DDR Patria Nostra? Die „Heimkehr“ von deutschen ehemaligen Fremdenlegionären aus der Demokratischen Republik Vietnam in die Deutsche Demokratische Republik in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre (1951-1956): Von der Öffentlichkeit in die Staatssicherheit Coreline Boot Research Master „History: Cities, States, and Citizenship“ Universiteit Utrecht/Humboldt-Universität zu Berlin Berlin, den 10. August 2008 Inhaltsverzeichnis Danksagung…………………………………………………………………………………….5 Glossar und Abkürzungsverzeichnis…………………………………………………………...6 Einleitung………………………………………………………………………………………8 Teil I: Die Ehemaligen Fremdenlegionäre in der Öffentlichkeit Kapitel I: Die DDR als „das zweite Deutschland“ 1945-1955 Par. 1. Von der SBZ zur DDR 1945-1949…………………………………………………….21 Par. 2: Die Gründung und Entwicklung der DDR 1949-1955……………………………….24 Par. 3 Die internationalen Ausgangspositionen der DDR und der BRD am Anfang der Fünfziger Jahre……………………………………………………………………………….29 Par. 4 Die Entwicklungen in der BRD in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre…………….30 Par. 5 Die Westarbeit der DDR………………………………………………………………33 Par. 6 Die ideologische und propagandistische Rechtfertigung der Westpolitik nach innen…………………………………………………………………………………………..38 Zusammenfassung………………………………………………………………………….…39 Kapitel II: Die Organisation und der Vollzug der Heimkehrer-Transporte durch die DDR 1950-1956 Par. 1 Deutsche ehemalige Fremdenlegionäre in der DRV 1945-1950……………………...41 Par. 2 Die Zusammenarbeit zwischen der DDR und der DRV… ……………………………43 Par. 3 „Operation Heimkehr“: Die Vorbereitung der Heimkehrer-Transporte……………..50 Par.4 Die Heimkehrer-Transporte 1951-1956……………………………………………….56 Par. 5 Die Ankunft in Quarantänelager Bischofswerda……………………………………...58 Zusammenfassung…………………………………………………...………………………..63 Kapitel III: Der Einsatz der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre und die Aufarbeitung des Themas „deutsche ehemalige Fremdenlegionäre“ in der Öffentlichkeit Par. 1 Die Aufarbeitung in den Medien………………………………………………………65 2 Par. 2 Die Aufarbeitung in der Repräsentation………………………………………………75 Par. 3 Die Aufarbeitung in der DDR-Literatur………………………………………………76 Par. 4 Das Engagement der gesellschaftlichen Organisationen……………………………..80 Zusammenfassung…………………………………………………………………….………86 Teil II: Die ehemaligen Fremdenlegionäre in der Staatssicherheit Kapitel IV: Der Staatssicherheitsdienst in der DDR in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre Par 1. Die Gründung des Ministeriums für Staatssicherheit…………………………………89 Par.2 Die Inoffiziellen Mitarbeiter…………………………………………………………...94 Par. 3 Die Hauptabteilung II: Spionageabwehr……………………………………………...98 Zusammenfassung…………………………………………………………………………...101 Kapitel V: Der Aufenthalt der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in der DDR Par. 1 Die Betrachtung der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre durch die DDR……102 Par. 2 Die Integration der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre……………..……….108 Zusammenfassung…………………………………………………………………………...110 Kapitel VI: Die Bemühung des Ministeriums für Staatssicherheit Par. 1 Die Gründe der Staatsicherheit sich mit den deutschen ehemaligen Fremdenlegionären zu beschäftigen………………………………………………………………………………112 Par. 2 Die Beobachtung der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre durch die HA II/3..................................................... ...............................................................................116 Par. 3 Der Einsatz der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre für die HA II/3………….121 Zusammenfassung…………………………………………………………………………...130 Fazit………………………………………………………………………………………….132 Literatur- und Quellenverzeichnis…………………………………………………………...139 Anhänge I Einsätze der französischen Fremdenlegion………………………………………………..145 II Deutsche in der Fremdenlegion…………………………………………………………..147 3 III Der Ministerratsbeschluss vom 2.2.1950…………………..……………………………148 IV Die Heimkehrer-Transporte 1951-1956…………………………………………………150 V Die Zahlen der republikflüchtigen deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre 19511956…………………………………………………………………………………………151 VI Organigramm der Struktur der HA II des Ministeriums für Staatssicherheit im Jahre 1958………............................................................................................................................155 4 Danksagung Diese Master-Arbeit konnte nur mit der Hilfe vieler Personen in den Niederlanden und in Deutschland verfasst werden. An erster Stelle möchte ich meinem Betreuer an der Universität Utrecht, Prof. Dr. Jan Hoffenaar, für seine hilfreiche Betreuung danken. Trotz dem Abstand zwischen Utrecht und Berlin war er immer in der Lage, durchdachte Kommentare beizusteuern und meine Fragen zu beantworten. In Deutschland standen mir verschiedene Historiker für Fragen in Bezug auf mein Thema zur Verfügung. Ich bedanke mich bei Oberst Dr. Winfried Heinemann vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Potsdam und bei Prof. Dr. Gerd Dietrich von der Humboldt-Universität zu Berlin. Ohne die Hilfe der fachkundigen Mitarbeiter in den Berliner Archiven hätte meine Forschung nicht so rasch voran kommen können. Im Bundesarchiv Berlin war mir zu Anfang meiner Recherche Frau Kerstin Risse sehr behilflich. Herr Ulrich Geyer gab mir im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes Berlin wichtige Hinweise zu Akten. Schließlich hat es Herr Frank Zwicker beim Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatsicherheitsdienstes geschafft, in unerforschtem Quellenmaterial die Akten zu meinem Thema herauszusuchen. Ich bedanke mich auch beim Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD). Dank meines Stipendiums war ich in der Lage, das letzte Jahr meines Research Master an der Humboldt-Universität zu studieren und darüber hinaus meine Master-Arbeit in Berlin zu schreiben. In diesem Rahmen danke ich auch Frau Dr. Beatrice de Graaf, heute tätig beim Center for Terrorism and Counterterrorism in Den Haag, vorher tätig an der Universität Utrecht. Ihr großer Einsatz und ihre Hingabe trugen zum Erhalt meines Stipendiums bei. Ein Wort des Dankes gebührt auch Herrn Ingo Landwehr, der die große Aufgabe auf sich nahm, meine Master-Arbeit sprachlich zu lektorieren. An letzter Stelle bedanke ich mich bei meiner Familie und meinen niederländischen und deutschen Freunden, die nicht nur während meiner Master-Arbeit, sondern auch in schwierigen Zeiten immer für mich da waren, mich motivierten haben und geduldig an mich glaubten. 5 Glossar und Abkürzungsverzeichnis ADN Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst A.L.E.F. Anciens Légionnaires Étrangères Français BArch Bundesarchiv BRD Bundesrepublik Deutschland B.S.L.E. Bureau Secret de la Légion Étrangère BStU Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik COMECON Council of Mutual and Economic Assistance CDU Christlich Demokratische Union Deutschlands CSSR Tschechoslowakische Sozialistische Republik DBD Demokratische Bauernpartei Deutschlands DDR Deutsche Demokratische Republik DFD Demokratischer Frauenbund Deutschlands DM Deutsche Mark DRV Demokratische Republik Vietnam DVdI Deutsche Verwaltung des Innern DWK Deutsche Wirtschaftskommission EGKS Europäische Gemeinschaft für Kohlen und Stahl EVG Europäische Verteidigungsgemeinschaft FDGB Freier Deutscher Gewerkschaftsbund FDJ Freie Deutsche Jugend GI Geheimer Informant GM Geheimer Mitarbeiter HA Hauptabteilung HM Hauptamtlicher Mitarbeiter HV Hauptverwaltung IM Inoffizieller Mitarbeiter K5 Kommissariat 5 KPD Kommunistische Volkspartei Deutschlands KVP Kasernierte Volkspolizei 6 KW Konspirative Wohnung LDPD Liberal Demokratische Partei Deutschlands MdI Ministerium des Innern MfAA Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten MfS Ministerium für Staatssicherheit MGB Ministerium für Staatssicherheit der UdSSR NATO North Atlantic Treaty Organisation NDPD National-Demokratische Partei Deutschlands NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei NVA Nationale Volksarmee Pol. Arch.AA Politisches Archiv des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten Politbüro Politisches Büro RGW Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe RIAS Rundfunk im amerikanischen Sektor SAG Sowjetische Aktiengesellschaft SAPMO Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv SBZ Sowjetische Besatzungszone SED Sozialistische Einheitspartei Deutschlands SKK Sowjetische Kontrollkommission SMAD Sowjetische Militäradministration in Deutschland SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands SS Schutzstaffel UdSSR Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken UNO United Nations Organisation USA Vereinigte Staaten von Amerika VfgB Vereinigung für gegenseitige Bauernhilfe WEU Westeuropäische Union ZK Zentralkomitee 7 Einleitung ,,Legio Patria Nostra” Die Legion ist unser Vaterland. So lautet der Leitspruch der französischen Fremdenlegion, die 1831 gegründet wurde und noch immer besteht. Der Anlass zur Gründung war der Tod Ludwigs XVIII im Jahre 1824, der nach der absolutistischen Herrschaft Napoleons die Monarchie wiedereingeführt hatte. Nach seinem Tod wurde sein Brüder Karl X der neue König Frankreichs. Auf Grund seiner absolutistischen Neigung leisteten in den 1820er Jahren immer mehr Franzosen Widerstand gegen diesen Bourbonen-König. Demzufolge trauten sich die Bourbonen nicht, Franzosen in ihre Armee aufzunehmen. Stattdessen beriefen sie sich auf die vielen Flüchtlingen, die auf Grund der Aufstände in ganz Europa aus unterschiedlichen Ländern nach Frankreich gekommen waren. Diese Zusammenarbeit konnte jedoch die Kulmination des Widerstandes in der Juli-Revolution 1830 nicht verhindern. Auf Grund dieser Revolution musste Karl X auf den Thron verzichten. Er flüchtete zuerst nach England und später nach Prag. Sein Nachfolger wurde Louis Philippe, der die Situation in Frankreich beruhigte. Das beinhaltete unter anderem die Auflösung der Bourbonen-Regimente. Die Auflösung verursachte allerdings ein neues Problem. Jetzt sah Louis Philippe sich mit den zahlreichen, arbeitslosen Söldnern aus den aufgelösten Regimentern konfrontiert. Möglicherweise würden sie neue Unruhen verursachen. Am 9. März 1831 entschied Louis Philippe sich deswegen dafür, keine Ausländer mehr in der französischen Armee zu tolerieren und für sie eine „Légion Etrangère“ zu gründen.1 In den nächsten Jahren wurde die Fremdenlegion weiter aufgebaut und erhielt die für sie später so kennzeichnenden Merkmale. Die französische Regierung entschied sich dafür, im Prinzip nur ausländische Soldaten in ihren Regimentern zuzulassen. Außerdem wurde festgestellt, dass nur gesunde Männer zwischen achtzehn und vierzig Jahre, die mindestens 1,55 Meter groß waren, in die Fremdenlegion eintreten konnten.2 Darüber hinaus musste man seit den 1960er Jahren eine europäische Herkunft haben.3 Nach Unterzeichnung ihres Vertrags betrug die Dienstzeit der Fremdenlegionäre in der Regel mindestens fünf Jahre. Ein anderes, sehr kennzeichnendes Merkmal war die Anonymität. Es wurde den neuen 1 David Jordan, Die Geschichte der französischen Fremdenlegion von 1831 bis heute (Stuttgart 2006), S. 6-8. Eckard Michels, Deutsche in der Fremdenlegion 1870-1965. Mythen und Realitäten (5. Auflage; Paderborn 2006), S. 20. 3 Ibidem, s. 27. 2 8 Fremdenlegionären ermöglicht, nach ihrem Eintritt eine neue Identität anzunehmen und ihr Alter oder ihre Nationalität zu ändern. Diese Möglichkeiten haben dazu beigetragen, dass die Fremdenlegionäre, die sich meist aus der Unterschicht der Gesellschaft rekrutierten, in die Fremdenlegion eintraten, um ein neues Leben zu beginnen.4 Ein anderes, sehr wichtiges Merkmal bezieht sich auf den Einsatz der Fremdenlegion. Seit ihrer Gründung war sie dafür bestimmt, den Franzosen in ihren Kolonialkriegen beizustehen.5 In Dezember 1831 reiste die Fremdenlegion nach Algerien ab, und dieses Land blieb bis zu ihrer Unabhängigkeit 1962 die Heimat der Fremdenlegion. Die Stadt Sidi-belAbbes, achtzig Kilometer südlich von Oran, wurde die wichtigste Siedlung der Fremdenlegion. Hierhin kamen die neuen Fremdenlegionäre zur Ausbildung und hierhin kamen viele Fremdenlegionäre nach ihrer Dienstzeit zurück. Das Arbeitsterrain der Fremdenlegion blieb aber nicht nur auf Algerien beschränkt. Auch in anderen Ländern und Kriegen wurde sie eingesetzt. Im Neunzehnten Jahrhundert war das zum Beispiel während des Krim-Kriegs von 1854 bis 1856 und in Mexico von 1863 bis 1867.6 Mexiko war wichtig, da hier am 30. April 1863 der Camerone-Mythos entstand. In einem Kampf um das Städtchen Camerone kämpften 65 Fremdenlegionäre gegen zwölfhundert Mexikaner. Nur drei Fremdenlegionäre konnten mit dem Leben davonkommen. Ihr Hauptmann, Jean Danjou, gehörte allerdings nicht dazu. Seine Handprothese – die er seit einem Unfall mit einem defekten Geschütz besaß – wurde 1865 von einem Bauer gefunden und von ihm an die Fremdenlegion verkauft. Jedes Jahr am 30. April wird dem Kampf um Camerone gedacht und die Handprothese als Reliquie herumgetragen.7 Zwischen dem Ende des Neunzehnten Jahrhunderts und dem Zweiten Weltkrieg wurde die Fremdenlegion erneut in Kolonialkriegen eingesetzt, sie kam aber auch einige Male in Europa zum Einsatz. So kämpfte die Fremdenlegion zum Beispiel im FranzösischPreußischen Krieg, und in Mai 1871 wurden Fremdenlegionäre gegen die Pariser Kommune eingesetzt.8 Während des Zweiten Weltkriegs kämpfte die Fremdenlegion an der Westfront und bei der anglo-französischen Landung in Gallipoli. Es gab auch Fremdenlegionäre die in Nord-Afrika kämpften. Nach dem Zweiten Weltkrieg geriet die französische Herrschaft in den Kolonien ins Wanken. Ein neues Selbstbewusstsein kennzeichnete die Kolonialvölker. Die Fremdenlegion wurde nun eingesetzt, um der Emanzipation der Kolonien, eventuell mit 4 Ibidem, S. 19-22. Ibidem, S. 31. 6 Siehe Anhang I für eine Liste mit allen Einsätzen der Fremdenlegion. 7 Jordan, Die Geschichte der französischen Fremdenlegion von 1831 bis heute, S. 31. 8 Michels, Deutsche in der Fremdenlegion 1870-1965, S. 35-36. 5 9 Gewalt, entgegenzuwirken. Zwischen 1946 und 1954 kämpften die Fremdenlegionäre in Indochina. 9 Dieses Gebiet war seit 1940 von den Japanern besetzt. Im Jahre 1941 gründete Ho Chi Minh – dessen ursprüngliche Name Nguygen Hai Quoc war – die Unabhängigkeitsbewegung Viet Nam Doc Lap Dongh Minh (Liga für die Unabhängigkeit Vietnams). Während des Zweiten Weltkriegs wurde diese Liga von den USA bewaffnet um gegen die Japaner zu kämpfen, doch nach dem Zweiten Weltkrieg und der japanischen Kapitulation waren die Vietnamesen weniger kooperativ mit anderen Ländern zusammenzuarbeiten.10 Am 19. August 1945 wurde von Ho Chi Minh und Vo Nguyen Giap eine neue vietnamesische Regierung installiert. Im November 1946 wurde die Demokratische Republik Vietnam (DRV) verkündet, mit Ho Chi Minh als ihrem Präsidenten. Obwohl die Franzosen sich darum bemühten, Indochina wieder unter ihre Herrschaft zu bringen, scheiterte dieser Versuch. Die Auseinandersetzung entwickelte sich bald zu einem Guerillakrieg. Im Oktober 1950 brachten die Vietnamesen den Französen die erste große Niederlage in Cao Bang ein. Letztendlich musste Frankreich seine Fremdenlegionäre nach dem Kampf um Dien Bien Phu am 7. Mai 1954 abziehen und Vietnam den Vietnamesen überlassen. Nach dem Indochinakrieg wurden die Fremdenlegionäre gleich im nächsten Kämpf eingesetzt, im Algerien-Krieg, der am 1. November 1954 begann. Bis 1962 kämpfte Frankreich gegen die Front de la Libération Nationale, musste jedoch am 3. Juli 1962 die Unabhängigkeit Algeriens akzeptieren und seine Truppen endgültig abziehen. Mit dem Ende des Algerienkrieges war auch die französische Dekolonialisierung zu Ende. Das Fortbestehen der Fremdenlegion wurde in Frage gestellt. Letztendlich entschied sich die französische Regierung jedoch dafür, die Fremdenlegion fortzuführen. In den Jahren nach 1962 wurde sie erneut in Kriegsgebieten stationiert, zum Beispiel von 1993 bis 2003 in Bosnien, Kosovo und Makedonien, von 1996 bis 1997 im Kongo, von 2002 bis 2007 in Afghanistan und von 2003 bis 2006 im Irak. Deutsche in der französischen Fremdenlegion 1870-1965 In der Literatur über die Fremdenlegion ist die Position der Deutschen in den verschiedenen Epochen unter Historikern ziemlich schwach beleuchtet worden. Das wichtigste Buch zum 9 Das ehemalige Indochina umfasste das heutige Vietnam, Laos und Kambodscha. Peter Macdonald, Fremdenlegion. Ausbildung, Bewaffnung, Einsatz (Stuttgart 2005), S. 89. 10 10 Thema „Deutsche in der Fremdenlegion“ wurde von Eckard Michels geschrieben. In Deutsche in der Fremdenlegion 1870-1965. Mythen und Realitäten gibt er eine Übersicht über die Rolle der Deutschen in den verschiedenen Jahrzehnten. Damit hat er das erste Übersichtswerk zu diesem Thema geschrieben. Auch Detlef Michelers hat sich in seinem Buch Le Boudin. Deutsche Fremdenlegionäre in der Nachkriegszeit mit diesen Menschen auseinandergesetzt, doch er beschränkt sich auf die Periode nach 1945. Er sprach mit deutschen ehemaligen Fremdenlegionären, zeigte ihre Erfahrungen auf und ergänzte sie mit Kapiteln über die Entwicklung der Fremdenlegion. Jacques Doyon schrieb in seinem Buch Soldats Blanc de Ho Chi Minh über den Indochinakrieg und die Rolle der europäischen – und in diesem Rahmen auch der deutschen – Fremdenlegionäre. Heinz Schütte schließlich, schrieb das aktuellste und spezifischste Buch. In Zwischen den Fronten. Deutsche und Österreichische Überläufer zum Viet Minh setzte er sich mit drei Fremdenlegionären auseinander, die nach 1945 zum Viet Minh überliefen. Diese Autoren haben zwar ein Bild der Geschichte der Deutschen in der Fremdenlegion dargestellt, doch es ist erstaunlich, dass dieses Thema nur von so wenigen aufgenommen wurde. Ab 1870/1871stellten die Deutschen nämlich quantitativ und qualitativ mehrmals die bedeutendste Nationalität in der Fremdenlegion dar. In den ersten zwei Jahrzehnten nach 1870, zwischen 1919 und 1933 sowie während des Indochinakriegs 1953/1954 waren mehr als fünfzig Prozent der Fremdenlegionäre von deutscher Herkunft.11 Ab 1953-1954 und nach dem Ende des Indochinakriegs nahm der Zahl der Deutschen allerdings ab. Das hatte einerseits mit der Unsicherheit des Fortbestehens der Fremdenlegion im Jahre 1961 zu tun. Viele Deutsche kündigten ihren Vertrag. Andererseits waren sie von den neuen Einsatzgebieten, beispielsweise Französisch-Somaliland, Korsika und Madagaskar, weniger begeistert. Darüber hinaus kehrten die meisten lieber in die wirtschaftlich prosperierende Bundesrepublik zurück. Ab 1965 entschieden sich kaum noch Deutsche für den Dienst in der Fremdenlegion.12 Diese gelegentliche Überzahl von Deutschen hat aber dazu beigetragen, dass die deutschen Fremdenlegionäre beizeiten ein wichtiges Thema in der deutschen Politik und in der Auseinandersetzung zwischen Deutschland und Frankreich wurden. Außerdem hat die Öffentlichkeit dieses Thema mehrmals aufgenommen. Das war zum ersten Mal in den Jahren nach 1870 der Fall, als die Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich von 11 Siehe Anhang II für eine Übersicht der Zahl der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre zwischen 1870 und 1965. 12 Michels, Deutsche in der Fremdenlegion 1870-1965, S. 267 und 298. 11 Spannungen charakterisiert waren. Die Spannungen fanden ihren Niederschlag im Umgang mit dem Thema Fremdenlegionäre. Immer dann, wenn die Stimmung gegen Frankreich aufgehetzt werden musste, wurde das Thema Fremdenlegion in die Öffentlichkeit gebracht, und spiegelte so die deutsch-französischen Beziehungen.13 Im Jahre 1905 sorgte die Marokko-Krise für eine neue Kampagne gegen die Fremdenlegion, zwischen 1910 und 1914 erreichte die anti-französische Propaganda einen Höhepunkt, und während des Ersten Weltkriegs wurde diese Tendenz fortgesetzt. Als Bestandteil dieser Kampagnen diente die Veröffentlichung von Büchern. Vor allem zwischen den 1880er und den 1930er Jahren wurden in Deutschland viele Bücher zum Thema Fremdenlegion publiziert, aber die Deutschen wurden nicht nur mit den Büchern aufgeklärt. Das Thema wurde auch in den Schulen unterrichtet und hier wurde vor der Fremdenlegion gewarnt. Außerdem wurden um 1911 in verschiedenen Städten Verbände gegen die Fremdenlegion gegründet, wie in Köln der „Verein zur Bekämpfung der Fremdenlegion“ und der „Dresdner Verein zur Bekämpfung der Sklaverei Deutscher in der Fremdenlegion“. Auch wenn diesen Vereine auf Grund ihres Ziels der Stärkung anti-französischer Ressentiments kein langes Leben beschert war, zeigten sie doch eine Stimmung in der damaligen deutschen Gesellschaft.14 Auf Grund der Bemühungen der deutschen Politik und Öffentlichkeit entstand am Anfang des Zwanzigsten Jahrhunderts ein Bild der Fremdenlegion, das in den nächsten Jahrzehnten aufrechterhalten blieb. Zuerst wurde die Fremdenlegion auf die Ebene von Leiden und Schmerz gestellt. Zum zweiten entstand der Mythos der „Werber“ für die Fremdenlegion. Die deutsche Öffentlichkeit versuchte, die Deutschen von der Anwesenheit dieser Werber zu überzeugen und glaubhaft zu machen, dass Frankreich Deutsche für ihre eigenen Kriege ausnutzte. Diese negative Darstellung der Fremdenlegion erzeugte aber in den verschiedenen Epochen immer wieder für mehr eine Beliebtheit denn eine Ablehnung der Fremdenlegion.15 Das war zum Beispiel in den Zwanziger Jahren der Fall, als viele Deutsche die Weimarer Republik auf Grund der Arbeitslosigkeit und Misere entflohen. Während des Zweiten Weltkrieges sank ihre Zahl wieder, obwohl viele Kriegsgefangenen sich anstatt eines weiteren Aufenthaltes im Kriegsgefangenlager für die Eintritt in die Fremdenlegion entschieden, um sich so gegen die Nationalsozialisten wehren zu können.16 Nach 1945 ließen sich noch weniger Deutsche als Fremdenlegionär rekrutieren. Die französische Regierung 13 Ibidem, S. 42. Ibidem, S. 55 und 61. 15 Ibidem, S. 61 und 62. 16 Ibidem, S. 116. 14 12 bedauerte das und richtete in der französischen Besatzungszone, in Landau, Villingen, Offenburg, Freiburg und Koblenz, sowie in Österreich in Innsbruck und Bregenz Werbungsbüros und Zweigstellen ein.17 Diese Einrichtungen hatte zur Folge, dass nach 1945 ein neuer Mythos entstand. Er besagte, dass Frankreich vor allem ehemalige Kriegsverbrecher aus der Schutzstaffel (SS) und der Wehrmacht anwerbe und außerdem Kriegsgefangene so schlecht behandele, dass sie in die Fremdenlegion eintraten. Laut Michels sei die Zahl der deutschen Kriegsverbrecher allerdings gering gewesen. Frankreich habe auch keine hohe Zahl der ehemaligen SS- und Wehrmachtsoldaten in ihrer Fremdenlegion akzeptiert.18 In den Vierziger und Fünfziger Jahren wurde das Thema der Zwangsrekrutierung trotzdem in der deutschen Öffentlichkeit thematisiert.19 Vor allem die Sowjetunion war von dieser Theorie überzeugt und nutzte sie für Propagandazwecke aus, aber auch in der Bundesrepublik stieß sie auf Widerhall. Sowohl Michelers und Michels betonen aber, dass von Zwangsrekrutierungen niemals die Rede gewesen sei. Michelers zufolge hätten viele Fremdenlegionäre unter einer Form von Vergangenheitsbewältigung gelitten. In ihren Köpfen habe die Idee der Zwangsrekrutierung, existiert, obwohl sie auf Grund krimineller Delikte, Betrügereien und illegaler Grenzübertritte eingetreten seien.20 Die Werber, die es gegeben habe, informierten Interessierte und sorgten für Reiseproviant oder Fahrkarten zu den Kasernen in Freiburg, Koblenz, Offenburg und vor allem Landau.21 Michels ist der Meinung, dass die Fremdenlegionäre auf Grund ihrer oft aussichtslosen Situation im Nachkriegsdeutschland dazu gezwungen seien auf breiter Basis in die Fremdenlegion einzutreten. Dazu konnten Arbeitslosigkeit, familiäre Umstände, Liebeskummer, die Angst vor einer strafrechtlichen Verfolgung, Unterhaltsansprüche auf Grund einer unerwünschten Schwangerschaft ihrer Freundin, aber ebenso Abenteuerlust gerechnet werden. Ein anderer Grund sei das Fehlen einer deutschen Armee.22 Die deutschen (ehemaligen) Fremdenlegionäre aus Indochina 1945-1954 Trotz der Aufmerksamkeit, die obengenannte Autoren den deutschen (ehemaligen) Fremdenlegionären gewidmet haben, liegen nähere Studien über die Deutschen, die im 17 Ibidem, S. 187. Ibidem, S. 151-157. 19 Ibidem, S. 166. 20 Detlef Michelers, Le Boudin. Deutsche Fremdenlegionäre der Nachkriegszeit (3. Auflage; Berlin 1992), S. 156. 21 Ibidem, S. 149. 22 Michels, Deutsche in der Fremdenlegion 1870-1965, S. 196 und 200-201. 