um eine SI-Einheit handelt. Neben der Zugehörigkeit zu den Hauptnährstoffen spielen Eiweißstoffe auch als Baustoffe des Körpers eine große Rolle. Zu den Baustoffen zählen darüber hinaus auch Mineralstoffe und Wasser. Brennstoffe im engeren Sinne sind Fette und Kohlenhydrate, die der Energielieferung dienen. Die Wirkstoffe, zu denen neben Vitaminen auch die Spurenelemente und Mineralstoffe zählen, werden im Vortrag nicht behandelt. Eine Ausnahme stellt die Ascorbinsäure (das Vitamin C) dar, deren reduzierende Eigenschaft untersucht wird. Die Eigenschaft als Vitamin zu wirken, bleibt dabei aber außen vor. Nährstoffe Grundnährstoffe: Proteine, Fette, Kohlenhydrate Baustoffe: Proteine, Mineralstoffe, Wasser Brennstoffe: Fette, Kohlenhydrate Wirkstoffe: Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente Abb. 4: Gliederung der Nährstoffe 5 Neben den angesprochenen Nährstoffen, sind die sog. Begleitstoffe für die lebensmittelchemische und auch für eine ernährungsphysiologische Beurteilung eines Nahrungsmittels wichtig. Zu diesen werden neben den Ballaststoffen und Enzymen auch Farbstoffe, Geruchsstoffe und Geschmacksstoffe gezählt. Ballaststoffe im Allgemeinen sind hierbei strukturbildende Bestandteile pflanzlicher Nahrungsmittel, die im menschlichen Dünndarm nicht aufgeschlossen werden können. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist die Cellulose. Diese Stoffe sind zwar unverdaulich, zeichnen sich aber durch darmanregende Tätigkeit als nützlich aus. Begleitstoffe Ballaststoffe: Cellulose, Polyosen (Hemicellulose), Lignine, Carrageen, Agar Enzyme: Oxidoreduktasen, Hydrolasen, Lyasen, Isomerasen, Transferasen Farb-, Geruchs- und Geschmacksstoffe: Chlorophylle, Flavonoide, Anthocyane, Aroma Abb. 5: Gliederung der Begleitstoffe Im Rahmen dieses Vortrags werden neben chemischen Aspekten natürlicher Nahrungsmittelinhaltsstoffe Lebensmittelzusatzstoffe auch behandelt. Themen Nach aus § 2 dem des Bereich der Lebensmittel- und Bedarfsgesetzes (LMBG) sind Zusatzstoffe „Stoffe, die dazu bestimmt sind, Lebensmitteln zur Beeinflussung ihrer Beschaffenheit, oder zur Erzielung bestimmter Eigenschaften oder Wirkungen zugesetzt zu werden.“ [1] Die Zusatzstoffe kann man entsprechend ihrer Funktion grob einteilen. Es gibt demnach Stoffe zur Verbesserung des Aussehens, Stoffe zur Verbesserung von Aroma und Geschmack, Stoffe zur Konsistenzverbesserung und Stabilisierung und Stoffe zur Verlängerung der Haltbarkeit [1]. 6 Zusatzstoffe Verbesserung des Aussehens Verbesserung von Aroma und Geschmack Konsistenzverbesserung und Stabilisierung Verlängerung der Haltbarkeit Abb. 6: Gliederung der Zusatzstoffe In diesem Vortrag werden aus dem großen Bereich der Lebensmittelzusatzstoffe aber nur die Lebensmittelfarbstoffe, speziell der Vertreter mit der E-Nummer 110 (Gelborange S) als Stoff zur Verbesserung des Aussehens und die Alginate aus Braunalgen als Stoffe zur Konsistentverbesserung und Stabilisierung behandelt. Diese beiden Exkurse in den Bereich der Lebensmittelzusatzstoffe wurden gewählt, da durch sie stellvertretend ein aktueller Trend unter den Starköchen beschrieben werden soll. Dieser Trend wurde durch einen spanischen Koch eingeführt: Ferran Adrià. Mittlerweile gibt es viele Köche, die diesen Trend unter unterschiedlichsten Mottos mitgehen. Beispiele für solche Mottos sind „Cooking Chemistry“ oder „La cuisine scientific“. Allen Mottos ist gemein, dass die Köche die Verfahrensweisen der Chemie oder allgemein Laborpraktiken wie z.B. das Kühlen mit flüssigem Stickstoff für ihre Küche entdecken und damit (verrückte) Speisen mit ganz neuen Geschmacksrichtungen und –Erlebnissen kredenzen. In Abschnitt 4.1.2 dieses Experimentalvortrags wird der Trendsetter Ferran Adrià kurz charakterisiert und ein berühmtes Gericht im Labormaßstab nachempfunden. Dadurch soll ein anderes Anwendungsgebiet der experimentellen Chemie, das gut zum Thema Nahrungsmittel passt, aufgezeigt werden: Die Küche. 7 4. Das Menü: Zu Beginn dieses Abschnitts soll ein Menüplan einen Überblick über den gesamten experimentellen Bereich dieses Vortrags bieten. Menü: Vorspeise: Baguette mit Lachskaviar à la Ferran Adrià (D1, V1, V2, V3, V4) Hauptgericht: Schweinefleisch an neuen Kartoffeln (D2, V5, V6) Nachspeise: Obstsalat (D3, V7, D4) Guten Appetit ! Im Verlauf des Vortrags wurden einige der angepriesenen Speisen auch wirklich serviert. Darunter als Vorspeise das Baguette mit echtem Lachskaviar, da das selbst hergestellte Alginat-Äquivalent aufgrund der Calciumchloridlösung zu bitter schmecken würde, und als Nachspeise wurde leckerer Obstsalat angeboten. 8 4.1 Vorspeise: Baguette mit „Lachskaviar“ à la Ferran Adrià 4.1.1 Das Baguette, die Stärke, die α-Amylase und der Geschmack Begonnen wurde das Menü mit dem Hauptbestandteil der Vorspeise: dem Baguette. Bei dem Baguette handelt es sich um ein französisches Stangenweißbrot, das eines von vielen verschiedenen Brotsorten auf der Welt darstellt. Das Baguette besteht im Allgemeinen aus Weizenmehl, Hefe, Kochsalz und Wasser. Zu diesen Zutaten können dann je nach belieben noch verschiedene Gewürze und Kräuter hinzugefügt werden. Für die Experimente mit dem Baguette ist im Folgenden aber nur die Weizenstärke aus dem Weizenmehl relevant. Um die genauere Betrachtung der Weizenstärke zu beginnen, wurde das Publikum innerhalb von Demonstration 1 darum gebeten, bereitgestelltes Baguette zu essen. Demo 1: Stärkeabbau durch Speichel Materialien: Baguette-Kauproben in beschrifteten Schüsselchen, Speichel Durchführung: Das Baguette wird vom Publikum möglichst lange gekaut und darf erst heruntergeschluckt werden, wenn eine Geschmacksveränderung festzustellen ist. Ergebnis: Durch längeres Kauen schmeckt das Baguette süß Erklärung: Die im Baguette enthaltene Stärke wurde durch den menschlichen Speichel, von dem jeder Mensch mehr als 1 Liter pro Tag produziert [5], und durch die mechanischen Kaubewegungen des Kiefers abgebaut und somit vor dem Weitertransport im den Magen vorverdaut. Das Abbauprodukt der Stärke schmeckt süß. Bei der Stärke handelt es sich um ein pflanzliches Polysaccharid, das keinen homogenen Stoff darstellt, sondern aus zwei Komponenten besteht: 9 Der Amylose und dem Amylopektin. Dabei macht das Amylopektin einen Anteil von 70 – 90% aus, während die Amylose nur zu einem Anteil von 10 – 30% vertreten ist. In den Pflanzen stellt die Stärke das Reservepolysaccharid dar, das sie nutzen, um die aus der Photosynthese gewonnene Glucose in einer osmotisch inaktiveren Form abzuspeichern. Würden die Pflanzen direkt die synthetisierte Glucose abspeichern, würde dies zwangsläufig zum Platzen der Zellen führen, da aufgrund des hohen osmotischen Wertes der Glucose Wasser bis zum isoosmotischen Umgebungswert aufgenommen werden würde. Die Stärke ist osmotisch nahezu unwirksam, da sie ein großes Molekül aus vielen GlucoseMonomeren darstellt und deshalb kaum zu osmotischen Wert der Zelle beiträgt. Sowohl die Amylose, als auch das Amylopektin bestehen ausschließlich aus Glucose-Monomeren, so dass man die Stärke im Allgemeinen als Homoglucan bezeichnen kann. Die beiden Komponenten unterscheiden sich nur in ihrem strukturellen Aufbau. Während die Amylose durch eine α-1,4-glycosidische Verknüpfung lineare Ketten Bindungswinkels bildet, die eine aufgrund helicale des Struktur aufweisen, ist das Amylopektin durch eine zusätzliche α-1,6-glycosidische Bindung, die ca. alle 25 Glucose-Einheiten Abb. 7: Amylose (links) und Amylopektin schematisch stattfindet, viel stärker verzweigt. Um den molekularen Aufbau der Stärke zu zeigen, wurde an dieser Stelle die Haworth-Projektion gewählt, da diese auch in der Schule verwendet wird. Sie ist sowohl aufgrund des Vorkommens in den Schulbüchern, als auch aufgrund der einfacheren Schreibweise der Sesselschreibweise vorzuziehen. Man muss die Schüler aber darauf hinweisen, dass es sich bei den Knicken in der glycosidischen Bindung keinesfalls um Kohlenstoffatome handelt. OH O H H H OH ... H O O H H 1 4 OH H H O H OH OH OH O H H H 1 OH H O O H OH n H ... OH Abb. 8: Amylose (Haworth-Projektion) 10 OH OH O H H H OH ... O OH H OH ... H O 4 OH H OH OH OH 1 H O 1 4 H OH 6 CH 2 O H H O H H H H OH OH H O H H O O H H H 1 H Zusätzliche α-1,6glycosidische Bindung O H H O O H OH n H ... OH Abb. 9: Amylopektin (Haworth-Projektion) Beim Kauen des Baguettes wurde eine Geschmacksveränderung festgestellt, da im menschlichen Speichel ein Enzym vorhanden ist, welches die Stärke in Maltose und größere Grenzdextrine spaltet. Diese Abbauprodukte schmecken im Vergleich zur geschmacksneutralen Stärke und dem etwas salzigen Baguette süß. Bei dem Enzym aus dem menschlichen Speichel handelt es sich um die αAmylase. Die α-Amylase ist ein Endoenzym, welches wie der Name sagt, die Stärke vom Inneren des Moleküls her spaltet. Beim Menschen liegt das pHOptimum der α-Amylase bei pH = 6,9. Sie ist stabil bis zu einem pH-Wert von 4. Dies bedeutet, dass die Speichel-Amylase im Magen (pH ≈ 1) inaktiviert wird. Dieses Faktum macht eine Vorverdauung im Mund bei angemessenem pH-Wert notwendig, da wir Menschen sonst keine Stärke verdauen könnten. Als Cosubstrat verwendet das Enzym Ca2+-Ionen, welche im menschlichen Speichel vorhanden sind. Neben der α-Amylase und den Calcium-Ionen sind im menschlichen Speichel noch Natrium-Ionen, Chlorid-Ionen, Hydogencarbonat und Isocyanat enthalten. Das Hydrogencarbonat dient dabei als Puffer zur Aufrechterhaltung eines pHWertes im pH-Wirkungsbereich der α-Amylase (6,5 – 7,0). Das Isocyanat dient als natürliches Desinfektionsmittel. Darüber hinaus sind im Speichel noch Glycoproteine, die Mucine, enthalten, die die Gleitfähigkeit des Speisebreis erhöhen und dadurch das Schlucken ermöglichen [6]. 