Edward Said: Orientalism 19. Jahrhundert: Philologie und Literatur (Chapter 2) I Vorbereitung des modernen Orientalismus im späten 18. Jahrhundert: 1) Erweiterung des Horizonts über die islamischen Länder hinaus („Expansion“), 2) Entwicklung von historischer Anthropologie und vergleichender Geschichte („historische Konfrontation“), 3) Entwicklung des Historismus (Vico, Herder): jede Kultur hat ihre eigene Kohärenz und ihr eigenes Recht <Herder: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit (17841791; Mozart: Die Entführung aus dem Serail, Die Zauberflöte> („Sympathie“), 4) Klassifizierung von Natur und Mensch in Typen (analog zu den Projekten von Linnẻ und Buffon) („Klassifizierung“). - Orientalismus wurde zu einem methodischen Instrumentarium, bewahrte aber in säkularisierter Form religiöse Impulse. - Der moderne Orientalist befreit den Orient aus Unwissenheit und Dunkelheit und rekonstruiert die alten Sprachen und Mentalitäten (Impuls der Romantik). - Der gegenwärtige Orient wird zugunsten des vergangenen abgewertet; so können positive und negative Einstellungen koexistieren. - Der moderne „orientalism“ ist nicht die plötzliche Wendung zu objektivem Wissen über den Orient, sondern ein Ensemble von Strukturen, das aus der (christlichen) Vergangenheit ererbt und modernisiert wurde: etwa durch die Entwicklung der Philologie. Dennoch bleibt das Wissen über den Orient mit Macht verbunden. II „Philologischer Orientalismus“: Sacy, Renan Sylvestre de Sacy (1758-1838): - Lehrer von J. G. L. Kosegarten, Professor für Orientalistik in Jena und Berater Goethes, - 1830 übersetzte er die Proklamation der Franzosen für die unterworfenen Algerier, - Erster Präsident der Sociẻtẻ asiatique (1822); - Seine Impulse: didaktische Präsentation und Verstärkung der Präsentation durch „Revision“ des verloren Gegangenen und Darstellung typischer Auszüge; - Die Anthologie, die „Chrestomathie“ typisch: die orientalischen Texte werden nicht vollständig mitgeteilt, und sie werden von dem Europäer arrangiert und komponiert, - Nicht der „empirische Orient“ war wichtig, sondern das, was der „Orientalist“ aus ihm machte; - Wesentliche Elemente der orientalischen Dichtung sind dem kulturell höher stehenden Europäer nicht zugänglich – durch den didaktisch konzipierten Auszug wird das Ungewohnte „verdaulich“; - Der Leser verwechselt den „realen“ Orient mit dem Konstrukt der Texte. Ernest Renan (1823-1892): - er setzt die Arbeit Sacys fort; - er schreibt eine Geschichte der semitischen Sprachen und ist Antisemit; - die Paradoxie seiner philologischen Position: Einerseits ist die Philologie eine Wissenschaft, welche die gesamte Menschheit betrifft, andererseits ist Renan von der Überlegenheit der europäischen Kulturen und Sprachen überzeugt; - Renan wird zum Atheisten und Positivisten, behält aber Momente eines christlichen Weltbildes bei (vor allem im Hinblick auf den Vergleich mit den anderen Religionen); - Der Orient kann Bedürfnisse des Westens nach Spiritualität erfüllen; die Quellen können aber nur in Europa wissenschaftlich ausgewertet werden („Asien hat Propheten, Europa Akademiker“); - „Semiten“ und „Semitisch“: Schöpfungen der Orientalisten, eine Konstruktion, die Klassifizierungen und Vergleiche mit anderen Sprachen ermöglicht; - Die linguistische Erforschung entspricht einer Beherrschung der orientalischen Sprachen; - Die indoeuropäischen Sprachen erscheinen als organisch und lebendig, die semitischen als starr und verknöchert; - Das Semitische zeigt eine abgebrochene Entwicklung im Vergleich zu den europäischen Sprachen (philologische Parallele zur Vorstellung vom „Verfall des Orients“); - Misogynie in Renans Schriften. III Die