„Polen in Europa: volle Kraft voraus“ Radosław Sikorski, Außenminister der Republik Polen, 22. März 2012 Sehr geehrte Damen und Herren, vor zehn Jahren ersetzten die ersten Euromünzen und –banknoten den Francs als Zahlungsmittel in diesem Land. Im selben Jahr 2002 schloss die Europäische Union die Beitrittsverhandlungen mit Polen und neun weiteren Staaten ab. Zehn Jahre später ist der Euro in der Klemme und mitunter auch Gegenstand von Witzen. Die Märkte versuchen weiterhin, ein Gespür dafür zu entwickeln, ob der „Fiskalpakt“ greifen wird wie vorgesehen. Die Enttäuschung über das europäische Projekt nimmt zu. Manche Politiker sind versucht, sich in geschlossene Mini-EU-Gesellschaften zurückzuziehen oder ihre Ambitionen für die Europäische Union gleich ganz zu senken. So oder so geht es darum, die europäische Integration zu bremsen. Wir glauben, dass wir im Angesicht von Widrigkeiten zusammenhalten und diese Gelegenheit richtig nutzen sollten. Während unserer Ratspräsidentschaft haben wir Polen uns bemüht, andere Staaten mit unserem Enthusiasmus für eine tiefere europäische Integration anzustecken. Wir sind inzwischen ein glaubwürdiger Partner bei der Konsensbildung und haben einen wesentlichen Beitrag zur Gemeinschaftspolitik geleistet. Wir haben die Präsidentschaft in die Hände unserer dänischen Freunde übergeben, doch unser Wunsch, die europäische Integration voranzubringen, hat nicht nachgelassen. Die französisch-polnischen Beziehungen sind auf eine viele Jahrhunderte alte Tradition der Zusammenarbeit auf den Gebieten Militär, Politik, Wissenschaft und Kunst gegründet. Einer der bedeutendsten französischen Schriftsteller, Victor Hugo, hat einmal gesagt: „Von allen Nationen haben nur zwei seit vier Jahrhunderten eine uneigennützige Rolle in der europäischen Zivilisation gespielt – das sind Frankreich und Polen. Bedenken Sie: Frankreich hat die Finsternis vertrieben, Polen die Barbarei abgewehrt; Frankreich hat Ideen verbreitet, Polen die Grenze geschützt. Die französische Nation war ein Missionar der Zivilisation in Europa, die polnische Nation ihr Ritter. Wenn die polnische Nation ihre Mission nicht erfolgreich erfüllt hätte, dann hätte auch die französische ihre nicht zu Ende geführt“1. Doch jede Beziehung kennt Höhen und Tiefen, und unsere ist keine Ausnahme. Der Zweite Weltkrieg hat uns gelehrt, dass Versprechungen, die die Verbündeten gemacht haben, mitunter Versprechungen bleiben. Mit Dankbarkeit erinnern wir uns allerdings an die Gastfreundschaft, die die Franzosen polnischen politischen Flüchtlingen nach der Verhängung des Kriegszustands gewährten. Die Unterstützung der Franzosen für die „Solidarność“ vergessen wir nicht. Als die Flüchtlinge der „Solidarność“-Zeit in Frankreich eintrafen, erlebten sie eine Art Déjà-vu. Denn ähnlich herzlich waren im 19. Jahrhundert ihre Vorfahren, die um die Unabhängigkeit Polens kämpften, an der Seine aufgenommen worden. Über die Jahrhunderte hinweg haben Polen, die in Frankreich lebten, einen großen Beitrag zum politischen, wirtschaftlichen und intellektuellen Leben ihrer Wahlheimat geleistet. Es seien hier nur einige große Namen erwähnt: die Königin Maria Leszczyńska, Fryderyk Chopin oder Maria Skłodowska-Curie. So ist es also kein Wunder, dass die Polen Paris als Teil ihres eigenen historischen, kulturellen und geistigen Erbes betrachten. Heute zählen, wie schon in der langen Geschichte unserer Beziehungen, Taten mehr als Worte. Die Implementierung der Erklärung über