11 Ein Modell des stärkeabbauenden Enzyms zeigt besonders gut die Faltung der Proteinkette. Abb. 10: Die αAmylase:Proteinfaltung in der Supersekundärstruktur [7] Es lassen sich unterschiedliche Faltungsmuster erkennen. α-Helicale Bereiche des Moleküls sind in roter Farbe dargestellt, während die vorkommenden β-Faltblätter gelb dargestellt sind. Die Strukturelemente sind über weiß dargestellte Schleifen miteinander verbunden. In der Mitte des Moleküls befindet sich das aktive Zentrum, welches in Form einer Tonnen-Domäne ausgebildet ist. Die Tonne wird durch ein α-β-8 Fass gebildet, in welchem die Tonne aus Faltblättern besteht, die von 8 Helices umgeben sind. Bei der Spaltung der Stärke wird nun mit diesem aktiven Zentrum das Stärkemolekül entlanggefahren. Dabei werden die α-1,4glycosidischen Bindungen hydrolytisch gespalten, während die α-1,6- Verknüpfungen übersprungen werden. Die Bindungsspaltung innerhalb der glykosidischen Bindung der Stärkepolysacchridkette durch die α-Amylase kann man sich entsprechend einer säurekatalysierten Stärkespaltung vorstellen. Der Ort der Bindungsspaltung, hier vereinfacht durch eine Schere dargestellt, soll im Folgenden an einem Reaktionsmechanismus erläutert werden. OH OH H OH ... H O H H O H H 1 4 OH H H O O H OH O H ... OH Abb. 11: Die Enzymaktivität bei der Stärke-Spaltung vereinfacht durch eine Schere dargestellt 12 Säurekatalysierte Stärkespaltung: OH O H H H / H2O H OH H OH O H O OH H H 2n H O O H H + O H H H ... OH OH OH H HO ... OH H OH OH n Ausschnitt aus einem Stärkemolekül Reaktionsmechanismus: Die Spaltung der glykosidischen Bindung findet dadurch statt, dass an das freie Elektronenpaar des Sauerstoffatoms der glykosidischen Bindung ein Proton angelagert wird und daraufhin die Bindung so gespalten wird, dass die positive Ladung durch das Heteroatom des Glucosemoleküls, sprich dem Sauerstoffatom, stabilisiert wird (Heteroatomstabilisierung der positiven Ladung). OH OH O H H O H H H OH ... H H OH O H O H O OH H + + H ... OH n OH O H H H OH ... H O H O H OH O H H H OH H + O H O H H H OH OH OH OH ... HO C + H OH H OH OH H OH + H O H H OH H n 13 OH Die Stabilisierung findet dadurch statt, dass das entstandene Carbeniumion in Mesomerie mit einem Oxoniumion steht. OH OH + O H H H + OH H C H O H H HO OH H H OH C HO H OH Carbeniumion Oxoniumion Durch nucleophilen Angriff eines Wassermoleküls an das positiv geladene Kohlenstoffatom wird letztendlich nach Entfernen des katalytisch wirkenden Protons ein weiteres Glucosemolekül gebildet. OH O H H H OH OH OH + C H O H H + H2O OH HO H O HO H -H H OH H OH H + O H H H OH + H HO OH H OH Durch das Überspringen der α-1,6-Verknüpfungen des Amylopektins während der Stärkehydrolyse bei der amylaseinduzierten Vorverdauung im Mund, entstehen an diesen Stellen keine Glucosemoleküle H wie im Reaktionsmechanismus zu sehen, sondern größere Grenzdextrine. Die außerdem als Abbauprodukt entstehende Maltose ist für den süßen Geschmack des intensiv gekauten Baguettes verantwortlich. Die Verdauung der Stärke findet nach der beschriebenen Vorverdauung durch das Speichelenzym im Mund dann durch Resorption im Dünndarm statt. Dort wird die Maltose, ein Disaccharid aus zwei Glucose Monomeren, die α-1,4 glycosidisch verknüpft sind, in ihre Bausteine gespalten und unter ATP-Verbrauch aktiv resorbiert. Dass die im Mund aus der Stärke gebildete Maltose süß schmeckt, liegt letztendlich daran, dass das Maltose-Molekül von den Geschmacksrezeptoren der Zunge erkannt wird. Im Gegensatz zum Geruch ist der Geschmack ein Nahsinn, 14 bei dem die für den Geschmack verantwortlichen Substanzen direkt mit den Geschmacksrezeptoren auf der Zunge in Kontakt treten müssen. Diese Geschmacksrezeptoren kann man ihrer Empfindlichkeit entsprechend in 5 Geschmacks-Grundqualitäten einteilen. Neben „süß“ gibt es noch die Grundqualitäten sauer, salzig, bitter und umami. süß sauer salzig bitter Papille Abb. 12: Die Geschmacksgrundqualitäten (ohne umami) mit ihrem Vorkommen auf den einzelnen Zungenregionen. Rechts: eine Geschmackspapille [6] Die Geschmacksqualität „umami“ taucht in dieser Abbildung nicht auf, da ihre Wahrnehmungsregion auf der Zunge noch nicht ganz geklärt ist. Diese Geschmacksqualität ist für die Empfindung „köstlich“ verantwortlich. Der Ausdruck stammt aus dem Japanischen und bedeutet wörtlich übersetzt auch „köstlich, lecker“. Man geht heute davon aus, dass der Geschmackseindrück „umami“ durch den Neurotransmitter Glutamat vermitteln wird, was der Grund dafür ist, dass man in vielen Fertiggerichten und vor allem beim Japaner „um die Ecke“ häufig Mononatriumglutamat als Geschmacksverstärker im Essen findet. Der gesamte Geschmackseindruck einer Speise resultiert aus dem Zusammenspiel von Geruch und Geschmack, da viele flüchtige Verbindungen, die auch zum Flavour eines Nahrungsmittels beitragen, nur über den Fernsinn, sprich den Geruchssinn, aufgenommen werden können. Mit dem ersten Versuch möchte ich nun an dieser Stelle zeigen, dass die Stärke durch das Enzym α-Amylase tatsächlich abgebaut wird. 15 Versuch 1: Stärke-Smiley Materialien: 1 große Petrischale mit Stärke-Agar (mit Deckel), Eppendorf-Cup mit Speichel, Pinsel, Edding, Magnetrührer mit Heizfunktion, Erlenmeyerkolben (200 mL) Chemikalien: Agar, Stärke, Lugolsche Lösung (I2/KI-Lösung) Durchführung: Man stellt sich durch Autoklavieren eine Agarlösung aus 4 g Agar, 0,1 g CaCl2 und 100 mL Leitungswasser her, zu der man 1 g Stärke hinzufügt. Diese Lösung lässt man bei ca. 90°C einige Zeit rühren, biss sich die Stärke vollständig gelöst hat. Die noch heiße Stärke-Agar-Lösung wird dann vorsichtig in die Petrischale gegossen und bis zum Aushärten stehen gelassen. Man sollte diese Arbeit unbedingt schon einen Tag vor dem Vortrag vorbereiten, da das Festwerden des Agars einige Zeit dauert. Auf den Boden der Petrischale zeichnet man nun mit Hilfe eines Eddings ein Smiley-Gesicht, das auch noch durch die Agarschicht auf der Oberseite der Petrischale zu sehen ist. Während des Vortrags bepinselt man dann die Bereiche der Mund- und Augenpartie auf dem Agar mit zuvor gesammeltem Speichel. Da der Speichel nun für ein gutes Ergebnis einige Zeit auf die im Agar befindliche Stärke einwirken muss, sollte man dies auch schon in einer anderen Petrischale vorbereitet haben. Auf diese vorbereitete Agarplatte gießt man nun etwas Lugolsche Lösung, welche eine Lösung von Iod in wässriger Kaliumiodidlösung darstellt. Ergebnis: An den Stellen, wo kein Speichel auf den Stärkeagar eingewirkt hat, sprich außerhalb der Augen und des Smiley-Mundes, ist eine deutliche Blaufärbung zu erkennen. Dort, wo Stärke-Agar in Kontakt mit dem aufgetragenen Speichel gekommen ist, bleibt die Agarplatte farblos 16 Erklärung: Durch das Aufpinseln des Speichels wird an den Stellen, an denen der Speichel mit dem Stärkeagar in Kontakt kommt, die enthaltene Stärke wie bereits in Demonstration 1 beschrieben, abgebaut. Das Übergießen mit der Lugolschen Lösung dient dem Stärkenachweis und fällt an den Stellen des Einspeichelns negativ aus (keine Blaufärbung). Alle anderen Stellen färben sich blau, da die in der Lugolschen Lösung enthaltenen Polyiodid-Ionen in die Amylose-Helix der Stärke eingelagert werden. Das Agar dient in diesem Fall nur als Matrix für die Stärke, um eine feste Struktur zu erzeugen. Das Aushärten des Agars (Heteropolysaccharid aus Rotalgen; Monomere: Galactose/Galacturonsäure) kann damit beschrieben werden, dass sich Wasser in maschenartige Strukturen einlagert. Die blaue Farbe des positiven Stärkenachweises kommt durch ChargeTransfer(CT)-Übergänge zustande. Für diese CT-Übergänge ist die starre Ausrichtung der Polyiodidionen innerhalb des Amylosemoleküls notwendig. Abb. 13: Einlagerung von Polyiodid-Ionen in die Amylose-Helix der Stärke An den Stellen, wo die Stärke durch die α-Amylase des Speichels abgebaut wurde, findet keine Einlagerung der Polyiodidionen mehr stett, so dass auch keine CT-Übergänge mehr vonstatten gehen können. Als Ergebnis bleibt die Agarplatte an diesen Stellen farblos. Mit Hilfe dieses 1. Versuchs wissen wir nun, dass durch den Speichel in unserem Mund die Stärke abgebaut wurde. Mit einem nächsten Versuch soll nun gezeigt werden, dass aus der Stärke durch die Spaltung tatsächlich Maltose und Grenzdextrine entstanden sind, die für den süßen Geschmack verantwortlich sind. Die Maltose und auch die Grenzdextrine unterscheiden sich von der Stärke dadurch, dass sie reduzierende Verbindungen darstellen. Diese Eigenschaft müsste man demnach mit der Fehling-Probe nachweisen können. 