18 13 Neunzehnten und Zwanzigsten Jahrhundert in den unterschiedlichen Kolonialkriegen gekämpft haben, nicht vor. Das trifft beispielsweise auf die erste Gruppe Fremdenlegionäre nach dem Zweiten Weltkrieg zu, die zwischen 1945 und 1954 in Indochina kämpften. Dieses Thema ist von der Historiografie bisher nicht näher untersucht worden, obwohl eine Auseinandersetzung mit diesem Thema eine neue Perspektive auf die Geschichte des Kalten Krieges, die Auseinandersetzung zwischen der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) und der Bundesrepublik Deutschland (BRD), die ostdeutsche Westarbeit Richtung BRD, die ostdeutsche internationale Lage, den internationalen Handlungsspielraum der DDR in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre sowie die Beziehungen zwischen der DDR und der DRV zu eröffnen mag. Die deutschen Fremdenlegionäre traten in den ersten Nachkriegsjahren in die Fremdenlegion ein. Einige verpflichteten sich für fünf Jahre und kehrten ab 1950 in die BRD oder die DDR zurück. Anderen hielten jedoch nicht fünf Jahre durch und entschieden sich dafür, zur nordvietnamesischen Volksarmee überzulaufen. Sie kämpften daraufhin gegen die Fremdenlegion. Schließlich gab es auf der nordvietnamesischen Seite noch deutsche Kriegsgefangene. Vor allem die deutschen Überläufer und Kriegsgefangenen stellen eine interessante Gruppe dar. Sie blieben nämlich nicht in Indochina, sondern wurden in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre von der DDR nach Ostdeutschland repatriiert. Nachdem die ostdeutsche Regierung sich am 2. Februar 1950 dazu entschieden hatte, fanden zwischen 1951 und 1956 insgesamt sieben Heimkehrer-Transporte statt. Dem Thema der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre wurde von der DDR sowohl auf Regierungsebene wie in der Öffentlichkeit große Aufmerksamkeit geschenkt. Die Bemühungen um die Überläufer und Kriegsgefangenen zeigten sich schon während den Heimkehrer-Transporte, als die DDR Vertreter zur Betreuung und Überwachung der Transporte abstellte. Aber auch nach der Ankunft der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, während ihres einmonatigen Aufenthaltes im Quarantänelager Bischofswerda und nach ihrer Integration in die DDR sind intensive der DDR nachzuweisen. Das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten, das Ministerium des Innern, das Amt für Information und das Ministerium für Staatssicherheit setzten sich dezidiert mit dem Thema auseinander. Die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre wurden in der Öffentlichkeit und in der Außendarstellung thematisiert. Sie traten darüber hinaus auch selbst in der Öffentlichkeit auf. Beispiele dafür sind organisierte Pressekonferenzen und Medienkampagnen sowie die von ihnen publizierten Bücher. Die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre wurden von der 14 DDR für ihre Zwecke instrumentalisiert, wozu sie nichts unversucht ließ. Die Beteiligung des Ministeriums für Staatssicherheit hinsichtlich des Themas der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre zeigt aber auch eine andere Seite der Medaille. Hinter den Kulissen, weit von der Öffentlichkeit entfernt, wurden die Heimkehrer und die regulär entlassenen deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre einerseits vom Staatssicherheitsdienst beobachtet und andererseits für Spitzeldienste des Ministeriums für Staatssicherheit eingesetzt.23 Die doppelte Haltung der DDR in der Öffentlichkeit einerseits und bezüglich der Staatssicherheit andererseits, erfordert eine nähere Untersuchung, besonders wenn die Zeit der Ereignisse – die erste Hälfte der Fünfziger Jahre – in Betracht genommen wird. Die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre wurden für die DDR in einer Zeit, in der sie sich als Staat festigte und anfing zu profilieren, ein Thema. Das war nicht nur nach innen der Fall, sondern auch hinsichtlich ihrer internationalen Position. Die BRD war ihr Nachbarstaat, mit dem sie immer wieder konkurrierte. In der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre waren die Ostdeutschen sehr mit dem inneren Aufbau des Staates und der internationalen Politik sowie der Systemkonkurrenz beschäftigt. Es ist erstaunlich, dass sie sich trotzdem mit einem vordergründig so unwichtigen Thema wie die Heimkehr der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre auseinandersetzte. Es erscheint wenig glaubhaft, dass die DDR sich aus rein humanitären Gründen mit ihnen beschäftigte. Vielmehr kann davon ausgegangen werden, dass diese Beschäftigung eigene, zeitgebundenen Ziele und Zwecke verfolgte. Demzufolge drängt sich eine zentrale Frage auf: In welchem Ausmaß instrumentalisierte die Demokratische Republik Deutschland die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, die zwischen 1951 und 1956 aus Indochina in die DDR zurückkehrten, als Spielball für eine politische und ideologische Auseinandersetzung mit dem Westen, und war diese Instrumentalisierung erfolgreich? Die Gliederung der Master-Arbeit In dieser Master-Arbeit wird die zentrale Frage beantwortet. Zeitlich ist sie auf die genannten Jahren beschränkt, da die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre zwischen 1950 und 1956 mit den Heimkehrer-Transporten in die DDR zurückkehrten. Die meisten entlassenen In dieser Master-Arbeit werden mit dem Begriff der ,,Heimkehrer” nur diejenigen gemeint, die zwischen 1951 und 1956 mit einem Heimkehrer-Transport in der DDR eintrafen. Die Gruppe der regulär aus der Fremdenlegion entlassenen deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre wird als ,,die entlassenen Fremdenlegionäre” abgekürzt. 23 15 Fremdenlegionäre aus Indochina kamen ebenfalls überwiegend in dieser Zeit in die DDR. Darüber hinaus stammen die untersuchten Archivakten meist aus den Jahren 1950 bis 1956. Thematisch ist diese Master-Arbeit in zwei Teile untergliedert worden. Das erste Teil bezieht sich auf die Haltung der DDR zu den deutschen ehemaligen Fremdenlegionären in der Öffentlichkeit. In diesem Teil liegt das Augenmerk vornehmlich bei den Heimkehrern, da über ihre Position und ihren Einsatz in der Öffentlichkeit – im Gegensatz zu ihren entlassenen Kollegen – Akten vorliegen. Im zweiten Teil, in dem die Position des Staatssicherheitsdienstes in Bezug auf die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre erläutert wird, wird dann auch den entlassenen Fremdenlegionären Aufmerksamkeit gewidmet. Sie nahmen neben den Heimkehrern eine eigene, bedeutende Position für das Ministerium für Staatssicherheit ein. Beide Teile dieser Master-Arbeit sind in drei Kapiteln untergliedert. Im ersten Kapitel des ersten Teiles, das ausnahmsweise auf Literaturrecherche basiert, wird eine Übersicht über die nationale und internationale Lage der DDR und der BRD in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre gegeben. In sechs Paragrafen wird nach einander auf die innerstaatliche Entwicklung zwischen der DDR und der BRD eingegangen und die Frage aufgeworfen, von welchen Entwicklungen die deutsch-deutschen Beziehungen in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre gekennzeichnet waren. Dieses Kapitel stellt den historischen Kontext Deutschlands in diesen Jahren dar und hilft, die Haltung der DDR hinsichtlich der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, über die im nächsten Kapitel geschrieben wird, besser zu verstehen. Das zweite Kapitel hat die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in Indochina, zum Thema. In diesem Kapitel wird erklärt, wie die DDR das Thema der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre aus Einzelinitiativen der ehemaligen Fremdenlegionäre aufnahm und wie sie die Heimkehr zwischen 1950 und 1956 gestaltete. Dafür wird die Zusammenarbeit zwischen der DDR und der DRV einerseits, aber auch die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen ostdeutschen Ministerien andererseits beschrieben. Im zweiten Kapitel wird auch die Organisation und der Vollzug der sieben Heimkehrer-Transporte erläutert sowie der Aufenthalt der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre im Quarantänelager Bischofswerda beschrieben. Kapitel drei handelt dann vom zentralen Thema der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre und ihrem Einsatz und sowie ihrer Instrumentalisierung in der ostdeutschen Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit. Es wird dargestellt, wie diese Arbeit in der 16 ostdeutschen Gesellschaft, in der Politik, in den Medien, in der Literatur, in der Repräsentation sowie von den gesellschaftlichen Organisationen gestaltet wurde. Darüber hinaus wird verdeutlicht, auf welchen Ebenen die Heimkehrer für die Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit eingesetzt wurden. Auch wird die Frage erörtert, warum die DDR so viel Wert auf die Einbeziehung der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre legte. Im Kapitel vier, dem ersten Kapitel des zweiten Teils, wird wie im ersten Kapitel des ersten Teils der historischen Kontext für die nächsten Kapitel dargestellt. Auch dieses Kapitel ist auf Literaturrecherche basiert. Es bezieht sich auf die Entwicklung des ostdeutschen Staatssicherheitsdienstes in der Zeit nach 1945 und besonders nach 1949, als das Ministerium für Staatssicherheit gegründet wurde. Im Text werden die Entwicklungen des Staatssicherheitsdienstes in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre skizziert. Auch wird über den Personalbestand des Ministeriums für Staatssicherheit, bestehend aus Hauptamtlichen Mitarbeitern (HM) und Inoffiziellen Mitarbeitern (IM) Auskunft erteilt. An letzter Stelle wird der Hauptabteilung (HA) IV, beziehungsweise HA II, Aufmerksamkeit gewidmet, da sie für alle Heimkehrer und die entlassenen Fremdenlegionäre zuständig war. Nach dieser Einleitung kann im fünften Kapitel auf den Aufenthalt, die Integration und die Betrachtung der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre von der DDR eingegangen werden. Es wird beschrieben, wie die Heimkehrer eingeschätzt wurden, da diese Einschätzung ihre spätere Beziehung zum und ihren späteren Einsatz im Ministerium für Staatssicherheit bestimmte. Zentral steht die Frage, in wie fern sich die Heimkehrer als zuverlässige DDR-Bürger entwickelten. Im fünften Kapitel wird darüber hinaus erklärt, wie es den Heimkehrern nach ihrer Quarantänezeit in ihren neuen Wohnorten und an ihren neuen Arbeitsplätzen erging. Schließlich widmet sich dann das sechste und letzte Kapitel den Beziehungen der Heimkehrer und der entlassenen Fremdenlegionäre zum Staatssicherheitsdienst. In diesem Kapitel wird für beide Gruppe dargelegt, wie sie vom Ministerium für Staatssicherheit überwacht und operativ bearbeitet wurden. Es wird die Frage aufgeworfen, warum die HA IV, beziehungsweise die HA II, in solch großen Ausmaß an den deutschen ehemaligen Fremdenlegionären interessiert war. Schließlich wird ihr Einsatz und ihre Instrumentalisierung für das Ministerium für Staatssicherheit erläutert. 17 Das Quellenmaterial Wegen des Fehlens der Literatur zum Thema der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in der DDR konnten, abgesehen von der allgemeinen Literatur zum Thema DDR in den Fünfziger Jahren und zum Ministerium für Staatssicherheit, nur die bereits genannten Bücher über die (Deutschen in der) Fremdenlegion direkt für diese Master-Arbeit ausgewertet werden. Das hat zur Folge, dass die Arbeit vornehmlich auf Quellenmaterial, Periodika und „Erlebnisberichte“ der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre basiert. Hinsichtlich des Quellenmaterials wurde erstens im Bundesarchiv in Berlin recherchiert. Vor allem im Archiv des ostdeutschen Ministeriums des Innern waren viele Akten über die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre vorhanden. Darüber hinaus bot die Stiftung „Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR“ im Bundesarchiv gute Möglichkeiten der Recherche. In diesem Archiv werden die Aktenbestände der wichtigsten Organisationen der DDR, wie zum Beispiel der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), der Freien Deutschen Jugend (FDJ), dem Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB) und der Nationalen Front des Demokratischen Deutschlands aufbewahrt. Ausserdem umfasst dieses Archiv die Nachlässe der wichtigsten Vertreter der DDR, beispielsweise Walter Ulbricht und Wilhelm Pieck. Zweitens konnte im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes, ebenfalls in Berlin, recherchiert werden. In diesem Archiv sind unter anderem alle Akten des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten der DDR gelagert. Diese Akten sind für eine Master-Arbeit für sowohl die ostdeutsche wie die internationale Reflexion des Themas der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre wichtig, da sie Auskunft über die Korrespondenz zwischen dem Ministerium des Innern und der Abteilung Internationale Verbindungen der SED einerseits und dem Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR andererseits bieten. Darüber hinaus ist die Auswertung der Akten des Politischen Archives des Auswärtigen Amtes für Auskunft über die Beziehungen zwischen der DDR und der DRV und ihre Vertreter notwendig. Schließlich führte das Thema dieser Master-Arbeit zum Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes, dessen Zentralarchiv in Berlin ist. Zum Thema sind in diesem Archiv viele Akten vorhanden. Der Nachteil dieses Archivs ist allerdings, dass vom Besucher/der Besucherin Akten nicht eigenständig, sondern nur von einem Mitarbeiter bestellt werden können. Ausserdem dauert es immer eine Weile, bevor die bestellten Akten auch tatsächlich vorliegen. In dem Archiv wurden vor allem Akten aus dem Zentralarchiv des 18 Ministeriums für Staatssicherheit eingesehen. Diese Akten haben bislang weder für die Mitarbeiter des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes, noch für Historiker oder andere Wissenschaftlern Aufmerksamkeit erregt. Die meisten Akten sind noch in dem Zustand wie zur Zeit der DDR. Es handelt sich meist um Untersuchungsvorgänge. Akten mit einem allgemeinen Charakter, wie zum Beispiel Richtlinien des Staatssicherheitsdienstes in Bezug auf die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre sind selten. Es ist der/die Historiker/in, der/die diese Akten aus einer Metaperspektive recherchieren und interpretieren muss, um so die allgemeine Geschichte der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in der DDR in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre und ihre Kontakte zum Staatssicherheitsdienst darstellen zu können. Leichter ist das Recherchieren der ostdeutschen Zeitungen, die unter anderem im Bundearchiv und in der Zeitungsabteilung der Staatsbibliothek in Berlin-Westhafen gelagert werden. Zu den für diese Master-Arbeit recherchierten Periodika zählt an erster Stelle das Neue Deutschland. Zentralorgan der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. Diese Zeitung wurde von der SED in der ganzen DDR veröffentlicht und kann auf Grund dessen als die weitverbreitetste und wichtigste ostdeutsche Zeitung betrachtet werden. An zweiter Stelle wurde in der Tägliche Rundschau. Zeitung für Politik, Wirtschaft und Kultur recherchiert, die ebenfalls überall in der DDR publiziert wurde. Drittens bieten die Periodika der Massenorganisationen eine eigene Perspektive auf das Thema der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre. Die Tribüne. Organ des Bundesvorstandes des FDGB schrieb über diese Menschen aus der Perspektive des FDGB. Selbstverständlich wurden die Fremdenlegion und die (jungen) deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre auch von der FDJ als zentrale ostdeutsche Jugendorganisation in der Junge Welt. Zentralorgan der Freien Deutschen Jugend thematisiert. Schliesslich wird auch, doch in geringerem Ausmaß, der Waffenbrüder – Kampforgan der Deutschen im Dienste Viet-nams Aufmerksamkeit gewidmet. Die „Erlebnisberichte“ einzelner deutscher ehemaliger Fremdenlegionäre wurden von der DDR in Büchern publiziert. So publizierte das Amt für Information ein Buch mit dem Titel Die Straβe der Legionäre. Tatsachen aus der französischen Fremdenlegion. Andere Bücher wurden direkt auf die Namen der Fremdenlegionäre bezogen, wie Légion Étrangère. Tatsachenbericht nach Erlebnissen und Dokumenten von Rückkehrern aus Vietnam von Günter Halle aus dem Jahr 1952, Flucht ins Leben. Erlebnisbericht aus Vietnam von Kaspar Schmalenbach aus dem Jahr 1954 und Hông Chi. Vom Legionär zum Vietnamoi. Erlebnisbericht des ehemaligen Fremdenlegionär 51484 von Werner Stage aus dem Jahr 19 1955. Auch wurde in diesem Rahmen das Schauspiel in drei Akten von Paul Herbert Freyer aus dem Jahr 1953 mit dem Titel Auf verlorenem Posten. Schauspiel in drei Akten untersucht. 20 Kapitel I: Die DDR als „das zweite Deutschland“ 1945-1955 Seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland (BRD) am 23. Mai 1949 und der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) am 7. Oktober 1949 machten beide Staaten eine große, von einander sehr unterschiedliche innen- und außenpolitische Entwicklung durch. Die erste Hälfte der Fünfziger Jahre war vielleicht die interessanteste Periode, weil sowohl die BRD als die DDR ihre Existenz legitimierten und sich jeweils als neuer Staat profilierten. Diese Profilierung und Legitimierung konnte teilweise nur stattfinden wenn „das andere Deutschland“ in Diskredit gebracht wurde. Obwohl in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre die BRD und die DDR sich immer mehr von einander abgrenzten, war zur gleichen Zeit auch immer von einer starken Verbundenheit die Rede. Die innerstaatlichen Entwicklungen fanden nämlich vor dem Hintergrund des internationalen Spaltungsprozesses statt. Diese doppelte Beziehung kam sowohl in der innerstaatlichen Entwicklung der DDR als auch in ihren deutsch-deutschen Beziehungen zum Ausdruck. Wie sah diese innerstaatliche Entwicklung aus und von welchen Entwicklungen wurden die deutsch-deutschen Beziehungen in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre gekennzeichnet? Par. 1. Von der SBZ zur DDR 1945-1949 Die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) begann im Jahre 1945 mit dem Aufbau ihrer Besatzungszone. Die Sowjetische Besatzungszone Deutschland (SBZ) entwickelte sich ab 1945 zum Satellitenstaat der UdSSR und übernahm viele Kennzeichen des autoritären, sowjetischen Systems. Zwischen 1945 und 1949 wurden die Bausteine für die spätere innerstaatliche Entwicklung des ostdeutschen Staates nach 1949 gelegt. Schon in diesen ersten Jahren wurden die charakteristischen Merkmale des ostdeutschen Parteiensystems sichtbar. Am 9. Juni 1945 wurde der erste Schritt zu dessen Aufbau gemacht. Mit Befehl Nr. 2 verkündete die Sowjetische Militäradministration Deutschlands (SMAD) in der SBZ die Neuerrichtung des traditionellen deutschen Mehrparteiensystems. Die UdSSR war die erste Besatzungsmacht die sich für eine Neugründung antifaschistisch-demokratischer Parteien entschied.24 Die erste neugegründete Partei war die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) am 11. Juni 1945, danach die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) am 15. Juni, die Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU) am 26. Juni und 24 Hermann Weber, DDR. Grundriβ der Geschichte 1945-1990 (Hannover 1991), S. 19. 21 schließlich die Liberal Demokratische Partei Deutschlands (LDPD) am 5. Juli. Sie vereinigten sich am 14. Juli in der „Einheitsfront antifaschistischer-demokratischer Parteien“, die auch als Antifa-Block bezeichnet worden ist. Im Mai und Juni 1948 wurden schließlich noch zwei Parteien, nämlich die National-Demokratische Partei Deutschlands (NDPD) und die Deutsche Bauernpartei Deutschlands (DBD) gegründet, die noch im gleichen Jahr in die Einheitsfront aufgenommen wurden. Auch die neu gegründeten gesellschaftlichen Organisationen, nämlich die Freie Deutsche Jugend (FDJ) am 7. März 1945, der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB) am 15. Juni, die Kulturbund am 3. Juli und die Demokratische Frauenbund Deutschlands (DFD) auf dem Deutschen Kongress für den Frieden vom 7. zum 9. März 1947, wurden in der Einheitsfront aufgenommen.25 In den Jahren nach der Gründung der Einheitsfront baute die DDR ihre politische Herrschaft aus. Ein wichtiger Schritt dazu wurde am 21. und 22. April 1946 mit der Vereinigung der KPD und SPD zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) gemacht. Diese in der Historiographie oft als „Zwangsvereinigung“ bezeichnete Verbindung beider Parteien wurde 1946 von sowjetischen Entscheidungsträgern auf Grund ihrer Angst vor eine Wahlniederlage der KPD als notwendig betrachtet.26 Nach ihrer Gründung spielte die SED schon bald eine wichtige Rolle in der ostdeutschen Gesellschaft. Im Juli 1945 wurden Landesverwaltungen für die Länder Sachsen, Mecklenburg und Thüringen sowie Provinzialverwaltungen für die damaligen Provinzen Brandenburg und Sachsen-Anhalt errichtet.27 Für die personelle Neubesetzung der Länder wurden SED-Mitglieder angestellt. Auch das Ergebnis der Gemeindewahlen 1946 zeigt die politische Herrschaft der SED. Dank ihrer Feindlichkeit und ungleicher Behandlung gegenüber die LPD und CDU hatte sie sich selbst die günstigste Ausgangsposition gegeben.28 Die Leitlinien der SED wurden in diesen Jahren ebenfalls gestaltet. Auf dem II. Parteitag der SED vom 20. bis 24. September 1947 entschied sich die politische Führung öffentlich für eine Annäherung des Modells der UdSSR. Die Losung der SED als „Partei Neuen Typs“ wurde auf diesem Parteitag mitgeteilt und ein Jahr später nochmals bekräftigt. Auch die Annäherung nach Osten wurde offensichtlich. Die SED übte nämlich Kritik am westlichen Marshall-Plan und an der Vereinigung der 25 Ibidem, S. 26 und 30. Die Verschmelzung von SPD und KPD wurde in der Historiographie von BRD-Historikern als „Zwangsvereinigung“ dargestellt, während DDR-Historiker diese Verschmelzung eher als „Einheitswillen“ charakterisierten. 27 Diese zwei Provinzen wurden 1947 auch Länder. 28 Weber, DDR. Grundriβ der Geschichte 1945-1990, S. 33. 26 22 amerikanischen und britischen Zonen zur Bizone.29 Die führende Position der SED wurde auf ihrem I. Parteikonferenz vom 25. bis zum 28. Januar 1949 sichtbar. Auf dieser Parteikonferenz wurde die SED zur „bewussten Vorhut der Arbeiterklasse“ und damit zum zentralen, stalinistischen Organ der DDR bestimmt. Die zentrale Parteiführung bekam eine neue Struktur mit einem Politischen Büro (Politbüro) und einem Kleinen Sekretariat des Politbüros an der Spitze. Das Politbüro wurde das wichtigste Führungsgremium der DDR. Es wurde vom Kleinen Sekretariat unterstützt. Das Kleine Sekretariat bereitete auch die Beschlüsse des Politbüros vor und leitete den zentralen Parteiapparat an. Walter Ulbricht wurde den Leiter des Politbüros. Die Mitglieder des Politbüros waren Wilhelm Pieck, Otto Grotewohl, Friedrich Ebert, Franz Dahlem, Helmut Lehmann, Paul Merker und Walter Ulbrich. Auf dem I. Parteikonferenz wurden auch der „Demokratische Zentralismus“ und das Nomenklatursystem beschlossen. Außerdem wurden die Bedeutung der Parteidisziplin und die Feindlichkeit gegenüber den Sozialdemokraten betont. Neue Kontrollkommissionen überwachten ab jetzt die „Sauberkeit“ der SED.30 Nicht nur politisch und gesellschaftlich, auch wirtschaftlich wurde ab 1945 ein neuer, sozialistischer Kurs verfolgt. Im Jahre 1945 und 1946 wurden die Bodenreform und die Industriereform verkündet. Die Bodenreform beinhaltete eine Enteignung der Grundbesitzer die über hundert Hektar Land besaßen. Ihr Grund wurde jetzt Staatseigentum. Laut den Befehlen Nr. 124 und 126 der SMAD vom 30. und 31. Oktober 1946, die die Industriereform beinhalteten, gehörte das gesamte Eigentum des deutschen Staates, der National Sozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) und deren Amtsleiter, sowie der Wehrmacht ab dem Jahr der SBZ. Es wurde immer weniger von Privateigentum und immer mehr vom Volkseigentum geredet. Die Betriebe wurden in Sowjetische Aktiengesellschaften (SAG) umgewandelt. Ziel dessen war die zentrale Steuerung der Wirtschaft, um so die Reparationsansprüche der UdSSR zu erfüllen. Es wurde eine Deutsche Wirtschaftskommission (DWK) gegründet, um die ostdeutsche Wirtschaft zu koordinieren. Seit ihrer Gründung am 12. Februar 1948 stand sie an der zentralen, wirtschaftlichen Spitze. Am 23. Juni 1948 wurde in Reaktion auf die in der westdeutschen Zone durchgeführte Währungsreform eine ostdeutsche Währungsumstellung durchgeführt. Die sowjetische Autorität wurde mittels dieser wirtschaftlichen Maßnahmen seit 1945 auch in Bezug auf die 29 30 Klaus Schroeder, Der SED-Staat. Geschichte und Strukturen der DDR (München 1998), S. 59-60. Ibidem, S. 65-66. 23 ostdeutsche Wirtschaft immer deutlicher sichtbar.31 Par. 2: Die Gründung und Entwicklung der DDR 1949-1955 Obwohl zwischen 1945 und 1949 schon die Lenkung der SBZ in Richtung UdSSR auf politischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Ebene spürbar wurde, war erst ab 1949 von einer öffentlichen Kursänderung die Rede. Die Voraussetzung dafür war ein neues Staatssystem. Dieses Staatssystem konstituierte sich am 7. Oktober 1949 mit der Gründung der DDR. Diese Gründung war vom Volksrat unter Leitung von Wilhelm Pieck initiiert. Nach der Gründung erklärte der Volksratz sich zur „provisorischen Volkskammer“ der DDR mit Johannes Dieckmann als ihrem Präsidenten. Am 10. Oktober wurde eine provisorische Länderkammer mit 34 Abgeordneten, von denen die meisten aus der SED hervorkamen, unter Führung von Robert Lobedanz (CDU) errichtet.32 An diesem Tag wurde auch die Sowjetische Kontrollkommission (SKK) gegründet, die fortan als Vertreter der SMAD amtierte. Einen Tag später wurde Wilhelm Pieck von der Volks- und Länderkammer als Präsident der DDR ausgerufen.33 Am 12. Oktober bestätigte die Volkskammer die erste Regierung der DDR mit Otto Grotewohl als Ministerpräsidenten. Auch der Ministerrat wurde konstituiert und wie die Länderkammer zum größten Teil von SED-Ministern und Staatssekretären besetzt.34 In der Verfassung der DDR wurde die zentralistische Regierungsform mit der Volkskammer als Parlament festgelegt. Nach der Gründung der DDR wurde bis 1952 der systematische Aufbau des Staates und des Sozialismus vorangetrieben. Erstens erkannten die UdSSR und die DDR mit der SED an der Spitze die Bedeutung, die die Ideologie bei diesem Aufbau einnahm. Diese Bedeutung wurde so stark betont, da die DDR ihre Gründung nicht demokratisch legitimieren konnte und deshalb auf eine Überzeugung der Massen mittels ihres ideologischen Programms angewiesen war.35 Die zwei ideologischen Pfeiler der DDR waren der Marxismus-Leninismus und der Antifaschismus. Der Marxismus-Leninismus rechtfertigte den totalitären Anspruch der SED, Weber, DDR. Grundriβ der Geschichte1945-1990, S. 34-36. Hier wurde schon die ungleiche Mandatsverteilung klar, da die SED 17 Abgeordnete lieferte, die LDPD 9, die CDU 7 und die Vereinigung für gegenseitige Bauernhilfe (VfgB) 1. 33 Wilhelm Pieck blieb bis seinem Tod am 7. September 1960 Präsident der DDR und war der erste und letzte Präsident der DDR. 34 Von den 14 Ministern gehörten 6 der SED an. 35 Michael Lemke, „Die Deutschlandpolitik der DDR zwischen Moskauer Oktroi und Bonner Sogwirkung“, in: Jürgen Kocka und Martin Sabrow Die DDR als Geschichte. Fragen – Hypothesen – Perspektiven (Berlin 1994), S. 181-185, hier S. 183. 