die strategische Partnerschaft bleibt eine Schlüsselfrage. Zum Wohle Europas. Ich möchte gerne den Beitrag beschreiben, den Polen bei der Verwirklichung dieser Aufgabe leisten kann. Wir haben drei komparative Vorteile: - unser Modell der wirtschaftlichen Transformation, - unser Engagement für die Stärkung der europäischen Identität auf der internationalen Bühne - und unser Einsatz für die Beziehungen der EU zu unseren östlichen Nachbarn. *** Meine Damen und Herren, 1 Zitiert nach: Marek S. Korowicz: «Dix siècles de relations franco-polonaises», Paris 1945, S. 33-34. wenn Ihnen bei der Bezeichnung „polnische Wirtschaft“ lediglich das Bild des „polnischen Klempners“ einfällt, sollten Sie Ihre Ansichten vielleicht noch einmal überdenken. Polen hat sich zu einer Erfolgsgeschichte entwickelt. Die Europäische Kommission prognostiziert mit 2,5 Prozent in diesem Jahr für Polen das höchste BIP-Wachstum aller EU-Mitgliedstaaten. JP Morgan ist sogar noch optimistischer und sieht für 2012 ein Wachstum von 3,2 Prozent voraus. In den Statistiken des Internationalen Währungsfonds rangiert Polens Bruttoinlandsprodukt nach Kaufkraftparität in Europa auf Platz sechs und auf Platz 20 weltweit Beachten sie bitte, dass Polen im Ranking des Human Development Index Portugal überholt hat. Und im Legatum Prosperity Index liegen wir vor Italien. Ja, Italien. In den letzten zwanzig Jahren haben wir Auslandsinvestitionen in Höhe von 110 Milliarden Euro – darunter 17 Milliarden aus Frankreich - angezogen, und unser Export hat sich verzehnfacht. Wie ist es uns gelungen, das Vertrauen von Investoren und Konsumenten zu gewinnen? Schon vor 15 Jahren haben wir beschlossen, eine „Schuldenbremse“ für die öffentliche Hand in der Verfassung zu verankern. Sie ist übrigens restriktiver als die im Fiskalpakt. Wie man sieht, war es ein weitsichtiger Schritt. Heute ist es billiger, einen Credit Default Swap auf Polen abzuschließen, als auf Frankreich. Pardon. Die wirtschaftliche Stagnation in Europa hat zu einer „Renaissance nationaler Vorurteile“2 geführt. Und nicht nur Populisten suchen nach Sündenböcken, sondern auch allgemein geschätzte Politiker geben an allem der Erweiterung der Gemeinschaft die Schuld. Doch die Wahrheit sieht anders aus. Die Osterweiterung hat das Wachstum gefördert, die Konkurrenzfähigkeit europäischer Unternehmen vergrößert und zur Schaffung neuer Arbeitsplätze in Frankreich und anderen Teilen Westeuropas beigetragen. Polen ist Frankreichs größter Außenhandelspartner in Mitteleuropa. Seit 1993 hat sich der Wert unseres bilateralen Handels mehr als verzehnfacht – von 1,3 Milliarden Euro auf 14 Milliarden Euro 2011 – und holt allmählich den französisch-russischen Handel ein. Im letzten Jahr nahmen die französischen Exporte nach Polen um über 12 % zu. 2 Zitat aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Unter den zehn Automarken, die sich in Polen am besten verkaufen, finden sich gleich 3 französische. Mehr als 1.200 Firmen aus Frankreich sind auf unserem Markt tätig und nutzen das Potential von fast 40 Millionen Konsumenten: in der Telekommunikationsbranche (insbesondere France Télécom), der Industrieproduktion, auf dem Energiemarkt, im Einzelhandel, im Bauwesen, bei Immobilien und Medien. Tatsächlich kaufen die meisten Polen in Carrefour-, Auchan- oder Leclerc-Läden ein. Fragen Sie einen Manager in einem beliebigen großen französischen Konzern, und er oder sie wird Polen als einen der zehn aussichtsreichsten Märkte