Tücken der „Objektivität“ - Desillusionierte Abwertung des Orientalischen bei Friedrich Schlegel; - „asiatische Produktionsweise“ bei Karl Marx: die orientalistischen Klischees unterbinden die Sympathie mit den asiatischen Unterdrückten; - Edward William Lane: An Account of the Manners and Customs of the Modern Egyptians (1836) - Lane versucht eine objektive Beschreibung, will zugleich Zuschauer und Beteiligter sein; - Er täuscht die Ägypter, indem er vorgibt, Muslim zu werden, bewahrt aber seine europäische Distanz; - Er weigert sich, eine einheimische Frau zu heiraten, und verharrt so in seiner Beobachter-Rolle. IV „Literarischer Orientalismus“: Nerval (1808-55), Flaubert (1821-80) - Der Orient als Befreiung bei Byron und Goethe; - Briten: Reisende im Orient als Kolonialherren; Franzosen: ein Gefühl des Verlusts, das die Reiseberichte eher zu Traumdarstellungen macht; - Chateaubriand: Reise von Paris nach Jerusalem: für den Romantiker ist der Orient letztlich das Land der Bibel – das Fremde wird unter das Bekannte subsumiert; - Er formuliert eine zentrale Idee des 19. Jahrhunderts: Europa soll dem Orient die Freiheit von der Despotie bringen; - Ch. lässt seinen Namen auf die Pyramiden schreiben, obwohl er gar nicht dort war; - Nerval (1842/43) und Flaubert (1849/50) bereiten sich auf ihrer Reisen vor und treffen auf einen „wissenschaftlich“ vorstrukturierten Orient; - Ihr Interesse am Orient steht im Kontext einer „schwarzen Romantik“: Vorliebe für das Groteske, exotische Plätze, Sadomasochismus, rätselhafte weibliche Figuren; - Sie sind auf der Suche nach einer eigenen, anti-bürgerlichen Ästhetik; der Orient soll ihre ästhetischen Bedürfnisse befriedigen; - Nerval versteht die Sprache, verbindet sich mit einer einheimischen Frau; in seinem umfangreichen Text bleibt der Orient aber unsicher, traumartig, verschwimmend; - Er nimmt die Texte des „Orientalismus“ als Grundlage, gelangt aber zu einer nicht-reduktionistischen Sicht des Fremden; - Flaubert sucht das Groteske, das Verdrängte der europäischen Kultur: er beschreibt mit sarkastischem Vergnügen die Syphilis-Kranken in einem Hospital; - Er beschreibt die Tänze der berühmten ägyptischen Tänzerin Kuchuk Hanem und seine sexuellen Kontakte mit ihr; - Die orientalische Frau wird zum Symbol einer beeindruckenden sinnlichen, aber im verbalen Bereich stummen und damit rätselhaften Weiblichkeit; Flauberts Bilder sind Projektion und Instrumentalisierung; er zeigt Zynismus und Sarkasmus, öffnet sich aber in gewissem Grade gegenüber dem Fremden; - Der Orient wird zu einer Welt der sinnlichen Befreiung gegenüber einer eingeschränkten europäischen Sexualität (Viktorianismus). Überlegungen zu Goethe: - Goethe zeigt sich als Dichter und „Wissenschaftler“: Unterschiede zwischen den beiden Herangehensweisen? - Bezug zu Sacy über Kosegarten, vgl. Widmung 476: ähnlicher Bezug zu den orientalischen Texten wie bei Sacy? - Bewusstsein von der Überlegenheit der Europäer gegenüber den „geschmacklosen“ Orientalen? Strukturierung der Sinnlichkeit nur in der europäischen Dichtung? - Hochschätzung des Hafis kompensiert durch die Abwertung der indischen Kultur? - Bewusstsein des 18. Jahrhunderts/frühen 19. Jahrhunderts im Vergleich zu den „modernen“ Nerval und Flaubert oder Öffnung gegenüber dem Fremden in der Dichtung? - Forschungsfrage: Hammer und Diez – Goethes orientalistische Gewährsmänner: Vertreter des „Orientalismus“ (beide zeitweilig Gesandte in Konstantinopel – Verbindung mit politischen Projekten, Macht)? - Goethes Orient-Bezug und die Frage der politischen Macht: Bezüge Buch Timur, Buch des Unmuts Orientalismus, Einführung - Eurozentrismus: Modell der europäischen Modernisierung (Aufklärung, technologische Modernisierung, Industrialisierung); - Kolonialisierung: „Zivilisierung“, Alphabetisierung, Übertragung des europäischen Fortschrittsmodells auf die Kolonialvölker; - Tendenzen der Aufklärung: Ratio, kritische Überprüfung von Vorurteilen, „progredierende Subjektivität“, Individualismus, Sensualismus, religiöse Toleranz; - Spätes 18. Jahrhundert: Selbstkritik der Aufklärung, Infragestellung des Rationalismus, „Dialektik der Aufklärung“ (Unterdrückung der Sinnlichkeit, Unterwerfung des Subjekts unter eine rationale Programmierung); - Weimarer Klassik: Orientierung am Schönheitsideal der griechischen Statue (Winckelmann), Bejahung der Körperlichkeit, aber Unterordnung der Sinnlichkeit unter ein Harmoniekonzept; Gegensatz Griechen vs. Barbaren (Goethes Iphigenie); (vgl. Forster: Südsee-Insulaner und griechisches Schönheitsmodell); - Romantik: Fortführung, aber auch Kritik der Aufklärung, weiterhin Kritik des Rationalismus (Imagination, Traum, Phantasie, Religiosität); „ins Innere geht der geheimnisvolle Weg“ (Novalis); Indien, der Orient als Land der Poesie, auch als Kindheit der Menschheit (vgl. Herder); Fortsetzung des Eurozentrismus oder Selbstkritik des europäischen Fortschrittsmodells? Gibt es eine Selbstkritik der Rationalität und des Fortschritts ohne Regression? - Nach der Romantik (Heine, Büchner): Kritik an den Prinzipien der „Kunstperiode“, Hinwendung zur sozialen Realität; Zerrissenheit durch die Erfahrungen der einsetzenden Moderne; ambivalentes Verhältnis zur Revolution; Heines Erfahrung der Ausgrenzung als Jude: Offenheit gegenüber dem „Orient“ (Modell „Mauren in Spanien“: Synthese aus europäischer und ‚orientalischer’ Kultur?) Said: Orientalism, Grundlagen - „Orientalism“ als „Diskurs“ im Sinne Foucaults: keine „reines Wissen“, sondern ein Ensemble von Wissen, das mit Macht verbunden ist (hier konkret: mit Herrschaft über Gebiete des Nahen Ostens, Indiens, Nordafrikas); - „Orientalism“ als Repräsentation, als Konstruktion: nicht als Interpretation vorgegebener Gegenstände, sondern als Erzeugung eines Bildes und damit eines Objekts des Wissens; - Diskursanalyse: sie untersucht die Strukturen und das Funktionieren eines Diskurses, kann aber nicht die Wahrheit gegen die Unwahrheit setzen; - Desiderat: Wie bildet man eine „libertarian, or a nonrepressive and nonmanipulative perspective“? - Hier stellen sich über Said hinaus Fragen: Bildet vielleicht die Literatur Bilder des Orients, die nicht repressiv sind? Wie bilden sich eigentlich die Selbstbilder der ‚orientalischen’ Völker? - Klar ist, dass eine innere Differenzierung erforderlich ist: Indien ist nicht Marokko, der Libanon nicht Saudi-Arabien usw.; wie sich aber klischeefreie Bilder von Ländern usw. bilden, ist insgesamt umstritten; - Grundlegend bleibt aber Saids allgemeine These: Das Selbstbild Europas (als rational, aufgeklärt usw.) funktioniert mit Bezug auf ein Bild von „den Anderen“, durch eine binäre Opposition mit einem ‚positiven’ und einem ‚negativen’ Pol; - Allerdings ergibt sich folgende Überlegung: Wenn es stimmt, dass die literarische Moderne (im Prinzip bereits seit der Spätaufklärung) auch eine Kritik der europäischen Modernisierung darstellt, dann müsste die Literatur (auch die Kunst) der Moderne anderen Modelle der Identitätsbildung (jenseits binärer Modelle) entwickeln, und dann müsste es denkbar sein, dass eine andere Haltung gegenüber außereuropäischen Kulturen entwickelt wird (Beispiel: Picasso??) - Teil der binären Opposition: der Westen in historischer Veränderung, der Orient unveränderlich (Hegel über China); - Historische Modelle: Griechen und „Barbaren“, Kreuzzüge, Napoleon, 19. Jahrhundert; Entkolonialisierung und Neo-Kolonialismus. Kritik an Saids Orientalism nach Andrea Polaschegg 1) Das Verhältnis zwischen dem Orient und Europa wird einseitig im Sinne einer Überlegenheit des Westens dargestellt. Nicht berücksichtigt werden dabei: - die Herrschaft islamischer Kalifate in Spanien und Sizilien; - die Reiche der Byzantiner, der Mongolen und das indische Mogul-Reich, - die Herrschaft der Osmanen über weite Teile Europas. 