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NSDAP - Ideologie und Programm
M 1: Das Programm der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei
Auf der ersten großen Massenversammlung der NSDAP am 24.2.1920 verkündete und erläuterte Adolf
Hitler das Partei-Programm im Festsaal des Münchener Hofbräuhauses.
Das Programm der Deutschen Arbeiterpartei ist ein Zeit-Programm. Die Führer lehnen es ab, nach
Erreichung der im Programm aufgestellten Ziele neue aufzustellen, nur zu dem Zwecke, um durch künstlich
gesteigerte Unzufriedenheit der Massen das Fortbestehen der Partei zu ermöglichen.
1. Wir fordern den Zusammenschluß aller Deutschen auf Grund des Selbstbestimmungsrechtes der Völker
zu einem Groß-Deutschland.
2. Wir fordern die Gleichberechtigung des deutschen Volkes gegenüber den anderen Nationen, Aufhebung
der Friedensverträge von Versailles und St. Germain.
3. Wir fordern Land und Boden (Kolonien) zur Ernährung unseres Volkes und Ansiedlung unseres
Bevölkerungsüberschusses.
4. Staatsbürger kann nur sein, wer Volksgenosse ist. Volksgenosse kann nur sein, wer deutschen Blutes ist,
ohne Rücksichtnahme auf Konfession. Kein Jude kann daher Volksgenosse sein.
6. Das Recht, über Führung und Gesetze des Staates zu bestimmen, darf nur dem Staatsbürger zustehen.
Daher fordern wir, daß jedes öffentliche Amt, gleichgültig welcher Art, gleich ob im Reich, Land oder
Gemeinde, nur durch Staatsbürger bekleidet werden darf. Wir bekämpfen die korrumpierende
Parlamentswirtschaft einer Stellenbesetzung nur nach Parteigesichtspunkten ohne Rücksicht auf Charakter
und Fähigkeiten.
7. Wir fordern, daß sich der Staat verpflichtet, in erster Linie für die Erwerbs- und Lebensmöglichkeit der
Staatsbürger zu sorgen. Wenn es nicht möglich ist, die Gesamtbevölkerung des Staates zu ernähren, so sind
die Angehörigen fremder Nationen (Nicht-Staatsbürger) aus dem Reiche auszuweisen.
8. Jede weitere Einwanderung Nicht-Deutscher ist zu verhindern. Wir fordern, daß alle Nicht-Deutschen, die
seit dem 2. August 1914 in Deutschland eingewandert sind, sofort zum Verlassen des Reiches gezwungen
werden. [...]
12. Im Hinblick auf die ungeheuren Opfer an Gut und Blut, die der Krieg vom Volke fordert, muß die
persönliche Bereicherung durch den Krieg als Verbrechen am Volke bezeichnet werden. Wir fordern daher
restlose Einziehung aller Kriegsgewinne.[...]
17. Wir fordern eine unseren nationalen Bedürfnissen angepaßte Bodenreform, Schaffung eines Gesetzes zur
unentgeltlichen Enteignung von Boden für gemeinnützige Zwecke, Abschaffung des Bodenzinses und
Verhinderung jeder Bodenspekulation.
18. Wir fordern den rücksichtslosen Kampf gegen diejenigen, die durch ihre Tätigkeit das Gemeininteresse
schädigen. Gemeine Volksverbrecher, Wucherer, Schieber usw. sind mit dem Tode zu bestrafen, ohne
Rücksichtnahme auf Konfession und Rasse.
19. Wir fordern Ersatz für das der materialistischen Weltordnung dienende römische Recht durch ein
deutsches Gemeinrecht.
21. Der Staat hat für die Hebung der Volksgesundheit zu sorgen durch den Schutz der Mutter und des
Kindes, durch Verbot der Jugendarbeit, durch Herbeiführung der körperlichen Ertüchtigung mittels
gesetzlicher Festlegung einer Turn- und Sportpflicht, durch größte Unterstützung aller sich mit körperlicher
Jugendausbildung beschäftigenden Vereine.