31 32 24 während der Antifaschismus die Zukunft der DDR von der nationalsozialistischen Vergangenheit und dem Weststaat abgrenzte. Überdies konnte mithilfe des Antifaschismus Kritik an den westlichen Demokratien und dem Kapitalismus geübt werden.36 Zweitens wurde von 1949 bis 1952 der Kurs der SED abgesteckt. In den Jahren 1949 und 1950 fand eine Gleichschaltung des Parteiensystems statt. Die Parteimitglieder wurden stärker im Parteiensystem aufgenommen und widerstrebende Mitglieder wurden entlassen. Formal gab es, im Gegensatz zu der UdSSR, noch immer ein Mehrparteiensystem. Tatsächlich hatte aber auch die DDR ein – sei es im Vergleich zur UdSSR gemäßigteres – Einparteiensystem. Auf dem III. Parteitag der SED vom 20. bis zum 24. Juli 1950 wurden organisatorischen Änderungen in der Parteistruktur durchgeführt. Der Parteivorstand der SED wurde durch das Zentralkomitee (ZK) ersetzt. Am 25. Juli wurde Walter Ulbricht als dessen Sekretär gewählt. Die Aufgabe des Zentralkomitees war das Leiten der gesamten Tätigkeit der Partei und die „im Verkehr mit anderen Parteien, Organisationen, staatliche, wirtschaftliche und kulturelle Verwaltungen und Institutionen vertreten“. Überdies wurden alle seit 1946 durchgeführten Wandlungen definitiv in der SED als „Partei Neuen Typs“ verankert. Das hielt den Totalitätsanspruch der SED ein, aber auch, dass der kommunistische Charakter der Partei nicht länger vertuscht wurde. Mit dem Begriff „monolithische Einheit“ wurde den Ostdeutschen die Annahmeverweigerung der Existenz der oppositionellen Gruppierungen oder Fraktionen offenbart. Auch erreichte die bereits 1948 angefangene Säuberungswelle zwischen 1950 und 1951 einen Höhepunkt. Die Säuberung beinhaltete den „Kampf gegen Spione und Agenten“, den Kampf gegen die „Tito-Clique“ und das Ausrotten der Überreste des „Sozialdemokratismus“. Desweiteren wurden auch Parteifunktionäre und Leute aus der Parteispitze entlassen.37 Das Ergebnis war ein großer personeller Wechsel und das Zeigen des wahren Gesichts der SED. Drittens wurde ab 1950 auch das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben der DDR intensiver von der SED gestaltet und bestimmt. Die Massenorganisationen wurden gleichgeschaltet und die führende Rolle der SED wurde von ihnen anerkannt. Beim III. Kongress des FDGB vom 30. August bis zum 3. September 1950 äußerte der FDGB sich über die SED als „bewusster Vortrupp der Arbeiterklasse“. Die FDJ folgte diesem Anspruch auf dem IV. Parlament im Mai 1952, als sie die Größe der SED und ihre Bedeutung für den demokratischen Aufbau anerkannte. Außerdem mussten die anderen Massenorganisationen 36 Schroeder, Der SED-Staat, S. 115-116. 37 Schroeder, Der SED-Staat, S. 99-100. 25 wie der Kulturbund und der DFD die zentrale Position der SED akzeptieren. Auch die vorher manchmal gegen den Strich laufende CDU und LDP wurden gleichgeschaltet und zusammen mit den Massenorganisationen als Transmissionsriemen und Hilfsorgane der Partei angesehen. 38 Im Bezug auf die Wirtschaft wurde 1950 von der SED der erste Fünfjahresplan vereinbart, der zwischen 1951 und 1955 ausgeführt wurde. Mit diesem Plan wurde die Wirtschaft noch mehr als vorher zentralisiert. Ziel des Planes war die Entwicklung der Schwerindustrie. Die DDR hoffte damit die Arbeitsproduktivität und den Lebensstandard ihrer Bürger zu erhöhen.39 Nach 1952 wurden der Aufbau des Staates und des Sozialismus fortgesetzt. Es gab aber einen Unterschied zwischen den Jahren vor und nach 1952. Vor 1952 hatte die DDR das ostdeutsche Staatssystem zwar ausgebaut und konform ihrer sozialistischen Ideen gestaltet, doch hielt sie sich zurück, ihre Sozialismus-Ansprüche öffentlich zu entfalten. Sie hoffte nämlich noch auf die Wiedervereinigung Deutschlands. Spätestens 1952 erwies der Notenwechsel mit dem Westen aber, dass eine schnelle Wiedervereinigung nicht in Frage kam. Die Sowjetunion scheute sich nach 1952 daher nicht länger, ihre Absichten mit der DDR zu offenbaren und die öffentliche Sozialisierung wurde im ostdeutschen Staat sichtbar. Auf der II. Parteikonferenz der SED vom 9. bis zum 12. Juli verkündete Ulbricht den „planmässigen Aufbau der Grundlagen des Sozialismus“.40 Dieser Aufbau traf auf die schon in Gang gesetzten Prozesse zu. Ein solcher Prozess war der Aufbau der bewaffneten Streitkräfte. Zwischen 1948 und 1950 waren die Truppen der DDR auf 50,000 Mann gewachsen. Im Jahre 1952 kamen sie in Besitz von sowjetischen Waffen und im Juli des gleichen Jahres wurde die Kasernierte Volkspolizei (KVP) formiert. Diese Polizei war auch im Besitz von Luft- und Seeeinheiten.41 Auf dem II. Parteikonferenz wurde auch die staatliche Verwaltungsreform vorbereitet, die am 23. Juli 1952 im „Gesetz über die weitere Demokratisierung des Aufbaus und der Arbeiterweise der staatlichen Organe in den Ländern der Deutschen Demokratischen Republik“ festgelegt wurde. Dieses Demokratisierungsgesetz beinhaltete die Auflösung der letzten Reste des Föderalismus und eine Zentralisierung der Länder. Die Länder wurden jetzt in vierzehn Bezirke umgebildet, in denen am 1. August Organisationsbüros der SED eingerichtet wurden.42 Andere Aspekte betrafen die weitere Weber, DDR. Grundriβ der Geschichte 1945-1990, S. 60. Ibidem, S. 66-67. 40 Ibidem, S. 53. 41 Schroeder, Der SED-Staat, S. 107. 42 Diese vierzehn Bezirke waren: Karl-Marx-Stadt (ab 1953 Chemnitz genannt), Cottbus, Dresden, Erfurt, Frankfurt Oder, Gera, Halle, Leipzig, Magdeburg, Neubrandenburg, Potsdam, Rostock, Schwerin, Suhl. 38 39 26 Formierung der zentral geleiteten Industrie, der weitere Umbau des Rechtwesens, die Weiterführung des „Klassenkampfs“ gegen Oppositionelle und die stärkere Bindung von Kunst, Kultur und Ausbildung an die SED. Der Aufbau des Sozialismus hatte eine Verschärfung der inneren Konflikte zur Folge. Der immer größere Kollektivisierungsdruck und der Produktmangel, aber auch die Unterdrückung der Kirchen, Künstler und Intellektuellen beförderten Konflikte. Viele Bürger der DDR waren nicht mit den Beschlüssen der SED einverstanden und entschieden sich für eine „Abstimmung mit den Füβen“.43 Während am Anfang der Fünfziger Jahre viele Bürger aus der BRD in die DDR umgezogen waren, sorgte das Wirtschaftswunder im Laufe der Fünfziger Jahre dafür, dass viele DDR-Bürger ihr Land in Richtung BRD verließen. Anfänglich hatte die DDR die Auswanderung ihrer Einwohner als eine politische und wirtschaftliche Entlastung betrachtet, doch mit dem fortschreitenden Ost-West Konflikt brachte diese Auswanderung auch einen großen Legitimitätsverlust mit sich.44 Die DDR definierte die Auswanderer als „Kriminelle“, „Saboteure“ und „Asoziale“, um so die Auswanderung ihrer Bevölkerung zu erklären und rechtfertigen, doch ihre Politik konnte die immer größer werdende Zahl der Auswanderer nicht verringern.45 Die Zahl der Auswanderer erzielte vor allem nach der Verkündigung des Aufbaus des Sozialismus einen Höhepunkt. Insgesamt verließen zwischen 1945 und 1961 drei Millionen Bürger die DDR.46 Die Republikflucht war für die DDR ein wichtiger Grund am 9. Juni 1953 zum „Neuen Kurs“ überzugehen. Der Übergang zu einem neuen Kurs muss auch im Licht des Todes Stalins am 5. März gesehen werden. Sein Tod hatte zu einer Desorientierung der SED gesorgt. In ihrer Ratlosigkeit gab die SED zu, in der Vergangenheit Fehler begangen zu haben, die eine Forcierung des Sozialismus zur Folge gehabt hatten.47 Einer dieser Fehler war laut der SED die zur Finanzierung der Militarisierung eingeführten Steuer- und Preiserhöhungen. Diese Erhöhungen wurden jetzt rückgängig gemacht. Das war für die Bauern, die städtischen Mittelschichten, die Intelligenz und die Kirchen positiv, doch für die „Abstimmung mit den Füβen“ ist ein zeithistorischer Begriff, das später von der Historiographie übernommen wurde. 44 Hermann Wentker, „Die gesamtdeutsche Systemkonkurrenz und die durchlässige innerdeutsche Grenze. Herausforderung und Aktionsrahmen für die DDR in den Fünfziger Jahren“, in: Dierk Hoffmann, Michael Schwartz, Hermann Wentker (Hrsg.), Vor dem Mauerbau (München 2003), S. 59-77, hier S. 60 und 73. 45 Henrik Bispinck, „ ,Republikfluchtʼ: Flucht und Ausreise als Problem für die DDR-Führung“, in: Dierk Hoffmann, Michael Schwartz und Hermann Wentker (Hrsg.), Vor dem Mauerbau (München 2003), S. 285-311, hier S. 290. 46 Wentker, „Die gesamtdeutsche Systemkonkurrenz und die durchlässige innerdeutsche Grenze.“, S. 73. 47 Weber, DDR. Grundriβ der Geschichte, S. 54. 43 27 Arbeiter wurden im Bezug auf die Steuern keine Zugeständnisse gemacht.48 Als einen weiteren Fehler sah die SED die Betonung der Entwicklung der Schwerindustrie an. Sie entschied sich jetzt dafür, anstelle der Schwerindustrie mehr Konsumgüter und Nahrungsmittel zu produzieren.49 So hoffte sie eine größere Zufriedenheit des Volkes zu erreichen. Auch die große Konflikte verursachende Kollektivisierung der Landwirtschaft wurde ausgesetzt. Bauern konnten ihre Landmaschinen und die Mittelschichten ihre Betriebe und Geschäfte jetzt zurück erhalten. Obwohl die Maßnahmen dazu gedient hatten die Legitimität der SED zu vergrößern, wurde der Neue Kurs von der DDR-Bevölkerung als eine „Bankrotterklärung der SEDDiktatur“ angesehen.50 Die Maßnahmen waren zu spät gekommen. Die fehlende Legitimität der SED-Führung und die problematische wirtschaftliche Lage verursachten am 17. Juni 1953 einen Volksaufstand. In mehr als dreihundert Orten in Ostdeutschland wurde gestreikt und demonstriert. Auch wurden örtliche Machtzentralen der SED bestürmt. Die Aufstand wurde zum größten Teil von den nicht im Neuen Kurs berücksichtigten Arbeitern getragen. Die DDR schlug den Aufstand mithilfe der KVP und sowjetischer Panzer blutig nieder.51 Ihre Handlungsweise zeigt die wankende Basis der DDR-Herrschaft. Überdies zeigt sie, dass die Herrschaft der DDR auf die Macht der UdSSR und deren militärischen Apparat basierte.52 Nach dem Volksaufstand folgte eine neue Verfolgungswelle und die Verhaftung der Teilnehmer am Aufstand. In der DDR wurde vom „faschistischen Putschversuch“ oder vom „Konterrevolutionären Putschversuch“ gesprochen.53 Es war charakteristisch für die Herrschaft der SED in Zeiten von Krisen innere oder äußere Feinde und nicht sich selbst die Schuld zuzuweisen. Obwohl der 17. Juni eigentlich zum Ziel hatte die SED-Herrschaft unter Leitung von Ulbricht zu stürzen, konnte Ulbricht seine Herrschaft trotz der Machtkämpfe in der SED und der an ihm geübten Kritik festigen. Wilhelm Zaisser und Rudolf Herrnstadt, die Ulbricht am meisten kritisiert hatten, wurden von Ulbricht als Sündenböcke bezeichnet und im Januar 1954 aus der SED entlassen.54 Auch andere widerstrebende Funktionäre wurden aus der Partei ausgeschlossen. In den nächsten Jahren blieb diese Politik von Kurskorrekturen und der Festigung der Partei-Herrschaft für den ostdeutschen Staat kennzeichnend. 48 Schroeder, Der SED-Staat, S. 121. Weber, DDR. Grundriβ der Geschichte, S. 67. 50 Schroeder, Der SED-Staat, S. 122. 51 Weber, DDR. Grundriβ der Geschichte 1945-1990, S. 48. 52 Schroeder, Der SED-Staat, S. 131. 53 Ibidem, S. 124. 54 Ibidem, S. 130 und 127. 49 28 Par. 3 Die internationalen Ausgangspositionen der DDR und der BRD am Anfang der Fünfziger Jahre Am Anfang der Fünfziger Jahre sah sich die DDR nicht nur innerstaatlich vor eine Herausforderung gestellt. Außenpolitisch versuchte sie als „zweiter deutscher Staat“ einen Platz in der internationalen Machtkonstellation zu erwerben. Sie hatte dafür allerdings keine günstige Ausgangsposition. Der Handlungsspielraum der DDR war wegen ihrer festen Bindung zur UdSSR gering. Die DDR wurde von der UdSSR und ihrer SKK überwacht, kontrolliert und geleitet. Ohne die UdSSR in ihre Politik einzubeziehen konnte sie keine selbständigen Entscheidungen treffen. Außerdem brauchte die DDR die UdSSR, da sie im internationalen System wegen des Mangels an internationale Beziehungen isoliert war. Eine von der UdSSR unabhängige Politik hätte die Position der DDR als zweiten deutschen Staat noch unbedeutender gemacht. Hinzu kommt, dass von Seiten des Westens großer Druck auf die DDR ausgeübt wurde. Ohne die militärische, politische und wirtschaftliche Hilfe der UdSSR hätte der ostdeutsche Staat den Druck des Westens nicht überstanden.55 Die DDR entwickelte sich auf internationaler Ebene allerdings nicht nur in Bezug zur UdSSR. Auch die Verbindung zur BRD bestimmte ihren Handlungsspielraum.56 Einerseits war die DDR eine Gewährprobe auf der Seite der UdSSR, andererseits musste die DDR sich in Bezug auf Westdeutschland selbstbewusst verhalten.57 Dieses selbstbewusste Verhalten war notwendig, da die BRD sich im Vergleich zur DDR ganz anders entwickelte und es einen schrillen Kontrast zwischen beiden Staaten gab. Außerdem hatte die BRD eine bessere Ausgangsposition als die DDR. Sie wurde zwar durch die Alliierte Hohe Kommission in ihrer Souveränität begrenzt, hatte aber trotzdem mehr Handlungsspielraum als die DDR. Das hatte vor allem damit zu tun, dass sich die BRD mit Adenauer an der Spitze kooperativ aufstellte. So konnte sich zum Beispiel mit der Hilfe der westlichen Alliierten das Wirtschaftswunder vom Anfang der Fünfziger Jahre an entwickeln und eine neue Phase der Prosperisierung und des Ansehens der BRD einläuten. Außerdem wurde die Existenz der BRD dadurch legitimiert, dass sie sich als die einzige legitime Nachfolgerin der Weimarer Republik präsentierte und von den westlichen Alliierten auch so betrachtet wurde. Am 20. September 1949 brachte Adenauer den Alleinvertretungsanspruch zum Ausdruck, in dem er den Ingrid Muth, Die DDR-Auβenpolitik 1949-1972. Inhalte, Strukturen, Mechanismen (Berlin 2000), S. 51. Lemke, „Die Deutschlandpolitik der DDR zwischen Moskauer Oktroi und Bonner Sogwirkung“, S. 181. 57 Joachim Scholtyseck, Die Auβenpolitik der DDR (München 2003), S. 7 55 56 29 Standpunkt der BRD als Alleinvertreter des deutschen Volkes verkündete.58 Adenauer fühlte sich zwar durch den Alleinvertretungsanspruch einerseits und die positive Entwicklung in Westdeutschland andererseits gestärkt, doch die DDR fühlte sich deswegen nicht nur isoliert, sondern auch von der BRD in ihrer Existenz bedroht und angegriffen. Die konträre politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung in den beiden deutschen Staaten stand vom Anfang an im Zentrum der Auseinandersetzung der BRD und der ostdeutschen Außenpolitik. Als Reaktion auf den Alleinvertretungsanspruch profilierte die DDR ihre außenpolitischen Standpunkte in ihrer ersten außenpolitischen Erklärung vom 24. Oktober 1949. In der Erklärung äußerte sie sich als Kämpferin für die Einheit Deutschlands, einen Friedensvertrag und die Erfüllung der Abkommens von Jalta und Potsdam. Desweiteren gab sie an friedliebende Beziehungen zu allen Völkern aufnehmen zu wollen und sich gegen den Imperialismus und Kolonialismus zu wehren.59 Sie betrachtete sich selbst als eine sozialistische Alternative zur BRD, die sie für den Nachfolger des Nationalsozialismus hielt.60 Par. 4 Die Entwicklungen in der BRD in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre Der Alleinvertretungsanspruch einerseits und die außenpolitische Erklärung der BRD andererseits hatten eine Entfremdung beider Staaten in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre zur Folge. Diese Entfremdung kam am deutlichsten in der fortschreitenden Annäherung der BRD an dem Westen zum Ausdruck. Im gleichen Jahr, in dem Adenauer den Alleinvertretungsanspruch verkündete, begann die Westintegration und der Prozess der westdeutschen Souveränität. Der erste Schritt wurde am 28. April 1949 von den Vereinigten Staaten von Amerika (USA), Großbritannien und Frankreich bei der Ratifizierung des Ruhrstatuts gemacht. In dem Statut wurde die Internationalisierung des Ruhrgebietes festgelegt, die die westdeutsche Anerkennung der Abhängigkeit von den westlichen Alliierten bedeutete.61 Dem Ruhrstatut ging das Petersberger Abkommen vom 22. November 1949 voraus. Im Petersberger Abkommen wurden die Beschränkung der Demontagen, die Michael Lemke, „Das Adenauer-Bild der SED“, in: Arnd Bauernkämpfer, Martin Sabrow und Bernd Stöwer (Hrsg.), Doppelte Zeitgeschichte. Deutsch-deutsche Beziehungen 1945-1990 (Bonn 1998), S. 102-113, hier S. 106. 59 Muth, Die DDR-Auβenpolitik 1949-1972, S. 15 und 7. 60 Michael Lemke, Einheit oder Sozialismus? Die Deutschlandpolitik der SED 1949-1961 (Köln usw. 2001), S. 122. 61 Rolf Steiniger, Deutsche Geschichte seit 1945. Darstellung und Dokumente in vier Bänden, Bd. 2 1948-1955 (Frankfurt am Main 1996), S. 123. 58 30 Wiederaufnahme konsularischer Beziehungen und die Lockerung der dem westdeutschen Schiffsbau auferlegten Beschränkungen aufgenommen.62 Dieses Abkommen diente als Entgegenkommen der westlichen Alliierten an West-Deutschland, weil die Alliierten und Adenauer sich über das Ruhrstatut geeinigt hatten. Ein nächster Schritt wurde vom französischen Außenminister Robert Schuman am 9. Mai 1950 gemacht, als er den nach ihm benannten Schuman-Plan für die Gründung einer Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) präsentierte. Frankreich, die Bundesrepublik und andere Länder sollten in der Zukunft zusammen Kohle und Stahl produzieren. Am 18. April 1951 wurde der EGKSVertrag von Frankreich, Italien, den Benelux-Ländern und der Bundesrepublik unterschrieben. Am 25. Juli 1952 trat der EGKS – auch Montanunion genannt – in Kraft.63 Ab 1950 wurden die Initiative zur Westintegration und zur westdeutschen Souveränität auf Grund der internationalen Lage beschleunigt und immer mehr mit der Wiederbewaffnung Westdeutschlands verbunden. Im Jahre 1949 war China kommunistisch geworden, und 1950 brach der Korea-Krieg aus. In Europa und den USA entstand die Angst vor dem Beginn einer kommunistischen Offensive und es wurde über das Ergreifen von Maßnahmen geredet. Im März 1950 sprach sich Winston Churchill im britischen Unterhaus für ein deutsches Kontingent im Rahmen einer europäischen Armee aus, und im Mai 1950 forderte Lucius Clay in der Öffentlichkeit die Wiederbewaffnung der BRD.64 Adenauer nutzte die durch den Krieg mit den Kommunisten verursachte Angst für die Vergrößerung der westdeutschen Souveränität. Er instrumantalisierte den Korea-Krieg für seine eigenen Ziele, was zur Folge hatte, dass der Korea-Krieg der Vater der BRD-Souveränität und der Bundeswehr wurde.65 Am 29. August 1950 schickte Adenauer den westlichen Alliierten ein „Memorandum über die Sicherung des Bundesgebietes nach Innen und Außen“, in dem er die Verteidigungsbereitschaft der BRD in Gefahr sah. Vom 12. bis zum 18. September 1950 fand in New York eine Außenministerkonferenz statt, auf der den Wünschen der BRD entgegengekommen wurde. Die alliierten Außenminister betrachteten die BRD als einzigen Vertreter Deutschlands. Sie überlegten eine schnelle Beendigung des Kriegszustandes und eine Revidierung des Besatzungsstatuts. Außerdem versprachen sie die Wirtschaftsbeschränkungen der BRD zu lockern und Sicherheitsgarantien gegen die sich Stefan Fröhlich, „Erste außen- und sicherheitspolitische Herausforderungen“, in: Jürgen Elvert und Friederike Krüger (Hrsg.), Deutschland 1949-1989. Von der Zweistaatlichkeit zur Einheit (Stuttgart 2003), S. 78-88, hier S. 80. 63 Raymond Poidevin und Jacques Bariéty, Frankreich und Deutschland. Die Geschichte ihrer Beziehungen 1815-1975 (München 1982), S. 431-432. 64 Ibidem, S. 427. 65 Steiniger, Deutsche Geschichte seit 1945, S. 145. 62 31 rasch ausbreitende ostdeutsche KVP zu bieten.66 Die New Yorker Außenministerkonferenz wurde Anlass für eine Diskussion über den Ausbau der westdeutschen Truppen. Hier stießen die Interessen der Alliierten aufeinander. Die USA hatten die größte Angst vor dem Kommunismus und befürworteten deshalb den Ausbau, Großbritannien zögerte und Frankreich widerstrebte von jeher eine Stärkung der BRD in Europa. Frankreich tat alles, um die deutsche Remilitarisierung zu verzögern und die westdeutsche Aufnahme in die North Atlantic Treaty Organisation (NATO) zu verhindern. In diesem Kontext wurde vom französischen Außenminister René Pleven am 24. Oktober 1950 der Pleven-Plan als eine Alternative vorgeschlagen.67 Aus diesem Plan kam ein Vertrag über die Errichtung einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) zustande, worüber zwischen Sommer 1951und Frühling 1952 diskutiert wurde. Dieser Vertrag wurde am 27. Mai 1952 von den Außenministern aus Frankreich, Italien, den Benelux-Staaten und Westdeutschland unterzeichnet. Zusammen mit dem EVG-Vertrag war am 26. Mai 1952 der Deutschland- oder Generalvertrag von den USA, Frankreich, Großbritannien und der BRD vereinbart worden. Die BRD hatte diesen Vertrag als Gegenleistung für den EVG-Vertrag gefordert. In diesem Vertrag wurde das Ende des Besatzungsstatuts aufgenommen, aber faktisch beinhaltete er die Souveränität der BRD. Dieser Deutschlandvertrag konnte allerdings erst in Kraft treten, wenn die nationalen Parlamente dem zugestimmt hatten. Frankreich bestand auf diese Zustimmung, da es noch immer Angst vor dem Entstehen einer nationaldeutschen Armee hatte und sich davon vergewissern wollte, dass es nur Truppenkontingente im Rahmen einer europäischen Armee geben würde. Obwohl beide Verträge am 26. und 27. Mai unterzeichnet waren, konnten sie nur nach Ratifizierung in Kraft treten. Die Versuche zur Ratifizierung scheiterten allerdings definitiv am 30. August 1954. An diesem Tag wurde nämlich die Ratifizierung des EVG-Vertrages von der französischen Nationalversammlung unter Leitung von Pierre Mendès abgelehnt.68 Diese Ablehnung implizierte auch, dass der Deutschlandvertrag noch nicht rechtsgültig sein konnte und die Souveränitätsgenehmigung der BRD verzögert wurde. Neue Schritte auf dem Weg zur westdeutschen Souveränität wurden allerdings gemacht. Vom 28. September bis zum 3. Oktober 1954 fand die Londoner Neunmächtekonferenz statt. An diesem Konferenz waren Frankreich, die Benelux-Länder, Italien, Großbritannien, die BRD, die USA und Kanada beteiligt. Hier wurde vereinbart, dass 66 Ibidem, S. 149-150. Ibidem, S. 151-152. 68 Ibidem, S. 157. 67 32 die BRD in der Zukunft keine atomaren, bakteriellen oder chemischen Waffen und ebenfalls keine schweren Rüstungsgütern produzieren würde. Außerdem würde sie die Grenze respektieren und keine Veränderung zum Vorteil der BRD oder der deutschen Wiedervereinigung nachstreben. Auf Grund dieser Vereinbarungen konnte am 23. Oktober die Westeuropäische Union (WEU) als kollektiver Beistandspakt der wichtigsten Staaten Europas und Möglichkeit zur militärischen Einbindung Westdeutschlands gegründet werden. Nach der Ratifizierung der WEU wurden vom 19. bis zum 23. Oktober 1954 in Paris Konferenzen organisiert die schließlich am 23. Oktober die Unterzeichnung der Pariser Verträge durch Frankreich, Großbritannien, den Benelux-Staaten, Italien und die BRD hervorbrachten. Mit diesen Verträgen wurde das Besatzungsstatut beendet und erhielt die BRD ihre Souveränität, auch wenn diese durch die alliierten Vorbehaltsrechte bis zur Wiedervereinigung 1989 eingeschränkt wurde. Außerdem wurde der Beitritt der BRD zur NATO vereinbart, der am 9. Mai 1955 stattfand. Am 27. Februar 1955 wurden die Pariser Verträge durch den westdeutschen Bundestag ratifiziert und am 5. Mai 1955 traten sie in Kraft.69 Par. 5 Die Westarbeit der DDR Die DDR hatte diese westdeutschen Entwicklungen zwischen 1949 und 1955 natürlich sorgfältig beobachtet und mit grosser Befürchtung wahrgenommen. Sie entwickelte eine „Westpolitik“, „Westarbeit“, „gesamtdeutsche Arbeit“ oder „Arbeit nach Westdeutschland“ um sich in Bezug auf Westdeutschland profilieren zu können. Obwohl in diesem Kontext oft auch den Begriff „Deutschlandpolitik“ verwendet worden ist, entspricht dieser Begriff nicht die ostdeutsche Terminologie, sondern der westdeutschen. Der Begriff „SED-Westarbeit“ bezieht sich Heike Amos zufolge auf „die gesamte operative Umsetzung der west- und deutschlandpolitischen Ziele der SED-Führung zunächst in den westlichen Besatzungszonen, dann in der Bundesrepublik Deutschland.“ Mit dieser Politik versuchte die DDR die öffentliche Meinung, die Parteien, Organisationen, Politiker, Partei- und Gewerkschaftsfunktionäre, Journalisten und Wissenschaftler der BRD zu beeinflussen.70 Um dieses Ziel zu erreichen, fand die Westarbeit auf vier Ebenen statt. Die erste war die staatlich-offizielle Ebene, womit die Angebote der DDR an die BRD gemeint wurden. An 69 Ibidem, S. 294-295. Heike Amos, Die Westpolitik der SED 1948/1949-1961 ‚Arbeit nach Westdeutschland‘ durch die Nationale Front, das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten und das Ministerium für Staatssicherheit (Berlin 1999), S. 8-9. 