nennen. Französische Wirtschaftsführer wissen, dass sie ihre Konkurrenzfähigkeit auf Drittmärkten erheblich vergrößern, wenn sie sich mit kleinen und mittleren Unternehmen aus Polen zusammentun. Weder hat also „der polnische Klempner“ seinen französischen Kollegen die Arbeit weggenommen, noch wir etwas von Ihrem Wohlstand. Ganz im Gegenteil: Wir haben gemeinsam mehr Wohlstand geschaffen. Und die Möglichkeiten sollten zunehmen, denn Polen investiert weiterhin stark in die Infrastruktur und legt ein Kernenergieprogramm auf. Dieses Programm ist Teil der geplanten Diversifizierung des Energiemixes und wird uns Luft zum Atmen bringen – im buchstäblichen, wie auch im übertragenen Sinne. Polen hat seine CO2-Emissionen schneller als irgendein anderes Land der „EU-15“ reduziert. Beachten Sie bitte, dass Polen den Vereinten Nationen zufolge in den Jahren 1990-2009 seine Emissionen um 32,1% im Vergleich zum Kyoto-Basisjahr verringert hat, die Mitgliedsstaaten der alten EU dagegen im Durchschnitt nur um 12,7 %. Doch was die weitere Reduzierung angeht, bitte ich den spezifischen Charakter der polnischen Volkswirtschaft zu berücksichtigen. Noch sind wir dabei, Westeuropa einzuholen. Für uns heißt ein ausgeglichenes, nachhaltiges Wachstum ein Abwägen zwischen den Kosten wirtschaftlicher Entwicklung und den Kosten des Umweltschutzes. Mein Land ist auch entschlossen, seine Schiefergasreserven zu erschließen. Vergessen Sie bitte nicht: Für uns, ein Land der Kohle, bedeutet aus Gas gewonnene Energie eine Verringerung von CO2-Emissionen. In Zusammenarbeit mit ExxonMobil bereitet Total Gasbohrungen in Polen vor. So wie andere Unternehmen sind diese Konzerne auf der Suche nach neuen Energiequellen, die Europas CO2-Bilanz ebenso verringert wie seine Abhängigkeit von externen Energielieferungen3. Am Rande bemerkt, wäre es schade, wenn Total zwar in Polen, nicht aber in Frankreich vom Schiefergas profitieren sollte. Auch andere französische Unternehmen helfen Polen dabei, seiner Verpflichtung nachzukommen, bis zum Jahr 2020 15% der Elektrizität aus erneuerbaren Energien zu produzieren. In diesem Jahr wird GDF Suez einen neuen Biomasse-Block im Kraftwerk Połaniec mit einer Kapazität von 180 MW in Betrieb nehmen, was es zum größten Biomasse-Kraftwerk weltweit macht. Auch Dalkia, Frankreichs größter Betreiber von Holz-Heizkraftwerken, hat zur Vergrößerung der grünen Kapazitäten in Polen beigetragen – und bei Gelegenheit gut dabei verdient. *** Meine Damen und Herren, die französischen Sorgen um die Gesundheit der Eurozone sind auch Polens Sorgen. Wir schätzen Frankreichs Initiative und Führungskraft bei den Bemühungen, einigen Staaten der Eurozone wieder auf die Beine zu helfen. Ihr Verantwortungsgefühl für Europa, im Tandem mit Deutschland, ist für andere ein Sèvres-Standard. Eine sich lang hinziehende Krise würde nicht nur unser Wachstum schwächen, sondern auch die Übernahme der Gemeinschaftswährung in Polen erschweren. Dabei ist die Übernahme des Euro durch mein Land nicht eine Frage des ‚ob’, sondern des ‚wann’. Wir werden uns Ihnen in diesem Jahrzehnt anschließen – nicht nur, weil wir durch den Beitrittsvertrag dazu verpflichtet sind, sondern auch, weil wir überzeugt sind, dass die Wirtschaftsund Währungsunion Europa enormer Vorteil ist. Die polnische Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2015 die schwierigsten fiskalischen Kriterien zu erfüllen. Schon in diesem Jahr beabsichtigen wir das Defizit auf 3 Prozent und die öffentlichen