Egoismus und Sympathie

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UHH – FB Sozialökonomie – Wulf D. Hund – Politische Soziologie 1 – SoSe 2011 – Smith 1
Egoismus und Sympathie:
Adam Smith
Adam Smith, geb. am 5. 6. 1723 in Kirkcaldy in einer wohlhabenden bürgerlichen Familie;
Schulbesuch, ab 1737 Studium in Glasgow und Oxford; 1751 Prof. für Logik und später für
Moralphilosophie an der Universität Glasgow; Intensivierung der Freundschaft zu David
Hume; 1759: ›Theory of Moral Sentiments‹; ›Lectures on Jurisprudence‹
(Vorlesungsnachschriften von 1762/3 und 1766 sind erhalten geblieben); 1764 Aufgabe des
Lehrstuhls zugunsten einer privaten Anstellung als Erzieher eines jungen Herzogs, Reise auf
den Kontinent, Bekanntschaft mit Voltaire, Holbach, Quesnay, Helvetius, Turgot u. a.; 1766
Rückkehr nach England; 1773 Mitglied der Royal Society; 1776: ›An inquiry into the Nature
and Causes of the Wealth of Nations‹; 1777 Zollkontrolleur für Schottland; 1787 Rektor der
Universität Glasgow; nach schwerer Erkrankung Verbrennung von 16 Bänden mit
unveröffentlichten Manuskripten; gest. am 17. 7. 1790 in Edinburgh.
Literatur:
[ASW] Adam Smith: Works. (Glasgow Edition). 6 Bde. Oxford 1976ff.
[TMS] Adam Smith: Theorie der ethischen Gefühle. Hrsg. v. W. Eckstein. Hamburg 1977
(Nachdruck der Ausg. 1926).
[WN] Adam Smith: Der Wohlstand der Nationen. Übertr. u. eingel. v. H. C. Recktenwald.
München 1978 (revid. Fassung der Ausg. 1974).
T. D. Campbell: Adam Smith's Science of Morals. London 1971.
D. Göçmen: The Adam Smith Problem. Human Nature and Society in the Theory of Moral
Sentiments and The Wealth of Nations. London 2007.
K. Haakonssen (Hrsg.): The Cambridge Companion to Adam Smith. Cambridge 2006.
A. L. Macfie: The Individual in Society. Papers on Adam Smith. London 1967.
H. Medick: Naturzustand und Naturgeschichte der bürgerlichen Gesellschaft. Göttingen
1973.
C. R. Smith: Adam Smith’s Political Philosophy. The Invisible Hand and Spontaneous Order.
London 2006.
In den ›Lectures on Jurisprudence‹ skizziert Smith seine Vorstellung von der
Entwicklung der Gesellschaft und der Abhängigkeit der Rechtsformen von
den materiellen Lebensbedingungen:
[1]
»Es gibt vier Entwicklungsstadien, die die Menschheit durchläuft: 1. das
Zeitalter der Jäger; 2. das Zeitalter der Hirten; 3. das Zeitalter des
Ackerbaus; und 4. das Zeitalter des Handels.
Wenn wir 10 oder 12 Personen unterschiedlichen Geschlechts
annehmen, die sich auf einer unbewohnten Insel niedergelassen haben,
verfielen sie als erster Methode des Lebensunterhalts darauf, sich durch
wildwachsende Früchte und wilde Tiere zu ernähren, wie sie die Gegend
lieferte. Ihre einzige Beschäftigung bestünde in der Jagd wilder Tiere und
dem Fischfang... Dies ist das Zeitalter der Jäger.
Wenn sich im Verlauf der Zeit ihre Zahl vervielfachte, zeigte sich die Jagd
für ihren Nahrungserwerb zu unsicher. Sie würden gezwungen, sich andere
Methoden des Unterhalts auszudenken ... Sie kämen auf den natürlichsten
Einfall, einige der gefangenen wilden Tiere zu zähmen. Da diese ihnen
bessere Nahrung als sonst lieferten, könnten sie sich weiter vermehren und
ausbreiten. Von daher würde das Zeitalter der Hirten heraufziehen ... Herden
sind ... die ersten Hilfsquellen, die sich die Menschen zulegen, wenn ihnen
der Unterhalt durch die Jagd Schwierigkeiten macht.
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Wenn aber eine Gesellschaft zahlreich wird, würde ihr Unterhalt durch
Herden schwierig. Natürlicherweise wendeten sich die Menschen der
Urbarmachung des Landes und dem Anbau solcher Pflanzen und Bäume zu,
die ihnen Nahrung lieferten ... Dadurch würden sie allmählich in das Zeitalter
des Ackerbaus fortschreiten. Mit der weiteren Vervollkommnung der
Gesellschaft käme es zur Trennung der verschiedenen Fertigkeiten, die
ursprünglich von jedem einzelnen angewandt worden waren, soweit es sein
Wohlergehen erfordert hatte; je nach besonderer Neigung bildeten einige
Personen diese und andere jene aus. Was sie über das Lebensnotwendige
hinaus produzierten, tauschten sie aus und dafür Waren ein, die sie
benötigten und nicht selbst herstellten ... Auf diese Weise entsteht
schließlich das Zeitalter des Handels ...
