Alfred Dreyfus (1859-1935)

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Alfred Dreyfus (1859-1935)
Fünf Jahre meines Lebens
Alfred Dreyfus wurde am 9. Oktober 1859 in Mühlhausen im Elsass
geboren. Seine Eltern waren gut situiert und assimiliert. Nach dem
Deutsch-Französischen Krieg, 1871, entschloss sich die Familie, in der
französischen Nation zu bleiben und übersiedelte aus dem Elsass nach
Paris, wo Alfred seine Studien vollendete. Er trat der Armee als
Ingenieur bei und wurde der einzige Jude im Generalstab.
Das Jahr 1894 sollte sein letztes Jahr im Generalstab sein, und er wurde für die
letzten drei Monate zu einem in Paris stationierten Infanterieregiment
abkommandiert.
Am Samstag, den 13. Oktober erhielt Dreyfus eine dienstliche Note, in der er
aufgefordert wurde, sich am darauffolgenden Montag zur Generalinspektion im
Ministerium einzufinden. In der Note war ausdrücklich vermerkt: "in Zivil". Der
französische Geheimdienst hatte ein geheimes militärisches Dokument, das von
einem französischen Offzier an den Militärattachee der Deutschen Botschaft in Paris
gesandt worden war, entdeckt. Beweise deuteten auf Major Ferdinand Walsin
Eszterhazy, einem Ungarn mit deutschen Verbindungen, als Verräter hin, aber das
französische Militaer, besonders Major H. J. Henry vom Nachrichtendienst, fand dies
unglaublich.
Dreyfus, als Jude, war ein willkommener Sündenbock, und sah sich plötzlich des
Hochverrates angeklagt.
Nach einem geheimen Militärgerichtsverfahren
wurde er mit ungenügenden Beweisen des Verrates
für schuldig befunden und zu lebenslanger Haft
verurteilt. Am 5. Jänner 1895 wurde Dreyfus in einer
öffentlichen Zeremonie degradiert. Der Mob, der
durch die antisemitische Presse aufgestachelt
worden war, begleitete die Degradierung mit
Ausbrüchen gegen Dreyfus und die Juden. Dreyfus, der während der Zeremonie
seine Unschuld beteuerte, wurde auf die Teufelsinsel verbannt, obwohl der deutsche
Botschafter erklärt hatte, Deutschland habe keinerlei Kontakt mit Dreyfus.
Dreyfus´ Familie bestand darauf, das Urteil zu bekämpfen. Dem neuen Chef des
französischen Geheimdienstes, Lt. Col. Georges Picquart, waren in diesem Verfahren
einige Ungereimtheiten aufgefallen, und neue Beweise machten deutlich, dass
Eszterhazy ein deutscher Agent war. Major Henry jedoch fälschte Dokumente, um zu
zeigen, dass das Militärgerichtsurteil korrekt gewesen war. Picquart wurde aus seiner
Position entlassen und einem Dienst in Afika zugeteilt.
Bevor er Paris verliess, teilte er seine Ansicht über den Fall einigen Freunden mit,
und der linksgerichtete Senator August Scheurer-Kestner nahm den Fall auf,
verkündete im Senat, dass Dreyfus unschuldig sei und beschuldigte Eszterhazy
öffentlich. Aber die rechtsgerichtete Regierung lehnte es ab, neue Beweise
zuzulassen. Eszterhazy wurde nach einem Prozess freigesprochen, Picquart dagegen
zu 60 Tagen Gefängnis verurteilt.
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Der Fall erreichte am 13. Jänner 1898
seinen Höhepunkt, als der Schriftsteller
Emile Zola seinen berühmten offenen Brief
"J´accuse" - "Ich klage an" auf der
Titelseite der Zeitung "Aurore"
veröffentlichte. Darin beschuldigte Zola die
Denunzianten Dreyfus' der Verleumdung.
Der Artikel machte grossen Eindruck:
200.000 Exemplare wurden in Paris
verkauft. Im Februar 1898 wurde Zola der
Verleumdung für schuldig befunden.
Offiziere des Generalstabes drohten mit
dem Rücktritt, falls Dreyfus freigesprochen werde, antisemitische Unruhen brachen
aus.
In der Zwischenzeit war das Vertrauen in die Korrektheit des Urteils am schwinden,
die Affaere löste im Ausland Interesse aus und wurde in Frankreich ein öffentliches
Thema. Parteien, soziale Kreise, sogar Familien waren gespalten. Die Affäre wurde zu
einer tiefen innenpolitischen Krise, die Frankreich quer durch alle Gruppen und
Parteien in zwei Lager teilte. Für die Gegner Dreyfus' (Armee, Kirche, antisemitische
Kreise) war die Schuldfrage unbedeutend, die Hetze gegen die "Judenrepublik" die
Hauptsache.
Im Sommer 1898 zwangen die Proteste den neuen Kriegesminister Cavaignac, den
Fall wieder aufzurollen und die Dokumente neu zu überprüfen. Henrys Fälschungen
wurden entdeckt. Er wurde verhaftet und beging im Gefängnis Selbstmord.
Nachdem das erste Urteil vom Obersten Gerichtshof annulliert worden war, kam es
1899 zu einem zweiten Prozess, der in Rennes stattfand. Am 9. September 1899
verkündete das Kriegsgericht, Dreyfus habe den Verrat begangen. Wegen
"mildernder Umstände" wurde er nur zu zehn Jahren Haft verurteilt, fünf davon hatte
er bereits hinter sich.
Die Antisemiten sahen in diesem Urteil die Bestätigung ihrer Position. Auf Anraten
seiner Verteidigung zog Dreyfus seine Berufung zurück und der Präsident der
Republik begnadigte ihn schliesslich.
Als 1904 eine gefestigte linke Regierung etabliert wurde,
forderte Dreyfus eine neue Untersuchung. Das
Berufungsgericht überprüfte den Fall und erklärte 1906,
die Anklage gegen Dreyfus sei ohne Grundlage und sei
kein weiterer Prozess mehr zu seiner Entlastung nötig.
Am 28. Juli 1906 erhielt Alfred Dreyfus das Kreuz der
Ehrenlegion.
Dreyfus war vom Drama, in dem er eine zentrale Rolle
spielte, überfordert: es gelang ihm nicht, seine
jüdischen, allgemein menschlichen und politischen
Aspekte, zu erkennen. Nach seiner Rehabilitierung
wurde Dreyfus zum Major befördert und für ein Jahr
wieder Teil der Armee. Im Ersten Weltkrieg liess er sich
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wieder anwerben.
Dreyfus veröffentlichte 1898 seine "Briefe eines Unschuldigen", 1899 "Briefe
Hauptmann Dreyfus' an seine Frau", die er von der Teufelsinsel geschrieben hatte,
und 1901 seine Erinnerungen "Fünf Jahre meines Lebens".
Für den jungen österreichischen Journalisten Theodor Herzl, der die öffentliche
Degradierung Dreyfus' miterlebt hatte, bewies diese Affaire klar, dass Assimilation
keine Verteidigung gegen Antisemitismus war. Sein Vertrauen in den Liberalismus
war erschüttert, als er die Reaktion der französischen Masse und die antisemitischen
Ausbrüche beobachtete. Diese Erfahrung bestärkte ihn auf dem Weg des Zionismus.
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