Philipps-Universität Marburg

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Hinweis:
Dieses Protokoll stammt von der Seite www.chids.de (Chemie in der Schule).
Dort können unterschiedliche Materialien für den Schulunterricht heruntergeladen werden,
unter anderem hunderteMarburg
von Experimentalvorträgen so wie der vorliegende:
Philipps-Universität
http://online-media.uni-marburg.de/chemie/chids/veranstaltungen/uebungen_experimentalvortrag.html
Fachbereich Chemie
Lehramt
Sommersemester 2006
Seminar: Übungen im Experimentalvortrag (OC)
Mit einem Menü durch
die Organische Chemie
Experimentalvortrag vom 08.06.06
Ina Böckler
Auf der Heide 4
35085 Hachborn
Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung…………………………………...……………………………1
2. Definition Nahrungsmittel………………...…………………………….2
3. Klassifizierung der Nahrungsmittel……………………………………3
4. Das Menü………………………………………………………………...8
4.1 Vorspeise: Baguette mit „Lachskaviar“ à la Ferran Adrià…………..8
4.1.1
4.1.2
Das Baguette, die Stärke, die α-Amylase und der Geschmack…………8
Demo 1: Stärkeabbau durch Speichel…………….……………….9
Versuch 1: Stärke-Smiley…………….…………………………16
Versuch 2: Fehling-Probe……………………………………….18
Lebensmittelfärbung und Alginate in der Lebensmittelindustrie…...….20
Versuch 3: Darstellung von E 110 (Gelborange S)……….……….22
Versuch 4: Kaviar aus Alginat…………………………….........27
4.2 Hauptgericht: Schweinefilet an neuen Kartoffeln…………………31
4.2.1 Fleisch und Fleischzartmacher………………………………...…31
Demo 2: Enzymwirkung von Papaya......…...…...…...….............35
Versuch 5: Aminosäure-Nachweis mit Ninhydrin………...……...36
4.2.2 Food-Design: Der etwas andere Stärkenachweis…………………...40
Versuch 6: Die Kartoffelschrift…………………………………41
4.3 Nachspeise: Obstsalat……………………………………………...42
4.3.1 Das natürliche Übel……………………………………………..42
Demo 3: Enzymatische Bräunung……………………...………..43
4.3.2 „Omas Tricks und Tipps“………………………………………..43
Versuch 7: Reduktionswirkung von Ascorbinsäure……...……….46
4.3.3 Guten Appetit!!!...........................................................................49
Demo 4: Geschmack von Obstsalat…………………………………...49
5. Schulrelevanz…………………………………………………………...49
5.1 Das Thema im Lehrplan……………………………………………49
5.2 Bedeutung von Essen und Trinken:
Eine Rechtfertigung für die Behandlung im Chemieunterricht…….50
6. Literaturverzeichnis…………………………...……………………….51
1. Einleitung:
Bei dem Experimentalvortrag mit dem wohlklingenden Titel „Mit einem Menü
durch die Organische Chemie“ handelt es sich um einen Vortrag, der sich mit der
Chemie bestimmter Nahrungsmittel beschäftigt.
Die ausgewählten Nahrungsmittel sind so aufeinander abgestimmt, dass sie ein
sinnvolles dreigängiges Menü mit Vorspeise, Hauptgericht und Nachspeise
ergeben. Durch diese Menüabfolge und die dazugehörigen wohlbekannten oder
auch mal etwas exotischeren Zutaten ergibt sich ein natürlicher roter Faden, an
dem sich der Vortrag entlang hangelt.
Das erstellte Menü liefert dabei neben interessanten Untersuchungsansätzen, die
sich oft als alltagsrelevante Fragen oder naturwissenschaftliche Betrachtungen der
„Geheimtipps von Oma“ entpuppen, auch viele mögliche chemische Experimente
zum Thema der Nährstoffe, insbesondere der Kohlenhydrate und Proteine.
Darüber
hinaus
werden
weitere
Nahrungsmittelbestandteile
bzw.
deren
Inhaltsstoffe und Zusatzstoffe wie z.B. Lebensmittelfarbstoffe, untersucht. Die
meisten der durchgeführten Experimente sind auch als Schülerversuche denkbar.
Im Rahmen dieses Themas werden dann die Inhaltsstoffe und Eigenschaften der
ausgewählten Nahrungsmittel genauer untersucht und mit bekannten Reaktionen
der Organischen Chemie nachgewiesen und überprüft. Um die bekannten
chemischen Reaktionen interessanter zu gestalten, sind sie oftmals in einen neuen
Zusammenhang und in eine andere Gestalt gebracht. Auf die Fette wird im
Rahmen
dieses
Experimentalvortrags
nicht
eingegangen,
da
diese
als
eigenständiges Thema innerhalb eines anderen Vortrags in diesem Semester
behandelt wurden.
Letztendlich soll dieser Vortrag dazu beitragen, dass das Fach Chemie von
Schülern als wichtiges Fach erkannt wird, mit dessen Hilfe man alltägliche
Phänomene wie das Zubereiten von Nahrungsmitteln und die Eigenschaften der
Inhaltsstoffe besser verstehen und im optimalen Fall auch seinen Mitmenschen
wie z.B. Geschwistern oder Eltern erklären kann. Dadurch soll gewährleistet
werden, dass der Schulstoff nicht als isoliertes Wissensgut in der unendlichen
Weite eines Schülerkopfes verloren geht, sondern durch ständiges Wiederholen
im Zusammenhang mit der Lebensumwelt eines Schülers gefestigt wird. Darüber
hinaus ist das Thema der Chemie von Nahrungsmitteln für das Fach Chemie an
sich sehr wichtig, da es sein Image aufbessern kann, wenn Schüler merken, dass
1
alles in ihrem Leben aus Chemie besteht und mithilfe ihres gelernten Wissens
erschlossen werden kann. Dies würde neben der „Chemie ist wenn es knallt und
stinkt-Philosophie“ eine neue Abteilung der „Chemie ist unser Leben und unsere
Umwelt-Philosophie“ erschließen und somit ein weites Interessenfeld für Schüler
eröffnen.
2. Definition Nahrungsmittel:
Um die Chemie von Nahrungsmitteln hinreichend untersuchen zu können, muss
man sich zuerst darüber im Klaren sein, was überhaupt durch den Begriff
„Nahrungsmittel“ alles eingeschlossen wird. Zu Beginn muss erwähnt werden,
dass es sich bei diesem Begriff um einen veralteten Begriff handelt, der längst
durch den Begriff „Lebensmittel“ verdrängt wurde. In diesem Vortrag wurde aber
auf den Begriff „Nahrungsmittel“ zurückgegriffen, da so auch die Bezeichnung
des Themas im Hessischen Lehrplan für den Gymnasialen Bildungsgang lautet.
Die allgemeine Definition aus der Deutschen Basisverordnung Lebensmittelrecht
(DBL, Artikel 2) lautet wie folgt:
„Lebensmittel (früher Nahrungsmittel) sind alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu
bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden
kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem
Zustand von Menschen aufgenommen werden.
Zu Lebensmitteln zählen auch Getränke, Kaugummi sowie alle Stoffe,
einschließlich Wasser, die dem Lebensmittel bei seiner Herstellung oder Veroder Bearbeitung absichtlich zugesetzt werden.“
Der Begriff „Lebensmittel“ impliziert, dass es sich dabei um Mittel handelt, von
denen man lebt. Manchmal wird die Bedeutung dieses Wortes auch abgeändert
und dient dann auch als Abgrenzung zu Nahrungsmitteln, die nicht leben, wie z.B.
pasteurisierte Milch, die keinerlei Mikroorganismen enthält.
Außerdem wird der Begriff „Lebensmittel“ oft als übergeordneter Begriff für
Nahrungs-
und
Genussmittel
verwendet,
wobei
zwischen
reiner
Nahrungsaufnahme und Genuss nicht immer eine scharfe Grenze zu ziehen ist.
Eine Unterscheidungsmöglichkeit besteht darin, dass im Gegensatz zu
Nahrungsmitteln der Nährwert bei Genussmitteln kaum von Bedeutung ist. Dieser
2
kleine Überblick veranschaulicht, dass es viele Möglichkeiten gibt, Lebensmittel
zu definieren. Im Folgenden werde ich aber die allgemeine Definition aus der
DBL als zugrunde liegende Auffassung des Begriffes verwenden.
Da es sich dieser allgemeinen Definition zufolge bei den Lebensmitteln um ein
sehr weites Feld handelt, ist es ratsam, eine Klassifizierung vorzunehmen, mithilfe
welcher man einen besseren Überblick über die Lebensmittel bekommt.
3. Klassifizierung von Nahrungsmitteln:
Entsprechend unseres Speiseplans kann man die Nahrungsmittel in 7
Nahrungsmittelklassen unterteilen.
Getränke
Öle und Fette
Fisch, Fleisch und
Fleischprodukte
Kohlenhydratreiche
Nahrungsmittel: Brot,
Kartoffeln, Reis, Nudeln
Milch und
Milchprodukte
Gemüse
Obst
Abb. 1: Die 7 Nahrungsmittelklassen im Ernährungskreis [2]
Der Ernährungskreis gibt Aufschluss über die Anteile an Lebensmitteln, die zur
Ernährung herangezogen werden sollten. Dabei stehen Getränke in der Mitte und
nehmen eine Sonderstellung ein, da man zwar 30 Tage ohne feste Nahrung-, aber
nur 3 Tage ohne Trinken überleben kann. Ergänzt wird dieses „ÜberlebensSchema“ noch durch die Tatsache, dass man nur 3 Minuten ohne Atmen
überleben kann.
3
Essen:
30 Tage
Trinken:
3 Tage
Atmen:
3 Minuten
Abb. 2: Das Überlebensschema (stark vereinfacht und nicht maßstabsgerecht)
Auf dem abgebildeten Kuchenschema findet man ihrem Anteil an unserer
Ernährung entsprechend um die Getränke kreisförmig angeordnet noch folgende
Nahrungsmittelklassen: Kohlenhydratreiche Nahrungsmittel (Brot, Nudeln, Reis,
Kartoffeln), Gemüse, Obst, Milch und Milchprodukte (Käse), Eiweißreiche
Nahrungsmittel (Fisch, Fleisch und Fleischprodukte) sowie die Klasse der Fette
und Öle. Aus der Übersicht geht deutlich hervor, dass der Hauptanteil der täglich
aufgenommenen Nahrung aus Kohlenhydraten, Gemüse und Obst bestehen sollte.
Eingeschränkt werden sollte der Konsum von Fleisch, Fisch, Fett und fetthaltigen
Lebensmitteln.
Neben dieser groben Einteilung in die 7 Nahrungsmittelklassen, erfolgt die
geläufigste- und lebensmittelchemisch sinnvollste Einteilung im Allgemeinen
nach natürlichen Inhaltsstoffen. Diese gliedert man wiederum in Nährstoffe,
Begleitstoffe und Zusatzstoffe. [1]
Nahrungsmittel
Nährstoffe
Begleitstoffe
Zusatzstoffe
Abb. 3: Klassifizierung nach natürlichen Inhaltsstoffen
4
Zu den Nährstoffen zählen Nahrungsmittelinhaltsstoffe, die dem Aufbau und
Erhalt der Körpersubstanz dienen, sowie als Energielieferant und biochemischer
Funktionsträger fungieren können [1].
Die Nährstoffe besitzen einen experimentell bestimmbaren Nährwert, welcher den
energieliefernden Beitrag eines Nahrungsmittels angibt. Die Nährstoffe lassen
sich ihren spezifischen Aufgaben entsprechend nochmals unterteilen in
Grundnährstoffe, Baustoffe, Brennstoffe und Wirkstoffe.
Grundnährstoffe sind Eiweißstoffe (Proteine), Fette und Kohlenhydrate, deren
Energiewert in Joule (J) angegeben wird. Geläufiger ist hierbei aber wohl immer
noch die Angabe in Kilokalorien (kcal), obwohl es sich nicht um eine SI-Einheit
handelt.
Neben der Zugehörigkeit zu den Hauptnährstoffen spielen Eiweißstoffe auch als
Baustoffe des Körpers eine große Rolle. Zu den Baustoffen zählen darüber hinaus
auch Mineralstoffe und Wasser. Brennstoffe im engeren Sinne sind Fette und
Kohlenhydrate, die der Energielieferung dienen. Die Wirkstoffe, zu denen neben
Vitaminen auch die Spurenelemente und Mineralstoffe zählen, werden im Vortrag
nicht behandelt. Eine Ausnahme stellt die Ascorbinsäure (das Vitamin C) dar,
deren reduzierende Eigenschaft untersucht wird. Die Eigenschaft als Vitamin zu
wirken, bleibt dabei aber außen vor.