17 Versuch 2: Fehling-Probe Materialien: Baguette, Speichel, Wasserbad, Heizplatte, 2er-Demo- Reagenzglasständer, 2 Demo-Reagenzgläser, 1 Schüsselchen für Baguette, das mit Speichel versetzt wurde, 1 Schüsselchen für Baguette ohne Speichel (Blindprobe), Spatel, 2 Pipette, 2 Pipettenhütchen, 4 Messzylinder (10 mL) Chemikalien: R22 Gesundheitsschädlich FEHLING I (7 g CuSO4 in 100 beim Verschlucken mL H2O) R36/38 Reizt die Augen und N die Haut R50/53 Sehr giftig für Wasserorganismen, kann in Xn Gewässern längerfristig schädliche Wirkungen haben Einstufung in Bezug auf Kupfersulfat FEHLING II (3,5 g Kaliumnatriumtartrat (Seignette-Salz) mit 1 g Natriumhydroxid in 10 mL H2O) C Kaliumnatriumtartrat: Keine Einstufung NaOH: R35 Verursacht schwere Verätzungen S22 Staub nicht einatmen S60 Dieser Stoff und sein Behälter sind als gefährlicher Abfall zu entsorgen S61 Freisetzung in die Umwelt vermeiden. Besondere Anweisungen einholen / Sicherheitsdatenblatt zu Rate ziehen S26 Bei Berührung mit den Augen gründlich mit Wasser abspülen und Arzt konsultieren S37/39 Bei der Arbeit geeignete Schutzhandschuhe und Schutzbrille/Gesichtsschutz tragen S45 Bei Unfall oder Unwohlsein sofort Arzt zuziehen (wenn möglich dieses Etikett vorzeigen) Durchführung: Man gibt jeweils zwei Spatelspitzen eingespeicheltes Baguette und Baguette aus der Blindprobe in ein Demo-Reagenzglas und fügt zu jeder Probe etwas entionisiertes Wasser und je 10 mL von Fehling 1 und Fehling 2 Reagenz. Daraufhin stellt man die Demo-Reagenzgläser in ein siedendes Wasserbad. 18 Ergebnis: Bei Zugabe der Fehling-Reagenzien färben sich die BaguetteSuspensionen dunkelblau. Im Wasserbad beginnt sich dann die Farbe der Lösung im Reagenzglas des eingespeichelten Baguettes nach ca. 30 Sekunden von dunkelblau nach rostrot zu verändern. Bei der Blindprobe bleibt diese Farbänderung aus. Erklärung: Das Fehling-Reagenz (Fehling 1 und 2) vermag es, die reduzierende Wirkung der Abbauprodukte der Stärke in dem eingespeichelten Baguette anzuzeigen. Bei dieser Reaktion handelt es sich um eine Redoxreaktion, in der das in Fehling 1 enthaltene Kupfer-Ion der Oxidationsstufe +2 reduziert wird, so dass Kupfer in der Oxidationsstufe +1 vorliegt. Gleichzeitig wird die als Abbauprodukt der Stärke vorkommende Maltose oxidiert. Das Kupfer der Oxidationsstufe +1 fällt dann gut sichtbar gemäß folgender Reaktionsgleichung als rostrotes Kupfer(I)oxid aus. O H2O OH H H H O Cu OH OH R HO O O O H + + 2 +1 H H +2 H2O O +2 H OHO OH 2 H OH Cu HO O Cu OH O (aq) O O Abbauprodukt: z.B. Maltose +2 O O O O H O HO H O H2O O O O (aq) blau blau 4- + 5 OH-(aq) (aq) (aq) (schematisch) OH H H H Das Kupfer-Ion +1 OH R HO der + Cu2O(s) H +3 O OH O + 2 C4H4O62- (aq) + 7 H2O rostrot (aq) Oxidationsstufe +2 liegt im Fehlingreagenz als Ditartratotetraaquadikupfer(II)-Komplex vor. Dies ist vonnöten, da das Cu2+-Ion sonst im alkalischen Milieu des Reagenzes als Kupferhydroxid ausfallen würde. 19 Bei der Blindprobe, sprich dem Baguette, das nicht eingespeichelt wurde, fand keine Farbänderung statt, da keine reduzierend wirkenden Abbauprodukte der Stärke vorhanden waren. Somit konnte das im Fehling-Reagenz enthaltene Kupfer-Ion der Oxidationsstufe +2 nicht reduziert werden und die Lösung blieb dunkelblau aufgrund des enthaltenen Ditartratotetraaquadikupfer(II)-Komplexes. 4.1.2 Lebensmittelfärbung und Alginate in der Lebensmittelindustrie Nachdem wir uns nun mit dem Baguette als Grundlage der Vorspeise ausreichend beschäftigt haben, ist es an der Zeit, sich dem Belag zu widmen: dem Lachskaviar. Der Lachskaviar stellt aber keinen handelsüblichen-, sondern einen selbst hergestellten Lachskaviar à la Ferran Adrià dar. Bei Ferran Adrià handelt es sich um einen spanischen Koch, der es wagt, mit Hilfe chemischer Verfahren seinen Speisen einen verrückten Touch zu verpassen. An dieser Stelle sollen zwei Zitate helfen, diesen Koch näher zu charakterisieren. Das erste Zitat entstammt einem Artikel aus der „Zeit“ mit dem Titel „der Chemiker“. Das zweite Zitat ist von dem besagten Koch selbst und trifft meiner Ansicht nach sehr gut das Motto seiner Küche. • „Ferran Adrià serviert Gemüse als Gelatine und würzt Speisen auch mal mit Holzkohle. In Barcelona versucht der verrückteste Koch auf Erden seinen Beruf neu zu erfinden- in einer Küche, die ein Labor sein könnte.” Wolfgang Lechner (Die Zeit: “Der Chemiker“ ) • „Die magischen Rezepte sind jene, die die einen ekelhaft finden und die anderen fantastisch…“ (Ferran Adrià) Frei nach diesem Motto Ferran Adriàs soll nun ein Lachskaviar zubereitet werden. Bei diesem speziellen Lachskaviar handelt es sich aber keinesfalls um die bekannten orangen Fischeier, obwohl kaum ein Unterschied erkennbar ist. Vielmehr stellt der zubereitete „Lachskaviar“ ein, mit dem Lebensmittelfarbstoff 20 E 110 angefärbtes, Duplikat aus Calciumalginat dar. Diese Verfahrensweise aus Alginat ein Gericht zu imitieren, ist bei Ferran Adrià sehr beliebt und oft gesehen. Dadurch kam ich auf die Idee, ein solches chemisches Küchen-Experiment nachzustellen. Durch Zufall fand ich heraus, dass es sich bei dem Lebensmittelfarbstoff Gelborange S mit der E-Nummer 110 um den perfekten Farbstoff für diesen Lachskaviar handelt. Lebensmittelfarbstoffe stellen die größte Zahl an Zusatzstoffen dar. Sie werden im Allgemeinen eingesetzt, um die visuelle Attraktivität eines Nahrungsmittels zu erhöhen. Der Farbeindruck eines Nahrungsmitteln hat psychische und physische Wirkungen. Er vermag die Sekretion der Verdauungssäfte zu fördern. Daher stammt auch die Redewendung „beim Anblick läuft mir das Wasser im Mund zusammen“. Bei diesem „Wasser“ handelt es sich um den sekretierten Speichel. Die zugelassenen Lebensmittelfarbstoffe sind in der Gruppe der Zusatzstoffe mit den Hunderter-ENummern (E 100 - ...) zusammengefasst. Man unterscheidet zwischen wasserfett- und unlöslichen Farbstoffen, wobei letztere als Pigmente bezeichnet werden. Einer Reihe von Nahrungsmitteln werden Farbstoffe zugesetzt, um Farbveränderungen oder –verluste auszugleichen. Diese Veränderungen können z.B. im Verlauf der Produktion durch Kochen oder Sterilisierung entstehen. Schon im Altertum wurden Lebensmittel gefärbt. Man verwendete dazu verschiedene Pflanzenfarbstoffe wie Chlorophyll oder Anthocyane. Im Mittelalter wurde die Palette der zur Verfügung stehenden Lebensmittelfarbstoffe durch Mineralfarben wie Ultramarin oder sogar durch stark giftige bleihaltige Farbstoffe wie z.B. das postautogelbe Bleisulfid ergänzt. Erst zum Ende des 19. Jahrhunderts verbot man den Einsatz solcher Farbstoffe. Da viele natürliche Farbstoffe wie z.B. das Chlorophyll nicht sehr beständig sind und beispielsweise beim Kochen völlig verblassen, wurden dank der Fortschritte auf dem Gebiet der organischen Farbstoffsynthese Naturfarben im Laufe der Zeit immer mehr durch beständigere synthetisierte Farbstoffe ersetzt. Den größten Bereich der synthetischen Lebensmittelfarbstoffe stellen die Azofarbstoffe dar. Auch das von mir zu Färben des Alginats gewählte Gelborange S gehört zur großen Familie dieser Azofarbstoffe. Das Gelborange S (E 110) soll nun in einem Versuch selbst hergestellt werden. 21 Versuch 3: Darstellung von E 110 Diesen Versuch kann man entweder in einer Kurzversion in Präparategläschen durch Zusammengießen der vorgekühlten Substanzen durchführen (Vortragsversion), oder unter Rühren im Eisbad mittels Tropftrichter vollziehen (sichere, aber zeitintensivere Version). Chemikalien: Sulfanilsäure, Natriumnitrit, 2-Naphthol-6-Sulfonsäure Sulfanilsäure Xi R36/38 Reizt die Augen und die Haut R43 Sensibilisierung durch Hautkontakt möglich S24 Berührung mit der Haut vermeiden S37 Geeignete Schutzhandschuhe tragen 2-Naphthol-6-sulfonsäure R36/37/38 Reizt die Augen, Atmungsorgane und die Haut Xi S26 Bei Berührung mit den Augen gründlich mit Wasser abspülen und Arzt konsultieren S36 Bei der Arbeit geeignete Schutzkleidung tragen Salzsäure, HCl(aq) 1:3 (~ 9%) S26 Bei Berührung mit den Augen gründlich mit Wasser abspülen und Arzt konsultieren C Natronlauge, NaOH(aq) c = 2 mol/L R35 Verursacht schwere Verätzungen S26 Bei Berührung mit den Augen gründlich mit Wasser abspülen und Arzt konsultieren S36/37/39 Bei der Arbeit geeignete Schutzkleidung, Schutzhandschuhe und Schutzbrille/Gesichtsschutz tragen C Natriumnitrit, NaNO2(s) N R36/37/38 Reizt die Augen, Atmungsorgane und die Haut R8 Feuergefahr bei Berührung mit brennbaren Stoffen R25 Giftig beim Verschlucken O S45 Bei Unfall oder Unwohlsein sofort Arzt zuziehen (wenn möglich dieses Etikett vorzeigen) 22 Materialien: lange Version Waage, Eisbad, Becherglas (250 mL), 2 Bechergläser (100 mL), Spatel, Glasstab, Tropftrichter, Magnetrührer mit Rührfisch Aufbau lange Version (Skizze): mL 100 75 Tropftrichter mit 35 mL HCl(aq) 50 25 Sulfanilsäure in NaOH(aq) Natriumnitrit in Wasser 2-Naphthol-6-sulfonsäure in NaOH(aq) 200 150 250 mL 80 100 mL 60 100 mL 40 50 20 LaboBib 300 80 60 100 50 © AN AN AUS AUS 40 20 1500 Eisbad 0 U /min 250 100 500 o C 200 150 1000 750 Versuchsdurchführung der langen Version: 1.) Auf der Digitalwaage werden 0,9 g Sulfanilsäure in ein 250 mL Becherglas abgewogen. 