Grundwissen Q 11-1 Bevölkerung und Wandel der Altersstruktur Bevölkerung: Man versteht darunter die Einwohner eines abgegrenzten Gebiets ohne Rücksicht auf ihre Staatsoder Volkszugehörigkeit. Die Dynamik (Entwicklung) des Bevölkerungsprozesses wird durch drei Faktoren bestimmt: Geburten (=Zahl der Kinder pro Frau); Sterblichkeit (= Lebenserwartung) und Migration (= Zu- und Abwanderung). Aus dem Saldo der drei Faktoren resultiert die Höhe des Bevölkerungswachstums bzw. dessen Schrumpfung. Generatives Verhalten (= auf Fortpflanzung ausgerichtetes Verhalten): Dramatische Veränderung seit Mitte der 60er-Jahre. Gründe: verbesserte Möglichkeiten der Familienplanung durch zuverlässige Geburtenkontrolle (Pille), Veränderungen in den Familien- und Geschlechterbeziehungen (Emanzipation der Frau, partnerschaftliche Beziehungen, Ansprüche an Partnerschaft), Individualisierung der Lebensplanung (materielle und individualistische Ansprüche), neue Anforderungen in der Arbeitswelt, Wandel in den Werten und Einstellungen (Akzeptanz der Kinderlosigkeit, Konsumdenken). Demografischer Wandel bezeichnet den typischen Wandel von Geburten- und Sterberate im Zuge der Industrialisierung in Europa. Der erste demografische Übergang beschreibt den Wandel von der Agrargesellschaft (bis ca. Mitte 19. Jh.: relativ stabile Bevölkerungszahlen bei hoher Geburten- und Sterberate) zur Industriegesellschaft (Mitte 19. bis Mitte 20. Jh.: Bevölkerungswachstum durch Absinken der Sterberate höhere Lebenserwartung, geringere Säuglingssterblichkeit; später auch Absinken der Geburtenrate). Der zweite demographische Übergang beschreibt den Wandel von der Industriegesellschaft hin zur Dienstleistungsgesellschaft ab Mitte des 20. Jhd., der durch kontinuierlich niedrige Geburten- und Sterberaten gekennzeichnet ist. Die Folge ist eine Alterung der Gesellschaft sowie der Rückgang der Bevölkerungszahl. Formen des Altersaufbaus: Der Altersaufbau verändert sich im Zuge des demografischen Wandels von einer Pyramide über eine zerzauste Wettertanne zu der Form einer Urne bzw. eines Pilzes. Diese Tendenz wird sich in den nächsten Jahrzehnten noch verstärken und kann auch durch den Faktor Migration nur wenig beeinflusst werden. Folgen der Alterung der Gesellschaft: Die veränderte Altersstruktur hat Auswirkungen auf die Altersversorgung (Generationenvertrag und damit auf die Funktionsfähigkeit des Rentensystems). Regional wird der Bevölkerungsrückgang in Deutschland sehr unterschiedlich verlaufen. Weitere Problemfelder sind: Anpassung der Infrastruktur (Schulen, Altenheime, Wohnungen etc.), Veränderung des sozialen Klimas durch die zunehmende Zahl an Einzelkindern sowie älterer Menschen ohne familiäre Bindungen, steigende Bedeutung der ‚Generation Silber‘ für Konsum und Marketing. In diesem Zusammenhang wird auch die Gefahr eines grundsätzlichen Generationenkonflikts wegen der Verteilung der knappen finanziellen Ressourcen diskutiert. Migration: Nach der Herkunft unterscheidet man Binnen- und grenzüberschreitende Migration, nach dem Motiv freiwillige und erzwungene Migration. Deutschland ist schon seit langem ein Einwanderungsland. In den 50er- und 60er-Jahren bis zum Anwerbestopp 1973 erfolgte die Anwerbung von „Gastarbeitern“ aus dem südlichen und südosteuropäischen Europa aus arbeitsmarktpolitischen Gründen. Auf die steigenden Asylbewerberzahlen in den 80er- und 90er- Jahren reagiert die Politik mit einer Verschärfung des Asylrechts (vgl. Art 16a GG) und dem Versuch, den Zuzug von Ausländern einzudämmen. Nach dem Ende des Ostblocks kamen Spätaussiedler, d.h. Gruppen deutscher Herkunft aus diesen Ländern nach Deutschland. Geklärt werden muss das Ziel der Einwanderung. Integration bedeutet die Eingliederung von Ausländern in die deutsche Gesellschaft und Kultur, ohne von ihnen die Aufgabe ihrer kulturellen Identität zu verlangen. Assimilation bedeutet dagegen Aufgabe der eigenen, ursprünglichen Kultur- und Verhaltensmuster und eine vollständige Angleichung an die Kultur und Lebensweise des Aufnahmelandes. Wegen der sinkenden Bevölkerung ist die Notwendigkeit von Migration als ein Lösungsansatz zur Linderung des demographischen Problems kaum umstritten. Der limitierende Faktor ist die Höhe der Zuwanderung und die Integrationswilligkeit und –fähigkeit der Aufnahmegesellschaft. Für eine gezielte und gesteuerte Einwanderungspolitik sind Kriterien für die Zuwanderer nötig; allerdings findet um die gesuchten Immigranten ein internationaler Wettbewerb statt. „FAMILIE“ und Wandel der Lebensformen FAMILIENTYPEN: Die große Haushaltsfamilie (Vorindustrielle Zeit) umfasste mehrere Generationen, auch wohnten z.T. Verwandte und familienfremde Personen (Gesinde) mit unter einem Dach. In der zweiten Hälfte des 19. Jh. bildete sich mit der Trennung von Wohn- und Arbeitsplatz beim wohlhabenden und gebildeten Bürgertum(Kaufleute, hohe Beamte, Unternehmer) die bürgerliche Kleinfamilie mit ihrer klaren Rollenverteilung zwischen Mann und Frau heraus, die es bei den Arbeiterfamilien nicht gab, da hier meist alle Familienmitglieder arbeiten mussten. In den Gründungsjahren der Bundesrepublik bis in die 1960er Jahre dem Golden Age of Marriage - war die Kern- oder Kleinfamilie der Normalfall (Paar mit Kindern zwei Generationen, Ehe aus Liebe, traditionelle Rollenverteilung: ♀ Ehefrau