Nährstoffe
Grundnährstoffe: Proteine, Fette,
Kohlenhydrate
Baustoffe: Proteine, Mineralstoffe, Wasser
Brennstoffe: Fette, Kohlenhydrate
Wirkstoffe: Vitamine, Mineralstoffe,
Spurenelemente
Abb. 4: Gliederung der Nährstoffe
5
Neben den angesprochenen Nährstoffen, sind die sog. Begleitstoffe für die
lebensmittelchemische und auch für eine ernährungsphysiologische Beurteilung
eines Nahrungsmittels wichtig. Zu diesen werden neben den Ballaststoffen und
Enzymen auch Farbstoffe, Geruchsstoffe und Geschmacksstoffe gezählt.
Ballaststoffe im Allgemeinen sind hierbei strukturbildende Bestandteile
pflanzlicher
Nahrungsmittel,
die
im
menschlichen
Dünndarm
nicht
aufgeschlossen werden können. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist die Cellulose.
Diese Stoffe sind zwar unverdaulich, zeichnen sich aber durch darmanregende
Tätigkeit als nützlich aus.
Begleitstoffe
Ballaststoffe: Cellulose, Polyosen
(Hemicellulose), Lignine, Carrageen, Agar
Enzyme: Oxidoreduktasen, Hydrolasen,
Lyasen, Isomerasen, Transferasen
Farb-, Geruchs- und Geschmacksstoffe:
Chlorophylle, Flavonoide, Anthocyane, Aroma
Abb. 5: Gliederung der Begleitstoffe
Im Rahmen dieses Vortrags werden neben chemischen Aspekten natürlicher
Nahrungsmittelinhaltsstoffe
Lebensmittelzusatzstoffe
auch
behandelt.
Themen
Nach
aus
§
2
dem
des
Bereich
der
Lebensmittel-
und
Bedarfsgesetzes (LMBG) sind Zusatzstoffe „Stoffe, die dazu bestimmt sind,
Lebensmitteln zur Beeinflussung ihrer Beschaffenheit, oder zur Erzielung
bestimmter Eigenschaften oder Wirkungen zugesetzt zu werden.“ [1]
Die Zusatzstoffe kann man entsprechend ihrer Funktion grob einteilen. Es gibt
demnach Stoffe zur Verbesserung des Aussehens, Stoffe zur Verbesserung von
Aroma und Geschmack, Stoffe zur Konsistenzverbesserung und Stabilisierung
und Stoffe zur Verlängerung der Haltbarkeit [1].
6
Zusatzstoffe
Verbesserung des Aussehens
Verbesserung von Aroma und
Geschmack
Konsistenzverbesserung und
Stabilisierung
Verlängerung der Haltbarkeit
Abb. 6: Gliederung der Zusatzstoffe
In diesem Vortrag werden aus dem großen Bereich der Lebensmittelzusatzstoffe
aber nur die Lebensmittelfarbstoffe, speziell der Vertreter mit der E-Nummer 110
(Gelborange S) als Stoff zur Verbesserung des Aussehens und die Alginate aus
Braunalgen als Stoffe zur Konsistentverbesserung und Stabilisierung behandelt.
Diese beiden Exkurse in den Bereich der Lebensmittelzusatzstoffe wurden
gewählt, da durch sie stellvertretend ein aktueller Trend unter den Starköchen
beschrieben werden soll. Dieser Trend wurde durch einen spanischen Koch
eingeführt: Ferran Adrià.
Mittlerweile gibt es viele Köche, die diesen Trend unter unterschiedlichsten
Mottos mitgehen. Beispiele für solche Mottos sind „Cooking Chemistry“ oder „La
cuisine scientific“. Allen Mottos ist gemein, dass die Köche die Verfahrensweisen
der Chemie oder allgemein Laborpraktiken wie z.B. das Kühlen mit flüssigem
Stickstoff für ihre Küche entdecken und damit (verrückte) Speisen mit ganz neuen
Geschmacksrichtungen und –Erlebnissen kredenzen. In Abschnitt 4.1.2 dieses
Experimentalvortrags wird der Trendsetter Ferran Adrià kurz charakterisiert und
ein berühmtes Gericht im Labormaßstab nachempfunden. Dadurch soll ein
anderes Anwendungsgebiet der experimentellen Chemie, das gut zum Thema
Nahrungsmittel passt, aufgezeigt werden: Die Küche.
7
4. Das Menü:
Zu Beginn dieses Abschnitts soll ein Menüplan einen Überblick über den
gesamten experimentellen Bereich dieses Vortrags bieten.
Menü:
Vorspeise:
Baguette mit Lachskaviar
à la Ferran Adrià
(D1, V1, V2, V3, V4)
Hauptgericht:
Schweinefleisch an neuen Kartoffeln
(D2, V5, V6)
Nachspeise:
Obstsalat
(D3, V7, D4)
Guten Appetit !
Im Verlauf des Vortrags wurden einige der angepriesenen Speisen auch wirklich
serviert. Darunter als Vorspeise das Baguette mit echtem Lachskaviar, da das
selbst hergestellte Alginat-Äquivalent aufgrund der Calciumchloridlösung zu
bitter schmecken würde, und als Nachspeise wurde leckerer Obstsalat angeboten.
8
4.1 Vorspeise: Baguette mit „Lachskaviar“ à la Ferran Adrià
4.1.1 Das Baguette, die Stärke, die α-Amylase und der Geschmack
Begonnen wurde das Menü mit dem Hauptbestandteil der Vorspeise: dem
Baguette.
Bei dem Baguette handelt es sich um ein französisches Stangenweißbrot, das
eines von vielen verschiedenen Brotsorten auf der Welt darstellt. Das Baguette
besteht im Allgemeinen aus Weizenmehl, Hefe, Kochsalz und Wasser. Zu diesen
Zutaten können dann je nach belieben noch verschiedene Gewürze und Kräuter
hinzugefügt werden. Für die Experimente mit dem Baguette ist im Folgenden aber
nur die Weizenstärke aus dem Weizenmehl relevant. Um die genauere
Betrachtung der Weizenstärke zu beginnen, wurde das Publikum innerhalb von
Demonstration 1 darum gebeten, bereitgestelltes Baguette zu essen.
Demo 1: Stärkeabbau durch Speichel
Materialien: Baguette-Kauproben in beschrifteten Schüsselchen, Speichel
Durchführung: Das Baguette wird vom Publikum möglichst lange gekaut und
darf erst heruntergeschluckt werden, wenn eine Geschmacksveränderung
festzustellen ist.
Ergebnis: Durch längeres Kauen schmeckt das Baguette süß
Erklärung: Die im Baguette enthaltene Stärke wurde durch den menschlichen
Speichel, von dem jeder Mensch mehr als 1 Liter pro Tag produziert [5], und
durch die mechanischen Kaubewegungen des Kiefers abgebaut und somit vor dem
Weitertransport im den Magen vorverdaut. Das Abbauprodukt der Stärke
schmeckt süß. Bei der Stärke handelt es sich um ein pflanzliches Polysaccharid,
das keinen homogenen Stoff darstellt, sondern aus zwei Komponenten besteht:
9
Der Amylose und dem Amylopektin. Dabei macht das Amylopektin einen Anteil
von 70 – 90% aus, während die Amylose nur zu einem Anteil von 10 – 30%
vertreten ist. In den Pflanzen stellt die Stärke das Reservepolysaccharid dar, das
sie nutzen, um die aus der Photosynthese gewonnene Glucose in einer osmotisch
inaktiveren Form abzuspeichern. Würden die Pflanzen direkt die synthetisierte
Glucose abspeichern, würde dies zwangsläufig zum Platzen der Zellen führen, da
aufgrund des hohen osmotischen Wertes der Glucose Wasser bis zum
isoosmotischen Umgebungswert aufgenommen werden würde. Die Stärke ist
osmotisch nahezu unwirksam, da sie ein großes Molekül aus vielen GlucoseMonomeren darstellt und deshalb kaum zu osmotischen Wert der Zelle beiträgt.
Sowohl die Amylose, als auch das Amylopektin bestehen ausschließlich aus
Glucose-Monomeren, so dass man die Stärke im Allgemeinen als Homoglucan
bezeichnen kann. Die beiden Komponenten unterscheiden sich nur in ihrem
strukturellen Aufbau. Während die Amylose
durch eine α-1,4-glycosidische Verknüpfung
lineare
Ketten
Bindungswinkels
bildet,
die
eine
aufgrund
helicale
des
Struktur
aufweisen, ist das Amylopektin durch eine
zusätzliche α-1,6-glycosidische Bindung,
die
ca.
alle
25
Glucose-Einheiten
Abb. 7: Amylose (links) und Amylopektin
schematisch
stattfindet, viel stärker verzweigt.
Um den molekularen Aufbau der Stärke zu zeigen, wurde an dieser Stelle die
Haworth-Projektion gewählt, da diese auch in der Schule verwendet wird. Sie ist
sowohl aufgrund des Vorkommens in den Schulbüchern, als auch aufgrund der
einfacheren Schreibweise der Sesselschreibweise vorzuziehen. Man muss die
Schüler aber darauf hinweisen, dass es sich bei den Knicken in der glycosidischen
Bindung keinesfalls um Kohlenstoffatome handelt.
OH
O H
H
H
OH
...
H
O
O H
H
1
4 OH
H
H
O
H
OH
OH
OH
O H
H
H
1
OH
H
O
O
H
OH
n
H
...
OH
Abb. 8: Amylose (Haworth-Projektion)
10
OH
OH
O H
H
H
OH
...
O
OH
H
OH
...
H
O
4 OH
H
OH
OH
OH
1
H
O
1
4
H
OH
6 CH 2
O H
H
O H
H
H
H
OH
OH
H
O
H
H
O
O H
H
H
1
H
Zusätzliche
α-1,6glycosidische
Bindung
O H
H
O
O
H
OH
n
H
...
OH
Abb. 9: Amylopektin (Haworth-Projektion)
Beim Kauen des Baguettes wurde eine Geschmacksveränderung festgestellt, da
im menschlichen Speichel ein Enzym vorhanden ist, welches die Stärke in
Maltose und größere Grenzdextrine spaltet. Diese Abbauprodukte schmecken im
Vergleich zur geschmacksneutralen Stärke und dem etwas salzigen Baguette süß.
Bei dem Enzym aus dem menschlichen Speichel handelt es sich um die αAmylase. Die α-Amylase ist ein Endoenzym, welches wie der Name sagt, die
Stärke vom Inneren des Moleküls her spaltet. Beim Menschen liegt das pHOptimum der α-Amylase bei pH = 6,9. Sie ist stabil bis zu einem pH-Wert von 4.
Dies bedeutet, dass die Speichel-Amylase im Magen (pH ≈ 1) inaktiviert wird.
Dieses Faktum macht eine Vorverdauung im Mund bei angemessenem pH-Wert
notwendig, da wir Menschen sonst keine Stärke verdauen könnten. Als Cosubstrat
verwendet das Enzym Ca2+-Ionen, welche im menschlichen Speichel vorhanden
sind.
Neben der α-Amylase und den Calcium-Ionen sind im menschlichen Speichel
noch Natrium-Ionen, Chlorid-Ionen, Hydogencarbonat und Isocyanat enthalten.
Das Hydrogencarbonat dient dabei als Puffer zur Aufrechterhaltung eines pHWertes im pH-Wirkungsbereich der α-Amylase (6,5 – 7,0). Das Isocyanat dient
als natürliches Desinfektionsmittel. Darüber hinaus sind im Speichel noch
Glycoproteine, die Mucine, enthalten, die die Gleitfähigkeit des Speisebreis
erhöhen und dadurch das Schlucken ermöglichen [6].
11
Ein Modell des stärkeabbauenden Enzyms zeigt besonders gut die Faltung der
Proteinkette.
Abb. 10: Die αAmylase:Proteinfaltung
in der
Supersekundärstruktur
[7]
Es lassen sich unterschiedliche Faltungsmuster erkennen. α-Helicale Bereiche des
Moleküls sind in roter Farbe dargestellt, während die vorkommenden β-Faltblätter
gelb dargestellt sind. Die Strukturelemente sind über weiß dargestellte Schleifen
miteinander verbunden. In der Mitte des Moleküls befindet sich das aktive
Zentrum, welches in Form einer Tonnen-Domäne ausgebildet ist. Die Tonne wird
durch ein α-β-8 Fass gebildet, in welchem die Tonne aus Faltblättern besteht, die
von 8 Helices umgeben sind. Bei der Spaltung der Stärke wird nun mit diesem
aktiven Zentrum das Stärkemolekül entlanggefahren. Dabei werden die α-1,4glycosidischen
Bindungen
hydrolytisch
gespalten,
während
die
α-1,6-
Verknüpfungen übersprungen werden.
Die
Bindungsspaltung
innerhalb
der
glykosidischen
Bindung
der
Stärkepolysacchridkette durch die α-Amylase kann man sich entsprechend einer
säurekatalysierten Stärkespaltung vorstellen. Der Ort der Bindungsspaltung, hier
vereinfacht durch eine Schere dargestellt, soll im Folgenden an einem
Reaktionsmechanismus erläutert werden.
OH
OH
H
OH
...
H
O H
H
O H
H
1
4 OH
H
H
O
O
H
OH
O
H
...