Schulden auf 52 Prozent des BIP abzusenken. Ob uns das gelingt, wird allerdings in gleichem Maße von uns selbst, als auch von der Lage in der Eurozone selbst abhängen. Staatliches Geologisches Institut: „Im Unterschied zu den französischen Lagerstätten befinden sich die polnischen Schiefergas-Lagerstätten tief unter der Erde, was ein sehr geringes Risiko der Verunreinigung des Grundwassers nach sich zieht.” (Le Monde, 7.6.2011) 3 In Anbetracht der Interessenkonvergenz zwischen Polen und Europa hat die polnische Ratspräsidentschaft bei der Annahme des sogenannten Sixpack geholfen. Die darin festgelegten Regeln für die Regierungsführung basieren auf dem Fiskalpakt, den wir zusammen mit Frankreich auf dem letzten Gipfel des Europäischen Rates unterzeichnet haben. Schwierige Zeiten verlangen besondere Maßnahmen. Eine tiefere Integration ist ein vernünftiger Schritt nach vorn und wird von meinem Land unterstützt. Doch eine tiefere Integration sollte nicht eine EU der zwei Geschwindigkeiten bedeuten. Die Notwendigkeit für eine engere Zusammenarbeit zwischen den Staaten der Eurozone sollte nicht zu einem Demontagewerkzeug der Europäischen Union werden. Der Entscheidungsprozess innerhalb dieser Gruppe darf nicht zu einer schrittweisen Unterminierung des Entscheidungsprozesses im Rahmen der EU-27-Mitgliedstaaten führen. Lassen Sie es mich noch eindeutiger formulieren: Polen sagt „Nein“ zur Institutionalisierung eines „neuen Kerns und einer neuen Peripherie“ in Europa. Europa mit Hilfe eines Minilateralismus4 zu regieren, würde längerfristig die Monnet-Methode untergraben. Während Einsparungsmaßnahmen zweifellos notwendig sind, um die Gesundheit der europäischen Wirtschaft wiederherzustellen, müssen wir auch die Grundlagen für Wachstum legen. Und der beste Weg, das zu tun, ist eine kreative Investition der Ressourcen in gemeinsame Programme der EU. Wir können die Effektivität der Strukturfonds erhöhen und sie für Forschung und Innovation nutzen. Mehr, und nicht weniger Integration ist auch für die Erhaltung der Schengen-Zone erforderlich. Viele Menschen klagen, dass der Durchschnittseuropäer die Vorteile, die die Europäische Union bringt, nicht bemerkt. Nun, eine ihrer sichtbarsten und spürbarsten Vorteile war der Wegfall der Kontrollen an den Binnengrenzen. Reisen und Handel sind für 400 Millionen Europäer sehr viel leichter geworden. To prawda, że państwa członkowskie muszą bliżej ze sobą współpracować, aby zapewnić odpowiednią ochronę granic zewnętrznych, ale właśnie od tego zależy zachowanie zasad Schengen. 4 Der Minilateralismus beruht darauf, mit der geringstmöglichen Zahl an Staaten die größtmögliche Durchsetzungskraft bei der Lösung konkreter Probleme zu erzielen (Moisés Naím, Chefredakteur der Zeitschrift „Foreign Policy“ in den Jahren 1996-2010). Es stimmt, dass es einen Bedarf an engerer Kooperation der Mitgliedsstaaten gibt, um einen angemessenen Schutz der Außengrenzen sicherzustellen, aber das sollte geschehen, um die Schengen-Regeln zu erhalten. Wenn man den EU-Bürgern, deren Vertrauen in den Euro ohnehin schon erschüttert wurde, dieses Symbol der Vereinigung Europas nimmt, werden sie anfangen, darüber nachzudenken, wozu die Europäische Union überhaupt noch gut ist. Ich bitte Sie, nicht das öffentliche Vertrauen in dieses Integrationsprojekt zu untergraben, das die längste Friedensperiode in der Geschichte unseres Kontinents und in der Tat großen Wohlstand gebracht hat. *** Meine Damen und Herren, wie Präsident Sarkozy gesagt hat: „Es ist unmöglich, sich Europa als eine politische Macht, eine wirtschaftliche Macht und eine der reichsten Regionen der Welt vorzustellen, ohne die Fähigkeit, selbständig für seine Sicherheit zu sorgen.