Rösch – Deutsche Geschichte von 1848 bis heute / VL 10: Die Gründung der zwei deutschen Staaten 1945 – 1949 1 Die Gründung der zwei deutschen Staaten 1945 – 1949 I. Maßnahmen der Alliierten (1) Die vier Besatzungszonen Konferenz von Potsdam, 17. Juli bis 2. August 1945: Churchill, Truman und Stalin legten das weitere Vorgehen in Deutschland fest: Zerschlagung des Nationalsozialismus im Inneren, Entmilitarisierung, Umgestaltung Deutschlands zu einem demokratischen Staat. Gebiete jenseits der Oder/Neiße sollten unter sowjetischer Verwaltung stehen, Deutschen sollten Ungarn, Tschechoslowakei und Polen sollten in humaner Weise verlassen, Reparationen durch Sachwerte. Amerikanische Zone: Die Amerikaner drangen auf eine schnelle Bestrafung der Nazis und wollten die Demokratisierung auf allen Ebenen vorantreiben. Franklin D. Roosevelt (ab April 1945 Harry S. Truman) verfolgte zudem einige Zeit ernsthaft den Plan von Finanzminister Henry Morgenthau, Deutschland in einen Staat ohne nennenswerte Industrie zurückzuverwandeln. Britische Zone: Churchill erkannte früher als Roosevelt die machtpolitischen Realitäten; von ihm stammt das Diktum vom „iron curtain“. Wie die Amerikaner wollten sie das Land demokratisieren. Französische Zone: De Gaulle nahm nicht an der Potsdamer Konferenz teil und war dank der Konzilianz der Briten und Amerikaner im Kreis der Alliierten. Das Vorgehen der Franzosen war selbstherrlich, wenig kooperativ (z.B. in der Besetzung des Saarlandes) und damit ein Faktor für das Scheitern einer gemeinsamen Besatzungspolitik. Sowjetische Zone: Weil sie von den vier Siegermächten am meisten zu leiden hatten, legten sie großen Wert auf materielle Rekompensation, die aus ihrer Zone kommen sollte. Dank einer Gruppe geschulter konnten sie relativ schnell Wirtschaft und Gesellschaft kommunistisch umbauen, ohne auf die Zustimmung einer überwiegend nicht kommunistisch eingestellten Bevölkerung angewiesen zu sein. FAZIT Die Aufteilung in Zonen bereitete die Teilung des Staates Deutschland vor, aber auch die föderalistische Struktur der künftigen Westrepublik. (2) Funktion des Alliierten Kontrollrats ab Mai 1945 Die übergeordnete Organisation war der Alliierte Kontrollrat in Berlin: General Dwight D. Eisenhower, nach ihm Lucius D. Clay Marschall Shukov Feldmarschall B.L. Montgomery General Pierre Koenig Sie mußten ihre Entscheidungen einstimmig treffen, konnten aber, wenn sie sich nicht geeinigt hatten, in ihren Zonen unabhängig verfahren. Eine zentrale deutsche Regierung war zunächst nicht vorgesehen, wohl aber sollten sie untergeordnete Rösch – Deutsche Geschichte von 1848 bis heute / VL 10: Die Gründung der zwei deutschen Staaten 1945 – 1949 2 Behörden und Verwaltungen zulassen und einrichten. Zentrale deutsche Behörden hätten sich einrichten lassen, aber die Franzosen verhinderten dies. Daher ging nicht von den Sowjets, sondern von den Franzosen nachhaltiger Widerstand gegen eine Politik für ganz Deutschland. Im März 1946 hatten die vier Kontrollräte sich auf den „Industrieplan“ geeinigt, nach dem die Sowjets aus den Westzonen Reparationen bezogen, aber ihrerseits Nahrungsmittel und Rohstoffe in dies Zonen liefern sollten; sie weigerten sich im Mai, so daß der Austausch ganz eingestellt wurde. Am 1. Oktober 1946 verhinderte König durch sein Veto, daß zentrale Behörden eingerichtet wurden. Am 20. März 1948 verließen die sowjetischen Vertreter, aus Protest gegen den Marshall-Plan (s.u.), den Kontrollrat, der damit handlungs- und funktionsunfähig wurde. (3) Der