Es ist leicht einsehbar, daß in diesen verschiedenen Zeitaltern der
Gesellschaft die Gesetze und Regeln hinsichtlich des Eigentums sehr
verschieden sein müssen ... Bei den Tartaren .... deren Lebensunterhalt auf
Herden beruht, wird Diebstahl mit sofortigem Tode bestraft. In Nordamerika
wiederum, wo das Zeitalter der Jäger besteht, erregt Diebstahl kein großes
Aufsehen. Da nahezu kein Eigentum existiert, kann als einziges Unrecht der
Ausschluß von der Jagd begangen werden. In solchem gesellschaftlichen
Zeitalter werden nur wenige Gesetze und Regeln erforderlich sein, die sich
nicht sehr weit erstrecken und hinsichtlich der Bestrafung von Verletzungen
des Eigentums nicht sehr streng sein werden ... Sind aber Herden
herangezogen worden, dann nimmt das Eigentum einen sehr beträchtlichen
Umfang an. Es gibt viele Gelegenheiten, einander Unrecht zuzufügen, das
für den, der es erleidet, sehr schädlich ist. In diesem Stadium müssen viel
mehr Gesetze und Regeln erlassen werden. Da sich Diebstahl und Räuberei
leicht begehen lassen, müssen sie mit äußerster Härte bestraft werden. Ist
auch das Zeitalter des Ackerbaus vielleicht weniger Diebstahl und offener
Räuberei ausgesetzt, so bringt es doch zahlreiche Möglichkeiten mit sich,
das Eigentum, dessen Gegenstände sich beträchtlich vermehrt haben, zu
verletzen. Obwohl möglicherweise weniger streng, werden die Gesetze von
weit größerer Anzahl sein als bei einem Volk von Hirten. Im Zeitalter des
Handels, in dem die Bereiche, auf die Eigentum sich erstreckt, stark
zugenommen haben, müssen die Gesetze entsprechend proportional
vermehrt werden. Je fortgeschrittener eine Gesellschaft ist und je mehr sich
die verschiedenen Erwerbszweige ihrer Mitglieder ausgedehnt haben, um so
größer wird die Zahl der Gesetze und kegeln sein, derer es zur
Aufrechterhaltung
der
Gerechtigkeit
und
zur
Verhütung
von
Eigentumsverletzungen bedarf« (ASW, V, 14ff.).
Aus diesen Überlegungen ergibt sich hinsichtlich der Entstehung des
Staates eine klare Ableitung:
[2]
»Um zutreffende Vorstellungen von der Regierung zu erhalten, ist es
notwendig, ihre erste Form zu betrachten und zu beobachten, wie sich aus
ihr die weiteren Formen entwickelt haben.
In einem Volk von Jägern gibt es gar keine Regierung im eigentlichen
Sinne. Die Gesellschaft besteht aus einigen unabhängigen Familien, die im
selben Dorf leben, dieselbe Sprache sprechen und übereingekommen sind,
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für ihre gemeinsame Sicherheit zu sorgen. Aber keiner hat Autorität über den
anderen. Um jedes Vergehen kümmert sich die ganze Gesellschaft... Somit
gibt es unter Jägern keine richtige Regierung; sie leben in Übereinstimmung
mit den Naturgesetzen.
Die Aneignung von Herden, welche die Ungleichheit des Vermögens mit
sich brachte, gab zuerst Anlaß zu regelrechter Regierung. Ohne daß
Eigentum existiert, kann es keine Regierung geben, deren oberstes Ziel es
ist, den Reichtum zu sichern und die Reichen vor den Armen zu schützen«
(ASW, 0V, 404).
In dieser Begründung der Regierung und der Gesetze ist die traditionelle
Vertragstheorie verworfen:
»Eine verbreitete Lehre ... besagt, daß die Beziehung von Untertanen und
bürgerlicher Regierung durch Vertrag zustande kommt. Daß dies nicht der
Fall ist, läßt sich ... zeigen ...
Wird ein gewöhnlicher ... Tagelöhner gefragt, warum er der bürgerlichen
Regierung gehorcht, so wird er antworten, daß es sich so gehöre, daß er es
andere tun sehe, daß er im Fall der Weigerung bestraft werde, oder vielleicht
daß es eine Sünde gegen Gott sei, es zu unterlassen. Nie aber wird er einen
Vertrag als Grundlage seines Gehorsams erwähnen ... (D)ie meisten
Menschen kennen keine andere Sprache und kein anderes Land, sind arm
und genötigt, in der Umgegend ihres Geburtsortes zu bleiben um für ihren
Lebensunterhalt zu arbeiten. Sie können deswegen nicht geheißen werden,
einem Vertrag zuzustimmen, selbst wenn sie den stärksten Sinn für
Gehorsam haben sollten« (ASW, V, 402f.).