OH
Abb. 11: Die Enzymaktivität bei der Stärke-Spaltung vereinfacht durch eine Schere dargestellt
12
Säurekatalysierte Stärkespaltung:
OH
O H
H
H / H2O
H
OH
H
OH
O
H
O
OH
H
H
2n
H
O
O H
H
+
O H
H
H
...
OH
OH
OH
H
HO
...
OH
H
OH
OH
n
Ausschnitt aus einem Stärkemolekül
Reaktionsmechanismus:
Die Spaltung der glykosidischen Bindung findet dadurch statt, dass an das freie
Elektronenpaar des Sauerstoffatoms der glykosidischen Bindung ein Proton
angelagert wird und daraufhin die Bindung so gespalten wird, dass die positive
Ladung durch das Heteroatom des Glucosemoleküls, sprich dem Sauerstoffatom,
stabilisiert wird (Heteroatomstabilisierung der positiven Ladung).
OH
OH
O H
H
O H
H
H
OH
...
H
H
OH
O
H
O
H
O
OH
H
+
+
H
...
OH
n
OH
O H
H
H
OH
...
H
O
H
O
H
OH
O H
H
H
OH
H
+
O
H
O H
H
H
OH
OH
OH
OH
...
HO
C
+
H
OH
H
OH
OH
H
OH
+
H
O H
H
OH
H
n
13
OH
Die Stabilisierung findet dadurch statt, dass das entstandene Carbeniumion in
Mesomerie mit einem Oxoniumion steht.
OH
OH
+
O H
H
H
+
OH
H
C
H
O H
H
HO
OH
H
H
OH
C
HO
H
OH
Carbeniumion
Oxoniumion
Durch nucleophilen Angriff eines Wassermoleküls an das positiv geladene
Kohlenstoffatom wird letztendlich nach Entfernen des katalytisch wirkenden
Protons ein weiteres Glucosemolekül gebildet.
OH
O H
H
H
OH
OH
OH
+
C
H
O H
H
+
H2O
OH
HO
H
O
HO
H
-H
H
OH
H
OH
H
+
O H
H
H
OH
+
H
HO
OH
H
OH
Durch das Überspringen der α-1,6-Verknüpfungen des Amylopektins während
der Stärkehydrolyse bei der amylaseinduzierten Vorverdauung im Mund,
entstehen
an
diesen
Stellen
keine
Glucosemoleküle
H
wie
im
Reaktionsmechanismus zu sehen, sondern größere Grenzdextrine. Die außerdem
als Abbauprodukt entstehende Maltose ist für den süßen Geschmack des intensiv
gekauten Baguettes verantwortlich. Die Verdauung der Stärke findet nach der
beschriebenen Vorverdauung durch das Speichelenzym im Mund dann durch
Resorption im Dünndarm statt. Dort wird die Maltose, ein Disaccharid aus zwei
Glucose Monomeren, die α-1,4 glycosidisch verknüpft sind, in ihre Bausteine
gespalten und unter ATP-Verbrauch aktiv resorbiert.
Dass die im Mund aus der Stärke gebildete Maltose süß schmeckt, liegt
letztendlich daran, dass das Maltose-Molekül von den Geschmacksrezeptoren der
Zunge erkannt wird. Im Gegensatz zum Geruch ist der Geschmack ein Nahsinn,
14
bei dem die für den Geschmack verantwortlichen Substanzen direkt mit den
Geschmacksrezeptoren auf der Zunge in Kontakt treten müssen. Diese
Geschmacksrezeptoren kann man ihrer Empfindlichkeit entsprechend in 5
Geschmacks-Grundqualitäten
einteilen.
Neben
„süß“
gibt
es
noch
die
Grundqualitäten sauer, salzig, bitter und umami.
süß
sauer
salzig
bitter
Papille
Abb. 12: Die Geschmacksgrundqualitäten (ohne umami) mit ihrem Vorkommen auf den
einzelnen Zungenregionen. Rechts: eine Geschmackspapille [6]
Die Geschmacksqualität „umami“ taucht in dieser Abbildung nicht auf, da ihre
Wahrnehmungsregion auf der Zunge noch nicht ganz geklärt ist. Diese
Geschmacksqualität ist für die Empfindung „köstlich“ verantwortlich. Der
Ausdruck stammt aus dem Japanischen und bedeutet wörtlich übersetzt auch
„köstlich, lecker“. Man geht heute davon aus, dass der Geschmackseindrück
„umami“ durch den Neurotransmitter Glutamat vermitteln wird, was der Grund
dafür ist, dass man in vielen Fertiggerichten und vor allem beim Japaner „um die
Ecke“ häufig Mononatriumglutamat als Geschmacksverstärker im Essen findet.
Der gesamte Geschmackseindruck einer Speise resultiert aus dem Zusammenspiel
von Geruch und Geschmack, da viele flüchtige Verbindungen, die auch zum
Flavour eines Nahrungsmittels beitragen, nur über den Fernsinn, sprich den
Geruchssinn, aufgenommen werden können.
Mit dem ersten Versuch möchte ich nun an dieser Stelle zeigen, dass die Stärke
durch das Enzym α-Amylase tatsächlich abgebaut wird.
15
Versuch 1: Stärke-Smiley
Materialien: 1 große Petrischale mit Stärke-Agar (mit Deckel), Eppendorf-Cup
mit Speichel, Pinsel, Edding, Magnetrührer mit Heizfunktion, Erlenmeyerkolben
(200 mL)
Chemikalien: Agar, Stärke, Lugolsche Lösung (I2/KI-Lösung)
Durchführung: Man stellt sich durch Autoklavieren eine Agarlösung aus 4 g
Agar, 0,1 g CaCl2 und 100 mL Leitungswasser her, zu der man 1 g Stärke
hinzufügt. Diese Lösung lässt man bei ca. 90°C einige Zeit rühren, biss sich die
Stärke vollständig gelöst hat. Die noch heiße Stärke-Agar-Lösung wird dann
vorsichtig in die Petrischale gegossen und bis zum Aushärten stehen gelassen.
Man sollte diese Arbeit unbedingt schon einen Tag vor dem Vortrag vorbereiten,
da das Festwerden des Agars einige Zeit dauert.
Auf den Boden der Petrischale zeichnet man nun mit Hilfe eines Eddings ein
Smiley-Gesicht, das auch noch durch die Agarschicht auf der Oberseite der
Petrischale zu sehen ist. Während des Vortrags bepinselt man dann die Bereiche
der Mund- und Augenpartie auf dem Agar mit zuvor gesammeltem Speichel. Da
der Speichel nun für ein gutes Ergebnis einige Zeit auf die im Agar befindliche
Stärke einwirken muss, sollte man dies auch schon in einer anderen Petrischale
vorbereitet haben. Auf diese vorbereitete Agarplatte gießt man nun etwas
Lugolsche Lösung, welche eine Lösung von Iod in wässriger Kaliumiodidlösung
darstellt.
Ergebnis: An den Stellen, wo kein Speichel auf den Stärkeagar eingewirkt hat,
sprich außerhalb der Augen und des Smiley-Mundes, ist eine deutliche
Blaufärbung zu erkennen. Dort, wo Stärke-Agar in Kontakt mit dem
aufgetragenen Speichel gekommen ist, bleibt die Agarplatte farblos
16
Erklärung: Durch das Aufpinseln des Speichels wird an den Stellen, an denen der
Speichel mit dem Stärkeagar in Kontakt kommt, die enthaltene Stärke wie bereits
in Demonstration 1 beschrieben, abgebaut. Das Übergießen mit der Lugolschen
Lösung dient dem Stärkenachweis und fällt an den Stellen des Einspeichelns
negativ aus (keine Blaufärbung). Alle anderen Stellen färben sich blau, da die in
der Lugolschen Lösung enthaltenen Polyiodid-Ionen in die Amylose-Helix der
Stärke eingelagert werden. Das Agar dient in diesem Fall nur als Matrix für die
Stärke, um eine feste Struktur zu erzeugen. Das Aushärten des Agars
(Heteropolysaccharid aus Rotalgen; Monomere: Galactose/Galacturonsäure) kann
damit beschrieben werden, dass sich Wasser in maschenartige Strukturen
einlagert. Die blaue Farbe des positiven Stärkenachweises kommt durch ChargeTransfer(CT)-Übergänge zustande. Für diese CT-Übergänge ist die starre
Ausrichtung der Polyiodidionen innerhalb des Amylosemoleküls notwendig.
Abb. 13: Einlagerung von Polyiodid-Ionen in die Amylose-Helix der Stärke
An den Stellen, wo die Stärke durch die α-Amylase des Speichels abgebaut
wurde, findet keine Einlagerung der Polyiodidionen mehr stett, so dass auch keine
CT-Übergänge mehr vonstatten gehen können. Als Ergebnis bleibt die Agarplatte
an diesen Stellen farblos.
Mit Hilfe dieses 1. Versuchs wissen wir nun, dass durch den Speichel in unserem
Mund die Stärke abgebaut wurde. Mit einem nächsten Versuch soll nun gezeigt
werden, dass aus der Stärke durch die Spaltung tatsächlich Maltose und
Grenzdextrine entstanden sind, die für den süßen Geschmack verantwortlich sind.
Die Maltose und auch die Grenzdextrine unterscheiden sich von der Stärke
dadurch, dass sie reduzierende Verbindungen darstellen. Diese Eigenschaft
müsste man demnach mit der Fehling-Probe nachweisen können.
17
Versuch 2: Fehling-Probe
Materialien:
Baguette,
Speichel,
Wasserbad,
Heizplatte,
2er-Demo-
Reagenzglasständer, 2 Demo-Reagenzgläser, 1 Schüsselchen für Baguette, das
mit Speichel versetzt wurde, 1 Schüsselchen für Baguette ohne Speichel
(Blindprobe), Spatel, 2 Pipette, 2 Pipettenhütchen, 4 Messzylinder (10 mL)
Chemikalien:
R22 Gesundheitsschädlich
FEHLING I
(7 g CuSO4 in 100 beim Verschlucken
mL H2O)
R36/38 Reizt die Augen und
N
die Haut
R50/53 Sehr giftig für
Wasserorganismen, kann in
Xn
Gewässern längerfristig
schädliche Wirkungen haben
Einstufung in Bezug
auf Kupfersulfat
FEHLING II
(3,5 g
Kaliumnatriumtartrat
(Seignette-Salz) mit
1 g Natriumhydroxid
in 10 mL H2O)
C
Kaliumnatriumtartrat: Keine
Einstufung
NaOH:
R35 Verursacht schwere
Verätzungen
S22 Staub nicht einatmen
S60 Dieser Stoff und sein
Behälter sind als
gefährlicher Abfall zu
entsorgen
S61 Freisetzung in die
Umwelt vermeiden.
Besondere Anweisungen
einholen /
Sicherheitsdatenblatt zu
Rate ziehen
S26 Bei Berührung mit den
Augen gründlich mit
Wasser abspülen und Arzt
konsultieren
S37/39 Bei der Arbeit
geeignete
Schutzhandschuhe und
Schutzbrille/Gesichtsschutz
tragen
S45 Bei Unfall oder
Unwohlsein sofort Arzt
zuziehen (wenn möglich
dieses Etikett vorzeigen)
Durchführung: Man gibt jeweils zwei Spatelspitzen eingespeicheltes Baguette
und Baguette aus der Blindprobe in ein Demo-Reagenzglas und fügt zu jeder
Probe etwas entionisiertes Wasser und je 10 mL von Fehling 1 und Fehling 2
Reagenz. Daraufhin stellt man die Demo-Reagenzgläser in ein siedendes
Wasserbad.
18
Ergebnis: Bei Zugabe der Fehling-Reagenzien färben sich die BaguetteSuspensionen dunkelblau. Im Wasserbad beginnt sich dann die Farbe der Lösung
im Reagenzglas des eingespeichelten Baguettes nach ca. 30 Sekunden von
dunkelblau nach rostrot zu verändern. Bei der Blindprobe bleibt diese
Farbänderung aus.
Erklärung: Das Fehling-Reagenz (Fehling 1 und 2) vermag es, die reduzierende
Wirkung der Abbauprodukte der Stärke in dem eingespeichelten Baguette
anzuzeigen. Bei dieser Reaktion handelt es sich um eine Redoxreaktion, in der das
in Fehling 1 enthaltene Kupfer-Ion der Oxidationsstufe +2 reduziert wird, so dass
Kupfer in der Oxidationsstufe +1 vorliegt. Gleichzeitig wird die als Abbauprodukt
der Stärke vorkommende Maltose oxidiert. Das Kupfer der Oxidationsstufe +1
fällt dann gut sichtbar gemäß folgender Reaktionsgleichung als rostrotes
Kupfer(I)oxid aus.