Nürnberger Prozess Schon in der Moskauer Erklärung vom 1. November 1943 hatten die Alliierten beschlossen, Kriegsverbrecher zu bestrafen (abgedruckt bei Heydecker / Leeb). Er begann am 20. November 1945 in Nürnberg als Militärgerichtshof Vier Anklagepunkte: Verschwörung (Die Nationalsozialisten festigten ihre Macht durch Terror, Täuschung und die Verletzung von Verträgen [Rheinland, Saarland]; durch Gleichschaltung, Unterdrückung des Widerspruchs im Innern, Indoktrination der Bevölkerung [Führerprinzip, Lehre von der Herrenrasse], Ausrottung von Volksgruppen). Verbrechen gegen den Frieden (Die Vorbereitung des Krieges durch Aufrüstung, der Überfall auf neutrale Nachbarstaaten, der Einmarsch in Nachbarländer, auch die Verletzung des Münchner Abkommens fielen unter diesen Punkt). Kriegsverbrechen (Die Bevölkerung in eroberten Gebieten sei unterworfen, durch Arbeit und Hunger geplant dezimiert, schließlich vernichtet worden. Regionen wurden verwüstet, öffentliches und privates Eigentum geplündert). Verbrechen gegen die Humanität (erweiterte die Anklage der Kriegsverbrechen und betraf vorwiegend zwei Punkte: „Ermordung, Ausrottung, Versklavung, Deportation und andere unmenschliche Handlungen gegen Zivilbevölkerungen vor oder während des Krieges“, „Verfolgung aus politischen, rassischen und religiösen Gründen“). Problem: nulla poena sine lege; auch die Sowjets saßen im Gericht, wiewohl sie durch Angriffe gegen Polen und Finnland selbst gegen das Völkerrecht schuldig waren. Die Strafen wurden am 10. Oktober 1946 verkündet und lauteten auf Erhängen (u.a. Jodl, Keitel, Rosenberg, Seyss-Inquart, Streicher), Gefängnis (u.a. Dönitz, Heß, Speer) und Freispruch (u.a. Papen, Schacht). Es blieb die Frage nach der verdrängten Schuld, die der Psychoanalytiker Alexander Mitscherlich zusammenfaßte als „Unfähigkeit zu trauern“. (4) Spruchkammer-Verfahren zur Entnazifizierung Jeder Erwachsene hatte sich ihr zu stellen; ein Fragebogen mit 131 Fragen zu Schulbildung, Beruf, Vermögen, Ämter, Reisen sollte helfen, den Grad seiner Mittäterschaft zu ermitteln. Die NSDAP hatte acht Millionen Mitglieder, so daß Ende 1945 in der amerikanischen Zone 117 Personen in Internierungslagern saßen. Rösch – Deutsche Geschichte von 1848 bis heute / VL 10: Die Gründung der zwei deutschen Staaten 1945 – 1949 3 Fünf Kategorien: Hauptschuldige – Belastete – Minderbelastete – Mitläufer – Entlastete. Als Strafen waren Internierung, Aberkennung von Vermögen und Pension oder Geldstrafen vorgesehen. Am 15. Dezember 1950 hob der Bundestag die Spruchkammern auf; die Verfolgung von Verbrechen wurde nun den Ländern und ihren Gerichtshöfen übertragen. Dieses Vorgehen mußte oberflächlich und damit zweifelhaft bleiben. Ein besserer Weg wäre gewesen, erst bei der Übernahme von Ämtern, dem Eintritt in öffentliche Verantwortung zu prüfen, was der/diejenige zwischen 1933 und 1945 getan hatte. Am konsequentesten wurde sie in der Sowjetischen Zone durchgeführt; dort wurden wichtige Stellen bei Polizei und Justiz (Justizreform 1946) mit Kommunisten besetzt. Da die sozialistische Regierung sich als fortschrittliches Gegenmodell zum Nationalsozialismus und als antifaschistisch verstand, war die Auseinandersetzung mit diesem Teil der Vergangenheit, wie er dann im Frankfurter Prozeß 1968 stattfand, nicht Teil der nationalen Erinnerung und Selbstdefinition. (5) Re-education‘ Die Politik wurde, mindestens anfangs, undemokratisch von den Alliierten, die Militärs waren, ‚diktiert‘; erst mit der Gründung von Parteien (auch