und Mutter nicht berufstätig, verantwortlich für Haushalt und Kinder ♂ Vater als Ernährer). Die moderne Definition versteht unter Familie, dass Elter(n), d.h. auch Alleinerziehende mit ihren Kindern zusammen leben (zwei Generationen als Kriterium) FUNKTIONEN DER FAMILIE HEUTE ● Gesellschaftliche Reproduktion = Nachwuchssicherung ● Sozialisation und Erziehung der Kinder ● Platzierung der Nachkommen in der gesellschaftlichen Statushierarchie durch außerschulische Förderung und Bildungsmotivation ● Regeneration = Erholung und Stabilisierung der Familienmitglieder ● Teilfunktionen, welche früher von der Familie wahrgenommen wurden, übernehmen gesellschaftlichen Einrichtungen, z. B. Bildungsaufgaben /Kindergarten, Schule) oder Pflege- und Fürsorgeaufgaben (Krankenhäuser, Alters- und Pflegeheime). THESE VON DER FUNKTIONALEN SPEZIALISIERUNG: Wenngleich sich manche Funktionen im Zuge des gesellschaftlichen Wandels verschieben, bleiben die Kernfunktionen von Familie erhalten. Die Familie verliert also nicht alle Funktionen, sondern passt sich an: man spricht von funktionaler Spezialisierung als Wandel innerhalb der familialen Funktionen. MERKMALE DES WANDELS: (von Ehe und Familie seit den 60er-Jahren) Modernisierung: „Enttraditionalisierung“ (Herauslösen von immer mehr Menschen aus traditionellen Bindungen) Individualisierung: „Individualisierung“ (Eröffnung vielfältiger Wahl- und Entscheidungsmöglichkeiten für den Einzelnen) und „Pluralisierung“ (Aufkommen neuer Lebensformen). Die Folgen: Familienstrukturen ändern sich dramatisch: Zunahme der Zahl der Ehescheidungen, Nichteheliche Lebensgemeinschaften, Verkürzung der Familienphase durch spätere Geburten, geringere Kinderzahl, gestiegene Lebenserwartung nach der Kinderphase, Anteil der Familienhaushalte fällt (nur noch 1/3), Rückgang der Zahl der Haushaltsmitglieder Aber: Familiale Lebensformen sind beim Großteil der „familienrelevanten“ Altersgruppen vorherrschend. AUFKOMMEN NEUER LEBENSFORMEN : ○ Allein Lebende (Singles) ○ Nichteheliche Partnerschaften und Ehepaare mit und ohne Kinder ○ Ein-Eltern-Familien ○ Binukleare Familien (Living apart together: Familie in zwei Haushalten) ○ Fortsetzungsehen („Patchworkfamilien“) ○ Commuter-Ehe bzw. -Familie („Pendler-Familien“: Beide Ehepartner haben getrennte Haushalte) ○ Gleichgeschlechtliche Partnerschaften mit und ohne Kinder Soziale Ungleichheit Soziale Mobilität: Unter s. M. versteht man generell Bewegungen von Menschen zwischen sozialen Positionen aller Art. Prinzipiell lassen sich zwei Ausprägungen unterscheiden: Vertikale soziale Mobilität Horizontale soziale Mobilität = (Auf- oder Abwärts-)Bewegung zwischen Positionen, die sich als besser oder schlechter, höher oder tiefer klassifizieren lassen (z.B. Berufspositionen mit höherem oder niedrigerem Einkommen oder Ansehen). Dabei lässt sich unterscheiden zwischen: Generationenmobilität (intergenerationale Mobilität): Kinder nehmen im Vergleich zu ihren Eltern eine bessere oder schlechtere berufliche Position ein. Karrieremobilität (intragenerationale Mobilität): Auftreten von sozialer Mobilität innerhalb des Lebenslaufs einer Person. = Bewegung zwischen Positionen, die keine Auswirkungen auf den sozialen Rang (Status) haben (z.B. Wechsel des Wohnortes oder des Familienstandes). Soziale Schicht: Zu einer s. S. werden Menschen mit ähnlichen „äußeren“ Lebensbedingungen zusammengefasst. Wichtige Faktoren zur Ermittlung der Schichtzugehörigkeit sind die Berufsposition Sozialprestige, Einkommen und Vermögen, Bildung und Ausbildung, aber auch Macht und Einfluss. Die „äußeren“, objektiven Lebensbedingungen beeinflussen dabei die Persönlichkeitsentwicklung und das Verhalten eines Menschen und befördern die Herausbildung schichtspezifischer Mentalitäten und Lebensstile. Bekannte Modelle unterscheiden nach Unter-, Mittel- und Oberschicht, die z.T. noch weiter unterteilt werden. Soziale Milieus: S. M. fassen Menschen zusammen, die ähnliche Werte und Lebensweisen aufweisen, die also gleichsam ‚subkulturelle‘ Einheiten innerhalb der Gesellschaft bilden. Nach diesem Modell lassen sich innerhalb der Unter-, Mittel- und Oberschicht mehrere s. M. (z.B. Hedonisten, Konservative, Postmaterialisten) nebeneinander finden, d.h. es erfolgt eine Differenzierung sowohl nach sozialen Schichten (Vertikalachse) als auch zusätzlich nach Mentalitäten und Einstellungen (Horizontalachse). Armut: Häufig wird eine Unterscheidung getroffen zwischen folgenden Armutsdefinitionen: Absolute Armut: Durchschnittsverdienst von weniger als einem US-Dollar pro Tag; Ressourcen-Armut; bedeutet, dass Menschen allem über zu geringe Geldmittel verfügen. Relative Armut: weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens des jeweiligen Landes; Lebenslagen-Armut; berücksichtigt auch Lebensbedingungen wie Ernährung, Bekleidung, Wohnung, Bildung, Gesundheit, Bildung, Arbeitsplatz, Einkommen, Ansehen etc. Prekariat: Der Begriff umschreibt einen Personenkreis, der sich in instabilen und unsicheren Beschäftigungsverhältnissen befindet, die keine Planungssicherheit für die Zukunft bieten können und der deshalb auch unter Einkommensunsicherheit leidet. Arbeitswelt im Wandel Einteilung der Berufe nach der arbeitsrechtlichen Stellung: Angestellte beziehen ein monatliches Gehalt und üben überwiegend geistige