O
H2O
OH
H
H
H
O Cu
OH
OH
R
HO
O
O
O
H
+ + 2
+1 H
H
+2
H2O
O +2
H
OHO
OH 2
H
OH
Cu
HO
O
Cu
OH
O (aq)
O
O
Abbauprodukt:
z.B. Maltose
+2
O
O
O
O
H
O
HO
H
O
H2O
O
O
O
(aq)
blau
blau
4-
+ 5 OH-(aq)
(aq)
(aq)
(schematisch)
OH
H
H
H
Das
Kupfer-Ion
+1
OH
R
HO
der
+ Cu2O(s)
H
+3 O
OH
O
+
2 C4H4O62- (aq) + 7 H2O
rostrot
(aq)
Oxidationsstufe
+2
liegt
im
Fehlingreagenz
als
Ditartratotetraaquadikupfer(II)-Komplex vor. Dies ist vonnöten, da das Cu2+-Ion
sonst im alkalischen Milieu des Reagenzes als Kupferhydroxid ausfallen würde.
19
Bei der Blindprobe, sprich dem Baguette, das nicht eingespeichelt wurde, fand
keine Farbänderung statt, da keine reduzierend wirkenden Abbauprodukte der
Stärke vorhanden waren. Somit konnte das im Fehling-Reagenz enthaltene
Kupfer-Ion der Oxidationsstufe +2 nicht reduziert werden und die Lösung blieb
dunkelblau aufgrund des enthaltenen Ditartratotetraaquadikupfer(II)-Komplexes.
4.1.2 Lebensmittelfärbung und Alginate in der Lebensmittelindustrie
Nachdem wir uns nun mit dem Baguette als Grundlage der Vorspeise ausreichend
beschäftigt haben, ist es an der Zeit, sich dem Belag zu widmen: dem
Lachskaviar.
Der Lachskaviar stellt aber keinen handelsüblichen-, sondern einen selbst
hergestellten Lachskaviar à la Ferran Adrià dar.
Bei Ferran Adrià handelt es sich um einen spanischen Koch, der es wagt, mit
Hilfe chemischer Verfahren seinen Speisen einen verrückten Touch zu verpassen.
An dieser Stelle sollen zwei Zitate helfen, diesen Koch näher zu charakterisieren.
Das erste Zitat entstammt einem Artikel aus der „Zeit“ mit dem Titel „der
Chemiker“. Das zweite Zitat ist von dem besagten Koch selbst und trifft meiner
Ansicht nach sehr gut das Motto seiner Küche.
•
„Ferran Adrià serviert Gemüse als Gelatine und würzt Speisen auch mal
mit Holzkohle. In Barcelona versucht der verrückteste Koch auf Erden
seinen Beruf neu zu erfinden- in einer Küche, die ein Labor sein könnte.”
Wolfgang Lechner (Die Zeit: “Der Chemiker“ )
•
„Die magischen Rezepte sind jene, die die einen ekelhaft finden und die
anderen fantastisch…“
(Ferran Adrià)
Frei nach diesem Motto Ferran Adriàs soll nun ein Lachskaviar zubereitet werden.
Bei diesem speziellen Lachskaviar handelt es sich aber keinesfalls um die
bekannten orangen Fischeier, obwohl kaum ein Unterschied erkennbar ist.
Vielmehr stellt der zubereitete „Lachskaviar“ ein, mit dem Lebensmittelfarbstoff
20
E 110 angefärbtes, Duplikat aus Calciumalginat dar. Diese Verfahrensweise aus
Alginat ein Gericht zu imitieren, ist bei Ferran Adrià sehr beliebt und oft gesehen.
Dadurch kam ich auf die Idee, ein solches chemisches Küchen-Experiment
nachzustellen. Durch Zufall fand ich heraus, dass es sich bei dem
Lebensmittelfarbstoff Gelborange S mit der E-Nummer 110 um den perfekten
Farbstoff für diesen Lachskaviar handelt. Lebensmittelfarbstoffe stellen die größte
Zahl an Zusatzstoffen dar. Sie werden im Allgemeinen eingesetzt, um die visuelle
Attraktivität eines Nahrungsmittels zu erhöhen. Der Farbeindruck eines
Nahrungsmitteln hat psychische und physische Wirkungen. Er vermag die
Sekretion der Verdauungssäfte zu fördern. Daher stammt auch die Redewendung
„beim Anblick läuft mir das Wasser im Mund zusammen“. Bei diesem „Wasser“
handelt
es
sich
um
den
sekretierten
Speichel.
Die
zugelassenen
Lebensmittelfarbstoffe sind in der Gruppe der Zusatzstoffe mit den Hunderter-ENummern (E 100 - ...) zusammengefasst. Man unterscheidet zwischen wasserfett- und unlöslichen Farbstoffen, wobei letztere als Pigmente bezeichnet werden.
Einer
Reihe
von
Nahrungsmitteln
werden
Farbstoffe
zugesetzt,
um
Farbveränderungen oder –verluste auszugleichen. Diese Veränderungen können
z.B. im Verlauf der Produktion durch Kochen oder Sterilisierung entstehen. Schon
im Altertum wurden Lebensmittel gefärbt. Man verwendete dazu verschiedene
Pflanzenfarbstoffe wie Chlorophyll oder Anthocyane. Im Mittelalter wurde die
Palette der zur Verfügung stehenden Lebensmittelfarbstoffe durch Mineralfarben
wie Ultramarin oder sogar durch stark giftige bleihaltige Farbstoffe wie z.B. das
postautogelbe Bleisulfid ergänzt. Erst zum Ende des 19. Jahrhunderts verbot man
den Einsatz solcher Farbstoffe. Da viele natürliche Farbstoffe wie z.B. das
Chlorophyll nicht sehr beständig sind und beispielsweise beim Kochen völlig
verblassen, wurden dank der Fortschritte auf dem Gebiet der organischen
Farbstoffsynthese Naturfarben im Laufe der Zeit immer mehr durch beständigere
synthetisierte Farbstoffe ersetzt. Den größten Bereich der synthetischen
Lebensmittelfarbstoffe stellen die Azofarbstoffe dar. Auch das von mir zu Färben
des Alginats gewählte Gelborange S gehört zur großen Familie dieser
Azofarbstoffe. Das Gelborange S (E 110) soll nun in einem Versuch selbst
hergestellt werden.
21
Versuch 3: Darstellung von E 110
Diesen Versuch kann man entweder in einer Kurzversion in Präparategläschen
durch
Zusammengießen
der
vorgekühlten
Substanzen
durchführen
(Vortragsversion), oder unter Rühren im Eisbad mittels Tropftrichter vollziehen
(sichere, aber zeitintensivere Version).
Chemikalien: Sulfanilsäure, Natriumnitrit, 2-Naphthol-6-Sulfonsäure
Sulfanilsäure
Xi
R36/38 Reizt die Augen und die Haut
R43 Sensibilisierung durch Hautkontakt möglich
S24 Berührung mit der Haut vermeiden
S37 Geeignete Schutzhandschuhe tragen
2-Naphthol-6-sulfonsäure
R36/37/38 Reizt die Augen, Atmungsorgane und die Haut
Xi
S26 Bei Berührung mit den Augen gründlich mit Wasser
abspülen und Arzt konsultieren
S36 Bei der Arbeit geeignete Schutzkleidung tragen
Salzsäure, HCl(aq)
1:3 (~ 9%)
S26 Bei Berührung mit den Augen gründlich mit Wasser
abspülen und Arzt konsultieren
C
Natronlauge, NaOH(aq)
c = 2 mol/L
R35 Verursacht schwere Verätzungen
S26 Bei Berührung mit den Augen gründlich mit Wasser
abspülen und Arzt konsultieren
S36/37/39 Bei der Arbeit geeignete Schutzkleidung,
Schutzhandschuhe und Schutzbrille/Gesichtsschutz tragen
C
Natriumnitrit, NaNO2(s)
N
R36/37/38 Reizt die Augen, Atmungsorgane und die Haut
R8 Feuergefahr bei Berührung mit brennbaren Stoffen
R25 Giftig beim Verschlucken
O
S45 Bei Unfall oder Unwohlsein sofort Arzt zuziehen (wenn
möglich dieses Etikett vorzeigen)
22
Materialien: lange Version
Waage, Eisbad, Becherglas (250 mL), 2 Bechergläser (100 mL), Spatel, Glasstab,
Tropftrichter, Magnetrührer mit Rührfisch
Aufbau lange Version (Skizze):
mL 100
75
Tropftrichter mit 35 mL HCl(aq)
50
25
Sulfanilsäure in
NaOH(aq)
Natriumnitrit in Wasser
2-Naphthol-6-sulfonsäure in NaOH(aq)
200
150
250 mL
80
100 mL
60
100 mL
40
50
20
LaboBib
300
80
60
100
50
©
AN
AN
AUS
AUS
40
20
1500
Eisbad
0 U /min
250
100
500
o
C
200
150
1000
750
Versuchsdurchführung der langen Version:
1.) Auf der Digitalwaage werden 0,9 g Sulfanilsäure in ein 250 mL Becherglas
abgewogen.
2.) Man gibt mit der Vollpipette 25 mL Natronlauge c = 2 mol/L zu der
Sulfanilsäure und rührt mit dem Glasstab rühren bis sich fast alles gelöst hat.
Anschließend stellt man das Becherglas beschriftet ins Eisbad.
3.) 0,4 g Natriumnitrit werden in ein 100 mL Becherglas eingewogen, mit 5 mL
entionisiertem Wasser versetzt und nach kurzem Vorkühlen im Eisbad zu der
gekühlten Sulfanilsäure gegeben.
4.) Man lässt vorsichtig 25 mL Salzsäure (1:3) aus dem Tropftrichter unter
Rühren hinzutropfen und rührt ca. 5 Minuten lang.
5.) Währenddessen werden 1,2 g 2-Naphthol-6-sulfonsäure in ein 100 mL
Becherglas eingewogen und mit 30 mL Natronlauge (3 mal 10 mL
Messpipette) versetzt und für ca. 3 Minuten ins Eisbad gestellt.
23
6.) Die gekühlte 2-Naphthol-6-sulfonsäure wird in einem Schuss und unter
weiterem Rühren zu der gekühlten Mischung aus Sulfanilsäure und
Natriumnitrit gegeben.
Die Mischung darf vor und während des Zutropfens nicht über 5°C ansteigen, da
sonst das gebildete Diazoniumsalz zerfällt.
Materialien Vortragsversion: Eisbad, Eppendorf-Cup, 2 Präparategläschen
Durchführung Vortragsversion: Man gibt die vorgekühlte Sulfanilsäure zu der
vorgekühlten Natriumnitrit-Lösung und schüttelt kurz. Nachdem man die Lösung
für ca. 1 Minute im Eisbad gekühlt hat, gibt man in einem Schutt die 2-Naphthol6-Sulfonsäure hinzu und schüttelt gut durch.
Beobachtung: Nach Zugabe der 2-Naphthol-6-Sulfonsäure nimmt die Lösung
eine orange Farbe an.
Erklärung: Bei dem hergestellten orangen Farbstoff handelt es sich um den
Lebensmittelfarbstoff Gelborange S (E110). Wie bereits erwähnt, stellt der
Lebensmittelfarbstoff E 110 ein Azofarbstoff dar. Diese Zeichnen sich durch eine
im Molekül vorhandene Azogruppe (-N=N-) aus. Bei der Synthese eines
Azofarbstoff laufen im Prinzip immer die gleichen Reaktionen ab. Diese gliedern
sich in drei Schritte:
1. Bildung eines Nitrosylkations
2. Herstellung eines Diazoniumsalzes: Diazotierung
3. Azo-Kupplung
Durch Protonierung des Nitrits entsteht im ersten Schritt Salpetrige Säure
(HNO2), aus welcher gemäß folgender Reaktionsgleichung das Nitrosylkation
gebildet wird:
24
Reaktionsmechanismus:
1. Bildung eines Nitrosylkations
HO
N
O
+
H
+
H O
+
H
N
N
O
+
O
- H 2O
Im zweiten Schritt greift nun das freie Elektronenpaar des Stickstoffatoms der
Sulfanilsäure das Nitrosylkation nucleophil an. Dadurch entsteht eine NNitrosoverbindurng, welche durch Protonierung und Wasserabspaltung in das
Diazoniumion übergeht. Diesen Prozess bezeichnet man als Diazotierung.
2. Herstellung eines Diazoniumsalzes: Diazotierung
O
O
HO
S
NH2
+
N
+
O
0°C
-H
HO
+
S
O
O
O
HO
N
S
O
N
H
N-Nitroso-Verbindung
O
H
O
+
HO
S
O
N
+
N
N
H
N-Nitroso-Verbindung
O
OH
N
HO
H
O
+
S
N
- H 2O
O
Diazonium-Ion
Diese Reaktion muss im Eisbad durchgeführt werden, da ansonsten das
Diazoniumsalz bei einer Temperatur > 5°C unter Stickstoffabspaltung zerfallen
würde. Das gebildete Diazoniumion stellt ein schwaches Elektrophil dar und
reagiert nur mit aktivierten Aromaten weiter. Dafür wird bei diesem Versuch die
Kupplungskomponente
2-Naphthol-6-Sulfonsäure
hinzugefügt.
Mit
dieser
Kupplungskomponente findet dann der dritte und letzte Schritt statt: Die
Azokupplung.
