9. Exkurs: Pragmatismus und Eugenik kein Thema für Dewey?

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Hein Retter
Soziale Amnesie und Ethnozentrismus im amerikanischen Progressivismus 
John Dewey, die Demokratie und die Rassenfrage
VORBERICHT
1.
Einleitung ........................................................................................................................................................................................ 2
2.
Demokratie als Glaube an die gerechte Gesellschaft ....................................................................................................... 5
3.
Dewey und die Rassenfrage auf der National Negro Conference 1909 ..................................................................... 8
4.
Zivilreligion, Kirchengemeinde und afroamerikanische Freiheit ............................................................................11
5.
Erziehungskonzepte für die schwarze Minorität Amerikas .......................................................................................15
6.
Die Geschichte Amerikas im Curriculum der Dewey School .......................................................................................18
7.
„Schulen der Zukunft“ im Kontext lokaler Segregationspolitik................................................................................23
8.
Erwachen schwarzen Selbstbewusstseins ........................................................................................................................26
9.
Exkurs: Pragmatismus und Eugenik  kein Thema für Dewey? ...............................................................................29
10.
Progressivismus und Rassenfrage in der Zeit der großen Depression ...............................................................36
11.
Die Herausforderungen der Kriegszeit ...........................................................................................................................41
12.
Die afroamerikanische Sicht auf Dewey  eine Bilanz ...............................................................................................43
ANMERKUNGEN ............................................................................................................................ 49
Skript, 55 Seiten
Anfang April 2014
2
Hein Retter
Soziale Amnesie und Ethnozentrismus im amerikanischen Progressivismus 
John Dewey, die Demokratie und die Rassenfrage
Democracy and the one, the ultimate, ethical ideal of
humanity are to my mind synonyms. (John Dewey)
Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der
Glaube (Goethe, Faust)
1.
Einleitung
Frank Margonis, Philosophieprofessor an der Universität von Utah, eröffnete eine neue Diskussion
über den amerikanischen Philosophen John Dewey (1859-1952), als er in seiner Abhandlung von 2003i
die These vertrat und sie 2007ii sowie 2009iii bekräftigte, Dewey habe seine Sozialtheorie ohne
Berührung (out of touch) mit dem in den USA vorherrschenden Rassismus angesiedelt. Deweys
Streben nach sozialer Integration habe außerhalb der sozialen Realität der Diskriminierung der
Afroamerikaneriv gestanden. Indem er ständig die Zukunft beschwor, habe Dewey vergangenes und
gegenwärtiges Unrecht an den unterprivilegierten Gruppen Amerikas verdrängen können. Dem Kritiker
Margonis wurde von Dewey-Anhängern sogleich heftig widersprochen.v Der Engpass dieser
Diskussion über Dewey bestand darin, dass sie nicht historisch, sondern moralisch geführt wurde: im
Modus von Schuldzuweisung hier und Schuldentlastung dort. Jedenfalls kamen die Aspekte, die
Margonis beleuchtete, bislang in der Dewey-Rezeption so nicht zur Sprache. Insofern war die
Auseinandersetzung durchaus fruchtbar. Die Diskussion um soziale Amnesie und Ignorierung der
Rassenfrage im amerikanischen Progressivismus weißer Philosophen geht heute über Dewey hinaus.
Dewey ist darin nur ein Beispiel, wenn auch ein zentrales. Insofern ist auch die vorliegende
Abhandlung offen für Kritik und nur ein Durchgangspunkt für die weitere Diskussion.
Mein Beitrag nimmt einzelne Punkte der von Margonisvi und weiteren Kritikern Deweys geäußerten
Bedenken aufvii, um den Blick auf den Zusammenhang zwischen Deweys Philosophie und
gesellschaftlichen Fragen seiner Zeit zu lenken. Dabei kommen Aspekte zur Sprache, die in der
bisherigen Dewey-Diskussion nicht entfaltet wurden. Bedacht werden sollen im Folgenden: Erstens
Deweys Verzicht auf eine deskriptive politische Theorie von Erziehung zugunsten eines
sozialethischen Demokratie-Ideals, zweitens Interpretationsprobleme, die sich aus fehlenden oder nur
verhaltenen Reaktionen Deweys zur Rassenfrage ergeben, drittens das sich im Kontext der
Zeitereignisse wandelnde Muster dieser Reaktionen. Bedeutsam ist schließlich viertens die Frage, wie
afroamerikanische Intellektuelle Dewey damals zu seiner Zeit sahen  und wie afroamerikanische
Philosophen Dewey heute bewerten. Abschließend wird auf Konsequenzen für die heutige DeweyRezeption verwiesen.
Die Abhängigkeit der Theorien Deweys von Zeitströmungen des 19. Jahrhunderts ist unbestritten
und seit langem bekannt. Dass in einer wissenschaftlich, technisch und politischen aufblühenden Zeit
die westliche Kultur gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Lösung der sozialen Frage in den Mittelpunkt
gesellschaftlicher Reformbemühungen stellte, galt für Europa wie für Amerika. In den USA bedeuteten
Segregationspolitik und rassische Diskriminierung im Alltag ein besonderes Reformhindernis für die
liberale Demokratie. Demokratische Werte wurden beschworen, doch sie existierten nur für Weiße.
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Margonis entwickelte in diesem Kontext seine Kritik, die man auch als Angriff auf Tendenzen der
„Denkmalspflege“ in der gegenwärtigen Dewey-Literatur verstehen kann. Stefan Neubert, der
Margonis’ Dewey-Kritik zu relativieren suchte, verwies zu Recht auf gewisse Grenzen der Bereitschaft
Deweys, sich für die nichtweißen Minderheiten einzusetzen.viii Damit ist über die Gründe noch nichts
gesagt. Dem erklärten Antirassisten Dewey vorzuwerfen, seine Erziehungsideen seien „implizit
rassistisch“ (implicitly racist)ix, war für deutsche Interpreten bislang kein Thema. Die historische
Erfahrung des Antisemitismus und des Holocaust der Juden Europas während der Hitler-Diktatur
bestimmte das Urteil über den für Völkerverständigung und gegen Faschismus eintretenden Dewey.
Doch innerhalb der USA besaß Deweys Philosophie Züge, die man heute, im historischen Rückblick,
als „ethnozentrisch“ bewerten kann: Von Ethnozentrismus zu sprechen bietet sich an, wenn
gesamtgesellschaftlich relevante Theorien, Kontexte beinhalten, die mit der Diskriminierung einer
Bevölkerungsgruppe bewirken. Gesellschaftliche Diskriminierung leistet politischen Philosophie in
einer Gesellschaft, in der die Hautfarbe zum Kriterium für soziale Bewertungen wird, wenn das
Basisproblem geschwiegen oder nur randständig erwähnt wird.
Die Normalität der Pädagogik Deweys lag darin, dass sie für die weiße Mehrheitsgesellschaft
formuliert worden war und dabei als Einladung für alle ausgelegt werden konnte, doch in voller
Kenntnis der Tatsache, dass ihr Nichtweiße unter den Bedingungen der Segregation gar nicht folgen
konnten. Das war dem Einladenden wie den Eingeladenen von vornherein klar. Schwarze (bzw.
nichtweiße) Minderheiten wurden von Dewey nicht ausgeschlossen. Sie wurden nicht genannt und
waren  im besten Fall  mitgemeint. Sie durften sich der Toleranz Deweys sicher sein. Genau darin
lag das Dilemma. Toleranz übt der Stärkere gegenüber dem Unterlegenen. Wenn eine auf Grund der
Hautfarbe diskriminierte Gruppe im gesellschaftlichen Chat sich negativ konnotiert oder sich nur
toleriert sieht, benötigt sie für eine gesamtgesellschaftliche Einladung zur Great Community ein
positives Zeichen: Von Dewey ist keine Einladung überliefert. Eine bis dahin in seiner Geschichte
ständig diskriminierter Teil der Nation darf im öffentlichen Diskurs nicht im Modus „unter-fernerliefen“ Erwähnung finden, sondern bedarf der ausdrücklichen Beachtung  Das aber war Deweys Fall
nicht. Somit verblieben gesellschaftlich benachteiligte Gruppen in pädagogischen Texten Deweys
immer unsichtbar  gleichgültig ob es sich um Deweys „Pädagogische Glaubensbekenntnis“ (1897),
das pädagogische Hauptwerk „Demokratie und Erziehung“ (1916) oder die Kritik abwehrende Schrift
„Erfahrung und Erziehung“ (1938) handelte.
Dass in Deweys Pädagogik keine Zuwendung zu konkret erfahrenem Leid, Diskriminierung und
absolut antidemokratischen Verhältnissen en detail vorfindbar ist, verursachte ein Problem, das
aufzudecken, denjenigen entging, welche ständig um die Rekonstruktion der Deweyschen
Erziehungsphilosophie bemüht waren, um sie in die Sphäre des „Ewig-Klassischen“ zu rücken. Dort
blieb sie für Fundamentalkritik unerreichbar. Andererseits sollten Kritiker sich vergegenwärtigen, dass
die neue Dewey-Kritik auf Erfahrungen beruht, die erst in unserer Zeit zum Ausdruck gebracht wurden.
Das, was im vorliegenden Aufsatz diskutiert wird, war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in den
Theorien der Hermeneutik generell noch nichtvorfindbar – ebenso wenig existierte Afro-American als
sozialer Normbegriff.
Es gab Dewey weder absolute Gewissheit noch einen festen Endpunkt in der Entwicklung der
Menschheit. Er befand sich immer irgendwo zwischendrin. In seiner Ablehnung alles Absoluten setzte
er die Ungewissheit der Suche des Menschen nach Sicherheit absolut, verbunden mit Hoffnung auf
Besserung. Denn für einen begrenzten Zeitraum können  bis zu einem gewissen Maß 
Unvollkommenheiten des politischen Systems und des gesellschaftlichen Lebens durch den festen
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Glauben an das Wachstum der Demokratie bewusstseinsstimulierend wirken: durch Hoffnung, die
Dewey vermittelte. Sie für die Erziehung als Botschaft zu formulieren hieße: mit Respekt vor anderen
in sozialer Interaktion so zu leben, als ob das Ideal der Gemeinschaft, das Dewey erstrebte, schon im
Begriff sei Wirklichkeit zu werden, obwohl die gesellschaftliche Realität das Gegenteil ausweist.
Man hat als Interpret die Möglichkeit, die überschaubare Zahl von Äußerungen Deweys, mit denen
er vor rassischen Vorurteilen warnte, als bedeutsam zu loben, man kann das Faktum aber ebenso als
Zeichen bewerten, dass Dewey einer Auseinandersetzung mit der Rassenfrage nicht näher treten wollte.
Sie fand bei Dewey meist nur im Modus der Aufzählung gesellschaftlicher Grundprobleme unterferner-liefen Erwähnung, wie Immigration, Armut, Analphabetismus, Kampf um das Frauenwahlrecht.
Einen  zumal für amerikanische Leser  geschriebenen Aufsatz Deweys, der auf die beschädigte
Identität, die Entrechtung und die dennoch vorhandene Kultur von negroes und colored people eingeht,
gibt es nicht.
Das Eintreten für die angestammten nichtweißen Ethnien in den USA war, historisch gesehen, eine
Angelegenheit weniger christlich-brüderlich gesinnter Philanthropen und ging von den Neu-EnglandStaaten der Ostküste aus. Bei Dewey herrschte eine eher indirekt artikulierte, durch humane Gesinnung
gespeiste Anteilnahme für die Ungerechtigkeit, die die Nichtweißen in den USA erfuhren. Deweys
Haltung entsprach der „weißen“ Mehrheit des liberalen Progressivismus seiner Zeit. Dewey bewies
immer wieder Aufmerksamkeit gegenüber dem Konfliktpotential, das ethnische Minoritäten für die
Demokratie darstellten, sah aber nicht die große Differenz zwischen dem freiwillig angenommenen
Minoritätsstatus der Immigranten und dem erzwungenen Minoritätsstatus der Afroamerikaner. Beide
Gruppen standen oft in ökonomischer Konkurrenz zueinander, was zu Rassenunruhen führte, bei den
Schwarzen darüber hinaus für eine von schlechten Erfahrungen konnotierte Wachsamkeit gegenüber
Weißen sorgte.x Deweys Problembewusstsein für rassische Benachteiligung entsprang intellektueller
Teilhabe, die im Norden der USA verbreitet war im Wissen um das viel größere Unrecht, das Schwarze
in den US-Südstaaten erfuhren. Gewisse Anzeichen einer größeren Zuwendung zu diesem verdrängten
Bereich „schwarzer“ Erfahrung finden sich bei Dewey in den dreißiger Jahren, in der Zeit der großen
wirtschaftliche Depression.
Wie kein anderer trat Dewey im Namen der Demokratie für soziale Teilhabe, Gemeinschaft,
allseitige Integration der amerikanischen Nation ein. Als Sozialphilosoph, Wissenschaftler, Universitätspädagoge bildete für Dewey die amerikanische Rassenfrage  wie für viele seiner Kollegen  kein
zentrales Problem. Dass die eiternde Wunde des Rassenproblems mit dem Pflaster der Demokratie
nicht zu heilen war, wusste jeder Gebildete. Berichte über die Bildungsnot der afroamerikanischen
Jugend und Forschungsarbeiten, die über die Unsicherheit, gebrochene Selbstwahrnehmung und demütigende Lebenssituation der meisten Schwarzen informierten, waren Dewey gewiss bekanntxi, doch er
stützte sich nicht auf sie als Informationsquelle in seinen wissenschaftlichen Arbeiten.
Die Verdrängung dieses Tatbestandes besaß offenbar eine wichtige Funktion in der Organisation der
rationalen Realitätsauffassung Deweys. Sein Glaube an die Demokratie war nicht irrational, sondern
pragmatisch. Dieser Glaube war nicht fanatisch, sondern wurde sanft präsentiert. Gewalt und Militanz
waren für Dewey keine Mittel für Problemlösungen. Er setzte stattdessen auf Anpassung durch
wachsende Einsicht und besonnenes Handeln, selbst dort, wo er dem einen oder anderen Terminus das
Wörtchen „radikal“ hinzufügte. Die soziale Frage stand im Zentrum des Deweyschen Interesses, die
Hautfarbe nicht. Doch gerade letztere motiviert heute die neue Dewey-Kritik.
5
2.
Demokratie als Glaube an die gerechte Gesellschaft
In einem seiner frühen Textexii sah Dewey es als erwiesen an, dass die Religion ihren Ursprung im
sozialen und intellektuellen Leben einer Gemeinschaft oder Ethnie habexiii, und er beschrieb die
Mannigfaltigkeit der aus dem religiösen Leben erwachsenden ethischen, ästhetischen und geistigen
Beziehungen. The Kingdom of God, das „Königreich Gottes“  das nach Jesu Wort (Lk 17,21) bereits
angebrochen ist , müsse verstanden werden als ein Aufruf, Handeln und Intelligenz in den Dienst der
noch zu leistenden Aufgabe zu stellen, die Demokratie als die dem Menschen zugesagte göttliche
Offenbarung Realität werden zu lassen. Dass Deweys frühe religiöse Bindung später einer
innerweltlichen Humanitätsauffassung wich, berührte seinen Glauben an die Demokratie in keiner
Weise.
Dewey verstand Demokratie nicht mechanisch-prozedural, sondern moralisch-geistig: „Ich gehe
davon aus, dass die Demokratie eine spirituelle Tatsache ist und nicht bloß ein Stück
Regierungsapparat [governmental machinery].“xiv Man beachte die damit vollzogene Hintansetzung
der Demokratie als einer rechtlich verankerten politischen Struktur zugunsten einer ethischen Idee. Der
Terminus governmental machinery, mit dem Dewey hier die Demokratie politisch bewertete, drückt
Geringschätzung aus. Mehr als einmal äußerte er gegenüber politischen Parteien  den BasisInstitutionen liberaler Willensbildung in der modernen Demokratie  tiefe Verachtung. Sie waren für
ihn „wohlorganisierte Parteimaschinen“ (well-organized party machines)xv , ein Begriff, der für
politischen Machtmissbrauch steht. In New York herrschte lange Zeit die unter dem Namen Tammany
Hall bekannte machinery der Demokratischen Partei: Ein alles kontrollierender „Boss“, ein vertikales
System von Befehl und Gehorsam für eine im Hintergrund arbeitende Riege willfähriger Funktionäre,
Ämterpatronage, Bestechung und Erpressung verkoppelt mit dem im Hintergrund wirkenden big
business.xvi Politische Seilschaften wurden historisch schon sehr früh zu einem unsichtbaren
Bestandteil der amerikanischen Demokratiexvii, die Dewey verabscheute. Dem setzte er sein ethisches
Demokratie-Ideal als geistige Waffe entgegen: Das Wort Thomas Jeffersons, dass der Preis der Freiheit
ewige Wachsamkeit (eternal vigilance) bedeute, bezog Dewey nicht nur auf die Aufgabe,
Fehlentwicklungen der Demokratie zu kritisieren, sondern ebenso auf den möglichen Missbrauch
moralischer Werte.xviii Hinsichtlich des Rassenproblems in den USA erscheint Dewey im historischen
Rückblick allerdings nicht eine besonders auffällige Vigilanz besessen zu haben.
Die Abwertung der real-politischern Dimension der Demokratie zugunsten einer sozialethischen
Vision wird noch einmal deutlich 1916 in der vielzitierten Aussage Deweys, die Demokratie sei „mehr
als eine Regierungsform“, sie sei gemeinsam geteilte Erfahrung im sozialen Miteinander.xix Diese Sicht
prägt ebenso das politisches Hauptwerk von 1927, The Public and Its Problems. Hier betonte Dewey
nochmals die Wichtigkeit der Unterscheidung der Demokratie als Staatsform und als soziale Idee, die
über den Staat weit hinausgeht: Sie umfasst alles menschliche Zusammenleben, ist im Prinzip „die Idee
der Gemeinschaft selbst“.xx An dieser Stelle verweist Dewey darauf, man müsse die Demokratie auch
als Tatsache betrachten, müsse ihre Einzelheiten erfassen und sie verbessern, nur dann „werden wir zu
einer Idee der Demokratie kommen, die nicht utopisch ist“.xxi
Welche formidable Einsicht  so einfach ist das also! So kann nur ein Idealist sprechen, der auf den
klugen Gedanken kommt, man müsse endlich Fakten sprechen lassen  nur: Dewey selbst ließ sie nicht
sprechen! Das ideelle Verständnis von Demokratie als community und der Bezug dieses Verständnis
auf die amerikanische Demokratie prägten Dewey Zeit seines Lebens. So betonte er selbst in der
Situation tiefster politischer Hoffnungslosigkeit, 1939, dass Demokratie in erster Linie ein von
Erfahrung gesteuerter, fester Glaube (faith) sei, der letztlich zusammenfalle mit dem Glauben an
6
Erfahrung und Erziehung.xxii In der Tat: Die Demokratie kann nur funktionieren, wenn die Bürger an
sie glauben.
Vor kurzem übte Robert B. Talisse, Philosophieprofessor an der Vanderbilt University, Nashville
(Tennessee), scharfe Kritik an Dewey: Die Demokratievorstellung Deweys besitze fundamentale
Schwächen, die sie als Basistheorie für moderne demokratische Gesellschaften unbrauchbar erscheinen
lasse.xxiii Talisses Urteil erfolgte aus dem Bewusstsein des historischen Abstandes, der uns im 21.
Jahrhundert von Dewey trennt, ohne das historische Verdienst zu verschweigen, das Dewey durch
Mitarbeit in zahlreichen, von ihm mit begründeten politischen Institutionen besitzt, die sich für die
Rechte einzelner Gruppen in der amerikanischen Gesellschaft einsetzten. Richard M. Gale, emeritierter
Philosophieprofessor an der Universität von Pittsburgh, der die Bedeutung der bislang von seinen
Interpreten vernachlässigten Metaphysik Deweys hervorhebt, kann dem Urteil von Talisse über
Defizite in Deweys politischer Theorie nur zustimmenxxiv, aber beide Kritiker berücksichtigten nicht
das eingangs beschriebene Dilemma, dass Dewey das, was von ihm erwartet wurde, ein politisch
diskutierbares Konzept von Demokratie zu entwickeln, gar nicht wollte. So gesehen erscheint es
abwegig, Deweys Äußerungen zur Demokratie als funktionsfähige Theorie zu deuten, mit deren Hilfe
sich politische Systeme analysieren, vergleichen und interpretieren lassen. Sie ist ein ethischer Impetus,
eine Zukunftsvision  ein Versprechen, das einzulösen Dewey der Erziehung als Aufgabe zuwies,
verbunden mit dem Optimismus des Progressivisten, dass trotz aller Schwierigkeiten ein Prozess der
Selbstverbesserung der Gesellschaft möglich sei.
Dies anzunehmen war langfristig  vielleicht  gerechtfertigt. Doch um tatsächlich etwas zu ändern
an der Gesetzlosigkeit im Süden der USA, die Gewalt gegenüber Schwarzen bis zum Lynchmord
unbestraft ließ, und den auch im Norden bestehenden Formen rassisch bedingten sozialen Unrechts
hätte Dewey die Sachverhalte in aller Breite öffentlich beim Namen nennen müssen, wie dies zum
Beispiel Mary White Ovington in New York oder Jane Addam und Mary McLeod Bethune in Chicago
taten. Es wäre Dewey nicht erspart geblieben, den Instanzenweg durch die Politik zu gehen, um
gesellschaftlich und rechtlich etwas zu verändern. Doch letztlich verachtete er politische Instanzen. In
jenen Fällen, in denen er sich politisch aktiv einmischte, scheiterte er meist mit seinen Hoffnungen. xxv
Als Philosoph war Dewey umsichtig, als Hochschullehrer ungemein einflussreich, als Praktiker jedoch
keineswegs immer erfolgreich.
Dewey war einer der Väter des klassischen Pragmatismus. Von Charles S. Peirce angedacht und von
William James als Peircesche Erfindung popularisiert, postulierte die neue Philosophie eine Methode
wissenschaftlicher Erkenntnisgewinnung, deren Relevanz die Folgewirkungen der Überprüfung
theoretischer Einsichten durch Erfahrung und Handeln bestimmen. Dies war zumindest der Anspruch,
auch wenn er nicht immer eingehalten wurde. Die neue Philosophie verstand sich als Logik, in deren
Zentrum eine revolutionäre Wahrheitstheorie stand. Sie besaß aber auch eine politische Seite. Deweys
Pragmatismus ist im Kern Meta-Biologie: Im Mittelpunkt steht der evolutionäre, durch Lernen und
Austausch bestimmte Prozess der Anpassung des Organismus an seine Umwelt mit dessen zirkulären
Rückwirkungen. Diese Sicht begünstigt ein ganzheitliches Denken. Um Gegensätze als miteinander
vereinbar zu postulieren, muss es gedankliche Schärfe und Distinktheit meiden. Der Holismus
pragmatischen Denkens hat zumal in der Deweyschen Ausprägung sozialer Teilhabe zur Folge, dass
seine Grundbegriffe zur Mythenbildung neigen, die einen zentralen Teil der Erfolgsgeschichte des
Pragmatismus ausmacht. „Soziale Teilhabe“ ist ein wunderbarer Mythos. Er verändert zwar nicht die
Ursachen sozialer Diskriminierung und ökonomischer Ausbeutung, doch er vermag das Bewusstsein
7
derjenigen, die darunter leiden, mit Hoffnung zu erfüllen  wenn die Botschaft als fester Glaube
verinnerlicht wird.
Pragmatisch-instrumentell zu verfahren begriff Dewey als Methode zur Lösung von sozialen
Problemen. Das dem demokratischen Geist Amerikas entsprungene pragmatische Denken hatte 1872 in
Boston ein Kreis junger Intellektueller in Auseinerdersetzung mit der tradierten (weißen) Philosophie
Europas aus der Taufe gehoben.xxvi Es verstand sich als eine neue Logik. Diese Logik war besonders
anschlussfähig für jene tiefgreifenden sozialen Probleme, die Amerika bewegten. Nicht zufällig erhob
die erste Generation schwarzer Intellektueller Anspruch auf einen Pragmatismus schwarzer Interessen,
um mit dem erwachenden Bewusstsein ihrer prekären Situation die ihnen vielfach vorenthaltenen
demokratischen Rechte einzufordern.
Anzumerken ist, dass diese schmale afroamerikanische Elite, die sich vor und nach 1900
auszubilden begann, nach Europa und Deutschland ging, um dort eine Zeit lang zu studieren. Aus der
Ferne einen Blick in die Welt und zurück auf die USA werfen zu können war eine Chance, geistige
Unabhängigkeit zu gewinnen. Es ist schon beeindruckend, wenn man heute in der großen
Autobiographie von William Edward Burghard Du Bois (1868-1963) liest, dass seine erste Erfahrung
als afrikanischer Amerikaner mit Kontinentaleuropa ein ungeheures Glücksgefühl war, auf Grund
seiner Hautfarbe keine rassischen Vorbehalte zu spüren und sich fröhlich mit anderen Menschen,
Weißen, unterhalten zu können. Das erlebte er in Rotterdam, als er auf einem Dampfer in Kontakt mit
einer holländischen Familie kam. Wenig später in Deutschland wiederholte sich die Erfahrung: Er
konnte sich mit Menschen unters Volk mischen, ohne dass die Hautfarbe eine Rolle spielte, auch an der
Universität. Das kam völlig unerwartet, weil dies in Amerika unmöglich war, und er fälschlicherweise
angenommen hatte, Amerika sei die Welt.xxvii
Du Bois studierte unter anderem an der Berliner Universität, durchreiste ganz Europa, besuchte
später auch Afrika. Nicht zuletzt wurde im Zuge internationaler Blickerweiterung der schwarze
Kontinent Afrika als Ursprung afroamerikanischer Geschichte wieder entdeckt. Die vielfach
verschütteten Wurzeln einer unter Sklavenherrschaft zerbrochenen kulturellen Identität neu zu
ergründen, die in Amerika durch geographische Zerstreuung, kulturelle Assimilation und weißer
Suprematie kaum auffindbar waren, galt es durch Erforschen der Kulturen der Urheimat freizulegen.
Dies war in keiner Weise eine Abwendung von den Idealen Amerikas, sondern ein identitätsbildender
Faktor, der den Glauben an die amerikanische Demokratie, in welcher Afroamerikaner nach dem Ende
der Sklaverei nur Zurücksetzung erfuhren, einen in ihrer kollektiven Geschichte verwurzelten Halt gab.
Der Erziehungs- und Demokratieglaube Deweys war ethischer wie religiöser Natur. Deweys Eintreten für einen auf unmittelbarer Erfahrung (immediate empiricism) fußenden Pragmatismus erwuchs aus
der Transformation einer ursprünglich idealistischen Weltanschauung in eine Wissenschaftsauffassung,
die  jenseits positivistischer Stimulus-Response-Theorien  dem Subjekt als Erlebenden und
Handelnden in Auseinandersetzung mit seiner Umwelt eine tragende Rolle zuwies. Wesentlicher Teil
dieser Umwelt war nach Dewey der soziale Bezug des Individuums zum Mitmenschen. Soziales
Miteinander interpretierte Dewey nicht nur als Gebot der Humanität, sondern in seinen frühen Schriften
ebenso darwinistisch: als Vorteil, der dem Individuum die bestmöglichen Chancen im Kampf um das
„Survival of the Fittest“ sichert.xxviii
Naturalismus und Supernaturalismus stellten für Dewey keinen Gegensatz dar, sondern bildeten
einen Zusammenhang, der für das Weltverständnis Amerikas um 1900 nicht untypisch war.xxix Die
tiefste Erfahrung des Menschen hat mystische Qualität. Sie lebt von der Fähigkeit zur
Selbsttranszendenz des Humanen. Deweys Naturalismus und Pragmatismus waren wie sein
8
Demokratieverständnis durch ihre religiös-moralische Fundierung zu einem bedeutenden Teil
Glaubenssache. Selbst dort, wo Dewey rational argumentierte, etwa mit Bezug auf inquiry, logics,
knowledge sind die dabei gewonnenen Erkenntnisse Botschaften mit Aufforderungscharakter, sie im
Sinne von tools, Werkzeugen, zu benutzen, um gesellschaftliches Wachstum (growth) zu optimieren.
Growth wurde für Dewey zur großen Erzählung, welche Evolution, Natur, Gesellschaft, Erziehung
und demokratisches Handeln ausweisen als aus ein und denselben moralisch-politisch-religiösem
Gewebe bestehend. Dem Mythos lag die schlichte Überzeugung zu Grunde, die Demokratie als
gerechte Gesellschaft trotz aller Hindernisse realisieren zu können, ohne die Rassenfrage wesentlich
tangieren zu müssen. Doch ein theoretisches Konzept von Gerechtigkeit, das Abwägungen,
Durchführungsprozeduren und differenzierte Analysen von gesellschaftlichen Hindernissen erlaubte,
wie es später John Rawls von einem individuumbezogenen vertragstheoretischen Ansatz her zu
entwickeln versuchte, besaß Dewey nicht. Da aber weder durch Verdrängung noch durch vereinzelte
Warnungen vor rassischen Vorurteilen bestehendes Unrecht aus der Welt geschafft werden konnte,
bedurfte Deweys Mythos Demokratie einer Voraussetzung, die sie mit der christlichen Religion
gemeinsam hatte. Sie benötigte den Glauben an ihre Möglichkeit.
3.
Dewey und die Rassenfrage auf der National Negro Conference 1909
Weder ausschließlich den prekären Seinszustand von Erziehung und Gesellschaft im Blick zu haben,
noch vom absoluten Sollensimperativ auszugehen, vielmehr das ideell denkbar Mögliche anzuvisieren
war die Stärke des pragmatischen Instrumentalismus. Von einer universalistischen Ethik gesteuert
erlaubte der Instrumentalismus Deweys ein zukunftsgewandtes Denken, das nach Werkzeugen gesellschaftlicher Höheführung zu allseitiger Partizipation verlangte, ohne das gesellschaftliche Unrecht der
weißen Mehrheit an der nichtweißen Minderheit in Vergangenheit und Gegenwart im Detail ausbreiten
zu müssen. Diese Tendenz betraf vor und nach 1900 Dewey nicht allein, sondern war in den Vereinigten Staaten Praxis des liberalen Progressivismus generell, einer in den Jahrzehnten vor dem Ersten
Weltkrieg ihren Höhepunkt erlebenden Bewegung linksliberaler Intellektueller, die im bestehenden
sozialen Umbruch den wissenschaftlich-technischen Fortschritt zur Lösung gesellschaftlicher Probleme
wie der wirtschaftlichen Machtkonzentration einsetzte. Zwei differenzierende Sachverhalte darf man
nicht übersehen: Der Progressivismus hatte einen starken religiösen, von Heilserwartungen bestimmten
Charakter. Zweitens waren an dieser Bewegung in bedeutendem Maße Afroamerikaner beteiligt,
insbesondere dort, wo religiöse Bindungen eine Rolle spielten und die Akteure sich dem Social Gospel
und der Social Christianity im Glauben verbunden wussten.