22. Wir fordern die Abschaffung der Söldnertruppe und die Bildung eines Volksheeres.
23. Wir fordern den gesetzlichen Kampf gegen die bewußte politische Lüge und ihre Verbreitung durch die
Presse. Um die Schaffung einer deutschen Presse zu ermöglichen, fordern wir, daß:
a) sämtliche Schriftleiter und Mitarbeiter von Zeitungen, die in deutscher Sprache erscheinen,
Volksgenossen sein müssen,
b) nichtdeutsche Zeitungen zu ihrem Erscheinen der ausdrücklichen Genehmigung des Staates bedürfen. Sie
dürfen nicht in deutscher Sprache gedruckt werden,
c) jede finanzielle Beteiligung an deutschen Zeitungen oder deren Beeinflussung durch Nicht-Deutsche
gesetzlich verboten wird, und fordern als Strafe für Übertretungen die Schließung eines solchen
Zeitungsbetriebes sowie die sofortige Ausweisung der daran beteiligten Nicht-Deutschen aus dem Reich.
Zeitungen, die gegen das Gemeinwohl verstoßen, sind zu verbieten. Wir fordern den gesetzlichen Kampf
gegen eine Kunst- und Literaturrichtung, die einen zersetzenden Einfluß auf unser Volksleben ausübt, und
die Schließung von Veranstaltungen, die gegen vorstehende Forderungen verstoßen.
24. Wir fordern die Freiheit aller religiösen Bekenntnisse im Staat, soweit sie nicht dessen Bestand
gefährden oder gegen das Sittlichkeits- und Moralgefühl der germanischen Rasse verstoßen. Die Partei als
solche vertritt den Standpunkt eines positiven Christentums, ohne sich konfessionell an ein bestimmtes
Bekenntnis zu binden. Sie bekämpft den jüdisch-materialistischen Geist in und außer uns und ist überzeugt,
daß eine dauernde Genesung unseres Volkes nur erfolgen kann von innen heraus auf der Grundlage:
Gemeinnutz vor Eigennutz.
25. Zur Durchführung alles dessen fordern wir: Die Schaffung einer starken Zentralgewalt des Reiches.
Unbedingte Autorität des politischen Zentralparlaments über das gesamte Reich und seine Organisationen
im allgemeinen. Die Bildung von Stände- und Berufskammern zur Durchführung der vom Reich erlassenen
Rahmengesetze in den einzelnen Bundesstaaten. Die Führer der Partei versprechen, wenn nötig unter Einsatz
des eigenen Lebens für die Durchführung der vorstehenden Punkte rücksichtslos einzutreten.
1. Hitler schreibt in ,,Mein Kampf": ,,Die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei erhielt mit ihrem
Programm der fünfundzwanzig Thesen eine Grundlage, die unerschütterlich sein muß." Was erschließen Sie
aus der Tatsache, daß das Programm nie mehr geändert wurde?
2. Welche politischen Ziele sind wohl ausschließlich wegen der Publikumswirksamkeit aufgenommen
worden?
3. Welche Forderungen ließen sich im Verfassungsrahmen von „Weimar" nicht verwirklichen? Welche
Programmpunkte waren mit dem Vertrag von Versailles unvereinbar?
M 2: Begriff und Entstehung des Nationalismus
Als Nationalismus bezeichnet man die übersteigerte Hochschätzung des eigenen Volkes, dessen
gemeinsame Sprache, Kultur, Geschichte und politisches Bewußtsein von anderen Nationen deutlich
abgehoben wird. Die Organisation des eigenen Volkes in einem starken Staat ist der höchste ideenpolitische
Wert - oft verbunden mit einem Überlegenheitsgefühl über andere Völker oder völkische Minderheiten
innerhalb und außerhalb der eigenen Nation. Die seit dem 19. Jahrhundert erst in Europa, dann weltweit
verbreitete nationale Idee integriert Großgruppen im modernen Massen- und Flächenstaat. Ihre
Übersteigerung und die vielerorts vorhandenen Abgrenzungsprobleme schufen aber häufig Schwierigkeiten
und Konflikte. Seine Entstehung in Europa verdankt der Nationalismus dem Zeitalter der Französischen
Revolution und der Napoleonischen Kriege. Dem revolutionären und demokratischen Sendungsbewußtsein
der Franzosen setzten die unterworfenen Völker bald ihre Abwehrideologien entgegen.