“ Dem stimme ich völlig zu. Die Vereinigten Staaten können nicht endlos für Europas Sicherheit einstehen, erst recht nicht, wenn der Verteidigungshaushalt der USA schrumpft. Ich bin kürzlich aus Washington zuückgekehrt. Unsere amerikanischen Freunde haben die starke Hoffnung zum Ausdruck gebracht, dass Europa endlich anfängt, seinen Beitrag zu leisten. In der Vergangenheit haben wir müßige Debatten über die Bedeutung der europäischen Verteidigungsautonomie geführt. Und da Polen immer für die transatlantische Verbindung eingetreten ist, wurde es als „Amerikas trojanisches Pferd in Europa“ karikiert. Gott sei Dank ist diese Kontroverse vorbei. Wir haben Präsident Sarkozys Entscheidung, in die integrierte militärische Kommandostruktur der NATO zurückzukehren, begrüßt. Seinerseits hat sich Polen die französische Konzeption „L’Europe puissance“ zu Herzen genommen. Für manche scheint eine europäische Verteidigungsfähigkeit in einer Zeit sinkender Militärhaushalte ein Hirngespinst zu sein. Als ehemaliger Verteidigungsminister bin ich vom Gegenteil überzeugt: Je mehr wir sparen müssen, desto stärker sollten wir unsere Verteidigungsausgaben konzentrieren und spezialisieren. Als der Staat mit der größten Armee und den zweithöchsten Verteidigungsausgaben in der Europäischen Union sollte Frankreich weiterhin eine führende Rolle bei der europäischen Verteidigungspolitik spielen. Sollten Sie das tun, wird Polen Sie dabei unterstützen. Und wir werden die Verteidigung weiterhin ernst nehmen. In einer Zeit, in der die meisten europäischen Staaten ihre Ausgaben zusammenstreichen, gibt Polen 1,95% seines BIP für die Verteidigung aus. Damit liegen wir in Europa hinsichtlich der Aufwendungen für die Verteidigung an siebter Stelle. Wir haben an Operationen teilgenommen, die aus der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU resultierten und sich in Gebieten abspielten, die von unserer unmittelbaren Nachbarschaft weit entfernt sind. Wir haben Frankreich während der Missionen im Kongo und auf dem Balkan sowie EUFOR Tchad/RCA im Tschad und der Zentralafrikanischen Republik unterstützt, wo unser Kontingent das zweitgrößte nach dem Ihren war. Die „Battlegroup Weimar“ wird turnusmäßig Anfang 2013 in Bereitschaft gehen. Zusammen mit der Tschechischen Republik, Ungarn und der Slowakei plant Polen die Aufstellung einer Visegrád-Battlegroup, die 2016 unter polnischer Führung einsatzfähig sein soll. Wir unterstützen die Europäische Verteidigungsagentur bei der Entwicklung der militärischen Fähigkeiten. Polen beteiligt sich auch am Eurokorps und wurde im letzten Jahr eingeladen, Vollmitglied zu werden. Zusammen mit Ihnen und unseren deutschen Freunden haben wir im Dezember 2010 der Hohen Vertreterin Catherine Ashton Vorschläge unterbreitet, die auf eine Revitalisierung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik abzielen. Im Laufe unserer Ratspräsidentschaft haben wir alle EU-27-Staaten von der Einrichtung eines Operationszentrums für EU-Einsätze am Horn von Afrika überzeugt. Der Aufbau einer ständigen Planungs- und Führungsstruktur für Einsätze der EU war viele Jahre lang ein Tabu, das es uns in Zusammenarbeit mit Frankreich und Deutschland zu durchbrechen gelang. Gemeinsam können wir wirkliche Fortschritte