Der Historiker Eric Foner von der Columbia Universität; New York City; resümiert heute, dass
damals, vor gut 100 Jahren, das Interesse der Progressivisten, die Demokratie zu stärken, an der bestehenden Entrechtung der Afroamerikaner, insbesondere der Afroamerikanerinnen, weitgehend vorbeiging.xxx Ähnlich äußert sich der Heidelberger Amerikanist Manfred Berg, der den institutionalisierten
Kampf um die Bürgerrechte für Afroamerikaner rekonstruierte. Berg kennzeichnet die Rassenfrage als
„die große Blindstelle“ des amerikanischen Progressivismus.xxxi Auch wenn viele Progressivisten die
Diskriminierung der Afroamerikaner und die Segregationspolitik nicht befürworteten, waren sie weit
davon entfernt, etwas dagegen zu tun. Vielmehr sahen sie das Problem als sozialreformerische
Aufgabe, deren Bewältigung mit der Erwartung verknüpft war, von Afroamerikanern Disziplin im
Sinne der Anpassungsfähigkeit an weiße Verhaltensstandards erwarten zu dürfen.
Der auf optimale Problemanpassung bedachte Pragmatismus Deweyscher Prägung (Instrumentalismus, Experimentalismus) fand in diesem Klima „weißer Demokratie“ sein Anwendungsfeld. Deweys
9
Demokratiebewusstsein verdankte sich nicht einer nachträglich entdeckten Analogie von religiöser und
politischer Gemeinschaft.xxxii Sie entsprang vielmehr der Einheit von religiöser, ethischer und
demokratischer Lebensform, die seine Jugend sowie das erste Jahrzehnt seiner Tätigkeit als
akademischer Lehrer prägte, ohne dass diese Erfahrung später im Laufe eines langen und produktiven
Lebens je in Frage gestanden hätte  selbst nicht in Zeiten deutlicher Kirchen- und Religionskritik.
Das Ende der Sklaverei nach dem Ende des Sezessionskrieges 1865 bedeutete nicht, dass Schwarze
und Farbige den Weißen politisch und sozial „gleich“ gesetzt wurden. Ehemalige Sklaven waren ohne
Einkommen, ohne Bildung, ohne soziale Netze. Um zu überleben, verblieben sie freiwillig-unfreiwillig
zumeist weiterhin in ökonomischer Abhängigkeit von ihren ehemaligen Besitzern. Nach kurzem
Aufflackern der Hoffnung, dass Freiheit für die Freigelassenen tatsächlich auch Gleichheit bedeutet,
verstärkten sich in den nachfolgenden Jahrzehnte reaktionäre Tendenzen und ökonomische Vorteilsnahme in der weißen Mehrheitsgesellschaft: Die Ideologie von der Minderwertigkeit nichtweißer
Minoritäten gewann auch durch lokale und staatliche Gesetze die Oberhand, im Süden der USA sehr
viel stärker als im Norden. Aber dies hinderte nicht, dass in Zeiten stärksten Zuzugs von Schwarzen in
Großstädte des Nordens nicht auch dortige Hotels Schwarzen oft die Übernachtung verweigerten.
Die von den Südstaaten seit der Rekonstruktionszeit verfolgte Politik systematischer Entrechtung
der Schwarzen durch sogenannte black codes wurden von der US-Regierung nicht bekämpft. Die
zunächst im Süden, später auch in den Norden vordringende rassische Segregation in Schule,
öffentlichen Verkehrsmitteln, kulturellen Veranstaltungen und öffentlichen Einrichtungen bestätigte
1896 der Supreme Court als vereinbar mit dem Grundsatz der Gleichheit der Verfassung. Diese
Regelung, Separate but equal (Getrennt aber gleich), wurde zwar nicht überall gesetzlich eingeführt,
spielte aber auf kommunaler Ebene je nach Einflussnahme weißer Bürger auf die Lokalbehörden
überall eine große Rolle, auch im Norden, dort am stärksten in jenen Bundesstaaten, die eine Grenze
mit einem Südstaat teilten. Denn der Ansturm von Afroamerikaner aus dem Süden in die urbanen
Zentren der nördlichen Bundesstaaten war vor allem nach dem Ersten Weltkrieg ungeheuer groß,. Er
führte bei der Arbeitsplatzsuche und im Kleinhandel zum Verdrängungswettbewerb zwischen Weiß
und Schwarz mit der Folge von Rassenunruhen. In den größeren Städten war Segregation faktisch
immer gegeben durch strikte Trennung der von Schwarzen bewohnten ärmeren Distrikte von den
attraktiveren Wohnbezirken der Weißen.xxxiii Ebenso bildeten die verschiedenen Immigrantengruppen
eigene Wohnkolonien. Die getrennten Wohnbereiche sorgten von selbst für schulische Segregation.
Diese drang im Norden und Nordwesten der Vereinigten Staaten in weitere Bereiche des öffentlichen
Lebens ein.
Da Dewey die Gesellschaft in ständigem Wechsel und die Demokratie immer als ein Unterwegssein
verstand, verlor der Mythos „Gemeinschaft“ nie an Aktualität, war allerdings auch nicht geeignet,
befriedigende Antworten auf Konflikte politischer Realverhältnisse zu geben. Dewey besaß erkennbar
kein Mittel im Werkzeugkasten des von ihm propagieren Instrumentalismus, die Differenz zwischen
Weiß und Schwarz als dem eigentlichen Demokratiehindernis Amerikas philosophisch und praktisch
zu bearbeiten.xxxiv Abgesehen von der wiederholten Forderung an die bestehende Gesellschaft, die
vorhandenen, allseitige Kommunikation verhindernden sozialen Barrieren zu beseitigen, war Dewey,
der immer auf die Bedeutung der wissenschaftlichen Methode verwies, nicht in der Lage, ein
wissenschaftliches Analyse-Instrument anzubieten, das die um die Rassenfrage kreisenden Probleme
bearbeitete.
Das war auch kaum anders zu erwarten. Nur weigerte sich Dewey, die Grenzen des eigenen Progressivismus zu überdenken,  ein pragmatischer progressivism, der „Erfahrung“ zum Validitätskriterium
10
machte, „schwarze“ Erfahrung aber nicht zum Gegenstand von öffentlicher Diskussion erhob, ja nicht
einmal der Erwähnung für würdig befand, diskreditierte sich selbst. Dort, wo solche Erfahrung von
afroamerikanischen Intellektuellen öffentlich gemacht wurde, hielt Dewey sie fern vom eigenen wissenschaftlichen Erfahrungsbestand.
Das treibende Motiv zum Handeln, das Dewey, die Social Gospel-Bewegung und die
Progressivisten herausforderte, lag in einem Verständnis von Demokratie, das die Freiheit des
Einzelnen mit sozialer Teilhabe und Kommunikation verband. Diese Wunschvorstellung, hatte unter
der Bedingung der weithin praktizierten Diskriminierung von Nichtweißen  „Whites only“  keine
Chance ausgesprochen zu werden, ohne nicht gleichzeitig rassisch bedingtes Unrecht verdrängen zu
müssen.
Wenn W.E.B. Du Bois als einer der führenden afroamerikanischen Intellektuellen im Kampf gegen
die Entrechtung „The Color Line“ zum Basisproblem Amerikas im 20. Jahrhundert erklärtexxxv,
schwieg Dewey dazu in der Öffentlichkeit. Beide Männer stammten aus Neu-England und lebten später
in New York. Beide hatten eine akademische Karriere geschafft, standen politisch links, maßen der
Erziehung eine zentrale Aufgabe zu und hatten ein nahes Verhältnis zur Kunst. Beide genossen durch
ihre internationalen Aktivitäten einen hohen öffentlichen Bekanntheitsgrad. Doch im Gegensatz zu
Dewey war Du Bois, in seiner Ausnahmeerscheinung als hoch gebildeter Afroamerikaner für die weiße
Mehrheitsgesellschaft der USA ein Nichts  zumal noch ein Unruhestifter, der, egal wie exzellent seine
wissenschaftlichen Leistungen waren, aus rassischen Gründen keine Chance besaß, an einer weißen
Universität in Neu-England Karriere zu machen. Er hatte auf Grund eines ihm gewährten Stipendiums
1892/93 Deutschland und Europa als Studierender kennen gelernt. Von seinen weißen Mitstunden
gemieden promovierte Du Bois 1895 als erster Afroamerikaner an der Harvard Universität, nachdem er
zuvor schon an anderen Hochschulen für Schwarze studiert und auch unterrichtet hatte. Er lehrte ab
1896 an der Atlanta Universityxxxvi, Georgia, floh aber 1906 aus der Stadt, bedroht durch schwere Rassenunruhen und Lynchmorde. Seinen akademischen Lehrer William James in Harvard bezeichnete Du
Bois als Freundxxxvii, für Dewey galt das nicht. Mit ihm hatte Du Bois wohl nur aus besonderen
Anlässen Kontakt. Dewey wie Du Bois waren überzeugte Vertreter einer auf dem Gleichheitsgrundsatz
beruhenden Demokratie. Die große Krise Amerikas Anfang der dreißiger Jahre führte beide zusammen
 als führende Köpfe derselben politischen Vereinigung, der LIPA. Diese scheinbare Gemeinsamkeit
konnte das Trennende nicht verbergen.
Dewey setzte sich ein für die öffentliche Erziehung und die Hebung der allgemeinen Bildung,
insofern war er auch eine Hoffnung für die Afroamerikaner, für die Gruppe der armen, unqualifizierten
Weißen, nicht zuletzt für die Immigranten jeder Schattierung. Auf das Konto der Immigrantengruppen
gingen zahlreiche Gewalttätigkeiten gegenüber den als Konkurrenz empfundenen Schwarzen 
Gewaltakte, die sich nach 1900 bis in den Norden der USA ausdehnten. Dies war mit ein Grund, der
den Zusammenschluss aller den Rassismus bekämpfenden Kräfte in einer gemeinsamen Organisation,
der späteren NACCP, beschleunigte.
Dewey kritisierte Elitebildung, weil er die Demokratie in Gefahr sah, wenn einerseits durch hoch
gebildete Eliten Macht ausgeübt wird, andererseits fehlende Bildung verhinderte, dass das Volk seine
Rechte in Anspruch nahm. Der Vorwurf galt nicht zuletzt dem Land der klassischen „Bildung“: dem
Deutschen Reich und seiner Bildungshierarchie.xxxviii Dewey, der um die hohe Analphabetisierungsrate
Amerikas wusste, bemerkte nicht, dass im Vergleich zu vielen öffentlichen Schulen der USA die
Volksschulen in Preußen ihre Schülerschaft aus niederer sozialer Herkunft durchaus mit einer
verlässlichen Grundbildung ausstatteten. Du Bois dagegen war von Deutschland beeindruckt, nicht
11
zuletzt von der Internationalität der Studierenden an deutschen Universitäten. Du Bois sah in der
höchstmöglichen Bildung von Führungseliten für die Afroamerikaner die einzige Chance, aus dem
Zweiter-Klasse-Dasein herauszukommen: Zu klären, ob und wie Schwarze vermehrt zur
Hochschulbildung geführt werden sollen, wenn viele von noch nicht einmal die „three R’s“  Lesen,
Schreiben, Rechnen  beherrschten, lag für Du Bois auf einer anderen Ebene des Problems. Dessen
Lösung oder Nichtlösung sollte nichts zu tun haben mit der grundsätzlichen Zugangsmöglichkeit zu
höherer Bildung für Afroamerikaner.
Durchaus vorhanden war die Kluft zwischen Du Bois und Dewey in ihrem Verhältnis zur Kirche als
gesellschaftlicher Institution. Du Bois war kein Repräsentant einer bestimmten Denomination. Die
Gebete, die er für Angehörige seiner Hautfarbe schrieb, belegen dennoch tiefe Religiosität.xxxix Er
nahm die Bindung afroamerikanischer Familien an die Religion ernst im Kampf um die
Gleichberechtigung der Afroamerikaner. Dewey hütete sich, Gleiches zu tun. Auch als
Persönlichkeiten waren der ruhige Dewey und der temperamentvolle Du Bois unterschiedlich.
Dewey und Du Bois sprachen 1909 neben vielen anderen Rednern auf der ersten „National Negro
Conference“, die zugleich Gründungsversammlung der daraus hervorgehenden National Association
for the Advancement of Colored People (NAACP) wurde. Die inhaltliche Diskrepanz der Beiträge
Deweys’ und Du Bois’ auf dieser Konferenz in New York war unübersehbar. Du Bois, der an beiden
Tagen sprach, forderte zum Kampf gegen Entrechtung und Diskriminierung auf, Dewey dagegen
glättete die Kampfeswogen. Vom „streng wissenschaftlichen Standpunkt“ aus, erklärte Dewey auf
dieser denkwürdigen, zwei Tage währenden Konferenz schwarzer und weißer Redner in New York
(31.5./1.6. 1909), dass die Unterschiede zwischen Individuen viel größer seien als zwischen Rassen.xl
Mit einer jeweils neuen Generation ergebe sich für jedes Individuum eine volle, faire und freie Chance
für schulische Erziehung, Beruf, gesellschaftliche Verantwortung. Es sei Unrecht, wenn die Gesellschaft nicht der Pflicht nachkomme, für eine Umwelt zu sorgen, die dem Individuum gestatte, die
Fähigkeiten auszubilden, mit denen es geboren wird. Die faire Chancengleichheit, die Dewey
beschwor, existierte ganz und gar nicht. Es war ein folgenloser Appell, doch erfüllte er für die Situation
voll seinen Zweck. In einer kurzen Rede verschob Dewey die gesellschaftliche Ausbeutung der Afroamerikaner von der rassenbezogenen Ebene auf die Ebene individueller Differenzen, womit das
Problem neutralisiert wurde. Das war eine rhetorische Meisterleistung pragmatischen adjustments.
Indem er rassisch bedingtes Unrecht vermied zu erläutern, konnte er andere ermutigen, rassische
Diskriminierung offen zu einem Dauerthema zu machen, ohne selbst Einbuße an Reputation zu
befürchten. Entscheidend war, dass er für die Sache der Afroamerikaner eintrat. Seine Stimme hatte
Gewicht in der Öffentlichkeit.
Aus historischem Abstand sollte das Faktum Beachtung finden, dass jene Modelle tradierter rassenund klassenübergreifender Harmonie, wie sie sich in Deweys Sozialphilosophie andeuten, von den
Realitäten der amerikanischen Nation destruiert wurden. Solche auf naturhaftem Wachstum beruhenden Ideale waren in der weiteren Entwicklung des amerikanischen Gesellschaft weder zu erwarten
noch wiederzugewinnen. Sie gab es auch vorher nicht, womit der Grundwiderspruch  oder sagen wir
freundlicher: den Spannungsbogen  zwischen denkbarer Möglichkeit und sozialer Wirklichkeit der
Demokratie in Deweys Denken sich einmal mehr zeigte.
4.
Zivilreligion, Kirchengemeinde und afroamerikanische Freiheit
Die Eingliederung der religiösen und politischen Überzeugungen Deweys in einen bestehenden
historischen Kontext bietet das Konzept der Zivilreligion (civil religion), das auf den amerikanischen
12
Soziologen Robert N. Bellah (1927-2013) zurückgeht, dabei aber auch Einsichten über die Rolle der
Religion bzw. der „Sitten“ (mœurs) im Demokratieverständnis der USA berücksichtigt, wie sie schon
Alexis de Tocqueville nach seinem Besuch der Vereinigten Staaten in seinem berühmten Werk „De la
démocratie en Amérique“ (1835/40) dargestellt hatte.xli Der Aristokrat Tocqueville schloss aus seinen
Beobachtungen, dass eine egalitäre Gesellschaft wie die der USA einer starken moralischen Selbstbindung bedürfe, um den Status bürgerlicher Gleichheit aufrecht zu erhalten. Daran konnte Bellah anknüpfen. Bezogen auf die Geschichte, Kultur und politische Identität Amerikas meint der Begriff Zivilreligion eine jenseits der verschiedenen Religionsgemeinschaften vorhandene wertgebundene, letztlich
religiöse Bindung an politisches Handeln im Namen der Demokratie, die in Leitbegriffen und
Symbolen ein identitätsbildendes Grundmuster der amerikanischen Nation bildet, jenseits der Pluralität
sozialer Gruppen und Schichten. Ausgehend von einem Aufsatz von Bellah 1967xlii wurde ab den
siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts civil religion zu einem Leitbegriff soziologischer Forschung und
politischer Diskussion. Dabei gewann Dewey erst in einem zweiten Anlauf, welcher der historischen
Dimension des Konzeptes nachging, Beachtung als Philosoph der civil religion.
Bellah et al. machten deutlich, in welchem Ausmaß amerikanische Religiosität nicht nur von Sektierertum beherrscht wird, das dem religiösen Individualismus Raum gibt, sondern immer auch wertvolle
Öffentlichkeitsteilhabe konstituiert.xliii Dieser Befund steht zunächst konträr zu Deweys Bestreben, die
Kirchen als Hindernis der guten Gesellschaft darzustellen, da sie, Deweys Meinung nach, das öffentliche Leben parzellieren, worauf Bellah et al. nicht weiter eingehen. Dewey konnte sich mit seiner Ansicht nicht durchsetzen, weil sie überzogen war. Heute zeigen die bestehenden religiösen und
kirchlichen Gruppen in der westlich-liberalen Gesellschaft ein weltoffenes, Profil mit hoher
Kontaktbereitschaft, ohne den Bezug zur Transzendenz aufzugeben. In dieser Rolle besitzen sie
allgemeine Akzeptanz trotz Mitgliederrückganges, während Deweys Begriff „religiöser Erfahrung“
ohne institutionelle Bindung und inhaltliche Bestimmtheit kaum Attraktivität ausstrahlte.xliv
Bellah et al. berücksichtigten nicht, dass Dewey das spirituelle Fundament seines Konzeptes von
Öffentlichkeit bereits in seinen Frühschriften lange vor seiner Berufung an die Universität Chicago
(1894) gelegt hatte, indem er „Demokratie“ im Sinn ethischer und religiöser Normiertheit begründete.
Dabei griff er auf liberale Theologen seiner Zeit zurück.xlv Die Verankerung des demokratischen
Bewusstseins im Puritanismus hatte Dewey aus Kindheitstagen in der First Congregational Church
seiner Geburtsstadt Burlington (Vermont) erlebt, welcher seine Eltern angehörten. Seine Bindungen zur
Kirche lösten sich in der Chicagoer Zeit.
Für Dewey war die Demokratie, wie er 1886 ausführte, identisch mit dem „höchsten Ideal der
Humanität“.xlvi Die Declaration of Independence von 1776 als identitätsstiftende Gründungsurkunde
amerikanischen Demokratieverständnisses und die demokratische Grundhaltung des Vaters der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, Thomas Jefferson, waren Dewey wichtig. Die Hauptakteure,
darunter Jefferson, die im 18. Jahrhundert mit der Rebellion gegen England gleichzeitig die geistigen
Grundlagen der amerikanischen Demokratie schufen, lebten als paternale Sklavenhalter und begüterte
Pflanzer in Virginia. Jefferson wollte das Ende der Sklavenwirtschaft. Er war gleichwohl von der
Überlegenheit der weißen Rasse überzeugt, dies habe die Natur so festgelegt.xlvii Die befreiten Sklaven
sollten am besten außer Landes gebracht werden. Das Problem konnte auch er nicht lösen.
Die offiziell verbreitete Geschichte der amerikanischen Demokratie, wie sie in Lehrbüchern nachzulesen ist, war von Weißen für Weiße verfasst worden. Dewey leistete dazu seinen eigenen Beitrag,
indem er jene Zeit  die zu romantisieren er von sich wies  mit den bewährte Charakterzügen des
amerikanischen Siedlers verband, der die zerstörenden Wirkungen der Moderne noch nicht gekannt
13
habe.xlviii Deweys Wertschätzung des von Pioniergeist erfüllten Amerikaners als echtem „Charakter“ xlix
und seine geistige Bindung an Emerson  „Philosoph der Demokratie“l  belegen, wie stark sein
Geschichtsbild von der Epoche der „American Frontier“ bestimmt war.li Dewey wie Bellah sahen die
Geschichte der amerikanischen Kultur als eine Geschichte der Verteidigung der Freiheit des Einzelnen.
Bezogen auf das sogenannte „Goldene Zeitalter“ im 19. Jahrhundert, bildeten die Ansichten von Ralph
Waldo Emerson, Henry D. Thoreau, Nathaniel Hawthorne und Walt Whitman Jahrzehnte später das
geistige Fundament der „guten Gesellschaft“ Amerikas. Mit einer Melange aus naturbezogenen,
religiösen und moralischen Ansichten prägten sie noch die Kultur der amerikanischen weißen
Mittelklasse des 20. Jahrhunderts.
Die Bedeutung der Kirchen und der afroamerikanischen Emanzipationsbewegungen in den
gesellschaftlichen Transformationsprozessen, die das Konzept der Zivilreligion sichtbar machen, wurde
von Bellah et al. nicht übersehen. Demgegenüber bevorzugte Dewey, dessen Sicht der Gesellschaft
immer ein bestimmtes Begriffsarsenal zum Einsatz brachte, eine einfachere Sicht selbst dort, wo er von
Komplexität sprach. Wenn die politische Problemlage seinem Instrumentalismus nicht gewachsen war,
ließ er das Problem aus oder übte Kritik. Das war so rational wie konsequent und betraf sowohl die
institutionalisierte Religion als auch die Rassenfrage. Dewey betonte die Dynamik gesellschaftlicher
Veränderung, selbst wenn sie nicht stattfand. Noch der größten sozialen Not vermochte er einen
ethisch-religiös gefärbten Glanz von Würde und Hoffnung zu geben, indem er rhetorisch im Modus des
Wünschenswerten verblieb. So gesehen passt Deweys meliorative Sozial-, Kultur- und Humanitätsphilosophie hervorragend zum Konzept der Zivilreligion.
Deweys öffentliche Kritik an den christlichen Kirchen begann nach dem Wechsel von der Universität von Chicago an die Columbia Universität New York City. Er kritisierte in den Folgejahren nicht
nur Versuche kirchlicher Einflussnahme auf die öffentliche Schule, sondern sprach von ihrem
„exkludierenden Institutionalismus“, beklagte die „historische Isolierung der Kirche von anderen
sozialen Institutionen“, gelenkt durch „fanatische Gläubige“, deren „Stolz“, den „expliziten Wille0n
Gottes zu fühlen“, gesellschaftlicher Kommunikation verhindere.lii
Prüft man die Behauptung an Befunden heutiger historischer Forschung, lag Dewey mit seiner
Behauptung, die Kirchen spalten die Gesellschaft, ziemlich daneben. Denn die sozialen und rassischen
Gräben in der amerikanischen Gesellschaft waren sehr viel gravierender als die religiösen. Ihm, der mit
seinem abstrakten Demokratieideal die elende Lage der Afroamerikaner eher verdrängte als deutlich
machte, blieb verborgen, dass die Kirchen einen zentralen Bezugspunkt für ethnisch und weltanschaulich sehr differenten Gruppen bildeten und keineswegs ein kommunikationsfeindlicher Block waren.
Dies zu erkennen hätte einer verstehenden Kenntnisnahme der Leidensgeschichte der Amerikaner
dunkler Hautfarbe in der US-Demokratie bedurft.liii Ebenso wenig vermochte Dewey anzuerkennen,
dass Kirchenmännern vor und nach 1900 eine bedeutende Funktion bei den Bemühungen soziale
Reformen zukam, die die rechtliche und soziale Gleichstellung der Afroamerikaner zum Ziel hatten. Ihr
Engagement war ein Bestandteil des sozialen Progressivismus. Afroamerikaner hatten daran ihren
Anteil, der von der weißen Geschichtsschreibung, zumal von der Dewey-Rezeption ausgeblendet wird.
Das bekannte Lehrbuch von Lawrence A. Cremin zur Geschichte des Progressivismus im
Erziehungswesen Amerikas wird von Anhängern Deweys viel zitiert.liv Aber der Band ist völlig
einseitig nur als Geschichte der weißen Gesellschaft geschrieben, so als ob in den USA Afroamerikaner
nicht existieren. Ähnlich berichtet die Dewey-Literatur in der Regel über Social Gospel und Social
Progressivism, als ob diese in sich sehr heterogenen sozialprogressiven Bewegungen nur ein Phänomen
der weißen Mittelklasse gewesen seien. Dies bedarf der Korrektur. Von Anfang an spielten schwarze
14
Geistliche und schwarze Frauen eine Rolle, die soziale und rechtliche Reformen forderten  wie Anna
Julia Cooper (1858-1964), Ida B. Wells-Barnett (1862-1931), Mary Church Terrell (1863-1954), Mary
McLeod Bethune (1875-1955). Der spirituelle Aufbruch bewirkte eine erste interrassische
Kommunikation. So schrieb die weiße Frauenrechtlerin Mary White Ovington (1865-1951) 1911 ein
Buch über die bedrückende Situation der Schwarzen New Yorks. lv White Ovington arbeitete in der
NAACP längere Zeit mit W.E.B. Du Bois zusammen. Zu den Begründern der National Negro
Conference 1909 gehört eine Reihe von Geistlichen, darunter der als Sklave geborene Afroamerikaner
Alexander Walter (1858-1917), Bischof der African Episcopal Zion Church, und der christliche
Sozialist Reverdy C. Ransom (1861-1959), Seelsorger in der African Methodist Episcopal Church.lvi
Das Auftreten der NAACP in der Öffentlichkeit war entgegen der christlichen Gebundenheit vieler
ihrer Mitglieder rein weltlich. Im Kampf um die Rechte der Afroamerikanern „verkündete sie ihre
Botschaft in strikt säkular-universalistischen Begriffen wie Demokratie, Freiheit, Menschenrechte und
Chancengleichheit“lvii  Beispiel für zivilreligiöses Engagement, das sich primär auf die rechtliche,
weniger auf die soziale Benachteiligung der Afroamerikaner bezog.
Die ethnische Amnesie, das „Vergessen“, stellte vielleicht die feinste Form kollektiver Kränkung
der schwarzen Minderheit dar. Sie war kaum böse Absicht  dies Dewey zu unterstellen wäre
ungerecht , sondern ergab sich funktional. Etwas Relevantes nicht auszusprechen, lässt es unhörbar
und unsichtbar: Negroes blieben in der Öffentlichkeit als eigene Stimme in der Tat lange Zeit unhörbar,
ohne Identität, so sichtbar sie als Schuhputzer, Chauffeur oder musikalischer Unterhalter den Weißen
zu Diensten waren. Weiße bestimmten über ihren Platz in der Gesellschaft. Der berühmte Roman „The
Invisible Man“ von Ralph Ellison schildert das eindrucksvoll  so humorvoll wie traurig.lviii
Zur Erklärung fehlenden Interesses oder fehlender Erkenntnis weißer progressiver Philosophen
hinsichtlich der Rassenfrage ist heute in den USA neben dem Begriff der Amnesie die Ignoranz zu
einem Erklärungsmuster geworden.lix Den Terminus nimmt auch die Dewey-Kritik von Margonis in
Anspruch. Verwiesen wird auf das Schweigen Deweys zu vielen relevanten, dem humanen
Demokratieverständnis widersprechenden Zeitereignissen.lx Das Nicht-zur-Kenntnis-nehmen-wollen ist
 Deweys Pragmatismus zufolge  ein Handeln mit Konsequenzen, die er im eigenen Fall völlig
unterschätzte.
Die Aufdeckung von Ignoranz dort, wo Stellungnahme im öffentlichen Diskurs zu fordern ist, wirft
einen Schatten auf die wissenschaftliche Leistung des Protagonisten. Durchaus im Einklang mit Dewey
(und mit derselben Blindheit für die Lage der negroes ausgestattet) beschrieb der Mead-Schüler
Thomas Vernor Smith (1890-1964) das Ideal der amerikanischen Demokratie. Ausdrücklich betonte er
die Rechte von Minderheiten in der Demokratie, doch wie diese Rechte in Amerika von der weißen
Mehrheit und seiner eigenen Partei mit Füßen getreten wurden, erwähnte er nicht.
Die Abhandlung von Smith warnte 1939 vor der Hitler-Diktatur und stellte dem im Stil Deweys
entgegen: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit  ohne die Segregation, die im Ersten Weltkrieg, wie
dann auch Zweiten Weltkrieg die US-Army rassistisch spaltete, zu erwähnen. lxi Smith, der hohe
politische Ämter für die Partei der Demokraten innehatte, sah die Demokratie in engem Bezug zur
religiösen Bindung Amerikas  ein Zeitzeuge, der, von Bellah nicht genannt, das Konzept der
Zivilreligion einmal mehr als historisch angemessen ausweist. Zwischen Deweys politischer Hauptschrift von 1927, „The Public and Its Problems“ und seiner religiösen Hauptschrift „A Common Faith“
(1927) besteht ein enger Zusammenhang, auch wenn Dewey selbst ihn nicht thematisierte. Beide Texte
normieren soziale Teilhabe und demokratisches Handeln als den Kitt, der individualistisches
Sektierertum transformiert in ein allgemeines, politisches Ideal von Freiheit, Moralität und mitmensch-
15
lichem Respekt. An diesem „gemeinsamen Glauben“ haben aus Deweys Sicht alle weltanschaulichreligiösen Bekenntnisse ihren Anteil. Beide Schriften aber sind ebenso Zeugnisse einer ethnozentrischen Sicht. The Negro ist möglicherweise mitgemeint, aber er bleibt unsichtbar. Bellah et al.
würdigten Deweys Beitrag zur amerikanischen Zivilreligion vor allem unter dem Aspekt der Erziehung. Darüber hinaus fanden weiterelxii, doch nicht alle Autoren, die über das  heute schon wieder historisch gewordene  Thema civic religion schrieben, Dewey erwähnenswert.lxiii
5.
Erziehungskonzepte für die schwarze Minorität Amerikas
Die Schwarzen Amerikas litten unter der politischen Uneinigkeit ihrer Führer seit Beginn des 20.
Jahrhunderts. Genauer gesagt, seitdem offen rebelliert wurde gegen die Strategie einer von mächtigen
weißen Gönnern geförderten separaten Erziehung für die junge Generation der schwarzen Bevölkerung, deren begrenzte Fähigkeiten und deren Anpassungsbereitschaft sie nach Meinung der Vertreter
dieser Erziehungsvorstellung für einfache Handarbeit in Landwirtschaft und Industrie prädestinierte.
Der Rebell hieß W.E.B. Du Bois. Sein starker Gegenspieler war der afroamerikanische Südstaatler
Booker Taliaferro Washington (1856-1915), Leiter der bedeutendsten beruflichen Ausbildungsstätte für
Schwarze in den USA, die sich in der Stadt Tuskegee (Alabama) befand.