2.) Man gibt mit der Vollpipette 25 mL Natronlauge c = 2 mol/L zu der Sulfanilsäure und rührt mit dem Glasstab rühren bis sich fast alles gelöst hat. Anschließend stellt man das Becherglas beschriftet ins Eisbad. 3.) 0,4 g Natriumnitrit werden in ein 100 mL Becherglas eingewogen, mit 5 mL entionisiertem Wasser versetzt und nach kurzem Vorkühlen im Eisbad zu der gekühlten Sulfanilsäure gegeben. 4.) Man lässt vorsichtig 25 mL Salzsäure (1:3) aus dem Tropftrichter unter Rühren hinzutropfen und rührt ca. 5 Minuten lang. 5.) Währenddessen werden 1,2 g 2-Naphthol-6-sulfonsäure in ein 100 mL Becherglas eingewogen und mit 30 mL Natronlauge (3 mal 10 mL Messpipette) versetzt und für ca. 3 Minuten ins Eisbad gestellt. 23 6.) Die gekühlte 2-Naphthol-6-sulfonsäure wird in einem Schuss und unter weiterem Rühren zu der gekühlten Mischung aus Sulfanilsäure und Natriumnitrit gegeben. Die Mischung darf vor und während des Zutropfens nicht über 5°C ansteigen, da sonst das gebildete Diazoniumsalz zerfällt. Materialien Vortragsversion: Eisbad, Eppendorf-Cup, 2 Präparategläschen Durchführung Vortragsversion: Man gibt die vorgekühlte Sulfanilsäure zu der vorgekühlten Natriumnitrit-Lösung und schüttelt kurz. Nachdem man die Lösung für ca. 1 Minute im Eisbad gekühlt hat, gibt man in einem Schutt die 2-Naphthol6-Sulfonsäure hinzu und schüttelt gut durch. Beobachtung: Nach Zugabe der 2-Naphthol-6-Sulfonsäure nimmt die Lösung eine orange Farbe an. Erklärung: Bei dem hergestellten orangen Farbstoff handelt es sich um den Lebensmittelfarbstoff Gelborange S (E110). Wie bereits erwähnt, stellt der Lebensmittelfarbstoff E 110 ein Azofarbstoff dar. Diese Zeichnen sich durch eine im Molekül vorhandene Azogruppe (-N=N-) aus. Bei der Synthese eines Azofarbstoff laufen im Prinzip immer die gleichen Reaktionen ab. Diese gliedern sich in drei Schritte: 1. Bildung eines Nitrosylkations 2. Herstellung eines Diazoniumsalzes: Diazotierung 3. Azo-Kupplung Durch Protonierung des Nitrits entsteht im ersten Schritt Salpetrige Säure (HNO2), aus welcher gemäß folgender Reaktionsgleichung das Nitrosylkation gebildet wird: 24 Reaktionsmechanismus: 1. Bildung eines Nitrosylkations HO N O + H + H O + H N N O + O - H 2O Im zweiten Schritt greift nun das freie Elektronenpaar des Stickstoffatoms der Sulfanilsäure das Nitrosylkation nucleophil an. Dadurch entsteht eine NNitrosoverbindurng, welche durch Protonierung und Wasserabspaltung in das Diazoniumion übergeht. Diesen Prozess bezeichnet man als Diazotierung. 2. Herstellung eines Diazoniumsalzes: Diazotierung O O HO S NH2 + N + O 0°C -H HO + S O O O HO N S O N H N-Nitroso-Verbindung O H O + HO S O N + N N H N-Nitroso-Verbindung O OH N HO H O + S N - H 2O O Diazonium-Ion Diese Reaktion muss im Eisbad durchgeführt werden, da ansonsten das Diazoniumsalz bei einer Temperatur > 5°C unter Stickstoffabspaltung zerfallen würde. Das gebildete Diazoniumion stellt ein schwaches Elektrophil dar und reagiert nur mit aktivierten Aromaten weiter. Dafür wird bei diesem Versuch die Kupplungskomponente 2-Naphthol-6-Sulfonsäure hinzugefügt. Mit dieser Kupplungskomponente findet dann der dritte und letzte Schritt statt: Die Azokupplung. 25 N 3. Azo-Kupplung: + Na O - O S O O + N + N S elektrophile Substitution O - Na + -H O + + Na OOH O S O O N N S Na O O Gelborange S (E 110) OH Durch die Azo-Kupplung ist eine farbige Lösung entstanden. Die Farbe der Lösung wird durch den gebildeten Azofarbstoff, das Gelborange S, verursacht. Dieser liegt in der E-Konfiguration vor. Die Farbigkeit der Azofarbstoffe beruht auf zweierlei Dingen: Einerseits ist durch die Azokupplung ein größeres Molekül entstanden, das ein ausgedehntes konjugiertes π-Elektronensystem aufweist, während andererseits ein elektronischer Effekt der Azogruppe zur Farbigkeit des Moleküls beiträgt. Dieser elektronische Effekt ist auch schon beim gelben Diimin (N2H2) feststellbar. Durch die Molekülstruktur der Azogruppe, die eine ungünstige ekliptische Anordnung der nichtbindenden Elektronenpaare der Stickstoffatome zufolge hat, kommt es zu einer starken Wechselwirkung der sp2-Hybridorbitale, die mit den nichtbindenden Elektronenpaaren besetzt sind. Die resultierende große energetische Aufspaltung führt dazu, dass das höchst besetzte Molekülorbital (HOMO), in diesem Fall das n-Orbital, dem niedrigst unbesetzten Molekülorbital (LUMO), dem π*-Orbital, sehr nahe kommt, so dass der n → π* Übergang im sichtbaren Bereich der elektromagnetischen Strahlung liegt. Gelborange S, auch Sunsetgelb FCF genannt, ist ein künstlicher, oranger Azofarbstoff mit der E-Nummer E110. Gelborange S gilt für den Menschen als 26 + gesundheitlich unbedenklich. Es führte aber in Tierversuchen bei hohen Dosen zu Nierentumoren. In Einzelfällen kann es beim Menschen allergieauslösend wirken, vor allem bei Unverträglichkeit von Acetylsalicylsäure (ASS). Verwendet wird Gelborange S zum Färben von Seelachs, Zuckerüberzügen, Marzipan, Likören, Fruchtkonserven, Getränken, Aprikosenmarmelade, Kaugummi, Fertigsuppen, Krabben, Garnelen, Süsswaren, Backwaren, Biskuits mit Orangengelee, Speiseeis, Kunsthonig, Fruchtkonserven, Marzipan, Paniermehl, Zitronenquark… und vielem mehr. Neben Lebensmitteln wird Gelborange S auch zur Färbung von Arzneimitteln verwendet Die zugelassenen Farbstoffkonzentrationen für die verschiedenen Anwendungsgebiete liegen bei 5-50g/100kg [8]. Nun haben wir den Farbstoff hergestellt, mit dem wir den falschen Lachskaviar anfärben wollen. Fehlt nur noch der Lachskaviar selbst. Diesen möchte ich wie bereits erwähnt in einem Versuch aus Alginat herstellen. Versuch 4: Kaviar aus Alginat Materialien: Porzellanschale, Stativ, Klammer nach Kaufmann, Klistierspritze mit Adapter (Innendurchmesser der Auslaufspritze: d = 1,5 mm), Becherglas (100 mL, niedrige Form), Becherglas (250 mL, niedrige Form), Becherglas (600 mL, hohe Form), Messzylinder (50 mL), 2 Glasstäbe, 2 Magnetrührer (davon einer heizbar), 2 Rührfische (l = 4 cm), Haushaltssieb (d = 7 cm), Stabthermometer, Löffelspatel zum herausholen des Kaviars, Waage. Chemikalien: Natriumalginat-Sol (ρ* = 20 g/L), Calciumchlorid-Dihydrat (Xi; R: 36, S: 22-24) (c = 1 mol/L), Gelborange S Durchführung: Zur Herstellung von 50 mL eines Natriumalginat-Sols der angegebenen Massenkonzentration erwärmt man in einem Becherglas (250 mL) unter Rühren mittels Magnetrührer und Rührfisch zuerst ca. 40 mL entionisiertes 27 Wasser auf 70°C. Nach Abstellen der Heizung des Magnetrührers wird die Rührgeschwindigkeit dann so stark erhöht, dass sich um den Rührfisch ein Vortax (Strudel bis zum Boden) bildet. Mit Hilfe eines Haushaltssiebs siebt man dann 1 g Natriumalginat in sehr kleinen Portionen auf die obere Vortaxwand und rührt so lange weiter, bis sich alles gelöst hat. Bilden sich dabei kleine Klumpen, kann man diese mit einem Glasstab beseitigen. Man muss bei der NatriumalginatZugabe wirklich langsam vorgehen, da man sonst die Klumpenbildung nicht beseitigen kann. Nachdem das homogenisierte Sol auf Raumtemperatur abgekühlt ist, entfernt man den Glasstab und füllt bis zur 50 mL-Marke des Becherglases mit entionisiertem Wasser auf. Daraufhin durchmischt man sorgfältig mit einem Glasstab. Das so hergestellte Natriumalginatsol kann über mehrere Tage in PET-Flaschen im Kühlschrank aufbewahrt werden. Für die Herstellung des falschen Lachskaviars wird das Natriumalginat-Sol nun durch Zugabe des hergestellten Lebensmittelfarbstoffs E 110 bis zum gewünschten Farbton angefärbt. Daraufhin füllt man es in die Auslaufspritze und lässt es in eine langsam gerührte Calciumchloridlösung (c = 1 mol/L) eintropfen. Die fertigen Kaviar-Kügelchen holt man mit einem Löffelspatel aus der Lösung heraus und präsentiert diese in einer Porzellanschale. Ergebnis: Beim Eintropfen des angefärbten Natriumalginat-Sols in die gerührte Calciumchloridlösung entstehen feste kleine orange Kügelchen. Präsentiert man diese etwas abgetrocknet in einer Porzellanschale, sehen sie dem echten Lachskaviar zum Verwechseln ähnlich. Erklärung: Durch das Eintropfen des Natriumalginat-Sols in die Calciumchloridlösung wurde dieses vom Sol-Zustand in den Gel-Zustand überführt. Bei