70 33 zweiter Stelle machte die DDR eine instrumentell gesteuerte Politik. Westdeutsche Personen und Organisationen wurden von der DDR für deren nationale Ziele instrumentalisiert, doch diese Instrumentalisierung war für sowohl die ost- als auch für die westdeutsche Öffentlichkeit nicht immer offensichtlich. Eine dritte Ebene bezog sich auf den geheimdienstlichen Apparat der SED, in dem das Ministerium für Staatssicherheit die bedeutendste Stelle einnahm. Schließlich versuchte die DDR mittels öffentlicher und massiver Propagandaaktionen und Pressekonferenzen ihre aktuellen nationalen Standpunkte zu offenbaren.71 Die Westarbeit der DDR konnte nur ausgeführt werden, wenn der Westapparat organisatorisch gestaltet wurde. Nachdem schon ab 1945 die Bausteine dafür gelegt waren, folgte die Ausgestaltung in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre. Das Politbüro und das Zentralkomitee der SED leiteten und kontrollierten die Westarbeit. Ihre Aufgaben waren die Verkündung der kommunistischen Ideologie in der BRD, das Unterwandern des parlamentarisch-demokratischen Systems sowie das Errichten und Unterstützen von Hilfsorganisationen der SED. Auch leiteten das Politbüro und das Zentralkomitee das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten und das Ministerium für Staatssicherheit an. Das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten war 1949 gegründet worden und hatte in den ersten Jahren die Aufgabe, die politischen Aktivitäten der Westmächte zu beobachten.72 Das Ministerium für Staatssicherheit beschäftigte sich mit der Überwachung vermeintlicher Gegner, da die DDR im Bezug auf ihre Westarbeit sich immer zwischen „Erklärung“ und „Abwehr“ bewegte.73 Die Parteien und Massenorganisationen der DDR wurden auf Grund ihrer Möglichkeiten zur Erreichung einer großen Masse auch in die Westarbeit einbezogen. Schließlich wurden Gremien und Ausschüsse gebildet, um die Westarbeit an internationalen Entwicklungen orientieren zu können. Diese Gremien und Ausschüsse waren allerdings wechselhaft: sie wurden gegründet, aufgelöst und neugegründet.74 Für die erste Hälfte der Fünfziger Jahren kann im Bezug auf die Westarbeit eine Untergliederung in drei Phasen gemacht werden. Die Erste Phase fing 1949 an und endete 1952/1953. Bestimmend waren der BRD-Alleinvertretungsanspruch und die außenpolitische Erklärung der DDR 1949. In der ersten Phase spielte die DDR auf die Entwicklungen in der Heike Amos, „Die ‚Nationale Front des Demokratischen Deutschland‘ – ‚Sprachrohr‘ der SED-Westpolitik (1948/1949-1961)“, in: Heiner Timmermann, (Hrsg.), Die DDR in Deutschland. Ein Rückblick auf 50 Jahre (Berlin 2001), S. 39-58, hier S. 57. 72 Amos, Die Westpolitik der SED 1948/1949-1961, S. 349. 73 Ibidem, S. 346. 74 Ibidem, S. 341. 71 34 BRD an, weil sie glaubte, die internationale Lage lege noch nicht fest, sie könne die Einheit Deutschlands noch zustande bringen und könne ihr „antifaschistisch-demokratisches Modell“ auf die BRD projizieren und übertragen. Diese Hoffnung war darauf basiert, dass die UdSSR die schwerfälligen deutsch-deutschen Unterhandlungen wieder antreiben wollte, die Spaltung Deutschlands noch nicht so lange bestand und die politische, wirtschaftliche und militärische Einbindung der BRD im Westen noch nicht so fortgeschritten war.75 Die am 7. Oktober 1949 aus der Volkskongressbewegung hervorgegangene Nationale Front des Demokratischen Deutschlands, mit einer Nationalrat an der Spitze, zielte auf die Herstellung der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Einheit Deutschlands, die nationale Unabhängigkeit, den Abschluss eines Friedensvertrags und den Abzug der Besatzungstruppen ab. Diese Nationale Front war ein Integrations- und Koordinationsinstrument für alle Parteien und gesellschaftliche Organisationen, die sich in diesen Jahren mit der Westarbeit auseinandersetzten. Infolgedessen wurde sie das Organisationsgremium der Westarbeit im Dienste der SED.76 Der ostdeutsche Staat hatte seinen Westapparat und seine Ziele in Bezug auf den Westen zwar organisiert und klar konturiert, doch die Schwierigkeit lag darin, dass er ihre Ziele nur konform seiner eigenen Ideen zustande bringen wollte. Diese Starrheit kam in seinen Reaktionen auf die Geschehnisse in der BRD zum Ausdruck. So trat die DDR im September 1950 dem Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) bei, den am 25. Januar 1949 von der UdSSR, der Tschechoslowakei, Albanien Ungarn, Polen, Bulgarien und Rumänien als eine sozialistische Alternative zur wirtschaftlichen Entwicklung im Westen gegründet worden war.77 Die DDR nahm außerdem vom 20. bis zum 21. Oktober 1950 an der Prager Außenministerkonferenz teil, die als eine Gegenkonferenz zur New Yorker Außenministerkonferenz organisiert worden war. Der Außenminister der DDR, Georg Dertinger, beabsichtigte alle Staaten im sowjetischen Machtbereich gegen die Wiederbewaffnung der BRD zu vereinigen.78 Die DDR nahm nicht nur an Konferenzen teil, sie machte der BRD auch direkte Vorschläge. Doch auch in ihren Vorschlägen weigerte sie sich, Konzessionen zu machen. Am 30. November 1950 versuchte Otto Grotewohl mit einem offenen Brief an Adenauer die Verhandlungen zwischen der DDR und BRD erneut aufzunehmen. Gemäß der in der ersten 75 Ibidem, S. 75. Ibidem, S. 46 77 Die RGW ist auch unter dem Namen Council of Mutual Economic Assistance (COMECON) bekannt. 78 Hermann Wentker, Auβenpolitik im engen Grenzen. Die DDR im internationalen System 1949-1989 (München 2007), S. 89. 76 35 Phase der DDR propagierten Losung „Deutsche an einen Tisch“ schlug Grotewohl Verhandlungen über einen „Gesamtdeutschen Konstituierenden Rat“ vor. Adenauer antwortete aber in einen Brief vom 15. Januar 1951, dass er diesem „Gesamtdeutschen Konstituierenden Rat“ nur zustimmen würde, falls in der DDR freie, durch eine Kommission der United Nations Organisation (UNO) kontrollierte Wahlen durchgeführt würden und es zur Auflösung der KVP käme.79 Ein anderes Beispiel der ostdeutschen Starrheit war der Notenwechsel zwischen der UdSSR und dem Westen im Frühjahr 1952, in dem die UdSSR die Wiedervereinigung und Neutralität Deutschlands vorschlug. Die letzten gesamtdeutschen Initiativen scheiterten, als der Westen diesen Vorschlag ablehnte. Die Alliierten glaubten nämlich, die UdSSR sei nur an einer Verhinderung der Remilitarisierung und Westintegration der BRD interessiert. Außerdem beharrten sie auf der Durchführung freier Wahlen, denen von der DDR wiederum nicht zugestimmt wurden.80 Das Nicht-Nachgeben der DDR kam auch in ihrer Errichtung einer Sperrzone und der Abriegelung der Westgrenze nach der Vereinbarung des EVG-Vertrags im Mai 1952 zum Ausdruck.81 Die zweite Phase der Westarbeit zwischen Mitte 1953 und Mitte 1955 muss im Licht dieser gescheiterten Versuche betrachtet werden. Es war der DDR mittlerweile klar, dass die ost- und westdeutschen Deutschlandkonzeptionen miteinander unvereinbar waren. Doch auch innenpolitisch musste die DDR ihre seit der II. Parteikonferenz im Juli 1952 und dem Volksaufstand im Juni 1953 immer mehr ins Wanken geratene Position akzeptieren. Auf Grund dessen glaubte die DDR ihre deutschlandpolitischen Ziele nicht mehr kurzfristig, sondern nur mit der Zeit erreichen zu können. Diese Einsicht äußerte sie in ihrer neuen „Zwei-Staaten-Theorie“. 82 Diese Theorie beinhaltete die Existenz zweier deutscher Staaten, die gegenseitig von einander entfremdet waren und sich nur sehr schwierig einander annähern konnten. Das die DDR immerhin noch an die Annäherung glaubte, bewies die Gründung des „Ausschusses für deutsche Einheit“ am 7. Januar 1954, in dem „alle Fragen zusammenfassend bearbeitet werden, die mit der Vorbereitung eines Friedensvertrages mit Deutschland und der Wiederherstellung der Einheit eines demokratischen friedliebenden und unabhängigen Deutschlands in Zusammenhang stehen.“ 83 Diese Gründung fand nicht zufälligerweise kurz 79 Ibidem, S. 89-90. In der Historiographie ist seit der Fünfziger Jahre eine Debatte im Bezug auf die Noten-Wechsel und die Absichten Stalins entstanden. In dieser Debatte hat es Anhänger der These der „verpassten Chance“ oder „Angebotsthese“ (vor allem Paul Sethe, Rolf Steiniger und Wilfried Loth ) und Anhänger der „Propaganda- oder Alibithese“ (vor allem Hermann Graml, Vojtech Mastny und Gerhard Wettig) gegeben. 81 Hermann Weber, Geschichte der DDR (2. Auflage; München 2000), S. 176. 82 Lemke, „Die Deutschlandpolitik der DDR zwischen Moskauer Oktroi und Bonner Sogwirkung“, S. 181. 83 Amos, Die Westpolitik der SED 1948/1949-1961, S. 258. 80 36 vor dem Außenministerkonferenz in Berlin statt, die vom 25. Januar bis zum 18. Februar 1954 von den Außenministern der USA, der UdSSR, Großbritannien und Frankreich organisiert wurde. Obwohl auf dieser Konferenz die Beschlüsse in Bezug auf Korea und Vietnam verabschiedet wurden, konnte in der deutschen Frage kein Durchbruch erreicht werden. Die Gründe dafür waren das Ablehnen freier Wahlen durch die DDR, der Streit zwischen der Sowjetunion und dem Westen hinsichtlich eines Friedensvertrages und ein kollektives Sicherheitssystem, und schließlich die ostdeutsche Feindlichkeit gegenüber der westdeutschen Wiederbewaffnung. Die Genfer Gipfelkonferenz vom 18. bis zum 23. Juli 1955, auf denen sich die vier Siegermächte des Zweiten Weltkriegs und die Außenminister der BRD und DDR trafen, ergab ebenfalls keine Fortschritte.84 Auch während der dritten Phase der Deutschlandpolitik zwischen Mitte 1955 und Ende 1956 fand keine Annäherung zwischen Ost und West statt. Nach Adenauers Verkündung der Hallstein-Doktrin am 10. Dezember 1955, die als Nachfolger des Alleinvertretungsanspruch diente, gab es dafür auch keine Chance mehr. Konform diese Doktrin dürften Staaten keine Beziehungen zur DDR aufnehmen, da die BRD der einzige Vertreter des deutschen Staates war. In den Fünfziger Jahren versuchte Adenauer mittels der Hallstein-Doktrin die völkerrechtliche Anerkennung und jede andere Aufwertung der DDR zu verhindern.85 Die Hallstein-Doktrin blieb bis zur Verkündung der Ostpolitik der Kompass, an dem sich die außen- und deutschlandpolitischen Entscheidungen der BRD orientierten.86 Nicht nur Adenauer, auch Nikita Chruschtschow ging immer mehr von der deutsch-deutschen Entfremdung aus. Die Politik der UdSSR und der DDR wurde ab 1955 verstärkt von der „Zwei-Staaten-Theorie“ bestimmt.87 Die Wiedervereinigung hatte für den Osten auf Grund der Aufnahme der BRD in die NATO und ihrer eigenen Aufnahme in den Warschauer Pakt am 14. Mai 1955 keine Priorität mehr. Infolgedessen hatte auch die DDR ein größeres Ausmaß an Souveränität erhalten. Am 1. März 1956 ging aus der KVP die Nationale Volksarmee (NVA) hervor. Während die Existenz der DDR ab 1955 nicht mehr zur Disposition stand, konnte sie sich ab 1955 auf ihre völkerrechtliche Anerkennung konzentrieren.88 Die Westarbeit wurde zwar fortgeführt, doch die DDR erreichte hiermit auch in den nächsten Jahren wenig Erfolg. Siegfried Schwarz, „Die Deutschland Problematik im internationalen Kontext“, in: Clemens Burrichter, Detlef Nakath und Gerd-Rüdiger Stephan (Hrsg.), Deutsche Geschichte von 1945 bis 2000. Gesellschaft – Staat – Politik. Ein Handbuch (Berlin 2006), S. 181-216, hier S. 192-193. 85 Ibidem, S. 194. 86 Christopher Kleβmann, Zwei Staaten, eine Nation. Deutsche Geschichte 1955-1970 (Bonn 1988), S. 83. 87 Wentker, Auβenpolitik im engen Grenzen, S. 98. 88 Muth, Die DDR-Auβenpolitik 1949-1972, S. 51. 84 37 Par. 6 Die ideologische und propagandistische Rechtfertigung der Westpolitik nach innen Die Westarbeit der DDR hatte natürlich auch eine innenpolitische Seite. Die DDR wollte ihre Bürger konform ihrer eigenen Ideen erziehen und sie von der Richtigkeit ihrer außen- und innenpolitischen Entscheidungen überzeugen. Das Zurückgreifen auf die Ideologie und Propaganda erschienen ihr dafür die besten Möglichkeiten zu bieten.. Mit ihrer Ideologie beabsichtigte die DDR die Theorie in die Massen „hineinzutragen“.89 Die Propaganda bedeutete die Darstellung von Ansichten und Forderungen, und darüber hinaus wollte die DDR, dass ihre Bürger ihre Weltsicht übernähmen. 90 Diese Ziele konnten nur mithilfe der als Vermittlungsinstrument dienenden Massenmedien ausgeführt werden, die die DDR als ein Instrument für den Ideologietransfer in Bezug auf gesellschaftliche Informationen und als eine Möglichkeit zur öffentlichen Kommunikation betrachtete.91 In den Jahren nach 1945 wurde der Propaganda- und Ideologieapparat auf- und ausgebaut, und am Anfang der Fünfziger Jahre war ihre Organisationsstruktur faktisch gebildet. Diese Organisationsstruktur war auf eine breite Basis gestellt worden. Der gesamte Mediensektor, die Massenorganisationen und die staatlichen Verwaltungen waren einbezogen.92 Zeitungen, Zeitschriften, der Rundfunk und später auch das Fernsehen konnten die Ideologie der DDR übertragen und die neuen Machtverhältnisse sicherstellen. Durch die Einführung einer Zensur achtete der ostdeutsche Staat darauf, dass nur die Berichte seiner Wahl publiziert wurden und eine einheitliche Berichterstattung und Propaganda zustande kam. Diese Berichterstattung und Propaganda betrieb eine Verherrlichung des SED-Staates und eine Dämonisierung des Westens, insbesondere der BRD. Siegfried Schwarz hat in seinem Artikel „Das Verhältnis der DDR zur westeuropäischen Integration. Phasen der Wahrnehmung – Umdenken – Annäherung an die Realität (1950-1990)“ eine Untergliederung in fünf Propagandarichtungen gemacht. Die erste Propagandarichtung bezog sich auf die Integrationspolitik der BRD. Die DDR betrachtete diese Politik als antinational, da die BRD auf Grund ihrer Handlungen die Einheit Deutschlands verhinderte. In ihrer zweiten Propagandarichtung richtete der ostdeutsche Staat sich gegen die Westintegration, die sie als eine amerikanische Vorbereitung auf einen neuen Krieg gegen die UdSSR ansah. Die USA wäre überhaupt nur darauf aus, ganz Europa zu „kolonisieren“. Die Montanunion und der Monika Gibas, „Ideologie und Propaganda“, in: Andreas Herbst, Gerd-Rüdiger Stephan und Jürgen Winkler (Hrsg.), Die SED. Geschichte, Organisation, Politik. Ein Handbuch (Berlin 1997), S. 241-263, hier S. 243. 90 Monika Gibas, Propaganda in der DDR 1949-1989 (Thüringen 2000), S. 16. 91 Gibas, „Ideologie und Propaganda“, S. 245. 92 Gibas, Propaganda in der DDR, S. 32. 89 38 Nachdruck der USA auf die Entwicklung der Schwerindustrie und die wirtschaftliche Zusammenarbeit der westeuropäischen Länder sollte in diesem Kontext gesehen werden. Die dritte Propagandarichtung bezog die BRD in der Politik der USA ein. Die BRD war der DDR zufolge nur darauf aus, die Westintegration für ihre eigenen Ziele durchzuführen und könnte dann ebenfalls den Angriff auf die sozialistischen Länder vorbereiten. Viertens widerstrebte der DDR die Mentalität der BRD als wäre sie in ihrer Tradition als christliches Abendland die Trägerin der Europa-Idee und die Förderin der Integration. Diese vier Propagandarichtungen kamen in der fünfte zusammen: Die DDR hob nachdrücklich die Konflikte und Interessengegensätze zwischen Ost und West hervor.93 Nicht nur die Entwicklungen im Westen sowie in der BRD wurden von der DDR kritisiert, ihre Kritik betraf auch in starkem Maß die Person Adenauer. Adenauer wurde als die Verkörperung der BRD angesehen, die SED sprach über die BRD als „Adenauer-Staat“. Dieses negative Bild hatte sich seit 1948 entwickelt, als Adenauer sich negativ über die Volkskongressbewegung äußerte. Ein Jahr später, mit der Gründung der BRD und Adenauers Verkündung des Alleinvertretungsanspruches, wurde das westdeutsche Bild der DDR umso negativer. Die antiwestdeutsche Propaganda erreichte auf Grund der fortschreitenden Westintegration nach 1952 einen Höhepunkt. Es wurde Adenauer übel genommen, dass er in der gesamtdeutschen Frage nicht kooperativ sei. Er wurde in der Öffentlichkeit als ein Lakai oder eine Marionette von den USA, als Revanchist, Kriegshetzer, „Kalter Krieger“ und Reaktionär dargestellt.94 Alles was er machte, widerspreche den Bemühungen der DDR, Deutschland wiederaufzubauen. Während die DDR Deutschland konform die aktuellen Weltlage gestaltete, könne Adenauer sich nur auf die Restauration alter Strukturen berufen.95 Zusammenfassend betrachtete die DDR die Politik Adenauers als überhaupt unvereinbar mit der nationalistisch einheitlichen Politik der SED, und sie versäumte nicht, ihre Bürger darauf aufmerksam zu machen. Zusammenfassung Nach der Gründung der BRD am 23. Mai 1949 und der Gründung der DDR am 7. Oktober Schwarz, „Das Verhältnis der DDR zur westeuropäischen Integration. Phasen zur Wahrnehmung – Umdenken – Annäherung an die Realität (1950-1990), in: Heiner Timmermann (Hrsg.), Die DDR in Deutschland. Ein Rückblick auf 50 Jahre (Berlin 2001), S. 139-157, hier S. 140-143. 94 Lemke, „Das Adenauer-Bild der SED“, S. 103-107. 95 Lemke, Einheit oder Sozialismus, S. 122. 93 39 1949 fing für beide Staaten eine Geschichte von Abgrenzung und Verflechtung an. Sowohl die innerstaatlichen Entwicklungen in der DDR sowie ihre Beziehung mit der BRD wurden hiervon bestimmt. Schon zwischen 1945 und 1949 wurden die Bausteine für die innerstaatliche Entwicklung der DDR gelegt und nach 1949 wurde darauf aufgebaut. Die DDR entwickelte sich zum Satellitenstaat der UdSSR, in dem der Sozialismus vorangetrieben und das gesellschaftliche Leben völlig gleichgeschaltet wurde. Die erste Hälfte der Fünfziger Jahre wurde vor allem von zahlreichen politischen Kurskorrekturen und der Abwanderung in den Westen gekennzeichnet. Die Entwicklung der DDR gestaltete sich im krassen Gegensatz zur Entwicklung der BRD. Die BRD hatte nicht nur mehr Handlungsspielraum in ihrer nationalen und internationalen Politik, sie profilierte sich auch als der einzige legitime deutsche Staat. Darüber hinaus fühlte sie sich durch die Westintegration und die Wiederbewaffnung zwischen 1949 und 1955 gestärkt. Die DDR betrachtete diese Entwicklungen mit sehr viel Misstrauen und handelte ähnlich. Sie war in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre allerdings nicht in der Lage, auf politischer Ebene mit der BRD zu diskutieren oder zu konkurrieren. Die einzige Protestmöglichkeit fand sie in ihrer Westarbeit, weswegen der ostdeutsche Westapparat in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre sorgfältig ausgebaut wurde. Es können hinsichtlich der Haltung der DDR drei Phasen angewiesen werden. Die erste Phase dauerte von 1949 bis 1952/1953, in der die DDR noch ihre eigenen Ziele hinsichtlich der Einheit Deutschlands und der sozialistischen Ideologie übertragen zu können glaubte. In der zweiten Phase, zwischen Mitte 1953 und Mitte 1955, wurden die Verhältnisse von der „Zwei-Staaten-Theorie“ bestimmt. Zwischen Mitte 1955 und Ende 1956 schließlich fand ebenfalls keine Annäherung zwischen der BRD und der DDR statt. Die Spaltung wurde auf Grund der Verkündung der Hallstein-Doktrin und der Aufnahme der BRD in die NATO, beziehungsweise der DDR in das Warschauer Pakt definitiv. Diese Entwicklungen fanden ihrer Niederschlag in der Ideologie und Propaganda nach Innen, womit die DDR die Westpolitik und ihre eigene Ohnmacht gegenüber die Ostdeutschen zu rechtfertigen beziehungsweise zu kaschieren versuchte. 40 Kapitel II: Die Organisation und der Vollzug der Heimkehrer-Transporte durch die DDR 1950-1956 Ab 1950 wurden die Kontakte mit der Demokratischen Republik Vietnam (DRV) ein Thema in der Außenpolitik der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Diese Kontakte waren von Anfang an mit der Heimkehr der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre verbunden. Die DDR und die DRV arbeiteten in Bezug auf sie zusammen, damit die DRV sich von ihnen befreien konnte, und die DDR vom Anfang an Einfluss hatte. Nur so konnte sie das Thema „Heimkehr der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre“ zwischen 1950 und 1956 so gut wie möglich für ihre eigenen Ziele nutzen. Wie wurde die „Operation Heimkehrer“ von der DDR und der DRV gestaltet, und wie erging es den deutschen ehemaligen Fremdenlegionären während ihrer Zeit als Überlaufer oder Kriegsgefangene in Nordvietnam, während der Reise in die DDR und nach ihrer Ankunft? Par. 1 Deutsche ehemalige Fremdenlegionäre in der DRV 1945-1950 In den Dreißiger Jahren hatten drei Männer aus Abneigung gegen das Nazi-Regime ihre Heimat verlassen: Erwin Borchers, Rudy Schröder und Ernst Frey. Borchers wurde in Straßburg geboren und verliess diese Stadt1933. Auch der Kölner Schröder zog 1933 nach Frankreich. Beide Männer wurden 1939 auf Grund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit vor die Wahl gestellt, entweder inhaftiert zu werden oder in die französische Fremdenlegion einzutreten. Sie entschieden sich für die Fremdenlegion. Frey schließlich war Österreicher und musste auf Grund seiner jüdisch-ungarischer Herkunft 1938 sein Land verlassen. Noch im gleichen Jahr trat er, im Gegensatz zu Borchers und Schröder, freiwillig in die Fremdenlegion ein, da er nicht wusste, was er sonst machen sollte.96 Die drei neuen Fremdenlegionäre wurden zuerst in Algerien und anschließend 1941 in Indochina eingesetzt. Schon ab 1941 kam ihre kommunistische Interesse bei der Gründung einer kommunistischen Zelle zum Ausdruck. Diese Zelle bestand insgesamt aus fünf Fremdenlegionären. Zusammen besprachen sie die politische Lage hinsichtlich Faschismus und Krieg, die französisch-japanische Kollaboration und die französische Zusammenarbeit mit den Achsenmächten. Die Gründung der kommunistischen Zelle war von den Vietnamesen 96 Heinz Schütte, Zwischen den Fronten. Deutsche und österreichische Überläufer zum Viet Minh (Berlin 2006), S. 60. 41 bemerkt worden. Truong Chinh, der Generalsekretär der Kommunistischen Partei Vietnams (KVP) – ab 1951 in Lao Dong Partei umgetauft –, versuchte ab Ende 1941 Sympathisanten unter den Fremdenlegionären zu finden.97 Noch im gleichen Jahr schloss die Zelle sich bei der Kommunistischen Partei an, obwohl in den Jahren bis 1945 von einer Desertation der drei Fremdenlegionäre zur nordvietnamesischen Seite noch keine Rede sein konnte. Die Inhaftierung der drei Männer durch die Japaner nach dem japanischen Putsch vom 9. März 1945 einerseits, und ihre Freilassung nach der Unabhängigkeitserklärung Vietnams im September 1945 andererseits, brachten aber nebem einem Systemwechsel auch einer Bewusstseinsänderung mit sich. Diese Bewusstseinsänderung hatte mit der Lage Frankreichs zu tun. Frankreich konnte sich nicht langer als Vertreiber der faschistischen Japaner präsentieren.98 Auf Grund dessen fehlte es dem Land immer mehr an Legitimität in Bezug auf die Besetzung Indochinas. Borchers, Schröder und Frey entschieden sich jetzt dafür, auf einer politisch und moralisch besseren Seite zu kämpfen, die sich nicht mit Kolonialismus einließ und ihre kommunistischen Ideale vertrat. Durch ihren Seitenwechsel wurden sie die Pioniere der Überläufer der nächsten Jahre. Nach dem Überlaufen erhielten die drei ehemaligen Fremdenlegionäre Decknamen. So wurde Borchers „Chien Sy“, Schröder „Le Duc Nhan“ und Frey „Nguyen Dan“ genannt. Der Viet Minh setzte sie beim Ministerium für Information und Propaganda ein und beauftragte sie mit Tätigkeiten für die Fremdenlegionäre. Die Propaganda beinhaltete die Veröffentlichung von Zeitungen. So wurde die französische Zeitung La République publiziert, in der Borchers, Schröder und Frey Artikel über die gerechte Sache der Nordvietnamesen und die menschenunwürdigen Handlungen der Franzosen schrieben. Diese Zeitung wurde 1946 in Le Peuple - Organe de Combat pour l’Indépendance du Viêt-Nam umgetauft, von der insgesamt 22 Ausgaben erschienen.99 Borchers und Schröder schrieben nicht nur Zeitungsartikel, sondern arbeiteten auch als Kommentatoren und Sprecher in der französischen Sprache beim nordvietnamesischen Staatssender.100 Obwohl Frey sich anfangs mit den gleichen Tätigkeiten wie Borchers und Schröder auseinandersetzte, interessierte er sich schon bald mehr für die militärischen Handlungen der Nordvietnamesen statt für ihre Propagandatätigkeiten. Er lag es auf Grund dessen auf eine Unteroffiziersausbildung in der nordvietnamesischen Volksarmee 97 Ibidem, S. 79. Ibidem, S. 105. 99 Ibidem, S. 108-109. 100 Ibidem, S. 114. 98 42 an.101 Als im Dezember 1946 der Indochinakrieg ausbrach, betrachtete der Viet Minh die Propaganda von Borchers und Schröder als Mitglieder der Propagandaabteilung „Dich Van“ als vermehrt bedeutungsvoll. Vor allem Borchers nahm in den nächsten Jahren eine Schlüsselposition ein. Er war 1948 vietnamesischer Staatsbürger geworden und wurde Politkommissar sowie Oberstleutnant in der Volksarmee. Außerdem wurde er Schriftleiter der seit 1947 publizierten Propagandazeitschrift Waffenbrüder – Kampforgan der Deutschen im Dienste Viet-nams, die ab 1950 unter dem Titel Heimkehr veröffentlicht wurde. Auch war er Verantwortlich für die ebenfalls 1947 in Französisch publizierte Zeitschrift Frères d’armes Organe de Combat des amis du Viet-Nam. 102 In diesen Zeitschriften wurde auf die Feindschaft zwischen Frankreich und Deutschland, die Ungerechtigkeit des Kolonialismus und die Unmenschlichkeit des Indochinakrieges hingewiesen. So hieß es in Waffenbrüder vom April 1948 zum Beispiel „Lasst euch in kein neues Camerone führen! Kommt zu uns!“, und in Waffenbrüder vom August 1948: „In der Legion bleiben heißt: - Verrat an Deutschland – Verzicht auf Heimkehr – Siechtum, Knechtschaft und Tod“.103 Außer der Veröffentlichung von Zeitschriften verbreiteten Borchers und Schröder Handzettel und riefen die Fremdenlegionäre mittels Lautsprecher auf, auf die Seite Ho Chi Minhs überzutreten. Par. 2 Die Zusammenarbeit zwischen der DDR und der DRV Obwohl drei ehemalige Fremdenlegionäre, von denen zwei die Deutsche Nationalität besaßen, ab 1945 mit den Nordvietnamesen Kontakte knüpften, war von offiziellen deutschvietnamesischen Kontakten in den Vierziger und in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre noch nicht die Rede. Zwischen 1945 und 1949 konnte weder die Bundesrepublik Deutschland (BRD) noch die DDR auf Grund der Anwesenheit und Autorität der Alliierten in Deutschland internationale Beziehungen eingehen. Auch nach der Spaltung Deutschlands blieben beide Staaten im Bezug auf ihre internationale Politik weitgehend unter alliierter Kontrolle. Abgesehen davon war die BRD überhaupt nicht an eine Aufnahme der Beziehungen mit der DRV interessiert. Die DRV kämpfte gegen ihren Bundesgenossen Frankreich und war außerdem kommunistisch orientiert. Zwischen der DDR und die DRV gab es mehr Übereinstimmungen. Die DDR war, wie die DRV, kommunistisch, anti-imperialistisch und 101 Ibidem, S. 118-119. Ibidem, S. 147. 103 Waffenbrüder – Kampforgan der Deutschen im Dienste Viet-nams vom April 1948 und vom 19.8.1948. 