25
N
3. Azo-Kupplung:
+
Na O
-
O
S
O
O
+
N
+
N
S
elektrophile Substitution
O
-
Na
+
-H
O
+
+
Na OOH
O
S
O
O
N
N
S
Na
O
O
Gelborange S (E 110)
OH
Durch die Azo-Kupplung ist eine farbige Lösung entstanden. Die Farbe der
Lösung wird durch den gebildeten Azofarbstoff, das Gelborange S, verursacht.
Dieser liegt in der E-Konfiguration vor.
Die Farbigkeit der Azofarbstoffe beruht auf zweierlei Dingen: Einerseits ist durch
die Azokupplung ein größeres Molekül entstanden, das ein ausgedehntes
konjugiertes
π-Elektronensystem
aufweist,
während
andererseits
ein
elektronischer Effekt der Azogruppe zur Farbigkeit des Moleküls beiträgt. Dieser
elektronische Effekt ist auch schon beim gelben Diimin (N2H2) feststellbar. Durch
die Molekülstruktur der Azogruppe, die eine ungünstige ekliptische Anordnung
der nichtbindenden Elektronenpaare der Stickstoffatome zufolge hat, kommt es zu
einer starken Wechselwirkung der sp2-Hybridorbitale, die mit den nichtbindenden
Elektronenpaaren besetzt sind. Die resultierende große energetische Aufspaltung
führt dazu, dass das höchst besetzte Molekülorbital (HOMO), in diesem Fall das
n-Orbital, dem niedrigst unbesetzten Molekülorbital (LUMO), dem π*-Orbital,
sehr nahe kommt, so dass der n → π* Übergang im sichtbaren Bereich der
elektromagnetischen Strahlung liegt.
Gelborange S, auch Sunsetgelb FCF genannt, ist ein künstlicher, oranger
Azofarbstoff mit der E-Nummer E110. Gelborange S gilt für den Menschen als
26
+
gesundheitlich unbedenklich. Es führte aber in Tierversuchen bei hohen Dosen zu
Nierentumoren.
In Einzelfällen kann es beim Menschen allergieauslösend wirken, vor allem bei
Unverträglichkeit von Acetylsalicylsäure (ASS). Verwendet wird Gelborange S
zum
Färben
von
Seelachs,
Zuckerüberzügen,
Marzipan,
Likören,
Fruchtkonserven, Getränken, Aprikosenmarmelade, Kaugummi, Fertigsuppen,
Krabben, Garnelen, Süsswaren, Backwaren, Biskuits mit Orangengelee, Speiseeis,
Kunsthonig, Fruchtkonserven, Marzipan, Paniermehl, Zitronenquark… und
vielem mehr. Neben Lebensmitteln wird Gelborange S auch zur Färbung von
Arzneimitteln verwendet Die zugelassenen Farbstoffkonzentrationen für die
verschiedenen Anwendungsgebiete liegen bei 5-50g/100kg [8].
Nun haben wir den Farbstoff hergestellt, mit dem wir den falschen Lachskaviar
anfärben wollen. Fehlt nur noch der Lachskaviar selbst. Diesen möchte ich wie
bereits erwähnt in einem Versuch aus Alginat herstellen.
Versuch 4: Kaviar aus Alginat
Materialien: Porzellanschale, Stativ, Klammer nach Kaufmann, Klistierspritze
mit Adapter (Innendurchmesser der Auslaufspritze: d = 1,5 mm), Becherglas (100
mL, niedrige Form), Becherglas (250 mL, niedrige Form), Becherglas (600 mL,
hohe Form), Messzylinder (50 mL), 2 Glasstäbe, 2 Magnetrührer (davon einer
heizbar), 2 Rührfische (l = 4 cm), Haushaltssieb (d = 7 cm), Stabthermometer,
Löffelspatel zum herausholen des Kaviars, Waage.
Chemikalien: Natriumalginat-Sol (ρ* = 20 g/L), Calciumchlorid-Dihydrat (Xi; R:
36, S: 22-24) (c = 1 mol/L), Gelborange S
Durchführung: Zur Herstellung von 50 mL eines Natriumalginat-Sols der
angegebenen Massenkonzentration erwärmt man in einem Becherglas (250 mL)
unter Rühren mittels Magnetrührer und Rührfisch zuerst ca. 40 mL entionisiertes
27
Wasser auf 70°C. Nach Abstellen der Heizung des Magnetrührers wird die
Rührgeschwindigkeit dann so stark erhöht, dass sich um den Rührfisch ein Vortax
(Strudel bis zum Boden) bildet. Mit Hilfe eines Haushaltssiebs siebt man dann 1 g
Natriumalginat in sehr kleinen Portionen auf die obere Vortaxwand und rührt so
lange weiter, bis sich alles gelöst hat. Bilden sich dabei kleine Klumpen, kann
man diese mit einem Glasstab beseitigen. Man muss bei der NatriumalginatZugabe wirklich langsam vorgehen, da man sonst die Klumpenbildung nicht
beseitigen kann.
Nachdem das homogenisierte Sol auf Raumtemperatur abgekühlt ist, entfernt man
den Glasstab und füllt bis zur 50 mL-Marke des Becherglases mit entionisiertem
Wasser auf. Daraufhin durchmischt man sorgfältig mit einem Glasstab.
Das so hergestellte Natriumalginatsol kann über mehrere Tage in PET-Flaschen
im Kühlschrank aufbewahrt werden.
Für die Herstellung des falschen Lachskaviars wird das Natriumalginat-Sol nun
durch Zugabe des hergestellten Lebensmittelfarbstoffs E 110 bis zum
gewünschten Farbton angefärbt. Daraufhin füllt man es in die Auslaufspritze und
lässt es in eine langsam gerührte Calciumchloridlösung (c = 1 mol/L) eintropfen.
Die fertigen Kaviar-Kügelchen holt man mit einem Löffelspatel aus der Lösung
heraus und präsentiert diese in einer Porzellanschale.
Ergebnis: Beim Eintropfen des angefärbten Natriumalginat-Sols in die gerührte
Calciumchloridlösung entstehen feste kleine orange Kügelchen. Präsentiert man
diese etwas abgetrocknet in einer Porzellanschale, sehen sie dem echten
Lachskaviar zum Verwechseln ähnlich.
Erklärung:
Durch
das
Eintropfen
des
Natriumalginat-Sols
in
die
Calciumchloridlösung wurde dieses vom Sol-Zustand in den Gel-Zustand
überführt.
Bei dem eingesetzten Alginat handelt es sich, wie sein Name schon vermuten
lässt, um ein Produkt aus Algen. Genaugenommen handelt es sich dabei um eine
Substanz, die aus Braunalgen (Phaeophyta) der Ordnungen Fucales oder
Laminariales gewonnen wird. Chemisch gesehen handelt es sich bei den
Alginaten
um
Polysaccharid-Derivate,
um
Polyuronsäuren.
Sie
stellen
Strukturkomponenten aus den Zellwänden der Algen dar.
28
Die Uronsäuren sind Zuckersäuren, die formal aus Aldosen mit mindestens 4
Kohlenstoffatomen durch Oxidation der endständigen CH2OH-Gruppe zur
Carboxy-Gruppe entstehen. Monomere Bausteine der Alginate sind das β-DMannuronat und das α-L-Guluronat, die von
β-D-Mannose und α-L-Gulose
ableitbar sind. Als Gegenionen kommen sowohl Alkalimetall- als auch
Erdalkalimetall-Kationen vor.
Die β-D-Mannuronat- und α-L-Guluronat-Reste sind im Alginat linear über α-1,4glycosidische Bindungen verknüpft. Der Polymerisationsgrad liegt bei 100 –
3000.
O
O-
-OOC
-OOC
OH
O
OH
O
1
OH
OH
O
OH
α
H
H
H
H
O
O...
4 -OOC
O H
HO
O
...O
OH
OH
OH
Guluronat
OH
Polyguluronat-Block (Ausschnitt)
Beim Ausfällen des Calciumalginats aus dem Natriumalginat-Sol läuft
schematisch folgende Reaktionsglichung ab:
2 (Alg)n2n-(aq) + 4 n Na+(aq) + n Ca2+(aq)
Sol
[Ca(Alg)2]n2n-(s)↓ + 4 n Na+(aq)
Gel
Jedes Calcium-Ion wird dabei von 4 Guluronat-Resten koordiniert, wodurch sich
Dimere von Guluronat-Blöcken ergeben. Die Polymannuronat-Sequenzen des
Alginats assoziieren nicht bei Kontakt mit Calcium-Ionen. Sie bilden vielmehr
Maschen des Gelnetzwerkes, in die Wasser eingelagert werden kann.
Ca2+
Ca2+
Ca2+
≡ Guluronat-Rest
Abb.14: Egg-Box-Modell der Ca2+-Bindung durch PolyguluronatSequenzen, verändert nach Grant et al S. 195
29
Die Koordination des Calcium-Ions findet dabei jeweils durch 5 Sauerstoffatome
der Polyguluronat-Sequenz statt:
-OOC
OH 1
α
O
...O
OH
Ca2+
O
OH
O...
O
OH
-OOC
OH
O
Ca2+
O
4
1
α
-OOC
OH
4
1
Die für diesen Versuch verwendeten Alginate kommen aber nicht nur in einer
Küche wie der von Ferran Adrià vor. Vielmehr handelt es sich dabei um einen
häufigen Lebensmittelzusatz, der in die Kategorie der konsistenzverbesserndenund stabilisierenden Stoffe einzuorden ist.
Beim Einsatz in der Lebensmittelindustrie nutzt man im Allgemeinen 3
charakteristische Eigenschaften der Alginate aus:
1. Bildung viscoser Sole: Einsatz als Verdickungsmittel
2. Emulgier- und Suspendiervermögen: Einsatz als Stabilisator
3. Gelbildung mit Calcium-Ionen: Einsatz als Geliermittel
Einige Einsatzbereiche je nach ausgenutzter Eigenschaft sollen in folgender
Tabelle dargestellt werden:
Einsatzbereich
Ausgenutzte Eigenschaft
Puddings, Mousse, Cremefüllungen,
Gelbildung
restrukturierte Lebensmittel
Eis, Milchmixgetränke, Suppen, Soßen,
Verdickung, Stabilisierung von
Mayonnaise
Emulsionen
Schutzüberzüge für Fisch und Fleisch
Filmbildung (hauchdünner Gelüberzug)
Tabelle 1: Einsatzbereich von Alginaten in der Lebensmittelindustrie und deren
ausgenutzte Eigenschaften
30
Die Kennzeichnung der Alginate in Nahrungsmitteln erfolgt durch die ENummern 400 – 404, wobei E 400 die Alginsäure selbst kennzeichnet, während E
401 – 404 die Natrium-, Kalium-, Ammonium- und Calciumsalze anzeigt. Das bei
diesem Versuch gewonnene Calciumalginat würde der E-Nummer E 404
entsprechen.
Bei den Alginaten handelt es sich um unverdauliche Polysaccharide, da sie von
den Enzymen des menschlichen Körpers nicht abgebaut werden können. Dadurch
tragen sie nicht zum Nährwert eines Nahrungsmittels bei und besitzen aufgrund
ihrer relativen Ungiftigkeit unbegrenzte Acceptable-daily-intake (ADI)-Werte.
Nach dieser wohl eher etwas ausgefalleneren Vorspeise wollen wir uns nun dem
Hauptgericht widmen.
4.2 Hauptgericht: Schweinefilet an neuen Kartoffeln
Als Hauptgericht steht „Schweinefilet an neuen Kartoffeln“ auf der Menükarte.
An dieser Stelle soll nun aber zuerst geklärt werden, was Fleisch überhaupt ist,
und welchen Stellenwert es in unserer Nahrung einnimmt.
4.2.1 Fleisch und Fleischzartmacher
1. quantitativer Stellenwert:
Um einen Überblick über den quantitativen Stellenwert zu bekommen, wurde der
Verbrauch an Fleischwaren sowohl in Deutschland, als auch auf der Welt
betrachtet.
Laut Bundesministerium für Gesundheit und Ernährung essen wir pro Jahr und
pro Person ca. 60 – 90 kg Fleisch (gilt für Industrieländer). Im Jahr 2001 wurden
in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt 6.160.000 t Fleisch verzehrt [1].
Das statistische Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland unterscheidet dabei
31
im so genannten Warenkorb zwischen Rind-, Kalbs-, Schweinefleisch und Speck,
Geflügel, Hackfleisch und sonstigem Fleisch.
Für den Haushaltstyp 2 (4 Personen, darunter 2 Kinder), ergeben sich je Haushalt
und Monat in den alten Bundesländern folgende Zahlen [g/Monat]:
Kalb: 26
Rind: 693
Geflügel: 1445
Schwein: 2435
Wurst und Wurstwaren: 4274
Ab 1999 wurde ein neues Konzept für die Einteilung von Nahrungsmitteln
tierischen Ursprungs entworfen und benutzt. Zu den genannten Rubriken kamen
noch Schaf- und Ziegenfleisch, Pferdefleisch und Innereien hinzu.