oder höhere technische Tätigkeiten aus. Arbeiter verrichten körperliche Arbeitskraft gegen Lohn (häufig Stunden-/Stücklohn). Allerdings verschwindet die Unterscheidung Arbeiter-Angestellter zusehends. Selbstständige sind entweder Eigentümer eines Unternehmens oder als Freiberufler tätig. Beamte stehen in einem besonderen öffentlichrechtlichen Dienst- und Treueverhältnis. Bei einer Einteilung der Erwerbstätigen nach Wirtschaftsektoren unterscheidet man: Primärer Sektor (Landund Forstwirtschaft, Bergbau, Fischerei), sekundärer Sektor (Industrie und Handwerk = weiterverarbeitende Produktion) und tertiärer Sektor (Dienstleistungen, wie Handel, Verkehr, Bildung, Beratung, Verwaltung). Es lassen sich konsumorientierte Dienstleistungen, die unmittelbar vom Verbraucher konsumiert werden von produktionsorientierten Dienstleistungen, die indirekt zur Herstellung eines Produkts beitragen, unterscheiden. Je nachdem, in welchem Sektor die meisten Erwerbstätigen arbeiten, spricht man von Agrar-, Industrie- oder Dienstleistungsgesellschaft. Neuere Theorien verweisen auf die zunehmende Bedeutung des vierten Sektors, des Informationssektors, der in allen anderen Bereichen zu finden ist und alle Tätigkeiten im Zusammenhang mit Informationen umfasst. Drei-Sektoren-Theorie von Jean Fourastié (Der Titel seines Werkes: Die große Hoffnung des 20. Jahrhunderts). Nach Fourastié kommt es zu einer Verschiebung zunächst vom primären zum sekundären und dann vom sekundären zum tertiären Sektor. Ursachen: Der technische Fortschritt führt zu einer enormen Produktivitätssteigerung und damit auch Sättigung im Agrar- und im Industriesektor, wodurch Arbeitskräfte frei und in den Dienstleistungssektor verlagert werden. Fourastié ging davon aus, dass eine Produktivitätssteigerung im dritten Sektor kaum möglich sei und folglich langfristig Vollbeschäftigung herrschen würde. Der Wandel der Arbeitswelt zeigt sich an einer Abnahme des Normalarbeitsverhältnisses (sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, Vollzeit, fester Arbeitgeber, unbefristete Beschäftigung, Trennung Wohnung- Arbeitsplatz) und einer Zunahme atypischer Beschäftigungsverhältnisse (Teilzeit, Leiharbeit, befristet, Telearbeit). Dadurch nimmt die Gefahr, dass Erwerbstätige nicht mehr von ihrem Gehalt leben können und einen Zweitjob annehmen müssen, zu. Schlüsselqualifikationen sind Kenntnisse und Fähigkeiten, die keinen direkten Bezug zur konkreten Berufspraxis besitzen, sondern helfen, sich rasch in neuen Situationen zurechtzufinden, sich an die verändernden wirtschaftlichen und sozialen Anforderungen anzupassen und so die Beschäftigungsfähigkeit zu sichern. Beispiele: Sozial-, Methoden-, Wissens-, Selbstkompetenz. Zukunftstendenzen der Arbeitswelt: Nach Forschungserkenntnissen wird die Arbeit in Zukunft mobiler, weiblicher, anspruchsvoller, wissensintensiver und individualisierter, was die Notwendigkeit verstärkt, das Verhältnis von Freizeit und Arbeit auszutarieren („Work-Life-Balance“). Der Zukunftsforscher Horst W. Opaschowski geht davon aus, dass die Menschen in Zukunft deutlich mehr für ihr Geld arbeiten müssen. Sozialstruktur, Sozialstaat, soziale Sicherung Sozialstruktur: Der Begriff der Sozialstruktur ist ein Schlüsselbegriff der Gesellschaftsanalyse, der auf die dauerhaften und grundlegenden Wirkungszusammenhänge einer Gesellschaft verweist, in die die Individuen eingebunden sind (Familien-, Bildungs-, Wirtschafts-, Vermögens-, Bevölkerungsstruktur). Werte/ Wertewandel: Werte bieten dauerhafte Orientierungen, besitzen verhaltenssteuernde Funktion und beziehen sich auf gesellschaftlich akzeptierte Positionen. Der Begriff des Wertewandels bezeichnet einen etwa seit Beginn der 1960er Jahre einsetzenden Prozess in den westlichen Industrieländern, der zu umfassenden Verhaltens- und Einstellungsänderungen geführt hat. Inglehart konstatiert einen Rückgang von Pflicht- und Akzeptanzwerten und eine Zunahme sog. nicht-materieller (postmaterieller) Werte (Umweltschutz und Emanzipation). Dagegen sieht Noelle-Neumann einen Werteverfall. Klages unterscheidet zwischen zurückgehenden Pflicht- und Akzeptanzwerten (Disziplin, Fleiß, Gehorsam) und zunehmenden Selbstentfaltungswerten (Emanzipation, Genuss, Kreativität). Sozialer Wandel: Unter sozialem Wandel wird die tiefgreifende Veränderung der Sozialstruktur einer Gesellschaft oder einzelner ihrer Bereiche in einem bestimmten Zeitraum verstanden. Modernisierung ist eine der zentralen Theorien zur Erklärung des sozialen Wandels. Sie beschreibt den Übergang von einer traditionalen Form von Gesellschaft bzw. Kultur hin zu moderneren Formen, etwa der Industriegesellschaft. Begriff Sozialstaat: Der soziale Rechtsstaat (Art. 28 GG) bezeichnet einen Staat, der verfassungsgemäß nicht nur die Grundrechte und persönlichen und wirtschaftlichen Freiheiten garantiert (Rechtsstaat), sondern auch rechtliche, finanzielle und materielle Maßnahmen ergreift, um die Bürger in sozialer Hinsicht abzusichern, ihnen die Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen sowie ihnen soziale Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Dementsprechend fordert das allgemeine Sozialstaatsgebot (Art. 20 GG) den Staat als Gesetzgeber auch auf, für dessen konkrete Ausgestaltung Sorge zu tragen. Allerdings haben der Sozialstaat und die ihn