102 43 anti-kolonialistisch eingestellt. Außerdem befanden beide Staaten sich in einer ähnlichen Situation, denn sie waren die kommunistische Hälfte eines gespaltenen Staates. Auf Grund ihrer kommunistischen Orientierung waren sie diplomatisch isoliert, versuchten in den fünfziger Jahren jedoch diplomatische Beziehungen anzugehen und Verbündete zu finden um so ihrer Isolation zu entkommen.104 In erster Instanz wurde aber nicht an gegenseitige Beziehungen gedacht. Das hatte mit der internationalen Lage am Ende der Vierziger Jahre zu tun. Diese internationale Lage bestimmte und erschwerte nämlich den Handlungsspielraum und die Handlungsweise beider Staaten. Die DDR, und mit ihr die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR), ergriffen 1949 keine Initiativen, Beziehungen zur DRV aufzunehmen, weil sie Frankreich als Gegner der DRV nicht provozieren wollten. Die DRV befand sich 1949 in einer schwierigen Situation und ihre Lage wurde immer prekärer. Grund dafür war erstens Frankreichs Anerkennung des „Staates Vietnam“ am 8. März 1949 im Süden Vietnams mit Kaiser Bao Dai an der Spitze. Nordvietnam fühlte sich jetzt bedroht. Zweitens sorgte die Gründung der Volksrepublik China am 1. Oktober 1949 in Nordvietnam für Panik. Die DRV betrachtete die Aufnahme diplomatischer Beziehungen jetzt als Voraussetzung für die Festigung ihrer Machtposition, damit sie China ein Gegenwicht bieten konnte. Am 14. Januar 1950 rief Ho Chi Minh alle Regierungen der Welt auf, Beziehungen zur DRV aufzunehmen. China, die UdSSR und andere sozialistische Volksdemokratien gingen daraufhin Beziehungen zur DRV ein.105 Die DDR konnte diese Aufforderung zwar nicht Folge leisten, aber wollte sich symbolhaft und solidarisch der DRV gegenüber verhalten. Sie suchte auf Grund dessen nach einer Zwischenlösung. Die DDR verwendete dafür einen Brief der Lao Dong Partei, in dem sie auf die Anwesenheit der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in der DRV aufmerksam gemacht worden war. Der ostdeutsche Ministerrat beantwortete diesen Brief am 2. Februar 1950 in einer Regierungserklärung. Obwohl diese Erklärung keine Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zur DRV implizierte, stellte sowohl die DDR als die DRV es später so dar. In Wirklichkeit bezog sich diese Erklärung nur auf das Thema der deutschen 104 Länder mit denen die DDR in den Vierziger und Fünfziger Jahren diplomatische Beziehungen aufnahm: UdSSR 1949, Volksrepublik Bulgarien, Republik Polen 1949, Tschechoslowakische Föderative Republik 1949, Republik Ungarn 1949, Rumänien 1949, Volksrepublik China 1949, Koreanische Volksdemokratische Republik 1949, Sozialistische Volksrepublik Albanien 1949, Mongolische Volksrepublik 1950, Demokratische Republik Vietnam 1954, Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien 1957; Siehe dazu Muth Die DDR-Auβenpolitik 1949-1972, S. 234 und Scholtyseck, Die Auβenpolitik der DDR, S. 7. 105 Joachim Krüger, „Die Anfänge der Beziehungen zwischen der DDR und der DR Vietnam“, in: Asien, Afrika, Lateinamerika Nr. 19 (Berlin 1991), S. 815-826, hier S. 817. 44 ehemaligen Fremdenlegionäre. Die DDR erklärte erstens ihre Sympathie und Freundschaft mit dem nordvietnamesischen Volk. Zweitens wendete sie sich an die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre: „Die Regierung der Demokratischen Republik Deutschland fordert alle Deutschen, die als Fremdenlegionäre in die französische Kolonialarmee gepreβt wurden, auf, mit dem schmutzigen und verbrecherischen Krieg Schluβ zu machen und zur Volksarmee Vietnam überzugehen.“ Außerdem bot sie den Überläufern eine Alternative für die Fremdenlegion an: „Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik garantiert alle deutschen Soldaten, die aus der französischen Kolonialarmee zur Volksarmee übergehen, vollkommene Amnestie, Arbeit entsprechend ihren Wünschen und Fähigkeiten sowie berufliche Ausbildungsmöglichkeiten. Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik wird alles unternehmen, um die Heimreise dieser deutschen Soldaten zu erleichtern.“ In der DDR würde „ein ehrenhaftes und sinnvolles Leben“ auf sie warten.106 Diese Erklärung wurde am 3. April 1950 vom Parteivorstand der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) in einem Brief an das Zentralkomitee (ZK) der KPV bestätigt. In dem Brief hieß es, dass die DDR einen Beitrag liefern wolle die Vietnamesen vom imperialistischen Joch zu befreien.107 Der Aufruf zur Heimkehr der deutschen (ehemaligen) Fremdenlegionäre wurde am 21. Februar 1950 von Erich Honecker als Leiter der Zentralrates der Freien Deutschen Jugend (FDJ) wiederholt. Aus dem Text dieser Aufruf – deren Entwurf am 20. Februar aufgezeichnet wurde – geht hervor, wie die DDR sich schon ab Februar 1950 über das Thema der deutschen (ehemaligen) Fremdenlegionäre äußerte. Honecker stellte Frankreich als ein imperialistisches Land dar, das als Büttel und Geschäftsteilhaber des amerikanischen Imperialismus dazu beigetragen habe West-Deutschland in eine Kolonie zu verwandeln. Er kritisierte Frankreichs Hineinpressen der Fremdenlegionäre in die Fremdenlegion. Er betonte jedoch, dass die Fremdenlegionäre jetzt wegen der Unvereinbarkeit ihrer Arbeit in der Fremdenlegion mit der Zukunft und Ehre Ostdeutschlands überlaufen müssten. Sie dürften nicht länger ihre Haut zu Markte tragen und sich so als Feinde eines einheitlichen und friedliebenden Deutschlands profilieren. Die Fremdenlegionäre sollten sich zu einer Rückkehr in die Heimat entscheiden: „Erkennt, daβ die Heimat durch den Aufruf der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik euch den Weg zur Rückkehr in die Reihen des Volkes geebnet hat.“ Außerdem 106 Bundesarchiv (BArch), DO 1/9125, Ministerratsbeschluss, 2.2.1950. Der vollständige Text des Ministerratsbeschlusses ist im Anhang III zu finden. 107 Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv (SAPMO-BArch), NY 4036/712, Brief der Parteivorstand der SED an das ZK der KPV, Anlage Nr. 2 zum Protokoll vom 3.4.1950. 45 versprach die FDJ ihnen ebenfalls ein besseres Leben in der DDR: „Jeder, der jetzt die Fremdenlegion verlässt, wird in den Genuss der Amnestie der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik kommen und in der Heimat Arbeit und Brot erhalten.“ Die Fremdenlegionäre sollten sich für ihre Freiheit in der DDR anstatt für den Tod in der Fremdenlegion entscheiden.108 Die Berichte aus Ostdeutschland erreichten natürlich nicht nur die Fremdenlegionäre, sondern auch die Abgesandten des Viet Minh, die sich über die Einmischung der DDR freuten. Vor allem Borchers war von Seiten Nordvietnams ab 1950 ein wichtiger Vertreter, während Frey und Schröder die DRV 1950 und 1951 in Richtung BRD beziehungsweise DDR verließen.109 Das Borchers als Ansprechpartner für die DDR so wichtig war, hatte damit zu tun, dass er schon früh zum Viet Minh übergelaufen war, eine höhe Position innerhalb des Viet Minh erreicht hatte und auf Grund seiner deutschen Nationalität ein guter Ansprechpartner sein konnte. Borchers geriet auf Grund dessen in den Mittelpunkt der Zusammenarbeit zwischen der DDR und der DRV. Er nahm die Korrespondenz zur DDR 1950 auf. Es liegt ein Brief von Borchers an Erich Honecker vor, der Auskunft über diese Korrespondenz im Jahre 1950 vermittelt. Borchers schrieb am 15. Mai 1950, dass zum ersten Mal seit dem Anfang des Krieges am 19. Dezember 1946 ein Weg zu den Freunden und Genossen in Deutschland eingeschlagen sei. Aus dem Brief geht hervor, auf welche Art und Weise Borchers sich mit den Fremdenlegionären beschäftigte, noch bevor ostdeutsche Vertreter sich ab 1951 um sie kümmerten. Borchers teilte in seinem Brief mit, der Aufruf der FDJ vom 20. Februar sei „mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln unter die Adressanten gebracht worden.“ Er schickte Honecker Exemplare von der Waffenbrüder und von Flugblättern und Klebezetteln, um zu zeigen, was für Arbeit den Viet Minh in Nordvietnam geliefert hatte, um die Fremdenlegionäre zum Überlaufen zu bewegen. Als Gegenleistung bat er die FDJ darum, Bücher, Zeitungen und Zeitschriften zu schicken, damit der Viet Minh die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre noch besser schulen und auf ihre Heimkehr vorbereiten könne.110 Es gab nicht nur Kontakte zwischen Borchers und den Regierungsvertretern in der DDR. Wegen des Fehlens eines Ostdeutschen Botschafters in Indochina wurden am Anfang 108 SAPMO-BArch, DY 24/3691, Bericht von Erich Honecker, Zentralrat der FDJ, 20.2.1950. Honecker war u.a. 1946 Mitbegründer und bis 1955 Vorsitzender der FDJ, ab 1950 Mitglied des Politbüros des ZK der SED, und ab 1949 Abgeordnete der Provisorischen Volkskammer. Siehe dazu: Baumgartner, Biographisches Handbuch Bd. 1, S. 336-337. 109 Schütte, Zwischen den Fronten, S. 267. 110 SAPMO-BArch, DY 24/3691, Brief von Chien Sy an Erich Honecker, 15.5.1950. 46 der Fünfziger Jahre die Kontakte zwischen der DDR und der DRV in Moskau und Peking von den dortigen Vertretern beider Länder hergestellt. In Peking war Johannes König in diesen Jahren den Vertreter der DDR. In Moskau und Peking wurden unter anderem gegenseitige Informationen und die Übergabe von Erklärungen und Stellungnahmen der DDR und DRV, der Parteien und der gesellschaftlichen Organisationen ausgetauscht. Auch wurde hier alles im Bezug auf die deutschen (ehemaligen) Fremdenlegionäre erledigt. Es muss aber betont werden, dass die Kontakte und Beziehungen am Anfang der Fünfziger Jahren noch sehr eingeschränkt waren.111 Nichtsdestotrotz stand Borchers in diesen Jahren auch mit König in Kontakt. Am 20. Oktober 1950 wand Borchers sich an ihn und erwähnte, der Kern der Deutschlandpropaganda in der DRV sei, die deutschen Fremdenlegionäre vom Fehler ihres Eintritts in die Fremdenlegion zu überzeugen. Die Erfolge des Viet Minh sie davon zu überzeugen waren allerdings gering. Michels zufolge hing die Loyalität der Fremdenlegionäre und die Entscheidung überzulaufen nicht von ihrer politischen Einstellung, sondern von ihrer Besoldung, Verpflegung und dem Zusammengehörigkeitsgefühl mit ihren Kollegen ab. 112 Die meisten von ihnen waren nämlich kurz nach dem Zweiten Weltkrieg politisch und gesellschaftlich desorientiert in die Fremdenlegion eingetreten. Sie wollten aus ihrer oft erbärmlichen Situation heraustreten und beschäftigten sich mehr mit ihrem eigenen Wohlbefinden als mit der europäischen Politik. In der Fremdenlegion erhofften sie ein neues Zuhause und eine neue, abenteuerliche Zukunft. Einmal im Dienst bemerkten sie aber, dass das Leben als Fremdenlegionär nicht so abenteuerlich und traumhaft war, wie sie sich das gewünscht hatten. Gefühle von Heimweh und der Wunsch der Fremdenlegionäre, in die Heimat zurückzukehren, sorgten in den meisten Fällen für das Überlaufen zur Volksarmee. Von Familienmitgliedern erhaltene Briefen konnten positiv auf die Entscheidung überzulaufen und nach Hause zurückzukehren einwirken.113 Es war auch der DDR in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre bekannt, dass die meisten deutschen Fremdenlegionäre nicht aus politischen Gründen überliefen, obwohl sie es später so darstellte. Das Ministerium für Staatssicherheit teilte hinsichtlich der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre des ersten Heimkehrer-Transports mit, dass nur wenigen aus politischer Überzeugung übergelaufen seien. Stattdessen hätten sie auf Grund der Unerträglichkeit der grausamen Behandlung in der Fremdenlegion und der Aussicht auf ein Krüger, „Die Anfänge der Beziehungen zwischen der DDR und der DR Vietnam“, S. 820. Michels, Deutsche in der Fremdenlegion 1870-1965, S. 215-217. 113 Ibidem, S. 215-217. 111 112 47 sicheres Leben in der Volksarmee die Seite gewechselt.114 Wahrscheinlich blieben persönliche statt politische Gründe auch für die deutschen Fremdenlegionäre, die mit den nächsten Heimkehrer-Transporten in die DDR zurückkehrten, entscheidend. Auf jeden Fall zeigen die gesamten Überläuferzahlen hinsichtlich der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre aus der DRV, dass nur eine Minderheit tatsächlich zur Volksarmee überlief. Michels hat berechnet, dass während der ganzen Indochinakrieg nur 1,8% der Fremdenlegionäre zum Viet Minh übergelaufen seien. Das bedeutete 1.325 von insgesamt 72.833 Fremdenlegionären.115 Wenn politische Gründe zum Überlaufen beigetragen hätten, wäre diese Zahl auf Grund einer möglichen gegenseitigen Beeinflussung der deutschen Fremdenlegionäre höchstwahrscheinlich größer gewesen. Nach dem Überlaufen erwartete die Überläufer – und besonders die Kriegsgefangenen – eine dreimonatige, politische Ausbildung die zum Ziel hatte, sie auf ihre Heimkehr vorzubereiten.116 Aus einem Bericht über den dritten Heimkehrer-Transport geht hervor, dass die Fremdenlegionäre sich in dieser Ausbildung mit der Weltfriedenslage und der Situation in der DDR auseinandergesetzt hätten.117 Die Schulung der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre war allerdings keine leichte Aufgabe für den Viet Minh. Borchers stellte fest: „Doch war und ist unsere Arbeit schwer. In die Köpfe dieser schlecht denazifizierten, verirrten und verwirrten Landsknechte und Landsleute ‚mehr Licht‘ zu bringen, ist schwer – doppelt schwer, wenn man, wie wir hier, jahrelang von Welt und Vaterland fast hermetisch abgeschlossen in einem Land lebt und arbeitet, das der französischen Imperialismus in Verhältnissen unbeschreiblicher Rückständigkeit gelassen hat.“ Borchers versuchte dieses Problem mittels mehr Berichten aus der DDR zu beseitigen. Er bat König, ihm Propagandamaterial zu schicken, zum Beispiel Zeitschriften, Texte der zwischen der DDR und anderen Staaten geschlossenen Verträge, offizielle Texte in Bezug auf die Agrar-, Industrie- und Schulreform, Lebensbeschreibungen, Fotos und Schriften von Karl Marx, Friedrich Engels, Josef Stalin, Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl, Marxistische Studien über 114 Die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes (BStU), MfS 511/62, Bd. 29, Abteilungsleiter Paul Rumpelt der Abt. IV an Staatssekretär Erich Mielke im Hause, betr. Ablauf unserer Arbeit im Lager Bischofswerda, 8.4.51, S. 000278-000279. Rumpelt war u.a. zwischen 1950 und 1952 Haupt der Abt. IV des für Spionageabwehr. Siehe hierzu Kapitel IV. 115 Michels, Deutsche in der Fremdenlegion 1870-1965, S. 217-218. 116 SAPMO-BArch, DY 30/IV 2-391, Herbert Warnke an das ZK der SED, 3.4.1951. Warnke war u.a. Vorsitzender des Bundesvorstandes des FDGB, zwischen 1949 und 1975 Mitglied des Parteienvorstands bzw. des ZK der SED und zwischen 1950 und 1957 Abgesandter der Volkskammer. Siehe dazu: Gabriele Baumgartner und Dieter Hebig (Hrsg.), Biographisches Handbuch der SBZ/DDR 1945-1990 Bd. 2 (München 1997), S. 851. 117 BArch, DO I/9131, Bericht über den dritten Heimkehrer-Transport ehemaliger Fremdenlegionäre aus Vietnam, 20.2.1953. 48 die deutsche Geschichte und die Volkswirtschaftslehre sowie deutsche Grammatik-, Wörterund Liedbücher.118 Die Korrespondenz zwischen der DDR und Borchers zeigt, wie die DDR und die DRV ab 1950 in Bezug auf das Überlaufen und ab 1951 in Bezug auf die ideologische Schulung der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre im Gebiet Nordvietnams zusammenarbeiteten und so deren Heimkehr fortgesetzt. In den nächsten Jahren wurde diese Zusammenarbeit weitergesetzt. Bis Ende 1954 blieben die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre ein Schwerpunkt der Beziehungen zwischen der DDR und der DRV.119 Nach 1954 dehnten sich die Beziehungen zwischen Ostdeutschland und der DRV jedoch aus. Die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen wurden 1954 aufgenommen. Vor 1954 hatten sowohl die DDR als auch die DRV diese Beziehungen nicht aufnehmen können. Für Nordvietnam war dies im Indochinakrieg begründet. Die schlechte wirtschaftliche Lage der DDR auf Grund der deutschen Teilung und ihrer Widergutmachungszahlungen ließen keine Handels-und Wirtschaftliche Beziehungen mit der DRV bis 1954 zu.120 Erst am 8. Dezember 1954 wurden zwischen der DDR und der DRV offizielle internationale Beziehungen aufgenommen.121 Ein weiterer Schritt wurde am 16. Dezember 1954 mit der Vereinbarung, Botschafter auszutauschen, gemacht. König wurde der ostdeutsche Botschafter in Hanoi und traf dort am 10. Januar 1955 ein. Am 13. Januar schrieb er sein Beglaubigungsschreiben an Ho Chi Minh.122 Aus der ,,Zusammenfassung der Berichte, die Botschafter König über seine Anwesenheit in Hanoi übermittelt hat“ stellt sich heraus, welche Hauptpunkte es in der Zusammenarbeit und den Gesprächen zwischen König und den Nordvietnamesen gab. Ein erster Punkt war die materielle Hilfe der Ostdeutschen an die DRV und ein zweiter die Heimkehr von deutschen ehemaligen Fremdenlegionären. Drittens informierte die DDR die Nordvietnamesen über ihre Erfahrungen in Bezug auf den Aufbau eines einheitlichen, demokratischen Deutschlands, damit die Lao Dong Partei Lehren daraus ziehen konnte.123 Es gab ab 1955 aber auch einen gegenseitigen Austausch: Am Ende des Jahres traf der nordvietnamesische Botschafter Nguyen Song Tung in Ost-Berlin ein.124 118 SAPMO-BArch, NY 4182/1269, Erwin Borchers an den Botschafter der DDR in China, 20.10.1950. Krüger, „Die Anfänge der Beziehungen zwischen der DDR und der DR Vietnam“, S. 821. 120 Ibidem, S. 822. 121 Ibidem, S. 824. 122 SAPMO-BArch,NY 4182/1270, Zusammenfassung der Berichte, die Botschafter König über seine Anwesenheit in Hanoi übermittelt hat, ohne Datum. 123 SAPMO-BArch, DY 30/J IV 2/2 J-97, Zusammenfassung der Berichte die Botschafter König über seine Anwesenheit in Hanoi übermittelt hat, ohne Datum. 124 Krüger, „Die Anfänge der Beziehungen zwischen der DDR und der DR Vietnam“, S. 824. 119 49 Par. 3 „Operation Heimkehr“: Die Vorbereitung der Heimkehrer-Transporte Während die Fremdenlegionäre in Nordvietnam zum Überlaufen überredet und danach politisch geschult wurden, machte Ostdeutschland sich ab Februar 1950 darüber Gedanken, wie sie die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in die DDR zurückführen könnte. Wie dieser Beschlussfassungsprozess genau zustande kam, ist wegen des Fehlens der Protokolle und Vermerke der Ministerratssitzungen vom Anfang 1950 jedoch nicht ermittelbar.125 Klar ist aber, dass vor allem die Abteilung Internationale Verbindungen der SED, die Abteilung Bevölkerungspolitik des Ministeriums des Innern, die Hauptabteilung I des Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten und Botschafter Johannes König sich mit den HeimkehrerTransporten auseinandersetzten.126 Während die DDR sich mit der Organisation und dem Vollzug dieser Transporte beschäftigte, wurde sie zugleich auch mit der Gruppe der entlassenen Fremdenlegionäre konfrontiert. Die ersten von ihnen waren nach dem Zweiten Weltkrieg in die Fremdenlegion eingetreten, hatten ihre fünfjährige Dienstzeit geleistet und waren danach ehrenhaft entlassen worden. Diejenigen von ihnen, die vor 1945 in Ostdeutschland ansässig gewesen waren, kehrten jetzt in einem neuen, sozialistischen Staat zurück. In den Archiven gibt es nur sehr wenig Berichte vom Ende des Jahres 1950 und Anfang 1951 über diese Gruppe der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre. Sie werden lediglich kurz in der Korrespondenz zwischen der Abteilung Internationale Verbindungen des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten und dem Ministerium des Innern über die Heimkehrer erwähnt. In dieser Korrespondenz wird mitgeteilt, dass diese entlassene Fremdenlegionäre in den monatliche Berichten des Ministeriums des Innern regelmäßig erwähnt seien.127 Des weiteren wurde über sie geschrieben, dass die Parteiorganisationen in den Kreisen angeschrieben wurden, um nach den entlassenen Fremdenlegionäre zu fahnden, mit ihnen zu reden und sie auf ihr falsches Verhalten hinzuweisen.128 Wie die DDR sich nachher diese Gruppe der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre gegenüber in der Öffentlichkeit verhielt, ist unklar. Obwohl die ersten entlassenen Fremdenlegionäre schon 1950 in die DDR 125 Das Fehlen der Protokolle und Vermerke der Ministerratssitzungen wird auch von Joachim Krüger in seinem Artikel „Die Anfänge der Beziehungen zwischen der DDR und der DR Vietnam“ auf Seite 819 bestätigt. 126 Siehe für die Organisationsstruktur des MfAA: Muth, Die DDR-Auβenpolitik 1949-1972, S. 104-112. Die HA I setzte sich zwischen 1949 und 1954 mit den politischen Angelegenheiten in der UdSSR und in den Volksdemokratien auseinander. Ab 1955 beschäftigte die HA II sich mit Asien, Amerika und Afrika. 127 SAPMO-BArch, DY 30/IV 2-391, Brief betr. die Kriegsgefangenen aus Vietnam, 9.12.1950. 128 SAPMO-BArch, DY 30/IV 2-391, Die Landesleitung der SED Thüringen an die Abt. Staatliche Verwaltung des ZK der SED, 5.3.1951. 50 zurückkehrten, dauerte es noch ein Jahr bevor die ersten 69 Heimkehrer am 29. März 1951 im ostdeutschen Bischofswerda eintrafen. Bevor der erste Heimkehrer-Transport durchgeführt werden konnte, musste nämlich von der DDR viel vorbereitet werden. Das war auch bei den nächsten Heimkehrer-Transporten der Fall. Ein erster organisatorischer Schwerpunkt war die Logistik. Die logistische Organisation beinhaltete die Bestimmung des genauen Reiseplans. Die DDR entschied sich dafür, die Reise ab der DRV durch China, die UdSSR und Polen führen zu lassen. Bei der Grenzstation Otpor wurde die Grenze zur DDR überschritten. In der DDR setzte sich die Reise via Frankfurt Oder nach Bischofswerda. Insgesamt waren die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre ein paar Wochen unterwegs. Die HeimkehrerTransporte konnten nur mit Durchreiseerlaubnissen durchgeführt werden, wozu die DDR die betreffenden Länder vor jedem Transport um Zustimmung fragte. So wurde Anton Ackermann zum Beispiel am 20. Juni 1950 vom Walter Ulbricht damit beauftragt, einen Vorschlag für ein Telegramm an China und die UdSSR vorzubereiten, damit sie die Durchreiseerlaubnisse erhalten würden.129 Ähnliche Telegramme wurden an Polen geschickt. Die DDR schickte dem Ausland nicht nur Telegramme bezüglich der Durchreise. Sie teilte auch die Übernahme aller Kosten vom Ministerium des Innern mit. Zweitens wurde von Seiten der DDR erfasst, welche und wie viele deutsche ehemalige Fremdenlegionäre in die DDR zurückkehren würden. Vom Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten wurden Listen mit den Namen und Fotos von den Heimkehrern und ihren Lebenslaufen geführt. Eine genaue Verwaltung war wichtig, damit die DDR eine Übersicht über die in der BRD und DDR ansässigen Fremdenlegionäre hatte. Die verschiedenen Ministerien führten hierzu zwischen 1950 und 1956 eine gegenseitige Kommunikation. Am 16. Januar 1951 schrieb das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten dem Ministerium des Innern zum Beispiel, dass mit dem ersten Transport siebzig deutsche ehemalige Fremdenlegionäre in die DDR zurückgeführt würden. Von ihnen kamen zwanzig aus der DDR, fünf aus Berlin und die anderen aus Westdeutschland.130 Letztendlich verringerte die 129 SAPMO-BArch, NY 4182/1269, Walter Ulbricht an Anton Ackermann, 20.6.1950. Ulbricht war u.a. zwischen 1946 und 1973 Mitglied des Parteivorstandes bzw. des ZK der SED, zwischen 1946 und 1973 Mitglied des Zentralsekretariat bzw. des Politbüros, zwischen 1948 und 1973 Mitglied des Volksrates bzw. der Volkskammer, zwischen 1950 und 1953 Generalsekretär der SED, und zwischen 1953 und 1971 erster Sekretär des ZK der SED. Siehe dazu: Baumgartner, Biographisches Handbuch Bd. 2, S. 948-949. Ackermann war zwischen 1949 und 1953 Staatssekretär im MfAA, zwischen 1950 und 1954 Mitglied des ZK der SED, zwischen 1950 und 1953 Kandidat des Politbüros des ZK der SED und zwischen 1950 und 1954 Abgesandt der Volkskammer. Siehe dazu: Baumgartner, Biographisches Handbuch Bd. 1, S. 2. 130 BArch, DO I/9125, Max Keilson an die Abt. Bevölkerungspolitik des MdI, 16.1.1951. Keilson war nach der Gründung der DDR die Leiter der Abt. Presse und Information im MfAA und leitete bis 1953 die HA I des MfAA. Siehe dazu: Baumgartner: Biographisches Handbuch Bd. 1, S. 382-383. 51 Zahl sich auf 69, da ein deutscher ehemaliger Fremdenlegionär vor der Reise verstarb.131 In einem nächsten Bericht des Ministeriums des Innern an das ZK der SED vom 24. Januar wurde auch über die Herkunft der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre des ersten Heimkehrer-Transports berichtet. Dem Ministerium des Innern zufolge war es für die westdeutschen ehemaligen Fremdenlegionäre schwierig, Asylrecht in der DDR zu erhalten. Man musste jedoch versuchen das – für diejenigen die in der DDR bleiben möchten – zu erledigen.132 Die DDR war hieran natürlich sehr interessiert, da es ihrem Ruf zugute kam wenn Westdeutsche nicht in ihre Heimat zurückkehren wollten. Außerdem war die DDR an der genauen Angabe der Herkunft der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre interessiert, da sie deren Zuverlässigkeit prüfen wollte. DDR-Bürger wurden selbstverständlich als zuverlässiger betrachtet als Westdeutsche. Auch war es wahrscheinlicher, dass sie in der DDR blieben anstatt in den Westen zu gehen. Genau so wichtig wie ihr ost- beziehungsweise westdeutscher Hintergrund, und damit zusammenhängend, fand die DDR den Status der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre als Überlaufer oder Kriegsgefangene. In dem Ministerratsbeschluss vom 2. Februar 1950 war nur von der Rückkehr der Überläufer die Rede gewesen. Beim ersten Heimkehrer-Transport wurden nur Überläufer rückgeführt, bei den nächsten Transporten jedoch auch Kriegsgefangene. Der zweite Transport bestand sogar überwiegend aus Kriegsgefangenen.133 Bevor dieser Transports ausgeführt wurde, hatten deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, die seit September und Oktober 1950 in nordvietnamesischer Kriegsgefangenschaft waren, Pieck im April 1951einen Brief geschrieben. Dieser Brief war vom ZK der Lao Dong Partei unterschrieben und wurde über die Partei an die DDR geschickt. Hieraus geht das Bemühen der DRV um die deutschen Kriegsgefangenen hervor, sowie ihren offensichtlichen Wunsch, die DDR auf die Kriegsgefangenenfrage anzusprechen. In dem Brief baten die Kriegsgefangenen um eine Vermittlung der DDR mit der DRV im Bezug auf ihre Freilassung. Als Gegenleistung versprachen sie: „Unsere Stimmen werden bei den künftigen Wahlen schwer in die Waagschale fallen. Wir werden dem deutschen Volke alles das erzählen können, was wir während unserer Gefangenschaft gesehen, gehört und somit verstanden haben. Unsere Stimme wird alle begreifen lassen, daβ nur die wahre Demokratie ein Volk zu 131 BArch, DO I/9125, Anton Ackermann an den Staatssekretär des MdI, Herbert Warnke, 8.3.1951. SAPMO-BArch, DY 30/IV 2 – 391, Die HA Staatliche Verwaltung des MdI an die Abt. Staatliche Verwaltung des ZK der SED, 24.1.1951. 