M 3: Der Nationalismus in Deutschland
Auf der Suche nach einer nationalen Identität griffen in Deutschland Sprach- und Volkstumsforscher, wie
die Gebrüder Grimm, auf die germanische Vorzeit zurück. Sprache und Sitte der Deutschen wurden zum
Kennzeichen eines unverfälscht gebliebenen Volkes, das in Europa eine hohe Mission zu erfüllen habe. Das
Fehlen eines fest umrissenen Nationalstaates führte zur Überbetonung kultureller und charakterlicher
Identifikationsmuster für das deutsche Volk. Die Formulierung des Führungsanspruchs der Deutschen in
Europa und in der Welt schuf hohe Erwartungen für die Zukunft, die die Politik des 19. und 20. Jahrhunderts
nicht erfüllen konnte. Verspätet, nach mißglückten Ansätzen, war der deutsche Nationalstaat von 1871 als
kleindeutsches Reich entstanden, das viele Deutsche ausschloß. Europäische und koloniale Großmachtpläne
zerrannen durch die Gebietsabtretungen Deutschlands und die Auflösung der Donaumonarchie nach dem
Ersten Weltkrieg in nichts. In den Nachbarstaaten der Weimarer Republik lebten nun deutschsprachige
Minderheiten, die sich auch durch Zwangsmaßnahmen nicht integrieren ließen. Der Kriegsschuldartikel, die
Härte der Friedensbedingungen und die Verdrängung der Monarchien gaben extrem nationalistischen
Tendenzen zusätzlich Nahrung. Deren Anhänger versuchten, die Schuld an den unbefriedigenden Zuständen
anderen politischen Richtungen unterzuschieben. Damit standen die Nationalisten in ständiger Opposition zu
Weimar.
M 4: Der rassistische Nationalismus der NSDAP
An die Spitze der Republikgegner stellten sich die Nationalsozialisten, die als „Anti-Versailles-Bewegung”
zur Bedeutung gelangten. Der Nationalismus der NSDAP unterschied sich ganz wesentlich vom
„bürgerlichen Nationalismus”. Nicht so sehr gleiche Kultur und Geschichte sollten die Merkmale einer
Nation sein, sondern die Rassengleichheit. Die biologische Substanz bestimme Menschen und Völker nicht
nur körperlich, sondern auch geistig-seelisch. Von allen Rassen sei die „nordische” oder „arische” die
wertvollste. Sie allein sei im eigentlichen Sinne kulturfähig. Die Grundgedanken dieser Lehre stammten aus
Graf Gobineaus1) ,,Versuch über die Ungleichheit der Menschenrassen" (4 Bände, 1853-1855). Dort wurde
der Kampf der Rassen zum bewegenden Moment der Menschheitsgeschichte erklärt. Houston Stewart
Chamberlain2) wandelte in seinem Hauptwerk ,,Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts" (1899) die
Generalthesen Gobineaus ab: An die Stelle der natürlichen Mischung der Rassen trat die bewußte Züchtung
des Germanen als Träger des höchsten arischen Rassewerts. Der Germane nahm die Führungsrolle im
„Kampf auf Leben und Tod” mit dem rassisch minderwertigen Juden ein.
Hitler übernahm in vergröbernder Form Gobineaus und Chamberlains Rassentheorie in seinem Buch „Mein
Kampf”: Unter den Ariern ist der Germane als rassisch besonders wertvoll zur Herrschaft bestimmt.