dem eingesetzten Alginat handelt es sich, wie sein Name schon vermuten lässt, um ein Produkt aus Algen. Genaugenommen handelt es sich dabei um eine Substanz, die aus Braunalgen (Phaeophyta) der Ordnungen Fucales oder Laminariales gewonnen wird. Chemisch gesehen handelt es sich bei den Alginaten um Polysaccharid-Derivate, um Polyuronsäuren. Sie stellen Strukturkomponenten aus den Zellwänden der Algen dar. 28 Die Uronsäuren sind Zuckersäuren, die formal aus Aldosen mit mindestens 4 Kohlenstoffatomen durch Oxidation der endständigen CH2OH-Gruppe zur Carboxy-Gruppe entstehen. Monomere Bausteine der Alginate sind das β-DMannuronat und das α-L-Guluronat, die von β-D-Mannose und α-L-Gulose ableitbar sind. Als Gegenionen kommen sowohl Alkalimetall- als auch Erdalkalimetall-Kationen vor. Die β-D-Mannuronat- und α-L-Guluronat-Reste sind im Alginat linear über α-1,4glycosidische Bindungen verknüpft. Der Polymerisationsgrad liegt bei 100 – 3000. O O- -OOC -OOC OH O OH O 1 OH OH O OH α H H H H O O... 4 -OOC O H HO O ...O OH OH OH Guluronat OH Polyguluronat-Block (Ausschnitt) Beim Ausfällen des Calciumalginats aus dem Natriumalginat-Sol läuft schematisch folgende Reaktionsglichung ab: 2 (Alg)n2n-(aq) + 4 n Na+(aq) + n Ca2+(aq) Sol [Ca(Alg)2]n2n-(s)↓ + 4 n Na+(aq) Gel Jedes Calcium-Ion wird dabei von 4 Guluronat-Resten koordiniert, wodurch sich Dimere von Guluronat-Blöcken ergeben. Die Polymannuronat-Sequenzen des Alginats assoziieren nicht bei Kontakt mit Calcium-Ionen. Sie bilden vielmehr Maschen des Gelnetzwerkes, in die Wasser eingelagert werden kann. Ca2+ Ca2+ Ca2+ ≡ Guluronat-Rest Abb.14: Egg-Box-Modell der Ca2+-Bindung durch PolyguluronatSequenzen, verändert nach Grant et al S. 195 29 Die Koordination des Calcium-Ions findet dabei jeweils durch 5 Sauerstoffatome der Polyguluronat-Sequenz statt: -OOC OH 1 α O ...O OH Ca2+ O OH O... O OH -OOC OH O Ca2+ O 4 1 α -OOC OH 4 1 Die für diesen Versuch verwendeten Alginate kommen aber nicht nur in einer Küche wie der von Ferran Adrià vor. Vielmehr handelt es sich dabei um einen häufigen Lebensmittelzusatz, der in die Kategorie der konsistenzverbesserndenund stabilisierenden Stoffe einzuorden ist. Beim Einsatz in der Lebensmittelindustrie nutzt man im Allgemeinen 3 charakteristische Eigenschaften der Alginate aus: 1. Bildung viscoser Sole: Einsatz als Verdickungsmittel 2. Emulgier- und Suspendiervermögen: Einsatz als Stabilisator 3. Gelbildung mit Calcium-Ionen: Einsatz als Geliermittel Einige Einsatzbereiche je nach ausgenutzter Eigenschaft sollen in folgender Tabelle dargestellt werden: Einsatzbereich Ausgenutzte Eigenschaft Puddings, Mousse, Cremefüllungen, Gelbildung restrukturierte Lebensmittel Eis, Milchmixgetränke, Suppen, Soßen, Verdickung, Stabilisierung von Mayonnaise Emulsionen Schutzüberzüge für Fisch und Fleisch Filmbildung (hauchdünner Gelüberzug) Tabelle 1: Einsatzbereich von Alginaten in der Lebensmittelindustrie und deren ausgenutzte Eigenschaften 30 Die Kennzeichnung der Alginate in Nahrungsmitteln erfolgt durch die ENummern 400 – 404, wobei E 400 die Alginsäure selbst kennzeichnet, während E 401 – 404 die Natrium-, Kalium-, Ammonium- und Calciumsalze anzeigt. Das bei diesem Versuch gewonnene Calciumalginat würde der E-Nummer E 404 entsprechen. Bei den Alginaten handelt es sich um unverdauliche Polysaccharide, da sie von den Enzymen des menschlichen Körpers nicht abgebaut werden können. Dadurch tragen sie nicht zum Nährwert eines Nahrungsmittels bei und besitzen aufgrund ihrer relativen Ungiftigkeit unbegrenzte Acceptable-daily-intake (ADI)-Werte. Nach dieser wohl eher etwas ausgefalleneren Vorspeise wollen wir uns nun dem Hauptgericht widmen. 4.2 Hauptgericht: Schweinefilet an neuen Kartoffeln Als Hauptgericht steht „Schweinefilet an neuen Kartoffeln“ auf der Menükarte. An dieser Stelle soll nun aber zuerst geklärt werden, was Fleisch überhaupt ist, und welchen Stellenwert es in unserer Nahrung einnimmt. 4.2.1 Fleisch und Fleischzartmacher 1. quantitativer Stellenwert: Um einen Überblick über den quantitativen Stellenwert zu bekommen, wurde der Verbrauch an Fleischwaren sowohl in Deutschland, als auch auf der Welt betrachtet. Laut Bundesministerium für Gesundheit und Ernährung essen wir pro Jahr und pro Person ca. 60 – 90 kg Fleisch (gilt für Industrieländer). Im Jahr 2001 wurden in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt 6.160.000 t Fleisch verzehrt [1]. Das statistische Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland unterscheidet dabei 31 im so genannten Warenkorb zwischen Rind-, Kalbs-, Schweinefleisch und Speck, Geflügel, Hackfleisch und sonstigem Fleisch. Für den Haushaltstyp 2 (4 Personen, darunter 2 Kinder), ergeben sich je Haushalt und Monat in den alten Bundesländern folgende Zahlen [g/Monat]: Kalb: 26 Rind: 693 Geflügel: 1445 Schwein: 2435 Wurst und Wurstwaren: 4274 Ab 1999 wurde ein neues Konzept für die Einteilung von Nahrungsmitteln tierischen Ursprungs entworfen und benutzt. Zu den genannten Rubriken kamen noch Schaf- und Ziegenfleisch, Pferdefleisch und Innereien hinzu. Daraus ergeben sich dann folgende Zahlen für das Jahr 2001 [kg/Einwohner] in der BRD [1]: Fleisch und Fleischerzeugnisse: 88,3 Rind-/Kalbfleisch: 10,3 Schaf- und Ziegenfleisch: 1,1 Pferdefleisch: 0,1 Innereien: 3,0 Geflügelfleisch: 18,5 Sonstiges Fleisch (z.B. Wild): 1,6 An diesen Zahlen erkennt man, dass wir Deutschen relativ viel Fleisch verzehren. Vergleicht man die Zahlen aber mit anderen Ländern, dann liegen wir mit unserem Fleischkonsum aber nur im hinteren Mittelfeld. In einem Vergleich stellen die Niederlande das Land mit der weltweit höchsten relativen Menge an Gesamtfleischerzeugnissen dar (164.000 t/1 Mio. Einwohner). Gefolgt werden die Niederlande von einer Gruppe bestehend aus USA, Frankreich, Kanada und Spanien, für die sich annähernd die gleichen Zahlen ergeben (USA: 140, Spanien: 32 137, Frankreich: 112, Kanada: 107; [1000 t/1 Mio. Einwohner]). Danach erst kommt Deutschland in einer weiteren Gruppe mit Brasilien und Italien. Wegen der großen Mengen an verzehrtem Fisch, folgt dann erst Japan und China, wobei China nur ein Tausendstel der relativen Produktionsmenge im Vergleich zu Spanien und Kanada aufweist. Was ist aber nun dieses Fleisch, das scheinbar einen wichtigen Bestandteil unserer Nahrung darstellt, überhaupt? Um diese Frage zu beantworten, kann man sich einer Definition für den Begriff „Fleisch“ bedienen. Mit dem Produktnamen „Fleisch“ wird im allgemeinen Sprachgebrauch das Skelettmuskelgewebe mit eingebettetem Fett- und Bindegewebe von warmblütigen Tieren bezeichnet.[1] Zu diesen warmblütigen Tieren werden vor allem Rind, Kalb, Schwein, Hammel und Lamm gezählt. Die statistischen Daten zeigen aber, dass man auch Geflügel und Wild zu diesem Begriff zählen sollte. Muskelgewebe Fettgewebe Bindegewebe Abb.15: Fleisch (hier Schweinebraten) mit Muskel-, Fett- und Bindegewebe 2. qualitativer Stellenwert: Der hohe qualitative Wert des Fleisches für unsere Ernährung kommt durch die Eigenschaft zustande, dass das Fleisch für den Menschen eine wichtige Quelle für die Protein-Versorgung darstellt. Außerdem sind im Fleisch wichtige Vitamine der B-Gruppe (z.B. Vitamin B12 in Leber, B1 in Schweinefleisch) enthalten. Vitamine sind für den menschlichen Organismus essentielle organische Nährstoffe, die er nicht selbst herstellen kann und die deshalb mit der Nahrung aufgenommen werden müssen. Knochenloses Fleisch besteht im Allgemeinen zu 75% aus Wasser, zu 22 % aus Proteinen und der Rest aus Fett und Mineralstoffen [1]. Je nach Fleischart variiert 33 der Fettanteil aber enorm. Rindfleisch ist z.B. deutlich fettärmer als Schweinefleisch. Im Folgenden möchte ich mich nun mit dem Proteinanteil des Fleisches genauer beschäftigen. Was diesen Proteinanteil betrifft, gibt es nämlich einen alten Hausfrauentrick, der hilft zähes Fleisch zart zu machen: Der Fleischzartmacher. Dieser Trick wird auch heute noch in Großküchen angewendet, in denen es häufiger mal vorkommt, dass ein nicht allzu zartes Fleisch verarbeitet werden muss... Bei dem Fleischzartmacher handelt es sich um ein handelsübliches Produkt, welches man im Gewürzregal findet. Er besteht aus einem Enzym, dem Papain, Kochsalz, Gewürzen, Öl und Siliciumdioxid als Trennmittel. Das Enzym Papain wird aus der Papaya (Carica papaya) gewonnen. Dort kommt es nämlich in natürlicher Form vor. Seine zartmachende Wirkung wurde schon von mexikanischen Indianern durch Einwickeln des Fleisches mit Papayablättern genutzt. Abb.16: Papayafrüchte (Carica papaya) Vom Nutzen der fleischzartmachenden Wirkung berichete schon vor über 400 Jahren der spanische Eroberer Hermando Cortez, nachdem er von einer Entdeckungsreise nach Mexico zurückkam und dort Eingeborene beim Zubereiten ihrer Nahrung beobachtet hatte. Die Papayapflanze synthetisiert das Enzym Papain, bei dem es sich um eine Protease handelt. Es