133 Siehe für die genauen Zahlen von Überläufern und Kriegsgefangenen Anhang IV. 132 52 einer glücklichen Zukunft führen kann.“ 134 Die Abteilung Internationale Verbindungen der SED teilte Ulbricht am 18. Mai 1951 den Inhalt dieses Briefes mit.135 Die Frage der Kriegsgefangenen wurde aber häufiger gestellt. Zur Zeit des zweiten Transportes wurde die Regierung von zwei Mitarbeitern des Ministeriums des Innern anlässlich ihrer Dienstreise vom 2. März bis 11. April 1952 auf die Anwesenheit der Kriegsgefangenen aufmerksam gemacht. Außerdem fragten sie, was mit den deutschen ehemaligen Fremdenlegionären gemacht werden sollte. Sie wiesen die Regierung darauf hin, dass im Aufruf der Regierung vom 2. Februar 1950 nur den Überläufern eine besondere Unterstützung in der DDR zugesichert sei. Darum sei es zu entscheiden, ob die gegebenen Zusicherungen auch für den Kreis der Kriegsgefangenen Gültigkeit haben solle.136 Am 14. Oktober 1952 wurde nochmals auf dieses Thema zurückgekommen und zur Übernahme von 69 weiteren Kriegsgefangenen Stellung genommen. Das Ministerium des Innern wiederholte, dass in der Regierungserklärung vom 2. Februar 1950 zwar nichts über die Kriegsgefangenen erwähnt sei, aber dass die Regierung nach dem ersten Transport auf sie aufmerksam gemacht worden sei. Sie betonte aber, dass die Frage in Bezug auf die Rückführung von Kriegsgefangenen nicht gelöst sei. In dem Bericht vom 14. Oktober stellte sie eine große Zahl verschwundener Kriegsgefangener fest. Von den 92 in die DDR rückgeführten Kriegsgefangenen sei zwei Drittel verschwunden, von den 41 Überläufern nur vier. Das Ministerium des Innern betonte, dass es auf Grund dieser Quoten nicht ratsam sei, noch mehr Kriegsgefangenen in die DDR zurückzuführen.137 Auch der ostdeutsche Botschafter in der UdSSR war besorgt. Er schrieb nämlich, dass die meisten Kriegsgefangen in Westdeutschland beheimatet seien und drängte darauf, die Frage der großen Zahl der Kriegsgefangenen zu lösen „[…] da doch die Möglichkeit besteht, wie die Erfahrung bei Ihnen gezeigt hat, dass sie wieder in die französischen Fremdenlegion gehen oder zu Söldnern der Adenauer-Truppen werden.“138 134 SAPMO-BArch, NY 4036/712, Gesuch an den Vorsitzenden der SED (von der Abt. Internationale Verbindungen aus dem Französischen übersetzt), 20.4.1951. 135 SAPMO-BArch, NY 4182/1269, Hausmitteilung der Abt. Internationale Verbindungen der SED an Walter Ulbricht, 18.5.1951. 136 SAPMO-BArch, DO I/9131, Das MdI über die Dienstreise vom 2.3.-11.4.1952 von Hauptsacharbeiter Bruno Sedlaczek und Hauptreferent Heinze, 15.4.1952. Sedlaczek war ab 1951 Angehörige des diplomatischen Dienstes der DDR und Mitarbeiter im MfAA. Siehe dazu: Baumgartner, Biographisches Handbuch Bd. 2, S. 844. Auskünfte über Heinze konnten von der Autorin nicht ermittelt worden. 137 SAPMO-BArch, DO I/9142, Stellungnahme von der Abt. Bevölkerungspolitik des MdI zur Übernahme von weiteren 69 ehemaligen Fremdenlegionären, die aus vietnamesischer Kriegsgefangenschaft entlassen und in die DDR überführt werden sollen, 14.10.1952. 138 Politisches Archiv des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten (Pol.Arch.AA), MfAA/A 8299, Bericht von der Botschaft der DDR in der UdSSR an das MfAA, 25.5.1954. 53 Die DDR hegte also Zweifel an der politischen Zuverlässigkeit der Kriegsgefangenen. Es wäre aber falsch zu behaupten, dass die DDR die Überläufer nicht sowieso mit Misstrauen betrachtete. In ihrer Sicht hatten sowohl die Überläufer als auch die Kriegsgefangenen für die falsche Seite gekämpft. Dadurch hatten sie sich gegen ein kommunistisches Brudervolk gewendet, das mutig für seine Freiheit und den Aufbau eines demokratischen Landes kämpfte. Die Überläufer vertraten jedoch eine bessere Position als die Kriegsgefangenen, da sie sich wenigstens selbst für einen Seitenwechsel entschieden hatten, auch wenn sie das meistens nicht aus politischer Überzeugung taten. Trotz ihres Misstrauens entschied sich die DDR dafür, beide Gruppen zurückzuführen. Sie konnte es der sich schon seit 1951 mit der deutschen Kriegsgefangenenfrage auseinandersetzenden nordvietnamesischen Regierung nicht verweigern. Die DRV drängte vor allem immer wieder auf die Repatriierung der Kriegsgefangenen. Die DDR hob nachdrücklich hervor, was für eine schwere Aufgabe es für die nordvietnamesische Regierung sei, sich um die Kriegsgefangenen zu kümmern. Außerdem habe der schlechte gesundheitliche Zustand vieler Kriegsgefangen die DDR dazu verpflichtet, die Sorge für sie zu übernehmen, da sonst mit einer hohen Sterbeziffer von etwa achtzig Prozent zu rechnen sei. Eine andere Lösung sei es, die Kriegsgefangenen zu verhaften.139 In späteren Berichten ist von diesem Verhaftungsvorschlag aber niemals wieder die Rede, und mit den Heimkehrer-Transporten wurden außer Überläufern auch Kriegsgefangenen zurückgeführt. Die Frage der Kriegsgefangenen war nach der Waffenstillstand in Indochina 1954 aktuell. König berichtete nach seiner Ankunft in Hanoi 1955, die Frage der Kriegsgefangenen sei von der nordvietnamesischen Regierung dringend gestellt, da die DRV sie nach der Beendigung des Krieges nicht an Frankreich ausgeliefert habe und sie für die DRV ein ernstes Problem darstellten. Dieses Problem bestand laut Königs Berichten darin, dass die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre sich schlecht verhalten hätten und die nordvietnamesische Bevölkerung von ihnen belästigt worden sei. So stahlen sie zum Beispiel ihre Nahrung. Manche deutsche ehemaligen Fremdenlegionäre wollten so gerne das Lager verlassen, dass sie sich sogar als Kriegsgefangene der französischen Seite übergeben wollten, was politisch ungewünscht sei.140 Die DDR genehmigte wiederum den Heimkehr-Versuch der DRV. 139 BArch, DO I/9142, Stellungnahme von der Abt. Bevölkerungspolitik des MdI zur Übernahme von weiteren 69 ehemaligen Fremdenlegionären, die aus vietnamesischer Kriegsgefangenschaft entlassen und in die DDR überführt werden sollen, 14.10.1952. 140 SAPMO-BArch, NY 4182/1270, Zusammenfassung der Berichte, die Botschafter König über seine Anwesenheit in Hanoi übermittelt hat, ohne Datum; DY 30/J IV 2/2 J-97, Zusammenfassung der Berichte, die Botschafter König über seine Anwesenheit in Hanoi übermittelt hat, ohne Datum. 54 Insgesamt wurden in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre 146 Kriegsgefangenen und 617 Überläufer zurückgeführt. Aus das gegenseitigen Verhalten der DDR und DRV ergibt sich, wie sehr sich die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, und hauptsächlich die Kriegsgefangen unter ihnen, zwischen zwei Fronten befanden. Einerseits wollte die DRV sich ihrer entledigen, andererseits hatte die DDR Angst, sie nach Ostdeutschland zurückzuführen. Doch es wäre falsch es so darzustellen, als ob die DDR nur aus Solidarität mit der nordvietnamesischen Regierung handelte und die Rückführung lediglich negativ betrachtete. Sie hätte sich wahrscheinlich nicht so viel Mühe gegeben, wenn sie nicht auch von Anfang an die Möglichkeit geglaubt hätte, aus der Repatriierung Vorteile ziehen zu können. Die DDR beschäftigte sich mit der Feststellung dieser Vorteile, und ab 1950 wurde das ein dritter Schwerpunkt neben der logistischen Vorbereitung der Heimkehrer-Transporte und die Feststellung der Identität der Fremdenlegionäre. Leo Zuckermann betonte am 9. Juni 1950 die Bedeutung des Themas der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre. Außerdem wies er ihn auf den Vorteil der Rückführung hin: „Augenscheinlich sind viele deutschen Soldaten in Gefangenschaft der Befreiungsarmee von Vietnam. Wenn wir eine Reihe solcher Gefangener nach hier bekommen könnten, so wäre das eine große Sache für unsere Propaganda nach Westdeutschland.“141 Wie die DDR sie nach der Heimkehr für ihre Propagandaziele instrumentalisierte, wird im nächsten Kapitel erläutert. Eine Voraussetzung für die von Anfang an so gut und effektiv wie mögliche Gestaltung der propagandistischen Auswertung des Themas der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre war der Einsatz guter Vertreter. Ihre Einstellung war ein vierter Schwerpunkt der DDR bei der Vorbereitung von jedem Heimkehrer-Transport. Diese Vertreter mussten die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre aus der DRV abholen und nach Ostdeutschland begleiten. Die DDR achtete darauf, wen sie mit den HeimkehrerTransporten beauftragte. Die SED hatte hier die Finger im Spiel. Bevor der erste HeimkehrerTransport ausgeführt wurde, teilte das Ministerium des Innern mit, der erste Transport sei wegen des heutigen Fehlens der Zustimmung der SED für zwei Vertreter noch nicht bald zu 141 SAPMO-BArch, NY 4182/1269, Leo Zuckermann an Wilhelm Pieck, 9.6.1950. Zuckermann war u.a. ab April 1949 Leiter des Sekretariats der Kommission für Außenpolitische Fragen beim ZK der SED. Siehe dazu: Helmut Müller-Enbergs u.a. (Hrsg.), Wer war wer in der DDR? Ein Lexikon ostdeutscher Biografien. Bd. 2 (Berlin 2006), S. 956. Pieck war u.a. zwischen 1946 und 1954 Vorsitzender der SED, zwischen 1946 und 1960 Mitglied des Zentralsekretariat bzw. des Politbüros der SED, und zwischen 1949 und 1960 Präsident der DDR. Siehe dazu: Baumgartner, Biographisches Handbuch Bd. 2, S. 646. 55 erwarten.142 Letztendlich wurden allerdings für jeden Heimkehrer-Transport Vertreter angestellt. Die Auswahlkriterien waren ihre Zuverlässigkeit, Parteiverbundenheit, Mitgliedschaft in gesellschaftlichen Organisationen und ihr fachmännisches Können und Klassenbewusstsein. Diese Überprüfung traf einerseits auf die Ärzte und Sanitäter zu, die mit jedem Transport mitreisten. Diese Personen mussten die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre verpflegen, von denen die meisten unter Tropenkrankheiten wie Malaria litten. Die DDR legte aber nicht nur Wert auf das fachmännische Können der Ärzte, so beweist ein Brief in dem über einen Arzt geschrieben wurde: „Dr. S. ist gerade wegen seiner gesellschaftlichen Aktivität – er ist ein unermüdlicher Agitator – ein wertvoller Mitarbeiter der Charité. Er ist stets bereit, um die Beschlüsse unserer Partei und Regierung zu realisieren. Man kann ihn als einen unserer besten Genossen bezeichnen.“143 Die Vertreter mussten nicht nur allen Anforderungen, die an einen Betreuer, der ins Ausland fährt, gestellt werden, entsprechen, sondern auch eine „besondere Befähigung auf politisch/agitatorischem Gebiet besitzen“.144 Par.4 Die Heimkehrer-Transporte 1951-1956 Nach dem ersten Heimkehrer-Transport im März 1951 wurden noch sechs andere Transporte organisiert und ausgeführt. Der zweite Transport traf am 8. April 1952 in Bischofswerda ein, der dritte am 16. Februar 1953 und der vierte am 13. September 1953. Drei weitere Heimkehrer-Transporte wurden nach der Beendigung des Indochinakriegs ausgeführt und trafen am 16. August 1954, am 5. April 1955 und schließlich am 30. Januar 1956 in Bischofswerda ein. Der sechste Transport war mit 357 Fremdenlegionären der größte. Zwischen 1951 und 1956 wurden insgesamt 763 Fremdenlegionären zurückgeführt, mehr als die Hälfte nach der Waffenstillstand in Indochina.145 Diese Zahlen beziehen sich auf die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre. Im Prinzip richtete die DDR sich vornehmlich auf Deutsche. Es konnten jedoch auch ehemalige Fremdenlegionäre anderer kommunistischer 142 BArch, DO I/9125, Siegfried Büttner an die Abt. Staatliche Verwaltung des ZK der SED, 19.12.1950. Büttner war u.a. seit dem Anfang der Fünfziger Jahre ostdeutscher Diplomat. Siehe dazu: Baumgartner, Biographisches Handbuch Bd. 1, S. 99. 143 BArch, DO 1/9125, Brief der stellvertretenden Abteilungsleiter des Staatssekretariats fürs Hochschulwesen an das Staatssekretariat für Innere Angelegenheiten, 4.6.1954. 144 BArch, DO 1/9125, Brief von Peter Florin an die Abt. Bevölkerungspolitik des MdI, 7.12.1951. Florin war u.a. zwischen 1949 und 1952 Hauptabteilungsleiter im MfAA, und zwischen 1953 und 1966 der Leiter der Abt. Außenpolitik, bzw. Internationale Beziehungen des ZK der SED. Siehe dazu: Baumgartner Biographisches Handbuch Bd. 1, S. 187. 145 Siehe Anhang IV für eine Liste der Heimkehrer-Transporte. 56 Länder, wie Ungarn, der Tschechoslowakei und Rumänien, mit den Heimkehrer-Transporten zurückgeführt werden. Diese nicht-deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre trafen aber nicht in die DDR ein, weil Ostdeutschland für sie keine Sorge tragen wollte.146 Sie wurden vorher, zum Beispiel in Moskau, den jeweiligen Botschaften überlassen. Mit dem vierten Heimkehrer-Transport wurden beispielsweise 85 ehemalige Fremdenlegionäre zurückgeführt, unter ihnen achtzig Deutsche, drei Ungarn und zwei sowjetischen Staatsbürger. Die drei Ungarn wurden in Moskau den Vertreter der ungarischen Botschaft überlassen, die zwei Sowjets wurden in Brest abgeliefert.147 Nichtsdestotrotz waren die Vertreter während der Heimkehrer-Transporte für alle ehemaligen Fremdenlegionäre zuständig. Mit ihren politischen und agitatorischen Qualitäten redeten sie auf die ehemaligen Fremdenlegionäre ein. Wie ihre politische und ideologische Betreuung während der Heimkehrer-Transporte gestaltet wurde, zeigen zwei Erfahrungsberichte von Vertretern des dritten Heimkehrer-Transports. Laut der erste Bericht vom 19. Februar 1953 hielt die Transportbegleitung sich jeden Tag etwa sechs Stunden im Waggon der Heimkehrer auf. Sie hatten eine doppelte Aufgabe. Einerseits mussten die Vertreter die ehemaligen Fremdenlegionäre kennenlernen, damit sie ihre politische Stellungnahme und Zuverlässigkeit feststellen konnten. In Bezug auf die Feststellung der politischen Stellungnahme und Zuverlässigkeit führten die Vertreter mit jedem einzelnen Heimkehrer im Verlaufe der Fahrzeit zwei individuelle Gespräche. Die Themen dieser Gespräche waren die Gründe des Eintrittes in die Fremdenlegion, der Zeitpunkt des Eintreffens in Nordvietnam, das Zeitpunkt des Überlaufens oder der Gefangennahme, die Tätigkeit in der Volksarmee, oder die anderen in Nordvietnam ausgeübten Tätigkeiten. 148 Andererseits hatten die Vertreter die Aufgabe, die schon in der DRV angefangene Ausbildung und Umschulung fortzusetzen und die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre auf ihre Heimkehr in die DDR vorzubereiten. Dafür ließen die Vertreter sie zuerst ihre Geschichte erzählen. Danach besprachen sie die politischen Probleme in der Welt. Die politische Lage der DDR nahm natürlich einen besonderen Platz in den Gesprächen ein. Die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre hatten die Gründung der DDR und deren innen- und außenpolitische Entwicklung nicht miterlebt, und sie mussten darüber informiert werden, 146 Pol.Arch.AA, MfAA/1054, Peter Florin an die Mission in Moskau, 3.1.1952. BStU, MfS 511/62, Bd. 29, Bericht des Staatssekretariats für innere Angelegenheiten des MdI über den fünften Heimkehrer-Transport und die Aufnahme ehemaliger Fremdenlegionäre aus Vietnam, 30.9.54, S. 000092-000094. 148 BArch, DO I/9131, Bericht von Erwin Günther über den dritten Heimkehrer-Transport ehemaliger Fremdenlegionäre aus Vietnam, 20.2.1953. Auskünfte über Günther konnten von der Autorin nicht ermittelt worden. 147 57 weil: „durch die jahrelange Abwesenheit aus der Heimat haben sie oft keine richtige Vorstellung von den vor sich gegangenen Veränderungen.“149 Die Vertreter beabsichtigten diese Fehlvorstellungen mittels einer Aufklärung über die „soziale Lage nach 1945“ zu korrigieren.150 Die Gespräche und die Verteilung von ostdeutschen Zeitungen wie Neues Deutschland sollten die Umerziehung der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre leisten. In dem Bericht vom 19. Februar wurde auch bemerkt, dass Bilderzeitungen wie DDR Im Aufbau in der Zukunft zu diesem Zweck behilflich sein könnten. Schließlich wurden die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre darauf hingewiesen, dass ihre Hilfe für den friedlichen Aufbau der DDR notwendig sei.151 Was die DDR unter „Hilfe“ verstand, wurde den deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre bald nach ihrer Ankunft in das Quarantänelager Bischofswerda klar. Par. 5 Die Ankunft in Quarantänelager Bischofswerda Nach dem Heimkehrer-Transport trafen die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in Bischofswerda ein. In dieser Stadt in Sachsen war für sie ein Quarantänelager eingerichtet. Es gibt nur einen Bericht, in dem etwas über dieses Lager gesagt wurde. Laut dieses Berichts wurde das Quarantänelager 1936 gebaut und hatte ein Fassungsvermögen von vierzehnhundert Personen. Nach 1945 diente es als Lager für Heimkehrer unterschiedlicher Transporte. So leisteten hier Kriegsgefangene, Internierte, Kriegsverbrecher, Umsiedler und andere Heimkehrer ihre Quarantäne ab. Über das Lager in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre wurde desweiteren berichtet, dass es keine legale Verbindung zur Außenwelt gab. Die Überwachung bestand tagsüber aus einem Zählappell der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, und in der Nacht wurde ein Wachtposten eingerichtet und das gesamte Terrain von einem Hund überwacht. Aus dem Bericht ging aber auch hervor, dass dieser Wachtposten am Haupteingang stand und die Bewacher von daher nicht das ganze Terrain überblicken konnten. Es gab eine zur Unterhaltung dienende Lautsprecheranlage, die das Aktuellste mitteilte. Außerdem gab es im Quarantänelager eine Bibliothek, die aus fast eintausend Bänden bestand. Die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre übernachteten in 149 Pol.Arch.AA, MfAA/1054, Bericht von Herbert Doms über den Empfang und Betreuung des Transportes von Heimkehreren aus Vietnam vom 5.11.-16.11.1953, 19.2.1953. Auskünfte über Doms konnten von der Autorin nicht ermittelt werden. 150 BArch, DO I/9131, Bericht von Erwin Günther über den dritten Heimkehrer-Transport ehemaliger Fremdenlegionäre aus Vietnam, 20.2.1953. 151 Pol.Arch.AA, MfAA/1054, Bericht von Herbert Doms über den Empfang und Betreuung des Transportes von Heimkehreren aus Vietnam vom 5.11.-16.11.1953, 19.2.1953. 58 Baracken. Während der Quarantänezeit der Heimkehrer der ersten drei HeimkehrerTransporte waren die Türe dieser Baracken in der Nacht verschlossen gewesen, doch weil sie deswegen aus den Fenstern geklettert waren, wurde ab 1953 dazu übergangen, die Türen nicht mehr zu verschließen.152 In diese Umgebung wurden die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre von den Vertretern der Heimkehrer-Transporte entlassen. Im Quarantänelager wurde ihre Betreuung vom ZK der SED, vom Ministerium des Innern, vom Amt für Information, vom Ministerium für Staatssicherheit, vom Ministerium für Arbeit und von den gesellschaftlichen Organisationen übernommen. Außerdem waren Aktivisten aus den Betrieben, Gewerkschaftsvertreter des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) und ein Vertreter der Sozialversicherung anwesend.153 Die Ministerien und die gesellschaftlichen Organisationen beschäftigten sich mit unterschiedlichen Formen von Betreuung. So mussten die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre erstens Fragebögen über ihre Vergangenheit in der Fremdenlegion, ihre Zeit als Überlaufer oder Kriegsgefangene und ihr Vorhaben für die Zukunft ausfüllen. Auch wurde im Quarantänelager die Sorge für die materielle Verpflegung übernommen. Die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre empfingen unter anderem Kleidung und einen kleinen Betrag für den Kauf von zum Beispiel Toilettenartikeln und Zigaretten. Darüber hinaus beinhaltete die Betreuung das Führen von Gesprächen und die gemeinsame Suche nach einem Arbeitsplatz für die Zeit nach ihrer Entlassung aus Bischofswerda. Auch wurden mit den deutschen ehemaligen Fremdenlegionären Gespräche über ihren Einsatz in der Öffentlichkeitsarbeit und im Staatssicherheitsdienst geführt, und entsprechende Vorbereitungen getroffen. Der Aufenthalt im Quarantänelager betrug etwa vier Wochen und diente ebenfalls dazu, die schon in der DRV angefangene und während der Heimkehrer-Transporten fortgesetzte politische und ideologische Schulung der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre über die Verhältnisse in der DDR nicht nur weiterzuführen, sondern auch zu intensivieren. Das ZK der SED äußerte sich 1953 dazu: „Wir beabsichtigen, die Rückkehrer in ein Lager – evtl. Bischofswerda – und diesmal für längere Zeit, unterzubringen, um sowohl die ärztliche, als auch die politische Betreuung gründlich 152 BStU, MfS 511/62, Bd. 29, Bericht von Röder, 26.9.53, S. 000229-000230. Auskünfte über Röder konnten von der Autorin nicht ermittelt werden. 153 BStU, MfS 511/62, Bd. 29, Bericht des Staatssekretariats für innere Angelegenheiten des MdI über den fünften Heimkehrer-Transport und die Aufnahme ehemaliger Fremdenlegionäre aus Vietnam, 30.9.54, S. 000092-000094. 59 durchzuführen.“154 Wahrscheinlich hoffte die DDR, dass sie hinsichtlich der politischen Schulung im Quarantänelager mehr Erfolg haben würde als Borchers im nordvietnamesischen Lager, um so die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre gemäß ihrer ideologischen Ideen zu bilden und so gut wie möglich für ihre eigenen Zwecken einsetzen zu können. Die Berichte über die Tätigkeit im Quarantänelager geben Auskunft darüber, wie die politische und ideologische Betreuung vonstatten ging. Bei der Schulung der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre standen vier Schwerpunkte auf der Tagesordnung. Erstens wurden die Heimkehrer über die Rolle und Bedeutung des Arbeiter- und Bauernstaates in der DDR geschult. Zweitens wurde ihnen erklärt, was die Rechte und Pflichten eines DDRBürgers waren. Drittens hielten Wissenschaftler, Aktivisten und Genossenschaftsbauern Vorträge über den Aufbau des ostdeutschen Staates. An letzter Stelle nahm die kulturelle Betreuung eine wichtige Rolle ein.155 Es wurde ein vierwöchiges Ausbildungsprogramm entworfen, um diese vier Schwerpunkte zu behandeln. Eine Vorplanung anlässlich des sechsten Heimkeher-Transports gibt Auskunft über den Inhalt dieses Programms. In der ersten Woche mussten die ehemaligen Fremdenlegionäre zuerst registriert und vom Rat des Bezirkes und Rat der Stadt begrüßt werden. Schon ab dem dritten Tag fand eine Berichterstattung der schon mit den vorigen Heimkehrer-Transporten zurückgekehrten deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre statt. Ihr sofortiger Einsatz zeigt, wie viel Wert die DDR auf diesen Einsatz legte. In einem Brief des Abteilungsleiters für Innere Angelegenheiten beim Rat des Bezirkes Frankfurt Oder, Cottbus, Neubrandenburg, Schwerin und Potsdam wurde die Bezirke gebeten, dem Ministerium des Innern die Adressen von schon zurückgekehrten deutschen ehemaligen Fremdenlegionären mitzuteilen. Der Abteilungsleiter betonte, dass es sich um diejenigen handeln müsse, die schon längere Zeit in der DDR waren und eine gute gesellschaftliche Entwicklung genommen hatten, wenn möglich in der Landwirtschaft.156 Diese Menschen, die mittlerweile schon in der DDR integriert waren, mussten den neuen Heimkehrern über ihren Arbeitseinsatz, ihre berufliche Entwicklung, die Gestaltung ihres Familienlebens, die 154 BArch, DO I/9125, Walter Kaβner an das ZK der SED, 8.1.1953. Kaβner war u.a. ab 1951 Abteilungsleiter im MdI und später Parteisekretär im Büro des Ministerrates. Siehe dazu: Baumgartner, Biographisches Handbuch Bd. 1, S. 377. 155 BArch, DO I/9125, Staatssekretär Joseph Hegen an Minister Karl Maron, 14.2.1956. Hegen war zwischen 1953 und 1957 Staatssekretär und Stellvertretender Minister des Innern. Siehe dazu: Baumgartner, Biographisches Handbuch Bd. 1, S. 287. Maron war u.a. ab 1954 Mitglied des ZK der SED und zwischen 1955 und 1963 Minister des Innern. Siehe dazu: Baumgartner, Biographisches Handbuch Bd. 2, S. 514. 156 BArch, DO I/9125, Brief an den Leiter der Abteilung für Innere Angelegenheiten beim Rat des Bezirkes Frankfurt Oder, Cottbus, Neubrandenburg, Schwerin und Potsdam, ohne Datum. 60 materielle und ideelle Unterstützung von der staatlichen, gesellschaftlichen Organisationen, von der Werkleitung und von den Arbeitskameraden, sowie ihrer Beteiligung am gesellschaftlichen Leben erzählen.157 Die DDR ging davon aus, dass diese Erfahrungsberichte eine positive Auswirkung auf die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre und ihre Einstellung haben würde, und dass sie ihnen weniger misstrauisch gegenüberstehen als den Vertretern der DDR. Über die Heimkehrer des fünften Heimkehrer-Transportes wurde gesagt: „Bis jetzt waren im Lager drei ehemalige Fremdenlegionäre, die bereits vor längerer Zeit zurückkehrten und deren Entwicklung in der Deutschen Demokratischen Republik uns die Garantie gab, daβ die positiv auf die Heimkehrer einwirkten. Diese Tatsache hat sich auch voll und ganz bestätigt.