Aufgabe des Nationalsozialismus muß es sein, der germanischen Herrenrasse in Mitteleuropa ein Zentrum
zu schaffen. Wichtigste Voraussetzung dafür ist die Reinhaltung der Rasse (Rassehygiene). Eine hohe
Kinderzahl erbgesunder Germanen ist Pflicht, um den Fortbestand biologisch hochwertiger Substanz zu
sichern. Krankes und rassisch minderwertiges Erbgut muß deshalb aus der Volksgemeinschaft entfernt
werden oder hat ein Dasein minderen Rechts zu führen.
Der Herrenrasse gebührt in ihrer Bedeutung für die Weltkultur angemessener Lebensraum in Europa. Da er
zur Zeit nicht vorhanden ist, muß er durch Krieg erobert und langfristig gesichert werden. Dieser
Lebensraum soll, weil für die Zukunft bemessen, dementsprechend groß sein. Er muß genügend
Ressourcen3) umfassen, denn die Nation der Zukunft soll wirtschaftlich autark sein und sich an einer
bäuerlichen Lebensweise orientieren. Auch strategische Erwägungen spielen bei der Raumdimensionierung
eine wichtige Rolle. Eine Weltmacht der Zukunft braucht ein großes Gebiet als Basis für Angriff und
Verteidigung.
Das Streben nach einem Großreich der germanischen Herrenrasse im Osten und die bedingungslose
Befürwortung von Gewalt und Krieg unterscheidet den Nationalismus Hitlers von den herkömmlichen
nationalen Ideen des Bürgertums.
1) Joseph Arthur Graf von Gobineau (l816-1882), französischer Schriftsteller und Diplomat; er hatte Beziehungen
zum Kreis um Richard Wagner.
2) Houston Stewart Chamberlain (1855-1927), englischer Schriftsteller und Kulturphilosoph; Schwiegersohn und
Verehrer Richard Wagners, seit 1916 deutscher Staatsbürger.
3) Rohstoffvorräte
M 5: Nationalismus im Sinne der NS-Bewegung
Alfred Rosenberg (1893-1946), seit 1919 Mitglied der NSDAP, leitete das Parteiorgan „Völkischer
Beobachter” seit 1923. 1933 bis 1945 war er Reichsleiter der NSDAP und Abgeordneter des Reichstages. Er
galt als führender Theoretiker der NS-Weltanschauung. Am 16.4.1940 sprach Rosenberg vor Soldaten der
Westfront über den geschichtlichen Sinn des Zweiten Weltkrieges:
Daraus fassen wir den inneren festen Glauben, daß das deutsche Volk und die deutsche Wehrmacht nicht nur
militärisch und politisch geeint sind, sondern daß dieses Bewußtsein einer großen deutschen und
europäischen Sendung nach und nach immer mehr und mehr Besitz von jedem einzelnen Deutschen nimmt,
daß dort vor uns eine absterbende Epoche liegt und daß wir mit diesem Kampf ein neues Zeitalter
Deutschlands und Europas eröffnen und gestalten. Und daraus ergibt sich für uns alle als das tiefe Erlebnis
vom Sinn dieses ganzen Kampfes: 1. Beendigung eines imperialistischen Zeitalters; 2. Erfüllung eines
2000jährigen Traumes vom Heiligen Deutschen Reich in dem Bewußtsein, daß es im Grunde genommen
kein Erstes, kein Zweites und Drittes Reich gibt, sondern daß es durch alle Jahrhunderte hindurch nur ein
einziges Deutsches Reich gegeben hat und daß die verschiedenen Formen nur einen Gestaltenwandel dieses
einen Deutschen Reiches darstellen. 3. Die Neuordnung und Freiheit des gesamten europäischen Festlandes.
Diese Überzeugung gibt der deutschen Nation - vielen vielleicht gefühlsmäßig, aber im fortschreitenden
Kampf immer bewußter werdend -, die innere Kraft, gegen die Mächte und den Feind anzutreten mit dem
einen Ziel, daß dieses Reich als die Machtzentrale Europas aus diesem Kriege so stark hervorgehen wird,
daß keine irgendwie geartete Koalition jemals imstande sein kann, dieses Reich zu erschüttern.