Du Bois sah nach 1900 die Chance zur Aufhebung der Benachteiligung nur im politischen Kampf 
mit dem Ziel, justice now, Gerechtigkeit jetzt, durchzusetzen. Er formulierte the Negro Problem als ein
zur lebenslangen psychischen Störung sich auswachsendes, afroamerikanisches Identitätsproblem: Es
macht psychisch krank, von Weißen immer zuerst als „Negro“ und erst in zweiter Linie auch als
Mensch oder Amerikaner wahrgenommen zu werden, niemals aber als gleichberechtigter Bürger. In
Neu-England aufgewachsen wurde dem jungen Du Bois plötzlich bewusst: „Ich bin anders als die
anderen Kinder, vielleicht im Herzen, in meiner Sehnsucht, in meinem Leben  aber ausgeschlossen
von der Welt der anderen [weißen Kinder] durch einen ungeheuer großen Schleier.“ lxiv Diese
Erfahrung, beschrieb Du Bois 1903 in seinem Aufsehen erregenden Band The Souls of the Black Folk.
Gewiss hätte die Einfühlung in das Problem auch eine ungeheuer wichtige Erfahrung für die Kinder der
Laboratory School sein können  nur: Dewey vermittelt sie nicht in seiner Schule.
Du Bois wollte die politische Strategie der Anpassung an die Vorgaben der weißen Mehrheitsgesellschaft, die er in der amerikanischen Gesellschaft um 1900 vorfand, nicht mitmachen. So kritisierte er scharf, dass Booker T. Washington den Afroamerikanern in den USA erstens jede politische
Macht, zweitens die Bürgerrechte und drittens jegliche höhere Bildung vorenthalte. Das war sachlich
korrekt und bezog sich auf den sogenannten „Atlanta Kompromiss“ von 1895.
Als bedeutendster afroamerikanische Pädagoge Amerikas hielt Washington 1895 anlässlich der
Handelsmesse Cotton States and International Exposition in Atlanta eine Rede vor überwiegend
weißem, einflussreichem Publikum. Die finanziellen, ideologischen und institutionellen Grundlagen
einer von der weißen Mehrheitsgesellschaft gewollten separaten Erziehung für Schwarze hatten nach
dem Bürgerkrieg wohlhabende, religiös wie politisch aktive Weiße aus den US-Nordstaaten
geschaffen.lxv
Die Rede Washingtons im Herbst 1895 ging als „Atlanta-Kompromiss“ in die amerikanische
Erziehungsgeschichte ein. Washington entwickelte dabei ein Programm zur Erziehung der „Rasse der
Negroes“, die seinen Worten nach ein Drittel der amerikanischen Bevölkerung ausmachte. Das war zu
hoch gegriffen, ein Viertel oder ein Fünftel hätte der Realität um die Jahrhundertwende besser
entsprochen. Washingtons Erziehungskonzept stand auf dem geistigen Fundament der weißen
Architekten schwarzer Erziehung: Der Schwarze habe der Tradition nach seine Arbeit immer by hand
16
geleistet, worauf er stolz sein könne. Eine Ausbildung für Landwirtschaft und Industrie verknüpft mit
einer breiten Allgemeinbildung sei für die Schwarzen Amerikas optimal. Damit werde der Masse der
schwarzen Jugend eine berufliche Zukunft in der modernen Arbeitswelt eröffnet, die ihrer praktischen
Fähigkeit entspreche und ihr eine angemessene Position in der Gesellschaft sichere. Der Atlanta
Compromise bedeutete Verzicht der Afroamerikaner auf Laufbahnen höherer, universitärer Bildung.lxvi
Zu dieser Zeit stand Washington als Gründer des Tuskegee-Institutes in hohem Ansehen, vor allem
auch bei den Medien, den Stiftungen und den wirtschaftlich mächtigen Kreisen im Norden der USA.
Das Tuskegee Institute Washingtons gewann schon bald nach seiner Gründung 1881 öffentliche
Aufmerksamkeit. Heute ist es Universität. Im tiefen amerikanischen Süden, wo die Lebensbedingungen
für Schwarze besonders schwierig waren nach der Niederlage der Konföderierten im Bürgerkrieg,
wurde das Tuskegee Institute zu einem Gegenmodell zur vorherrschenden Wirklichkeit schlechter
Bildungsbedingungen für Afroamerikaner: Es bildete mit hervorragenden Ergebnissen schwarze
Schülerinnen und Schüler zu einer Vielzahl von praktischen Berufen aus. Das schloss die Anwendung
reformpädagogischer Erziehungsprinzipien ein. Körperliche und musische Erziehung, freie Aktivität,
Gruppenarbeit, Selbstorganisation des Lernens. Washington gab den als „Nigger“ Verachteten Selbstvertrauen durch eine Erziehung, die Prinzipien einer progressiven Erziehungstheorie selbstbestimmten
sozialen Lernens anwandte, lange vor Deweys Laboratory School. Das Tuskegee-Institut wurde zur
Laboratory School der demokratischen Erziehungsphilosophie Washingtons.lxvii Dewey äußerte sich
dazu nicht.
Als Kind einer Sklavin 1856 geboren, erwarb der begabte Booker T. Washington schon früh
Bildung und wurde bald zum einflussreichsten afroamerikanischen Pädagoge seiner Zeit. Er vertrat das
Ziel einer friedlichen Annäherung von Schwarz-und-Weiß durch good race relations. Er nahm die
Kultur- und Bildungsdifferenz ernst, die die Sklaverei geschaffen hatte. Sie war seiner Überzeugung
nach für die Masse der Schwarzen nicht aufzuheben durch die Forderung nach absoluter Gleichstellung. Sinnvoll sei pädagogisch das, was eine ihren Möglichkeiten angemessene Bildung leistete, um
den Jugendlichen eine sichere Existenz und einen von allen respektierten Platz in der Gesellschaft zu
geben. Washington war Pragmatiker. Letztlich beruhte sein Erziehungsideal auf dem Prinzip der
Fairness im Umgang miteinander: Die bestehenden Unterschiede zwischen Schwarz und Weiß waren
aus seiner Sicht zu groß, als dass man sie hätte wegwischen können.lxviii Mit der Segregation fand er
sich ab und betrachtete als eine mit der Zeit überwindbare Übergangserscheinung. Um 1900 sah die
große Mehrheit der Schwarzen tatsächlich in Washington den Hoffnungsträger für eine gute Lösung
aller afroamerikanischen Probleme.
Dem NAACP, in dem sich eine Reihe radikaler Gruppen, auch Frauengruppen, zusammenschlossen
hatten, stand Washington von Anfang an fern. Nach seinem Tod 1915 gewann die radikale Gruppierung mit Du Bois weiter an Boden, hatte aber keineswegs alle Afroamerikaner hinter sich.
Der amerikanische Progressivismus besaß bei manchen weißen Soziologen und Ökonomen einen
durchaus rassistischen Grundzug. Das war besonders der Fall bei dem politisch einflussreichen John R.
Commons (1862-1945), seit 1904 Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität von Wisconsin.
Commons, der bekannt wurde durch Studien zur Geschichte der Arbeiterbewegung, hatte als
Politikberater über Jahrzehnte bis hin zum New Deal Franklin D. Roosevelts maßgeblich Einfluss auf
die Arbeitsmarktpolitik der USA.
Commons’ Buch „Races and Immigrants in America“ von 1907 besaß eine deutliche Sprache. lxix Zu
Recht erkannte Commons das Rassenproblem zwischen Schwarz und Weiß als das Grundproblem der
amerikanischen Demokratie: Der erste Satz des ersten Kapitels, „Race and Democracy“ beginnt mit
17
Jeffersons Aussage, dass alle Menschen gleich geschaffen seien  auf die sich auch Dewey oft genug
bezog  mit dem Hinweis, dass den Gründungsvätern der Demokratie ein solcher Satz nur über die
Lippen ging, weil sie gleichzeitig die unübersehbaren Differenzen zwischen den Menschen
anerkannten. Commons sah 40 Jahre nach dem Ende des amerikanischen Bürgerkrieges, in denen die
Afroamerikaner nicht gleiche, sondern zum Teil bessere Bedingungen für ihre Förderung und
Erziehung erhalten hätten in Vergleich zu den Weißen, den Versuch einer Hebung der Intelligenz der
schwarzen Bevölkerung als völlig missglückt an. Im Gegensatz zur Gruppe ungebildeter, in Armut
lebender Weißer, denen durch Bildung sozialer Aufstieg vermittelt werden könne, sei die Masse der
Schwarze im Grunde nicht erziehbar, wenn auch im Einzelfall der Erwerb höherer Bildung
Afroamerikanern möglich sei. Dem Umstand nicht zu Rechnung tragen hieße, die Fortentwicklung der
Demokratie zu behindern. Commons sah Erbanlagen und Herkunft der schwarzen Rasse aus
tropischem Klima als Schranke an, die verhindere, dass Afroamerikaner höhere Intelligenz entwickeln,
wie dies Weißen aus gemäßigtem Klima möglich sei und für qualifizierte, besser bezahlte
Industriearbeit die Voraussetzung bilde. Dieser Sachverhalt sei durch Umwelteinflüsse und Erziehung
nicht wesentlich veränderbar, wohl aber langfristig durch rassische Amalgamierung. Weder behauptete
er, dass Afroamerikanern generell unfähig seien, höhere Lebensziele zu erreichen, noch wollte er den
wenigen, die dies vielleicht schafften, Bildung vorenthalten. Doch dies alles getrennt von den Weißen
und deutlich unter deren Leistungsniveau. Er räumte ein: Auch die Afroamerikaner würden
Führungskräfte benötigen  womit er andeutete, dass rassische Segregation normativ gewollte Realität
der Demokratie der Weißen Amerikas sei. Commons verband seine normativen rassistischen Urteile
mit dem Ist-Zustand, den die Statistiken auswiesen. Er hatte keine Einwände gegen die Praktiken der
Südstaaten, durch Bildungstests Afroamerikaner von Wahlen fernzuhalten: Das Vorhandensein basaler
Bildung sei in der Demokratie eine sachliche Voraussetzung für die Wahrnehmung von Bürgerrechten.
Das Wahlrecht stehe ansonsten Afroamerikanern wie jedem Amerikaner zu. Commons plädierte für die
Selbsterziehung der schwarzen Rasse. Die Arbeit des Tuskegee Institute wertete er als ermutigendes
Zeichen des richtigen Weges. Im Literaturverzeichnis des Buches erscheinen sowohl B.T. Washington
als auch W.E.B. Du Bois.
1917 erschien ein vom US-Office of Education herausgegebener zweibändiger Forschungsbericht
des Soziologen Thomas Jesse Jones mit dem Titel Negro Education. Jones, aus Wales (U.K.)
eingewandert und Doktor der Theologie, leitete das Hampton-Institute. eine traditionsreiche Ausbildungsstätte für Nichtweiße. Als Weißer befasste er sich intensiv mit der Erforschung der Situation
schwarzer Jugendlicher. Jones war aber auch einer der Verfasser des ein Jahr zuvor erschienenen
Berichts Social Studies of Secondary Education, der, abgefasst im Geist der sozialen Gemeinschaftsbildung Deweys, ein soziales Curriculum für Sekundarschulen beinhaltete.lxx Jones war primär Forscher. Social research wurde zu einem neuen Instrument sozialwissenschaftlichen Rassismus: Die
durch Tests festgestellte, im Durchschnitt eher mindere intellektuelle Leistung von Schwarzen wurde
mit der Empfehlung verbunden, ihre Erziehung und Bildung dieser Erkenntnis anzupassen.
Der Linie T.B. Washingtons folgend, wenn auch aus anderen Motiven, empfahl Jones für die afroamerikanische Jugend in öffentlichen Schulen eine berufsorientierende Ausbildung mit begrenztem
intellektuellen Anspruch. Für einfache handwerkliche Jobs bestand immer und überall in den USA
Bedarf.lxxi Du Bois, der Jones daraufhin in einer Aufwallung von Zorn als „bösen Geist der Schwarzen“
(Evil Genius of the Negro Race) bezeichnete, sah sich bestärkt in der Abwehr solcher Sichtweisen.
Jones stand in hohem Ansehen bei den Geld gebenden Stiftungen weißer Manager. Alle Kritik an
18
weißer Suprematie, die in den dreißiger Jahren bei schwarzen Intellektuellen aufkam, hatte in
Forschungsergebnissen und den daraus abgeleiteten Bildungsstrategien von Jones einen Aufhänger.
Dewey nahm dazu nicht Stellung. Negro education existiert nicht in seinem Werk. Dafür wendete
Dewey den Begriff „Amerikanismus“, der in Europa nach dem Ersten Weltkrieg antiamerikanischer
Ressentiments angesichts der Ausbreitung amerikanischen Lebensstils ausdrückte, ins Positive: Die
Amerikaner sollten erfreut sein über das Bild, das Europa von ihnen zeichne: Amerikanismus stehe für
das erfolgreiche Bemühen, andere Typen der Kultur umzuformen und neu zu prägen.lxxii
6.
Die Geschichte Amerikas im Curriculum der Dewey School
Die Aussparung konkreter politischer Dimensionen in der Entfaltung des Gemeinschaftsideals hatte
Konsequenzen für das davon abgeleitete Verständnis von Erziehung in der öffentlichen Schule. Dewey
entwickelte vor 120 Jahren seine Erziehungstheorie für die Chicagoer Universitätsschule mit dem Ziel,
hier soziale Barrieren und die Isoliertheit der Schule vom „Leben“ zu überwinden, doch dies geschah,
soweit die dazu vorliegenden Quellen eine Schlussfolgerung erlauben, auf einer pädagogischen Insel,
unberührt von der im sozialen Umfeld der Schule vorhandenen Erfahrung des an Afroamerikanern
geübten rassischen Unrechts. Für eine Erziehungsphilosophie, die Erfahrung und Handeln Bedeutung
beimaß, ist das Faktum bemerkenswert.
Die neue Diskussion um den Ethnozentrismus der pragmatischen Sozialphilosophie Deweys begann
als Frage an sein Verständnis von Schule und Erziehung. Wenn die öffentliche Schule nach Deweys
Worten eine „Miniatur-Gesellschaft“ darstelle, die die Chance biete, als „sozialer Embryo“ zu wirken,
um die sozialen Kräfte der Kinder zu entfalten mit dem Ziel, sie zu engagierten Mitgliedern der demokratischen Gesellschaft zu erziehenlxxiii, so stellt sich aus heutiger Sicht die Frage: Wollte er dieses
Ideal verwirklichen durch aktive öffentliche Bekämpfung der bestehenden rassischen Diskriminierung
oder durch eine Pragmatik aktiven Verschweigens? Vieles spricht für das Letztere, wenn man nicht
völlige Gleichgültigkeit gegenüber dem Problem konstatieren will. Bei der Darstellung seines Ideals
von Demokratie und sozialer Teilhabe tat Dewey so, als ob dem keine prinzipiellen Hindernisse im
Weg stünden. Wie die Rechtsgrundlagen des Prinzips Separate but equal und die fest eingefahrenen
Gewohnheiten zu überwinden seien, welche Segregation und Benachteiligung der Afroamerikaner
bedingten, vermochte Dewey nicht mitzuteilen.
1896 war nicht nur der Beginn der von Dewey begründeten Chicagoer Universitätsschule, die
Laboratory School oder auch Dewey School genannt wurde. Es war auch das Jahr, in dem der amerikanische Supreme Court das  oben erwähnte  Urteil im Streitfall Ferguson v. Plessy fällte, das dem
Grundsatz separate but equal folgte. Anlass des Grundsatzurteils war die Klage eines jungen Schusters
namens Homer Plessy aus Louisiana, der sein Recht auf Gleichheit durch die staatlich verordnete
Segregation verletzt sah. Hinsichtlich seiner Abstammung war er zu einem Achtel (!) schwarz und sah
eher wie ein Weißer aus. Er hatte sich 1892 in vollem Bewusstsein, was er tat, ein Erster Klasse-Ticket
gekauft, das Zugabteil „Colored Only“ der Staatsbahn von Louisana durchschritten und sich in das für
Weiße bestimmte Abteil gesetzt. Die Frage des Kontrolleurs, ob er „colored“ sei, bejahte er. Doch er
weigerte sich der Aufforderung Folge zu leisten, das Abteil zu verlassen. Er wurde sogleich verhaftet
und zu einer hohen Geldstrafe verurteilt. Seine Klage, die Richter Ferguson entschied, wurde abgewiesen, auch in der zweiten Instanz. Mit der Stimmenmehrheit von 8:1 bestätigte der Supreme Court die
Abweisung der Klage der Vorinstanzen: Staatliche Regelung verstoße nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz, wenn sie vernünftig (reasonable) sei, dem sozialen Frieden diene, dem allgemeinen Brauch
entspreche und die Trennung für Schwarze ein gleichwertiges Angebot beinhalte. Wenn eine Rasse der
19
anderen sozial unterlegen sei (inferior ... socially), könne die Verfassung der Vereinigten Staaten sie
nicht auf dieselbe Ebene stellen.  Das Urteil, das Bundesrichter Brown für die Mehrheit des
Gerichtshofes formulierte, entsprach dem Empfinden weiter weißer Bevölkerungskreise nicht nur im
Süden der USA.lxxiv
Das Ereignis hätte sich als aktuelle Erfahrung in den ersten drei Jahren der Chicagoer
Universitätsschule gut erzählen und diskutieren lassen. Doch Deweys Berichterstattung schwieg dazu.
Möglicherweise fand Dewey das Urteil ebenfalls vernünftig.
Auf der Webseite zur Geschichte der heutigen University-Of-Chicago-Laboratory-Schools erfährt
man, dass Deweys Versuchsschule von 1896 die erste Privatschule in Chicago gewesen sei, die auch
für afroamerikanische Kinder aufnahmebereit gewesen sei. lxxv Der Hinweis ist wichtig. Denn von
Kindern, Eltern oder Lehrerinnen nichtweißer Herkunft in der damaligen Laboratory School berichtete
weder Dewey noch die Universitätsschulpublizistik späterer Jahre. Die „neue“ Erziehung stellte „das
Kind“ in ihren Mittelpunkt, ein Rassenproblem  oder wie Du Bois es ausdrückte, die color-line 
existierte nicht. Dabei ist anzunehmen, dass die „weißen“ Kinder der Universitätsschule auch durch
mitgehörte Gespräche von Eltern und Bekannten über Afroamerikaner über eine Vielzahl von
Erfahrungen und Vorurteilen verfügten, ebenso persönlichen Kontakt zu schwarzen Gleichaltrigen.
Man gewinnt den Eindruck, dass Dewey offenbar alles, was mit Afroamerikanern zu tun hatte
(einschließlich interrassische Erfahrungen der Kinder), vermied zum Thema zu machen. Aber die
Vermutung ist nicht durch eindeutig belegbare Fakten gesichert. Sicher ist nur: „Schwarze“
Erfahrungen blieben unsichtbar.
Deweys Schrift „The School and Society“ erschien 1899. Mit drei Vorträgen vor Eltern der
Chicagoer Universitätsschule sowie einem weiteren Bericht legte Dewey Rechenschaft ab über die
ersten drei Jahre reformorientierter Schularbeit. Noch heute liest sich der Text als die Urschrift der
Reformpädagogik.lxxvi Denn, so hoffte Dewey, „wenn wir die reinen Naturtriebe und Bedürfnisse der
Kindheit zu den unseren machen und nur nach deren vollen Erfüllung und Entwicklung trachten, so
wird sich die geistige Schulung, Belehrung und echte Bildung im Leben der Erwachsenen schon
einstellen.“lxxvii
Progressive education legte Wert auf freie geistige wie handwerkliche Arbeit, soziale Interaktion,
Koedukation und lebensbezogene, mit der lokalen community verbundene Lernerfahrungen: „Die
tägliche Tätigkeit in unserer Schule zeigt, daß die Kinder in der Schule so leben können wie außerhalb
derselben“lxxviii, meinte Dewey, wobei er ihren „Familiencharakter“ besonders betonte. In Chicagos
communities gab es an der Southern Side, nicht weit von der Dewey School, genügend
afroamerikanische Familien, in den Nachbarschaftsbezirken ebenso Immigranten aus Europa, Asien
und Lateinamerika. Diese Nachbarschaft von den Schülern erkunden zu lassen, wäre ein interessantes
Projekt gewesen.
In Chicago fand 1893 eine Weltausstellung statt (The Chicago World’s Fair), die der Welt den
Fortschritt Amerikas zeigen sollte. Nicht weit entfernt vom Universitäts- und dem späteren
Schulgelände auf dem Midway Plaisance durfte das gewöhnliche Volk eine Mixtur aus Wissenschaft,
Kunst und Unterhaltungsshow aus aller Welt bewundern. Afroamerikaner waren als Besucher nicht
erwünscht, schreibt Allessandra Lorini in ihrem historischen Rückblick. Schwarze Interessenten
wurden vom Satire-Magazin Harper’s Weekly aufs Korn genommen und als Schuhputzer karikiert, die
ihre Bildung aufpolieren wollten. Lorini wertet dies als ein Indiz, dass in Chicago, einer Stadt, in der
amtlich verordnete rassische Segregation zu dieser Zeit nicht oder nur sehr liberal stattfand,
Mittelschicht-Afroamerikaner als „Nigger“ verachtet wurden.
20
Dabei zeigte die Weltausstellung unter Leitung eines Harvard-Ethnologen die wissenschaftliche
Erforschung der „primitiven“ Völker am lebenden Objekt: Vorgeführt wurden unter anderem
„authentische“ Indianer aus den USA (offenbar frisch eingefangen) sowie „wilde“ Dahomé-Afrikaner;
letztere wurden als die minderwertige Ursprungsrasse der Afrikanischen Amerikaner vorgestellt.lxxix
Drei Jahre später in der Dewey-Schule besaßen Lehrerinnen und Schüler, falls sie die Ausstellung
besucht hatten, daran noch gute Erinnerungen. Denn dem Leben der „Primitiven“ wurde in der
Chicagoer Universitätsschule besondere Aufmerksamkeit zuteil. Dewey betonte: „Es herrscht
entschieden eine gewisse Verwandtschaft zwischen dem Kindesleben und den verschiedenen Formen
der Urzeit.“lxxx Offensichtlich stand Dewey in der Erstauflage von The School and Society noch ganz
unter dem Eindruck der vom Herbartianismus präferierten Kulturstufentheorie. Er verband sie mit der
von der Biologie auf die Geschichte übertragenen Rekapitulationstheorie Ernst Haeckels. Auch wenn
Dewey die pädagogische Rekapitulationstheorie später kritisierte, machte sie als didaktische Leitlinie
insofern Sinn, als man sie mit der Darwinschen Evolutionslehre und der zeitgenössischen Ethnologie in
Verbindung bringen konnte.
In diesem Kontext äußerte Dewey: „Indem wir Nachdruck auf das Vorwärtskommen der Menschheit legen und auf die Weise, wie diese Fortschritte errungen wurden, hoffen wir dem Vorwurf zu
entgehen, als ob wir den Rohheiten und beunruhigenden Anregungen des Lebens der Urvölker zu viel
Aufmerksamkeit schenken.“lxxxi Das ausgeprägte Fortschrittsdenken Deweys betonte im Einklang mit
einem interdisziplinären Chor von Wissenschaftlern den historischen Abstand der westlichen Kultur
gegenüber den sogenannten primitiven Völkern, aber man kann nicht sagen, dass Dewey damit schon
eine auf die Situation Amerikas zu beziehende „weiße“ Überlegenheitsideologie ins Spiel brachte.
Diese „Ideologie“ war unsichtbar als soziale Selbstverständlichkeit von vornherein vorhanden.
In einem Bericht Deweys vor dem „Pädagogischen Club“ der Universität Chicagos“ am 31. Oktober
1896 über die im ersten Jahr der Universitätsschule geleistete Arbeit vertrat er die These, das Kind
wiederhole die Erfahrung der menschlichen Rasse, wenn seine Aktivitäten es auf den Pfad des Wissens
bringen.lxxxii Es wäre falsch  mit Blick auf die Konnotationen des Rassebegriffs in der jüngeren
deutschen Geschichte  Deweys Gebrauch von race einfach nur mit „Rasse“ zu übersetzen, wie es zu
ungenau ist, race mit „Menschheit“ gleichzusetzen. Gemeint mit dem von Dewey benutzen Begriff
„race experience“ sind die inkorporierten Standards menschlicher Kultur von der Urzeit bis zur
(weißen) demokratischen Gesellschaft der Gegenwart, der fortgeschrittensten Kultur.
Thomas Fallace, heute Professor an der William Paterson University, Wayne/New Jersey, machte
2009 darauf aufmerksam, dass das Curriculum der Laboratory School von jener anthropologischhistorisch-evolutionstheoretischen Sicht des späten 19. Jahrhunderts geprägt war, welche die
europäisch-amerikanische Kultur bzw. Rasse als überlegen bewertete gegenüber anderen in den
Vereinigten Staaten und ihrem Einflussbereich vorfindbaren Kulturen (Rassen).lxxxiii Dewey habe
allerdings, wie Fallace betonte, nicht behauptet, dass die weiße Rasse anderen Rassen (schwarzen,
roten, gelben) überlegen sei. Doch die codes, die Dewey in seiner ethnographischen Vergleichen
benutzte, waren Fallace zufolge „rassifiziert“ (racialized).
Ein solcher Erklärungsansatz ist möglich, doch er fiel meines Erachtens für die Erziehung in der
Dewey School kaum stärker ins Gewicht, als sie sowieso schon vorhanden waren. Denn die durch
Umwelteinfluss und kommunikativen Austausch geprägten Verhaltensstandards waren in der weißen
Mehrheitsgesellschaft auch bei Toleranzwilligen selbstverständlich von der sozialen wie kulturellen
Unterlegenheit den angestammten nichtweißen Minoritäten geprägt, wie die meisten Afroamerikaner
sich in ihrer Ohnmacht und Anpassungswilligkeit selbst so sahen. Höchstwahrscheinlich war für weiße
21
Kinder die soziale Bewertung anderer Kinder oder Erwachsener nach Hautfarbe vor dem Schuleintritt
bereits im Sinne der eigenen Dominanz habitualisiert  unabhängig davon, ob dies mit Meidung oder
mit Kooperationsbereitschaft einherging.
1909 distanzierte sich Dewey von der pädagogischen Rekapitulationstheorie mit der Begründung,
ihr fehle der Bezug zur Gegenwart.lxxxiv In der 1915 veröffentlichten erweiterten Neuauflage von „The
School and Society“ gibt es das Kapitel: The Aim of History in Elementary Education.lxxxv Man
entdeckt darin kein Wort zur Geschichte der Afroamerikaner. Die Indianer fanden immerhin
Erwähnung, wiederum ohne dass das inhumane Schicksal zur Sprache kommt, das ihnen durch die
amerikanische Regierung in jener Zeit zuteil wurde. Da die Indianer erst 1924 Bürgerrechte erhielten,
störte dies niemanden zur Zeit der Dewey School. Hier wirkte Deweys adjustment negativ: Denn die
Ureinwohner Amerikas kämpften um den Erhalt ihres Lebensraums und ihrer Kultur. Sie wollten nicht
noch zwangsweise amerikanisiert werden, nachdem man ihnen Grund und Boden weggenommen hatte.
Wenn Kinder in der Dewey School lernten, mit Hilfe eines selbst hergestellten Webstuhls Decken zu
weben und farblich zu gestalten nach einem von Navajo-Indianern stammenden Original, erläuterte
Dewey das Produkt primär als eine künstlerische Leistung, die historische, zeichnerische und
konstruktive Kenntnisse voraussetze.lxxxvi Die kulturelle Distanz wurde umgeformt zu
handlungsrelevantem Interesse.
Der heute an der Dewey School historisch Interessierte wird sich fragen, was den Kindern damals an
historischem Grundwissen über das Schicksal der Indianer vermittelt wurde. Die gleiche Frage stellt
sich für die Geschichte der Afroamerikaner seit Beginn der Sklaventransporte: Was lernten afroamerikanische Kinder (falls es sie in der Dewey School entgegen allen Anzeichen gegeben haben sollte)
über die Geschichte der Ausbeutung und Grausamkeiten, die ihre Vorväter erdulden mussten?
Die Inhalte und Aktivitäten der verschiedenen Altersgruppen in der Dewey School zur Geschichte
Amerikas sind recht detailliert überliefert.lxxxvii Die ruhmreichen Taten der Entdecker und der Siedler
standen im Vordergrund: die Auseinandersetzungen zwischen Kolonisten und dem englischen Mutterland, Revolution und Unabhängigkeitserklärung 1776, die Constitution 1787/91, schließlich der
Bürgerkrieg zwischen Nord- und Südstaaten 1861-65.
Wie der Bericht der Lehrerin ausweist, sollte die Geschichte der Kolonialisierung Amerikas nur als
Medium dienen für tiefere Studien der Adaptation zivilisierter Menschen (civilized people) an die
primitiven Bedingungen einer neuen Umgebung. Es ging aber auch darum, „für diese frühen Tage den
Prototyp unserer demokratischen Form der Regierung auszuarbeiten“.lxxxviii Das geschah in den
Gruppenaktivitäten so, dass die „Natives“ Erwähnung fanden, wenn auch ihre Vertreibung und die
Inbesitznahme ihrer Gebiete durch „demokratisch“ gesinnten Siedler nicht zum Thema wurde.
Fragen wir nun weiter, welche Rolle das Leben der Sklaven und der Sklavenhandel in der Geschichte Amerikas spielten. Ausführlich diskutierte Gruppe VI, dass die Handelsprodukte Virginias auf
Grund der naturräumlichen Bedingungen andere waren als diejenigen der Nordkolonien. Massachusetts
exportierte Schafwolle, Vieh und Fisch nach Westindien und erhielt von dort Zucker und Melasse. Der
im Norden erzeugte Rum diente zum Ankauf des seltenen Goldes, das wiederum zur Bezahlung von
slave trade-ships eingesetzt wurde.  Das ist die einzige Stelle, an welcher die Rede ist von Sklaven
bzw. Sklavenhandel. England habe diesen Handel zwar gesetzlich unterbunden (by law prevented this
trade), doch das wirtschaftliche Interesse erhielt ihn aufrecht, denn vor der (amerikanischen)
Revolution im frühen Stadium der Manufaktur sei die Textilherstellung im Hausbetrieb durchgeführt
worden und habe jeder Familie die Möglichkeit geboten, etwas Geld zu verdienen.lxxxix
22
Hier wurde nicht nur historisch Fragwürdiges vermittelt, sondern auch (abgesehen von Westindien)
die Rolle von South Carolina und Virginia als Zentren der Sklavenwirtschaft im transatlantischen
Geschäft völlig verdrängt. Der nach dem Anbau von Tabak erst später einsetzende Baumwollexport
führte Ende des 18. nochmals zu einer Ausweitung der Sklavenarbeit im tiefen Black Belt genannten
Süden der USA. Er war durch verbesserte Ernte- und Spinnmaschinen möglich geworden. Die
Fortführung der Sklavenwirtschaft im 19. Jahrhundert bis zum Ausbruch des Bürgerkrieges war nicht
mehr Thema der Gruppenarbeit. In den Studien der Kinder der Dewey School zur Sozialgeschichte
blieben die Sklaven Amerikas, soweit der Bericht ein Urteil zulässt, unbehelligt, während die Antike
unter Erwähnung der Existenz von Sklaven durchaus breit behandelt wurde.