realisierende Sozialpolitik nicht die Aufgabe, völlige soziale Gleichheit herzustellen, aber die Verpflichtung, dem Bürger ein menschenwürdiges finanzielles Existenzminimum zu sichern. Prinzipien der sozialen Sicherung: Die Ausgestaltung des Sozialstaats folgt verschiedenen sozialethischen Prinzipien. Das Prinzip der Solidarität (wechselseitige Verantwortung der Gesellschaftsmitglieder füreinander) bedeutet auf horizontaler und vertikaler Basis die Umverteilung von Lasten und Leistungen zugunsten der sozial Schwächeren. Das Prinzip der Subsidiarität meint, dass der Staat erst dann helfend eingreift, wenn Selbsthilfe/Hilfe durch die Familie oder Hilfe durch Wohlfahrtsorganisationen nicht mehr möglich ist. Das Äquivalenzprinzip bringt einen versicherungstypischen Wesenszug in den Sozialstaat ein: Man bekommt, was man einzahlt. Staatliche Sicherung beruht auf den drei Säulen Versicherung (Beiträge, aus denen ein Leistungsanspruch entsteht), Fürsorge (Hilfen für Bedürftige aus Steuermitteln) und Vorsorge (Leistungen für Gruppen, die besondere Dienste für die Gemeinschaft erbringen). Sozialversicherung: Die Sozialversicherung ist Teil der Sozialpolitik im Rahmen der sozialen Sicherung, die dem Schutz des Bürgers vor Risiken in bestimmten Lebenslagen und vor materieller Not dient. Neben der Sozialversicherung ist auch die Sozialhilfe Bestandteil dieser Politik. Die Sozialversicherung ist eine gesetzliche Versicherung (Zwangsversicherung) für alle Arbeiter und Angestellten; ihre Pfeiler sind die Kranken-, Pflege-, Unfall-, Arbeitslosen-, und Rentenversicherung. Finanziert wird die Sozialversicherung über die Sozialbeiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern und staatliche Zuschüsse. Sozialhilfe: Aufgabe der Sozialhilfe ist es, Menschen, denen es nicht gelingt, aus eigener Kraft ihre Existenz zu sichern, die Führung eines menschenwürdigen Lebens zu ermöglichen.. Sie ist in ihrer Höhe einheitlich bemessen. So ist das Arbeitslosengeld II (ALG II) in Deutschland die Grundsicherungsleistung für erwerbsfähige Hilfebedürftige, bei nicht erwerbsfähigen Personen heißt diese Hilfe Sozialgeld. Grundwissen Sozialkunde Q 11-2 Definition Menschenrechte: Als Menschenrechte werden subjektive Rechte bezeichnet, die jedem Menschen gleichermaßen zustehen. Das Konzept der Menschenrechte geht davon aus, dass alle Menschen allein aufgrund ihres Menschseins mit gleichen Rechten ausgestattet und dass diese egalitär begründeten Rechte universell, unveräußerlich und unteilbar sind. Die Idee der Menschenrechte ist eng verbunden mit der im Zeitalter der Aufklärung entwickelten Idee des Naturrechts. Die drei Generationen von Menschenrechten: Freiheits- und Schutzrechte (Menschenrechte der „1. Generation“ – gelten als Abwehrrechte bürgerliche, politische Rechte); zu unterscheiden sind: „äußere Freiheiten“: Schutz vor staatlichen Eingriffen in die persönliche Rechtssphäre, z.B.: Recht auf Leben, Freiheit der Person, Verbot von Folter, Verbot von Ausweisung „innere Freiheiten“: Schutz vor staatlichen Eingriffe in die Persönlichkeitssphäre, z.B.: Gedankens-, Gewissens- und Religionsfreiheit, Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit Gleichheits-und Sozialrechte (Menschenrechte der „2. Generation“ – gelten als Individualrechte) Fürsorge des Staates für seine Bewohner, z.B.: Recht auf Arbeit, Recht auf Wohnung, Recht auf gerechtes Entgelt, Recht auf soziale Sicherheit Entwicklungsrechte (Menschenrechte der „3. Generation“ – gelten als Kollektivrechte) Wohlfahrtsziele der Staatengemeinschaft, z.B.: Recht auf Frieden, Recht auf eine eigene wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwickung, Recht auf intakte Umwelt. Beispiele für Fixierungen der Menschenrechte: 1689 Bill of Rights 1776 Virginia Bill of Rights 1776 Amerikanische Unabhänigkeiterklärung 1948 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 1950 Europäische Menschenrechtskonvention 1966 UN- Sozialpakt (Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte) Kennzeichen demokratischer Systeme Volkssouveränität Grundprinzip einer Demokratie; der Souverän (=Inhaber der Staatsgewalt) eines Staates ist das Volk, nicht ein König oder Fürst; Das bedeutet, dass die oberste Gewalt vom Volk ausgeht; um dies umzusetzen, sind (direkte oder indirekte) Wahlen nötig (Wahlen zur Legitimation, Herleitung aus einem Akt des Souveräns; Staat ist Ausdruck und Ausfluss des Bürgerwillens). Alle wichtigen Gewalten (Legislative, Exekutive, Judikative) werden direkt oder indirekt durch das Volk legitimiert. Gewaltenteilung Um Willkürherrschaft oder einem Missbrauch der Macht und Gewaltkonzentration vorzubeugen, ist es sinnvoll, die staatliche Gewalt nicht in eine Hand zu geben, sondern sie zu teilen. Hier kann man zwischen horizontaler und vertikaler Gewaltenteilung unterscheiden. Weitere Möglichkeiten der Gewaltenteilung sind „zeitlich, konstitutionell, dezisiv und sozial“. Bei der horizontalen Gewaltenteilung werden drei Bereiche Exekutive (ausführende Gewalt), Legislative (gesetzgebende Gewalt) und Judikative (rechtsprechende Gewalt) unterschieden. Diese Funktionen werden unterschiedlichen Staatsorganen zugewiesen, die sich gegenseitig kontrollieren. Unter vertikaler Gewaltenteilung ist zu verstehen, dass die jeweiligen Kompetenzen noch unterteilt sind; so