Es geht hier um alles. Wenn Deutschland in diesem Kampf unterliegt, dann bleibt von dem Traume des
Deutschen Reiches nichts übrig, es bleibt dann nur ein kleines Brandenburg, alles übrige wird zerfetzt und
den feindlichsten Instinkten all unserer Nachbarn ausgeliefert. Deshalb gibt es heute in diesem Kampf nur
ein Gesetz, das mit dem Wort umschrieben wird: Nationale Ehre. Diesem Begriff kann sich jeder Deutsche
fügen, ganz gleich, aus welcher Tradition er kommen mag, welche geistige und politische Vergangenheit
seine Ahnen auch gehabt haben mögen. [...]
Deshalb können wir uns alle in diesem Kampf einigen in der Erkenntnis, daß sowohl die Partei als auch die
Wehrmacht schließlich nicht Selbstzweck sind, sondern nur Mittel, um das große deutsche Schicksal zu
meistern. Diese Sendung trägt den Kampf der ganzen deutschen Nation in dem Bewußtsein, daß der
Gedanke des Großdeutschen Reiches heute lebendige Wirklichkeit geworden ist und das große Herz
Europas wieder schlägt - in Deutschland.
ROSENBERG, Alfred: Der geschichtliche Sinn unseres Kampfes. Tornisterschrift des OKW, 1939/40. Heft 9. S. 19f.
1. Welche wesentlichen Ziele hat der Nationalsozialismus der NS-Bewegung nach innen und außen?
2. Worin bestehen die Unterschiede zum bürgerlichen Nationalismus des 19.Jahrhunderts?
M 6: Nation - Rasse - Lebensraum
Die Publizistin Ljudmila Cernaja und der Historiker Daniel Melnikov versuchten, Kernthesen des
Nationalismus der NSDAP aufzustellen und historisch zu belegen. Der Textausschnitt stammt aus dem 1981
in der Sowjetunion erschienenen Buch „Der Verbrecher Nr. 1. Das Nazi-Regime und sein Führer".
Was die Rassentheorie insgesamt betrifft, so sollte sie, wie bereits erwähnt, als Begründung für das Reich
Hitlers und Nazideutschlands dienen, alle anderen Staaten zu beherrschen. Die Rassentheorie verlieh nicht
nur der verhältnismäßig kleinen Schicht der Führer, die zum „arischen” Kern des Landes zählten, ein Gefühl
der Überlegenheit, sondern auch der nordischen oder „arischen Rasse” als ganzer. [...]
Für das wichtigste hielt Hitler die These: Die Rasse über alles! Im Interesse der Rasse (dabei handelte es
sich natürlich immer um die „arische Rasse”) ist alles erlaubt, kann und muß man alles mißachten. „Über
einen humanen Wertbegriff”, sagte er in der Sonthofener Rede1), „erhebt sich die Erkenntnis der Bedeutung
von Blut und Rasse”. [...] „Das ist eine siegende Idee, die heute wie eine Welle über die ganze Erde
hinwegströmt”.
Das zweite Glied der Kette der Überlegungen Hitlers zu diesem Thema ist die These, daß Deutschland das
Zentrum der „arischen Rasse” ist und daß eben diese Tatsache ihm das Recht gibt, eine besondere Rolle in
der Welt zu beanspruchen. Folglich spielen alle übrigen Völker im Vergleich zu Deutschland nicht nur eine
zweitrangige Rolle, sondern sie müssen sich ihm auch unausweichlich unterwerfen. Die höhere Rasse,
behauptete Hitler, ist gegenüber der niedrigeren Rasse immer im Recht. Sie erfüllt eine historische Mission,
wenn sie sich Länder, die von anderen Rassen bewohnt sind, unterwirft und sie als minderwertige vernichtet.
Wenn aber die höhere Rasse ihre Pflicht vergißt, der ihr auferlegten Mission ausweicht, dann wird sie selbst
vernichtet werden.