Offenbar dominierte in der Dewey School ein Curriculum, welches die „primitiven“ Anfänge der
Kultur der modernen Gegenwart polar gegenüber stellte, während epochale Zeitverläufe eine viel
geringere Rolle spielten. Damit sollten die Strukturen der Anpassung im zivilisatorisch primitiven und
im modernen Leben vergleichbar und progressivism sichtbar gemacht werden. Beim Thema
Sklavenhaltung in der Geschichte Amerikas ging es Dewey nicht darum, Erbarmen zu wecken für die
geschundenen Sklaven, die, wenn sie selbst Widerstand leisteten, nach geltendem Recht von ihrem
Besitzer mit Kreuzigung, Verbrennung oder dem Hungertod bestraft werden konnten.xc Es ging um die
wissenschaftlich Frage: In welchen Situationen neigen die historischen Subjekte und ihre Umwelt zur
Anpassung, und in welcher Weise geschah dies?
Vom Sklavenhandel im atlantischen Dreieck zwischen Europa, Afrika und Amerika, der die
erfolgreiche Anpassung im Wirtschaftskreislauf zeigt, ist im historisch rückblickenden DeweySchulbericht von 1936 nicht die Rede. Wer jedoch die 1896 veröffentliche Harvard-Dissertation
W.E.B. Du Bois’ (Suppression of the African Slave-Trade to the United States of America 1638-1870)
liest, wird darüber gut informiert. Du Bois beschrieb unter anderem, wie perfekt im 18. Jahrhundert die
Sklavenwirtschaft Neu-Englands im Warenaustausch mit Westindien und den Südkolonien bzw. USStaaten organisiert war: Gefangene Schwarze aus Afrika wurden nach Westindien oder in USSüdkolonien verkauft, um mit dem Erlös von dort Rohstoffe, darunter Melasse, per Schiff nach Norden
in die Heimat zu bringen. Der in den neu-englischen Destillen hergestellt Rum diente  wie Du Bois
schrieb  sowohl dem Export in alle Welt als auch dem Erwerb Schwarzer aus Afrika. Man wollte
Afroamerikaner als Sklaven nicht in den Orten des Nordens haben, aber wenn sie auf den Schiffen
blieben und gewinnbringend in South-Carolina oder Virginia verkauft wurden, störte dies im Norden
der USA längere Zeit niemanden.xci
Die Dewey School wurde, allem Anschein nach, von weißen Kindern besucht, von weißen
Lehrerinnen unterrichtet, von weißen (Schulgeld entrichtenden) Eltern unterstützt. Ob das in der
Francis W. ParkerSchool ebenso war, ist für mich nicht auszumachen. Deren Vereinigung mit der
Dewey School unter Leitung von Deweys Frau Alice als Schulleiterin 1901 beschwor einen kaum mehr
lösbaren Konflikt herauf zwischen den Deweys und dem Universitätspräsidenten William R. Harper,
was zum Ende der Schule im April 1904 und zum Wechsel Deweys an die Columbia University in
New York City führte. Durch Übernahme der Selbstdarstellung Deweys erscheint in Abhandlungen zur
Geschichte der Laboratory School für diesen Bruch Harper eher als der Hauptschuldige. Neuere
Forschung stellt dies in Frage.xcii
In den Folgejahren verschlechterten sich die Lebens- und Schulverhältnisse vor allem für die Kinder
im Getto von „Schwarz Chicago“.xciii Die an der privaten Universität von Chicago für wenige Jahre
existierende Versuchsschule, genannt Dewey School, war Geschichte. Sie gehörte zu einer völlig
anderen Welt im Vergleich zu den Schulen in den benachbarten schwarzen Wohndistrikten Chicagos.
23
7.
„Schulen der Zukunft“ im Kontext lokaler Segregationspolitik
Der von John Dewey mit seiner Tochter Evelyn verfasste, 1915 veröffentlichte Band „Schools of
Tomorrow“ sollte durch die Beschreibung des Schulalltags ausgewählter Reformschulen die Praxis der
neuen, progressiven Erziehung auf dem Hintergrund der Prinzipien Deweyscher Pädagogik verdeutlichen. In dem Gemeinschaftswerk, kam, wie das Vorwort ausweist, dem Vater überwiegend die Rolle
des Theoretikers, der Tochter die Beschreibung der Praxis der von ihr besuchten Schulen zu. Im Text
des Buches werden die jeweiligen Anteile beider Verfasser nicht voneinander abgegrenzt. Das Grundprinzip der Deweyschen Pädagogik, keine Aussage zu treffen über die ethnische Zugehörigkeit der
Kinder in jenen Schulen, über die der Band berichtete und die Frage der Problem der Segregation
auszuklammern wird durchgehalten  mit einer bemerkenswerten Ausnahme.
Das in “Schools of Tomorrow“ enthaltene Kapitel über Schule und Öffentlichkeit (The Relation of
the School to the Community) verwies auf die Bedeutung enger nachbarschaftlicher Verbindungen der
Schule zum kommunalen Leben. Dazu wurde als pädagogisches Vorbild die Public School 26 in
Indianapolis, Hauptstadt des Bundesstaates Indiana, vorgestellt. Das Besondere an ihr war: Sie lag im
Stadtzentrum, dem Elendsviertel, in dem die schwarze Bevölkerung des Ortes lebte, Armut
vorherrschte und die Kriminalität hoch war. Public School 26 war eine nur von Kindern
afroamerikanischer Familien besuchte Schule mit einer deutlich handwerklich berufsbezogenen
Ausrichtung. Schwarze Kinder, schwarze Lehrer, schwarze Schulleitung  ein Lernort, der junge
Schwarze für jene niederen Berufe und Dienstleistungen vorbereitete, die Afroamerikaner in der Stadt
Indianapolis (und anderswo) wahrnahmen: Jungen lernten Tischlern und das Ausführen von Reparaturarbeiten, aber auch schustern, schneidern und kochen, Mädchen erwarben Fertigkeiten in Hauswirtschaft und Dienstleistungen, wie sie ihrer tradierten Rolle gemäß waren. Eine enge Zusammenarbeit
bestand mit Clubs, Geschäften und Dienstleistungsbetrieben der Nachbarschaft. Hergestellte oder
reparierte Produkte brachten etwas Geld herein. Eine Sparkasse war in der Schule eingerichtet worden.
Sie lehrte ökonomischen Umgang mit dem Selbstverdienten.
So wurde die Public School 26, Indianapolis, als „School of Tomorrow“ zum Modellfall für die
enge Beziehung öffentlicher Erziehung zum gesellschaftlichen Leben, die Deweys Demokratie-Ideal
kennzeichnete. Hier konnten die Kinder gesund, glücklich und kompetent werden, was die Deweys,
vorsichtig optimistisch, als Schritt werteten, der Lösung des Rassenproblems ein Stück näher zu
kommen.xciv Das Problem des Kapitels bestand in der Nichterwähnung von Rassenunruhen und
Segregationspolitik, die für den Bundesstaat Indiana im Allgemeinen, für Indianapolis besonders gravierend waren.xcv
In dem Jahr als Schools of Tomorrow erschien, 1915, starb Booker T. Washington. Seine
Ausbildungsstätte in Tuskegee, Alabama, war allen afroamerikanischren Lehrkräften zumindest dem
Namen nach bekannt. Die Deweys hatten mit der Public School 26 in Indianapolis das Beispiel einer
Reformidee beschrieben, die vom Tuskegee-Institute schon lange verwirklicht worden war. Der
Schulleiter der Public School 26 in Indianapolis hatte sich Tuskegee offensichtlich zum Vorbild
genommen, ohne dass die Deweys ein Wort darüber verloren. Heute verweist mehr als eine
Veröffentlichung auf die ins Auge fallenden Gemeinsamkeiten progressiver Erziehung bei Washington
und bei Dewey.xcvi Doch weder in Schools of Tomorrow noch überhaupt im Werk Deweys fand
Washington Erwähnung.
Noch ein anderer Reformschultyp der Deweyschen „Schulen der Zukunft“ im Band von 1915 verdient Beachtung: die von Superintendent William Wirt in der Industriestadt Gary (Indiana) eingeführte
Schulorganisation, die unter dem Namen Gary School (oder auch platoon system bzw. work-study-play
24
plan) bekannt wurde. Wirt begann 1907 damit, geeignete Lehrer zu finden und Schulgebäude mit
ihrem Umfeld nach seinen Plänen einzurichten. In seiner etablierten Phase, ab 1913, umfasste das
Curriculum über den klassischen Unterricht hinaus die hygienisch-medizinische Versorgung der
Kinder, gemeinsame soziale Aktivitäten, und viele handwerklich-berufsrelevante Tätigkeiten. Ein
weiterer Aktivitätsbereich war Spiel und Sport gewidmet. Das platoon system erforderte bei ständig
steigenden Schülerzahlen ein exaktes Zeitmanagement für die gleichzeitige Nutzung der zur Verfügung
stehenden Einrichtungen.
Der Schulreformer Wirt hatte als Student Vorlesungen bei Dewey gehört und wurde von dessen
Ideen inspiriert  und in einer Stadt mit Raumnot, deren Stahlwerk massenweise den Zuzug von
arbeitssuchenden Immigranten nach sich zog. So gesehen ergab sich eine gewisse „lebensnahe“
Entsprechung zwischen den Arbeitsschichten der Väter und dem langen Schultag Kinder im Wechsel
ihrer zeitlich genau abgestimmten Aktivitäten. Im Anschluss an Gary folgten zunächst eine Reihe
anderer amerikanischer Städte dem platoon system des Schulreformers Wirt. Die in späteren Jahren
zumeist erfolgte Rückkehr zum normalen Schul- und Freizeitalltag geschah unter geringerer
Medienbegleitung als die Einführung des Gary Plan, der für die Deweys den Höhepunkt progressiver,
industrieller Erziehung bildete, sich aber auch dem Vorwurf aussetzte, allzu sehr industriellen
Interessen zu dienen.
Auffallend ist, dass der reformpädagogische Band der Deweys über schulische Segregation kein
Wort verlor. Das mit vielen Fotos ausgestatte Werk zeigt für die Public School 26 von Indianapolis
erkennbar nur schwarze Kinder, für die Public School 45 in derselben Stadt nur weiße Kinder. Fotos
von weiteren Reformschulen, die der Band vorstellte, zeigen  soweit erkennbar  nur weiße Kinder.
Historische Studien zur Gary School und zur Schulpolitik des Bundesstaates Indiana gehen näher
ein auf die Rassentrennung in öffentlichen Schulen, die auch William Wirt praktizierte.xcvii Schüler,
Lehrerschaft und Schulleitung hatten dieselbe Hautfarbe (mit wenigen organisatorisch nicht anders zu
lösenden Ausnahmen). Für Gary, an der Grenze Indianas in der Nähe von Chicago (Illinois) gelegen,
war nicht nur die Schulsegregation besonders scharf und rigide (sharp and rigid), es gab dort 
dokumentiert für das Jahr 1909  eine gezielte, von einflussreichen Weißen gesponserte „Clean out the
Negro“ Kampagne. Jene Schwarzen, die der Stahlkonzern U.S. Steel mitbrachte, um neue Betriebe
aufzubauen, wurden im Bedarfsfall aus der Stadt gejagt: 1911 mussten im Stadtbereich beschäftigte
Afroamerikaner ihren Job aufgeben und die Stadt verlassen; die Gary Evening Post gab den Rat, dass
Schwarze, die in Gary bis dahin keinen Job fanden, besser die Stadt meiden sollten, innerhalb von zwei
Tagen hätten bereits 50 Schwarze Gary verlassen.xcviii Gezielte Jobdiskriminierung von Nichtweißen
war in jenen nördlichen Bundesstaaten im Übergangsbereich zu den Südstaaten nichts Unübliches, weil
sie für die Weißen lästige Konkurrenz bedeuteten. Das galt auch für höher qualifizierte Arbeit. Doch
davon steht im Dewey-Band nichts.
Versuche, schwarzen Schülern den Besuch von weißen Schulen zu erlauben, führten in Gary immer
wieder zu Schulstreiks der weißen Schüler- und Elternschaft. In der Rassenfrage herrschte hier (aber
auch an anderen Orten) über Jahrzehnte ein von Spannungen und Konflikten bestimmtes Klima
hinsichtlich der Schulsegregation. Doch die rassischen Muster der Wohn- und Schulbezirke waren auch
vorher vorhanden und blieben bis zum Zeitpunkt der Abfassung des Berichts, auf den ich mich beziehe,
1963, bestehen. Abgesehen von allen organisatorischen Nachteilen der Segregation in Gary waren die
Kinder afroamerikanischer Familien stark benachteiligt, hob der Bericht hervor, sei es durch geringeres
Fächerangebot, geringere Qualifikation der (schwarzen) Lehrer, geringere Qualität der Schulabschlüsse
der Jugendlichen.
25
Die Deweys vermittelten für Gary ein völlig anderes Bild. Sie stellten von Gary auch keine Schule
für Schwarze vor, die Fotos zeigen nur weiße Kinder. Dasselbe gilt für Schulen in Cinncinati (Ohio)
und Chicago, in denen die Deweys über Versuche der Education Boards berichteten, das Problem
frühen Schulabganges und geringer Qualifikation aufzufangen durch berufsvorbereitende Schulen, die
 partiell im wöchentlichen Wechsel mit industrieller Lehre oder unqualifizierter Jobaktivität 
einerseits bessere Allgemeinbildung für den Berufseinstieg vermitteln sollten, andererseits den Weg zur
höheren Schule noch offen hielten. In manchen Städten der genannten Bundesstaaten existierten zur
Zeit Deweys für ortsfremde Schwarze abendliche Aufenthalts- und Übernachtungsverbote. Wenn ein
Schwarzer der ortsüblichen „Tradition“ nicht folgte, die ihm zur Kenntnis gegeben wurde, wenn man
seiner tagsüber ansichtig geworden war, dann  so hieß es in einem Bericht aus Syracuse (Ohio) von
1913  wurde er von einer Gang Jugendlicher umringt, deren Anführer unmissverständlich mitteilte:
„Keinem Nigger ist gestattet, in dieser Stadt sich über Nacht aufzuhalten. Verschwinde, aber schnell!“
Da die Boys mit Steinen in der Hand wurfbereit daneben standen, habe diese Aufforderung immer
Wirkung gezeigt.xcix Müsste dies nicht auch von Interesse sein für Deweys Zukunftspädagogik?
Nachdem Schools of Tomorrow zunächst viel Lob von Rezensenten erhielt (die das Buch John
Dewey ganz allein zuschrieben), fand der Band ab Mitte der zwanziger Jahren kaum noch Absatz,
während “The School and Society“ nach wie vor gekauft wurde. Dewey lag viel an Schools of
Tomorrow, das zeigt 1927 seine Anfrage an den Verlagsdirektor wegen einer weiteren Auflage. In den
zwölf Jahren seit der Erstauflage hatte sich allerdings durch den Ansturm schwarzer Migranten aus
dem Süden der USA die Schulsituation jener Städte in Indiana, Ohio und Illinois dramatisch
verschlechtert., aus denen die von den Deweys vorgestellten Reforminitiativen zur industriellen Erziehung stammten. Man hatte vor Ort andere Sorgen, was Dewey vielleicht entging. Vielleicht wusste er
auch nicht, dass die private Interlaken School, deren Schüler im Band der Deweys beim Bau des
Schulhauses gezeigt wurden, nur bis 1918 existierte.c Da war nichts mehr mit „tomorrow“. Das von
den Deweys als zukunftsträchtig betrachtete Gary-System, hatte schon 1917 auf Grund massiver
Elternprotesten den Schulkampf in New York negativ bestimmt. Die Antwort des Verlagsdirektors an
Dewey ist nachvollziehbar: Die Erziehung habe sich gewandelt. Kunden äußerten, dass der Band nicht
mehr der Zeit entspreche, teilte er freundlich mit. Dewey möge zu diesem Thema ein neues Buch
schreiben.ci Dazu kam es nicht.
60 Jahre nach der Veröffentlichung von Schools of Tomorrow erfuhr die Deweysche Darstellung der
Nur-Schwarzen-Schule in Indiana, Public School 26, im historischen Rückblick deutliche Kritik:
Walter Feinberg, Professor für Philosophie der Erziehung an der Universität von Illinois cii, fiel auf,
dass Deweys Vorstellung einer Erziehung zum demokratischen Bürger hier keineswegs gesellschaftsverändernd war, sondern die Stereotype der Chancenungleichheit in der bestehenden Gesellschaft
bestätigte. Da afroamerikanische Jugendliche zu jener Zeit in der Regel ausgeschlossen waren von
universitärer Bildung, etwa vom Studium an einer medizinischen oder juristischen Fakultät, so könnte
Schulbildung in Form von berufsvorbereitenden Aktivitäten, angepasst an die Bedürfnisse der lokalen
Wirtschaft, damals durchaus den eigenen Wünschen der Jugendlichen entsprochen haben. schrieb
Feinberg. Doch gerade dieses Argument zeige die Grenzen Deweyscher Demokratie und Ethik.
Das Kapitel über die Public School 26 in Indiana verunsicherte nach Deweys Tod in der Tat einige
Historiker.ciii Es eröffnete eine neue Diskussion  in mehrfacher Hinsicht.
Erstens: Die über viele Jahre hinweg geführte Auseinandersetzung in den USA um das Konzept
social efficiency, das Dewey, im Gegensatz zu Gegnern wie David Snedden, nicht sehen wollte als eine
schulische Einführung in industriell-handwerkliche Berufstätigkeit, sondern im weitesten Sinn verstand
26
als Bestandteil von Erziehung überhaupt, erhielt jetzt neue Akzente: Dewey war mit seinem Lob für die
vorberufliche Ausbildung schwarzer Schülerinnen und Schüler in der Public School 26 in Indianapolis
erheblich an die konservative Position von Snedden herangerückt. Ein Jahr später, 1916, in
“Democracy and Education” sprach Dewey ausführlich über social efficiency, nun sein wichtigstes Ziel
der Erziehung (neben der natürlichen Entwicklung und der Kultur). Social efficiency definierte er als
industrial competency im Zusammenhang mit guter Bürgerschaft (civic efficiency or good
citizenship).civ Das entsprach den Ausführungen in jenem Kapitel von Schools of Tomorrow, in dem
Public School 26, deren Konzept von Dewey als Beitrag zur Lösung der Rassenfrage in der Erziehung
betrachtet wurde. Nur: In der pädagogischen „Bibel“ Deweys, Democracy and Education, blieb die
Rassenfrage ungestellt  sie war selbstverständlich auch dort greifbar, aber gleichzeitig unsichtbar.
Zweitens: Dewey hatte in Bezug auf die Befürwortung der praktizierten Schulsegregation 1915
erkennbar gegen die Politik der NAACP verstoßen und eine konservative Position gestärkt, die er
anderenorts bekämpfte. In vielen anderen Kapiteln von Schools of Tomorrow  wie im Bericht über die
Gary Schools oder über die (hier nicht besprochene) bekannte Reformschule von Marietta Johnson in
Fairhope (Alabama) , unterstanden die vorgezeigten Modelle selbstverständlich der örtlich
vorherrschenden strengen Schulsegregation, ohne dass die Deweys den Tatbestand offenlegten.
Heute lässt sich aus der Sicht historischen Schulforschung vielleicht so urteilen: Public School 26 in
Indianapolis mag eine vitale Institution gewesen sein zum Zeitpunkt, als die Deweys in Schools of
Tomorrow darüber berichtete. Die Deweys mögen in guter Absicht gehandelt haben, wenn sie ein breit
berufsorientiertes, auf Kooperation mit dem Wirtschaftsleben der Stadt angelegtes Curriculum für
Schwarze begrüßten. Doch diese Sicht war eher yesterday als tomorrow. Damit wurde die
Wahrscheinlichkeit des Verbleibs der Afroamerikaner in der sozialen Unterschicht viel größer als ein
damit vielleicht verbundener, langfristig erhoffter gesellschaftlicher Aufstieg. Dessen Sicherung hätte
professioneller Bildungsberatung bedurft, die es damals nicht gab.cv
Fazit: Als pragmatische, durch die vorherrschenden Umstände bedingte Notlösung war Public
School 26 vielleicht akzeptabel, aber sie war keinesfalls progressiv. Die in Indianapolis sowieso
bestehende Segregation ohne Widerrede anzuerkennen macht ein Demokratieverständnis
unglaubwürdig, das Gleichheit und allseitige Kommunikation erstrebt. Wurde das Moment des sozialen
Austauschs zwischen Schule und Nachbarschaft als hervorhebenswert angesehen, geriet gleichzeitig
das tiefer liegende Problem rassischer Ungleichheit aus dem Blick. Gesellschaftspolitisch war der hier
von den Deweys als beispielhaft aufgezeigte Weg leider separate and unequal, getrennt und
chancenungleich.
8.
Erwachen schwarzen Selbstbewusstseins
Die historische Wunde, welche sich Amerika durch die länger als zwei Jahrhunderte währende
Sklavenhaltung zufügte, war schmerzhaft. Im Fortschrittsdenken des Progressivismus blieb sie der
sozialen Frage untergeordnet. Dies verhinderte, dass sich weiße Liberale dem Problem in seiner ganzen
Schärfe und Unmenschlichkeit stellten. „Rassische Segregation in Amerika“ war früher wie heute ein
fest umrissener Begriff. Dewey äußerte sich kritisch über alle möglichen Formen von Segregation (von
Körper und Geist, Mensch und Umwelt usw.), doch nie deutlich über rassische Segregation. Zur Krise
der Kultur, des Liberalismus oder der Erziehung wurde Dewey nicht müde seine Stimme zu erhebencvi,
doch keiner dieser Texte, die oft auf Historisches zurückgreifen, enthält auch nur die Andeutung von
Material über den Völkermord an den Indianern oder die Ausgrenzung der Afroamerikaner im
Bildungssystem und im öffentlichen Leben der USA. Im Publikationsorgan der NAACP  es hieß
27
bezeichnenderweise The Crisis  veröffentlichte Dewey nicht, obwohl Du Bois als Herausgeber des
Organs ihn 1932, auf dem Höhepunkt der LIPA-Aktivitäten, sehr darum bat.cvii Insofern ist der von
Margonis in Anspruch genommene Begriff soziale Amnesie zur Kennzeichnung der Deweyschen Sicht
nachvollziehbar.cviii
Der Begriff der sozialen Amnesie, eingeführt von dem Historiker Russell Jacobycix, bezeichnet heute
das kollektive Vergessen der Geschichte unbequemer Tatbestände in aktuellen Gesellschaftstheorien 
oder auch die Auslöschung der Identität der Historie des Leidens von Minderheiten durch die offizielle
Geschichtsschreibung der Mehrheitsgesellschaft. Soziale Amnesie ergibt sich aus dem Verschweigen
ihrer Ursprünge, ihrer Kultur und der von der Mehrheitsgesellschaft ausgeübten Repression. Deweys
Chicagoer Kollege und Freund James Hayden Tufts (1862-1942), mit dem er gemeinsam das
bedeutende Werk Ethics schrieb (1908; 2. Aufl. 1932)cx, veröffentlichte 1917 ein Buch über die
amerikanische Demokratie, in dem er, anders als Dewey, sich keineswegs scheute, das an den
Indianern und den Afroamerikanern begangene historische Unrecht, aber auch weitere Tatbestände, die
der behaupteten demokratischen Gesinnung Amerikas völlig widersprachen, wenigstens beim Namen
zu nennen.cxi
Für ein Masseneinwanderungsland, in dem sich Emigranten verschiedener ethnischer Herkunft in
ethnisch abgegrenzten Räumen der Großstädte niederlassen, wie dies in den USA der Fall war, sind
ethnische Segregation und Vorurteilsbildung nicht weiter verwunderlich. Gemessen daran, wie stark
das Zeitalter Deweys von Vorurteilen gegenüber ethnischen Minderheiten erfüllt war, taucht der Begriff racial prejudice, rassisches Vorurteil, im Werk Deweys selten und spät auf. Dies geschah beim
ersten Gebrauch des Begriffs in Deweys Publizistik nicht in den USA, sondern während seines
Aufenthaltes im Fernen Osten, und zwar mit Blick auf internationale Beziehungen. Racial prejudice
betraf dabei nicht die amerikanische Rassenfrage, sondern nationale Vorurteile der Völker.cxii
Von Deweys zahllosen Aufsätzen zu sozialen Problemen gibt es nur einen einzigen, der im Titel das
Adjektiv racial, rassisch, enthält. Es handelt sich um jenen dem rassischen Vorurteil gewidmeten
Vortrag, der in China vor der Chinese Social and Political Science Association gehalten und 1922 im
Organ dieser wissenschaftlichen Gesellschaft veröffentlicht wurde. Im Mittelpunkt stand eine wissenschaftliche, keine moralische Betrachtung des Themas (wie Dewey betonte).cxiii Rassische bzw.
ethnische Vorurteile definierte Dewey als ein „tief sitzendes und weit verbreitetes soziales Leiden“
(social disease).cxiv Das Thema wurde auf einem breiten anthropologisch-historischen Hintergrund
entfaltet, bevor Dewey es auf aktuelle Probleme bezog. Er erwähnte deutschen Nationalismus in
Amerika, der während des Krieges amerikanische Abneigung erzeugt habe. Er ging vor allem auf den
ausgreifenden Nationalismus und die militärische Präsenz Japans im Fernen Osten ein  ein Hinweis,
der chinesische Besorgnisse reflektierte. Dewey nannte ökonomische und politische Faktoren, die mit
der Überlegenheit der Stärkeren zur Diskriminierung der Unterlegenen führen, dabei stehe „Rasse“ nur
symbolisch für ein äußeres Merkmal, das keine eigene Existenz habe.
Das waren kluge Sätze, geschöpft aus dem inneramerikanischen „rassischen“ Erfahrungshintergrund, ohne dass die Friktionen zwischen Weiß und Schwarz in den USA genannt wurden. Auch
Präsident Wilsons Bemühungen, mit dem gewonnenen Krieg die Welt „sicher für die Demokratie“ zu
machen, erwähnte Dewey. Dass der Südstaatler Wilson innenpolitisch „deeply racist in his thoughts
and politics“ warcxv, indem er die rassische Segregation in der Regierungsverwaltung auf die Spitze
trieb, erwähnte Dewey nicht. Rassische Diskriminierung bezeichnete Dewey ausdrücklich als
„schlecht“ („a bad thing“). Die wechselseitige Anpassung von Kulturen, welche eine gemeinsame, tief
wurzelnde Geschichte von Über- und Unterlegenheitserfahrung besitzen, sei alles andere als einfach.
28
Wie immer bei Behandlung komplexer Situationen beendete Dewey den Vortrag mit dem Appell, dass
jetzt die Stunde des Handelns gekommen sei. Dabei deutete er auch eine Beschränkung der
Immigration als hilfreich an. Vom rassischen Grundproblem Amerikas, der angespannten Situation
zwischen schwarzen und weißen Bürgern, wurde in diesem Vortrag vor chinesischem Auditorium nicht
gesprochen.
Stoff dafür hätte sich genug angeboten. In Deweys internationalen Betrachtungen jener Zeit wurde
für ihn der Terminus interracial and international zur stehenden Redewendung, die er auch in
besagtem Vortrag in China benutzte.cxvi Damit kennzeichnete er die vorbildlich demokratische Haltung
Amerikas. Der Ausdruck konnte sich im Einzelnen auf die Beziehungen zu Europa, auf die Abwehr
nationalistischer Tendenzen und auf weitere Themen beziehen. Im Hintergrund stand der Erste
Weltkrieg. Dewey suchte Amerika und dessen Regierung im Licht einer neutralen, um Frieden
bemühte Haltung darzustellen. Dabei übte sich Dewey eindrucksvoll in nationaler Rhetorik: Die eigene
Nation bezeichnete er als interracial and international, frei von Rassismus (bzw. Ethnozentrik), denn
jede Ethnie lebe in den USA mit anderen gütlich nebeneinander, oft in wechselseitiger Zuneigung (!).
Demgegenüber werde in Europa ganzen Völkern und Rassen beigebracht, unausrottbare Antipathie
füreinander zu empfinden.cxvii
Im Jahr 1918, als Dewey dies in den USA vortrug, ermordeten Weiße im Bundesstaat Georgia die
21-jährige schwangere Afroamerikanerin Mary Turner. Nachdem sie sich gegen den Lynchmord ihres
Mannes gestellt hatte, floh sie, wurde vom rasenden Mob verfolgt und an den Füßen an einen Baum
aufgehängt. Man tauchte sie in Benzin und Öl und zündete sie an. Noch lebend schnitt man ihr mit
einem Messer den Unterleib auf, ließ das ungeborene Kind auf den Boden fallen, das einen Schrei
ausstieß. Die weißen Mörder zertraten es, während seine Mutter verbrannte. Eine Massenflucht der
Afroamerikaner der Region setzte ein. Die Mörder Mary Turners erfuhren weder Anklage noch
Gerichtsverfahren.cxviii Im nachfolgenden Jahr, 1919, brachen in vielen Großstädten der USA Rassenunruhen aus: Weiße Gewalt erfuhr jetzt manchmal auch schwarze Gegengewalt.
Dewey waren die Exzesse bekannt. Sie passten nicht zu seinen Visionen. Er trat für Völkerversöhnung ein. Dazu konträr gehörte er zu jenen einflussreichen Kräften, die sorgten, dass die USA den
Versailler Vertrag nicht ratifizierten, dem Völkerbund nicht beitraten und stattdessen den Weg in die
politische Isolation gingen  ein Fehler mit fatalen politischen Auswirkungen. Nach der Rückkehr in
die USA unterstützte Dewey Bemühungen, die 1928 im sogenannten Briand-Kellogg-Pakt zur
internationale Ächtung des Krieges führten. Der Pakt gehörte zu den großen politischen Illusionen der
Zeit, wie Walter Lippmann sehr viel klarer als Dewey erkannte. Denn die internationale Vereinbarung
bedeutete keineswegs die Eindämmung von Krisenherden, sondern diente den Großmächten als
Instrument, ihre Vormachtstellung auszubauen und so die Unzufriedenheit anderer Mächte zu
schüren.cxix
Zweifellos besaß das kulturelle Klima Amerikas der Großstädte in den zwanziger Jahren eine neue
Dynamik und besondere Anziehungskraft. Die Gesellschaft öffnete sich, Verkehrsmittel und Medien
sorgten für gesteigerte Kommunikation. In die urbanen Zentren im Norden der USA siedelten nicht nur
ungebildete Arbeitssuchende, sondern hoch begabte afroamerikanische Künstler, die Kreativität
ausstrahlten und national wie international Anerkennung fanden. Die neue Kultur war aber auch
Zeichen einer Identitätsveränderung, die von einer sich etablierenden schwarzen Mittelschicht ausging.
In deren Umfeld bildeten sich in New York kulturelle Szenen, in denen Afroamerikaner  Musiker,
bildende Künstler, Literaten, Intellektuelle  Anziehungspunkte waren. Unter den Intellektuellen stach
der Philosoph Alain Locke (1886-1954) hervor. Als „Vater von Harlem“ hatte Locke, der in
29
Washington D.C. an der Howard Universität lehrte, die Figur des „Neuen Schwarzen“ ins Leben
gerufen: The New Negro besaß ein erstarktes Selbstbewusstsein, forderte Bürgerrechte ein, wehrte sich
gegen diskriminierenden Segregationspraxen und hatte freundschaftlichen Kontakt zu liberalen
Weißen.