stellt demnach ein Enzym dar, welches in der Lage ist, Proteine enzymatisch aufzuspalten. Bei dem Fleisch wird durch dieses Enzym hauptsächlich das Kollagen aus Sehnen und Fasern abgebaut, wodurch die Zartheit des Fleisches gesteigert werden kann. Beim Kollagen handelt es sich um ein Bindegewebsprotein, das aus einer Kollagen-Tripelhelix aufgebaut wird, welche durch Lysin-Quervernetzungen zusammengehalten wird. Es besitzt eine 34 charakteristische Aminosäurenzusammensetzung, da neben Glycin und Prolin auch das seltene Hydroxyprolin vorkommt. Durch Einwirken des Papains auf Fleisch werden die stabilisierenden Lysin-Quervernetzungen aufgebrochen und das Kollagen somit teilweise denaturiert. Dieses teilweise denaturierte Kollagen wird als Gelatine bezeichnet. Diese Gelatine kann man auch beim Braten von Fleisch wiederfinden, da der austretende Fleischsaft einen hohen Anteil an denaturiertem Kollagen enthält, was dazu führt, dass beim Erkalten des Fleischsaftes dieser durch die Gelatine aushärtet. Das teilweise denaturierte Kollagen, sprich die Gelatine, kann durch Enzymwirkung noch weiter denaturiert werden, so dass man die einzelnen Aminosäurebausteine erhält. Die proteolytische Wirkung des Enzyms Papain möchte ich nun in einer Demonstration zeigen. In dieser Demonstration wird anstelle des Kollagens Gelatine eingesetzt, da man diese im normalen Supermarkt erhalten kann und dadurch auch für Schulen leichter zugänglich und billiger ist. Demo 2: Enzymwirkung von Papain Materialien: 3 Demo-Reagenzgläser, 1 Demo-Reagenzglasständer, Papaya, Zitrone, Fleischzartmacher Chemikalien: Gelatine Durchführung: Man stellt sich eine Gelatine-Lösung her, indem man auf 200 mL Wasser 4 g handelsübliches Gelatinepulver einwiegt. Diese Lösung wird bis zum Sieden erhitzt, um sie dann auf < 40°C abkühlen zu lassen, da ansonsten das Enzym Papain denaturiert. Die hergestellte Gelatinelösung wird auf 3 DemoReagenzgläser aufgeteilt. In das erste fügt man daraufhin 3 Spatelspitzen Fleischzartmacher hinzu, während man das zweite Demo-Reagenzglas mit der kleingeschnittenen und gemörserten Schale einer unreifen Papaya bestückt. Die Papaya muss unbedingt unreif (sehr fest, Farbe sagt nichts über Reifungszustand aus) sein, da ansonsten das Enzym Papain schon abgebaut wurde. Alternativ kann man gemixte Papayablätter verwenden. Da diese aber nur sehr schwer erhältlich sind (eventuell Botanischer Garten), kann auf die Frucht zurückgegriffen werden. 35 In ein drittes Reagenzglas gibt man zu der Gelatinelösung kleingeschnittene Zitronenstückchen als Blindprobe. Diese Blindprobe soll zeigen, dass die Eigenschaft der Papaya nicht an der Fruchtsäure etc. liegt, sondern wirklich auf das enthaltene Enzym zurückzuführen ist. Man sollte die Demo-Reagenzgläser mit ihrem Inhalt schon vor dem Vortrag vorbereiten, da es im Eisbad ca.15 Minuten dauert, bis die Gelatine aushärtet. Ergebnis: Die Gelatine in dem Reagenzglas, das die Zitronenstückchen enthält, ist fest geworden, während die Gelatine in den beiden anderen Reagenzgläsern mit der Papaya und dem Fleischzartmacher flüssig geblieben ist. Erklärung: Bei der verwendeten Gelatine handelt es sich, wie bereits erwähnt, um teilweise denaturiertes Kollagen, also um kleinere Protein-Stückchen. Das Aushärten der Gelatine kommt dadurch zustande, dass in dieses Proteinnetzwerk Wasser eingelagert werden kann. Gelatine stellt somit ein Hydrokolloid dar, welches ein festes Gel bilden kann. Wird nun die Gelatine durch die Protease Papain aus der Papaya oder aus dem Fleischzartmacher hydrolytisch gespalten, so kann der Geliervorgang nicht mehr von statten gehen. Wird das Kollagen des Fleisches von dem Enzym Papain partiell denaturiert, so werden auch kleinere Mengen an Aminosäuren freigesetzt. Diese freigesetzten Aminosäuren möchte ich nun in einem Versuch mit Ninhydrin-Reagenz nachweisen. Versuch 5: Aminosäure-Nachweis mit Ninhydrin Materialien: 2 Schweinegulasch, Bechergläser 3 (150 mL, Demoreagenzgläser, hohe Form), Wasserbad, 2 Stückchen Heizplatte, Pipette, Pipettenhütchen Chemikalien: Ninhydrin in Ethanol (w = 0,01), Glycin 36 Durchführung: Man legt je ein kleines Stückchen Schweinefleisch (z.B. Schinkengulasch) in ein Becherglas. In das eine Becherglas fügt man eine gesättigte Fleischzartmacherlösung hinzu, während in das andere Becherglas nur entionisiertes Wasser hinzukommt. Die Fleischstückchen lässt man nun mindestens 1 Stunde in den Lösungen liegen. In der Zwischenzeit stellt man sich eine 1%ige (w = 0,01) ethanolische Ninhydrinlösung her. Nach der Einwirkzeit gießt man jeweils etwas von der Lösung, die das eingelegte Fleisch umgibt, in ein Demo-Reagenzglas. Zu diesen Lösungen gibt man jeweils eine Pasteur-Pipette Ninhydrin-Reagenz und erhitzt im Wasserbad. Als Blindprobe versetzt man auch eine Glycinlösung (1 Spatelspitze Glycin auf 100 mL entionisiertes Wasser) als stellvertretende Aminosäure mit einer Pipettenfüllung Ninhydrin-Reagenz und stellt auch dieses Reagenzglas in das Wasserbad. Ergebnis: Die Lösung in dem Reagenzglas, das das Glycin enthält, zeigt schon nach kurzer Zeit eine bläulich-violette Farbe. Die Lösung in dem Reagenzglas, das die Fleisch-/Fleischzartmacherlösung enthält, schlägt nach ca. 2 Minuten von annähernd farblos nach blau-violett um. In dem Reagenzglas, das nur das entionisierte Wasser aus der Fleischeinlage enthält, zeigt sich auch nach längerer Zeit keine Farbänderung. Erklärung: Bei dem Ninhydrin-Reagenz handelt es sich um ein Reagenz, das die Anwesenheit von primären Aminosäuren durch Bildung einer blau-violetten Verbindung anzeigt. Bruttoreaktion: O O - - O R O O + + H3N - N O O H2O O O H2O Ninhydrin (Indan-1,2,3-trion) + primäre Aminosäure → Ruhemanns Purpur Farbstoff-Anion 37 Durch die Zugabe des Fleischzartmachers, wurden aus dem Fleisch Aminosäuren freigesetzt, die in der umgebenden Lösung durch das Ninhydrin detektiert werden konnten. Das Glycin stellt dabei als primäre Aminosäure eine Vegleichsprobe dar. Die wässrige Lösung der Fleischeinlage zeigt keinerlei Reaktion mit dem Ninhydrin-Reagenz, da keine freien Aminosäuren enthalten sind. Dies zeigt, dass es wirklich an dem Fleischzartmacher liegen muss, dass aus dem Fleisch Aminosäuren freigesetzt werden. Ansonsten könnte man ja denken, dass das Einlegen des Fleisches in Wasser auch Aminosäuren freisetzt. Die blau-violette Verbindung, die das Ninhydrin mit den primären Aminosäuren bildet, wird als Ruhemanns Purpur bezeichnet. Bei dieser Reaktion läuft folgender Reaktionsmechanismus ab: Das Ninhydrin (Indan-1,2,3-trion) liegt in wässriger Lösung im Gleichgewicht mit seinem Hydrat. O O OH H2O O -H 2O OH O O Ninhydrin (Indan-1,2,3-trion) Hydrat Durch primäre Aminosäuren wird das Ninhydrin nun durch das freie Elektronenpaar der primären Aminogruppe an der mittleren Carbonylfunktion nucleophil angegriffen. Der Angriff genau in dieser Position kann dadurch begründet werden, dass sich die benzolringbenachbarten Carbonylfunktionen in den den aromatischen Zustand einfügen und somit dort kein Angriff stattfindet. Diese Annahme wird auch durch die Hydratbildung bestätigt, da diese auch nur an der mittleren Carbonylfunktion eintritt. 38 O O COOH O + O H2N - R HO O + NH H R H O H O Das Ninhydrin und die primäre Aminosäure als N-Nucleophil reagieren zu einem Halbaminol, welches unter Dehydratisierung und einer DecarboxylierungsReaktion zerfällt. O O O H OH O O O - - C O -CO 2 -H 2O N + N R H H O + NH R H H O O O O H - C H + H2O R R - + C NH N - OHO O 2 Enolat-Grenzformeln Die dadurch gebildete Schiffsche Base steht in Keto-Enol-Tautomerie mit dem Enol, welches unter nucleopholer Addition von Wasser in das Aminoketon und ein Aldehyd zerfällt. O H O R N H H2O NH2 n. A. + R O OH OH Aminoketon H Aldehyd 39 R Wenn man sich die Reaktion genauer betrachtet, kann man feststellen, dass von der Aminosäure nur das Stickstoffatom auf das Ninhydrin übertragen wurde. Im nächsten Schritt reagiert das gebildete Aminoketon erneut mit einem Ninhydrinmolekül, wodurch ein Diketimin-Anion entsteht, welches eine blauviolette Farbe aufweist. O O O N O O N - O O -O Ruhemanns Purpur Chromophor: (Kreuzkonjugation), λmax = 570 nm Dieses Chromophor bezeichnet man nach seinem Entdecker als Ruhemanns Purpur. Die Farbe kommt dadurch zustande, dass das Anion ein stark delokalisiertes π-Elektronensystem darstellt, welches zusätzlich eine Kreuzkonjugation besitzt, wodurch die Absorption im Bereich von λmax = 570 nm liegt. Nach der Betrachtung des Hauptdarstellers der Hauptspeise, sprich dem Schweinefilet, kommen wir nun zu der des Deutschen liebsten Beilage: den Kartoffeln. 4.2.2 Food-Design: Der etwas andere Stärkenachweis Die Menükarte zeigt an dieser Stelle den Zusatz „neue“ Kartoffeln. Dieses Adjektiv kann sich entweder auf den Erntezustand dieser Kartoffeln beziehen, oder aber die Eigenschaft bezeichnen, dass diese Kartoffeln nie zuvor in einer solchen Art und Weise zubereitet wurden. In diesem Fall trifft letzteres zu. Die Kartoffeln wurden nämlich in einem Versuch elektrolytisch „verschönert“. 