Daraus ergeben sich dann folgende Zahlen für das Jahr 2001 [kg/Einwohner] in
der BRD [1]:
Fleisch und Fleischerzeugnisse: 88,3
Rind-/Kalbfleisch: 10,3
Schaf- und Ziegenfleisch: 1,1
Pferdefleisch: 0,1
Innereien: 3,0
Geflügelfleisch: 18,5
Sonstiges Fleisch (z.B. Wild): 1,6
An diesen Zahlen erkennt man, dass wir Deutschen relativ viel Fleisch verzehren.
Vergleicht man die Zahlen aber mit anderen Ländern, dann liegen wir mit
unserem Fleischkonsum aber nur im hinteren Mittelfeld. In einem Vergleich
stellen die Niederlande das Land mit der weltweit höchsten relativen Menge an
Gesamtfleischerzeugnissen dar (164.000 t/1 Mio. Einwohner). Gefolgt werden die
Niederlande von einer Gruppe bestehend aus USA, Frankreich, Kanada und
Spanien, für die sich annähernd die gleichen Zahlen ergeben (USA: 140, Spanien:
32
137, Frankreich: 112, Kanada: 107; [1000 t/1 Mio. Einwohner]). Danach erst
kommt Deutschland in einer weiteren Gruppe mit Brasilien und Italien.
Wegen der großen Mengen an verzehrtem Fisch, folgt dann erst Japan und China,
wobei China nur ein Tausendstel der relativen Produktionsmenge im Vergleich zu
Spanien und Kanada aufweist.
Was ist aber nun dieses Fleisch, das scheinbar einen wichtigen Bestandteil unserer
Nahrung darstellt, überhaupt? Um diese Frage zu beantworten, kann man sich
einer Definition für den Begriff „Fleisch“ bedienen.
Mit dem Produktnamen „Fleisch“ wird im allgemeinen Sprachgebrauch das
Skelettmuskelgewebe
mit
eingebettetem
Fett-
und
Bindegewebe
von
warmblütigen Tieren bezeichnet.[1] Zu diesen warmblütigen Tieren werden vor
allem Rind, Kalb, Schwein, Hammel und Lamm gezählt. Die statistischen Daten
zeigen aber, dass man auch Geflügel und Wild zu diesem Begriff zählen sollte.
Muskelgewebe
Fettgewebe
Bindegewebe
Abb.15: Fleisch (hier
Schweinebraten) mit Muskel-,
Fett- und Bindegewebe
2. qualitativer Stellenwert:
Der hohe qualitative Wert des Fleisches für unsere Ernährung kommt durch die
Eigenschaft zustande, dass das Fleisch für den Menschen eine wichtige Quelle für
die Protein-Versorgung darstellt. Außerdem sind im Fleisch wichtige Vitamine
der B-Gruppe (z.B. Vitamin B12 in Leber, B1 in Schweinefleisch) enthalten.
Vitamine sind für den menschlichen Organismus essentielle organische
Nährstoffe, die er nicht selbst herstellen kann und die deshalb mit der Nahrung
aufgenommen werden müssen.
Knochenloses Fleisch besteht im Allgemeinen zu 75% aus Wasser, zu 22 % aus
Proteinen und der Rest aus Fett und Mineralstoffen [1]. Je nach Fleischart variiert
33
der Fettanteil aber enorm. Rindfleisch ist z.B. deutlich fettärmer als
Schweinefleisch.
Im Folgenden möchte ich mich nun mit dem Proteinanteil des Fleisches genauer
beschäftigen.
Was diesen Proteinanteil betrifft, gibt es nämlich einen alten Hausfrauentrick, der
hilft zähes Fleisch zart zu machen: Der Fleischzartmacher.
Dieser Trick wird auch heute noch in Großküchen angewendet, in denen es
häufiger mal vorkommt, dass ein nicht allzu zartes Fleisch verarbeitet werden
muss...
Bei dem Fleischzartmacher handelt es sich um ein handelsübliches Produkt,
welches man im Gewürzregal findet. Er besteht aus einem Enzym, dem Papain,
Kochsalz, Gewürzen, Öl und Siliciumdioxid als Trennmittel.
Das Enzym Papain wird aus der Papaya (Carica papaya) gewonnen. Dort kommt
es nämlich in natürlicher Form vor. Seine zartmachende Wirkung wurde schon
von mexikanischen Indianern durch Einwickeln des Fleisches mit Papayablättern
genutzt.
Abb.16: Papayafrüchte (Carica papaya)
Vom Nutzen der fleischzartmachenden Wirkung berichete schon vor über 400
Jahren der spanische Eroberer Hermando Cortez, nachdem er von einer
Entdeckungsreise nach Mexico zurückkam und dort Eingeborene beim Zubereiten
ihrer Nahrung beobachtet hatte.
Die Papayapflanze synthetisiert das Enzym Papain, bei dem es sich um eine
Protease handelt. Es stellt demnach ein Enzym dar, welches in der Lage ist,
Proteine enzymatisch aufzuspalten. Bei dem Fleisch wird durch dieses Enzym
hauptsächlich das Kollagen aus Sehnen und Fasern abgebaut, wodurch die
Zartheit des Fleisches gesteigert werden kann. Beim Kollagen handelt es sich um
ein Bindegewebsprotein, das aus einer Kollagen-Tripelhelix aufgebaut wird,
welche durch Lysin-Quervernetzungen zusammengehalten wird. Es besitzt eine
34
charakteristische Aminosäurenzusammensetzung, da neben Glycin und Prolin
auch das seltene Hydroxyprolin vorkommt. Durch Einwirken des Papains auf
Fleisch werden die stabilisierenden Lysin-Quervernetzungen aufgebrochen und
das Kollagen somit teilweise denaturiert. Dieses teilweise denaturierte Kollagen
wird als Gelatine bezeichnet. Diese Gelatine kann man auch beim Braten von
Fleisch wiederfinden, da der austretende Fleischsaft einen hohen Anteil an
denaturiertem Kollagen enthält, was dazu führt, dass beim Erkalten des
Fleischsaftes dieser durch die Gelatine aushärtet. Das teilweise denaturierte
Kollagen, sprich die Gelatine, kann durch Enzymwirkung noch weiter denaturiert
werden, so dass man die einzelnen Aminosäurebausteine erhält.
Die proteolytische Wirkung des Enzyms Papain möchte ich nun in einer
Demonstration zeigen. In dieser Demonstration wird anstelle des Kollagens
Gelatine eingesetzt, da man diese im normalen Supermarkt erhalten kann und
dadurch auch für Schulen leichter zugänglich und billiger ist.
Demo 2: Enzymwirkung von Papain
Materialien: 3 Demo-Reagenzgläser, 1 Demo-Reagenzglasständer, Papaya,
Zitrone, Fleischzartmacher
Chemikalien: Gelatine
Durchführung: Man stellt sich eine Gelatine-Lösung her, indem man auf 200 mL
Wasser 4 g handelsübliches Gelatinepulver einwiegt. Diese Lösung wird bis zum
Sieden erhitzt, um sie dann auf < 40°C abkühlen zu lassen, da ansonsten das
Enzym Papain denaturiert. Die hergestellte Gelatinelösung wird auf 3 DemoReagenzgläser aufgeteilt. In das erste fügt man daraufhin 3 Spatelspitzen
Fleischzartmacher hinzu, während man das zweite Demo-Reagenzglas mit der
kleingeschnittenen und gemörserten Schale einer unreifen Papaya bestückt. Die
Papaya muss unbedingt unreif (sehr fest, Farbe sagt nichts über Reifungszustand
aus) sein, da ansonsten das Enzym Papain schon abgebaut wurde. Alternativ kann
man gemixte Papayablätter verwenden. Da diese aber nur sehr schwer erhältlich
sind (eventuell Botanischer Garten), kann auf die Frucht zurückgegriffen werden.
35
In ein drittes Reagenzglas gibt man zu der Gelatinelösung kleingeschnittene
Zitronenstückchen als Blindprobe. Diese Blindprobe soll zeigen, dass die
Eigenschaft der Papaya nicht an der Fruchtsäure etc. liegt, sondern wirklich auf
das enthaltene Enzym zurückzuführen ist.
Man sollte die Demo-Reagenzgläser mit ihrem Inhalt schon vor dem Vortrag
vorbereiten, da es im Eisbad ca.15 Minuten dauert, bis die Gelatine aushärtet.
Ergebnis: Die Gelatine in dem Reagenzglas, das die Zitronenstückchen enthält,
ist fest geworden, während die Gelatine in den beiden anderen Reagenzgläsern
mit der Papaya und dem Fleischzartmacher flüssig geblieben ist.
Erklärung: Bei der verwendeten Gelatine handelt es sich, wie bereits erwähnt,
um teilweise denaturiertes Kollagen, also um kleinere Protein-Stückchen. Das
Aushärten der Gelatine kommt dadurch zustande, dass in dieses Proteinnetzwerk
Wasser eingelagert werden kann. Gelatine stellt somit ein Hydrokolloid dar,
welches ein festes Gel bilden kann. Wird nun die Gelatine durch die Protease
Papain aus der Papaya oder aus dem Fleischzartmacher hydrolytisch gespalten, so
kann der Geliervorgang nicht mehr von statten gehen.
Wird das Kollagen des Fleisches von dem Enzym Papain partiell denaturiert, so
werden auch kleinere Mengen an Aminosäuren freigesetzt. Diese freigesetzten
Aminosäuren möchte ich nun in einem Versuch mit Ninhydrin-Reagenz
nachweisen.
Versuch 5: Aminosäure-Nachweis mit Ninhydrin
Materialien:
2
Schweinegulasch,
Bechergläser
3
(150
mL,
Demoreagenzgläser,
hohe
Form),
Wasserbad,
2
Stückchen
Heizplatte,
Pipette,
Pipettenhütchen
Chemikalien: Ninhydrin in Ethanol (w = 0,01), Glycin
36
Durchführung: Man legt je ein kleines Stückchen Schweinefleisch (z.B.
Schinkengulasch) in ein Becherglas. In das eine Becherglas fügt man eine
gesättigte Fleischzartmacherlösung hinzu, während in das andere Becherglas nur
entionisiertes Wasser hinzukommt. Die Fleischstückchen lässt man nun
mindestens 1 Stunde in den Lösungen liegen. In der Zwischenzeit stellt man sich
eine 1%ige (w = 0,01) ethanolische Ninhydrinlösung her. Nach der Einwirkzeit
gießt man jeweils etwas von der Lösung, die das eingelegte Fleisch umgibt, in ein
Demo-Reagenzglas. Zu diesen Lösungen gibt man jeweils eine Pasteur-Pipette
Ninhydrin-Reagenz und erhitzt im Wasserbad. Als Blindprobe versetzt man auch
eine Glycinlösung (1 Spatelspitze Glycin auf 100 mL entionisiertes Wasser) als
stellvertretende Aminosäure mit einer Pipettenfüllung Ninhydrin-Reagenz und
stellt auch dieses Reagenzglas in das Wasserbad.
Ergebnis: Die Lösung in dem Reagenzglas, das das Glycin enthält, zeigt schon
nach kurzer Zeit eine bläulich-violette Farbe. Die Lösung in dem Reagenzglas,
das die Fleisch-/Fleischzartmacherlösung enthält, schlägt nach ca. 2 Minuten von
annähernd farblos nach blau-violett um. In dem Reagenzglas, das nur das
entionisierte Wasser aus der Fleischeinlage enthält, zeigt sich auch nach längerer
Zeit keine Farbänderung.
Erklärung: Bei dem Ninhydrin-Reagenz handelt es sich um ein Reagenz, das die
Anwesenheit von primären Aminosäuren durch Bildung einer blau-violetten
Verbindung anzeigt.
Bruttoreaktion:
O
O
-
-
O
R
O
O
+
+ H3N
-
N
O
O
H2O
O
O
H2O
Ninhydrin (Indan-1,2,3-trion) + primäre Aminosäure →
Ruhemanns Purpur
Farbstoff-Anion
37
Durch die Zugabe des Fleischzartmachers, wurden aus dem Fleisch Aminosäuren
freigesetzt, die in der umgebenden Lösung durch das Ninhydrin detektiert werden
konnten. Das Glycin stellt dabei als primäre Aminosäure eine Vegleichsprobe dar.
Die wässrige Lösung der Fleischeinlage zeigt keinerlei Reaktion mit dem
Ninhydrin-Reagenz, da keine freien Aminosäuren enthalten sind. Dies zeigt, dass
es wirklich an dem Fleischzartmacher liegen muss, dass aus dem Fleisch
Aminosäuren freigesetzt werden. Ansonsten könnte man ja denken, dass das
Einlegen des Fleisches in Wasser auch Aminosäuren freisetzt. Die blau-violette
Verbindung, die das Ninhydrin mit den primären Aminosäuren bildet, wird als
Ruhemanns
Purpur
bezeichnet.
Bei
dieser
Reaktion
läuft
folgender
Reaktionsmechanismus ab:
Das Ninhydrin (Indan-1,2,3-trion) liegt in wässriger Lösung im Gleichgewicht mit
seinem Hydrat.