Die
Harlem-Renaissance
besaß
eine
interkulturelle
und
interrassische
Kommunikationsstruktur mit mehrheitlich afroamerikanischen Akteuren. Der politisch links stehende
weiße Schriftsteller Max Eastman (1883-1969) spielte in der Harlem Renaissance eine wichtige Rolle.
Eastmann wiederum war Dewey freundschaftlich verbunden, bei dem er studiert hatte.
Im Jahrzehnt nach dem Ersten Weltkrieg erhielt diese neue, vor Vitalität strotzende amerikanische
Kultur durch den Zuzug vieler afroamerikanischer Künstler in die großen Metropolen ihren Glanz.
Dennoch bleibt die Harlem-Renaissance im Gesamtwerk Deweys unerwähnt. Für seine Vorlesung über
„Art as Experience“cxx von 1934 spielte sie, auch wenn Dewey dazu schwieg, eine Rolle. Darauf
verwies George Hutchinson.cxxi In seiner bedeutenden Studie über die Harlem-Renaissance erwähnte
Hutchinson auch Deweys Begeisterung für afrikanische Kunst und gewisse geistige Gemeinsamkeiten
von Dewey und Alain Locke. Das betraf die Philosophie wie die Ästhetik. Deweys Bekanntschaft mit
Künstlerkreisen in Harlem wurde durch die Freundschaft mit dem Kunstsammler Albert C. Barnes und
mit Max Eastman intensiviert. Dewey lernte in Harlem afroamerikanische Literaten kennen, ebenso
ihre Texte. Zu einem Gedichtband des Harlem-Poeten Claude McKay schrieb er später ein
Vorwort.cxxii. Er sprach gelegentlich im Harlemer YMCA-Haus.cxxiii Dessen ungeachtet: Trotz
anscheinend boomender Ökonomie und Kultur blieb die amerikanische „Demokratie“ innenpolitisch
immer noch schwach: Nach den Rassenunruhen 1919 hatten Gewalt und Lynchmorde in den USSüdstaaten keineswegs ihr Ende gefunden.
9.
Exkurs: Pragmatismus und Eugenik  kein Thema für Dewey?
Deweys Stellung zur Eugenik, die nur durch eine begrenzte Zahl von Aussagen in seinem Werk erhellt
wird, ist historisch angemessen einzuordnen, wenn man sie auf dem Zeithintergrund des
Progressivismus sieht. „Der Einfluss des Darwinismus und der Eugenik ist für das Zeitalter des
Progressivismus kaum zu unterschätzen“, schrieb der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler
Thomas C. Leonhard 2005, der den historischen Zusammenhang zwischen Progressivismus, Eugenik,
Rassismus und Wirtschaftsleben untersuchte.cxxiv
In der Ära des Progressivismus wurden in den Machtzentren der liberalen amerikanischen
Demokratie erstmals zukunftsweisende Strategien (policies) sozialer und wirtschaftlicher Kontrolle
entwickelt. Die neuen Steuerungsinstrumente betrafen vor allem die mit Hilfe eugenischer Maßnahmen
beeinflusste Bevölkerungspolitik sowie die Einwanderungs-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Die
revolutionären Einsichten der Biologie spielten im Fortschrittsdenken der Zeit eine große Rolle. Die
Eugenik wurde als wirksames Mittel der Zukunftssteuerung einer Gesellschaft erkannt, die sich ihrer
Angewiesenheit auf hohe Intelligenzleistungen bewusst wurde, um Wohlstand und Fortschritt aufrecht
zu erhalten. Gut 100 Jahre zuvor, 1798, hatte der englische Geistliche und Ökonom Thomas Robert
Malthus (1766-1834) unter Hinweis auf das Zurückbleiben der Nahrungsmittelproduktion gegenüber
dem Bevölkerungswachstum die Übervölkerung der Welt mit daraus resultierender Sozialnot für die
zunehmende Masse der Armen prognostiziert. Malthus’ These beeinflusste nicht nur Charles Darwin
sondern darüber hinaus die Gesellschaftstheorien des amerikanischen Progressivismus. Die Eugenik
konnte mithelfen, das Problem zu lösen. Die eugenische Grundforderung an Staat und Gesellschaft in
der Ära des Progressivismus war simpel: Sie lautete, die Geburtenrate der Leistungsfähig(st)en the
fittest in sozialdarwinistischer Sprache  zu fördern und die Fortpflanzung der erblich Minderwertigen
30
zu verhindern. Zu ihnen gehörten unter anderem Schwachsinnige, Geisteskranke, Gewohnheitstrinker,
Gewaltverbrecher, Sexualstraftäter.
Sieht man die Unfruchtbarmachung der erblich „Minderwertigren“als Kerngeschäft der Eugenik an,
leuchtet ein, dass damit auch ein zentrales Anwendungsfeld für den Pragmatismus erschlossen wurde,
der Handeln und Erfolg als Kriterium der Richtigkeit seiner Doktrin verstand. Aber die Bedeutung, die
die Eugenik im frühen 20. Jahrhundert in der westlichen Welt besaß, geht weit hinaus über eine
einzelne philosophische oder weltanschauliche Sicht. In der Vielzahl der Länder, in der lange vor Hitler
die erwähnte Grundforderungen der Eugeniker Widerhall fanden, wurde Eugenik zum Signum für
modernes, wissenschaftsorientiertes Denken im sozialen Raum, das soziale Kontrolle und Orientierung
am Gemeinwohl ermöglichen sollte.
Heutige Generationen erfüllt die eugenische Sicht von damals eher mit Scham. Die Erinnerung an
die NS-Ära mit der Vernichtung des sogenannten „lebensunwerten Lebens“ die durch Führerbefehl ihre
Ausweitung zur massenweisen Ermordung von Pfleglingen in Tötungsanstalten erfuhr, hat eine
absolute moralische Grenze in der historischen Erinnerung wieder bewusst gemacht und hält sie
aufrecht.cxxv
Die Eugenikbewegung gehört heute zur Geschichte Europas wie Amerikas. Ihre hervorragende
Bedeutung in den USA ergab sich aus dem besonderen Interesse an der sozialtechnologischen
Verbesserung der Gesellschaft auf der Basis naturwissenschaftlicher Erkenntnis, aus dem Interesse für
die neuen Methoden der Ermittlung der kognitiven Leistungsfähigkeit des Individuums durch objektive
Testverfahren, aus dem Interesse der Einwanderungsbehörden, nur psychisch gesunden,
bildungsfähigen und unbescholtenen Immigrationswilligen die Einwanderung zu gestatten, aus dem
Interesse der Bundesstaaten der USA die Sozialbudgets für lebenslang gesellschaftlich untaugliche
Personen, zumeist Anstaltsinsassen, möglichst gering zu halten. Die Unfruchtbarmachung von „erblich
Minderwertigen“ nährte die Hoffnung der Progressivisten, mit der unterstellten substanziellen
Verbesserung des genpools der Bevölkerung, das soziale und ökonomische Potential der Gesellschaft
zu steigern.
Dewey erlebte die Anfänge und die Blütezeit der Eugenik in den USA. Eine absolute
Gewissensethik müsste eugenischen Eingriffen widersprechen, sofern diese zwangsweise erfolgen und
Eugenik somit nicht auf Prophylaxe, Aufklärung und Beratung beschränkt bleibt. Dewey misstraute
ethischen Absolutheitsforderungen, und in der pragmatisch-progressiven Demokratie, die den
sozialtechnologisch erzielten Fortschritt höher stellte, als dass er vom individuellen Widerstand der
durch eugenische Maßnahmen Betroffener hätte in Frage gestellt werden können. erfolgte die
Anwendung der neuen eugenischen Gesetze wirksam und gnadenlos, ohne dass ihre Praxis in der
Öffentlichkeit sichtbar wurde.
Die amerikanische Eugenikbewegung agierte nach der Jahrhundertwende derart erfolgreich, dass in
den nachfolgenden Jahrzehnten die große Mehrheit der US-Staaten Sterilisationsgesetze erließ,
beginnend mit dem „Gesetz zur Verhütung der Fortpflanzung der unverbesserlichen Verbrecher,
Idioten, Imbezilen und Notzuchtverbrecher“ des Bundesstaates Indiana 1907. In den Folgejahren
folgten dem Trend weitere Bundesstaaten, auf der Basis demokratisch legitimierter Gesetze
gewohnheitsmäßige Trinker, Epileptiker, Sexualstraftäter, Behinderte und Schwachsinnige nach
vorheriger ärztlicher und juristischer Prüfung zu sterilisieren. Das war „pragmatisch“ und besaß für die
rassenhygienischen Bewegungen in Europa Vorbildwirkung.cxxvi In einigen der neuen
Sterilisationsgesetze wurden Experten-Kommissionen verpflichtet, die Gefängnisse, Fürsorgeanstalten
und Heime systematisch zu inspizieren, um alle Insassen entsprechend den Vorschriften auf ihre
31
Sterilisationsbedürftigkeit hin zu untersuchen. Auch der Staat New York hatte 1912 eine gesetzliche
Einführung der Sterilisation vorgenommen. Die am Bureau of Analysis and Investigation neu
eingerichtete Abteilung für Eugenik und Volkswohlfahrt (eugenics and social welfare) veröffentlichte
dazu ein Programm, in dem es hieß:
„Eine leistungsfähige Regierung betrachtet nicht nur das unmittelbare Glück des Volkes, sondern
nimmt auch auf ihre zukünftigen Bürger Rücksicht und strebt deshalb eine Verbesserung der Rasse an.
Das öffentliche Wohl fordert die Verhütung der Fortpflanzung bei den Entarteten ... Jedes menschliche
Wesen hat ein Recht ‚wohlgeboren’ zu sein, mit anderen Worten, einen gesunden Verstand in einem
gesunden Körper zu erben. Beide sind durch eine gute Erbschaftsmasse bedingt und benötigen eine
günstige Umgebung zur Entwicklung. Es ist bekannt, dass die Kinder der geistig Minderwertigen, dank
ihrer ererbten Mängel, zu Unterstützungsbedürftigen, zu Verbrechern, Dirnen und Trinkern werden.
Um die Rasse zu veredeln und den Staat von einer überflüssigen Steuerlast zu befreien, müssen die
minderwertigen Bevölkerungsschichten von der Fortpflanzung ausgeschaltet“ werden.cxxvii
Betroffene Personen ohne Aussicht auf Besserung sollten nach eingehender juristischer und
medizinischer Prüfung jedes Einzelfalles unter Anwendung bestehender gesetzlicher Bestimmungen
unfruchtbar gemacht werden können, auch gegen ihren Willen. Eine derartige Aussage war Bestandteil
eines allgemein akzeptierten Begründungszusammenhanges, der mehrheitlich der Sicht der weißen
Mittelklasse-Gesellschaft Amerikas und der meisten Intellektuellen entsprach. Dass sowohl die
Methoden der Diagnostik als auch im Einzelfall die Entscheidung über die Anwendung der
Sterilisationsvorschrift einen bedeutenden Unsicherheitsgrad aufwiesen, der in der Entscheidungspraxis
der Verantwortlichen in den Hintergrund trat, war Bestandteil der Normalität der Arbeit derartiger
Expertengremien. Zur Normalität gehörte auch, dass sie Bestandteil des wissenschaftlichen Rassismus
war: Bevölkerungsgruppen, denen die Objektivität wissenschaftlicher Untersuchungen bescheinigte,
dass sie schwächere intellektuelle Leistungen zeigten, wie dies bei Afroamerikanern, bestimmten
Gruppen von Emigranten und Angehörigen der unteren sozialen Klassen der Fall war, wurden verstärkt
Opfer der amtlichen Sterilisierungspraxis.
Bundesrichter Oliver Wendell Holmes, 1872 Mitglied des „Metaphysical Club“ und später einer der
bedeutendsten Rechtstheoretiker der USA, sprach 1927 im Rechtsstreit Buck v. Bell für die Mehrheit
des Supreme Court, als er das Sterilisationsgesetz des Bundesstaates Virginia für verfassungskonform
erklärte  vereinbar mit dem 14. Zusatz der US-Verfassung, der dem Staat Eingriffe in Leben, Freiheit
und Besitz der Bürger ohne ordentliches Gerichtsverfahren verbietet. Berühmt wurden die Worte, die
Wendell Holmes dem höchstrichterlichen Urteil, das die Vollstreckung einer Zwangssterilisation
rechtfertigte und in der amerikanischen Öffentlichkeit als Billigung der allgemeine Praxis der
Unfruchtbarmachung von Schwachsinnigen (feeble-minded) galt, aus eigenem Antrieb hinzusetzte:
„Drei Generationen von Imbezilen sind genug!“cxxviii Das war kerniger Rechtspragmatismus, für den
Wendell Holmes bekannt war.
Der kanadische Psychologe John M. MacEachran (1877-1971) hatte 1910 über das Thema
„Pragmatismus“ bei Wilhelm Wundt in Leipzig promoviert und dabei auch Deweys frühen
Pragmatismus in einem positiven Licht dargestellt. Nach weiteren Studien bei H. Bergson und A. Binét
in Paris übernahm er an der Alberta University in Edmonton eine Psychologie-Professur. 1928 wurde
er chairman des board, welches nach dem Alberta Sterilization Act in Kanada besonders rigoros
vorging bei der Durchführung des Gesetzes, Schwachsinnige (feebel-minded), zu sterilisieren.cxxix
Thomas C. Leonhard betont heute, dass die Eugenik in den USA keinesfalls eine dem
Progressivismus widersprechende Bewegung war, sondern in der Bezugnahme auf die soziale
32
Gemeinschaft eine die sozialen und wirtschaftlichen Überlegungen des Fortschrittsdenkens
stimulierende Funktion besaß. Sie stimmte auch mit den gemeinschaftsbildenden Aspekten von
„Demokratie“ überein. Herbert Croly, ab 1914 Herausgeber des linksliberalen Politikmagazins „The
New Republic“, zu deren wichtigsten Autoren John Dewey gehörte, hatte in seinem Buch „The
Promise of American Life (1909) das wichtigste Werk nach der Jahrhundertwende über die liberale
amerikanische Demokratie geschrieben. Es beinhaltete unter anderem den Gedanken, durch eine starke
Zentralgewalt des Staates die amerikanische Gesellschaft mit dem Mittel künstlicher Selektion der
Besten langfristig eugenisch formen zu können:
„Wenn man in gutem Glauben und mit hinreichender Intelligenz eine Selektionsstrategie verfolgt,
wird die Nation zumindest aus ihren Fehlern lernen. Sie wird allmählich die Art und die Methoden der
Selektion herausfinden, die am wünschenswertesten sind und inwieweit aktive Selektion gegenüber
einer Selektion durch Nichteingreifen den Vorzug erhalten soll.“cxxx
Unter den Gründungsvätern des Pragmatismus war es der von Dewey hochgeschätzte Frederick
Canning Scott Schiller (1864-1937), der die Eugenik als wichtigstes Instrument zur Verbesserung der
demokratischen Gesellschaft ansah. Der ab 1897 in Oxford lehrende Philosoph F.C.S. Schiller wurde in
den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts zum bedeutendsten Vertreter des Pragmatismus in Europa,
ab 1930 lehrte er als Professor an der Universität von South California. 1932 veröffentlichte er das
Buch „Social Decay and Eugenical Reform“.cxxxi Sein Pragmatismus wurde stark durch William James
geprägt, seine politischen Überzeugungen waren nicht allzu weit von denen Deweys entfernt. Das
betraf das Eintreten für die Demokratie im Allgemeinen, im Besonderen jedoch war die Sorge um die
Zukunft der Demokratie, anders als bei Dewey, von dem Gedanken geprägt, dass die negative Eugenik
(Sterilisation) ein Mittel sein könnte, die demokratische Gesellschaft vor Fehlentwicklungen zu
bewahren. Denn Modernität und Fortschritt seien mit einer Zunahme von gesellschaftlicher
Komplexität verbunden, die zu ihrer Steuerung hohe Intelligenz benötigt.
Nach F.C.S. Schiller drohe der Demokratie von zwei Seiten Gefahr: Eine uneingeschränkte
Vermehrung der Schwachsinnigen bzw. der mit Erbdefekten Belasteten (defectives) mit hoher
Geburtenrate sei die eine Gefahr. Die andere bestehe in der Selbstlähmung der besten Kräfte der
Gesellschaft durch Korruption und Missbrauch demokratischer Strukturen als Folge der Unfähigkeit,
der Komplexität der modernen Demokratie Herr zu werden. Der politische Niedergang habe zur
sterilisation of the fittest geführt  mit der Folge, dass Diktaturen, seien sie faschistisch, seien sie
kommunistisch, an die Stelle demokratischer Gesellschaften treten.
Die eigentliche Lösung des Problems, den Verfall der modernen Gesellschaft zu verhindern, sah
Schiller nicht in der negativen, sondern in der positiven Eugenik. Sie bedeute die Etablierung einer
neuen Moral, die Erziehung zu eugenischer Verantwortung des Einzelnen für die Gesellschaft
beinhalte. Ganz im Sinne des Deweyschen Instrumentalismus sah Schiller die Moral nicht als etwas
Absolutes oder Abstraktes, sondern als etwas Lebenspraktisches an, dessen Wert jeweils von jenem
gesellschaftlichen Kontext bestimmt werde, in welchem sie ihre Wirkung entfaltet. Auch die
Demokratie ist  nach Schiller wie nach Dewey  kein Selbstzweck, sondern ein Mittel, ein besseres
Leben zu erreichen. Schiller unterstellte die eigenen Vorschläge zur eugenischen Melioration der
Gesellschaft nicht einer bindenden Norm, sondern dem Versuch-Irrtum-Lernen, da dies der
erfolgreichste Weg des Lernens überhaupt sei. Die Gesellschaft müsse ausprobieren können, welches
der beste Weg sei. Denn die Gefahr von Fehlentwicklungen durch Festhalten an überholten
Vorstellungen sei immer gegeben.
33
Ähnlich wie Dewey sah Schiller Fehlentwicklungen der Demokratie zum einen in der Tendenz,
prinzipielle Gleichheit durch Herrschaftsstrukturen der Oligarchie zu ersetzen, zum anderen befürchtete
er bei zunehmendem Bürokratismus und bei abnehmender Geburtenrate der Eliten den Niedergang der
demokratischen Gesellschaft.
Schiller begrüßte die eugenisch bestimmte Arbeitsmarktpolitik des amerikanischern
Progressivismus, die höhere Löhne für qualifizierte Arbeiter propagierte, um gleichzeitig mittels
technischen Fortschritts den Anteil einfacher Arbeiten in der Industrie zu verringern. Malthus hatte
„Bildung“ für die Armen empfohlen, um ihnen die Möglichkeit zu geben, sich von ihrem
Klassenschicksal durch sozialen Aufstieg zu lösen. Demgegenüber sahen manchen Vertreter des
Progressivismus  und mit ihnen F.C.S. Schiller  in der Eugenik langfristig das wirksamere Mittel,
durch Ausschaltung der geistig Minderbemittelten wie durch Stärkung der Geburtsleistung der
Führungsschichten zu besserer Leistung und Bezahlung von Industriearbeit zu kommen. Schiller lehnte
die Herrschaft der Weißen über andere Rassen als antidemokratisch ab. Ungerechte Herrschaft, Gewalt
und Krieg seien keine geeigneten Mittel, Herrschaft auf Dauer aufrecht zu erhalten. Die Demokratie
müsse sich auf sich selbst besinnen und ihre guten Kräfte vervollkommnen.cxxxii
Die Eugenik stellt ein naheliegendes Anwendungsfeld für den Pragmatismus dar. Wenn F.C.S.
Schiller sich als Verteidiger der Demokratie dem eugenischen Reformgedanken zuwandte, war das
nichts Unnormales. Seine Sprache war sozialdarwinistisch soweit sie die negative Eugenik betraf,
bezüglich der positiven Eugenik äußerte sich Schiller besonders optimistisch. Die Vorschläge von
„damals“ zu beiden Bereichen der Eugenik erinnern heute nur zu stark an die Sterilisierungspraxis im
NS-Staat und die Aufnordungsversuche der SS durch „Lebensborn e.V.“ 1932 jedoch war die Reaktion
auf Schillers Vorstellungen bei angloamerikanischen Rezensenten durchaus positiv. Einige wurden
vonm Verlag als Werbungshinweis auf der letzten Seite des Schillerschen Buches abgedruckt. So
schrieb der Observer (Übers. H.R.): „In diesen Essays zeigt Dr. Schiller die seltene Fähigkeit,
akademische Vernunft und praktische Überlegungen miteinander zu vermählen. Sein Eintreten für die
Eugenik ist das Überzeugendste, was bisher der Öffentlichkeit vorgelegt wurde.“ Christian World
urteilte: „Dr. Schillers Fakten und Argumente sind völlig überzeugend.“
Schillers sah auch die Bedrohung der Gesellschaft durch eine „eugenische Aristokratie“, aber er
überließ es letztlich dem Leser abzuwägen zwischen der Gefahr, die Demokratie dem sozialgenetischen
Niedergang preiszugeben oder sich jenen Herausforderungen zu stellen, mit denen die eugenisch
gesteuerte Gesellschaft rechnen muss. Das war pragmatisch gedacht und entsprach dem
„Humanismus“ wie Schiller seinen Pragmatismus nannte. Das Erschreckende ist: Wenn die Moral 
wie im Pragmatismus Schillers oder auch Deweys  keine absoluten Grenzen setzt oder anerkennt,
kann auch in der Demokratie Unmenschliches von Staats wegen geschehen und als „human“
gerechtfertigt werden.
Nach dieser Einführung in den Zeitkontext, wenden wir uns Dewey zu. Er war mit Sicherheit kein
Eugeniker, aber er war auch kein Gegner der Eugenik. Der Begriff eugenics taucht in seinem Werk nur
viermal auf. Dewey setzte nach der Jahrhundertwende der amerikanischen Eugenikbewegung kein
Argument entgegen. Für ihn war eugenics nur eines unter den vielen anderen sozialen Problemen.
Weder lobte noch kritisierte er die Eugenikbewegung. Er ging auffallend behutsam und sparsam mit
dem Eugenikbegriff um.
Am Ende der Zweitauflage seiner „Ethik“ (1932), dem Gemeinschaftswerk mit James H. Tufts,
widmete sich Dewey im Kapitel „Heirat und Familie“ zunächst Fragen der Überpopulation. Er drückte
sich vorsichtig aus, ließ aber keinen Zweifel daran, dass im Falle von Übervölkerung mit kruderen
34
Formen der Zivilisation zu rechnen sei. Der Versuch der Rechtfertigung eines Staates mit Hilfe des
Übervölkerungsarguments ein anderes Land zu besetzen (man wird an die deutschen „Volk ohne
Raum“-Kampagnen vor und nach 1933 erinnert) hieße, Deweys Auffassung zufolge, dem bestehenden
Übel ein zweitens hinzuzufügen. Doch letztlich gebe es kein vernünftiges Argument, das die
Richtigkeit der Übervölkerungsthese beweise. Es komme nicht auf die Quantität, sondern auf die
Qualität an. Was er damit meinte, formulierte Dewey so:
„Wenn man einräumt, dass unser Wissen über Eugenik bisher sehr unvollkommen ist, bleibt die
Annahme durchaus vernünftig, dass alle Kinder von gesunden Eltern über eine bessere leibliche
Ausstattung (physical organism) verfügen als Kinder von kranken oder schwachsinnigen Eltern, ebenso
dass für Kinder von gebildeten Eltern wahrscheinlich besser vorgesorgt ist und sie besser vorbereitet
sind, ihre Rolle im Leben wahrzunehmen, als dies für Kinder ignoranter Eltern gilt.“cxxxiii
Die Aussage war im Zeitalter wissenschaftlicher Umwälzungen alles andere als eine markante
These. Sie besaß common sense-Qualität, vergleichbar mit dem Satz: Zucker schmeckt süß. Dewey sagt
mit ihr nicht etwas, das Widerspruch herausforderte oder nach Bestätigung lechzte.
Interessanter für unser Thema ist, dass Dewey sich anschließend mit dem Rückgang der Kinderzahl
in den Familien der Akademiker und Gebildeten beschäftigte. Viele ernsthafte Studierende, gab Dewey
zu bedenken, würden die Frage, wie die besten genetischen Anlagen der Gesellschaft erhalten bleiben
können, als ganz zentral betrachten. Dewey ging darauf ein und verwies auf Studien, die in der Tat eine
Abnahme der Geburtenrate bei den höheren Sozialschichten feststellten. Dies sei als Ergebnis des
Modernisierungsprozesses zu deuten: Längere Bildungszeiten, Verschiebung des Heiratsalters nach
oben und die Dynamik des modernen Leben führen, wie Dewey zu verstehen gab, zu einer
Beschränkung der Kinderzahl, die Agrargesellschaften nicht kannten. Dewey deutete diese Tendenz für
die amerikanische Gesellschaft seiner Zeit auch als ein sich ausbreitendes Phänomen von Luxus und
Gewohnheit. Der einzelne versäume seine Pflichten gegenüber der Gesellschaft, die offenbar in Gefahr
sei, vernachlässigt zu werden:
„Schon die Tatsache, dass Viele versagen, wenn es darum geht, ihren Beitrag für die Mitgliedschaft
in einer besseren Gesellschaft zu leisten, lässt es umso wichtiger erscheinen, dass diejenigen, die in
guter Verfassung und fähig sind, ihren Teil dazu tatsächlich beisteuern. Indem sie ihrer Pflicht
nachkommen, werden sie gewiss eine Bereicherung ihres Lebens in der Freude und Erfüllung der
Verheißung erblicken, eins zu sein mit dem großen Strom des Lebens und Arbeitens, der eine der
tieferen Quellen von Genugtuung darstellt.“cxxxiv
Dewey hätte seinen jüngeren Kollegen auch zurufen können: „Zeugt mehr Kinder, ihr seid als
Privilegierte dazu in der Pflicht, euren Beitrag für die künftige Gesellschaft zu leisten!“ Stattdessen
bewegte er sich in allgemeinen Andeutungen. Er konnte damit allerdings nicht verbergen, dass er
gleichwohl die Kernbotschaft positiver Eugenik vermittelte. Im Prinzip hatte auch F.C.S. Schiller nichts
anderes im Sinn, als an die moralische Pflicht des Gebildeten zu appellieren, unbedingt Sorge zu tragen
für die Überlebensfähigkeit der Gesellschaft durch ein höheres Geburtenaufkommen.
Heutige Anhänger Deweys argumentieren, dass er die Eugenik von vornherein abgelehnt habe.
Seine kritische Haltung gegenüber Eingriffen des Staates in das Leben der Bürger, seine Abneigung
gegenüber Testmessungen mit selektierender Funktion, sein Eintreten für Hilfsbedürftige sprächen
einfach dagegen, dass Dewey sich für die Eugenik hätte erwärmen können. cxxxv Doch Deweys
Schweigen zur keineswegs menschenfreundlichen Realität negativer Eugenik wird damit eher
verdrängt als offengelegt.
35
Nachdem bis 1930 dreißig Bundesstaaten der USA Sterilisationsgesetze besaßen, die die gesetzlich
verordnete negative Eugenik allgemeine Praxis werden ließen cxxxvi und Eugenik in höheren Schulen
und Universitäten der USA zu einem anerkannten Lehrgebiet geworden war, ist erstaunlich, dass
Dewey als Anwalt der Demokratie dazu in keiner Weise Stellung bezog, wie immer auch diese
Stellungnahme ausgefallen wäre. Da er mehrfach betonte, dass jedes Individuum durch die Gesellschaft
die Chance erhalten müsse, entsprechend seinen Möglichkeiten sich selbst zu verwirklichen, ist die
Erwartung, von ihm als der moralischen Instanz der amerikanischen Nation eine Stellungnahme zur
Eugenik zu erhalten, keineswegs abwegig. Umso mehr überrascht sein Schweigen. Das Schicksal der
Sterilisation, das die amerikanische Gesellschaft durch demokratisch vollzogene Gesetzgebung
Schwachsinnigen und weiteren Randgruppen der Gesellschaft auferlegte, stand dermaßen krass in
Widerspruch zu Deweys Forderung nach Selbstverwirklichung für alle Menschen, dass diese
Diskrepanz selbst einem Schwachsinnigen auffallen musste  und Dewey war nicht schwachsinnig.
Andererseits ist Dewey nicht haftbar zu machen für das Nichteinlösen von Erwartungen kritischer
Interpreten nachfolgender Zeiten. Schließlich hatte Dewey schon in seiner Chicagoer Sommer-Vorlesung „Evolution and Ethics“, 1898, deutlich gemacht, dass survival of the fittest nicht ein Prinzip ist,
das in irgendeiner Weise dazu dienen darf, die Schwachen der Gesellschaft  die Kranken, geistig
Behinderten und Alten  in den Tod zu schicken, um die Lebenschancen der anderen zu erhöhen. Im
Gegenteil: Es ginge darum, für die Hilflosen der Gesellschaft Vorsorge zu treffen, um der Solidarität
willen und der mitmenschlichen Verbundenheit mit ihnen. In gleicher Weise betonte Dewey 1931 in
einer Rundfunkrede, wie wichtig es sei, sozial benachteiligte, behinderte oder delinquente Jugendliche
besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Besondere Bildungseinrichtungen nicht nur für blinde und
taube Kinder, sondern auch für körperlich und geistig Behinderte seien in den letzten 20 Jahren deshalb
zu Recht vermehrt worden.cxxxvii Das ist  indirekt  eine klare Absage an sozialdarwinistische
Eugenik.
Deweys Zurückhaltung, sich gegenüber der Eugenik zu äußern, ist vergleichbar mit seinem
Schweigen zu Segregation und Diskriminierung von Afroamerikanern. Das Problem war von ihm
durchaus erkannt worden, es wurde sogar angetippt, aber nicht im Detail verfolgt. Warum? So zu
handeln war pragmatisch und weise, alles andere hätte zu Schwierigkeiten geführt, könnte man meinen,
aber dies ist die Spekulation. Sie macht deutlich, dass man als Interpret nicht nur von Dewey lernt,
sondern sehr viel über sich selbst wahrzunehmen beginnt  wie die Einsicht in die eigenen
Begrenztheiten  bei dem unzulänglichen Versuch, ihn zu „erklären“, wenn er dazu nichts gesagt hat.
So bleibt das Problem weiter bestehen, unsichtbar  wenn es überhaupt ein Problem Deweys ist und
nicht ein Dilemma des Interpreten. Unter diesem Vorbehalt stehen die abschließenden Ausführungen.