Zur Beantwortung der Frage, welche Prinzipien der Vergesellschaftung an
die Stelle des Vertrages treten, entwickelt Smith neben den strukturellen
Überlegungen zur Entstehung der materiellen Grundlagen gesellschaftlichen
Lebens das sozialpsychologische Modell eines einheitlichen bürgerlichen
Charakters, der durch Sozialprestige und Nützlichkeitserwägungen geleitet
wird:
[3]
»Zwei Prinzipien veranlassen die Menschen zum Eintritt in eine bürgerliche
Gesellschaft. Wir werden sie Prinzip der Autorität und Prinzip der Nützlichkeit
nennen ...
Alter und lange Ausübung der Macht verstärken tendenziell Autorität ...
Doch größerer Reichtum trägt mehr als jede dieser Eigenschaften zur
Verleihung von Autorität bei. Das entspringt nicht irgendeiner Abhängigkeit
der Armen von den Reichen, denn im allgemeinen sind die Armen
unabhängig und ernähren sich durch eigene Arbeit. Obwohl sie also von den
Reichen keine Wohltaten erwarten, haben sie einen starken Hang, ihnen
Respekt zu zollen. Dieser Vorgang wird in der Theorie der ethischen Gefühle
grundsätzlich erklärt. Dort wird gezeigt, daß er darauf beruht, daß unsere
Sympathie mit den uns Überlegenen größer ist als mit denen, die uns
gleichen oder unter uns stehen ... Das zweite Prinzip, das die Menschen der
bürgerlichen Regierung gehorchen läßt, ist das des Nutzens. Jeder hat
Verständnis für die Notwendigkeit dieses Prinzips zum Schutz der
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Gerechtigkeit und des Friedens in der Gesellschaft. Durch die bürgerlichen
Institutionen können die Ärmsten Wiedergutmachung für Ungerechtigkeiten
der Reichsten und Mächtigsten erlangen. Und wenn auch in einzelnen Fällen
zweifellos Regelwidrigkeiten vorkommen mögen, müssen wir uns doch
diesen Institutionen unterstellen, um größere Übel zu vermeiden« (ASW, V,
401f.).
In der ›Theory of Moral Sentiments‹ hat Smith die Grundlagen sozialen
Verhaltens skizziert. (Wegen der Bedeutung dieser Überlegungen für die
Geschichte der Soziologie werden sie ausführlicher vorgestellt. Die
jeweiligen Seitenangaben sind dabei in Klammern vorweggestellt – alle
stammen aus TMS):
[4 - a -]
(2) Da wir keine unmittelbare Erfahrung von den Gefühlen anderer
Menschen besitzen, können wir uns nur so ein Bild von der Art und Weise
machen, wie eine bestimmte Situation auf sie einwirken mag, daß wir uns
vorzustellen suchen, was wir selbst wohl in der gleichen Lage fühlen
würden... (4) Der Affekt, der durch irgendeinen Gegenstand in der zunächst
betroffenen Person erregt wird, mag ... welcher immer sein, stets wird in der
Brust eines jeden aufmerksamen Zuschauers bei dem Gedanken an die
Lage des anderen eine ähnliche Gemütsbewegung entstehen... Das Wort
»Sympathie« kann ... dazu verwendet werden, um unser Mitgefühl mit jeder
Art von Affekten zu bezeichnen. (6) Sympathie entspringt ... nicht so sehr
aus dem Anblick des Affektes, als vielmehr aus dem Anblick der Situation,
die den Affekt auslöst. Wir fühlen mitunter für einen anderen einen Affekt,
dessen er selbst ganz (7) unfähig zu sein scheint ... (8) Ja, wir empfinden
Sympathie sogar mit den Toten...
[4 - b -]
(14) Wenn die ursprünglichen Affekte desjenigen, der durch ein Ereignis in
erster Linie betroffen wird, mit den sympathetischen Gemütsbewegungen
des Zuschauers in voller Übereinstimmung stehen, dann werden sie ...
diesem letzteren als richtig und schicklich (…) erscheinen; und umgekehrt ...
(19) Wir können über die Schicklichkeit oder Unschicklichkeit der Gefühle
eines anderen auf Grund ihrer Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung
mit unseren eigenen ... urteilen ... (25,) (wodurch wir) soviel
Übereinstimmung miteinander haben können, als für die Harmonie der
Gesellschaft ausreichend ist...