Zeitungen, deren Genehmigung ebenfalls bei den Besatzern lag) war es möglich, demokratische Strukturen vorzubereiten. II. Neuordnung von innen (1) Neugründung der Parteien In den westlichen Zonen: SPD: Wurde als erste Partei am 19. April 1945 unter Kurt Schumacher neu gegründet. Er wollte eine parlamentarische Demokratie und die nationale Einheit, aber eine sozialistische Wirtschaftsordnung (Großbanken, Großbetriebe, Grundbesitz enteignen). Gegen die SPD in der Ostzone grenzte er sich scharf ab und ging im Oktober 1945 nicht auf Grotewohls Vorschlag ein, eine gemeinsame Führung einzusetzen. KPD: Sie erzielte zunächst Erfolge in Bremen, Hamburg, Hessen, BadenWürttemberg und Nordrhein-Westfalen. 1956 wurde sie vom Bundesverfassungsgericht verboten. CDU (CSU): Überkonfessionelle Partei, die sich im Dezember 1945 für alle Besatzungszonen gründete. Am 1. März 1946 wählte sie Konrad Adenauer zu ihrem Vorsitzenden. LDP/FDP: Im Juni 1945 war in Berlin die Liberal-Demokratische Partei gegründet worden; sie löste sich von der Westpartei und nahm am 1. Volkskongreß teil. Im Dezember 1948 gründete sich die FDP unter dem Vorsitz von Theodor Heuss; als einzige Partei forderte sie ein strikt marktwirtschaftliches System. Parteien in der sowjetischen Zone: Rösch – Deutsche Geschichte von 1848 bis heute / VL 10: Die Gründung der zwei deutschen Staaten 1945 – 1949 4 Aus Moskau kehrte die ‚Gruppe Ulbricht‘ zurück, deren Auftrag es war, den Magistrat von Groß-Berlin aufzubauen. Von den 16 Mitgliedern waren 8 Kommunisten; dies konfrontierte die anderen Alliierten mit Vorentscheidungen. KPD: Neugegründet wurde sie mit einem moderaten Programm, in dem ausdrücklich festgehalten war, daß freier Handel und Unternehmerinitiative auf der Basis des Privateigentums möglich sein sollten. Ihre Führer waren Walter Ulbricht und Wilhelm Pieck. SPD: Ihr Programm fiel radikaler aus, zielte auf Verstaatlichung von Banken, Bodenschätzen und der Energiewirtschaft. Ihr Führer war Otto Grotewohl. Auch die bürgerlichen Parteien LPD und CDU gründeten sich neu; auch sie wollten das Privateigentum nicht antasten. Mitte Juli 1945 schlossen sich die vier Parteien der SBZ zur „Einheitsfront der antifaschistisch-demokratischen Parteien“ zusammen, die von einem Ausschuß vertreten wurde. (2) Unmittelbare (Über-)Lebensfragen und Wirtschaftslage Von den Eisenbahnen und Straßen waren drei Viertel zerstört; in einer Stadt wie Köln lebten von 730000 Einwohnern noch in den Kellern der zerbombten Häuser ca. 40000. Sofort wurde Arbeitspflicht bei der Beseitigung von Trümmern eingeführt; sie war z.B. Bedingung, um als Student/in zugelassen zu werden. Es fehlte zudem an d.h. Kohle; die Sektoren waren als wirtschaftliche Einheiten nicht fähig für sich zu bestehen. In das verbleibende deutsche Staatsgebiet strömten bis zum 1. April 1947 etwa zehn Millionen Flüchtlinge aus den Gebieten östlich von Oder und Neiße wie aus der Tschechoslowakei und Ungarn. Diese Zuwanderung und die geringe Wirtschaftskraft führten zu einer schlimmeren Ernährungskrise als während des Krieges: Die Nahrungszuteilung wurde 1946/47 auf 1500 Kalorien/Tag für jeden reduziert (normal sind 2500-3500). Bi-Zone: Unter dem wirtschaftlichen Druck entschlossen sich Briten und Amerikaner, ihre Zonen zur „Bi-Zone“ zusammenzuschließen. Es entstand der Wirtschaftsrat in Frankfurt, der sich aus 52 Abgeordneten der Länder zusammensetzte und eine Art Vor-Parlament darstellte; sie konnten Gesetze und Verwaltungsvorschriften erlassen. Neben ihm existierte der