Hitler versuchte, ein allgemeines Gesetz des „Kampfes der Rassen” zu entwickeln, demzufolge die gesamte
Entwicklung der Menschheit vom allmählichen Aufstieg der „arischen Rasse” zur Führungsrolle in der Welt
bestimmt werde. Der Kulminationspunkt dieser Entwicklung wird dann eintreten, wenn Deutschland, das
Zentrum des Schöpfers der arischen Rasse, den ganzen Erdkreis erobert. [...]
Der logische Schluß aus allen diesen Überlegungen über die Rolle der „arischen Rasse” und ihrer
historischen Mission war ein einziger: Um den Prozeß der Erhöhung der „arischen Rasse” zu beschleunigen
und die Geschichte voranzutreiben, dürfe man vor keinem Mittel zurückschrecken. Je eher die „niederen
Rassen” vernichtet würden und je schneller Deutschland die Führungsposition erreiche, desto besser.
Wozu das führte, ist wohl bekannt: zur Ausrottung von Millionen Menschen unterschiedlicher
Nationalitäten. In der Zeit des Nazismus wurden in den „Todesfabriken”, in den Konzentrationslagern sechs
Millionen Juden vernichtet, die man offiziell gemäß den Nürnberger Gesetzen zur „niederen Rasse” erklärt
hatte. Dasselbe Schicksal ereilte auch andere Völker, in erster Linie die Slawen. [...]
Wie kann man das deutsche Volk stark machen? Anscheinend nur durch eines: die Gewinnung von
„Lebensraum”. Hier wurde der faschistische Kult der Gewalt eng mit der Theorie des „Lebensraumes”
verflochten, die in allgemeiner Form bereits in „Mein Kampf” dargelegt worden war. Die endgültige Form
nahm diese Theorie 1935 an, als die Frage nach den praktischen Schlußfolgerungen aus dieser Theorie auf
der Tagesordnung stand - nämlich die unmittelbare Vorbereitung auf die Entfesselung des Weltkrieges. Wir
denken vor allem an Hitlers berüchtigtes Memorandum über die Aufgaben des Vierjahresplanes. Dieses
Memorandum wurde im August 1936 verfaßt (natürlich wurde es während Hitlers gesamter
Herrschaftsperiode streng geheim gehalten) und basierte auf diesen wesentlichen „theoretischen” Leitsätzen:
„Wir sind übervölkert und können uns auf der eigenen Grundlage nicht ernähren.” Die endgültige Lösung
dieses Problems müsse auf dem Weg der „Erweiterung des Lebensraumes” gefunden werden. Und natürlich
nur auf eine Weise - mit Gewalt. Hieraus leitete Hitler eine Reihe praktischer Schlußfolgerungen ab, die
darauf hinausliefen, Deutschland innerhalb von vier Jahren auf den Krieg vorzubereiten. Hitler nutzte die
Theorie des „Lebensraumes” als Begründung für die rasante Wiederaufrüstung Deutschlands. In seiner
Ansprache vor dem „Nachwuchs” der SS im Jahre 1937 sagte er diesbezüglich: „Es ist nicht möglich, auf
die Dauer unsere Nation auf 470 000 oder 570 000 Quadratkilometern ernähren zu können.” Man könne sich
deshalb nicht ewig mit diesem nicht ausreichenden Raum abfinden, denn das würde zum Untergang unseres
Volkes führen.
Darstellung: BRACHER, Karl Dietrich et al (Hgg.): Nationalsozialistische Diktatur 1933- 1945. Bonn 1983. S. 764ff.
1. Welche besonderen Merkmale kennzeichnen den Nationalismus der NSDAP nach diesem Text?
2. Welche Belege deuten darauf hin, daß sich die besonders extremen Ziele des Nationalismus erst im Laufe
des „Dritten Reiches" entwickelt haben und nur einem Kreis von „Auserwählten" bekannt waren?
3. Könnten Sie sich vorstellen, daß ein deutscher Historiker die Thesen der sowjetischen Wissenschaftler
teilt? Begründen Sie Ihre Ansicht.
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