Um diese Harmonie zustande zu bringen, hat die Natur die Zuschauer
gelehrt, sich in Gedanken in die Lage des zunächst Betroffenen zu
versetzen, und ebenso hat sie diesen letzteren gelehrt, sich wenigstens bis
zu einem gewissen Grade in jene der Zuschauer hineinzudenken... Wie ihre
Sympathie sie veranlaßt, seine Lage gewissermaßen mit seinen Augen zu
betrachten, so veranlaßt ihn seine Sympathie, seine Lage gewissermaßen
mit ihren Augen anzusehen, insbesondere, wenn er sich in ihrer Gegenwart
befindet und unter ihren Augen handelt.
[4 - c -]
4
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(122) (J)edermann ist von der Natur in erster Linie und hauptsächlich seiner
eigenen Obsorge anvertraut worden... Daher liegt jedermann weit mehr an
demjenigen, was ihn selbst unmittelbar betrifft, als an dem, was einen
anderen angeht... (123) Wollte er so handeln, daß der unparteiische
Zuschauer den Maximen seines Verhaltens zustimmen könnte – und
tatsächlich ist es sein heißester Wunsch, so zu handeln – dann müßte er ...
die Anmaßungen seiner Selbstliebe dämpfen und diese auf jenen Grad
herabstimmen, den andere Menschen noch nachzuempfinden vermögen.
(124) In dem Wettlauf nach Reichtum, Ehre und Avancement, da mag er
rennen, so schnell er kann ..., um alle seine Mitbewerber zu überholen.
Sollte er aber einen von ihnen niederrennen oder zu Boden werfen, dann
wäre es mit der Nachsicht der Zuschauer ganz und gar zu Ende. Das wäre
eine Verletzung der ehrlichen Spielregeln, die sie nicht zulassen könnten...
(166) Das Prinzip, nach welchem wir unser eigenes Verhalten ... billigen
oder mißbilligen, scheint ganz dasselbe zu sein, wie dasjenige, nach dem wir
die gleichen Urteile über das Betragen anderer Leute fällen. Wir ... (167)
billigen oder mißbilligen ... unser eigenes Betragen, indem wir uns in die
Lage eines anderen Menschen versetzen und es gleichsam mit seinen
Augen und von seinem Standort aus betrachten... Niemals können wir
unsere Empfindungen und Beweggründe überblicken, niemals können wir
irgendein Urteil über sie fällen, wofern wir uns nicht gleichsam von unserem
natürlichen Standort entfernen, und sie gleichsam aus einem gewissen
Abstand von uns selbst anzusehen trachten... Demgemäß muß jedes Urteil,
das wir über sie fällen können, stets eine gewissen unausgesprochene
Bezugnahme auf die Urteile anderer haben ... Wir bemühen uns, unser
Verhalten so zu prüfen, wie es unserer Ansicht nach irgendein anderer
gerechter und unparteiischer Zuschauer prüfen würde...
Wäre es möglich, daß ein menschliches Wesen an einem einsamen Ort
bis zum Mannesalter heranwachsen könnte ohne jede Gemeinschaft und
Verbindung mit Angehörigen seiner Gattung, dann könnte es sich ... über
seinen Charakter ... (keine) Gedanken machen... (168) Bringe jenen
Menschen in Gesellschaft anderer und er ist sogleich mit ... (einem) Spiegel
ausgerüstet... Dieser Spiegel liegt in den Mienen und in dem Betragen
derjenigen, mit denen er zusammenlebt ...; hier erst erblickt er zum
erstenmal die Schicklichkeit und Unschicklichkeit seiner eigenen Affekte, die
Schönheit und Häßlichkeit seines eigenen Herzens...
(170) Wenn ich mich bemühe, mein eigenes Verhalten zu prüfen, ... dann
teile ich mich offenbar ... gleichsam in zwei Personen. Es ist einleuchtend,
daß ich, der Prüfer und Richter, eine Rolle spiele, die verschieden ist von
jenem anderen Ich, ... (dessen) Verhalten geprüft und beurteilt wird. Die
erste Person ist der Zuschauer... Die zweite Person ist der Handelnde...
(194) Obgleich ... der Mensch ... zum unmittelbaren Richter der Menschen
gemacht worden ist, ... gibt es eine Berufung von seinem Richterspruch ... an
das Tribunal ... (seines) eigenen Gewissens, an jenes Tribunal des
vorgestellten unparteiischen ... Zuschauers, an das des ›inneren Menschen‹
... (195) in unserer Brust...