gibt es beispielsweise bei der Exekutive die Gliederung in Bund (Bundesregierung), Länder (z.B. Bay. Staatsregierung), Kreise und Gemeinden. (Die Bundesrepublik ist ein Beispiel für ein parlamentarisches System; hier spricht man von einer Gewaltenverschränkung, da die Regierung [Exekutive] aus der Mehrheit des Bundestages [Legislative] hervorgeht und sich auf diese stützt; dabei kommt der Opposition im Bundestag eine wichtige Kontrollfunktion zu. Der Judikative kommt als vollkommen eigenständiger Gewalt eine besondere Rolle zu.) Pluralismus geht von einer Vielzahl frei gebildeter politischer, wirtschaftlicher, religiöser, ethnischer und anderer Interessengruppen aus, die untereinander in Konkurrenz stehen und um politischen und gesellschaftlichen Einfluss ringen. Die Vielfalt der Interessen und Werte in einer Gesellschaft wird dabei nicht negiert oder unterdrückt, sondern als legitim und erwünscht betrachtet. Konkret äußert sich Pluralismus z. B. in der Existenz unterschiedlicher Parteien und von Interessenverbänden. Um trotz unterschiedlicher Interessen allgemein verbindliche Entscheidungen treffen zu können, besteht die Notwendigkeit von Kompromissen. Die Legitimität einer Entscheidung ergibt sich aus der Tatsache, dass alle relevanten Gruppen an der Kompromisssuche beteiligt sind. Der Rechtsstaat stellt ein unverzichtbares Kernelement jeder freiheitlichen Demokratie dar und ist das Gegenteil des Polizei- und Willkürstaats, in dem der Bürger in ständiger Überwachung durch den Staat und in permanenter Unsicherheit vor staatlichen Übergriffen lebt. Wichtigste Voraussetzung für den demokratischen Rechtsstaat ist die Unabhängigkeit der Justiz von Exekutive und Legislative (Gewaltenteilung!), die notwendigerweise mit der Unabhängigkeit der Richter einhergehen muss. Vom Staat garantierte und durchgesetzte Grundrechte sichern die Freiheit der Bürger. Die Rechtssicherheit der Bürger wird z. B. dadurch gewährleistet, dass eine Bestrafung ohne gesetzliche Grundlage (nulla poena sine lege) oder eine rückwirkende Bestrafung ausgeschlossen sind. Diese Bestimmungen dürfen auch nicht einfach dadurch unterlaufen werden, dass es eine Strafgewalt neben der Justiz gibt (Rechtssprechungsmonopol der Justiz). Die Rechtsgleichheit besagt, dass alle vor Gericht gleich behandelt werden müssen. Die Inhaber öffentlicher Ämter (Verwaltung, Regierung) können grundsätzlich nur im Rahmen der Gesetze tätig werden (Gesetzmäßigkeit der Verwaltung) und sind in ihrem Handeln an Recht und Gesetz gebunden (keiner steht über dem Gesetz). Entscheidungen der Verwaltung können im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbarkeit vor Gericht angefochten werden. Der formale Rechtsstaat beschränkt sich dabei weitgehend auf die Einhaltung des formellen Verfahrensweges und sieht vom Inhalt der Gesetze ab (Prüfung der Legalität = Gesetzmäßigkeit). Im materialen Rechtsstaat hingegen darf sich auch das Parlament (oder gegebenenfalls der Volkssouverän) bei der Gesetzgebung nicht über die Verfassung hinwegsetzen, welche die Grundrechte garantiert. Ziel ist die Orientierung an Prinzipien wie Gerechtigkeit oder Menschenwürde und damit die Herstellung der Legitimität (Rechtmäßigkeit) staatlichen Handelns. Formen der Demokratie Als Basis einer Demokratie muss immer das Prinzip der → Volkssouveränität im Mittelpunkt stehen. Zunächst kann man zwischen repräsentativer und direkter Demokratie unterscheiden. Artikel 20 GG beschreibt, dass das Volk seine Staatsgewalt unmittelbar durch Wahlen und Abstimmungen ausübt. Direkte Demokratie: die politischen Entscheidungen werden vom Volk selbst durch Abstimmungen getroffen. Die Bürger legen ohne ein Parlament allgemeingültige gesetzliche Regelungen fest. Ziel ist es, den Willen des Volkes so unverfälscht wie möglich in politische Entscheidungen umzumünzen. In reiner Form gibt es dieses System in modernen Staaten nur noch selten [Gründe: moderne Staaten sind zu groß, Überforderung der Bürger, Schutz vor Demagogen (Volksverhetzern)]. Direktdemokratische Verfahren sind aber in viele repräsentative Demokratien in Form von fakultativen und obligatorischen Referenden ergänzend eingebaut. In Deutschland sind auf Länderebene und auf kommunaler Ebene plebiszitäre Elemente vorgesehen. Bayern liegt ganz vorne mit seinen zahlreichen direktdemokratischen Elementen. Neben Volksbegehren und Volksentscheid auf Landesebene wurde 1995 die direkte Demokratie auf Kommunalebene eingeführt (Bürgerbegehren/ Bürgerentscheide). Repräsentative Demokratie: die politischen Sachentscheidungen werden nicht direkt vom Volk, sondern von einer Volksvertretung getroffen. Die Abgeordneten besitzen ein freies Mandat. Durch Mehrheitsentscheidungen (Wahlen) entscheidet das Staatsvolk, wer regieren soll. Diese Legitimation muss in regelmäßigen Abständen erneuert werden (Neuwahlen/Periodizität). Außerdem muss es bei der Wahl Alternativen geben (konkurrierende Parteien). Demokratie bedeutet also Macht auf Zeit Von der repräsentativen Demokratie verspricht man sich mehr sachkundige als stimmungsabhängige Entscheidungen. Politik machen Fachleute aus verschiedenen Sachgebieten. Ein Hauptkritikpunkt besteht in dem geringen Grad an Mitwirkungsmöglichkeiten der Bürger. Bei der repräsentativen Demokratie muss man noch einmal unterscheiden: 1. Parlamentarische