In Deweys Texten war allgemeine Kritik an der amerikanischen Gesellschaft normal  Kritik an
bestehenden sozialen Barrieren, Vorurteilen, Egoismus und Konservatismus. Doch je offensichtlicher
sich das Unrecht konkret zeigte, desto allgemeiner blieb Dewey in seiner Kritik. Diese Kritik fand fast
immer im Modus einzelner allgemeiner Forderungen statt. Zum Gegenstand einer im Horizont
gesellschaftlicher Zustandsveränderungen operierenden Analyse konkreter historischer, ökonomischer,
politischer Bedingungsvariablen wurden Deweys Mahnungen selten.
Einer fortentwickelten Eugenik räumte Dewey sogar die Möglichkeit ein, die vielfältigen Formen
sozialer Kontrolle, die Institutionen der Gesellschaft über das Individuum ab seiner Geburt ausüben, zu
durchbrechen.cxxxviii Deweys Blick auf zukünftige Entwicklungen hatte vielleicht etwas anderes im Sinn
als die heutige Humangenetik, aber im Prinzip lag er mit diesem Hinweis, der die Gentechnik als
Zukunftsprojekt berührte, gar nicht falsch. Dabei bleibt offen, ob die Inanspruchnahme Deweys durch
36
die moderne Bioethik als den Kronzeugen für pragmatisches Vorgehen bei gewünschten
Veränderungen des genetischen Materials tatsächlich seinen Beifall gefunden hätte. In unserer Epoche
berief sich der Bioethiker Glenn McGee in seinem Buch „The Perfect Baby“ auf den Instrumentalismus
Deweys. Die Kinder sollen durch Gentechnik möglichst alle gleich perfekt werden. Es ging McGee
darum, Deweys Konzept als Sozialtechnologie zu Legitimation der Gentechnik einzusetzen. Genetische
Tests und Eingriffe in die Erbsubstanz sollen nach McGee eine erhöhte Lebensqualität
gewährleisten.cxxxix
Als bekennender Naturalist besaß Dewey eine organologische Vorstellung vom Kind wie von der
Welt. Kind und Gesellschaft können technisch mit Hilfe intelligent eingesetzter tools verbessert
werden. Das hat etwas mit dem naturhaften wie mit dem aufklärerischen Begriff von Wachstum zu tun.
Es geht darum, das Naturprodukt „Mensch“ einerseits wachsen zu lassen, andererseits ihm durch
Einsatz von Mitteln die gewünschte Gestalt zu geben. Was das „Gewünschte“ sein sollte, überließ
Dewey dem Inquiry als der von ihm entwickelten Untersuchungsmethode für alle gesellschaftlichen
Probleme. Doch er unterließ es, beispielsweise für die Klärung der die Eugenik betreffenden Fragen,
Inquiries vorzuschlagen.
Klassische Leitbilder naturalistischer Erziehung sehen im Pädagogen den Gärtner, der für gute
Wachstumsbedingungen sorgt, aber im Falle von Missbildung zum Instrument greift, um sie
auszuschneiden. Aber Dewey mit der Rousseausche Gärtner-Pädagogik gleich zusetzen, würde
sachlich unangemessen sein und weckte, da dieser Vorwurf gegen ihn tatsächlich erhoben wurde,
seinen Widerspruch. Generell wollte Dewey sich in seiner Philosophie nicht festlegen lassen auf eine
bestimmte Richtung oder Position. So gilt zum Beispiel auch seine Zuordnung zum Progressivismus
nur unter Vorbehalt. Die begriffliche Unschärfe seiner Philosophie, die gewollt war, weil sie Probleme
löste, die sonst am Widerstand des Prinzipiellen hätten scheitern müssen, trug dazu bei, dass
„Missverständnisse“ seiner Ansichten eher die Regel als die Ausnahme waren.
10.
Progressivismus und Rassenfrage in der Zeit der großen Depression
Nach der Emeritierung 1930 hielt Dewey keine Vorlesungen mehr, widmete sich aber weiterhin
Forschung und Veröffentlichungen. Neu war: Er stieg in die Politik ein. Die ökonomische Depression
Amerikas ab Herbst 1929 brachte auch den liberalen Progressivismus in eine Krise. Dewey kritisierte
nun beide großen Parteien Amerikas, die Demokraten und die Republikaner, gleicherweise heftig.cxl Er
warb für jene politische Gruppierung, die sich als dritte Kraft im Lande verstehen wollte. Sie nannte
sich League for Independent Political Action (LIPA) und trug das politische Profil Deweys, blieb aber
eine politisch durchaus heterogene Sammlungsbewegung sozialistischer wie liberaler Intellektueller.
Dewey wurde Sprecher (spokesman) und Vorstand (chairman) dieser seit Ende 1928 existierenden
Gruppe, die sich ausdrücklich nicht Partei nannte, in der Öffentlichkeit aber selbstverständlich so
gesehen wurde. Dewey suchte die neue Gruppierung bekannt zu machen. Hatte Deweys Mitgliedschaft
in der NAACP bis dahin eher symbolische Bedeutung, veränderte sich dies jetzt, wenn auch nur bei
einer einzigen Gelegenheit: Anlässlich der 23. Jahresversammlung des NAACP 1932 hielt Dewey eine
Ansprache, in der er auf die bedrückende Lebenssituation der Afroamerikaner einging. Dabei erwähnte
er auch die Untaten des Ku-Klux-Klan. Doch letztlich subsumierte er das Unrecht, das den
Afroamerikanern zuteil wurde, unter die sozialen Nöte der Nation in der Krisenzeit, verbunden mit der
sanften Aufforderung, der neuen Sammlungsbewegung, die er selbst als chairman repräsentierte, zu
folgen. Du Bois, der inzwischen in der NACCP eine führende Funktion einnahm, war in der LIPA als
vice-chairman einer von mehreren Stellvertretern.cxli
37
Dewey blieb einer der wenigen Meinungsführer des weißen Amerikas, die Afroamerikaner nicht als
Gegner, sondern als einflussreichen Fürsprecher betrachten konnten. Doch er hielt sich bedeckt mit
öffentlichen Sympathiebezeugungen für negroes. Der Sympathie im Grundsätzlichen war ein
kalkuliertes Vermeidungsverhalten vorgeordnet, sie öffentlich in den Vordergrund zu stellen. So
vermied Dewey den Text seiner Rede vor der NAACP 1932 in den Medien zu veröffentlichen. cxlii Die
Presse berichtete allerdings von Deweys Rede  und dies mit verhaltener Kritik, dass im Zeichen der
ökonomischen Krise die Afroamerikaner als Wählerpotential gewonnen werden sollten. So hieß es in
der New York Times vom 20. Mai 1932: „Dewey drängt Negroes neuer Partei zu folgen.“cxliii
Deweys Beschreibung des erfolgreichen Amerikaners. der für das in Europa negativ konnotierte
Schlagwort „Amerikanismus“ stand, hatte einen selbstironischen Anstrich, verbarg aber nur wenig sein
nationales Selbstbewusstsein. Es war das Selbstbewusstsein des weißen Amerikaners, für den Dewey
sprach, den schwarzen nahm er nicht wahr. Aus schwarzer Sicht beschrieb der afroamerikanische
Historiker Carter G. Woodson 1933 mit vergleichbarer, aber trauriger Ironie die erfolgreich abrichtende
Erziehung der Schwarzen durch die weiße US-Gesellschaft in seinem Buch The Mis-education of the
Negro:
„Wenn du Kontrolle hast über eines Mannes Denken, brauchst du für sein Handeln nicht Sorge
tragen. Du musst ihm nicht sagen, dass er hier oder dort zu stehen hat. Er wird seinen angemessenen
Platz von selbst finden und ausfüllen. Du brauchst ihn nicht zum Hinterausgang schicken. Er wird von
selbst dorthin gehen, ohne dass es ihm befohlen wurde. Tatsächlich, wenn dort keine Hintertür sein
sollte, wird er sie sich zu eigenem Nutzen durch die Wand brechen. Seine Erziehung macht das
erforderlich.“cxliv
Woodson, der an der Howard Universität lehrtecxlv, zeigte, dass Lehrpläne und öffentliche Erziehung
der Kontrolle der Weißen unterstehen. Schwarze lernen durch die öffentliche Erziehung nur weiße
Ideologie. Die eigene Vergangenheit und ihre gegenwärtige soziale Wirklichkeit aus eigener Sicht zu
erfahren werde Schwarzen vorenthalten. Selbst an Colleges für Schwarze müssen schwarze Dozenten
zu den Lehrbüchern der Weißen greifen  andere gibt es nicht. Das Wenige was dort über Black People
Erwähnung findet, rechtfertige ‚weißes’ Handeln und weist den Schwarzen ihren untergeordneten Platz
in der Gesellschaft der Weißen zu. Der so „erzogene“ Schwarze sei ein Opfer des ihn unterdrückenden
Systems. Woodson vertrat die These: Der nicht durch öffentliche Schulen erzogene Schwarze sei viel
erfolgreicher in der Gewinnung eigenen Selbstbewusstseins.
Dewey als der führende weiße Philosoph Amerikas hätte sich mit seinem Erziehungsanspruch und
dem Curriculum der Laboratory School durchaus in der Kritik Woodsons sehen können. Doch Dewey
war der Standpunkt Woodsons tatsächlich fremd, wenn er im Höhenrausch amerikanischer Ideale über
Freiheit und Gleichheit nachdachte. Letzteres geschah erstaunlich oberflächlich, ohne in die eigentliche
Dilemmastruktur der liberalen Demokratie einzudringen.cxlvi Diese Dilemmastruktur auszuloten hieße
zu erkennen: erstens dass gesetzlich erzwungene Gleichheit zur Herstellung von Gerechtigkeit zu
Lasten individueller Freiheit geht, zweitens dass das Konkurrenzprinzip (das Dewey nur kritisiert)
funktionale Folge einer sich liberal verstehenden Gesellschaft ist, drittens dass die Kontroll- und
Sicherungssysteme der Demokratie Bürokratie erzeugen muss. Ohne Kenntnis Max Webers (den Du
Bois von seinen Deutschlandaufenthalten her schätzen gelernt hatte), konnte Dewey Bürokratie nur
negativ begreifen. Sein Demokratieverständnis blieb meist abgehoben von strukturell-funktionalen
Analysen gesellschaftlicher Realität. Eine von ihm gelegentlich eingestreute Warnung vor rassischen
Vorurteilen wurde in ihrer Folgenlosigkeit zum moralischen Feigenblatt. für das Weiterbestehen des
Unrechts der weißen Mehrheitsgesellschaft gegenüber Afroamerikanern.
38
Deweys Bestreben, Schwarze für die LIPA zu gewinnen, erfuhr von Woodson deutliche Kritik, auch
wenn Woodson keine Namen nannte. Schwarze sollten nicht, so Woodson, auf die politischem Führer
der Weißen und ihre Parteien hereinfallen, sondern ihr gesellschaftliches Engagement gemeinsam mit
Schwarzen in einer konzertierten Aktion zum politischen Erfolg führen.cxlvii Es war allgemein bekannt,
dass die beiden großen Parteien, die Demokraten und die Republikaner, sich um die schwarze
Bevölkerung nur dann kümmerten, wenn sie als Stimmvieh gebraucht wurde. Und bei Dewey war das
nicht anders, gemessen an seinem aufs Ganze gesehen geringen Interesse für die Anliegen der NACCP.
Der Ruf nach politischer Selbstbesinnung, den schwarze Intellektuelle wie Woodson ertönen ließen,
führte zu einer Kehrtwende in der Einschätzung der bestehenden Segregation. Du Bois wertete sie nun
positiv  als Kampfansage an die weiße Gesellschaft. Die Forderung nach Beibehaltung der
Segregation kam aber auch aus den Schulen selbst, und zwar von schwarzer wie weißer Seite.
1932 hatte Woodson die  bis heute existierende  Zeitschrift The Journal of Negro Education
begründet. Es war das erste wissenschaftliche, Erziehungsfragen behandelnde Journal für Afroamerikaner. Die Zeitschrift wollte öffentliches Forum sein, Organ für Programmatik, Analyse und
Erforschung aller Afroamerikaner betreffenden Fragen der Bildung. Die Wiedereinführung der
schulischen Segregation in jenen Großstädten des Nordens, in denen sie bislang von den lokalen
Behörden vermieden wurde, nahm Ende der zwanziger Jahre rapide zu, als Folge einer
überdimensionalen Zuwanderung schwarzer Familien. Schwarze Lehrkräfte, die in Nur-schwarzenSchulen unterrichteten, setzten sich trotz schlechterer materieller Ausstattung und Überfüllung ihrer
Schulen nun sehr viel stärker für schulische Segregation ein. Zum einen um ihrer Schüler vor den
offenen oder verdeckten Diskriminierungen weißer Schüler wie Lehrer zu schützen, die in gemischten
Schulen an der Tagesordnung waren, zum anderen in dem Bewusstsein, dass sie als Schwarze ihrer
Schülerschaft Werte vermitteln konnten, die diese befähigte, in Würde zu leben. Schwarze Jugendliche
sollten gesellschaftliche Diskriminierung nicht mehr in sozialer Isolation hinnehmen, sondern soziale
Netze bilden und ihre Stimme öffentlich erheben.cxlviii
Weiße Schulleiter wiederum befürworteten Segregation, weil schwarze Kinder aus den Südstaaten,
denen basale Bildung fehlte, Klassen zugeordnet werden mussten mit sehr viel jüngeren weißen
Kindern, was Konflikte auf mehreren Ebenen verursachte, nicht zuletzt durch Elternproteste. Kleidung,
Outfit und Sprache machten den anderen kulturellen Hintergrund der überalterten schwarzen
Schülerschaft deutlich, aber auch ihre bedrückende Armut gegenüber den weißen Kindern in der
Klasse. So kam es, dass viele schwarze Pädagogen Nur-schwarze-Schulen forderten.
Obwohl Du Bois damit gegen eine zentrale, die Segregation bekämpfende Leitlinie der NAACP
verstieß, vertrat er 1935 in einem programmatischen Aufsatz die These, dass separate negro schools, in
denen schwarze Lehrkräfte schwarze Kinder als menschliche Wesen (nicht nur als Schwarze)
behandeln, unendlich besser seien als die rassisch gemischte Schule. Letztere mache schwarzen Jungen
und Mädchen zur Zielscheibe von Demütigungen aller Art. Es sei nicht hinzunehmen, betonte Du Bois,
angespuckt zu werden durch weiße ignorante Emporkömmlinge, deren einziger
Überlegenheitsanspruch darin bestehe, „Nigger“ noch zu treten, wenn sie schon unten liegen.cxlix
Dazu passte der erfahrungsgesättigte Hinweis von Du Bois, dass bekannte Universitäten wie
Harvard, Yale oder die Columbia Universität (die Lehrstätte Deweys), afroamerikanische Studierende
zwar dulden würden, sie dort aber keinesfalls willkommen seien, während sie in anderen renommierten
Universitäten wie etwa Princeton sich von vornherein nicht immatrikulieren dürfen.cl Wann hatte
Dewey je darüber geklagt?cli Welche Professoren als Fakultätskollegen Deweys waren black oder
colored während seiner Amtszeit? Anzunehmen ist, dass es sie in der Zwischenkriegszeit gar nicht gab.
39
Von Schülern und Doktoranden Deweys aus aller Welt wird berichtet. Aber wie viele Doktoranden
Deweys teilten das Schicksal, in den US-Staaten lebende Afroamerikaner zu sein? Und wie viele davon
wurden Professoren? Wenn ich richtig sehe, kamen Fragen dieser Art in der Dewey-Forschung, zumal
in der deutschen, nicht vor.
Im Grunde interessierte Dewey das Problem nicht. Mitte der dreißiger Jahre hatte er genug zu tun,
um Angriffe, die auf sein Erziehungskonzept gerichtet waren, abzuwehren und sich für den Erhalt
liberaler Prinzipien einzusetzen. Schüler ethnischer Minoritäten wurden in den dreißiger Jahren
vermehrt Opfer von Beleidigungen und Angriffen in der Öffentlichkeit. In den USA begann sich in
weiten Kreisen der Bevölkerung unverkennbar Sympathie für Antisemitismus, Faschismus und die
anscheinend so erfolgreichen Diktaturen in Europa auszubreiten. Die Progressivisten um Dewey
reagierten, indem sie sich zur Verteidigung linksliberaler Grundsätze als Abwehrfront reaktionärer
Angriffe präsentierten. Hatte Dewey schon 1922 von der intellektuellen „Front“ Amerikas
gesprochenclii, so wurde „Front“ nun zum Kampfbegriff der Progressivisten.
In einer umfassenden Analyse zeigte Ronald K. Goodenow, dass bei den Vertretern des amerikanischen Progressivismus bis Ende der dreißiger Jahre ein fast völliges Fehlen des Interesses festzustellen
war, sich der Realität rassisch und ethnisch bedingter Konflikte zuzuwenden. Es dominierte vielmehr
ein sozialer Rekonstruktivismus, der die Schule als soziales Agens für die Gesellschaft begriff und
derartige Konflikte unter die soziale Frage subsumierte, ohne sie im Einzelnen anzusprechen.
Abgesehen von den bekannten Versatzstücken progressiver bzw. Deweyscher Pädagogik, wie die
Pflege von „human understanding“, Toleranz und interkulturellem Verständnis, wurde nun auch die
Aufgabe des Staates stärker betont, die öffentliche Wohlfahrt zu stärken, um Rassismus zu bekämpfen.
Wie demütigend weiße Toleranz gegenüber Schwarzen selbst in der Weltstadt New York war,
deutete ein schwarzer Pastor im Gespräch mit Mary White Ovington aus: Er war zum erstem Mal in
Paris  der „sündigen“ Stadt, wie er zuvor dachte. Und er war tief berührt davon, wie freundlich,
höflich, gutwillig die Menschen zu ihm mit seinem schlechten Französisch waren. Er hatte das tolle
Gefühl, er sei dort willkommen. „Und wie finden Sie es in New York?“ „In New York I am
tolerated!“cliii Diese Art von Toleranz predigte Dewey den öffentlichen Schulen als Antwort auf
bestehende Diskriminierung!
Bezogen auf den Kreis um Dewey stellte Goodenow zwei Gruppen von progressiven Universitätspädagogen einander gegenüber: Die eine Gruppe wurde repräsentiert durch Dewey und seinen jüngeren
Kollegen am Columbia Teachers College, George S. Counts (1887-1974), den wichtigsten Theoretiker
der progressiven Erziehung im Geist Deweys  auch über dessen Tod hinaus. Dewey wie Counts hatten
beide Vorbehalte gegenüber einer pädagogischen Sicht des Kindes, welche die gesellschaftlichen Bedingungen der Erziehung ausklammerte. Mit dieser gesellschaftskritischen Sicht kamen bei beiden
Hochschullehrern gewisse sozialistische Neigungen ins Spiel, die den bestehenden Bruch zwischen der
weißen und der schwarzen Gesellschaft allerdings nicht zum Thema machten. Dewey wie Counts sahen
ethnische Konflikte als Auswüchse der sozialen Struktur der institutionalisierten amerikanischen
Lebensform, derer man Herr werden könne durch Einsatz sozialer und technischer Mittel im Zuge
eines dadurch bewirkten gesellschaftlichen Wandels.
Die andere Gruppe bildeten  nach Goodenow  William H. Kilpatrick (1871-1965) und Harald
Rugg (1886-1960), beide ebenfalls Professoren am Teachers College, Columbia University, New York
City. Die Differenz zwischen den zwei Gruppen sah Goodenow darin, dass Kilpatrick und Rugg in
ihren Theorien stärker auf psychologische und technische Mittel der Umsetzung sozialer Ziele in der
Schule zurückgriffen.cliv Ohne mit Dewey und Counts in Konflikt zu geraten, war die Sicht von
40
Kilpatrick (der die Umsetzung sozialer Vorhaben in Gruppenprojekten verfolgte) und Rugg (der die
Methodenlehre psychologischer Statistik nutzte) weniger mit sozialistischem Gedankengut behaftet.
1933 gab Kilpatrick den Band The Educational Frontier heraus, in dem Dewey und die Reihe seiner
Mitstreiter zu Wort kamen.clv „The Social Frontier“ war der Titel einer seit 1934 existierenden
Zeitschrift, in der Dewey für die ihm vorbehaltende Seite regelmäßig schrieb.
Wenn man heute liest, was Dewey zur Lösung der Krise 1933 vorschlug (in Later Works der
Dewey-Gesamtausgabe, Bd. 9), kann man nur staunen über die Harmlosigkeit, mit der in der Zeit der
größten Wirtschaftskatastrophe gesellschaftliche Probleme erörtert wurden. Es gab keine neuen
Argumente. Wenn Dewey feststellte, dass exzessiver Nationalismus eine weltweite Bedrohung
darstelle, an Stelle internationaler Verständigung die politische Isolation drohe und selbst ein Krieg
möglich sei, empfahl er als Gegenmittel der öffentlichen Erziehung, die Schule nicht vom Leben zu
isolieren, keine Anpassung der Schüler an oberflächliche Profitmaximierung zu betreiben, stattdessen
Aktivitäten zu fördern, die das gemeinschaftlich Gute, globale Verständigung und guten Bürgerschaft
(good citizenship) zum Ziel haben.clvi Für schwarze Lehrer, für die jeder Tag ein Kampf war, in
überfüllten Klassen undisziplinierten, schwierigen Lebensverhältnissen entstammenden Kindern
Bildung zu vermitteln, mussten gute Ratschläge dieser Art Hohn sein. Deweys absolute Ignoranz der
Lebenssituation schwarzer Familien machte dies möglich, enthüllte zugleich aber auch die
Fragwürdigkeit, den Schulen das Erziehungsziel vorzuschlagen, Kinder zu gutem Bürger- und
Gemeinsinn anzuhalten, wenn den Schwarzen von vornherein die vollen Bürgerrechte verweigert
wurden.
Ende der dreißiger Jahre zeichnete sich auf Grund der dramatischen weltpolitischen Veränderungen
 mit Hitler-Deutschland als größter Bedrohung eines freien Europas  eine Tendenz ab in den
öffentlichen Schulen der USA, darauf im Geiste Deweys zu reagieren, nun aber mit besonderer Betonung einer antirassistischen Erziehung, die die USA in der Tat dringend benötigten. Die Erkenntnis
wuchs, dass rassische Diskriminierung in den faschistischen Diktaturen Europas schwerlich zu einer
entschiedenen Verurteilung in den Köpfen der amerikanischen Jugend führt, wenn sie im eigenen Land
normale Praxis war. Schulen, Schulverwaltungen, school boards von der lokalen bis zur höchsten
administrativen Ebene, Lehrer und Wissenschaftler begannen durch Kampagnen dem Rassismus und
der Diskriminierung entgegenzuwirken.
Zwischen 1939 und 1945 wurden neue curriculare Programme entwickelt: Unter dem Stichwort
„interkulturelle Erziehung“ waren nun Erziehung zur Toleranz und zur Weckung von Verständnis für
die Multikulturalität der amerikanischen Demokratie angesagt. Gruppentrainings mit dem gezielten
Abbau von rassischer Diskriminierung existierten noch nicht. Das neue Element sozialer Erziehung
bestand in der curricularen Einbeziehung von Forschungsergebnissen der vergleichenden Kulturanthropologie. Sie leistete Aufklärung über ethnische Vielfalt. Deweys zu Toleranz aufrufende Sozialphilosophie bereitete dafür den Boden.
Die curricularen Elemente zur multikulturellen Erziehung kamen von den führenden amerikanischen
Forschern. Für die neuen Erziehungsprogramme setzte sich der mit Dewey kollegial verbundene
Kulturanthropologe Franz Boas (1858-1942) und dessen akademische Schülerschaft dabei ein, darunter
Ruth Benedict und Margaret Mead.clvii Der Kulturrelativismus gehörte mit zum Bestandteil des
schulisch vermittelten Bildes von Demokratie. Ein neuer öffentlicher Diskurs über den Rassenbegriff
setzte ein. Schulprojekte zur Aufklärung der Bevölkerung wurden initiiert. Schüler einer Junior High
School entwarfen zum Beispiel Plakate, die darauf verwiesen, dass zwischen ‚schwarzem’ und
‚weißem’ Blut keine Differenz bestehe.clviii
41
Die Rassenschranken zwischen Weiß und Schwarz in den USA lockerten sich vielleicht etwas in
sozialer Hinsicht. Doch die gute Absicht war einfacher zu dokumentieren, als das positive Ergebnis
solcher Bemühungen aufzuspüren.
Die Frage ist: Können solche „von oben“ befohlenen Kampagnen der Schule eine grundsätzliche
Einstellungsänderung zum Rassenproblem in der weißen Schülerschaft, bei den Eltern und in der
weißen Mehrheitsgesellschaft bewirken? Goodenow urteilte hierüber mit Recht skeptisch:
Wissenschaftliche Begleitforschung, die derartige Effekte zu kontrollieren pflegt, existierte nicht.
Bemerkenswert ist, dass nach Goodenow in den Südstaaten im Zuge Kampagnen für interkulturelle
Verständigung und Toleranz dort Afroamerikaner ein größeres Interesse an der progressiven Erziehung
erwachte, als es in den Jahrzehnten zuvor unter den bestehenden ungünstigen Bildungsvoraussetzungen
für die schwarze Jugend vorhanden war.
11.
Die Herausforderungen der Kriegszeit
Hatte Dewey 1934 auf dem Kongress der New Education Fellowship In Südafrika den Geist allgemeinen Verstehens, wechselseitige Sympathie, und den guten Willen aller Menschen und Völker (people
and Races) beschworen, um den Dämon von Vorurteilen, Isolation und Hass zu vertreibenclix, so
betonte er 1941, wie bis dahin kaum so deutlich, dass „unser antidemokratisches Erbe der Versklavung
der Afroamerikaner bei uns ein Verhalten von Intoleranz gegenüber der farbigen Rasse hinterließ,
welches jedes Bekenntnis zur Demokratie Lügen strafe.clx Dewey gab im nachfolgenden Satz dafür vor
allem der Kirche die Schuld, aber der tradierte kirchliche Antijudaismus hatte gegenüber dem
vorherrschenden Hautfarben-Rassissmus in den USA eher untergeordnete Bedeutung. Hitler stand
1941 auf dem Höhepunkt der Macht und beherrschte im Krieg weite Teile Europas. Erst im Spiegel
dieses Faktums wurde Rassismus in den USA für Dewey und die weißen Intellektuellen Amerikas zum
ernsten Störfaktor, weil er die Glaubwürdigkeit des politischen Kampfes gegen Faschismus und
Diktatur tangierte.
Es geschah in derselben Zeit, dass sich namhafte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens aus dem
Norden der USA einsetzten für den in Virginia 1940 zum Tod verurteilten 23-jährigen schwarzen
Landpächter Odell Waller. Wochenlange Spannungen zwischen Täter und Opfer auf Grund fehlender
Pachtzahlungen Wallers an den weißen Farmer waren der Schießerei vorausgegangen. Dem Urteil
folgten landesweite Kampagnen, die sich für den in Armut lebenden Waller einsetzten. Neben der Frau
des Präsidenten, Eleanor Roosevelt, gehörte auch John Dewey zu denjenigen, die Appelle an die Justiz
richteten. Das war vergeblich, nachdem der Supreme Court die erhoffte Neuverhandlung des Falles
ablehnte.
Der 82-jährige Dewey schrieb am 15. Mai 1942 in der New York Times zum „Fall Odell Waller“ das
Eindrucksvollste, was er je zum Rassenproblem zu Papier brachte. Sein Text begann mit dem Hinweis,
dass our colored citizens, die in der Armee wie in der Kriegsindustrie der Diskriminierung ausgesetzt
seien (die USA befanden sich im Zweiten Weltkrieg) einmal mehr von Trauer erfüllt sein müssen über
die unerwartete Entscheidung des höchsten Gerichts, den Fall nicht neu verhandeln zu lassen. Dewey
stellte fest, Afroamerikaner müssen es im Falle Wallers einmal mehr als bewiesen ansehen, dass
Weiße, die von Freiheit sprechen, nur ihre eigene Freiheit meinen.clxi Der Satz weist auf eine
Veränderung in der Sprache Deweys hin: Zum ersten Mal wird der leidende, verachtete, entrechtete
Afroamerikaner blitzlichtartig öffentlich sichtbar gemacht.
Der umfangreiche, im Auftrag der Carnegie Foundation for the Advancement of Teaching erstellte
Bericht des schwedische Wirtschaftswissenschaftler Gunnar Myrdal über das Negro problem, 1944
42
veröffentlicht, erhielt 1962 eine Neuauflage. In ihr drückte Myrdal seine Überzeugung aus, dass sich in
den USA deutliche Anzeichen für ein Umdenken hinsichtlich des Rassismus als dem eigentlichen
„amerikanischen Dilemma“ finden.clxii Was Myrdal damit meinte und in sachlicher Sprache über die
Lebenssituation der Afroamerikaner zusammengefasst hatte, ist auch heute noch erschütternd zu lesen:
Die soziale Abwertung der Afroamerikaner im Alltagsleben war dermaßen normal, dass darüber
niemand sprach. Die Verhinderung der Ausübung von Grundrechten wie freie Meinungsäußerung, die
totale Beschränkung der Ausübung des Wahlrechts, die Benachteiligung bei der Arbeits- und
Wohnungssuche, die Afroamerikaner hinzunehmen hatten, besaßen in den Südstaaten der USA ein
ungeheures Ausmaß. Nicht nur situativ ausgeübte Gewalt, sondern das Wissen, dass sie jederzeit
Wirklichkeit werden könnte  mit verheerenden Folgen für diejenigen, die es wagten ihr Recht ausüben
zu wollen , erzeugte psychischen Zwang, der Nichtweiße davon abhielt, sich für die Wahl registrieren
zu lassen. „Bildungstests“, denen sich in einigen Staaten wahlbereite Afroamerikaner unterziehen
mussten, wurden in aller Offenheit rechtswidrig durchgeführt, damit die Kandidaten scheiterten.clxiii
Der Bericht Myrdals machte klar, dass die Rede von Demokratie in den USA für Afroamerikaner
nicht mehr glaubwürdig war  es sei denn, dass sie als Aufforderung zum Handeln begriffen wird, den
Abstand der unbeschreiblich inhumanen Realität zu einer menschenwürdigen Normalität zu
verkleinern. Insofern besaß Deweys Vision der Great Community einen gewissen Grad an
Funktionalität.
Spätestens die allgemeine Mobilmachung und das Eintreten der USA in den Zweiten Weltkrieg
1941 ließ alle ethnischen und durchaus von Vernunft getragenen Interessen, die Segregation befürworteten, übertönen durch ein nationales Interesse, das die Werte der Demokratie beschwor und die
Gleichheit aller Amerikaner betonte.clxiv Die Forderung nach Fortbestehen der Segregation passte nicht
in dieses Konzept. Wichtig war, die Herzen afroamerikanischen Männer für die Ziele der Armee zu
gewinnen.
Bei der Aushebung für die United States Army fanden sich genug schwarze Stimmen, die keinen
Grund dafür sahen, in einer ‚Jim Crow Army’ das eigene Leben zu riskieren im Kampf gegen
rassistische Regimes, egal ob Japan, Italien oder Deutschland, wenn der Rassismus im eigenen Land
blühte man selbst sein Opfer war. Verhielt sich doch die eigen amerikanische Nation, die sich
Demokratie nannte, Schwarzen gegenüber durch und durch rassistisch. Warum gegen Rassismus in
Europa kämpfen, wenn man in den USA unter ihm leiden musste?