[4 - d -]
(70) Weil die Menschen geneigt sind, aufrichtiger mit unserer Freude zu
sympathisieren als mit unserem Leid, pflegen wir gewöhnlich mit unserem
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Reichtum zu prunken und unsere Armut zu verbergen... (E)s kommt
hauptsächlich von dieser Rücksicht auf die Gefühle der Menschen, daß wir
den Reichtum anstreben, und daß wir der Armut zu entrinnen trachten... (71)
Was ist der Endzweck von Habsucht und Ehrgeiz und der Jagd nach
Reichtum, Macht und Vorrang? Ist es der, den natürlichen Bedürfnissen
Genüge zu tun? Der Lohn des geringsten Arbeiters reicht aus, um diese zu
befriedigen... Woher entsteht dann also jener Wetteifer, der sich durch alle
die verschiedenen Stände der Menschen hindurchzieht, und welches sind
die Vorteile, die wir bei jenem großen Endziel menschlichen Lebens, daß wir
›Verbesserung unserer Verhältnisse‹ nennen, im Sinne haben? Daß man
uns bemerkt, daß man auf uns Acht hat, daß man mit Sympathie,
Wohlgefallen und Billigung von uns Kenntnis nimmt, das sind alle Vorteile,
die wir daraus zu gewinnen hoffen dürfen. Es ist die Eitelkeit, nicht das
Wohlbefinden oder das Vergnügen, was uns daran anzieht. Eitelkeit aber
beruht immer auf der Überzeugung, daß wir der Gegenstand der
Aufmerksamkeit und Billigung sind. Der reiche Mann rühmt sich seines
Reichtums, weil er fühlt, daß dieser naturgemäß die Auf- (72) merksamkeit
der Welt auf ihn lenkt... Der Arme ... schämt sich seiner Armut. Er fühlt, daß
... man keine Notiz von ihm nimmt... Unbeachtet kommt und geht der arme
Mann und inmitten einer Menschenmenge befindet er sich in der gleichen
Verborgenheit, wie wenn er in seiner Hütte eingeschlossen wäre. (Die)
Menschen ... wenden ihre Augen von ihm ab oder, wenn das Übermaß
seines Elends sie zwingt, nach ihm zu blicken, dann geschieht es nur, um
einen so unangenehmen Gegenstand aus ihrer Mitte hinwegzustoßen.
[4 - e -]
(86) D()er Hang, die Reichen und Mächtigen zu bewundern ... und Personen
in ärmlichen und niedrigen Verhältnissen zu verachten ..., (87) ist zwar
notwendig, um die Standesunterscheidung und die Ordnung der
Gesellschaft zu begründen und aufrechtzuerhalten, aber er ist zugleich auch
die größte und allgemeinste Ursache der Verfälschung unserer ethischen
Gefühle. Daß Wohlstand und hoher Rang oft mit jener Achtung ... betrachtet
werden, welche allein der Weisheit und Tugend gebühr(t), und daß die
Verachtung, die doch von Rechts wegen nur das Laster ... treffen sollte, sich
oft in höchst ungerechter Weise gegen Armut und Schwäche kehrt, das ist
die Klage der Moralphilosophen zu allen Zeiten gewesen... Die Achtung und
Bewunderung der Menschen zu verdienen, zu erwerben und zu genießen,
das sind die größten Ziele des Ehrgeizes und des Wetteifers. Zwei
verschiedene Wege bieten sich uns, die beide in gleicher Weise zur
Erreichung jenes so sehr ersehnten Zieles führen sollen; der eine führt durch
das Streben nach Weisheit und die Betätigung der Tugend; der andere
durch den Erwerb von Reichtum und Vornehmheit... (88) Es sind
hauptsächlich die Weisen und Tugendhaften, eine auserwählte, doch, wie
ich fürchte, nur kleine Schar, die die wahren und ständigen Bewunderer von
Weisheit und Tugend bilden. Der große Haufe der Menschen, der Pöbel, das
sind die Bewunderer und Anbeter von Reichtum und Vornehmheit...
(383) Die Rangeinteilung, der Friede und die Ordnung der Gesellschaft
beruhen zum großen Teile auf der Achtung, die wir für die ... Reichen und
Mächtigen ... empfinden... (384) Weise hat die Natur erkannt, daß die
Rangeinteilung, der Friede und die Ordnung der Gesellschaft sicherer auf
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dem klaren und handgreiflichen Unterschied der Geburt und des Vermögens
als auf dem unsichtbaren und oft unsicheren Unterschied der Weisheit und
Tugend ruhen würden. Die nichts unterscheidenden Augen der großen
Masse der Menschen vermögen den ersteren gut genug wahrzunehmen...