erzielen. Die Weimarer Initiative, wie auch die französisch-britische Entente cordiale in Verteidigungsfragen, die hoffentlich anderen Mitgliedsstaaten der EU offenstehen wird, sind Elemente, die der europäischen Verteidigungsfähigkeit mehr Glaubwürdigkeit verleihen können. Doch Zusammenarbeit bei der Verteidigung, sowohl im Rahmen der EU als auch der NATO, wird eine strittige Frage bleiben, wenn wir keine Verteidigungssolidarität an den Tag legen. Eines unserer Gebote sollte lauten: „Du sollst die strategische Position deines Bündnispartners nicht gefährden.“ Ohne Umschweige gesagt: Wir sollten es uns zweimal überlegen, ehe wir hochentwickeltes militärisches Gerät an Länder verkaufen, die kein Hehl aus ihrem Wunsch machen, militärische Fähigkeiten aufzubauen, die mit unseren mithalten können. *** Meine Damen und Herren, Europa kann keine sichere und demokratische Entität sein, wenn wir die europäische Zusammenarbeit nicht auf alle europäischen Nationen ausweiten. Eine Grundvoraussetzung für diesen Prozess ist Versöhnung. Frankreich und Deutschland haben diesen Weg nach dem Zweiten Weltkrieg beschritten, Polen und Deutschland in jüngerer Zeit. Jetzt ist die Zeit für eine polnisch-russische Verständigung gekommen. Zu diesem Zweck haben wir ein hochrangiges Polnisch-Russisches Kooperationsstrategiekomitee, bilaterale Zentren für Polnisch-Russischen Dialog und Verständigung sowie die Polnisch-Russische Gruppe für schwierige Angelegenheiten gegründet. Die Gruppe für schwierige Angelegenheiten ist auf der Ebene bilateraler Beziehungen ein präzedenzloses Projekt. Die teilnehmenden Historiker und Fachleute anderer Gebiete entschärfen heikle, politisierte Fragen, die wie eine tickende Zeitbombe den Versöhnungsprozess sprengen könnten. 2010 hat die russische Duma das Massaker von Katyń und den Stalinismus verurteilt. Es war höchste Zeit, die Sprache der Wahrheit zu sprechen. In diesem Jahr erwarten wir den ersten historischen Besuch des Patriarchen der Russisch-Orthodoxen Kirche. Doch die polnisch-russische Normalisierung wäre gar nicht erst in Gang gekommen, wenn Russland nicht gelernt hätte, dass ein Dialog mit Brüssel oder Paris über die Köpfe der Polen hinweg nicht mehr funktioniert. Deshalb können wir eine engere nachbarschaftliche Zusammenarbeit entwickeln. Wir haben ein polnisch-russisches Jugendaustauschprogramm ins Leben gerufen und einen Vertrag über den kleinen Grenzverkehr unterzeichnet, der es den Einwohnern der Kaliningrader Exklave und den benachbarten polnischen Regionen ermöglicht, freier gegenseitige Kontakte zu knüpfen. Im letzten Jahr sind die polnischen Exporte in die Russische Föderation um mehr als ein Drittel gestiegen, womit wir jetzt auf Platz 5 der nach Russland exportierenden EU-Länder liegen. Gestern habe ich in Berlin am zweiten Treffen der Außenminister Deutschlands, Polens und Russlands teilgenommen. Wir haben vereinbart, mehrere gemeinsame Initiativen im Ostseeraum und insbesondere im Kaliningrader Gebiet zu starten. Wir würden uns sehr freuen, über die Zusammenarbeit im Rahmen des Weimarer Dreiecks auch Frankreich hierbei mit an Bord zu haben. Polen wünscht Russland Erfolg bei seiner Modernisierung. Doch Modernisierung sollte nicht nur als Technologietransfer oder wirtschaftliche Entwicklung allein verstanden werden. Modernisierung bedeutet die Bekämpfung von Korruption und die Stärkung des Rechtsstaats und der Bürgergesellschaft. Demokratisierung. Wie wir im Vorfeld der kürzlichen Wahlen