Die daraus abgeleitete Forderung nach Beendigung der Segregation in den Waffengattungen und
Stäben der Armee der USA beunruhigte die weiße Führung. Denn dort herrschte in den Einheiten
immer noch strikte Rassentrennung bis hinunter zu Essenausgabe, Kantinenbenutzung und
Casinoaufenthalt. Das amerikanische Rote Kreuz trennte selbstverständlich schwarzes von weißem
Blut. Der Krieg und der Sieg über Hitler veränderten viel in Richtung Gleichberechtigung. Die
Abschaffung der Segregation in der Armee erfolgte dann erst 1947, man befand sich bereits im
nächsten Krieg, diesmal in Korea.
Dewey erlebte das alles noch mit. Im Jahr 1944, demnach heute vor 70 Jahren, hielt er eine
akademische Rede, in der er noch einmal alle seine Grundgedanken zu Demokratie und Erziehung zum
Ausdruck brachte: Demokratie ist dort, wo differente Überzeugungen toleriert werden, die freie Wahl
von Parteien möglich ist und eine Vielfalt von Glaubensbekenntnissen ihren Platz in der Gesellschaft
finden, während der Totalitarismus im Konzentrationslager eine Gegenwirklichkeit schuf, die in
größter Entfernung zur Demokratie steht.clxv Demokratische Erziehung heißt dafür Sorge zu tragen, die
Jugend mit einem Bewusstsein zu versehen, dass sie Handelnde ihrer eigenen Zukunft werden können.
43
 Wir müssen uns erst von bekannten Werbersprüchen befreien, um Deweys Worte unverstellt auf uns
wirken zu lassen. Denn das waren alles nur allzu bekannte Parolen, die nichts einbrachten.
Bei allen Störungen und Unsicherheiten des Lebens ist das eine gewiss, sagte der 85-jährige: Nie
gab es in der Geschichte der Menschheit eine Zeit, in der Erziehung so wichtig geworden ist wie heute.
Und: Jede Jugend hat die Chance es besser zu machen als ihre Eltern.
Wer sich an die Werbung für Klosterfrau Melissengeist erinnert  „Nie war er so wertvoll wie
heute!“  entdeckt die Fortschritts- und Folgenlosigkeit der Deweyschen Semantik. Dennoch: Es sind
Worte, -zig mal gesagt von Dewey, die immer wieder ergreifen, immer wieder den Glauben wecken
konnten an eine bessere Welt, die zu schaffen den Menschen möglich sein sollte. Dewey blieb immer
im Bereich des Möglichen, denn jedes Bekenntnis zu einem absoluten Standpunkt bei der Ächtung von
Inhumanität, die im Kampf gegen den Holocaust in Europa moralisch ein Zeichen gesetzt hätte, lehnte
er ab als Folge seiner  durchaus dürftigen  Auseinandersetzung mit der Philosophie Immanuel Kants.
Bei tieferem Dewey-Studium wird man seiner Religion ansichtig, von der man weiß, dass ihre
Überzeugungen nicht von der Annahme eines höheren Wesen bestimmt waren. Dewey verließ die
Religion seiner Eltern, weil er sie für Ideologie hielt. Aber seine eigene „Religion“, die er in seinen
Visionen formte, stellt Rezipienten seiner Philosophie vor dasselbe Problem: Es gibt Dewey-Gläubige,
die halten seine Botschaft für fundamental, was immer gegen sie vorgebracht wird, und es gibt NichtGläubige, die die Leere hinter der Lehre entdecken. Sich für den Glauben an eine politische Botschaft
zu entscheiden impliziert die Frage: Gewinne ich durch diese Botschaft Selbstvertrauen, Humanität,
soziale Anteilnahme, mein Leben zu meistern und Verantwortung zu übernehmen?
Menschen jeder ethnischen Zugehörigkeit und Hautfarbe können Deweys Worte als Botschaft
erkennen, mit der ihre eigenen Vorstellungen vom Leben übereinstimmen. Deshalb wird jeder Versuch,
Dewey als Rassisten zu denunzieren, davon abprallen. Deweys Pragmatismus lebte von dem Glauben,
dass die Barrieren, die unser Leben behindern, im Glauben an eine bessere Welt schon aufgehoben
seien, indem dieser Glaube sich aktiv im Bewusstsein der Gläubigen entfaltet. Selbsttäuschung als reale
Möglichkeit hatte Dewey nie ausgeschlossen. Aber mit dem Problem, das Erfahrung falsch, irrig,
fehlerhaft sein kann und gesellschaftliche Veränderungen von Mechanismen abhängen, die zum Teil
außerhalb von bewusstseinsimmanenter Erfahrung funktionieren, beschäftigte er sich nur randständig.
Bis zu einem gewissen Grad benötigt man Selbsttäuschung, um Hoffnungsträger für die „gute
Gesellschaft“ sein zu können, wie dies Dewey war.
Leider wurde nach dem Sieg der Alliierten über den Hitler-Staat und seine Verbündeten die
Hoffnung auf Frieden, Toleranz, Menschlichkeit enttäuscht. Nach Kriegsende gewannen in den USA
gegenläufige Tendenzen die Oberhand. Ein aufbrechender Konservativismus erzeugte nach 1945
erneut eine starke Tendenz zur Schulsegregation. Im Urteil des Supreme Court 1954 (Brown v. Board
of Education) wurde schulische Segregation für verfassungswidrig erklärt. Aber erst die
Bürgerrechtsbewegung der sechziger Jahre, die mit der Ermordung Martin Luther Kings noch einmal
den bestürzend hohen Anteil von Gewalt im Alltag der US-Demokratie sichtbar machte, bewirkte
allmählich die juristische Durchsetzung von afroamerikanischer Gleichberechtigung, auch wenn dieser
Prozess in sozialer Hinsicht immer wieder Rückschläge erleidet.
12.
Die afroamerikanische Sicht auf Dewey  eine Bilanz
Manfred Berg beendet seine Studie über die NAACP mit den nachdenklich stimmenden Worten: „Was
bleibt, ist die Frage, wie eine Minderheit, die nach wie vor unter vielfältigen Formen der
Diskriminierung und Benachteiligung leidet, ihre Interessen in einer Gesellschaft zur Geltung bringen
44
kann, in der die Bereitschaft schwindet, ihre besonderen Probleme als historische Verantwortung zu
akzeptieren.“clxvi Dem entspricht, dass afroamerikanische Forscher davor warnen, heute von einem
postrassistischem Zeitalter zu sprechen  angesichts neuer Formen rassischer Benachteiligung.clxvii Ob
die Vision Deweys, dass sich die Gesellschaft durch Wachstum, Aufklärung und Einsicht besser wird,
eher Irreführung durch Weckung falscher Hoffnung darstellt oder ob es pragmatisch richtig ist, eine
solche Hoffnung aufrecht zu erhalten, darüber lässt sich streiten. ‚Schwarz’ zu sein war in der
Vergangenheit in den USA ein Unglück, das die meisten Weißen verdrängten und nur eine Minderheit
von ihnen zum Problem erklärten. Aber hier beginnt schon die Schwierigkeit: Dass man sich
keineswegs wohl fühlt im Wissen für andere ein Problem darzustellen und sich von anderen ein Leben
lang anhören muss, ein Problem zu sein, hatte W.E.B. Du Bois mehrfach mit trauriger Ironie deutlich
gemacht. Wenn Carter G. Woodson in den dreißiger Jahren die stillen Zwänge der historischkulturellen Vorgaben weißer Intellektueller als Ideologie der Unterwerfung entlarvte, dann sieht heute
die kritische Rassentheorie in den USA, dieser Sicht nachgehend, nicht im ‚Schwarzsein’, sondern im
‚Weißsein’ das zu bearbeitende Problem.clxviii. Daran ist abzulesen, wie weit sich die Diskussion von
Dewey entfernt hat.
Deweys Pragmatismus und sein Demokratieverständnis weckten Emanzipationshoffnungen bei
afroamerikanischen Bürgerinnen und Bürgern. Doch Deweys Philosophie war weder geeignet, das
Rassenproblem zu lösen noch war sie zu diesem Zweck erfunden worden. Diese Erkenntnis setzte sich
bei Vertretern der afroamerikanischen Emanzipationsbewegung spätestens ab der zweiten Hälfte der
neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts durch. Die Erkenntnis ist also noch recht jung. Sie ist ein
Ergebnis der geistigen Verarbeitung der Bürgerrechtsbewegung, die zur schwarzen Unabhängigkeit
von Denkvorgaben der Weißen führten. Die Frage, wie Dewey unter diesem Vorzeichen als Philosoph
der Erziehung, der Demokratie und des Pragmatismus heute zu bewerten sei, wird dennoch kein völlig
übereinstimmendes Urteil bei afroamerikanischen Intellektuellen erwarten lassen. Von einer gewisse
Bandbreite der Antworten ist auszugehen. Im Folgenden sollen drei Stimmen zu Wort kommen.
1. Derrick P. Alridge, Professor für Erziehung am Institute of für African American Studies an der
University of Georgia, reflektierte 2005 über dike gesellschaftliche Barrieren einer emanzipativen
Erziehung für Afroamerikaner in der Weiterführung der emanzipativen Ideen von W.E.B. Du
Bois und Carter G. Woodson.clxix Alridge machte deutlich, wie unklar das Denken sogenannter
„radikaler“ Philosophen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war, Dewey eingeschlossen  vor
allem in Bezug auf den herrschenden Rassismus und die Rassenfrage. Der Kontext ihrer
Philosophie war die weiße Demokratie. Wie Dewey war auch Du Bois vom Pragmatismus James’
beeinflusst und meinte, der Pragmatismus, der Hoffnung auf eine bessere Welt weckt, könnte
auch die Lebensbedingungen der Afrikaner verbessern. Das war ein Irrtum, von dem sich Du
Bois in den dreißiger Jahren löste. In dieser Zeit habe er begonnen, „Rasse“ und soziale „Klasse“
als ähnliche Konstrukte zu begreifen. Deren Emanizipationspotential liege in der Bekämpfung
jener Konstrukte, die auf der Basis einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung Freiheit verkünden.
Die vertikale Ordnung von Herrschenden (auch den ideologisch mit ihrer Philosophie
Herrschenden wie Dewey) und Unterlegenen, die der Kapitalismus erzeugt, lässt diese angebliche
Freiheit dort in tatsächliche Unfreiheit umschlagen, wo benachteiligte Ethinien, „Rassen“, sich
nicht in gleicher Weise artikulieren dürfen, sondern in der Unsichtbarkeit Abhängiger verbleiben.
Kritik am Kapitalismus wird von Freiheitsverkündern wie Dewey nicht auf eine unterlegene
Rasse oder soziale Klasse, sondern auf Individuen bezogen. Deren Individualismus wird kritisiert
zugunsten der Aufforderung sich sozial zu verhalten – mehr geschieht nicht. Somit bleiben die
45
von der weißen Gesellschaft für die unterlegene Rasse/Klasse der Negroes bereitgehaltenen
Charakteristika wie Unterwürfigkeit, primitive Kultur, Mangel an Moral als Merkmale ihrer
Kaste unsichtbar. Die Rolle schwarzer Aktivistinnnen in der Emanzipationsbewegungen zu
betonen ist Alridge wichtig. Afroafrikanerinnen waren in der weißen Gesellschaft im 19. und
frühen 20. Jahrhunderts die verachtetsten Wesen überhaupt. Aber unter ihnen kämpften einige
unter Einsatz ihres Lebens schon sehr früh gegen die Lynchmorde. In diesem Punkt blieb Dewey
ganz still. Er verstand zwar die USA als ein Gemisch verschiedener Ethnien, aber das tiefere
Problem der Rassenfrage und die mit ihm verbundenen gesellschaftlichen Strukturen sah er nicht,
selbst „pragmatische“ Lösungen wurden nicht diskutiert.
Du Bois, so Alridge, kam angesichts der wirtschaftlichen Notlage in den dreißiger Jahre zur
Revision seiner früheren Hochschätzung „hoher“ klassischer Bildung. Er näherte sich einem
Booker T. Washington entlehnten Konzept der Erziehung an, das auf beides Wert legt: berufliche
Fertigkeiten und möglichst hohe Allgemeinbildung. Ein zentraler dritter Gesichtspunkt für die
Erziehung sei die Kenntnis der eigenen Geschichte und Kultur, angefangen von den afrikanischen
Wurzeln über die Sklaverei bis zur Gegenwart. Angesichts des schnellen technischen Wandels
und des noch lange nicht überwundenen Rassismus bleibe die Forderung nach einer afroamerikanisch zentrierten Bildung weiterhin bestehen.
2. Paul C. Taylor, Professor für Philosophie an der Pennsylvania State University, schrieb 2004
über Dewey als ‚weißen’ Philosoph einen Essay, in welchem er Deweys Mitgefühl für die
Situation der Afroamerikaner nicht ausschließen wollte. Gleichwohl sei Deweys Schweigen ein
hartes Faktum, das man nicht übersehen könne.clxx
Taylor verweist auf das posthum veröffentlichte (oben erwähnte) Vorwort Deweys zu einem
Gedichtband des aus Jamaika stammenden und die Harlem Renaissance mittragenden Claude
McKay, das dieser von Dewey erbeten hatte. Dewey betonte darin die Unangemessenheit jedes
Versuchs, ein Lob auszusprechen oder einen Kommentar zu geben.clxxi Am Ende bekennt er, dass
das in den Gedichten zum Ausdruck gebrachte Leben des afroamerikanischen Dichters unter
weißer Suprematie dem Weißen nicht nur teilhabende Sympathie abverlange, sondern auch
selbstauferlegte Demütigung. Das ist ein Eingeständnis von Schuld. Aber nun geht es Taylor gar
nicht um ein persönliches Bekenntnis, sondern um die Philosophie Deweys auf dem Hintergrund
einer Analyse weißer Literatur über Schwarze. Diese Literatur kann, nach wie vor rassistisch
sein, sie kann den Plänen und Programmen für Schwarze zu Grunde gelegt worden sein und
Forschungsbefund bleiben. Sie kann nicht zuletzt unsichtbar bleiben im Konstruktivismus weißer
Theorien, die, ohne dass dies thematisiert wird, im Taxi „White only“ fahren. Die allgemein
akzeptierten sozialen Normen und Verhaltensstandards wurden von der weißen Gesellschaft
definiert. Auf dieser Basis stehe Deweys Philosophie. Dewey habe nie die Bürde auf sich
genommen, sich selbst oder anderen den Zusammenhang seiner Philosophie mit der weißen
Suprematie zu erklären. Dies nicht geleistet zu haben bedeutete, die eigene Stimme, die von
Humanismus sprach, zu verleugnen. Damit aber kann der Bezug zum leidenden Subjekt, zum
afroamerikanischen Amerika, nur vage sein.
Taylor klagt Dewey nicht an. Deweys Schweigen zur Rassenfrage ist ein Teil seiner „Weißheit“,
ist generell Bestandteil der Philosophie Weißer. Taylor erwähnt Deweys Versuche, in
Krisenzeiten den „Amerikaner“ als das stolze Produkt amerikanischer Geschichte darzustellen
und dabei die amerikanische Nation mit „Demokratie“ gleichzusetzen.clxxii Das geschah zum
Beispiel 1916, als in den USA heftige Auseinandersetzungen um die nationale Parteinahme für
46
Deutschland (mit Österreich) oder für seine Gegner tobten. Kurz zuvor, 1915, hatte Dewey in
einem Essay deutschen Militarismus auf die Philosophie Hegels zurückgeführt und dem die
friedliche internationale Völkerverständigung der USA gegenüber gestellt. Zur selben Zeit hatten
die USA ganz und gar unfriedlich Haiti besetzt, wie Taylor trocken anmerkte. Das Faktum
veranlasste Du Bois zum Protest, Dewey keineswegs. Die De jure-Aberkennung von
Grundrechten Schwarzer, so Taylor in seinem Essay, werde von weißen Intellektuellen
abgelehnt. Dahinter jedoch werde ein Gespinst struktureller weißer Suprematie ausgebreitet. Am
Ende will Taylor nicht ungerecht sein gegenüber Dewey: Man könne seine Schweigen auch als
den Versuch werten, die Stimme derer, die einen gerechten Kampf in eigener Sache kämpfen,
anzuerkennen durch Nichteinmischung, um ihr Raum zu geben.
Aus eigener Sicht ließe sich die Darstellung Taylors ergänzen durch den Hinweis, dass sich die
Demokratie des ‚weißen’ Amerikas immer auch als salvation verstand. Das Problem liegt darin,
dass sie ihre Pflicht zur Erlösung anderer verkündete, wenn sie eigene Interessen durchsetzte, die
für Betroffene nicht human erscheinen konnten. Dewey war der Philosoph der Erfahrung und des
Handelns. Handeln bedeutete in der Geschichte Amerikas oft Gewalt gegenüber nichtweißen
angestammten Einwohnern und deren Ohnmacht, nicht handeln zu können. Das galt auch für die
„Zivilisierung“ der Indianaer-Kinder, die, ihren Eltern entrissen, in boarding schools
amerikanische Demokratie erfuhren. Die Erfahrung amerikanischer Demokratie zu vermitteln
bedeutete für die Erzieher erfolgreich zu sein, für die Erzogenen bedeutete diese Erfahrung, den
Verlust der eigenen Identität zu erleiden. Aber die Unschärfe der Deweyschen Philosophie
erlaubte es, diese Kluft zu übersehen in einer die Menschheit umarmenden Humanität.
3. Von Eddi S. Glaude jr., William S. Tod Professor of Religion and African American Studies an
der Princeton University, stammt die bisher weitreichendste Auseinandersetzung von
afroamerikanischer Seite mit Deweys Philosophie, dem Pragmatismus und der Demokratie.clxxiii
Glaude lässt keinen Zweifel an der These von der unsichtbaren ‚weißen’ Suprematie, die Dewey
repräsentierte. Glaude verweist hier mehrfach auf die Denkfigur des „Rassenvertrages“ (racial
contract) von Charles W. Mills. Der an der Northwestern University lehrende afroamerikanische
Philosoph Mills machte 1997 mit diesem Begriff den Tatbestand fest, dass der Sozialvertrag, wo
immer Weiße mit Ethnien anderer Hautfarbe in einen Staat zusammenleben, im Kern eine
rassische Dimension hat, die in den liberal-demokratischen Gesellschaften des Westens 
unausgesprochen den ‚weißen’ Suprematsanspruch bestätigt.clxxiv
Doch Glaude geht es primär nicht um Kritik an Dewey, sondern um den Versuch, Deweys
Pragmatismus auszuloten für eine Neubesinnung afroamerikanischen Selbstverständnisses zur
Gewinnung von Handlungskompetenz in der Gegenwart. Der Anpassungsprozess zwischen dem
pragmatischen Denken und der schwierigen afroamerikanischen Realität ist ein doppelter: Die
Situation muss sich dem pragmatischen Denken anpassen, wie der Pragmatismus in sich der
Melancholie anpassen muss, als der Grundstimmung, in welcher die Mehrheit der Afroamerikaner genötigt ist zu leben. Um dies zu deutlich zu machen, greift Glaude auf den preisgekrönten Roman „Beloved“ der afroamerikanischen Nobelpreisträgerin Toni Morrision zurück.
Die unauslöschbare Erinnerung an die Schrecken der Sklaverei und das seelische Martyrium ihrer
Verarbeitung werden Thema: Am Ausgangspunkt der Erzählung, der eine wahre Begebenheit zu
Grunde liegt, tötet eine Mutter ihr Kind, um es den Häschern zu entziehen, welche  entsprechend dem geltenden Recht  kamen, um die Geflohenen zur Plantage zurückzuholen. Während
47
der Protagonistin ein zweites Mal die Flucht gelingt, verschmelzen in der Rückblende des
Geschehenen und im Fortgang der Erzählung reale und außersinnliche Wirklichkeit.
Der von Glaude redefinierte Pragmatismus versteht sich weder puritanisch-religiös noch
technisch als Mittel-Zweck-Denken, wie ihn Dewey zunächst entwickelt hatte. Deweys späte
Philosophie, so Glaude, enthülle Sensibilität für Tragik. Dewey selbst schaffte es nicht, seine
Vorstellung von partizipatorischer Demokratie umzusetzen, weil er die Rassenschranke nicht
überwand. Seine Philosophie aber ist nach Glaude als Werkzeug nutzbar, in den Prozess der
Überwindung der Rassenschranken einzutreten. Dies sei möglich, indem in einer Vision von
‚schwarzen’ und ‚weißen’ gleich angesehenen und gleichberechtigten Bürgerinnen und Bürgern
einer Demokratie jene mit dunkler Hautfarbe ihre Identität verstehen lernen als den Tiefengrund
der komplexen Seele Amerikas bildend. Geschichte, Kultur und Leben der Schwarzen ist eine
Tragödie, voll von Schatten, durchzogen von Friktionen, ihre Identität hat einen „Blauton“
angenommen. Doch wie kann der Pragmatismus die Tragödie der afrikanischen Amerikaner
begreifen? Nur wenn er selbst tragische Züge annimmt.
Den Einwand von Cornel West, dem nahen Kollegen Glaudes, dass Dewey das Böse nicht ernst
genommen habe, mag zwar seine Berechtigung haben. Doch Glaude sieht dies nicht als
Hindernis, Deweys Pragmatismus eine tragische Dimension zu unterstellen. Dies gelinge, wenn
Kontingenz und Konflikt, contingency and conflict, in Deweys Denken ernst genommen werden.
Glaude verweist hier auch auf einen Essay von Sidney Hook über den tragischen Sinn des Lebens
aus Sicht von W. James und Dewey.clxxv Glaude ist sich der Schwierigkeit seines Unterfangens
bewusst, Deweys Pragmatismus die Dimension der „Tragik“ zuzuordnen, hat Dewey doch in
meliorativer Absicht mehr als einmal gesellschaftliches Wachstum, growth, und intelligentes
Handeln als Faktoren herausgestellt, die seiner Überzeugung nach auf Dauer alle Schwierigkeiten
sozialer und politischer Entwicklung zu überwinden in der Lage seien (Hier könnte man dass
Scheitern der Annahme Deweys in der Tat als tragisch bezeichnen, möchte ich hinzusetzen).
Glaude fährt fort: Dewey habe in seinen späten Arbeiten auch die Ungewissheit, das Risiko, das
Versagen, den Konflikt auf der Suche nach Gewissheit betont  auf der Basis einer Moral, die
das Gute nicht mehr ohne das Risiko der Täuschung als gut zu erkennen vermag. Das, woran wir
glauben, was wir lieben und was wir schützen wollen, sagte Dewey, bedeutet mehr als die
Tatsache, dass das Universum uns hervorbrachte. An diesem Punkt der Überlegung ist Handeln
angesagt. We still shall fight! Im Handeln aber erkannte der späte Dewey gleichzeitig dessen
Limitierungen, die durch die Geschichte und die Lebensumstände gegeben sind. Hinter der
Erscheinung der Dinge wird nicht nur Ungewissheit sichtbar, sondern auch die Herausforderung,
Situationen zu verändern auf der Suche nach Sicherheit.
Die Einschränkungen des Handelns zu erkennen, gleichwohl zum Handeln herausgefordert zu
sein, sah Dewey als das Grunddilemma menschlicher Existenz. Das Handeln hat ein Ziel, das
wertvoll erscheint, aber keineswegs absolut ist in seiner Gutheit. Darin liegt nach Glaude die
tragische Struktur des Pragmatismus. Amerika ist eine Tragödie, die darin besteht, dass die
Demokratie hochgehalten wird mit Mitteln, die nicht nur undemokratisch, sondern schlicht
menschenverachtend sind.
Die ureigene amerikanische Philosophie, der Pragmatismus, kann nur verstanden werden, so
Glaude, wenn man seiner tragischen Tiefenstruktur gewahr wird. Zu den Hindernissen, die
‚schwarze’ selbstbewusste Aufklärung zu überwinden hat, gehören die diskriminierenden Folgen
einer oberflächlichen Dewey-Rezeption. Wenn Dewey beispielsweise von Öffentlichkeit sprach,
48
ging es um die ‚weiße’ Öffentlichkeit. Die schwarze Öffentlichkeit muss sich in ihrem Eigenanspruch Gehör verschaffen. Es hat seine Schwierigkeiten, sich in sozial- und kulturpolitischen Balancen zu bewegen, die  jenseits der Gefahr eines ‚schwarzen’ Rassismus  eine selbstbewusste,
afroamerikanische Interessen vertretende Politik der Post-Black-Power-Ära vertritt in einem
‚weißen’ Amerika, wenn gleichzeitig die ‚schwarze’ Gesellschaft sich darin aufreibt, ihre inneren
Schwierigkeiten zu bewältigen.
Fazit: Glaudes Sicht ist beeindruckend, auch wenn offen ist, ob der Pragmatismus Deweys die in ihn
gesetzte Hoffnung, den Rassenkontrakt aufzukündigen, tatsächlich zu erfüllen vermag. Die
Konsequenzen für eine neu zu überdenkende Erziehung zur Demokratie sind damit noch gar nicht
berührt, geschweige denn ausgelotet. Gegenüber der bisherigen Praxis der Interpreten, Dewey einem
Rekonstruktionsprozess zu unterziehen, ihn neu zu lesen, seine Ideen für die heutige Zeit fruchtbar zu
machen, ist einzuwenden, dass Interpretationsversuche auf dieser Ebene, die in der Regel immer mit
dem Versuch einer moralischen Aufwertung Deweys verbunden waren, das Problem einer
differenzierten historischen Bewertung nicht löst. Die Moral hat eine dichotome, ein Entweder-oderUrteil fordernde Struktur, die sich sachlichem Abwägen des Sowohl-als-auch in den Weg stellt.
Sachverhalte werden verkürzt, wenn sie nicht der Struktur des moralischen Urteils entsprechen, das nur
„gut“ oder „nicht gut“ kennt. Demgegenüber schlage ich vor, Dewey, der seit mehr als 60 Jahre tot ist,
dem ganz normalen Historisierungsprozess auszusetzen, Abstand zu ihm gewinnen und Urteile über
ihn aus der historischen Distanz heraus zu fällen, wie dies auch anderen bedeutenden Persönlichkeiten
der Geschichte durch die Interpreten nachkommender Generationen widerfährt.
Eine Darstellung der historischen Dewey School als wegweisendem Modell der Reformpädagogik
sollte nicht mehr möglich sein, ohne ihren gesellschaftlichen Hintergrund für die Zeit ihres Bestehens
zu erwähnen: Diskriminierende Segregation, negro education und die Entrechtung der schwarzen
Bevölkerung, die für eine bessere Bildung ihrer Kinder alles geopfert hätte, wenn sie frei zugänglich
gewesen wäre. Doch dieser Wunsch wurde Afroamerikanern weithin verwehrt. So gesehen lässt sich
der Titel des „pädagogischen Klassikers“ von John Dewey (1899), The School and Society, als
historische Warnung verstehen. Der Titel täuschte vor, für alle Kinder und Jugendlichen zu sprechen,
„Gesellschaft“ erscheint hier aber nur als „weiße Gesellschaft“. Schwarze bleiben unsichtbar.
49
Anmerkungen
Frank Margonis: The Path of Social Amnesia and Dewey’s Democratic Commitments. In: Philosophy
of Education (2003), 296-304, hier289). Online:
http://ojs.ed.uiuc.edu/index.php/pes/article/view/1750/467
ii
Frank Margonis: John Dewey, We.E.B. Du Bois and Alain Locke: A Case Study in White Ignorance
and Intellectural Segregation. In: Shannon Sullivan/Nancy Tuana (Eds.): Race and Epistemologies of
Ignorance. Albany: State University of New York Press 2007, 173-195.
iii
Frank Margonis: John Dewey's Racialized Visions of the Student and Classroom Community. In:
Educational Theory 59 (2009), 17-39.
iv
Ich spreche von Afroamerikanern in sehr unscharfer Definition als einem Sammelbegriff, wie er in
der amerikanischen Fachliteratur vorfindbar ist, benütze ebenso die Begriff Schwarze und Farbige, wie
ebenfalls in der Literatur vorfindbar, um die Differenz zu europastämmigen Amerikanern
hervorzuheben, die ich einfach nur Weiße nenne.
v
Michael Eldridge: Challenging Speculation about "Dewey's Racialized Visions". In: Educational
Theory 60 (2010), 503-517.  Stefan Neubert: Democracy and Education in the Twenty-First Century.
Deweyan Pragmatism and the Question of Racism. In: Educational Theory 60 (2010), 487-502.  David
Waddington: Afterwards. In: Educational Theory 60 (2010), 519-520.
vi
Margonis hatte schon in den neunziger Jahren kritisch auf Sachverhalte verwiesen, die eine gewisse
„handlungsunwillige Sympathie“ Deweys für die sozial und rassisch Unterdrückten erklären. Vgl. Hein
Retter, in: Hansjörg Hohr/Hein Retter: Gesellschaft, Religion und Ästhetik in der
Erziehungsphilosophie John Deweys. Bad Heilbrunn: Klinkhardt 2009, 64.
vii
Vgl. Thomas D. Fallace: Was John Dewey Ethnocentric? Reevaluating the Philosophers’s Early
Views on Culture and Race. In: Educational Researcher, 39 (2010), 471-477.  John W. Jones: John
Dewey and Cultural Racism. Thesis. University of Illinois, at Urbana-Champaign 2012. Online:
https://www.ideals.illinois.edu/bitstream/handle/2142/42217/John_Jones.pdf?sequence=1
viii
Neubert (a.a.O., Anm. 5), 494f.
ix
Jones (a.a.O., Anm. 7), 1.
x
L. Scott Miller: An American Imperative: Accelerating Minority Educational Advancement. New
Haven: Yale University Press 1995, 205f.
xi
Mary White Ovington: Half a Man. The Status of the Negro in New York. New York: Longmans,
Green, and Co. 1911.  Melville J. Herkovits: The American Negro. A Study in Racial Crossing. New
York: Alfred A. Knopf 1927, 51ff.  Gunnar Myrdal: An American Dilemma. The Negro Problem and
Modern Democracy. New York: Harper & Row 1962 (orig. 1944).
xii
John Dewey: Christianity and Democracy. (EW 4, 3-10).  Sofern im Folgenden Textpassagen aus
der Dewey-Gesamtausgabe (ed. Jo Ann Boyston, Carbondale: Southern Illinois Univ.) von mir zitiert
werden, gebrauche ich die bekannten Abkürzungen: EW (The Early Works), MW (The Middle Works),
LW (The Later Works), mit anschließender Band- und Seitenangabe, jeweils durch Komma getrennt.
xiii
Dewey: „It is shown that every religion has its source in the social and intellectual life of a
community or race“ (EW 4, 3).
xiv
Dewey: „I assume that democracy is a spiritual fact and not a mere piece of governmental
machinery“ (EW 4, 8).
xv
LW 7, 351.
xvi
Vgl. den Wikipedia-Eintrag: http://de.wikipedia.org/wiki/Tammany_Hall
xvii
John Dewey: Ethics, 1908 (MW 5, 427f.).
xviii
MW 5, 181.
i
50
Dewey: „A democracy is more than a form of government; it is primarily a mode of associated
living, of conjoint communicated experience“, 1916 (MW 9, 93).
xx
Dewey: 1927 (LW 2, 325;328)
xxi
John Dewey: Die Öffentlichkeit und ihre Probleme, hrsg. v. Hans-Peter Krüger. Berlin: Philo
Verlagsgesellschaft 2001, 129 (LW 21, 329).
xxii
„ Since the process of experience is capable of being educative, faith in democracy is all one with
faith in experience and education.“ Dewey: 1939 (LW 14, 229)
xxiii
Talisse: „...that Deweyan democracy is deeply flawed in a way that renders it nonviable as a
philosophical conception for modern democratic societies“. Vgl. Robert B. Talisse: A Pragmatist
Philosophy of Democracy. New York: Routledge 2007, S. 23. Vgl. ferner: Robert B. Talisse:
Democracy after Liberalism: Pragmatism and Deliberative Politics. New York: Routledge 2005.
xxiv
Richard M. Gale: John Dewey’s Quest for Unity. The Journey of a Promethean Mystic. Amherst:
New York 2010, 107, Fußn. 9.
xxv
Das praktische Scheitern der Hoffnungen Deweys betraf z.B. die Weiterführung der
Universitätsschule nach 1903, das desolat endende Forschungsprojekt über die Polen von Philadelphia
im Sommer 1918, die Fehleinschätzung der politischen Isolation Amerikas nach dem Ersten Weltkrieg,
den in seiner Bedeutung überschätzten Briand-Kellogg-Pakt 1928, das enttäuschende Abschneiden des
von Dewey unterstützten Sozialisten Norman Thomas bei den Präsidentschaftswahlen 1932., das Ende
der LIPA 1936.
xxvi
„Metaphysical Club“ nannte Henry James frozzelnd den neuen Gesprächskreis junger
Intellektueller in Cambridge, an dem sein Bruder James beteiligt war (in einem Brief vom 24.1.1872).