[4 - f -]
(310) Ein Mann, der armer Leute Kind ist, ... wird, wenn er anfängt um sich
zu blicken, die Verhältnisse des Reichen bewundern... (311) (U)m dieses
Ziel zu erreichen, weiht er sich für immer dem Streben nach Reichtum und
Größe. Um die Bequemlichkeiten zu erlangen, die diese gewähren, unterwirft
er sich ... größeren körperlichen Anstrengungen und größeren seelischen
Beschwerden, als er sein ganzes Leben hindurch infolge des Mangels jener
Bequemlichkeiten hätte erdulden können. Er trachtet, sich in einer
mühevollen Beschäftigung hervorzutun. Mit äußerstem, unnachgiebigem
Fleiß arbeitet er Tag und Nacht, um Talente zu erwerben, die diejenigen aller
seiner Mitbewerber übertreffen sollen. Dann trachtet er zunächst, jene
Talente an das Licht der Öffentlichkeit zu bringen, und mit gleicher
Beharrlichkeit bewirbt er sich um jede Gelegenheit, diese Talente zu
beschäftigen. Zu diesem Zweck macht er aller Welt den Hof; er erweist
denjenigen Dienste, die er haßt, und ist denjenigen gegenüber unterwürfig,
die er verachtet... (E)rst, wenn er bei dem Bodensatz des Lebens angelangt,
wenn sein Körper von den Mühen der Arbeit (312) und von Krankheit
zerstört, sein Gemüt durch die Erinnerung an tausend Beleidigungen und
Enttäuschungen aufgerieben und verärgert ist, ... fängt er an, zu bemerken,
daß Reichtum und Größe bloßer Tand sind... (314) Macht und Reichtum
erscheinen ihm dann als das, was sie wirklich sind, als ungeheure und
mühsam konstruierte Maschinen, ersonnen, um ein paar wertlose
Bequemlichkeiten für körperliches Wohlbefinden zustandezubringen... (315)
Und es ist gut, daß die Natur uns in dieser Weise betrügt. Denn diese
Täuschung ist es, was den Fleiß der Menschen erweckt und in beständiger
Bewegung erhält. Sie ist es, was sie zuerst antreibt, Häuser zu bauen,
Städte und staatliche Gemeinwesen zu gründen, alle die Wissenschaften
und Künste zu erfinden und auszubilden, die das menschliche Leben
veredeln und verschönern, die das Antlitz des Erdballs durchaus verändert
haben, die die rauhen Urwälder in angenehme und fruchtbare Ebenen
verwandelt und das pfadlose, öde Weltmeer zu einer neuen Quelle von
Einkommen und zu der großen Heerstraße des Verkehrs gemacht haben,
welche die verschiedenen Nationen der Erde untereinander verbindet. Durch
diese Mühen und Arbeiten der Menschen ist die Erde gezwungen worden,
ihre natürliche Fruchtbarkeit zu verdoppeln...
Trotz dieser Perspektive läßt Smith keinen Zweifel daran, daß die allgemeine
Vermehrung des Reichtums keine Aufhebung sozialer Ungleichheit mit sich
bringen wird. Im ›Early Draft of The Wealth of Nations‹ heißt es dazu:
[5]
»(W)ith regard to the produce of the labour of a great society there is never
any such thing as a fair and equal division. In a society of an hundred thousand families, there will perhaps be one hundred who don’t labour at all, and
who yet, either by violence or by the more orderly oppression of law, employ
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a greater part of the labour of the society than any other ten thousand in it.
The division of what remains, too, after this enormous defalcation, is by no
means made in proportion to the labour of each individual. On the contrary
those who labour most get least. The opulent merchant, who spends a great
part of his time in luxury and entertainments, enjoys a much greater proportion of the profits of his traffic than all the clerks and accountants who do the
business. These last, again, enjoying a great deal of leisure and suffering
scarce any other hardship besides the confinement of attendance, enjoy a
much greater share of the produce than three times an equal number of artizans, who, under their direction, labour much more severely and assiduously. The artizan, again, though he works generally under cover, protected from
the injuries of the weather, at his ease and assisted by the conveniency of
innumerable machines, enjoys a much greater share than the poor labourer
who has the soil and the seasons to struggle with, and who, while he affords
the materials for supplying the luxury of all the other members of the common wealth, and bears, as it were, upon his shoulders the whole fabric of
human society, seems himself to be pressed down below ground by the
weight, and to be buried out of sight in the lowest foundations of the building« (ASW, V, 563f.).
Neben dem Versprechen der Teilhabe am insgesamt anwachsenden
Reichtum hat Smith für die Armen noch eine weitere Anweisung parat. Sie
sollen ihre Lage mit der der Wilden vergleichen:
[6]
»Observe in what manner a common day labourer in Britain or in Holland is
accomodated ..., and you will be sensible that his luxury is much superior to
that of many an Indian prince, the absolute master of the lives and liberties
of a thousand naked savages...
Compared, indeed, with the yet more extravagant luxury of the great, his
accomodation must no doubt appear extremely simple and easy; and yet,
perhaps, it may be true that the accomodation of a European prince does not
so much exeed that of an industrious and frugal peasant, as the accomodation of this last exeeds that of the chief of a savage nation in North America«
(ASW, V, 562f.).1
1
In diesem Zusammenhang stehen auch Smiths Überlegungen zum Kolonialismus. Zwar
verschweigt er dessen negativen Dimensionen nicht, läßt aber auch keinen Zweifel an seiner
Bedeutung für die Entwicklung Europas: »Als allgemeine Vorteile, die ganz Europa aus der
Entdeckung und Kolonisation Amerikas zog, sind der steigende Wohlstand und das
Wachstum seiner Wirtschaft zu nennen« (WN 496).