Demokratie: Die wichtigsten politischen Entscheidungen werden von einem aus freier Volkswahl hervorgegangenen Parlament getroffen. Es besteht eine Kompatibilität zwischen Mandat und Regierungsamt, da die Regierung aus der Parlamentsmehrheit hervorgeht. Das Parlament (D: Bundestag) kontrolliert die Regierung (D: Kanzler und Bundesminister). Es wählt den Regierungschef und kann diesen auch abberufen (D: Konstruktives Misstrauensvotum). Der Regierungschef (D: Kanzler) besitzt innerhalb des Kabinetts eine relativ starke Stellung (Richtlinienkompetenz, Vertrauensfrage). Ferner ist die Regierung (Exekutive) dem Parlament gegenüber verantwortlich. Dem Parlament obliegt auch die Gesetzgebung. In diesem System sind also Exekutive und Legislative relativ stark miteinander verschränkt (→ Gewaltenverschränkung). Eine besondere Kontrollfunkton im parlamentarischen System kommt der Opposition zu, da sie nicht als Träger der Regierung gilt. Eine parlamentarische Demokratie ist grundsätzlich auf Öffentlichkeit angelegt. Es debattiert und entscheidet vor dem Volk; sein Plenum tagt stets öffentlich. 2. Präsidentielle Demokratie: Ein Präsident als Staatsoberhaupt hat auch die Funktion des Regierungschefs inne. Charakteristisch ist dessen relative Unabhängigkeit vom Parlament. Abgeordnetenmandat und Regierungsamt sind nicht kompatibel. Der Regierungschef kann im Unterschied zu einer parlamentarischen Demokratie nicht durch eine Parlamentsmehrheit abgesetzt werden, sondern nur aufgrund rechtlicher Verfehlungen nach einem Amtsenthebungsverfahren (Impeachment). Während in parlamentarischen Demokratien nur das Parlament direkt vom Volk gewählt wird und die Regierung aus ihm hervorgeht, gibt es in präsidentiellen Demokratien zwei Volkswahlen, die Parlamentswahl (Legislative) und die Präsidentenwahl (Exekutive). Wesentliche Funktionen des Präsidenten sind: Regierungschef, Staatsoberhaupt, Oberbefehl über Militär und Außenpolitik. So besteht eine weitgehende → Gewaltentrennung, einhergehend mit einer starken gegenseitigen Kontrolle (USA: Checks and Balances), d.h. die verschiedenen Gewalten besitzen ausreichend Machtmittel, ihre Interessen zu verteidigen. Weil der Präsident, um ins Amt zu kommen und in ihm zu bleiben, nicht über eine Parlamentsmehrheit verfügen muss, kann es sogar dazu kommen, dass der Präsident gegen die Parlamentsmehrheit anderer Parteien regiert. Parlamentarische Systeme im Vergleich: Deutschland und Großbritannien Das parlamentarische Systems Großbritanniens entspricht in seinen Grundzügen dem System Deutschlands, allerdings mit ein paar wichtigen Unterschieden. Grundsätzlich fehlt eine geschriebene Verfassung. Zu den Quellen des britischen Verfassungsrechtes gehören daher das Common Law, also das durch vielfache Präzedenzen geschaffene Gewohnheitsrecht sowie Konventionen, die meist der Begrenzung politischen Handelns dienen. Das britische Verfassungsrecht verfügt über fünf Grundprinzipien, nämlich den Einheitsstaat, die konstitutionelle Monarchie, die Parlamentssouveränität, repräsentative Demokratie sowie Rechtsstaatlichkeit. Bezüglich der Organe ist zunächst die stärkere Position des Premierministers im Vergleich zum deutschen Bundeskanzler hervorzuheben. Der Premierminister hat innerhalb der Regierung die Richtlinienkompetenz, ernennt die Mitglieder seines Kabinetts und koordiniert ihre Arbeit und die ihrer Ministerien. Die britische Regierung ist zwar vom Vertrauen des Parlaments abhängig, jedoch kann der Premierminister jederzeit per Konvention die Parlamentsauflösung durch die Monarchin verlangen. Weitere Unterschiede finden sich in der parlamentarischen Struktur. Das britische Parlament ist als stark asymmetrisches Zweikammer-Parlament organisiert, wobei das Unterhaus (House of Commons) gegenüber dem Oberhaus (House of Lords) dominiert. Ähnlich wie beim deutschen Bundesrat werden die Mitglieder des Oberhauses nicht gewählt. Während der Bundesrat aus Vertretern der Landesregierungen besteht, sitzen im Oberhaus Vertreter der anglikanischen Kirche (Lords Spiritual) und Mitglieder des Adels (Lords Temporal). Letztere werden vom Premierminister ernannt und sind mehrheitlich mittlerweile Life Peers (auf Lebenszeit ernannt). Die Kompetenzen des Oberhauses im Gesetzgebungsprozess sind geringer als beim Bundesrat, der bei zustimmungspflichtigen Gesetzen ein Vetorecht hat. Das Oberhaus hat lediglich ein suspensives (aufschiebendes) Veto, d.h. ein Gesetz kann bis zu einem Jahr blockiert werden. Dadurch, dass das Unterhaus ein Redeparlament ist und es – anders als im deutschen Bundestag – nur ein schwach entwickeltes Ausschusssystem gibt, bedeutet dies einen großen Machtverlust gegenüber der Regierung. Ohne die Ausschussarbeit haben die Parlamentarier wenige Möglichkeiten zu Sachexperten zu werden, so dass der Gesetzgebungsprozess von der Regierung dominiert wird. Die Struktur der zweiköpfigen Exekutive (Erbmonarchin, Premierminister mit Kabinett) gliedert sich wie folgt: Die Monarchin ernennt den Mehrheitsführer im Unterhaus zum Premier, und dieser ernennt wiederum die Minister. Die Organisationsprinzipien sind die gleichen wie im deutschen System: Premierprinzip (Richtlinienkompetenz und Organisationsgewalt des Regierungschefs), Kabinettsprinzip und Ressortprinzip. Ein wesentlicher Unterschied in