2) Der Orient hat keine Sonderstellung im Hinblick auf die europäische Kolonialisierung der Welt (vgl. Afrika, Südamerika, Südsee). 3) „Europa“ ist keine monolithische Größe; die Beziehungen Frankreichs und Großbritanniens zum „Orient“ unterscheiden sich z.B. von denen Deutschlands. 4) Said erklärt einerseits, die Konstruktion von klischeehaften Bildern des Anderen sei notwendig, andererseits erhebt er den Vorwurf des falschen Bildes. 5) Die verzerrte Wahrnehmung des Anderen ist keine spezifische Eigenart der Europäer; es gibt auch eine Art „Okzidentalismus“, das heißt eine klischeehafte Wahrnehmung Europas durch die „Orientalen“: die Europäer als konsumorientiert, zügellos, ohne Religion, als entfremdete Großstadtmenschen usw. 6) Wenn die Erkenntnis von Alterität notwendig zur Bestimmung eigener Identität ist, dann kann in der Alterität keine hegemoniale Struktur liegen. Deutscher „Orientalismus“ um 1800 - Wielands „Oberon“: der Orient als das Andere der Aufklärung und einer christlich inspirierten Liebesethik; - Lessings „Nathan der Weise“: die Gleichberechtigung der Offenbarungsreligionen, der Orient als Staffage; - Herder: alle Völker und Epochen haben gleichen Wert; der „Orient“ als die Kindheit der Menschheit (ambivalente Bewertung: Sehnsucht/Hochmut); das Alte Testament als Dokument der orientalischen Kultur und Poesie; - Goethe: Bewunderung der Gestalt Mohammeds im Frühwerk; eurozentrische Bewertung des indischen Polytheismus; „Mahomet“Drama: Bearbeitung einer religionskritischen Vorlage Voltaires, positivere Zeichnung der Figur des Propheten; Sympathie mit dem monotheistischen Islam im Spätwerk; Identifikation mit Hafis: Ununterscheidbarkeit von Liebeslyrik/Anakreontik und mystischer Gottessuche; Verbindung von Islam und Pantheismus; Annäherung an den Orient aus Ungenügen an der europäischen Realität, Theoretische Distanzierung von der „Geschmacklosigkeit“ der Orientalen (Klassizismus), praktische Annäherung in der Dichtung (Nähe zu einer orientalisierenden Moderne <Jean Paul>; - Romantik: romantischer Orient – Wiege der Menschheit und der Weltreligionen, religiöser Synkretismus (Vermischung islamischer, buddhistischer, hinduistischer, christlicher Motive), daher eigentlich der Orient nicht als das Fremde, sondern als das Vertraute (als die Heimat des Menschen); Option für Indien, aber auch für einen „romantischen Islam“ - Wackenroder/Tieck: Morgenländisches Märchen – der „nackte Heilige“ als Repräsentant der romantischen Religiosität; Gegensatz „Leben“ – Phantasie hier buddhistisch als leiden am Rad des Lebens, Erlösung durch die mit der Liebe verbundene Musik; romantischer orientalismus (Frage: Orient als Staffage?); - Günderrode: Mohammed-Drama mit einer positiven Bewertung der Figur des Propheten; der Gründer des Islam als eine bedeutende religiöse Figur; der Islam als ein Moment der umfassenden Religionsgeschichte der Menschheit (Verbindung islamischer und christlicher Motive); Verbindung von Islam und Pantheismus; - Arnim: „Melück Blainville“/“Isabella von Ägypten“ – orientalische Frauenfiguren als Inkarnationen des Fremden, zunächst Leidenschaft, Zauberei, aber auch Läuterung; Orient als Gegenmodell zu einer negativ bewerteten rationalistischen europäischen Moderne; bei