40 Versuch 6: Die Kartoffelschrift, ein elektrolytischer Stärkenachweis Materialien: große Kartoffel, Gleichspannungstrafo, 2 Kabel, 2 Messspitzen eines Messgeräts, Pipette, Pipettenhütchen, Krepppapier Chemikalien: Kaliumiodid (KI(s)) Durchführung: Man halbiert eine große Kartoffel längs und reibt die Schnittflächen sorgfältig mit Kaliumiodid ein, bis sich dieses aufgelöst hat. Daraufhin drückt man die Messspitzen, die an einen Gleichspannungstrafo angeschlossen sind (ca. 10 V) auf die präparierte Kartoffelfläche, ohne dass sich die Enden gegenseitig berühren. Durch Schreiben mit den Messspitzen kann man so ein Wort auf die Kartoffel schreiben. Ergebnis: Sofort bildet sich am Pluspol eine blau-schwarze Färbung der Kartoffel. Durch das Schreiben mit den Messspitzen, ist das Wort „Stärke“ gut lesbar auf der Kartoffel-Schnittfläche wiederzufinden. Erklärung: Bei diesem Versuch handelt es sich um einen elektrolytischen Stärkenachweis, da auf der Kartoffeloberfläche durch Anlegen einer Gleichspannung in situ aus dem aufgetragenen Iodid des Kaliumiodids durch anodische Oxidation gemäß folgender Reaktionsgleichung Iod erzeugt wird, welches mit dem Iodid zu Polyiodidionen reagiert. Die gebildeten Polyiodidionen ergeben mit der in der Kartoffel enthaltene Stärke die typische dunkelblaue Färbung aufgrund einer Einschlussverbindung (siehe Versuch 1). Anode: Oxidation 2 -1 I-(s/aq) I2(aq) + I-(aq) 0 I2(aq) + 2 eI3-(aq) 41 An der Kathode wird im Gegenzug durch Reduktion des Wasserstoffatoms aus dem Wasser elementarer Wasserstoff als Diwasserstoffgas frei. Kathode: Reduktion +1 2 H2O + 2 e- 0 H2(g)↑ + 2 OH-(aq) Kommen wir nun zum dritten Gang des Menüs: der Nachspeise. 4.3 Nachspeise: Obstsalat Als Nachtisch gibt es in diesem „Menü durch die Organische Chemie“ einen Obstsalat. In diesen Obstsalat gehören Zutaten wie Bananen, Äpfel, Weintrauben, Papaya, Melone, Litschis und Ananas. 4.3.1 Das natürliche Übel Eine wichtige Reaktion, die es beim Zubereiten eines Obstsalats zu verhindern gilt, ist die enzymatische Bräunung, da diese den Genusswert eines Nahrungsmittels durch eine unappetitliche braune Farbe herabsetzt. Die Reaktion tritt immer dann ein, wenn die Schnittflächen von einigen Obst- und Gemüsearten der Luft ausgesetzt sind. Zu den Obstsorten, die einer solchen enzymatischen Bräunung unterliegen und diese schnell sichtbar wird, zählen vor allem Bananen und Äpfel. Dieses Phänomen kennt man z.B. von einem angebissenen Apfel, der nach kurzer Zeit an der Bissstelle braun wird. Als Gemüse ist an dieser Stelle vor allem die Artischocke zu nennen, da sich diese spontan nach dem Schneiden braun färbt. Aber auch Karotten gehören zu den Arten, die sich relativ schnell verfärben. 42 4.3.2. „Omas Tricks und Tipps“ Es ist weitläufig bekannt, dass man diese unerwünschte Reaktion mit Zitronensaft verhindern kann. Die wichtigste Komponente dieses Zitronensaftes ist dabei aber nicht die Zitronensäure, sondern die enthaltene Ascorbinsäure, sprich das Vitamin C. Dies kann man zeigen, wenn man einen angeschnittenen Apfel einmal mit Zitronensaft und im Vergleich dazu mit Zitronenkonzentrat aus der Plastikzitrone beträufelt. Bei dem Zitronenkonzentrat handelt es sich um reine Zitronensäure, die industriell nicht aus Zitronen, sondern aus dem Ausscheidungsprodukt des Aspergillus nidulans, einem Schimmelpilz, gewonnen wird. Diese Zitronensäure enthält keinerlei Vitamin C und schafft es auch nicht, die enzymatische Bräunung zu verhindern. Im Vergleich dazu verhindert aufgeträufelte handelsübliche Ascorbinsäure diesen Prozess sehr wohl. Dieses Phänomen möchte ich nun in einer Demonstration zeigen. Demo 3: Enzymatische Bräunung Materialien: 3 Äpfel, 1 Zitrone, 4 Petrischalen (d = 5 cm), 1 Kristallisierschale oder Petrischale (d = 20 cm), 1 Küchenreibe Chemikalien: Ascorbinsäure (Vitamin C-Pulver), Zitronensäure aus der Plastikzitrone („unechtes Zitronenkonzentrat“) Durchführung: Man reibt mit der Küchenreibe 3 Äpfel zu dünnen Raspeln und verteilt die Apfelraspeln gleichmäßig auf vier Petrischalen. Die Raspeln der einen Petrischale beträufelt man sofort mit Zitronensaft, die in der zweiten Petrischale mit Vitamin C-Pulver, die der dritten Petrischale mit der Zitronensäure und die in der vierten Petrischale bleiben unbehandelt. Dies bereitet man am besten schon vor dem Vortrag vor und gibt das Ergebnis in einer Kristallisierschale oder großen Petrischale dem Publikum zur Betrachtung herum. 43 Ergebnis: Die unbehandelten Apfelraspeln zeigen eine deutliche braune Verfärbung und auch die Apfelraspeln, die mit der reinen Zitronensäure beträufelt wurden, sind bräunlich. Im Vergleich dazu weisen sowohl die Apfelraspeln, die mit Zitronensaft beträufelt wurden, als auch die Apfelraspeln, die mit dem Vitamin C-Pulver versehen wurden, keinerlei Verfärbungen auf. Erklärung: Der Prozess der enzymatischen Bräunung wird von Enzymen verursacht, die als Polyphenoloxidasen bezeichnet werden. Wie der Name dieser Enzyme verrät, oxidieren sie die Polyphenolvorkommen der Äpfel und auch andere Früchte. Dabei entstehen bräunliche Verbindungen, bei denen es sich um Melanine handelt. Die Polyphenoloxidasen sind bei Pflanzen weit verbreitet, kommen aber auch bei Tieren vor. Ein Beispiel für das zoologische Vorkommen ist die Pigmentierung von Haut und Haaren. Die Polyphenoloxidasen kommen bei Pflanzen gesondert in den Chloroplasten der Zellen vor und reagieren erst dann mit den Polyphenolen, wenn die Chloroplasten durch Schneiden oder Raspeln des Obstes oder Gemüses zerstört werden. Bei den Chloroplasten handelt es sich um die Plastiden pflanzlicher Zellen, in denen die Photosynthese abläuft. Die Polyphenoloxidasen sind sowohl abhängig von einer aeroben Umgebung, d.h. sie benötigen Sauerstoff für die Reaktion, als auch von Polyphenolvorkommen. Den Obst- und Gemüsearten, die keiner schnellen enzymatischen Bräunung unterliegen, fehlen diese Polyphenolvorkommen. Der Apfel (Malus domestica) z.B. weist eine schnelle enzymatische Bräunung auf, da er zwischen 0,1 – 1% an Polyphenolen enthält. Dazu gehören z.B. das Dopa (Dihydroxophenylalanin) und das Quercetin. OH Quercetin Dopa OH OH O OH HO COOH OH O OH NH2 Abb.17: Polyphenolvorkommen im Apfel Anhand des Dopas soll nun genauer erläutert werden, welche Prozesse bei der enzymatischen Bräunung ablaufen. 44 Ausgegangen wird dabei von der Aminosäure L-Tyrosin, welche von dem Enzym Phenolhydroxylase mit Sauerstoff zu dem Dihydroxyphenylalanin, dem Dopa, reagiert. Die Aminosäure L-Tyrosin ist in diesem ersten Schritt demnach hydroxyliert worden. In einem zweiten Schritt wird das Dopa von dem Enzym Phenoloxidase unter Wasserabspaltung zum Dopachinon oxidiert. Schematisch: OH OH O OH 1/2 O2 O 1/2 O2 + H2O Phenoloxidase Phenolhydroxylase COOH COOH NH2 COOH NH2 Tyrosin NH2 Dopachinon Dopachinon Dopa Das gebildete Dopachinon reagiert unter Ringschluss weiter zum Indol, dem Leukodopachrom, welches zum Dopachrom oxidiert wird. Aus diesem Dopachrom gehen dann Indolchinone hervor, aus denen durch mehrere Polymerisationsschritte braune Melanine gebildet werden. O COOH HO O COOH COOH H N H HO O O N H Dopachrom Leukodopachrom Dopachinon O N H O COOH O Melanine N H O Indolchinone N H Polymerisation Die braunen Melanine sind für die Verfärbung bei der enzymatischen Bräunung zuständig. 45 H N O O O O H N N H O O Abb. 18: Ausschnitt aus einem Melanin-Molekül (Polymerisierte Indole) Melanin: gr. „melas“= schwarz, düster Wie verhindert nun aber der Zitronensaft bzw. das darin enthaltene Vitamin C die enzymatische Bräunung? Die Erklärung dafür besteht darin, dass die Ascorbinsäure (Vitamin C) aus dem Zitronensaft die durch die Enzymen eingeleiteten Oxidationsreaktionen rückgängig machen kann, in dem sie diese gebildeten Verbindungen reduziert, bevor diese zu den braunen Melanin-Pigmenten polymerisieren können. Außerdem senken die Zitronensäure und die Ascorbinsäure den pH-Wert, wodurch die Aktivität der Enzyme eingeschränkt wird. Die Reduktionswirkung der Ascorbinsäure möchte ich nun in einem Versuch demonstrieren. Versuch 7: Reduktionswirkung von Ascorbinsäure Materialien: Overhead-Projektor, Petrischale (d = 15 cm), 3 Messkolben (25 mL), Pipette, Pipettenhütchen Chemikalien: Eisen(III)chlorid (FeCl3(s)), Kaliumhexacyanoferrat(III) (K3[Fe(CN)6](s)), Ascorbinsäure (Vitamin C-Pulver) 46 Durchführung: Man stellt sich eine sehr schwach konzentrierte wässrige Eisen(III)chlorid-Lösung her, so dass man gerade noch die gelbliche Farbe erkennen kann, und füllt diese in einen Messkolben (25 mL). Außerdem benötigt man eine Kaliumhexacyanoferrat(III)-Lösung, welche man sich durch Lösen einer ½ Spatelspitze des Feststoffs in 10 mL entionisiertem Wasser herstellt. Auch diese Lösung wird in einen