Verwaltungsrat aus den Direktoren der Ressorts, den die späteren Ministerien ähnlich waren. Einen Länderrat, der wie der Bundesrat spezifische Maßnahmen für das Land beriet, gab es ebenfalls. Weder Amerikaner noch Briten noch Franzosen verfolgten ernsthaft den Plan, die großen Industrien zu verstaatlichen; es wurden lediglich großen Kriegskonzerne entflochten (Sontheimer 31). Gerade die unmittelbare Not nach 1945 hätte eine Sozialisierung einsichtig und damit leichter durchführbar gemacht, aber ironischerweise hemmte sie gerade diesen Schritt, weil die soziale Struktur der Gesellschaft so nivelliert wie nie zuvor schien und damit einen grundlegenden Eingriff überflüssig zu machen schien (Sontheimer 31). Die Sowjets hingegen handelten im Sinne der Potsdamer Beschlüsse (Wirtschaftsund Gesellschaftssystem grundlegend ändern) und setzten schon im September 1945 eine Bodenreform durch (Grundbesitz über 100 Hektar wurde enteignet, „Junkerland in Bauernhand“); so gelangten 3,3 Mio Hektar entschädigungslos in die Hände von landarmen Bauern, Landarbeitern oder Umsiedlern. Betriebe, v.a. diejenigen der NSDAP oder ihrer Mitglieder, wurden sozialisiert oder in sowjetische Rösch – Deutsche Geschichte von 1848 bis heute / VL 10: Die Gründung der zwei deutschen Staaten 1945 – 1949 5 Aktiengesellschaften überführt. 1947 kamen 56% der industriellen Produktion aus volkseigenen Betrieben. Marshall-Plan: In seiner Rede am 5. Juni 1947 entwarf der amerikanische Außenminister George C. Marshall an der Harvard University ein Programm, das nicht mehr nur darauf abzielte, unmittelbare Not zu lindern. Das war mit dem CAREProgramm geschehen, denn CARE stand für „Cooperative for American Remittances to Europe“, d.h. es waren Lebensmittel aus den Beständen der Armee. Sechzehn europäische Länder gründeten am 16. April 1948 die OEEC (=Organization for European Economic Cooperation; Nachfolge-Organisation OECD existiert heute noch), die das Europäische Wiederaufbau-Programm auflegten (ERP = European Recovery Program). Über dieses Programm flossen zwischen 1948 bis 1952 100 Milliarden Mark nach Europa, davon 1,4 Milliarden auf die westlichen Teile Deutschlands, als Darlehen, das zurückzuzahlen war (nur ein Mrd. wurde zurückgezahlt). Die Sowjets wollten sich zunächst beteiligen, aber zu anderen Bedingungen (bilaterale Kredite, statt als Empfänger zusammenzuarbeiten); darüber kam es zum Bruch, der es auch Polen und der CSSR unmöglich machte, die Gelder in Anspruch zu nehmen. So wurde der Marshall-Plan auch ein Streitpunkt im Kalten Krieg. Genutzt wurde das Geld zum Bau von Wohnungen III. Die Entwicklung in den Besatzungszonen – Kalendarium einer Teilung Wann? Westliche Zonen 21./22. April 1946 Die KPD (Wilhelm Pieck) und SPD (Otto Grotewohl) wurden zur SED zusammengeführt Wahl der Stadtverordneten in SPD 48,7 %; CDU 22,2 %; LDP Berlin: 9,3 %; SED 19,8 %. Bi-Zone zwischen dem US und dem britischen Sektor Konferenz der Minister- „Schaffung eines deutschen präsidenten in München Einheitsstaates“ als provozierende scheiterte: Formel W. Ulbrichts 1. Deutscher Volksrat, um eine Verfassung auszuarbeiten Währungsreform: Bankguthaben wurden abgewertet 100 RM : 6,50 DM; Schulden 10:1; ‚Kopfgeld‘ 40 DM, im August noch einmal 20 DM. Sowjetische Vertreter verließen die Alliierte Kommandantur. Blockade aller Land- und SMAD (=Sowjetische MilitärWasser-Wege zu den WestAdministration Deutschlands) sektoren, um die Währungsführte Währungsreform durch: 70 reform dort zu verhindern. Lucius M ‚Kopfgeld‘, Bargeld 10:1; 20. Okt. 1946 1. Jan. 1947 7. Juni 1947 Dez. 1947 20. Juni 1948 16. Juni 1948 23. Juni 1948 Sowjetische Zone Rösch – Deutsche Geschichte von 1848 bis heute / VL 10: Die Gründung der zwei deutschen Staaten 1945 – 1949 D. Clay ließ eine Luftbrücke einrichten, die am 4. Mai 1949 endete. Dazu wurde der Flughafen Tegel erneuert, 2,2 Mio. Menschen wurden aus der Luft versorgt. Dabei starben 31 amerikanische, 39 englische und 8 deutsche Piloten. 