Isabella die Fremde als die „reine“ Frau, die Zigeuner als die positiv bewerteten Orientalen im Gegensatz zu den Juden (Orientalismus als Antisemitismus); - Platen: unmittelbare Nachfolge des „Divan“ Goethes; formale Imitation orientalischer Formen (Ghasele); große Kunstfertigkeit in der Bewahrung dieser Formen (inhaltliche Tendenz sehr variabel); - Rückert: Verbindung von Poesie und wissenschaftlicher Orientalistik; Beherrschung orientalischer Sprachen und Tätigkeit als Übersetzer; in der Lyrik wie Platen nachfolge Goethes bei strenger Beachtung der orientalischen Dichtungsformen, Restauration/Biedermeier? - Heine: Al Andaluz als Modelle einer interkulturellen Koexistenz von Muslimen, Juden und Christen; das spanische Maurentum als Kultursymbiose; Verständnis für die Konversion der unterlegenen Mauren; Grausamkeit der Inquisition; Plädoyer für die Liebe als das Ideal des Christentums; „romantischer Islam“ mit politisch-historischer Konkretion. Said: Orientalism, Grundlagen - „Orientalism“ als „Diskurs“ im Sinne Foucaults: kein „reines Wissen“, sondern ein Ensemble von Wissen, das mit Macht verbunden ist (hier konkret: mit Herrschaft über Gebiete des Nahen Ostens, Indiens, Nordafrikas); - „Orientalism“ als Repräsentation, als Konstruktion: nicht als Interpretation vorgegebener Gegenstände, sondern als Erzeugung eines Bildes und damit eines Objekts des Wissens; - Diskursanalyse: sie untersucht die Strukturen und das Funktionieren eines Diskurses, kann aber nicht die Wahrheit gegen die Unwahrheit setzen; - Said analysiert eine Diskursstruktur, die auf binären Oppositionen aufbaut: rational vs. irrational, passiv vs. aktiv usw., „wir“ gegen „sie“; - Außerdem stellt er fest, dass der vergangene Orient gegenüber dem gegenwärtigen aufgewertet wird (auch von der orientfreundlichen Romantik), d.h.: Auch „positiv gemeinte“ Bilder können diskriminierend sein - Desiderat: Wie bildet man eine „libertarian, or a nonrepressive and nonmanipulative perspective“? - Hier stellen sich über Said hinaus Fragen: Bildet vielleicht die Literatur Bilder des Orients, die nicht repressiv sind? Wie bilden sich eigentlich die Selbstbilder der ‚orientalischen’ Völker? - Grundlegend bleibt aber Saids allgemeine These: Das Selbstbild Europas (als rational, aufgeklärt usw.) funktioniert mit Bezug auf ein Bild von „den Anderen“, durch eine binäre Opposition mit einem ‚positiven’ und einem ‚negativen’ Pol; - Teil der binären Opposition: der Westen in historischer Veränderung, der Orient unveränderlich (Hegel über China); - Allerdings ergibt sich folgende Überlegung: Wenn es stimmt, dass die literarische Moderne (im Prinzip bereits seit der Spätaufklärung) auch eine Kritik der europäischen Modernisierung darstellt, dann müsste die Literatur (auch die Kunst) der Moderne andere Modelle der Identitätsbildung (jenseits binärer Modelle) entwickeln, und dann müsste es denkbar sein, dass eine andere Haltung gegenüber außereuropäischen Kulturen entwickelt wird (Beispiel: Picasso??) Saids „Orientalism“ und deutsche Afrikadiskurse: „Afrikanismus“? - Afrika-Diskurse: „Diskurse“ als mit Macht verbundenes Wissen, als Erzeugung eines Bildes und damit eines Objekts des Wissens; Diskurse, die auf binären Oppositionen aufbauen und durch welche die europäische (deutsche) Identität stabilisiert wird; das vergangene Afrika wird gegenüber dem gegenwärtigen bevorzugt; - Unterschiede „Orient“ – „Afrika“: Orient frühe „Hochkulturen“, „Wiege“ der menschlichen Kultur; Afrika „Natur“ (?); - Wieland/Herder/Forster: Afrika als eigenständige Kultur, Abwehr des Kolonialismus; kein „Afrikanismus“??; Probleme: Afrikaner als „Naturmenschen“ (Wieland), als „Kinder“ (Herder), als