den beiden Systemen betrifft schließlich die Verfassungsgerichtsbarkeit. Verfassungsrechtlich ist die Souveränität beim britischen Parlament verortet (Parlamentssouveränität). Eine geschriebene Verfassung als normativer Maßstab zur Prüfung von einfachen Normen auf ihre Verfassungskonformität fehlt. Eine eigenständige Verfassungsgerichtsbarkeit konnte sich daher in Großbritannien lange Zeit nicht entwickeln. Seit 2009 gibt es aber einen Supreme Court, der in Zivilsachen nun die oberste gerichtliche Instanz in Großbritannien ist. Präsidentielle Regierungssysteme am Beispiel der USA Der Präsident fasst in sich drei Positionen (Staatsoberhaupt, Regierungschef und Oberbefehlshaber) zusammen, die in vielen anderen Ländern von mindestens zwei Personen wahrgenommen werden. Obwohl er also die Verkörperung der amerikanischen Bundesexekutive schlechthin ist, so wird er doch durch das System der Checks and Balances vom Kongress (Legislative) und den Bundesgerichten (Judikative) kontrolliert. Dem Gedanken der strikten Gewaltenteilung entsprechend darf der Präsident daher auch nicht Mitglied des Kongresses oder eines Bundesgerichts sein. Präsident und Kongress werden im Präsidialsystem in getrennten Wahlen bestellt. Das Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten (engl.: United States House of Representatives, oft nur House) ist neben dem Senat eine der beiden gleichberechtigten Kammern des Kongresses der Vereinigten Staaten von Amerika. Jeder Bundesstaat ist im Verhältnis zu seiner Bevölkerung im Repräsentantenhaus vertreten, während jeder Bundesstaat zwei Senatoren in den Senat entsendet. Die Bürger der USA wählen die Abgeordneten des Repräsentantenhauses für je zwei Jahre, Senatoren auf je sechs Jahre. Im politischen System der USA ist der Kongress für die Gesetzgebung zuständig und hat einige Kontrollfunktionen gegenüber dem Präsidenten der Vereinigten Staaten. Es besitzt das alleinige Initiativrecht bei Steuer- und Haushaltsgesetzen. Die Regierung wird im parlamentarischen Regierungssystem vom Parlament bestellt, und sie kann von ihm auch wieder abberufen werden. Dem (amerikanischen) Kongress steht dieses Abberufungsrecht im Normalfall nicht zu. Er kann den Präsidenten nicht wegen politischer Meinungsverschiedenheiten oder wegen veränderter Mehrheiten stürzen. Nur für den Fall, dass ein Präsident sich strafbarer Vergehen schuldig gemacht hat, kann das Repräsentantenhaus gegen ihn Klage mit absoluter Mehrheit (impeachment) erheben, und der Senat kann ihn daraufhin mit Zweidrittelmehrheit seines Amtes entheben. Umgekehrt fehlt dem Präsidenten ein wichtiges Disziplinierungsmittel gegenüber dem Kongress. Er kann ihn nicht — wie zum Beispiel der britische Premierminister das Unterhaus — auflösen und Neuwahlen ausschreiben. Die Verfassung der Vereinigten Staaten verlangt eine Unvereinbarkeit (Inkompatibilität) von Regierungsamt und Parlamentsmandat. Der Präsident und die Mitglieder seiner Regierung — mit der Ausnahme des Vizepräsidenten, der gleichzeitig Vorsitzender des Senats ist — dürfen also keinen Sitz im Kongress innehaben. In den Vereinigten Staaten vereinigt der Präsident die Funktionen des Staatsoberhauptes und des Regierungschefs in einer Person (eingipfelige Exekutive). Dem Präsidenten der Vereinigten Staaten ist formal — nicht aber in der Verfassungswirklichkeit — die Möglichkeit der Gesetzesinitiative verschlossen. Er besitzt nur die Möglichkeit, Gesetzesbeschlüsse des Kongresses mit seinem Veto zu belegen. Das Veto des Präsidenten kann allerdings mit einer Zweidrittelmehrheit in beiden Häusern des Kongresses überstimmt werden (→ Gefahr des Machtmissbrauchs bei ungenügend ausgebildeter Kontrolle des Präsident; vgl. Russland). Ziel der Verfassung ist eine Trennung der Gewalten, aber auch die Notwendigkeit zur Zusammenarbeit – separate instutitutions sharing power. Totalitäre und autoritäre Systeme Totalitäre Systeme In einer totalitären Diktatur beansprucht eine einzige, nicht durch Wahlen legitimierte und eng mit der Bürokratie verbundene Partei unter der Leitung eines charismatischen Führers oder ein Führer, die gesellschaftliche Entwicklung erkennen und gestalten zu können. Grundlage dafür ist eine quasireligiöse Ideologie, die ihren Wahrheitsanspruch im Rahmen eines Freund-Feind-Denkens betont und mittels Propaganda und Kontrolle der Massenkommunikationsmittel durchsetzt. So werden alle Bereiche menschlichen Lebens durchdrungen, dabei die aktive Unterstützung der Massen eingefordert und das Recht auf Privatheit bestritten. Ziel ist die vollständige Erfassung des Menschen in allen Lebensbereichen, wobei das Individuum staatlichem Handeln schutzlos ausgeliefert ist. Denn die Ablehnung jeglichen Pluralismus führt dazu, dass oppositionelle Gruppen und Minderheiten durch ein lebensverachtendes Terrorsystem eingeschüchtert und ausgeschaltet werden. Unabdingbare Mittel dazu sind ein allumfassendes Spitzelsystem und Geheimpolizei(en), wenngleich wenigstens letztere auch als Kennzeichen von → autoritären Systemen gelten müssen. Der Begriff des Totalitarismus wird meist auf die historischen Erscheinungen des Nationalsozialismus und des Stalinismus angewandt. Das einzige heute existierende totalitäre System ist das des „Kimismus“ in Nordkorea. Autoritäre Systeme Im Unterschied zu totalitären Systemen