1. Juli 1948 Militärgouverneure ermächtigen die Ministerpräsidenten der Länder, bis zum 1. Sept. 1948 eine Verfassung auszuarbeiten. Es wurde ein Parlamentarischer Rat aus den Länderparlamenten beschlossen, ohne Volksabstimmung, ‚Grundgesetz‘. 1. Sept. 1948 Parlamentarischer Rat in Bonn tritt zusammen: 65 Mitglieder aus CDU, SPD, DP, FDP, KPD 6. Sept. 1948 Guthaben wurden gestaffelt getauscht (bis RM 100: 1:1; ab RM 1000: 10:1). Bis März 1949 galten in Berlin beide Währungen. SED-Trupps sprengen die Versammlung der Stadtverordneten in Berlin; die Mehrheit tagt weiter im Westsektor. Volksrat billigte die Verfassung. 22. Okt. 1948 Dez. 1948 Der Magistrat verlegt seinen Sitz in den Westteil 4. Mai 1949 Ende der Blockade angekündigt 8. Mai 1949 Mit 53 gegen 12 Stimmen nahm der Parlamentarische Rat das Grundgesetz an. Die Parlamente der Länder billigten es. 12. Mai 1949 Blockade beendet 23. Mai 1949 Das Grundgesetz wurde unterzeichnet, in Gegenwart der Ministerpräsidenten, der Abgeordneten, der alliierten Vertreter. Die beiden Kommunisten Max Reimann und Heinz Renner unterschrieben nicht. 7. Okt. 1949 2. Volksrat beauftragte Otto Grotewohl mit der Regierung. Schlaglicht ‚Alien homeland‘. Die Rückkehrversuche der Emigrierten. 6 Rösch – Deutsche Geschichte von 1848 bis heute / VL 10: Die Gründung der zwei deutschen Staaten 1945 – 1949 7 Erika Mann (9. November 1905 – 27. August 1969) und Alfred Döblin (10. August 1878 - 26. Juni 1957) in Deutschland nach 1945. Erika Mann war Kriegsreporterin für mehrere Zeitungen und kam, wie ihr Bruder Klaus auch, mit dieser Aufgabe nach Europa. Im August 1945 fuhr sie nach Luxemburg, um die dort inhaftierten Nationalsozialisten zu sehen: Ein gespenstischeres Abenteuer ist nicht vorstellbar. Göring, Papen, Rosenberg, Streicher, Ley – tout le horreur monde [sic] (einschließlich Keitel, Dönitz, Jodl etc.) eingesperrt in einem ehemaligen Hotel, das zum Gefängnis wurde und aus dem seine Insassen ein regelrechtes Irrenhaus gemacht haben. Da ich mit den Idioten nicht selbst sprechen durfte, schickte ich hinterher Vernehmungsbeamte zu ihnen und ließ sie wissen, wer ich (die erste und einzige Frau, die je den Ort betreten hat) war. Ley schrie: ‚Assez!‘ und schlug die Hände vors Gesicht; Rosenberg murmelte: ‚Pfui Deubel!‘ und Streicher lamentierte: ‚Du lieber Gott, und diese Frau ist in meinem Zimmer gewesen!‘ Göring war am erregtesten. Hätte ich mich doch nur vorgestellt, sagte er, dann hätte er alles erklärt; und hätte er den Fall Mann bearbeitet, dann hätte er die Sache anders gehandhabt. Ein Deutscher von T.M.‘s Format hätte dem Dritten Reich sicherlich angepaßt werden können. Ich kabelte all dies und vieles mehr an den London Evening Standard, der es auf der Titelseite groß herausbrachte. (Zitiert nach: Lühe, Erika Mann, s. Literatur, 279) Döblin vertrat prominent die von den Nazis verfemte ‚Asphaltliteratur‘ und war am Tag es Reichstagsbrandes nach Frankreich geflohen, wo er drei Jahre später die französische Staatsbürgerschaft erhielt. 