Peirce hielt an dem Begriff fest. Der Kreis löste sich Ende November 1872 auf. Vgl, Louis Menand:
The Metaphysical Club. A Story of Ideas in America. New York: Farrar, Straus and Giroux 2001, 202203, 226.
xxvii
The Autobiography of W.E.B. DuBois. A Soliloquy on Viewing My Life from the Last Decade of
Its First Century. International Publishers, Eight printing 1983 (orig. 1968), 159f.  Als Stipendiat hatte
Alain Locke 1907 Schwierigkeiten, sich trotz seines Harvard-Abschlusses in Oxford zu
immatrikulieren; mehrere Colleges der Universität Oxford verweigerten ihm aus rassischen Gründen
das Studium, bis er am Hartford College Zugang erhielt.
xxviii
EW 1, 102.
xxix
Vgl. das Kapitel über Dewey in William Shea: The Naturalists and the Supernatural. Studies in
Horizon and an American Philosophy of Religion. [Macon, GA:] Mercer University Press 1984, 117141
xxx
Eric Foner, Expert Report (1997; letztes Update 5.9.2012). Online:
www.vpcomm.umich.edu/admissions/legal/expert/foner.html
xxxi
Manfred Berg: The Ticket to Freedom. Die NAACP und das Wahlrecht der Afro-Amerikaner.
Frankfurt a. M.: Campus 2000, 63.
xxxii
vgl. Retter, in Hohr/Retter 2009, (a.a.O., Anm. 6) 25ff., 110ff., 192ff.
xxxiii
Die weiße Bevölkerung befürchtete, dass ihre Lebensqualität und der Geldwert ihrer Residenzen
Einbußen erleidet, wenn Familien anderer Hautfarbe in ihre Gegend ziehen. Fassungslos war der
bekannte deutsche TV-Journalist Gerd Ruge, dass ihm 1962 beim Beziehen eines Hauses in
Washington D.C. ein normaler Mietvertrag vorgelegt wurde, der ihn verpflichten sollte, das Haus,
„nicht an Schwarze, Juden oder Araber“ weiterzuvermieten. Gerd Ruge: Unterwegs. Politische
Erinnerungen. Berlin: Hanser 2013, 169.
xxxiv
Vgl. Judith M. Green: Alain Locke’s Multicultural Philosophy of Value: A Transformative Guide
for the Twenty First Century. In: Leonard Harris (Ed.): The Critical Pragmatism of Alain Locke. A
Reader on Value Theory, Aesthetics, Community, Culture, Race, and Education. Lanham: Rowman &
Littlefield 1999, 85-94; hier 85.
xix
51
xxxv
Der Begriff color line stammt von Frederick Douglass. W.E.B. Du Bois übernahm ihn 1903 in dem
Band „The Soul of Black Folk“. Im Vorwort findet sich das erwähnte Zitat, „for the problem of the
Twentieth Century is the problem of the color-line“. W.E.B. Du Bois: Writings. 2. print. New York, NY:
Viking Press1986, 359.
xxxvi
Wie Fisk University und Wilberforce College, an denen Du Bois studiert bzw. unterrichtet hatte vor
seinem Harvard-Studium, ging Atlanta University auf eine kirchliche Gründung zurück und wurde
ausschließlich oder vornehmlich von afroamerikanischen Studierenden besucht. Vgl. F. Erik
Brooks/Glenn L. Starks: Historically Black Colleges and Universities. An Encyclopedia. Santa
Barbara, CA.: Greenwood 2011.
xxxvii
Du Bois, in: Writings (a.a.O., Anm. 35), 581.
xxxviii
Vgl. Dewey: MW 8, XXXIV; MW 14, XXII; LW 15, 127.
xxxix
Sie wurden erst posthum im Nachlass entdeckt: W.E.B. Du Bois: Prayers for Dark People.
Amherst: The Univ. of Massachusetts Press 1980.
xl
Address by Prof. John Dewey. In Proceedings of the National Negro Conference 1909. New York:
Arno Press 1969, 71-73; ferner Dewey (MW 4, 156-157).
xli
Alexis de Tocqueville:. Über die Demokratie Amerikas. Stuttgart: Reclam 2011.
xlii
Abgedruckt in deutscher Übersetzung unter dem Titel „Zivilreligion in Amerika.“ In: Heinz
Kleger/Alois Müller (Hrsg.): Religion des Bürgers. Zivilreligion in Amerika und Europa. 2. erg. Aufl.
Münster: Lit 2004, 19-41.
xliii
Robert N. Bellah/Richard Madsen/William M. Sullivan/Ann Swidler/Steven M. Tipton:
Gewohnheiten des Herzens. Individualismus und Gemeinsinn in der amerikanischen Gesellschaft.
Köln: Bund Verlag 1987, 285ff.
xliv
Zur Kritik an Deweys Begriff von „religiöser Erfahrung“ vgl. Michael Hampe: Erkenntnis und
Praxis. Zur Philosophie des Pragmatismus. Frankfurt a. M.: Fischer 2006, 314-323.
xlv
Dewey (EW 4, 3) bezog sich insbesondere auf das Buch „The republic of God“ des heute
vergessenen Geistlichen Elisha Mulford (1833-1905), der in der Geschichte der Zivilreligion Amerikas
durchaus Erwähnung verdient. Elisha Mulford: The Republic of God. Boston: Houghton, Mifflins &
Comp. 1897 (erstveröffentlicht 1881).
xlvi
Vgl. Dewey: The Ethics of Democracy (1886): „ Democracy and the one, the ultimate, ethical ideal
of humanity are to my mind synonyms.“ (EW 1, 227-249; hier 248). „Equality, in short, is the ideal of
humanity; an ideal in the consciousness of which democracy lives and moves.“ (EW 1, 246)
xlvii
Vgl. William H. Watkins: The White Architects of Black Education. Ideology and Power in
America, 1865-1954. New York: Teachers College, Columbia University 2001, 29f.
xlviii
Dewey: „Individualism Old and New“ 1930 (LW 5,41-123; hier 79, 85); Dewey: „Construction and
Criticism“ 1930 (LW 5, 125-143; hier 128f.). In letzterem Text geht Dewey auf den amerikanischen
Pioniergeist ein, der seine wie Alice Deweys Vorfahren prägte; Alice Deweys Großvaters
mütterlicherseits lebte eine Zeit lang in engem Kontakt mit den Chippewa-Indianern, trat für ihre
Rechte ein und wurde dann Goldgräber. Seine Gestalt charakterisierte Dewey 1930 (ohne
Namensnennung) als den typischen Amerikaner der Siedlerzeit (LW 5, 129). Vgl. Jane M. Dewey:
Biography of John Dewey. In: Lewis E. Hahn/Paul A. Schilpp (Eds.): The Philosophy of John Dewey.
3. print. Southern Illinois University: Carbondale 1989 (orig. 1939), 3-45; hier 4; 20.
xlix
Dewey: 1930, LW 5, 128f.
l
Dewey: Emerson  Philosopher of Democracy, 1903 (MW 3, 184-192).
li
Die These, dass die Demokratie Amerikas  verbunden mit kulturellem Egalitarismus wie mit
Gewaltbereitschaft  durch die „American Frontier“ der Siedler im 19. Jahrhundert geformt wurde,
vertrat 1893 der Historiker Frederick J. Turner.
lii
Dewey: Die Suche nach Gewissheit. Frankfurt a.M.: Fischer 1998, 307.
52
liii
Vgl. Thimothy L. Smith: Slavery and Theology: The Emergence of Black Christian Consciousness in
Nineteenth Century. In: Church History. Studies in Christianity and Culture 41 (1972), 497-512.
liv
Lawrence A. Cremin: The Transformation of the School. Progressivism in American Education.
1876-1957. New York: Alfred A. Knopf 1969.
lv
Franz Boas, aus Deutschland stammender Jude und seit 1899 an der Columbia University, New York
City, Anthropologie lehrend, verglich in seinem Vorwort zu diesem Band, die von Ovington
herausgestellte aktuelle Benachteiligung der Schwarzen in den USA mit der Benachteiligung der Juden
in früherer Zeit. Ovington (a.a.O., Anm. 11), Foreword.
lvi
Vgl. Gary Scott Smith: The Search for Social Salvation. Social Christianity and America, 1880-1925.
Lanham: Lexington Books 2000, 224ff.
lvii
Berg (a.a.O., Anm. 31), 67.
lviii
Ralph Ellision: Unsichtbar. Roman. Reinbek: Rowohlt 1987 (amerik. orig. 1952).
lix
Shannon Sullivan//Nancy Tuana (Eds.): Race and Epistemologies of Ignorance. Albany: State
University of New York Press 2007.
lx
Margonis: 2007 (a.a.O., Anm. 2).
lxi
Thomas V. Smith/Eduard C. Lindeman: The Way of Democratic Life. An Interpretation. New York:
The New American Library 1939 (revid. Aufl. des Erstdrucks von 1926).
lxii
Robert N. Bellah et al.: The Good Society. Vintage Books: New York 1991, S. 145ff; passim.  Vgl.
ferner: Richard Couto/Eric Thomas Weber: Civil Religion. Chapter 57 in Political and Civic
Leadership. A Reference Handbook, ed. by Richard Couto. Washington, D.C.: Sage Press, 2010, 505512, zu Dewey: 506. (auch online).  Rolf Schieder: Civil Religion. Die religiöse Dimension der
politischen Kultur. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn 1987, 39ff.  Markus Löhnert:
„Zivilreligion made in the USA“  (K)ein Modell für Europa? München: Grin-Verlag 2010, 25ff.
lxiii
Vgl. die Beiträge in dem Sammelband: Heinz Kleger/Alois Müller (Hrsg.): Religion des Bürgers.
Zivilreligion in Amerika und Europa. 2. Aufl. Münster: Lit 2004.
lxiv
Du Bois, in Writings, a.a.O. (Anm. 35), 364.
lxv
Vgl. Watkins: a.a.O., Anm. 47.
lxvi
Die Rede Booker T. Washingtons von 1895 findet sich online: http://historymatters.gmu.edu/d/39 
Zur Kritik an B.T. Washingtons Konzept der Selbsterziehung, das jeden afroamerikanischen Anspruch
auf höhere Bildung pathologisiert habe zugunsten von handwerklicher Arbeit vgl. Kevin K. Gaines:
Uplifting the Race. Black Leadership, Politics, and Culture in the Twentieth Century. Chapel Hill: The
University North Carolina Press 1996, 38.
lxvii
Margaret Washington : Booker T. Washington and W.E.B. Du Bois (Interview Transcript). Online:
http://www.pbs.org/wgbh/amex/1900/filmmore/reference/interview/washing_bookertdubois.html
lxviii
Michael Rudolph West: The Education of Booker T. Washington. American Democracy and the
Idea of Race Relations. New York: Columbia University Press 2006, 204.
lxix
John R. Commons: Race and Democracy. New York: MacMillan 1907. Online:
http://www.gutenberg.org/files/34028/34028-h/34028-h.htm.  Die nachfolgenden Ausführungen
beziehen sich auf diesen Band, insbes. 2-21, 39-62, 198-214; Tuskegee Institute 49.
lxx
Vgl. Greg Jorgensen: John Dewey and the Dawn of Social Studies. Unraveling Conflicting
Interpretations of the 1916 Report. Charlotte: Information Age Publishing 2012.
lxxi
Donald Johnson: W.E.B. DuBois, Thomas Jesse Jones and the Struggle for Social Education, 19001930. In: The Journal of Negro History 85 (2000), 71-95.
lxxii
Dewey: „America“  by Formula, 1929 (LW 5, 50-57; hier 50f.).
lxxiii
Dewey: The School and Society, 1899; 2 erw. Aufl. 1915 (MW 1,1 1-109; hier 12; vgl. MW 8, 481,
Fußn. 1).
lxxiv
Minoa Uffelman: Homer Plessy: Unsuccessful Challenger to Jim Crow. In: Susan M. Glisson
53
(Hrsg.): The Human Tradition in the Civil Rights Movement. Lanham: Rowman & Littlefeld 2006, 3144.
lxxv
http://privateschool.about.com/od/profiles/a/University-Of-Chicago-Laboratory-Schools.htm
lxxvi
Deutsche Übersetzung der Erstauflage von 1899: John Dewey: Schule und öffentliches Leben.
Berlin: Walther 1905.
lxxvii
Dewey, a.a.O. (Anm. 76), 71.
lxxviii
Dewey, a.a.O. (Anm. 76), 69; 67.
lxxix
Alessandra Lorini: Rituals of Race. American Public Culture and the Search for Racial Democracy.
Charlottesville: Univ. Press of Virginia 1999, 38-39.
lxxx
Lorini, a.a.O. (Anm. 79), 64.
lxxxi
Lorini, a.a.O. (Anm. 79), 65.
lxxxii
Dewey 1896 (EW 5, 440).
lxxxiii
Thomas Fallace: Repeating the Race Experience: John Dewey and the History Curriculum at the
University of Chicago Laboratory School. In: Curriculum Inquiry 39 (2009): 381-405.
lxxxiv
Dewey 1909 (MW 4, 283).
lxxxv
in Dewey, The School and Society, second edition (1915), in: MW 1, 104-109.
lxxxvi
Dewey, a.a.O. (Anm. 85), 30.
lxxxvii
Katharine C. Mayhew/Anna C. Edwards: The Dewey School. The Laboratory School of the
University of Chicago 1896-1903. New York: D. Appleton-Century Comp. 1936, 145ff.
lxxxviii
Mayhew/Edwards, a.a.O (Anm. 87), 319.
lxxxix
Mayhew/Edwards, a.a.O. (Anm. 87), 320.
xc
Mayhew/Edwards, a.a.O. (Anm. 87), 13.
xci
Du Bois, in: Writings, a.a.aO. (Anm. 35), 34f., 37f.
xcii
Bereits McCaul sprach 1959 von zwei Legenden, die sich um das Ende der Dewey-School rankten:
Anstelle von Harper gab das zweite Ondit Alice Dewey mit ihrem autoritären Auftreten als
Schulleiterin die Schuld. Knolls Nachforschungen bestätigen die zweite Variante. Vgl. Robert L.
McCaul: Dewey, Harper and the University of Chicago. In: William W. Brickman/Stanley Lehrer
(Eds.): John Dewey: Master Educator. Westport, CT: Greenwood Press 1959, 31-74; hier 31. Michael
Knoll: Das Scheitern eines weltberühmten Experiments. John Dewey und das Ende der Laborschule in
Chicago. In: Pädagogische Rundschau 67 (2013), 253-289.
xciii
Michael W. Homel: The Politics of Public Education in Black Chicago, 1910-1941. In: The Journal
of Negro Education, 45 (1976), 179-191.  G.S. Counts schilderte eindrucksvoll die Kompliziertheit
und Konfliktgeladenheit des öffentlichen Schulwesens in der Millionenstadt Chicago, berührte aber
nicht die Probleme der Schulbildung afroamerikanischer Schüler. George S. Counts: School and
Society in Chicago. New York: Arno Press 1971 (orig. 1928).
xciv
MW 8, 340; Margonis 2009 (a.a.O., Anm. 3), 25.
xcv
Davison M. Douglas: Jim Crow Moves North. The Battle over North Western School Segregation,
1865-1954. Cambridge: Cambridge University Press 2005, 65f., passim.
xcvi Donald Geralds: Booker T. Washington and Progressive Education: An Experimentalist Approach to
Curriculum Development and Reform. In: The Journal of Negro Education 69 (2000), 215-234.
xcvii
Max Wolf: Segregation in the Schools of Gary, Indiana. In: Journal of Educational Sociology. 36
(1963), 251-261.  Ronald D. Cohen: Children of the Mill. Schooling and Society in Gary, Indiana,
1906-1960. Bloomington and Indianapolis: Indiana University Press, 1990, S. 8f.
xcviii
Douglas, a.a.O. (Anm. 95), 129.
xcix
Douglas, .a.a.O. (Anm. 95), 129.
c
Vgl.Online: http://en.wikipedia.org/wiki/Edward_Rumely  (MW 15, 263-265).
ci
Textual Commentary (MW 8, 487-491; hier 490).
54
cii
Walter Feinberg: Reason and Rhetorik: the intellectual foundations of 20th century liberal
educational policy. New York: John Wiley 1975, 108-111.
ciii
Ronald K. Goodenow: The Progressive Educator, Race and Ethnicity in the Depression Years: An
Overview. In: History of Education Quarterly 15 (1975), 365-394; hier 485, Anm. 4 u. 5.
civ
Dewey, Democracy and Education, 1916 (MW 9, 125-128).  Vgl. Michael Knoll: Fromm Kidd to
Dewey: the origin and meaning of ‚social efficiency’. In: Curriculum Studies 41 (2009), 361-391.
cv
Judith J. Mohraz: Educational Reform and the Black Child: The Curriculum. Online:
http://testaae.greenwood.com/doc_print.aspx?fileID=MSP&chapterID=MSP735&path=books/greenwood
cvi
Vgl. Dewey: Crisis in Culture (LW 5, 99ff.), Crisis in Education (LW 9. 112ff.), Crisis in Liberalism
(LW 11, 23ff.).
cvii
Das Vorhaben kam nicht zustande. Vgl. Derrick P. Alridge: The Educational Thought of W.E.B. Du
Bois. An Intellectual History. Teachers College Columbia University 2008, 41f.  Das Verhältnis
zwischen Du Bois und Dewey muss wohl doch etwas komplizierter gewesen sein, als es freundliche
Gesten gelegentlicher Kommunikation ausdrücken. Du Bois hätte sonst in seiner großen Autobiographie von 1969 Dewey erwähnt. Doch dies geschah so wenig, wie Du Bois im Stichwortverzeichnis der
37 Bände der Dewey-Werkedition erscheint.
cviii
Vgl. Margonis 2003 (a.a.O., Anm. 1).
cix
Jacoby Russell: Social Amnesia. A critique of conformist psychology from Adler to Laing
Boston:Beacon Press, 1975.  Jacoby kritisierte die Instrumentalisierung der Psychoanalyse unter
anderem durch die Frankfurter Schule  eine verzerrte Sicht, die von der Gesellschaft kritiklos rezipiert
worden sei, während die eigentliche Lehre Freuds dabei in Vergessenheit geriet.
cx
MW 5 (1908); LW 7 (1932
cxi
James Hayden Tufts: Our Democracy. Its Origins and Its Tasks. New York: Henry Holt 1917, 288ff.,
passim.
cxii
Dewey: The Issues at Washington, 1921 (MW 13, 173-190; hier 174).
cxiii
Dewey: Racial Prejudice and Social Friction 1921/1922 (MW 13, 242-254).
cxiv
Dewey, a.a.O. (Anm. 113), 243.
cxv
Nancy J. Weiss: The Negro and the New Freedom: Fighting Wilsonian Segregation". Political
Science Quarterly 84 (1969), 61–79, 63.
cxvi
MW 13, 253.
cxvii
MW 8, 203. Vgl. ferner: MW 11,71; MW 15 154; LW 2, 232.
cxviii
http://en.wikipedia.org/wiki/Mary_Turner
cxix
Walter Lippmann: Die Gesellschaft freier Menschen. Bern: Francke 1945, 211-217 (amerik.
Erstaufl. 1936).
cxx
John Dewey: Kunst als Erfahrung. Frankfurt a.M. Suhrkamp 1980.  Orig: Dewey 1934 (LW 10).
cxxi
George Hutchinson: The Harlem Renaissance in Black and White. Cambridge: The Belknap Press
of Harvard University Press 1997, 44-49.
cxxii
Dewey 1953 (LW 17, 58-60).
cxxiii
David Levering Lewis: W.E.B. Du Bois. The Fight for Equality and the American Century, 19191963. New York: Henry Holt 2000, 252.  Die gemeinnützige YMCA (Young Men’s Christian
Association) gewährte damals mittellosen jungen Männern eine preiswerte Übernachtungsmöglichkeit.
cxxiv
Thomas C. Leonhard: Mistaking Eugenics for Social Darwinism: Why Eugenics Is Missing from
the History of American Economics. In: History of Political Economy 37 (2005), supplement, 200-233;
hier 202. Online: http://www.princeton.edu/~tleonard/research.htm
cxxv
Papst Pius XI. hatte mit der Enzyklika „Casti connubii“ vom 31.12.1930 deutlich gemacht, dass
Sterilisierung und Schwangerschaftsunterbrechung mit der Ethik der katholischen Kirche unvereinbar
55
seien.
cxxvi
Der Wortlaut des zitierten Sterilisationsgesetzes des Bundesstaates Indiana 1907 und weiterer
Gesetzestexte findet sich (ins Deutsche übersetzt) in dem Band des k. u. k. österreichisch-ungarischen
Vizekonsuls. Géza von Hoffmann: Die Rassenhygiene in den Vereinigten Staaten von Amerika.
München: J.F. Lehmanns Verlag 1913.  In der deutschen Eugenikbewegung fand der Band von
Hoffmann Resonanz. Vgl. ferner: Steven Selden: Inheriting Shame. The Story of Eugenics and Racism
in America. New York: Teachers College, Columbia University 1999. Selden rechnete Dewey zum
amerikanischen Widerstand gegen die Eugenik (S. 113ff.), jedoch präsentiert er keine Belege, die
Dewey als Gegner der Eugenik ausweisen, sondern schließt dies aus Deweys Abneigung gegenüber
Tests und weitere im Kontext von Eugenik auftretende Sachverhalten.
cxxvii
Zitiert nach Hoffmann 1913 (Anm. 126), S. 23.
cxxviii
Zitiert nach Thomas C. Leonhard: „More Merciful and Not Less Effective”: Eugenics and
American Economics in the Progressive Era. In: History of Political Economy 35 (2003), 687-712; hier
S. 687. Online: http://www.princeton.edu/~tleonard/research.htm
cxxix
Jana Grekul/Harvey Krahn/Dave Odynak: Sterilizing the “Feeble-minded”: Eugenics in Alberta,
Canada, 1929-1972. Journal of Historical Sociology 17 (2004), 358-384.  John M. MacEachran:
Pragmatismus. Leipzig: Kreysing 1910. (Diss. Univ. Leipzig).
cxxx
If a selective policy is pursued in good faith and with sufficient intelligence, the nation will at least
be learning from its mistakes. It should find out gradually the kind and method of selection, which is
most desirable, and how far selection by non-interference is to be preferred to active selection. Herbert
Croly: The Promise of American Life. (1909). Online: http://www.gutenberg.org/files/14422/14422h/14422-h.htm.  Vgl. Leonhard 2005 (Anm. 124), S. 226.
cxxxi
F.C.S. Schiller: Social Decay and Eugenical Reform. London: Constable & Co. 1932.
cxxxii
Ebenda (Anm. 131), 110f.
cxxxiii
„Admitting that as yet our knowledge of eugenics is very imperfect it is still reasonable to hold
that on the whole children of healthy parents inherit a better physical organism than children of
diseased or feeble-minded parents, and that children of educated parents are likely to be better cared for
and better prepared to play their part in life than children of ignorant parents.” Dewey: Ethics 1932
(LW 7, 454)
cxxxiv
Dewey 1932 (Anm. 133), 455.
cxxxv
Ann Gibson Winfield: Eugenics and Education in America. Institutionalized Racism and the
Implications of History, Ideology, and Memory. New York: Peter Lang 2007, 132f.
cxxxvi
Ich beziehe mich hier und im Folgenden auf Timothy Mccune: Dewey's Dilemma: Eugenics,
Education, and the Art of Living. The Pluralist 7 (2012), 96-106.
cxxxvii
Dewey 1898 (EW 5, 39f.); Dewey 1931 (LW6, 92).
cxxxviii
„ Barring some future possible development of eugenics, our practical control of growth begins
at birth.” Dewey (LW 6,32).
cxxxix
Glenn McGee: The Perfect Baby. Parenthood in the New World of Cloning and Genetics. 2nd ed.
Lanham, Md /USA: Rowman & Littlefield 2000, 13, 64, 68, passim.
cxl
John Dewey Assails the Major Parties, New York Times, 14.10.1929 (LW 5, 442).
cxli
Robert B. Westbrook: John Dewey and American Democracy. Ithaca: Cornell University Press
1991, 446.
cxlii
Vgl. John Dewey: Address to the National Association fort the Advancement of Colored People
(LW 6, 224-230); vom 19. Mai 1932.
cxliii
„Dewey Urges Negroes to Join New Party“; LW 6, 530; hier auch weitere Überschriften mit
ähnlicher Tendenz in Zeitungsberichten über Deweys NAACP-Ansprache.
cxliv
Carter G. Woodson: The Mis-education of the Negro. Washington D.C.: The Associated Publishers
56
1969 (Erstdruck 1933). Introduction, by Charles H. Wesley/Thelma D. Perry.
cxlv
Howard University, Washington D.C., war eine der ältesten Bildungseinrichtungen für Schwarze.
cxlvi
Dewey: Liberalism and Equality, 1936 (LW 11, 368-371). Deutsch, in: John Dewey: Liberalismus
und gesellschaftliches Handeln. Gesammelte Aufsätze 1888 bis 1937. Tübingen: Mohr Siebeck 2010;
hier 243-246.
cxlvii
Woodson. a.a.O. (Anm. 129), 183.
cxlviii
Douglas, a.a.O. (Anm. 95), 12ff; 109f.
cxlix
Du Bois, zit. in Woodson, a.a.O. (Anm. 129), XV (= Introduction, by Charles H. Wesley/Thelma D.
Perry). Primärquelle: W. E. B. Du Bois : Does the Negro Need Separate Schools? Journal of Negro
Education, 4, (1935) 328-329.  Du Bois’ Eintreten für schulische Segregation 1934 führte zu seinem
Rückzug von der NAACP. Vgl. dazu Douglas, a.a.O. (Anm. 95), 201.
cl
W.E.B Du Bois, zitiert nach Wesley/Perry, in Woodson, a.a.O. (Anm. 97), XIII-XIV.
cli
Im amerikanischen Wikipedia-Artikel (free encyclopedia) heißt es über den afroamerikanischen
Dichter Langston Hughes, er habe sein Studium an der Columbia University, New York City, 1922
abgebrochen because of racial prejudice. http://en.wikipedia.org/wiki/Langston_Hughes
clii
Dewey: The American Intellectual Frontier, 1922 (MW 13, 301-305).
cliii
Ovington (a.a.O., Anm. 11), 217.
cliv
Ronald K. Goodenow: The Progressive Educator, Race and Ethnicity in the Depression Years: An
Overview. In: History of Education Quarterly 15 (1975), 364-394, hier 366.
clv
William H. Kilpatrick (Ed.): The Educational Frontier. New York: Century Co.1933.  Vgl. darin das
von Dewey (gemeinsam mit John L. Childs) geschriebene zweite und neunte Kapitel: LW 8, 41-76; 77103.
clvi
Dewey/Childs, a.a.O. (Anm. 155), LW 8, 73-74.
clvii
Zoë Burkholder: Color in the Classroom. How American Schools Taught Race 1900-1934. Oxford:
Oxford University Press 2011, 96ff.
clviii
Burkholder, a.a.O. (Anm. 157), 126.
clix
Dewey: The Need for a Philosophy of Education 1934 (LW 9,194-204), 203f.
clx
Dewey 1934 (LW 9, 203), 1941 (LW 14, 277).
clxi
Dewey 1942 (LW 15, 356).
clxii
Gunnar Myrdal: An American Dilemma. The Negro Problem and Modern Democracy. New York:
Harper & Row 1962 (orig. 1944), XLIII.
clxiii
Myrdal, ebenda (Anm. 162), 485.
clxiv
Zum Folgenden Douglas, a.a.O. (Anm. 95), 221ff.
clxv
Dewey: Between Two Worlds, 1944 (MW 17, 460).
clxvi
Berg, a.a.O. (Anm. 31), 480.
clxvii
Dorinda C. Carter Andrews/Franklin Tuitt (Eds.): Contesting the Myth of ‚Post Racial’ Era. The
Continued Significance of Race in U.S. Education. New York: Peter Lang 2013.
clxviii
George Yancy (Ed.): What White Looks Like. African-American Philosophers on the Whiteness
Question. New York: Routledge 2004.
clxix
Derrick P. Alridge: Conceptualizing a Du Boisian Philosophy of Educartion: Towards: A Model for
African-American Education. In: Educational Theory 49 (2005), 359-379.
clxx
Paul C. Taylor: Silence and Sympathy: Dewey’s Whiteness. In: Yancy, a.a.O. (Anm. 168), 227-241.
clxxi
Dewey: Introduction to Selected Poems of Claude McKay, 1953 (LW 17, 58-60).
clxxii
Dewey: Nationalizing Education, 1916 (MW 10, 202-210).
clxxiii
Eddi S. Glaude jr.: In a Shade of Blue. Pragmatism and the Politics of Black America. Chicago:
The University of Chicago Press 2007.
clxxiv
Charles W. Mills: The Racial Contract. Ithaca: Cornell University Press 1997.
clxxv
Glaude: a.a.O. (Anm. 173), 19f.
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