Der Beginn dieses Prozesses wirft in Smiths Sicht nicht nur auf die gierigen Eroberer,
sondern auch auf die ursprünglichen Bewohner Amerikas kein gutes Licht: »Kolumbus ...
fand ... in ... der Neuen Welt ... nichts anderes als ein Land, das, gänzlich bewaldet und
unerschlossen, nur von einigen Stämmen nackter und elender Wilder bewohnt war ..., (die)
nicht sonderlich fleißig waren« (WN 468 f.)
Unter diesen Voraussetzungen bot Amerika die Chance zu wunderbaren Entwicklungen:
»Die Kolonie eines zivilisierten Volkes, das ein unerschlossenes Land in Besitz nimmt oder
ein Land, das so dünn bevölkert ist, daß die Eingeborenen den neuen Siedlern leicht Platz
machen können, entwickelt sich rascher zu Reichtum und Größe als irgendeine andere
menschliche Gemeinschaft« (WN 473).
8
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Im ›Inquiry into the Nature and the Causes of the Wealth of Nations‹ werden
die Grundlagen des Reichtums der Zivilisierten gegenüber der Armut der
Wilden ebenso wie die Verteilung dieses Reichtums genauer untersucht.
Dabei löst Smith u. a. die Paradoxien der Lockeschen Arbeitswerttheorie auf,
indem er den Reichtum der Reichen auf die Aneignung fremder Arbeit
zurückführt:
[7]
»Der Ertrag der Arbeit ist die natürliche Vergütung oder der Lohn der Arbeit.
Ursprünglich, vor der Landnahme oder der Ansammlung von Kapital, gehört
dem Arbeiter der ganze Ertrag der Arbeit. Er muß weder mit einem
Grundbesitzer noch mit einem Unternehmer teilen...
Aber dieser ursprüngliche Zustand ... konnte nur so lange andauern, wie
der Boden frei und Kapital noch nicht angesammelt war... Sobald der Boden
privates Eigentum wird, verlangt der Grundbesitzer einen Teil von fast allen
Erzeugnissen, die der Arbeiter durch Anbau ... erzielen kann. Die Rente des
Grundbesitzers schmälert deshalb als erstes den Ertrag der Arbeit, die zur
Bestellung des Bodens eingesetzt wird.
Es kommt selten vor, daß derjenige, der Land bestellt, alles besitzt, um
bis zur Ernte ohne fremde Hilfe auszukommen. Im allgemeinen wird sein
Lebensunterhalt aus dem Kapital eines Unternehmers, des Pächters, der ihn
beschäftigt, bestritten, welcher natürlich kein Interesse daran hätte, einen
Arbeiter einzustellen, wenn er nicht am Ertrag der Arbeit beteiligt wäre oder
das eingesetzte Kapital mit Gewinn zurück erhielte. Dieser Gewinn ist der
zweite Abzug vom Ertrag der Landarbeit.
Dem gleichen Abzug unterliegt der Ertrag fast jeder anderen Arbeit. Denn
auch im gesamten Handwerk und Gewerbe sind fast alle Arbeiter auf einen
Unternehmer angewiesen, der ihnen das Rohmaterial und ihren Lohn und
Unterhalt so lange vorschießt, bis das Produkt ihrer Arbeit fertig ist. Er teilt
sich mit ihnen in den Ertrag ihrer Arbeit, anders ausgedrückt, in den Wert,
den die Arbeiter dem bestehenden Rohmaterial hinzufügen. Und in diesem
Anteil besteht sein Gewinn« (WN 56 f).
»Der gesamte Jahresertrag ... eines Landes ... besteht gewöhnlich ... aus
drei Bestandteilen, der Grundrente, dem Arbeitslohn und dem Kapitalgewinn,
was wiederum zu Einkommen für drei Bevölkerungsschichten führt, die
jeweils von der Rente, dem Lohn und dem Gewinn leben. Sie sind die drei
großen Klassen, aus denen von Anfang an jede entwickelte Gesellschaft
besteht und von deren Einkommen letztlich das Einkommen jeder anderen
Schicht abgeleitet ist« (WN 211).
Hinsichtlich der Größe ihres Anteils am gesellschaftlichen Reichtum macht
Smith den Lohnempfängern keine großen Hoffnungen:
[8]
»Was üblicherweise Arbeitslohn ist, hängt überall von dem Vertrag ab, den
beide Parteien gewöhnlich miteinander vereinbaren, wobei die Interessen
der beiden keineswegs die gleichen sind. Der Arbeiter möchte so viel wie
möglich bekommen, der Unternehmer so wenig wie möglich geben. Die
Arbeiter neigen dazu, sich zusammenzuschließen, um einen höheren Lohn
durchzusetzen, die Unternehmer, um ihn zu drücken... Die Unternehmer, der
9
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Zahl nach weniger, können sich viel leichter zusammenschließen. Außerdem
billigt das Gesetz ihre Vereinigungen, zumindest verbietet es sie nicht wie die
der Arbeiter... In allen Lohnkonflikten können zudem die Unternehmer viel
länger durchhalten... Dagegen können die Arbeiter ohne Beschäftigung nicht
einmal eine Woche ... überstehen« (WN 58).