Messzylinder (25 mL) gefüllt. Als letztes löst man eine Spatelspitze Ascorbinsäure in 10 mL entionisiertem Wasser und gibt auch diese in einen Messkolben (25 mL). Während des Versuchs stellt man dann eine Petrischale auf einen Overhead-Projektor, schaltet diesen ein und gießt vorsichtig die Eisen(III)chlorid-Lösung in die Petrischale. Dabei muss man die gelbe Farbe der Lösung gut erkennen können. Nun gießt man zu dieser Lösung die Kaliumhexacyanoferrat(III)-Lösung und betrachtet das Ergebnis. Konnte jeder erkennen, dass sich die Farbe der Eisen(III)chlorid-Lösung nur durch die gelbe Eigenfarbe der Kaliumhexacyanoferrat(III)-Lösung verstärkt hat, gibt man von der vorbereiteten Ascorbinsäurelösung einen Spritzer aus der Pipette hinzu. Ergebnis: An den Stellen, an denen die Ascorbinsäure hinzugetropft wurde, entsteht eine Blaufärbung. Gibt man noch etwas mehr Ascorbinsäurelösung hinzu, schlägt der gesamte Inhalt der Petrischale nach blau um. Erklärung: Die Eisen-Ionen der Oxidationsstufe +3 der Eisen(III)chlorid-Lösung reagiert mit der Kaliumhexacyanoferrat-Lösung nur unter Bildung eines gelblichbraunen Komplexes, dessen Farbe aber von den Eigenfarben der beiden Lösungen überdeckt wird. Durch das Zutropfen der Ascorbinsäurelösung wird das Eisen der Oxidationsstufe + 3 reduziert, sodass Eisen-Ionen der Oxidationsstufe +2 vorliegen. Reduktion: +3 2 Fe 3+ +2 (aq) +2e - 2 Fe2+(aq) Im Gegenzug wird dabei die Ascorbinsäure als vinyloge Säure zur Dehydroascorbinsäure oxidiert: 47 Oxidation: OH +1 OH O HO +1 OH O - 2 H+(aq) - 2 e- + 2 H+ + 2 eOH O O O Ascorbinsäure (Vitamin C) Die +2 +2 O HO Ascorbinsäure ist Dehydroascorbinsäure aufgrund ihrer Endiol-Struktur ein kräftiges Reduktionsmittel. Im Zusammenhang mit der Lebensmittelindustrie wird die Ascorbinsäure als Zusatzstoff, speziell als Antioxidationsmittel, eingesetzt. Die durch Reduktion gebildeten Eisen-Ionen der Oxidationsstufe +2 gehen nun mit der Kaliumhexacyanoferrat(III)-Lösung einen intensiv blauen Komplex ein, der als Turnbulls Blau bezeichnet wird. Bildung von Turnbulls Blau: +3 +2 +2 +3 K3[Fe(CN)6](aq) + Fe2+(aq) rotes Blutlaugensalz K[FeFe(CN)6](aq) Turnbulls Blau Durch diesen Farbumschlag konnte gezeigt werden, dass die Ascorbinsäure in der Lage ist, das Eisen der Oxidationsstufe +3 zu reduzieren. Dieser Versuch soll als Modellversuch dienen und die Reduktionswirkung der Ascorbinsäure demonstrieren, so dass man sich die Reduktion der oxidierten Polyphenole beim Verhindern der enzymatischen Bräunung vorstellen kann. Die enzymatische Bräunung kann außerdem durch Inaktivierung der Enzyme wie z.B. durch Wärmebehandlung beim Blanchieren oder pH-Wert-Senkung und durch Ausschluss von Sauerstoff verzögert bzw. verhindert werden. 48 4.3.3. Guten Appetit!!! Nachdem nun die Versuche des Menüs alle durchgeführt wurden, wird nun im Anschluss der echte Obstsalat innerhalb einer 4. Demonstration serviert. Dazu wünsche ich guten Appetit! 5. Schulrelevanz: 5.1 Das Thema im Hessischen Lehrplan: Laut Lehrplan Chemie des Hessischen Kultusministeriums für den Gymnasialen Bildungsgang [4] kann das Thema „Nahrungsmittel“ als Wahlthema sowohl im Grundkurs, als auch im Leistungskurs unter dem Aspekt „Angewandte Chemie“ in der Jahrgangsstufe 13.2 (G 9 Lehrplan) behandelt werden. Im Grundkurs stehen für dieses Thema 24 Schulstunden zur Verfügung, während im Leistungskurs 43 Schulstunden dafür vorgesehen sind. Als Begründung für das Walthema „Angewandte Chemie“ steht dort geschrieben, dass „Der Themenbereich [...] zur Vertiefung und Ergänzung der bisherigen Themen gedacht (ist).“ [4, S. 46] Diese Vertiefung und Ergänzung würde sich im Fall der Nahrungsmittel auf die Jahrgangsstufe 12.2 beziehen, in der als verbindlicher Unterrichtsinhalt die Naturstoffe nach Auswahl von Schwerpunkten behandelt werden sollten. Hierfür stehen die Unterthemen der Fette, Kohlenhydrate und Aminosäuren, Peptide und Polypeptide zur Verfügung. Für den Unterrichtsinhalt der Naturstoffe sind dabei im Leistungskurs 63- und im Grundkurs 36 Schulstunden vorgesehen. Während man unter dem Aspekt der Naturstoffe und dem konkreten Beispiel der Fette auf Bau, Eigenschaften, Reaktionen, Gewinnung und Verarbeitung, sowie Fetthärtung, Untersuchung von Speisefett und Bedeutung für die Ernährung eingehen soll, bietet das Thema der Nahrungsmittel z.B. weiterführende Behandlungsmöglichkeiten zum Unterthema der Fette. Diese wären z.B. Abbau im Organismus, Inhaltsstoffe und Zusatzstoffe. Als weitere Möglichkeiten zur Vertiefung der in Klasse 12.2 gelernten allgemeinen Grundlagen sind als Beispiele an dieser Stelle auch das Bierbrauen, 49 die Joghurtherstellung, Milchverarbeitung, Fettgewinnung und gentechnisch erzeugte Lebensmittel genannt. 5.2 Bedeutung von Essen und Trinken: Eine Rechtfertigung für die Behandlung im Chemieunterricht Wie bereits durch das Überlebensschema (Abb.2) kurz skizziert, ist das Essen und Trinken für den Menschen lebensnotwendig. Dies implizieret, dass sich jeder Schüler tagtäglich mit diesem Thema auseinandersetzen muss, wodurch Nahrungsmittel gute Ansätze für eine alltagsrelevante Behandlung im Chemieunterricht liefern. Obwohl man auf den ersten Blick die Behandlung des Themas der Nahrungsmittel wohl eher in den Biologieunterricht unter dem Themengebiet „Stoffwechsel und Verdauung“ einordnen würde, bestehen die Nahrungsmittel aus nichts anderem als Chemie. Dies entspricht zwar nicht dem Alltagsgebrauch des Wortes „Chemie“ vieler Menschen, die Chemie, wenn überhaupt, mit Nahrungsmitteln nur unter dem Aspekt der Tütensuppen und anderen Fertiggerichten, sowie gespritztem Obst assoziieren. Wenn man behauptet, dass Nahrungsmittel aus nichts anderem als Chemie bestehen, dann bezieht man sich darauf, dass die Inhaltsstoffe wie z.B. Kohlenhydrate, Proteine, Fette und auch das Wasser chemische Verbindungen sind, deren Umwandlungen beim Kochen und beim Verdauen im menschlichen Organismus als biochemische Reaktionen betrachtet werden müssen. Es ist gut vorstellbar, eine Unterrichtseinheit über das Thema der Nahrungsmittelgrundnährstoffe, sprich Kohlenhydrate, Fette und Proteine als Wiederholung der in Klasse 12.2 als verbindlicher Unterrichtsinhalt behandelten Naturstoffe durchzuführen. Dabei könnte man auf bereits vorhandenes WISSEN der Schüler zurückgreifen und das angehäufte Wissen durch Kombination mit alltagsrelevanten Fragestellungen aus dem Bereich der Lebensmittelchemie und Ernährung in KÖNNEN umwandeln. Dies würde dem pädagogischen Ansatz der Lerntransfers entsprechen (Hauptseminar Rainer Lersch, 2006: „Was ist guter Unterricht?“[3]). Dabei geht man von der Annahme aus, dass Schüler die Kompetenz, die sie erlernen sollen, erst dann erwerben, wenn sie z.B. durch Frontalunterricht angehäuftes Basiswissen selbst anwenden- und somit Ihr Können unter Beweis stellen mussten. Um die Unterrichtseinheit der Nahrungsmittel von den Naturstoffen abzugrenzen und mehr daraus zu machen 50 als eine Wiederholung, könnte man mit den Schülern zusammen Aspekte suchen, die sie im Bereich der Nahrungsmittel interessieren. Ein guter Ansatz hierfür wäre Werbeannoncen aus Zeitschriften oder Fernsehwerbung aufzugreifen und die darin angepriesenen Eigenschaften der Nahrungsmittel kritisch zu untersuchen. Dabei liefern vor allem pseudowissenschaftliche Aussagen wie „Linksdrehende Joghurtkulturen“ oder „absolut fettfreie Chips“ interessante Aspekte. Vielleicht kann man dadurch Schülern ein kritischeres Auseinandersetzen mit angeblich gesundheitsförderlichen Nahrungsmitteln mit auf den Weg geben. Ausgebaut werden kann das Thema dann je nach Interesse z.B. in Richtung „Novel Food“, „Healthy Food“ oder aber auch fächerübergreifend mit dem Fach Biologie in Richtung der chemischen Betrachtung von verdauungsbeteiligten Stoffwechselprozessen. Darüber hinaus wären auch technische Prozesse wie z.B. die Fettgewinnung, Zuckerraffination oder die Produktion verschiedener Brotsorten denkbare Themen. Ich hoffe, dass dieser kurze Einblick reicht, um die Vielfältigkeit dieses Unterrichtsthemas zu verdeutlichen. 6. Literaturverzeichnis: [1] Schwedt, Georg: Taschenatlas der Lebensmittelchemie, WileyVCH, 2. Auflage, Weinheim 2005 [2] Schmidkunz, Heinz; Schlagheck, Karin: Unterricht Chemie, Band 11: Lebensmittel-Nährstoffe, Aulis Verlag Deubner & Co KG, Köln 2001 [3] Lersch, Rainer: Unterricht zwischen Standardisierung und individueller Förderung. In: Die deutsche Schule, Heft 1/2006, 28 – 40 [4] Lehrplan Chemie, Gymnasialer Bildungsgang, Gahrgangsstufen 8 – 13, Hessisches Kultusministerium [5] Schmidt; Thews: Physiologie des Menschen, Springer-Verlag 1990 [6] Schlieper, Cornelia A.: Grundfragen der Ernährung, Dr. Felix Büchner, Handwerk und Technik Verlag, Hamburg 1998 51 1 4 [7] Proteindatenbank PDB, EC 3.2.1.1 [8] Lehrerfortbildung Farbstoffe (LFB) S. 4-5 [9] Marburger/Gerstner: Alginate und Carageenane (LFB I + II) S. 12 - 32 52