O
O
OH
H2O
O
-H 2O
OH
O
O
Ninhydrin (Indan-1,2,3-trion)
Hydrat
Durch primäre Aminosäuren wird das Ninhydrin nun durch das freie
Elektronenpaar der primären Aminogruppe an der mittleren Carbonylfunktion
nucleophil angegriffen. Der Angriff genau in dieser Position kann dadurch
begründet werden, dass sich die benzolringbenachbarten Carbonylfunktionen in
den den aromatischen Zustand einfügen und somit dort kein Angriff stattfindet.
Diese Annahme wird auch durch die Hydratbildung bestätigt, da diese auch nur an
der mittleren Carbonylfunktion eintritt.
38
O
O
COOH
O
+
O
H2N
-
R
HO
O
+
NH
H
R
H
O
H
O
Das Ninhydrin und die primäre Aminosäure als N-Nucleophil reagieren zu einem
Halbaminol, welches unter Dehydratisierung und einer DecarboxylierungsReaktion zerfällt.
O
O
O
H
OH
O
O
O
-
-
C
O
-CO 2
-H 2O
N
+
N
R
H
H
O
+
NH
R
H
H
O
O
O
O
H
-
C
H
+ H2O
R
R
-
+
C
NH
N
- OHO
O
2 Enolat-Grenzformeln
Die dadurch gebildete Schiffsche Base steht in Keto-Enol-Tautomerie mit dem
Enol, welches unter nucleopholer Addition von Wasser in das Aminoketon und
ein Aldehyd zerfällt.
O
H
O
R
N
H
H2O
NH2
n. A.
+
R
O
OH
OH
Aminoketon
H
Aldehyd
39
R
Wenn man sich die Reaktion genauer betrachtet, kann man feststellen, dass von
der Aminosäure nur das Stickstoffatom auf das Ninhydrin übertragen wurde.
Im nächsten Schritt reagiert das gebildete Aminoketon erneut mit einem
Ninhydrinmolekül, wodurch ein Diketimin-Anion entsteht, welches eine blauviolette Farbe aufweist.
O
O
O
N
O
O
N
-
O
O
-O
Ruhemanns Purpur
Chromophor: (Kreuzkonjugation), λmax = 570 nm
Dieses Chromophor bezeichnet man nach seinem Entdecker als Ruhemanns
Purpur. Die Farbe kommt dadurch zustande, dass das Anion ein stark
delokalisiertes
π-Elektronensystem
darstellt,
welches
zusätzlich
eine
Kreuzkonjugation besitzt, wodurch die Absorption im Bereich von λmax = 570 nm
liegt.
Nach der Betrachtung des Hauptdarstellers der Hauptspeise, sprich dem
Schweinefilet, kommen wir nun zu der des Deutschen liebsten Beilage: den
Kartoffeln.
4.2.2 Food-Design: Der etwas andere Stärkenachweis
Die Menükarte zeigt an dieser Stelle den Zusatz „neue“ Kartoffeln. Dieses
Adjektiv kann sich entweder auf den Erntezustand dieser Kartoffeln beziehen,
oder aber die Eigenschaft bezeichnen, dass diese Kartoffeln nie zuvor in einer
solchen Art und Weise zubereitet wurden. In diesem Fall trifft letzteres zu. Die
Kartoffeln wurden nämlich in einem Versuch elektrolytisch „verschönert“.
40
Versuch 6: Die Kartoffelschrift, ein elektrolytischer Stärkenachweis
Materialien: große Kartoffel, Gleichspannungstrafo, 2 Kabel, 2 Messspitzen eines
Messgeräts, Pipette, Pipettenhütchen, Krepppapier
Chemikalien: Kaliumiodid (KI(s))
Durchführung: Man halbiert eine große Kartoffel längs und reibt die
Schnittflächen sorgfältig mit Kaliumiodid ein, bis sich dieses aufgelöst hat.
Daraufhin drückt man die Messspitzen, die an einen Gleichspannungstrafo
angeschlossen sind (ca. 10 V) auf die präparierte Kartoffelfläche, ohne dass sich
die Enden gegenseitig berühren. Durch Schreiben mit den Messspitzen kann man
so ein Wort auf die Kartoffel schreiben.
Ergebnis: Sofort bildet sich am Pluspol eine blau-schwarze Färbung der
Kartoffel. Durch das Schreiben mit den Messspitzen, ist das Wort „Stärke“ gut
lesbar auf der Kartoffel-Schnittfläche wiederzufinden.
Erklärung: Bei diesem Versuch handelt es sich um einen elektrolytischen
Stärkenachweis,
da
auf
der
Kartoffeloberfläche
durch
Anlegen
einer
Gleichspannung in situ aus dem aufgetragenen Iodid des Kaliumiodids durch
anodische Oxidation gemäß folgender Reaktionsgleichung Iod erzeugt wird,
welches mit dem Iodid zu Polyiodidionen reagiert. Die gebildeten Polyiodidionen
ergeben mit der in der Kartoffel enthaltene Stärke die typische dunkelblaue
Färbung aufgrund einer Einschlussverbindung (siehe Versuch 1).
Anode: Oxidation
2
-1
I-(s/aq)
I2(aq) + I-(aq)
0
I2(aq) + 2 eI3-(aq)
41
An der Kathode wird im Gegenzug durch Reduktion des Wasserstoffatoms aus
dem Wasser elementarer Wasserstoff als Diwasserstoffgas frei.
Kathode: Reduktion
+1
2 H2O + 2 e-
0
H2(g)↑ + 2 OH-(aq)
Kommen wir nun zum dritten Gang des Menüs: der Nachspeise.
4.3 Nachspeise: Obstsalat
Als Nachtisch gibt es in diesem „Menü durch die Organische Chemie“ einen
Obstsalat. In diesen Obstsalat gehören Zutaten wie Bananen, Äpfel, Weintrauben,
Papaya, Melone, Litschis und Ananas.
4.3.1 Das natürliche Übel
Eine wichtige Reaktion, die es beim Zubereiten eines Obstsalats zu verhindern
gilt, ist die enzymatische Bräunung, da diese den Genusswert eines
Nahrungsmittels durch eine unappetitliche braune Farbe herabsetzt. Die Reaktion
tritt immer dann ein, wenn die Schnittflächen von einigen Obst- und Gemüsearten
der Luft ausgesetzt sind. Zu den Obstsorten, die einer solchen enzymatischen
Bräunung unterliegen und diese schnell sichtbar wird, zählen vor allem Bananen
und Äpfel. Dieses Phänomen kennt man z.B. von einem angebissenen Apfel, der
nach kurzer Zeit an der Bissstelle braun wird. Als Gemüse ist an dieser Stelle vor
allem die Artischocke zu nennen, da sich diese spontan nach dem Schneiden
braun färbt. Aber auch Karotten gehören zu den Arten, die sich relativ schnell
verfärben.
42
4.3.2. „Omas Tricks und Tipps“
Es ist weitläufig bekannt, dass man diese unerwünschte Reaktion mit Zitronensaft
verhindern kann. Die wichtigste Komponente dieses Zitronensaftes ist dabei aber
nicht die Zitronensäure, sondern die enthaltene Ascorbinsäure, sprich das Vitamin
C. Dies kann man zeigen, wenn man einen angeschnittenen Apfel einmal mit
Zitronensaft und im Vergleich dazu mit Zitronenkonzentrat aus der Plastikzitrone
beträufelt. Bei dem Zitronenkonzentrat handelt es sich um reine Zitronensäure, die
industriell nicht aus Zitronen, sondern aus dem Ausscheidungsprodukt des
Aspergillus nidulans, einem Schimmelpilz, gewonnen wird. Diese Zitronensäure
enthält keinerlei Vitamin C und schafft es auch nicht, die enzymatische Bräunung
zu verhindern. Im Vergleich dazu verhindert aufgeträufelte handelsübliche
Ascorbinsäure diesen Prozess sehr wohl.
Dieses Phänomen möchte ich nun in einer Demonstration zeigen.
Demo 3: Enzymatische Bräunung
Materialien: 3 Äpfel, 1 Zitrone, 4 Petrischalen (d = 5 cm), 1 Kristallisierschale
oder Petrischale (d = 20 cm), 1 Küchenreibe
Chemikalien: Ascorbinsäure (Vitamin C-Pulver), Zitronensäure aus der
Plastikzitrone („unechtes Zitronenkonzentrat“)
Durchführung: Man reibt mit der Küchenreibe 3 Äpfel zu dünnen Raspeln und
verteilt die Apfelraspeln gleichmäßig auf vier Petrischalen. Die Raspeln der einen
Petrischale beträufelt man sofort mit Zitronensaft, die in der zweiten Petrischale
mit Vitamin C-Pulver, die der dritten Petrischale mit der Zitronensäure und die in
der vierten Petrischale bleiben unbehandelt. Dies bereitet man am besten schon
vor dem Vortrag vor und gibt das Ergebnis in einer Kristallisierschale oder großen
Petrischale dem Publikum zur Betrachtung herum.
43
Ergebnis: Die unbehandelten Apfelraspeln zeigen eine deutliche braune
Verfärbung und auch die Apfelraspeln, die mit der reinen Zitronensäure beträufelt
wurden, sind bräunlich. Im Vergleich dazu weisen sowohl die Apfelraspeln, die
mit Zitronensaft beträufelt wurden, als auch die Apfelraspeln, die mit dem
Vitamin C-Pulver versehen wurden, keinerlei Verfärbungen auf.
Erklärung: Der Prozess der enzymatischen Bräunung wird von Enzymen
verursacht, die als Polyphenoloxidasen bezeichnet werden. Wie der Name dieser
Enzyme verrät, oxidieren sie die Polyphenolvorkommen der Äpfel und auch
andere Früchte. Dabei entstehen bräunliche Verbindungen, bei denen es sich um
Melanine handelt. Die Polyphenoloxidasen sind bei Pflanzen weit verbreitet,
kommen aber auch bei Tieren vor. Ein Beispiel für das zoologische Vorkommen
ist die Pigmentierung von Haut und Haaren. Die Polyphenoloxidasen kommen bei
Pflanzen gesondert in den Chloroplasten der Zellen vor und reagieren erst dann
mit den Polyphenolen, wenn die Chloroplasten durch Schneiden oder Raspeln des
Obstes oder Gemüses zerstört werden. Bei den Chloroplasten handelt es sich um
die Plastiden pflanzlicher Zellen, in denen die Photosynthese abläuft.
Die Polyphenoloxidasen sind sowohl abhängig von einer aeroben Umgebung, d.h.
sie benötigen Sauerstoff für die Reaktion, als auch von Polyphenolvorkommen.
Den Obst- und Gemüsearten, die keiner schnellen enzymatischen Bräunung
unterliegen, fehlen diese Polyphenolvorkommen. Der Apfel (Malus domestica)
z.B. weist eine schnelle enzymatische Bräunung auf, da er zwischen 0,1 – 1% an
Polyphenolen enthält. Dazu gehören z.B. das Dopa (Dihydroxophenylalanin) und
das Quercetin.
OH
Quercetin
Dopa
OH
OH
O
OH
HO
COOH
OH
O
OH
NH2
Abb.17: Polyphenolvorkommen im Apfel
Anhand des Dopas soll nun genauer erläutert werden, welche Prozesse bei der
enzymatischen Bräunung ablaufen.
44
Ausgegangen wird dabei von der Aminosäure L-Tyrosin, welche von dem Enzym
Phenolhydroxylase mit Sauerstoff zu dem Dihydroxyphenylalanin, dem Dopa,
reagiert. Die Aminosäure L-Tyrosin ist in diesem ersten Schritt demnach
hydroxyliert worden.
In einem zweiten Schritt wird das Dopa von dem Enzym Phenoloxidase unter
Wasserabspaltung zum Dopachinon oxidiert. Schematisch:
OH
OH
O
OH
1/2 O2
O
1/2 O2
+ H2O
Phenoloxidase
Phenolhydroxylase
COOH
COOH
NH2
COOH
NH2
Tyrosin
NH2
Dopachinon
Dopachinon
Dopa
Das gebildete Dopachinon reagiert unter Ringschluss weiter zum Indol, dem
Leukodopachrom, welches zum Dopachrom oxidiert wird.
Aus diesem Dopachrom gehen dann Indolchinone hervor, aus denen durch
mehrere Polymerisationsschritte braune Melanine gebildet werden.
O
COOH
HO
O
COOH
COOH
H N H
HO
O
O
N
H
Dopachrom
Leukodopachrom
Dopachinon
O
N
H
O
COOH
O
Melanine
N
H
O
Indolchinone
N
H
Polymerisation
Die braunen Melanine sind für die Verfärbung bei der enzymatischen Bräunung
zuständig.
45
H
N
O
O
O
O
H
N
N
H
O
O
Abb. 18: Ausschnitt aus einem
Melanin-Molekül
(Polymerisierte Indole)
Melanin: gr. „melas“= schwarz,
düster
Wie verhindert nun aber der Zitronensaft bzw. das darin enthaltene Vitamin C die
enzymatische Bräunung?