Auch hinsichtlich der mit den Segnungen der industriellen Gesellschaft
verbundenen Folgen für die Lohnempfänger schweigt Smith nicht:
[9]
»Die Arbeitsteilung dürfte die produktiven Kräfte der Arbeit mehr als alles
andere fördern und verbessern. Das gleiche gilt wohl für die
Geschicklichkeit, Sachkenntnis und Erfahrung, mit der sie überall eingesetzt
oder verrichtet wird« (WN 9).
»Mit fortschreitender Arbeitsteilung wird die Tätigkeit der überwiegenden
Mehrzahl derjenigen, die von ihrer Arbeit leben, also der Masse des Volkes,
nach und nach auf einige wenige Arbeitsgänge eingeengt, oftmals auf nur
einen oder zwei. Nun formt aber die Alltagsbeschäftigung ganz zwangsläufig
das Verständnis... Jemand, der tagtäglich nur wenige einfache Handgriffe
ausführt, ... hat keinerlei Gelegenheit, seinen Verstand zu üben... So ist es
ganz natürlich, daß er verlernt, seinen Verstand zu gebrauchen, und so
stumpfsinnig und einfältig wird, wie ein menschliches Wesen nur eben
werden kann« (WN 662).2
Trotz aller kritischen Aspekte seiner Ausführungen hält Smith am Konzept
der
individuellen
Interessenverfolgung
als
Grundlage
für
das
gesellschaftliche Wohlergehen fest. Deshalb plädiert er auch für eine klare
Trennung von Ökonomie und Politik und möglichst wenig hoheitliche
Eingriffe ins gesellschaftliche Leben. Dem Staat sollen nur die Funktionen
der Verteidigung, der Aufrechterhaltung des Rechts und der Organisation
materieller (Straßen etc.) wie ideologischer (Schule) Infrastruktur verbleiben:
[10]
»(J)eder einzelne ... fördert ... in der Regel nicht bewußt das Allgemeinwohl
... (E)r... denkt ... eigentlich nur an die eigene Sicherheit und wenn er
dadurch die Erwerbstätigkeit so fördert, daß ihr Ertrag den höchsten Wert
erzielen kann, strebt er lediglich nach eigenem Gewinn. Und er wird in
diesem wie auch in vielen anderen Fällen von einer unsichtbaren Hand
geleitet, um einen Zweck zu fördern, den zu erfüllen er in keiner Weise
beabsichtigt hat. Auch für das Land selbst ist es keineswegs immer das
schlechteste, daß der einzelne ein solches Ziel nicht bewußt anstrebt, ja,
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Dabei geht Smith durchaus von einer vergleichbaren Begabung aller Menschen aus: »Der
Unterschied in den Begabungen der einzelnen Menschen ist ... weit geringer, als uns bewußt
ist, und die verschiedensten Talente ... sind meist mehr Folge als Ursache der Arbeitsteilung.
So scheint zum Beispiel die Verschiedenheit zwischen ... einem Philosophen und einem
gewöhnlichen Lastenträger weniger aus Veranlagung als aus Lebensweise, Gewohnheit und
Erziehung entstanden. Bei ihrer Geburt und in den ersten ... Lebensjahren waren sie sich
vielleicht ziemlich ähnlich... (B)ald danach hat man begonnen, sie sehr verschieden
auszubilden und zu beschäftigen. Nunmehr kommen die unterschiedlichen Talente zum
Vorschein, prägen sich nach und nach aus, bis schließlich der Philosoph in seiner
Überheblichkeit kaum noch eine Ähnlichkeit mit dem Lastenträger zugeben wird« (WN 8).
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UHH – FB Sozialökonomie – Wulf D. Hund – Politische Soziologie 1 – SoSe 2011 – Smith 11
gerade dadurch, daß er das eigene Interesse verfolgt, fördert er häufig das
der Gesellschaft nachhaltiger, als wenn er wirklich beabsichtigt, es zu tun ...
Der einzelne vermag ganz offensichtlich aus seiner Kenntnis der örtlichen
Verhältnisse weit besser zu beurteilen, als es irgend ein Staatsmann oder
Gesetzgeber für ihn tun kann, welcher Erwerbszweig im Lande für den
Einsatz seines Kapitals geeignet ist und welcher einen Ertrag abwirft, der
den höchsten Wertzuwachs verspricht.
Ein Staatsmann, der es versuchen sollte, Privatleuten vorzuschreiben, auf
welche Weise sie ihr Kapital investieren sollten, würde sich damit ... eine
Autorität anmaßen, die man nicht einmal einem Staatsrat oder Senat ...
anvertrauen könnte« (WN 370f.).
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