unendlich Bildungsfähige (Forster): Überlegenheit der europäischen Kultur; - Falkenhorst, Eckenbrecher und der deutsche Kolonialdiskurs: Verknüpfung von Literatur und Macht (Kolonialismus); binäre Oppositionen (Organisationstalent vs. Chaos; Fleiß vs. Faulheit; Sauberkeit vs. Unsauberkeit; Triebbeherrschung vs. Triebhaftigkeit <Alkohol, Sex>; Rassismus; Falkenhorst: der Deutsche als Miltär und Romantiker; Germanisierung der afrikanischen Natur und Kultur - Um 1900: Krise der europäischen Zivilisation, Hinwendung zur außereuropäischen „Natur“ (?); jetzt: der Afrikaner (wie auch der Orientale) als der Andere im positiv gemeinten Sinne; Problem: die binäre Opposition bleibt bestehen; die afrikanische Kultur wird essentialisiert; europäische Bedürfnisse werden auf die afrikanische Kultur projiziert; Desiderat: Hybridisierungen, Verzicht auf essentialistische Festlegungen - Leo Frobenius: Sammeln, Klassifizieren (vgl. Napoleons ÄgyptenFeldzug); der Deutsche bringt Ordnung und System in die chaotische afrikanische Kultur („Überschreiben“); „Kulturkreislehre“: relative Autonomie der verschiedenen Kulturen; die „eigentliche“ afrikanische („äthiopische“) Kultur ist durch ein „Ergriffensein“ gegenüber der Welt und dem Göttlichen gekennzeichnet (im Gegensatz zur europäischen Tendenz zur Naturbeherrschung); die afrikanische Kultur als Medizin für die europäische: positives Afrikabild; Probleme: Essentialisierung der afrikanischen Kultur (irrational vs. rational); Bevorzugung der vergangenen afrikanischen Kultur, Leugnung von deren Entwicklungsfähigkeit; Bezug zur Konzeption der „négritude“: Selbstbild des Afrikaners als des Anderen Europas. Afrika: Diskursanalysen - Hypothese: Die Diskurse über Afrikaner sind von einer binären Struktur, in der die Aussagen über die Afrikaner das europäische Selbstverständnis bestätigen („sie“ und „wir“) - Herder: „Neger“ moralisch positiv, schwach, unselbständig, unterwürfig edel Trost und Rat Bruderliebe „Tat was er konnte, lebend nur für ihn.“ treuer Freund liebender Anbeter seines Herrn „meine Unschuld, meine Lieb und Treu“ Vertrauen, Unschuld - Forster: schwache Kinder, der Veredelung bedürftig und fähig Europäer Geist der Ordnung und Gesetzgebung Vaterstelle - Eckenbrecher über („Herrenvolk“) Afrikaner Vernunft erste Kinderstufe schwach Veredlung durch die Europäer die Herero: Binnendifferenzierung geistig den „Kaffern“ weit überlegen ein wenig Kultur angenommen dem Alkohol sehr ergeben Ausreden („wie oft seine Großmutter stirbt“) Hochmut Grausamkeit Faulheit Liebe zum Vieh Männer: bequemes Herrenleben, Frauen: müssen alles machen Leo Frobenius: - Sammeln, Klassifizieren (vgl. Napoleons Ägypten-Feldzug); - der Deutsche bringt Ordnung und System in die chaotische afrikanische Kultur („Überschreiben“); - „Kulturkreislehre“: relative Autonomie der verschiedenen Kulturen; - die „eigentliche“ afrikanische („äthiopische“) Kultur ist durch ein „Ergriffensein“ gegenüber der Welt und dem Göttlichen gekennzeichnet (im Gegensatz zur europäischen Tendenz zur Naturbeherrschung); - genauer: hamitische Kultur („Machtwille, Realismus“) vs. äthiopische Kultur („Todlebengemeinschaft“, Sinnwille, mystisch-metaphysische Haltung) - die Deutschen als die Äthiopier Europas, die Franzosen als die Hamiten!! - die afrikanische Kultur als Medizin für die europäische: positives Afrikabild; - Probleme: Essentialisierung der afrikanischen Kultur (irrational vs. rational); Bevorzugung der vergangenen afrikanischen Kultur, Leugnung von deren Entwicklungsfähigkeit; - Bezug zur Konzeption der „négritude“: Selbstbild des Afrikaners als des Anderen Europas; der Deutsche (Goethe!) als Antipode des französischen Geists