1940 konnte er nach USA einwandern; nach 1945 war er als einer der ersten Schriftsteller entschlossen, nach Deutschland zurückzukehren. Am 9. November 1945 kam er über Straßburg nach Baden-Baden und wurde Offizier mit den Aufgaben, Manuskripte zu zensieren und eine literarische Monatsschrift zu gründen. Er gab Lesungen, Vorträge, Interviews; die Zeitschrift „Das goldene Tor“ erschien am 1. Oktober 1946. Er lebte in Mainz, war befreundet mit Theodor Heuss, kehrte im September 1955 nach Paris zurück, wo er am 26. Juni 1957 starb. Literatur Alfred Döblin. 1878. 1978. Katalog von Jochen Meyer in Zusammenarbeit mit Ute Doster. 3. Unveränd. Aufl. Marbach 1979 (zuerst 1978) (Sonderausstellung des Schiller-Nationalmuseums, Katalog 30) Außenpolitik der Bundesrepublik. Dokumente von 1949 – 1994. Hrsg. aus Anlaß des 125. Jubiläums des Auswärtigen Amts. Köln 1995. Biographisches Handbuch der SBZ / DDR 1945 – 1990. Hrsg. v. Gabriele Baumgartner, Dieter Hebig. 2 Bde. München, New Providence u.a. 1996, 1997. Danyel, Jürgen (Hrsg.): Die geteilte Vergangenheit. Zum Umgang mit Nationalsozialismus und Widerstandt in beiden deutschen Staaten. Berlin 1995 (Zeithistorische Studien 4). Rösch – Deutsche Geschichte von 1848 bis heute / VL 10: Die Gründung der zwei deutschen Staaten 1945 – 1949 8 Das gespaltene Land. Leben in Deutschland 1945 – 1990. Texte und Dokumente zur Sozialgeschichte. Hrsg. v. Christoph Kleßmann, Georg Wagner. München 1993. Deutschland nach der Wende. Eine Bilanz. Hrsg. v. Robert Hettlage, Karl Lenz. München 1995. Dokumente zur Deutschlandpolitik. Deutsche Einheit 1989/90. Sonderedition aus den Akten des Bundeskanzleramtes. Hrsg. v. Bundesministerium des Innern unter Mitwirkung des Bundesarchivs. München 1998. Geschichte der Deutschen Demokratischen Republik. Von einem Autorenkollektiv unter Leitung von Rolf Badstübner. 2. durchgeseh. Aufl. Berlin 1981. Glaser, Hermann: Deutsche Kultur 1945 – 2000. München 1997. Glaser, Hermann: Kulturgeschichte der BRD. 3 Bde. München: Hanser 1985-1989. (ausführliche Version mit weniger Bildern, aber gut belegte Darstellung, v.a. umfangreiche Zeittafel zu dem jeweiligen Epochenabschnitt) Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. Hrsg. v. Uwe Andersen, Wichard Woyke. Opladen 1993. Heydecker, Joe; Johannes Leeb: Der Nürnberger Prozeß. Überarb. und aktualisierte Ausgabe Köln 1985. Jesse, Eckhard (Hrsg.): Bundesrepublik Deutschland und Deutsche Demokratische Republik. Die beiden deutschen Staaten im Vergleich. 2. Aufl. Berlin 1981 (zuerst 1980) Kielmansegg, Peter Graf: Nach der Katastrophe. Eine Geschichte des geteilten Deutschland. Berlin 2000. Lühe, Irmela von der: Erika Mann. Eine Biographie. Reinbek 1993 (zuerst Frankfurt 1993). Rudzio, Wolfgang: Das politische System der Bundesrepublik Deutschland. 4. Aufl. Opladen 1996. SBZ-Handbuch. Staatliche Verwaltungen, Parteien, gesellschaftliche Organisationen und ihre Führungskräfte in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands 1945-1949. Hrsg. v. Martin Broszat und Hermann Weber. München 1990. - 50 / NQ 6050 B 874 Schwieriges Erbe. Der Umgang mit Nationalsozialismus und Antisemitismus in Österreich, der DDR und der Bundesrepublik Deutschland. Hrsg. v. Werner Bergmann, Rainer Erb, Albert Lichtblau. Frankfurt, New York 1999. Sontheimer, Kurt: Grundzüge des politischen Systems der neuen Bundesrepublik Deutschland. Völlig überarb. Neuausgabe München 1993, 16. Aufl. 1995. Winkler, Heinrich August: Der lange Weg nach Westen. Bd. 2: Deutsche Geschichte vom „Dritten Reich“ bis zur Wiedervereinigung. München 2000.