“158 Nach den Gesprächen mit den Vorgängern der neuen Heimkehrer und dessen Schlussbesprechung mit dem Bezirk und der Lagerleitung wurde im vierwöchigen Programm vorgeschlagen, den Film „Ritter des goldenen Sterns“ zu zeigen, und sie an Kulturgruppen beteiligen zu lassen.159 In der zweiten Woche mussten Aktivisten aus den Baubetrieben über ihre volkseigenen Betriebe und über das Verhältnis der Arbeiter zu diesen Betrieben sprechen. Außerdem sollten die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre über Sozialversicherungen aufgeklärt werden. Das Kulturprogramm konnte in der zweiten Woche weitergeführt werden. Am vierten Tag der zweiten Woche hatte die DDR vor, die Mitarbeiter des FDGB Gespräche mit den Fremdenlegionären vereinbaren zu lassen. Die dritte Woche musste vor allem im Zeichen der Entwicklung der DDR vom „Beginn der Zerschlagung des Faschismus“ und der Entwicklung Ostdeutschlands als „souveräner Staat“ stehen. Für die vierte Woche schließlich wurde vorgeschlagen, den Film „Ernst Thälmann – Sohn seiner Klasse“ zu zeigen. Außerdem sollte in dieser Woche auf die internationalen Beziehungen der DDR zur UdSSR, zu den Volksdemokratien und zu anderen Ländern eingegangen werden. Der ganze vierte Tag wurde dafür bestimmt, die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre über die Genfer Konferenz und ihre Auswirkungen in Indochina und das totale Weltfriedenslager aufzuklären. Der fünfte Tag sollte ähnlich bestritten werden. Zentral standen ein Film und das Thema „Die Pariser Verträge – eine Gefahr für die Weltfrieden.“160 Wenn den Heimkehrern während ihres 157 BArch, DO I/9125, Vorplanung des Staatssekretariats für Innere Angelegenheiten, Bezirksverwaltung Dresden, über den Heimkehrer-Transport ehemaliger Fremdenlegionäre aus Vietnam, 5.4.1955. 158 BStU, MfS 511/62, Bd. 29, Bericht des Staatssekretariats für innere Angelegenheiten des MdI über den fünften Heimkehrer-Transport und die Aufnahme ehemaliger Fremdenlegionäre aus Vietnam, 30.9.54, S. 000092-000094. 159 BArch, DO I/9125, Vorplanung des Staatssekretariats für Innere Angelegenheiten, Bezirksverwaltung Dresden, über den Heimkehrer-Transport ehemaliger Fremdenlegionäre aus Vietnam, 5.4.1955. 160 BArch, DO I/9125, Ibidem. 61 vierwöchigen Aufenthalts mal kein Film gezeigt wurde und sie ebenfalls keine Gespräche führten oder auf irgendeiner anderen Weise aufgeklärt wurden, standen ihnen Zeitungen, Bücher und Zeitschriften zur Verfügung. Aus einem Bericht aus dem Jahr 1952 geht hervor, dass diese sogar den kranken deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre übergeben wurden.161 Aus dem vierwöchigen Programm in Bischofswerda kam schon die Bedeutung und zentrale Rolle der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre von vorigen HeimkehrerTransporten zum Tragen. Ihnen sollte verstärkt Aufmerksamkeit gewidmet werden, weil die DDR ihren Einsatz offensichtlich als sehr wichtig empfand. Was dafür spricht, ist nicht nur ihr Einsatz im Quarantänelager Bischofswerda, sondern auch der Briefwechsel mit deutschen Fremdenlegionären in Indochina. Die DDR und DRV korrespondierten über die Erlaubnis dieser Briefwechsel und zogen die Schlussfolgerung, ein Briefwechsel sei für beide Seiten vorteilhaft. Der DDR zufolge stehe Vietnam der Briefwechsel aus menschlichen Motiven zu, aber auch auf Grund der propagandistischen Wirkung der Briefe. Sie selbst musste der DRV dabei behilflich sein. Der Briefwechsel unterstütze den nordvietnamesischen Kampf, da die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre über die gute Behandlung der Vietnamesen und die Grausamkeiten der Franzosen schreiben würden. Die DDR und die DRV gingen davon aus, durch die Briefe mehr deutsche ehemaligen Fremdenlegionäre beeinflussen zu können und sie zur Überzulaufen und Repatriierung in die DDR zu bewegen.162 Die Heimkehrer riefen in ihren Briefen auch direkt zum Überlaufen auf: „[…] kommt nach Hause hier in Deutschland wartet man auf euch alle, warum noch länger für die Geldsache unsere deutsche Haut zu Markte tragen?“ 163 Die Briefe durften nicht mehr als dreihundert Wörter umfassen und wurden über das Ministerium des Innern geschickt.164 Neben Briefen war die nordvietnamesische Regierung auch daran interessiert, wie sich die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in der DDR beruflich und politisch entwickelt hatten. Die meisten geeigneten deutschen ehemaligen Fremdenlegionär sollten einen Bericht über sich selbst erfassen. Nicht nur die propagandistische Bedeutung solcher Berichte für Nordvietnam, sondern auch die Vorteile für die DDR zur propagandistischen Tätigkeit unter den Kriegsgefangenen und die sich noch in der Fremdenlegion befindlichen Deutschen wurde 161 BArch, DO I/9131, Bericht der HA Staatliche Verwaltung des MdI über den am 8.4.1952 im Quarantänelager Bischofswerda eingetroffenen Transport ehemaligen Fremdenlegionäre aus Vietnam, 21.4.1952. 162 BArch, DO I/9143, Brief von Referentin Engelhardt des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten an Herr Fritschke der Abt. Bevölkerungspolitik des MdI, 18.9.1953. Auskünfte über Engelhardt und Fritschke konnten von der Autorin nicht ermittelt werden. 163 BArch, DO I/9141, Brief von einem ehemaligen Fremdenlegionär, 14.8.1953. 164 BArch, DO I/9143, Brief von Referentin Engelhardt des Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten an Herr Fritschke der Abt. Bevölkerungspolitik des MdI, 18.9.1953. 62 betont. Die DDR überprüfte den Inhalt der Berichte. Das Ministerium des Innern wurde beauftragt, in Zukunft darauf zu achten, dass die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in ihren Berichten mehr über ihr jetziges Leben berichten würden.165 In den nächsten Jahren wurde dieser Anfrage mehrmals wiederholt, wie zum Beispiel am 18. Mai 1954.166 Die Anfrage bezog sich natürlich nur auf von der DDR als zuverlässig bezeichnete deutsche ehemalige Fremdenlegionäre. Zusammenfassung Bevor von einer Zusammenarbeit zwischen der DDR und der DRV in Bezug auf die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre die Rede war, arbeiteten drei ehemalige Fremdenlegionäre in Nordvietnam aus eigener Initiative schon an der Seite der Volksarmee. Von denen nahm Borchers eine Schlüsselposition ein, die er in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre gewann. Er beschäftigte sich vornehmlich mit der Propaganda- und Umschulungsarbeit der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre während ihrer Schulung in der DRV. Ab 1950 wurden die Kontakte zwischen der DDR und der DRV auf Regierungsebene ausgebreitet, als die DDR von der DRV in einem Brief auf die große Zahl der deutschen Kriegsgefangenen aufmerksam gemacht wurde. Zur gleichen Zeit versuchte die DRV ihre internationale Position zu festigen und dafür internationale Beziehungen zu knüpfen. Die DDR sah sich jetzt vor eine schwierige Aufgabe gestellt, die sie mit gemischten Gefühlen anging. Auf der einen Seite war sie in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre auf Grund der Weltlage nicht in der Lage, Beziehungen zur DRV zu unterhalten. Auf der anderen Seite hatte sie den Wunsch und fühlte sie die Verpflichtung, ein kommunistisches Brüdervolk zu unterstützen, da diese Unterstützung auch ihrer eigenen isolierten Lage zu Gute kommen würde. Der Brief der KVP bezüglich der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre wurde auf Grund dessen als Ersatz für die Aufnahme internationaler Beziehungen angesehen. Die DDR entschied sich in einer Regierungserklärung vom 2. Februar 1950 dazu, die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in die DDR repatriieren zu lassen. Diese Entscheidung zeigt eine doppele Haltung der DDR. Einerseits stand Ostdeutschland den deutschen ehemaligen Fremdenlegionären auf Grund ihrer Herkunft, ihrer Arbeit in der Fremdenlegion und ihrem 165 BArch, DO I/9141, Das MfAA an die Abt. Bevölkerungspolitik des Staatssekretariats für Innere Angelegenheiten im MdI, 5.12.1953. 166 BArch, DO I/9139, Oberreferentin Junge an den Rat des Bezirkes Potsdam, 18.5.1954. Auskünfte über Oberreferentin Junge konnten von der Autorin nicht ermittelt werden. 63 Status als Kriegsgefangene oder Überlaufer misstrauisch gegenüber. Andererseits sah die DDR auch vom Anfang an, wie die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre auf Grund ihrer Vergangenheit in der Öffentlichkeit für ihre Westarbeit ausgenützt werden konnten. Die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre hatten sich nicht nur zwischen zwei kommunistischen Systemen befunden, sie bewegten sich ebenfalls zwischen dem Misstrauen und der Erwartung der DDR. Das Hass-Liebe Verhältnis der DDR hinsichtlich der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre kam während der sechs Heimkehrer-Transporte zwischen 1951 und 1956 und nach Ankunft der Heimkehrer im Quarantänelager Bischofswerda zum Ausdruck. Während ihrer Rückkehr in die DDR wurden die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre von politisch-ideologisch zuverlässigen Vertretern beobachtet und Informationen über sie eingeholt. Auch wurde ihre in Nordvietnam angefangene politische Schulung fortgesetzt. Ziel dessen war die Vorbereitung auf ihre Heimkehr in die DDR. Diese politische und propagandistisch-ideologische Instrumentalisierung wurde im Quarantänelager Bischofswerda mittels Gesprächen und eines ideologischen Programms sowie mit Hilfe von anderen deutschen ehemaligen Fremdenlegionären fortgeführt. 64 Kapitel III: Der Einsatz der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre und die Aufarbeitung des Themas „deutsche ehemalige Fremdenlegionäre“ in der Öffentlichkeit Die Deutsche Demokratische Republik (DDR) war sich schon 1950 darüber im Klaren, dass die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre ein wichtiges Thema in ihrer Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit gegenüber dem Westen darstellte. Ab 1950 setzte sie denn auch alles ins Werk, um dieses Thema so gut wie möglich in der Presse, auf Pressekonferenzen mit heimgekehrten deutschen ehemaligen Fremdenlegionären, in der Repräsentation, in der ostdeutschen Literatur, aber auch in den Veranstaltungen der gesellschaftlichen Organisationen, darzustellen. Bis 1956 blieben die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre aus der Demokratischen Republik Vietnam (DRV) ein Thema, mit dem die DDR sich immer wieder auseinandersetzte. Sie spielten während dieser Jahre eine wichtige Rolle in der ostdeutschen Öffentlichkeitsarbeit. Warum wurden die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre von der DDR als so wichtig betrachtet und auf welche Weise wurden sie in der Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit instrumentalisiert? Par. 1 Die Aufarbeitung in den Medien Schon vorangehend und während der Heimkehrer-Transporte dachte die DDR über die Gestaltung des Themas „deutsche ehemaligen Fremdenlegionäre“ und ihre Einbeziehung in die Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit nach. Während der Transporte wurde durch persönliche Unterredungen und Aussprachen mit den Heimkehreren über eine Pressekonferenz gesprochen und Vorbereitungen für die weitere Auswertung in der DDR getroffen.167 Durch diese Gespräche konnte die DDR einschätzen, wer von den Fremdenlegionären zuverlässig war und wem sie die Aufgabe in der Öffentlichkeit aufzutreten zutrauen konnte. Anlässlich des zweiten Heimkehrer-Transportes schrieb das Ministerium des Innern: „Dem Amt für Information konnte von den mitfahrenden Begleitern wertvolle Hinweise für eine propagandistische Auswertung übermittelt werden.“168 Abgesehen von der Einschätzung der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre von Seiten der DDR konnten sie durch das Führen von Gesprächen schon auf ihre neuen Aufgaben in der 167 Pol.Arch.AA, MfAA/1054, Bericht von Joseph Schütz, ohne Datum (wahrscheinlich aus 1953/1954). Schütz war u.a. zwischen 1949 und 1956 Leiter der Konsularabteilung, der diplomatischen Mission bzw. der Botschaft der DDR in Moskau. Siehe dazu: Baumgartner, Biographisches Handbuch Bd. 2, S. 834. 168 BArch, DO 1/9131, Das MdI über die Dienstreise vom 2.3.-11.4.1952 von Hauptsacharbeiter Bruno Sedlaczek und Hauptreferent Heinze, 15.4.1952. 65 DDR vorbereitet werden. Eine zentrale Rolle in der Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit nahmen das Zentralkomitee (ZK) der Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) und das Amt für Information, mit Gert Eisler an der Spitze, ein.169 Anlässlich des ersten HeimkehrerTransportes wurde vorgeschlagen, das Amt für Information hiervon in Kenntnis zu setzen, um diesem Ereignis die größtmögliche Publizität zu geben. Andererseits wollte die DDR auch erwägen, ob von Regierungsseite offizielle Vertreter in die Außendarstellung einbezogen werden sollten. Wichtiger war aber, dass im Bericht über die Ausführung und die Ziele dieser Publizität geschrieben wurde: „Rundfunk, Presse müsste durch Interviews, Berichte und Fotomaterial die Rückkehr der ehemaligen Vietnam-Söldner zur Kampagne gegen die Remilitarisierung Deutschlands gründlich ausnützen.“170 Der gleiche Bericht wurde im März 1951 mehrmals geschickt. Auch Ulbricht war von der propagandistischen Auswertung überzeugt als er Hermann Axen am 29. März 1951, dem Tag, an dem der ersten HeimkehrerTransport in Bischofswerda eintraf, mitteilte: „Durch Interviews, Rundfunkreportagen, Fotoberichte müsste eine öffentliche Berichterstattung erfolgen in Verbindung mit dem Kampf gegen die Remilitarisierung Deutschlands.‘171 In diesen Berichten wurden die Ziele der Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit sichtbar. Die DDR versuchte Widerstand gegen die westdeutschen Entwicklungen in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahren zu leisten. Die wichtigsten Themen waren die Remilitarisierung der Bundesrepublik Deutschland (BRD), deren Westintegration und dessen Bündnis mit den westlichen Alliierten, die Rolle Adenauers im Prozess der Westintegration und Wiederbewaffnung, sowie die Verabschiedung des EVG-Vertrags, der von der DDR als „Generalkriegsvertrag“ bezeichnet wurde. Die DDR war mit diesen Entwicklungen nicht einverstanden, da sie den Weg zur Wiedervereinigung Deutschlands verbauten und einen Friedensvertrag unmöglich machten. Sie war jedoch nicht in der Lage, sich auf politischer Ebene gegen die Entwicklungen in Westdeutschland zu wehren. Was übrig blieb, war die Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit. Die Rückkehr der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre fand zur gleichen Zeit statt, als in der BRD im Bezug auf diese Themen Entscheidungen getroffen wurden. Der Indochinakrieg wurde von der DDR als Muster für die 169 BArch, DO I/9125, Siegfried Büttner an die Abt. Bevölkerungspolitik des MdI, 20.3.1951. SAPMO-BArch, NY 4182/1269, Hausmitteilung von Max Keilson, Hauptabteilungsleiter der HA I des MfAA, über den ersten Heimkehrer-Transport. 171 SAPMO-BArch, NY 4182/1269, Walter Ulbricht an Hermann Axen, 29.3.1951. Axen war u.a. ab 1950 Mitglied des ZK der SED und zwischen 1949 und 1953 Abteilungsleiter für Agitation im ZK der SED. Siehe dazu: Baumgartner, Biographisches Handbuch Bd. 1 , S. 19. 170 66 sogenannte Kriegspolitik Westdeutschlands und die Haltung Adenauers betrachtet. Die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre als Zeugen des Krieges konnten von der DDR als Spielball für die Auseinandersetzung mit dem Westen angesehen werden und wurden zu diesen Zwecken eingesetzt. Sie waren in der Lage, die DDR-Bürger über den Indochinakrieg in allen Aspekten aufzuklären. Ihre Nachrichten drängten auch zum Westen durch, wo die DDR hoffte, Sympathisanten für ihre Politik zu gewinnen. Außerdem erreichten die Berichte die sich noch in der DRV befindlichen Fremdenlegionäre. Die propagandistische Auswertung des Themas der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre war nicht bei allen Heimkehrer-Transporten identisch. Nach dem ersten und zweiten Transport war die Auswertung am umfangreichsten. Das hatte einerseits mit der Neuheit des Themas zu tun. Als Teil ihrer Westarbeit beabsichtigte die DDR, die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre bei den Ost- und Westdeutschen zunächst einmal vorzustellen. Nur wenn sie umfangreich über das Thema aufgeklärt würden, glaubten die Ostdeutschen, würde ihre Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit auch erfolgreich sein können. Andererseits hatte die DDR 1951 und 1952 noch die größte Hoffnung, mittels ihrer Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit die in der BRD angefangenen Prozesse rückgängig machen zu können. In den folgenden Jahren wurde Westdeutschland immer mehr im Westen eingebunden, und der DDR wurde klar, dass die Entwicklungen in Westdeutschland trotz ihrer Proteste stattfanden. Es ist auffällig, dass nach dem sechsten und siebten Heimkehrer-Transport im April 1955 beziehungsweise Januar 1956, keine Auswertung mehr stattfand. Die Erklärung dafür scheint einerseits in der Beendigung des Indochinakrieges am 21. Juli 1954 zu liegen. Die DDR konnte sich wegen der französischen Kapitulation nicht mehr über die Ungerechtigkeit des Krieges und des Kapitalismus äußern. Dadurch war es auch unmöglich geworden, weitere Parallelen zwischen dem Indochinakrieg und den angeblichen Kriegsplänen Adenauers zu ziehen. Andererseits machte es für die DDR auch keinen Sinn mehr, sich in ihrer Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit mit den Entwicklungen in Westdeutschland hinsichtlich der Wiederbewaffnung und der Westintegration auseinanderzusetzen. Diese Prozesse waren mit dem Inkrafttreten der Pariser Verträge und der Aufnahme der BRD in der North Atlantic Treaty Organisation (NATO) 1955 abgeschlossen und mit der Hallstein-Doktrin bestätigt. Die DDR musste anerkennen, dass sie den Kürzeren gezogen hatte. Ihre Politik wurde seit 1955 von der schon 1953 angefangen „Zwei-Staaten-Theorie bestimmt. Ihr Streben Anfang der Fünfziger Jahren zur Wiedervereinigung und zu einem Friedensvertrag für Deutschland 67 war nicht mehr durchführbar. Die DDR brachte ihre Heimkehrer-Arbeit zu Ende, da sich noch deutsche ehemalige Fremdenlegionäre in der DRV befanden, die nach der Beendigung des Indochinakrieges in die DDR zurückkehren mussten. Propagandistische Auswertungsmöglichkeiten des Themas der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre gab es nach 1955 jedoch nicht mehr. Die propagandistische Auswertung der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre und die Öffentlichkeitsarbeit der DDR im Zeitraum 1951 bis 1955 soll näher betrachtet werden. Im Allgemeinen ist darüber zu sagen, dass diese Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit vor allem aus der Organisation und Durchführung von Pressekampagnen und Pressekonferenzen bestand. Auf den Pressekonferenzen waren Vertreter der DDR-Regierung, eine Delegation der schon während der Heimkehrer-Transporte und in Bischofswerda selektierten deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre sowie Vertreter der in- und ausländischen Presse anwesend. Außerdem konnten die Einwohner von Berlin sich an diesen öffentlichen Veranstaltungen beteiligen. Die Pressekampagnen bestanden darin, dass in Zeitungen wie Neues Deutschland, Die Tägliche Rundschau, Junge Welt und Die Tribüne Artikel über die Pressekonferenzen und über die Fremdenlegion, die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, ihre Heimkehr und die Haltung der DDR in Bezug auf diese Frage publiziert wurden. Es gab verschiedene Artikel. So schrieben die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre Erlebnisberichte und nahmen in den Berichten Stellung gegen die Politik Adenauers. Außerdem riefen sie in publizierten Briefen die noch in der DRV befindlichen Fremdenlegionäre auf, in die DDR zurückzukehren. Die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre wurden zum Schreiben der Briefe angespornt, da die DDR mit diesen Briefen beabsichtigte, die Fremdenlegionäre in der DRV zum Überlaufen zu bewegen und vom guten Leben in der DDR zu überzeugen. Über die Auswertung der Briefe wurde der Abteilung Bevölkerungspolitik des Ministeriums des Innern am 17. September 1951 mitgeteilt: „Die für die Veröffentlichung geeigneten Briefe bitten wir, nach Bearbeitung durch sie, dem Amt für Information zu übermitteln.“172 Die Briefe wurden in einer Artikelenserie in der Presse publiziert.173 Die einzelnen Pressekampagnen und Pressekonferenzen spiegelten die westdeutschen Entwicklungen in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre. Die erste vom Amt für Information im ostdeutschen Friedrichstadtpalast am 4. April 1951 organisierte Pressekonferenz und die 172 Pol.Arch.AA., MfAA/A 8678, Oberreferent Decker an Siegfried Büttner der Abt. Bevölkerungspolitik des MdI, 17.9.1951. Auskünfte über Decker konnten von der Autorin nicht übermittelt werden. 173 BArch, DO I/9143, Bericht von Herrn Heinze der Abt. Bevölkerungspolitik des MdI an Herrn Deckere der Konsularabteilung des MfAA, 18.12.1951. Auskünfte über Deckere konnten von der Autorin nicht ermittelt werden. Wahrscheinlich handelt es sich um die gleiche Person wie in Fußnote 6. 68 erste Pressekampagne im März und April 1951 müssen im Licht der westdeutschen Ereignisse 1950 gesehen werden. Trotz der Beschäftigung anderer Länder mit der Wiederbewaffnung und Westintegration der DDR betrachtete die DDR Adenauer als Initiator dieser Prozesse und übte vor allem Kritik an ihm und seiner Politik. Die DDR betrachtete ihn als Unterstützer des imperialistischen Indochinakrieges, da er sich nicht gegen die groß angelegten Anwerbungen für die Fremdenlegion in der BRD gewehrt hatte. Adenauer war der DDR zufolge dafür verantwortlich, dass man in Westdeutschland Männer, darunter die beim ersten HeimkehrerTransport 69 zurückgekehrten deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre „mit den infamsten Methoden in diese imperialistische Söldnertruppe gezwungen hatte.“174 Auf der Pressekonferenz hatte Eisler eine Rede gehalten, worin er mitteilte, dass während die DDR die Fremdenlegionäre aus der DRV zurückkehren ließ, die „Adenauer Clique“ noch immer neue Männer an die Fremdenlegion verkaufe. Er sprach laut der Jungen Welt über Adenauer als „Menschenhändler“.175 Das Verkaufen von Männern war Bestandteil der Remilitarisierung, die ganz Westdeutschland zu einer Fremdenlegion der Vereinigten Staaten von Amerika (USA) machen solle.176 Adenauer, und mit ihm Kurt Schumacher, arbeiteten Die Tägliche Rundschau zufolge „für die imperialistischen Eroberungspläne der USA“. Die Junge Welt schrieb, dass Adenauer die Erfahrungen, die er beim Hineinpressen der Westdeutschen in die Fremdenlegion gesammelt hatte, jetzt für den Aufbau einer europäischen Armee anwenden wolle.177 Die auf der ersten Pressekonferenz anwesenden fünfzehn ehemaligen Fremdenlegionäre mussten diese Theorie der DDR und die Rede Eislers bestätigen und verstärken. Auf dieser Konferenz und in unterschiedlichen Zeitungsartikeln im März und April 1951 berichteten sie über das Hineinpressen in die Fremdenlegion und die von den Franzosen in der DRV begangenen Gräueltaten. Dem gegenüber stellten sie die gute Behandlung in der Volksarmee und teilten sie den Zuhörern mit, auf welche Weise die DRV sich gegen die französischen und amerikanischen Imperialisten wehrte. Ein wichtiger Bestandteil des Einsatzes der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre war die Warnung der Jugend, die sie „vom wahren Gesicht des Imperialismus“ und dem menschenunwürdigen System des Kapitalismus überzeugen wolle.178 Ihre Absicht war es, für den Frieden und gegen Neues Deutschland, „Keinen Deutschen mehr für die Fremdenlegion“, 5.4.1951. Junge Welt, „So wurden wir in die Söldnerarmee gepreβt“, 6.4.1951. 176 Neues Deutschland, „Keinen Deutschen mehr für die Fremdenlegion“, 5.4.1951. 177 Junge Welt, „Dem Söldnertod entronnen“, 6.4.1951. 178 Die Tägliche Rundschau, „Ehemalige Fremdenlegionäre danken Präsident Pieck“, 24.4.1951. 174 175 69 den amerikanischen Imperialismus zu kämpfen.179 In den Zeitungsartikeln, wie in der Tribüne vom 14. April 1951, wurde betont, dass die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre aus ihrer Vergangenheit eine Lehre gezogen hatten. Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass sie von der DDR jetzt für die Erhaltung des Friedens eingesetzt würden. So wie sie eine Lehre gezogen hatten, „[…] so wird das gesamte deutsche Volk dazu beitragen diese Absichten der Bonner Regierung und ihrer Helfershelfer zu durchkreuzen.“180 Diese Unterstützung gegen die Pläne der Bonner Regierung war am 26. April 1952, während der zweiten Pressekonferenz und während der Pressekampagne im April 1952 umso notwendiger. Der Grund dafür war die kommende Unterzeichnung des Deutschland- und EVG-Vertrags im Mai 1952. Noch immer stand Adenauer im Zentrum der Kritik. Diese Kritik wurde jetzt besonders mit dem Kritik am „Generalkriegsvertrag“ sowie dem Abschluss eines Friedensvertrags verbunden. Es wurden Parallelen zwischen der Fremdenlegion, der geplanten westdeutschen Armee und dem EVG-Vertrag gezogen: „Was die französische Fremdenlegion im kleinen ist, dass ist die amerikanischen Söldnerarmee, die in WestDeutschland errichtet werden soll, im großen. Was der schändliche Verpflichtungsvertrag für die Legion im kleinen ist, das ist der schändliche Generalkriegsvertrag, den Adenauer unterzeichnen will, im großen.“181 Laut der Täglichen Rundschau vom 27. April 1952 würde die europäische Fremdenlegion aus angeworbenen deutschen Soldaten bestehen.182 Die zweite Pressekonferenz wurde ebenfalls im Friedrichstadtpalast organisiert. Der Leiter war der Vizepräsident der Volkskammer und Mitglied des Nationalrats der Nationalen Front, Heinrich Homann. Bei der öffentlichen Pressekonferenz waren das Neue Deutschland vom 26. April 1952 zufolge außer der innen- und ausländischen Presse dreitausend Berliner anwesend.183 Im Mittelpunkt dieser Veranstaltung standen, wie bei der ersten Pressekonferenz, die heimgekehrten deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre. Dass sie nicht freiwillig an der Pressekonferenz teilnahmen beweist ein Bericht vom Ministerium des Innern, in dem die verpflichtete Teilnahme aller ehemaligen deutschen Fremdenlegionäre an der Pressekonferenz mitgeteilt wurde.184 Letztendlich beteiligten sich 68 von den 133 ehemaligen deutschen Fremdenlegionäre des zweiten Heimkehrer-Transports, wahrscheinlich weil die DDR nach Überprüfung nicht alle deutschen ehemaligen Fremdenlegionären als Neues Deutschland, „Keinen Deutschen mehr für die Fremdenlegion“, 5.4.1951. Die Tägliche Rundschau, „Der Hölle von Indochina entronnen“, 14.4.1951. 