gesehen haben, fängt die russische Bürgergesellschaft an aufzublühen. Der neue Präsident, der zweifellos ein starkes Mandat erhalten hat, muss nun entscheiden, ob er die Weiterentwicklung der Bürgergesellschaft zur vollen Blüte zulassen und das politische System liberalisieren will. Wir beobachten diese Ereignisse mit Hoffnung, wenn auch ohne Illusionen, denn wir sehen unseren Nachbarn realistisch. Podejście Rosji rzuca cień na ustroje polityczne w Europie Wschodniej. Godne ubolewania jest to, że Federacja Rosyjska dotuje anachroniczny model zarządzania Prezydenta Łukaszenki, podczas gdy ten prześladuje swoich obywateli. Russlands Haltung wirft einen Schatten auf die politischen Systeme in Osteuropa. Es ist bedauernswert, dass die Russische Föderation das anachronistische Regierungsmodell von Präsident Lukaschenko subventioniert, während dieser seine Bürger malträtiert. Wenn die Unterdrückung andauert, könnten weitere Sanktionen notwendig werden. In gleicher Weise sollten wir Weißrussland großzügig die Hand der Freundschaft reichen, falls die politischen Gefangenen freigelassen werden. Lassen Sie mich hier betonen, dass die polnisch-russische Normalisierung der Unterstützung meines Landes für die europäischen Aspirationen unserer osteuropäischen Nachbarn nicht zuwiderläuft, sondern diese ergänzt. Die Östliche Partnerschaft und die gerade entstehende Europäische Stiftung für Demokratie sind gute Instrumente zur Gestaltung unserer Nachbarschaft. Die Tore zur EU offen zu halten, ebenfalls. Mein Vorgänger im Amt des Außenministers, Bronisław Geremek, hat geschrieben: „Das Drängen auf eine Festlegung der ‚Grenzen Europas’ kann nur Populisten als Nahrung dienen, denn diese Grenzen haben die Geographie und die Geschichte festgelegt.“ Wir lassen das nicht außer Acht, sind aber Realisten. Wir können niemanden dazu zwingen, die Normen der EU und die demokratische Kultur gegen den eigenen Willen zu üb ernehmen. In einem kürzlich in der International Herald Tribune veröffentlichten Artikel haben meine tschechischen, britischen, deutschen und schwedischen Amtskollegen und ich die Ukrainer eingeladen, sich dazu zu äußern, ob sie sich auf die Europäische Union zubewegen wollen oder nicht. Wenn ja, dann dürfen sie dem Geist des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und der Ukraine nicht zuwiderhandeln. Wie schon 2004 und 2007 sehen manche einen Gegensatz zwischen der Erweiterung und der Vertiefung der der EU. Wir haben immer wieder gesagt, dass dies ein falsches Dilemma ist. Und wir haben den Nachweis erbracht. Bis vor kurzem noch ein „neuer Mitgliedstaat“, ist Polen heute ein glaubwürdiger Verfechter der Vertiefung. Allerdings werden unsere Ambitionen mitunter von einigen „alten“ Mitgliedstaaten gebremst. Wenn die EU ein starker internationaler Akteur werden soll, muss sie sich vertiefen und erweitern. *** Meine Damen und Herren, Polens Verantwortungsgefühl für das europäische Projekt hat nicht nachgelassen, als unsere erfolgreiche Ratspräsidentschaft zu Ende war. Als „Europäer von Geburt und Berufung“ möchten wir mit Ihnen zusammen die europäische Zukunft gestalten. Wie General de Gaulle während seines Polenbesuchs 1967 über unsere Beziehung sagte: „Erfolg oder Unglück des einen ging immer Hand in Hand mit dem Erfolg oder Unglück des anderen“5. Und so ist es auch heute. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. 5 …«le succès ou le malheur de l'un ont toujours été liés au succès ou au malheur de l'autre».