spielt nicht eine Weltanschauung, sondern die Herrschaftssicherung die zentrale Rolle. Daher sind die Herrschaftseliten vielfach zur Duldung eines eingeschränkten Pluralismus und eingeschränkter Partizipation bereit, indem sie die Privatsphäre und sogar abweichende politische Meinungen der Bürger hinnehmen, solange keine öffentliche Kritik geübt wird. Dissidenten werden dagegen als Bedrohung empfunden und verfolgt. Wahlen sind zweckgemäß manipuliert, eine horizontale Gewaltenteilung besteht somit höchstens formal, vielmehr ist die Macht auf eine oligarchische Basis bestimmter sozialer Kräfte einer Gesellschaft konzentriert. Diese Kräfte können militärisch, tribal, religiös, bürokratisch oder parteipolitisch gestützt sein. Autoritäre Regimes greifen daher aus Pragmatismus auf als allgemeingültig angenommene Wertvorstellungen wie Patriotismus, Nationalismus, Ordnung oder religiöse Inhalte zurück. Häufig entstehen solche Systeme aus einer Krise, dem Zusammenbruch demokratischer Systeme, aus Konflikten in multiethnischen Gesellschaften, bei der Dekolonisierung, aber auch nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Defekte Demokratien Stehen zwischen Demokratien und autoritären Diktaturen. Das Merkmal einer funktionierenden Demokratie ist die Verzahnung bestimmter Elemente (Wahlregime, politische Teilhaberechte, bürgerliche Freiheitsrechte, Gewaltenkontrolle und effektive Regierungsgewalt). Bei defekten Demokratien gibt es zwar Wahlen und politischen Wettbewerb, aber Einschränkungen bezüglich grundlegender Bürger- und Freiheitsrechte, Gewaltenteilung und –kontrolle. Man unterscheidet drei Untertypen: Exklusive Demokratien: Hier gibt es nur ein eingeschränktes Wahlrecht, keine freien und fairen Wahlen, weil ein bedeutender Teil der Bürger aufgrund von Analphabetismus, Armut, ethnischer Zugehörigkeit, Geschlecht oder Religionszugehörigkeit von den Wahlen ausgeschlossen wird (Einschränkung des aktiven und/oder passiven Wahlrechts), Wahlen manipuliert oder bestimmte Parteien systematisch behindert werden. Enklavendemokratie: Hier haben demokratisch nicht legitimierte Institutionen, wie Drogenmafia, Großgrundbesitzer, Guerillabewegungen, das Militär sowie nationale und multinationale Unternehmen, die politische Macht. Es fehlen Kontrollmechanismen sowie die demokratische Legitimation des Regierungsmonopols. Illiberale Demokratien: Hier sind der Verfassungs- und der Rechtsstaat beschädigt, denn eine Umgehung der Legislative ist möglich, ebenso eine Aufhebung der Gewaltenteilung, wodurch es zu einer Informalisierung der Entscheidungen und einer Zentralisation der Gewalt bei der Exekutive kommen kann. Die Einhaltung der Grund-, Menschen-, Freiheits- und Bürgerrechte ist nicht in vollem Maße gewährleistet. Die mildere Variante wird als delegative Demokratie bezeichnet, wo Regierungen beispielsweise das Parlament umgehen oder Einfluss auf die Justiz ausüben können. Möglichkeiten zur Weiterentwicklung demokratischer Staatsformen In Deutschland stehen den Bürgern an direktdemokratischer Beteiligungsformen auf Bundesebene lediglich das Kollektivpetitionsrecht (Art. 17 GG) und die Möglichkeit zu, über die Neugliederung der Bundesländer (Art. 29 GG) per Volksentscheid abzustimmen. Auf Landes- bzw. Kommunalebene gestalten sich diese Beteiligungsmöglichkeiten umfangreicher. Hier sind das Volksbegehren bzw. der Volksentscheid auf Landesebene sowie das Bürgerbegehren und der Bürgerentscheid auf Kommunalebene zu nennen. Als grundlegende Möglichkeiten, den Bürger auch auf Bundesebene stärker in den politischen Prozess integrieren, können in Betracht gezogen werden: Fakultative Referenden (vom Parlament gerade beschlossene Gesetzte, Bundesbeschlüsse bzw. völkerrechtliche Verträge sollen dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden), obligatorische Referenden (Verfassungsänderungen und supranationale Verträge müssen dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden), Volksbegehren und Volksentscheid auf Bundesebene (als Mittel gegen Politik- und Parteiverdrossenheit), Direktwahl des Bundespräsidenten (Unabhängigkeit gegenüber Parteieninteressen), Einführung von Vorwahlen (nach amerikanischen Vorbild), bei denen der Bürger direkt auf die Kandidatenaufstellung der Bundestagsabgeordneten bzw. der Kanzlerkandidaten Einfluss nehmen kann (entspricht einer Personalisierung des Wahlsystems) oder auch die Absenkung des Wahlrechtes auf 16 Jahre (Einbindung Jugendlicher). Will man zudem die Effektivität demokratischer Institutionen und Verfahrensweisen verbessern, so wären folgende Maßnahmen denkbar: Reformen im Bereich föderaler Struktur- und Organisationsprinzipien ( siehe Föderalismusreform zur Senkung von Kosten und Kompetenzstreitigkeiten). Nutzung der Möglichkeiten neuer Informationstechnologien (E-democracy) im Bereich von Wahlen, Abstimmungen und Vernetzung des Bürgers mit Entscheidungsträgern zur Senkung des Zeitaufwandes. Umstrukturierung der Verwaltung nach Prinzipien des New Public Management (NPM) zur Kostensenkung und Effektivitätssteigerung (z.B. Bearbeitung von Anträgen im Online-Verfahren; elektronische Steuererklärung; Abschaffung bürokratischer Strukturmuster im Verwaltungsbereich; Privatisierung jener staatlichen Aufgabenfelder, in denen private Unternehmen effektiver agieren können).