Die Erklärung dafür besteht darin, dass die Ascorbinsäure (Vitamin C) aus dem
Zitronensaft die durch die Enzymen eingeleiteten Oxidationsreaktionen
rückgängig machen kann, in dem sie diese gebildeten Verbindungen reduziert,
bevor diese zu den braunen Melanin-Pigmenten polymerisieren können.
Außerdem senken die Zitronensäure und die Ascorbinsäure den pH-Wert,
wodurch die Aktivität der Enzyme eingeschränkt wird. Die Reduktionswirkung
der Ascorbinsäure möchte ich nun in einem Versuch demonstrieren.
Versuch 7: Reduktionswirkung von Ascorbinsäure
Materialien: Overhead-Projektor, Petrischale (d = 15 cm), 3 Messkolben (25
mL), Pipette, Pipettenhütchen
Chemikalien:
Eisen(III)chlorid
(FeCl3(s)),
Kaliumhexacyanoferrat(III)
(K3[Fe(CN)6](s)), Ascorbinsäure (Vitamin C-Pulver)
46
Durchführung: Man stellt sich eine sehr schwach konzentrierte wässrige
Eisen(III)chlorid-Lösung her, so dass man gerade noch die gelbliche Farbe
erkennen kann, und füllt diese in einen Messkolben (25 mL). Außerdem benötigt
man eine Kaliumhexacyanoferrat(III)-Lösung, welche man sich durch Lösen einer
½ Spatelspitze des Feststoffs in 10 mL entionisiertem Wasser herstellt. Auch
diese Lösung wird in einen Messzylinder (25 mL) gefüllt. Als letztes löst man
eine Spatelspitze Ascorbinsäure in 10 mL entionisiertem Wasser und gibt auch
diese in einen Messkolben (25 mL). Während des Versuchs stellt man dann eine
Petrischale auf einen Overhead-Projektor, schaltet diesen ein und gießt vorsichtig
die Eisen(III)chlorid-Lösung in die Petrischale. Dabei muss man die gelbe Farbe
der Lösung gut erkennen können. Nun gießt man zu dieser Lösung die
Kaliumhexacyanoferrat(III)-Lösung und betrachtet das Ergebnis. Konnte jeder
erkennen, dass sich die Farbe der Eisen(III)chlorid-Lösung nur durch die gelbe
Eigenfarbe der Kaliumhexacyanoferrat(III)-Lösung verstärkt hat, gibt man von
der vorbereiteten Ascorbinsäurelösung einen Spritzer aus der Pipette hinzu.
Ergebnis: An den Stellen, an denen die Ascorbinsäure hinzugetropft wurde,
entsteht eine Blaufärbung. Gibt man noch etwas mehr Ascorbinsäurelösung hinzu,
schlägt der gesamte Inhalt der Petrischale nach blau um.
Erklärung: Die Eisen-Ionen der Oxidationsstufe +3 der Eisen(III)chlorid-Lösung
reagiert mit der Kaliumhexacyanoferrat-Lösung nur unter Bildung eines gelblichbraunen Komplexes, dessen Farbe aber von den Eigenfarben der beiden Lösungen
überdeckt wird. Durch das Zutropfen der Ascorbinsäurelösung wird das Eisen der
Oxidationsstufe + 3 reduziert, sodass Eisen-Ionen der Oxidationsstufe +2
vorliegen.
Reduktion:
+3
2 Fe
3+
+2
(aq)
+2e
-
2 Fe2+(aq)
Im Gegenzug wird dabei die Ascorbinsäure als vinyloge Säure zur
Dehydroascorbinsäure oxidiert:
47
Oxidation:
OH
+1
OH
O
HO
+1
OH
O
- 2 H+(aq) - 2 e-
+ 2 H+ + 2 eOH
O
O
O
Ascorbinsäure (Vitamin C)
Die
+2
+2
O
HO
Ascorbinsäure
ist
Dehydroascorbinsäure
aufgrund
ihrer
Endiol-Struktur
ein
kräftiges
Reduktionsmittel. Im Zusammenhang mit der Lebensmittelindustrie wird die
Ascorbinsäure als Zusatzstoff, speziell als Antioxidationsmittel, eingesetzt.
Die durch Reduktion gebildeten Eisen-Ionen der Oxidationsstufe +2 gehen nun
mit der Kaliumhexacyanoferrat(III)-Lösung einen intensiv blauen Komplex ein,
der als Turnbulls Blau bezeichnet wird.
Bildung von Turnbulls Blau:
+3
+2
+2 +3
K3[Fe(CN)6](aq) + Fe2+(aq)
rotes Blutlaugensalz
K[FeFe(CN)6](aq)
Turnbulls Blau
Durch diesen Farbumschlag konnte gezeigt werden, dass die Ascorbinsäure in der
Lage ist, das Eisen der Oxidationsstufe +3 zu reduzieren. Dieser Versuch soll als
Modellversuch
dienen
und
die
Reduktionswirkung
der
Ascorbinsäure
demonstrieren, so dass man sich die Reduktion der oxidierten Polyphenole beim
Verhindern der enzymatischen Bräunung vorstellen kann.
Die enzymatische Bräunung kann außerdem durch Inaktivierung der Enzyme wie
z.B. durch Wärmebehandlung beim Blanchieren oder pH-Wert-Senkung und
durch Ausschluss von Sauerstoff verzögert bzw. verhindert werden.
48
4.3.3. Guten Appetit!!!
Nachdem nun die Versuche des Menüs alle durchgeführt wurden, wird nun im
Anschluss der echte Obstsalat innerhalb einer 4. Demonstration serviert. Dazu
wünsche ich guten Appetit!
5. Schulrelevanz:
5.1 Das Thema im Hessischen Lehrplan:
Laut Lehrplan Chemie des Hessischen Kultusministeriums für den Gymnasialen
Bildungsgang [4] kann das Thema „Nahrungsmittel“ als Wahlthema sowohl im
Grundkurs, als auch im Leistungskurs unter dem Aspekt „Angewandte Chemie“
in der Jahrgangsstufe 13.2 (G 9 Lehrplan) behandelt werden. Im Grundkurs stehen
für dieses Thema 24 Schulstunden zur Verfügung, während im Leistungskurs 43
Schulstunden dafür vorgesehen sind. Als Begründung für das Walthema
„Angewandte Chemie“ steht dort geschrieben, dass „Der Themenbereich [...] zur
Vertiefung und Ergänzung der bisherigen Themen gedacht (ist).“ [4, S. 46] Diese
Vertiefung und Ergänzung würde sich im Fall der Nahrungsmittel auf die
Jahrgangsstufe 12.2 beziehen, in der als verbindlicher Unterrichtsinhalt die
Naturstoffe nach Auswahl von Schwerpunkten behandelt werden sollten. Hierfür
stehen die Unterthemen der Fette, Kohlenhydrate und Aminosäuren, Peptide und
Polypeptide zur Verfügung. Für den Unterrichtsinhalt der Naturstoffe sind dabei
im Leistungskurs 63- und im Grundkurs 36 Schulstunden vorgesehen.
Während man unter dem Aspekt der Naturstoffe und dem konkreten Beispiel der
Fette auf Bau, Eigenschaften, Reaktionen, Gewinnung und Verarbeitung, sowie
Fetthärtung, Untersuchung von Speisefett und Bedeutung für die Ernährung
eingehen soll, bietet das Thema der Nahrungsmittel z.B. weiterführende
Behandlungsmöglichkeiten zum Unterthema der Fette. Diese wären z.B. Abbau
im Organismus, Inhaltsstoffe und Zusatzstoffe.
Als weitere Möglichkeiten zur Vertiefung der in Klasse 12.2 gelernten
allgemeinen Grundlagen sind als Beispiele an dieser Stelle auch das Bierbrauen,
49
die Joghurtherstellung, Milchverarbeitung, Fettgewinnung und gentechnisch
erzeugte Lebensmittel genannt.
5.2 Bedeutung von Essen und Trinken: Eine Rechtfertigung für die
Behandlung im Chemieunterricht
Wie bereits durch das Überlebensschema (Abb.2) kurz skizziert, ist das Essen und
Trinken für den Menschen lebensnotwendig. Dies implizieret, dass sich jeder
Schüler tagtäglich mit diesem Thema auseinandersetzen muss, wodurch
Nahrungsmittel gute Ansätze für eine alltagsrelevante Behandlung im
Chemieunterricht liefern. Obwohl man auf den ersten Blick die Behandlung des
Themas der Nahrungsmittel wohl eher in den Biologieunterricht unter dem
Themengebiet „Stoffwechsel und Verdauung“ einordnen würde, bestehen die
Nahrungsmittel aus nichts anderem als Chemie. Dies entspricht zwar nicht dem
Alltagsgebrauch des Wortes „Chemie“ vieler Menschen, die Chemie, wenn
überhaupt, mit Nahrungsmitteln nur unter dem Aspekt der Tütensuppen und
anderen Fertiggerichten, sowie gespritztem Obst assoziieren. Wenn man
behauptet, dass Nahrungsmittel aus nichts anderem als Chemie bestehen, dann
bezieht man sich darauf, dass die Inhaltsstoffe wie z.B. Kohlenhydrate, Proteine,
Fette und auch das Wasser chemische Verbindungen sind, deren Umwandlungen
beim Kochen und beim Verdauen im menschlichen Organismus als biochemische
Reaktionen betrachtet werden müssen.
Es
ist
gut
vorstellbar,
eine
Unterrichtseinheit
über
das
Thema
der
Nahrungsmittelgrundnährstoffe, sprich Kohlenhydrate, Fette und Proteine als
Wiederholung der in Klasse 12.2 als verbindlicher Unterrichtsinhalt behandelten
Naturstoffe durchzuführen. Dabei könnte man auf bereits vorhandenes WISSEN
der Schüler zurückgreifen und das angehäufte Wissen durch Kombination mit
alltagsrelevanten Fragestellungen aus dem Bereich der Lebensmittelchemie und
Ernährung in KÖNNEN umwandeln. Dies würde dem pädagogischen Ansatz der
Lerntransfers entsprechen (Hauptseminar Rainer Lersch, 2006: „Was ist guter
Unterricht?“[3]). Dabei geht man von der Annahme aus, dass Schüler die
Kompetenz, die sie erlernen sollen, erst dann erwerben, wenn sie z.B. durch
Frontalunterricht angehäuftes Basiswissen selbst anwenden- und somit Ihr
Können unter Beweis stellen mussten. Um die Unterrichtseinheit der
Nahrungsmittel von den Naturstoffen abzugrenzen und mehr daraus zu machen
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als eine Wiederholung, könnte man mit den Schülern zusammen Aspekte suchen,
die sie im Bereich der Nahrungsmittel interessieren. Ein guter Ansatz hierfür wäre
Werbeannoncen aus Zeitschriften oder Fernsehwerbung aufzugreifen und die
darin angepriesenen Eigenschaften der Nahrungsmittel kritisch zu untersuchen.
Dabei liefern vor allem pseudowissenschaftliche Aussagen wie „Linksdrehende
Joghurtkulturen“ oder „absolut fettfreie Chips“ interessante Aspekte. Vielleicht
kann man dadurch Schülern ein kritischeres Auseinandersetzen mit angeblich
gesundheitsförderlichen Nahrungsmitteln mit auf den Weg geben. Ausgebaut
werden kann das Thema dann je nach Interesse z.B. in Richtung „Novel Food“,
„Healthy Food“ oder aber auch fächerübergreifend mit dem Fach Biologie in
Richtung
der
chemischen
Betrachtung
von
verdauungsbeteiligten
Stoffwechselprozessen. Darüber hinaus wären auch technische Prozesse wie z.B.
die Fettgewinnung, Zuckerraffination oder die Produktion verschiedener
Brotsorten denkbare Themen. Ich hoffe, dass dieser kurze Einblick reicht, um die
Vielfältigkeit dieses Unterrichtsthemas zu verdeutlichen.
6. Literaturverzeichnis:
[1] Schwedt, Georg: Taschenatlas der Lebensmittelchemie, WileyVCH, 2. Auflage, Weinheim 2005
[2] Schmidkunz, Heinz; Schlagheck, Karin: Unterricht Chemie, Band
11: Lebensmittel-Nährstoffe, Aulis Verlag Deubner & Co KG, Köln
2001
[3] Lersch, Rainer: Unterricht zwischen Standardisierung und
individueller Förderung. In: Die deutsche Schule, Heft 1/2006, 28 –
40
[4] Lehrplan Chemie, Gymnasialer Bildungsgang, Gahrgangsstufen 8
– 13, Hessisches Kultusministerium
[5] Schmidt; Thews: Physiologie des Menschen, Springer-Verlag
1990
[6] Schlieper, Cornelia A.: Grundfragen der Ernährung, Dr. Felix
Büchner, Handwerk und Technik Verlag, Hamburg 1998
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1
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[7] Proteindatenbank PDB, EC 3.2.1.1
[8] Lehrerfortbildung Farbstoffe (LFB) S. 4-5
[9] Marburger/Gerstner: Alginate und Carageenane (LFB I + II) S. 12
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