181 Neues Deutschland, „Junge Deutsche der Söldnertruppe entronnen“, 27.4.1952. 182 Die Tägliche Rundschau, „133 Fremdenlegionäre kehrten in die Heimat zurück“, 27.4.1952. 183 Neues Deutschland, „Läβt euch nicht für eine Söldnerarmee missbrauchen!“, 26.4.1952. 184 BArch, DO I/9131, Bericht der HA Staatliche Verwaltung des MdI über den am 8.4.1952 im Quarantänelager Bischofswerda eingetroffenen Transport ehemaliger Fremdenlegionäre aus Vietnam, 21.4.1952. 179 180 70 zuverlässig ansah. Eisler war zwar nicht der Leiter dieser zweiten Pressekonferenz, doch er hielt wie bei der ersten Pressekonferenz eine Rede. Ihm zufolge belief sich die Zahl der seit 1945 in die Fremdenlegion angeworbenen Deutschen auf 175.000, von denen schon 40.000 bereits in Indochina ums Leben gekommen waren.185 Ein wichtiges Thema auf der zweiten Pressekonferenz war die Status der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre. In der Tribüne wurde über die Rede Eislers erwähnt, dass die Anwesenden der Pressekonferenz minutenlang applaudiert hatten, als Eisler verkündete, dass die Hälfte der 133 ehemaligen Fremdenlegionäre Überläufer waren.186 Diese Zahl stimmte allerdings nicht und belief sich in der Wirklichkeit auf 41. Die Darstellung der großen Überläuferzahl passte aber in die propagandistische Auswertung der DDR. Die Überläufer hatten nämlich die Imperialisten und den „schmutzigen Krieg“ hinter sich gelassen. Im Aufruf der 68 ehemaligen Fremdenlegionäre wurde im Namen aller deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre verkündet: „Keine Tropfen deutschen Blutes mehr für den schmutzigen Krieg in Vietnam! Keinen Mann für die aggressive amerikanische Söldnerarmee in WestDeutschland! Alle Kraft für den Frieden, Einheit und Wiederaufbau! Alle Kraft für den Abschluβ eines Friedensvertrags mit Deutschland!“187 Anlässlich des dritten Heimkehrer-Transports wurde von der DDR am 25. März 1953 ebenfalls eine Pressekonferenz organisiert. Die DDR war der Meinung, dass die zweite Pressekonferenz einen großen Widerhall in der demokratischen Presse des In- und Auslandes gefunden hatte und eine wirksame Unterstützung des vietnamesischen Volkes in seinem Befreiungskampf war.188 Diese dritte Pressekonferenz ist insofern interessant, da im Archiv des Nationalrates der Nationalen Front, im Gegensatz zu den anderen Pressekonferenzen, Berichte über die Organisation und Durchführung der dritten Pressekonferenz vorhanden sind.189Aus einem Brief des Allgemeinen Deutschen Nachrichtendienstes (ADN) an das Presseamt vom 25. März 1953 offenbart sich, wie sehr die Zeitungsartikel vom Presseamt vorgegeben wurden: „Anbei senden wir Ihnen die Unterlagen von der Pressekonferenz zurück. Wir haben das gesamte Material wörtlich verwendet.“190 In der gleichen Akte wurde Junge Welt, „133 Söldner fanden den Weg in die Freiheit“, 26.4.1952. Die Tribüne, „Der Hölle des Krieges entronnen“, 26.4.1952. 187 Neues Deutschland, „Junge Deutsche der Söldnertruppe entronnen“, 27.4.1952. 188 BArch, DO I/9125, Walter Kaβner an das Sekretariat des Leiters des Presseamts beim Ministerpräsidenten, 11.3.1953. 189 Der Grund dafür ist wahrscheinlich, dass nur die dritte Pressekonferenz vom Nationalrat der Nationalen Front organisiert wurde. 190 BArch, DC 9/327, Bericht von der Hauptredaktion des ADN der DDR an das Presseamt beim Ministerpräsidenten, 23.3.1953. 185 186 71 der Ablauf der Pressekonferenz festgestellt. Zuerst würde von Heinrich Homann die Eröffnung und eine Einleitung auf das Thema der Pressekonferenz gehalten werden, dann konnten vier vorher selektierte deutsche ehemalige Fremdenlegionäre des dritten HeimkehrerTransportes und ein Heimkehrer des zweiten Transportes über ihre Erfahrungen berichten und schließlich könnten die Pressevertreter Fragen stellen.191 Aus den Akten des Nationalrates der Nationalen Front geht hervor, dass die Reden der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre vor der Pressekonferenz korrigiert wurden, was die Instrumentalisierung der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre beweist. Das gleiche trifft auf ihre Auswahl zu. Nicht alle konnten auf der Pressekonferenz vertreten sein, sondern nur diejenigen, die von der DDR ausgewählt wurden. Auch die Tatsache, dass der Ablauf der Pressekonferenz vorher genau festgelegt wurde, zeigt den planmäßigen Charakter der Öffentlichkeitsarbeit der DDR. In der Presse wurde Ende März über die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre und die Pressekonferenz berichtet, doch die Zeit der groß angelegten Pressekampagnen zu diesem Thema war vorbei. Ein interessanter Zeitungsartikel wurde jedoch am 30. März publiziert. In dem Artikel wurde berichtet, wie junge Westdeutsche mit Flugzeugen nach Frankreich gebracht wurden, während die „Adenauer-Clique“ das alles duldete und „[…] mit der Ratifizierung des Generalkriegsvertrags der unbegrenzten Verschleppung junger Deutscher als Söldner in alle Erdteile zugestimmt hat.“192 In den Zeitungsartikeln anlässlich der dritten Pressekonferenz wurden keine neuen Themen aufgeworfen. Besonders die Unterzeichnung des Deutschlandvertrags blieb im Mittelpunkt der Kritik. Das Neue Deutschland schrieb am 27. März 1953 über die Rede Homanns: „In seinen einleitenden Worten brandmerkte er die Ratifizierung des Generalkriegsvertrags als eine Handlung der Schmach, der Schande und des nationalen Verrats.“ In dieser Rede wies Homann auf die Kriegsverbrechen hin, die von der Adenauer-Regierung durch die Ratifizierung der Kriegsverträge in Bonn und Paris begangen waren. Er verglich die Fremdenlegion mit der künftigen „Europa-Armee“. Ihm zufolge diente diese „Europa-Armee“ nur den Interessen der Imperialisten. Homann warnte die deutsche Bevölkerung davor, nicht in einem mit dem Indochinakrieg vergleichbaren Krieg zu landen .193 Auch die 32 auf der Pressekonferenz anwesenden deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre äußerten ähnliche Aussagen wie ihre Vorgänger während der ersten zwei Pressekonferenzen. Erneut wurde die unmenschliche Werbung für den Indochinakrieg und 191 BArch, DC 9/327, Ablauf der Pressekonferenz am 25.3.1953, ohne Datum. Junge Welt, “Menschenschmuggel auf dem Luftweg”, 30.3.1953. 193 Junge Welt, “Kein deutsches Blut für fremde Interessen!“, 27.3.1953. 192 72 dessen grausamen Charakter betont. Ihre Erfahrungen hatten eindringlich vor Augen geführt, wie notwendig es sei, dass der „Generalkriegsvertrag“ niemals durchgeführt würde, und dass „das deutsche Volk in gemeinsamen Aktionen das Adenauer Regime hinwegfegt“.194 In ihrem Aufruf an das gesamtdeutsche Volk betonten sie, die Durchführung der amerikanischen Kriegspakte könne nur durch den Regierungssturz Adenauers – der von ihnen als „Hauptkriegstreiber“ bezeichnet wurde – zustande kommen. Der deutsche ehemalige Fremdenlegionär des zweiten Heimkehrer-Transports rief die Fremdenlegionäre in der DRV auf, sich in die Front der am sozialistischen Aufbau schaffenden Werktätigen einzureihen. Er verkündete, dass diese Handlungsweise die Antwort auf „den schädlichen Verrat der Adenauer Clique“ sein solle.“ 195 Nach dem Eintreffen des vierten Heimkehrer-Transports im September 1953 wurde keine Pressekonferenz organisiert und es fand auch keine Auswertung in der Presse statt. Die Erklärung liegt wahrscheinlich darin begründet, dass dieser Transport im gleichen Jahr wie der dritte Transport eintraf. Eine propagandistische Auswertung fand erst wieder und zum letzten Mal mit den deutschen ehemaligen Fremdenlegionären des fünften HeimkehrerTransports statt. Die Botschaft der DDR wurde frühzeitig, nämlich schon im Mai 1954, vom Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten darüber in Kenntnis gesetzt. Der Briefwechsel zeigt, wie sehr auch die vierte und letzte Pressekonferenz die internationalen Ereignisse widerspiegelte. So hieß es: „Es ist beabsichtigt im Zusammenhang mit der Genfer Konferenz mit den Rückkehrern in Berlin eine Pressekonferenz durchzuführen.“196 Diese Pressekonferenz wurde am 17. September 1954 vom Deutschen Jugendring im Zentralen Klubhaus der Berliner Jugend organisiert. Von den mit dem fünften Heimkehrer-Transport zurückgeführten achtzig deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre beteiligten sich dreißig an der Pressekonferenz.197 Aus einem Vorschlag für die Durchführung der Pressekonferenz geht hervor, dass sechs bis acht von ihnen über ihre Erfahrungen erzählen mussten. Sie mussten unter anderem betonen, wie Fremdenlegionäre für das Gold und den Gewinn der Imperialisten und ein gutes Leben der Offiziere in der Fremdenlegion starben.198 Der deutsche ehemalige Junge Welt, „Wir sahen ein Volk für seine Freiheit kämpfen“, 26.3.1953. Neues Deutschland, „Heimgekehrte deutsche Fremdenlegionäre rufen zum Kampf gegen USA-Kriegspakte“, 26.3.1953. 196 Pol.Arch.AA, MfAA/1054, Abteilungsleiter Änne Kundermann an die Botschaft der DDR in Moskau, 25.5.1954. Kundermann war u.a. zwischen 1953 und 1960 Leiterin der Abt. UdSSR in der HA I des MfAA. Siehe dazu: Baumgartner, Biographisches Handbuch Bd. 1, S. 449. 197 Junge Welt, „Ehemalige Fremdenlegionäre warnen die Jugend Westdeutschlands“, 18.9.1954. 198 BArch, DO I/9130, Vorschlag für die Durchführung einer Pressekonferenz mit ehemaligen Fremdenlegionären aus Vietnam, die im August 1954 in die DDR kamen. 194 195 73 Fremdenlegionär Landrab war einer der auf der Pressekonferenz anwesenden ehemaligen deutschen Fremdenlegionäre. Er rief alle deutsche Jugend- und Massenorganisationen auf, sich gegen das „massenhaften Sterben“ zu wehren. Er verurteilte die Zustände im AdenauerStaat, die für den Eintritt mancher Jugendliche in die Fremdenlegion nach Kriegsende 1945 verantwortlich waren. Er beabsichtigte, die Jugend vor einem Eintritt zu bewahren. Mit der Fortsetzung der Verkündung der alten Themen von den deutschen ehemaligen Fremdenlegionären und im Zeigen der immer prekärer werdenden internationalen Lage wurden auch die angeblichen Anwerberzahlen von der DDR vergrößert. Während im April 1951 noch über die Anwerbung von 175.000 Deutschen geschrieben wurde, ermittelte das Neue Deutschland am 18. September 1954 eine Zahl von 232.000 Deutschen in der Fremdenlegion.199 Obwohl die gesamte Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit in den Medien von der DDR initiiert und gestaltet wurde, gab es ebenfalls manche Einzelinitiative der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre. So beabsichtigten drei von ihnen im April 1951 eine deutschvietnamesische Arbeitergemeinschaft zu bilden und eine Bildzeitschrift zu publizieren, mit dem Zweck der Berichterstattung. Die DDR betrachtete diese Initiative als unerwünscht, da sie nach der ersten Beurteilung noch keine Gewähr für die richtige und zuverlässige Arbeit der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre habe. Sie wurde auf Grund der Initiative jedoch auf eine Idee gebracht, die die Abteilung Staatliche Verwaltung der Abteilung Agitation am 9. April 1951 unterbreitete: „Da eine politische Auswertung auf jeden Fall erfolgen muss, schlagen wir vor, dass das Amt für Information mit den drei politisch zuverlässigsten Heimkehrern eine Bildzeitschrift erarbeitet und herausgibt, die vor allen Dingen auch als wertvolles Material im Kampf gegen die Remilitarisierung in Westdeutschland verwendet werden könnte. Rundfunksendungen über den Kurzwellensender könnten ebenfalls in Erwägung gezogen werden.“200 Dieses Zitat zeigt, wie sehr die DDR im Prinzip an eine propagandistische Auswertung des Themas der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre interessiert war und nichts zu dessen Aufarbeitung unversucht ließ. Die Haltung der DDR hinsichtlich der Bildzeitschriftinitiative enthüllt allerdings auch, dass der ostdeutsche Staat diese Auswertung nur konform ihre eigenen Ideen gestaltete und keine Risiken in Bezug auf die Zuverlässigkeit der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre eingehen wollte. Diese doppelte Haltung kam in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre in der ganzen Neues Deutschland, “Nicht mehr morden wollen wir, sondern glücklich leben“, 18.9.1954. SAPMO-BArch, DY 30 /IV2 – 391, Herr Köppen der Abt. Staatliche Verwaltung an die Abt. Agitation, 9.4.1951. Auskünfte über Köppen konnten von der Autorin nicht ermittelt werden. 199 200 74 propagandistischen Auswertung und Öffentlichkeitsarbeit zum Ausdruck. Par. 2 Die Aufarbeitung in der Repräsentation Die vier Pressekonferenzen und Pressekampagnen waren die wichtigste Art und Weise, mittels derer die DDR das Thema der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in der Öffentlichkeit lancierte. Es gab jedoch in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre nicht nur eine propagandistische Auswertung in der Presse, sondern auch in der allgemeinen Repräsentation. Die DDR gab Aufträge zum Produktion von Dokumentarfilmen und Theaterstücken, mit denen sie erhoffte, viele Ostdeutschen zu erreichen. Die Dokumentarfilme bezogen sich selbstverständlich auf die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre und ihre Familie. So erhielt eine Frau vom Deutschen Frauenverlag 1952 den Auftrag, eine Reportage mit den deutschen ehemaligen Fremdenlegionären und ihren Müttern zu machen.201 Die Dokumentarfilme konnten auch für die deutschen Fremdenlegionäre in der DRV gemacht werden. Zu diesem Zweck musste das Ministerium des Innern beispielsweise einem Reporter des Staatliche Rundfunkkomitees für seinen „Dienstantrag“ 1954 das benötigte Material zur Verfügung stellen, damit er einen Dokumentarfilm für die kämpfenden Fremdenlegionäre machen konnte.202 Die Theaterstücke hatten ebenfalls die Erlebnisse der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in der DDR und ihrer Kollegen in der DRV zum Thema. Ein in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre oft aufgeführtes Theaterstück von J. Vilain war „Colonel Forster bekennt sich schuldig“, das später von der DDR in „Colonel Forster ist schüldig“ umgetauft wurde.203 Das Hörspiel „Jack Holsten“ und das Drama „Auf verlorenem Posten“ von Paul Herbert Freyer waren ebenfalls tonangebend. Im Hörspiel „Jack Holsten“ handelte es sich um die wahre Geschichte des gleichnamigen deutschen ehemaligen Fremdenlegionärs, der zusammen mit drei anderen deutschen ehemaligen Fremdenlegionären des ersten HeimkehrerTransportes – Martin Dutschke, Siegfried Richter-Luckner und Martin Müller – in den Westen geflohen war. Dort wurden sie am 23. Juni 1951 von der britischen und der Berliner Polizei verhaftet und an Frankreich ausgeliefert. Dutschke konnte fliehen, doch die anderen wurden in Algerien von der Fremdenlegion zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Dieses Ereignis passte natürlich in die DDR-Propaganda in Bezug auf die Schutzlosigkeit der 201 BArch, DO I/9141, Brief von der Redaktion von Die Frau von heute beim Deutscher Frauenverlag GMBH an das Amt für Information, 31.10.1952. 202 BArch, DO I/9143, Das Staatliche Rundfunkkomitee an das MdI, 22.3.1954. 203 Krüger, S. 822. Der Text des Theaterstückes konnte von der Autorin nicht ermittelt werden. 75 westdeutschen Bevölkerung und der Willkür der westalliierten Besatzungsmächte. Ein Theaterstück galt als die perfekte Möglichkeit einer Auswertung. Von der Volkskammer wurde ein Appell zur Freilassung verfasst und zur Unterzeichnung an die Betriebe der DDR geschickt, um ihn daraufhin an Adenauer weiter zu schicken.204 „Auf verlorenem Posten“ handelte nicht von einem Erlebnisbericht, sondern von einer laut der DDR wahrheitsgetreue Geschichte. Im Drama standen drei deutschen Fremdenlegionäre zentral, die von der Fremdenlegion abgeschnitten waren und auf Grund der nordvietnamesischen Anwesenheit nicht zurückkehren konnten. Sie verhafteten eine Nordvietnamesin und wollten sie erschießen, doch keiner konnte es. Das zentrale Thema des Dramas ist ihre Bewusstseinsveränderung. Die nordvietnamesische Frau, die als einziges deutsches Wort „Freiheit“ kannte, überredete sie überzulaufen und zeigte den Aufruf der DDR. Zur gleichen Zeit hörten die deutschen Fremdenlegionäre über das Rundfunkgerät, dass sie von der Fremdenlegion nicht gerettet werden konnten und liefen zur Volksarmee über.205 Par. 3 Die Aufarbeitung in der DDR-Literatur Einige deutsche ehemalige Fremdenlegionäre wurden von der DDR in den Fünfziger Jahren beauftragt, ihre Erfahrungen in Büchern aufzuzeichnen. Der Vorteil der Veröffentlichung von Büchern war, dass ausführlicher als auf Pressekonferenzen und in Pressenartikeln über die Themen der Fremdenlegion, des Indochinakriegs, der Haltung der Nordvietnamesen sowie der Heimkehr und dem Aufenthalt der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in der DDR berichtet werden konnte. Auf diese Weise konnten viele Ostdeutsche erreicht und aufgeklärt werden. Das traf natürlich auch auf die neu in die DDR repatriierten deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre zu. Außerdem wurden die Bücher unter den Namen der Heimkehrer publiziert, wodurch der Anschein erweckt wurde, dass es sich um authentische Erfahrungsberichte handelte. Abgesandte der DDR schrieben höchstens Vorworte. So schrieb Dr. Wiedemann, der Oberbürgermeister von Weimar und der erste Vorsitzende des Solidaritätsausschusses für Korea und Vietnam beim Nationalrat der Nationale Front, das Geleit des Buches des deutschen ehemaligen Fremdenlegionärs Werner Stage Hông Chi. Vom Legionär zum Vietnamoi. Erlebnisbericht des ehemaligen Legionärs 51 484 aus dem Jahr 1955. Er schrieb: „Der Wert des Buches besteht darin, dass hier ein Mann spricht, der die 204 205 Michels, Deutsche in der Fremdenlegion 1870-1965, S. 223-224. Paul Herbert Freyer, Auf verlorenem Posten. Schauspiel in drei Akten (Halle 1953), S. 28-29, 32 und 35. 76 Qualen des Legionärsdaseins am eigenen Leibe erfahren hat und der über sein Schicksal nachdenkend, auf Grund eigenen Erlebens zu einer fundierten Überzeugung kommt.“206 In Wirklichkeit wurden die Geschichten in den Büchern natürlich von der DDR inszeniert. Obwohl die Bücher von unterschiedlichen deutschen ehemaligen Fremdenlegionären geschrieben wurden, kommen in allen die gleichen Themen zum Ausdruck. Diese Themen stimmen mit dem Bild der Fremdenlegion überein, das in den Zeitungsartikeln und auf den Pressekonferenzen geschildert wurde. Ein erstes Thema war das Skizzieren der aussichtslosen Situation in der BRD Mitte der Vierziger Jahre. So beschrieb Stage, wie er während des Zweiten Weltkrieges bei der Wehrmacht und nach dem Krieg als Übersetzer im Dienst der Amerikaner war. Auf Grund der schlechten Behandlung flüchtete er und lernte zwei junge Männer, Paul und Heinz, kennen. Diese Männer waren ebenfalls der Meinung, dass ihr Leben aussichtslos war.207 Eine ähnliche Situation wird im Buch Die Straße der Legionäre. Tatsachen aus der französischen Fremdenlegion beschrieben, in dem drei junge, arbeitslosen Männer – nämlich Karl Dudek, Werner Schneider und Georg Täler – im Mittelpunkt standen.208 Im Buch von Günther Halle, Légion Étrangère. Tatsachenbericht nach Erlebnissen und Dokumenten von Rückkehrern aus Vietnam, wurde detailliert beschrieben wie es in den französischen Kriegsgefangenenlagern zuging. In einem Lager seien 20.000 Männer ansässig gewesen, sie hätten in dem strömenden Regen gearbeitet und viele seien krank gewesen. Die Ernährung sei ebenfalls fürchterlich gewesen: „Drei Biskuits und ein Becher Brühe – die Kameraden nannten sie der Farbe wegen ‚Eiersuppe‘ -, ein wahrhaft fürstliches Mahl.“209 Ein zweites Thema in der DDR-Literatur hing mit dem ersten Thema zusammen. Die aussichtslose Situation der Deutschen in der BRD oder in den französischen Kriegsgefangenenlagern hatte zu ihrer Anwerbung für die Fremdenlegion geführt. In der Literatur wurde betont, welcher schändlichen Werbungsmethoden sich die Franzosen bedienten, wie viel Deutsche angeworben wurden und die Zahl der Minderjährigen unter ihnen. So schrieb Stage, wie er unter Druck gesetzt wurde, in die Fremdenlegion einzutreten, nachdem er mit Paul und Heinz nach Landau gezogen sei, um dort als Fremdarbeiter zu 206 Werner Stage, Hông Chi. Vom Legionär zum Vietnamoi. Erlebnisbericht des ehemaligen Legionärs 51 484 (Ostberlin 1955), S. 5. 207 Ibidem, S. 17. 208 Die Straβe der Legionäre. Tatsachen aus der französischen Fremdenlegion (Aufgezeichnet nach dem Berichten der ehemaligen Legionäre Martin Dutschke, Arno Marx und Günter Walter), Amt für Information der Regierung der DDR, Serie: Die Wahrheit dem Volke Nr.17, (Leipzig o.J.). 209 Günther Halle, Légion Étrangère. Tatsachenbericht nach Erlebnissen und Dokumenten von Rückkehrern aus Vietnam (Ostberlin 1952), S. 14-15. 77 arbeiten. Er betonte, dass er nicht der einzige gewesen sei, der angeworben wurde. Er habe in Landau ein Gespräch mit einem vierzehnjährigen Jungen geführt, der zwischen der Schule und dem Elternhaus von Werbern erwischt worden sei. Die Eltern blieben ohne Nachricht über den Verbleib ihres Sohnes.210 Dudek, Schneider und Täler sei es den Autoren des Buches Die Straße der Legionäre zufolge nicht besser ergangen. Sie wurden beschuldigt, die Sprengkammern der neuen Brücke mit Zement verfüllt zu haben. Im Büro der Amerikaner erhielten sie Essen und es wurde ihnen Arbeit in dem Berg- und Straßenbau angeboten. In betrunkenem Zustand unterschrieben sie einen Vertrag für die Fremdenlegion. In Die Straße der Legionäre wird betont, dass es auch Minderjährigen so erging. Viele sechzehnjährige wurden angeworben und von den Franzosen zwei Jähre älter gemacht.211 In den französischen Kriegsgefangenenlagern waren ebenfalls Werber anwesend, die bedrängend auf die Kriegsgefangenen eingeredet hätten. Sie stellten „grauer Himmel, Hunger und Schlamm“ vor Ort gegenüber „weißer Sand und schattige Palmen“ in der Fremdenlegion.212 Obwohl das Leben in der Fremdenlegion der DDR-Literatur zufolge von den Werbern als schön dargestellt würde, kommt in den Büchern das schlechte Leben in der Fremdenlegion und das unmoralische Verhalten der Franzosen als drittes Thema zum Ausdruck. So wurde im Buch Die Straße der Legionäre diese Straße von Deutschland via Frankreich und Oran in Algerien nach Sidi-bel-Abbès umschrieben als: „Es ist die Straße, die aus einem jungen blühenden Menschen eine namenlose Nummer und in den meisten Fällen einen Toten macht.“213 Das Motto der Franzosen sei „Marschier oder Krepier“. Die Ausbildung in Sidibel-Abbès sei schwer, und die Fremdenlegionäre hätten kaum Essen und ärztliche Betreuung erhalten.214 In Bezug auf das unmoralische Verhalten der Franzosen wurde im Vorwort des Büches Hông Chi angedeutet, die Wert des Buches sei, das Unrecht der Imperialisten gegenüber den Kolonialvölkern zu thematisieren.215 Auch in den anderen Büchern war diese moralische Nachricht sichtbar. Schmalenbach schrieb in seinem Buch Flucht ins Leben. Erlebnisbericht aus Vietnam aus dem Jahr 1954, unter was für schrecklichen Umstände die Nordvietnamesen lebten: Sie wurden ermordet und ihre Dörfer wurden in Schutt und Asche gelegt. 216 Er zog in seinem Buch die Schlussfolgerung, die Fremdenlegion kämpfe gegen ein 210 Stage, Hông Chi, S. 18 und 21. Die Straβe der Legionäre, S. 7-8. 212 Halle, Légion Étrangère, S. 17. 213 Die Straβe der Legionäre, S. 10. 214 Ibidem, S. 12. 215 Stage, Hông Chi, S. 5. 216 Kaspar Schmalenbach, Flucht ins Leben. Erlebnisbericht aus Vietnam (Pöβneck 1954), S. 5. 211 78 Volk, das nur für seine Freiheit kämpfe.217 Diese Bewusstseinsveränderung vom Überlaufen zur nordvietnamesischen Volksarmee bis zur Heimkehr in die DDR sowie das gute Leben in der DDR wurde in allen Büchern als viertes Thema thematisiert. In Die Straße der Legionäre wurde über den Fremdenlegionär Günter Walter geschrieben. Er habe rechtzeitig erkannt, dass er „für koloniale Machtsgelüste der französischen und amerikanischen Finanzhyänen“ gekämpft habe.218 Zusammen mit einem Freund sei er übergelaufen, und der Empfang der Nordvietnamesen sei sehr herzlich gewesen.219 Auch Stage schrieb über die gute Behandlung der Nordvietnamesen. Er wurde von ihnen als ein neues Familienmitglied aufgenommen und erhielt den Namen Hông Chi. Anlässlich einer Brief aus der DDR entschied er sich dafür, in die DDR zurückzukehren. In den Büchern wurde nichts vermieden, die Leser auf die fürsorgliche Haltung der DDR aufmerksam zu machen. So schrieb Stage, dass er in Viet Bac mit einem Transport deutscher Kriegsgefangene vereinigt worden sei, die auch durch das großzügige Abkommen zwischen den Regierungen der DRV und der DDR nach Hause zurückkehren konnten. Nach dem Eintreffen in die DDR habe er ein Stipendium bekommen und sei Volkserzieher für Völkerfreundschaft und Internationale Solidarität geworden. Außerdem kämpfe er gegen die imperialistischen Eroberungspläne.220 Auch Halle verherrlichte in seinem Buch das Überlaufen, die Heimkehr und den Aufenthalt in der DDR. Er schrieb über das gleiche „Komitee für Frieden und Heimkehr“, das im ersten Paragraf erwähnt wurde. Ihm zufolge kam es schon am 27. Januar 1952 in Nordvietnam zusammen. In der Rede des Sekretärs dieses Komitees wurde die Ansicht vertretet, das Komitee kämpfe für die Freiheit Nordvietnams und das Zurückziehen der französischen Truppen. Außerdem habe er betont: „Wir schwören unermüdlich für die Freiheit unserer deutschen Heimat und gegen die Remilitarisierung in Westdeutschland zu kämpfen.“ Mit viel Lob wurde außerdem über die Pressekonferenz geschrieben, und auch, was für ein gutes Leben die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre jetzt hätten. Das Land, in das sie zurückgekehrt waren, sei nicht das gleiche Land, aus dem sie abgereist seien.221 Die moralische Botschaft der Bücher war ähnlich wie in den Medien und in der Repräsentation – und kam in Der Straße der Legionäre am besten zum Ausdruck. In dem Buch würde erwähnt, wie 69 ehemalige Fremdenlegionäre vor dem Tod gerettet worden seien, doch die USA streben eine Wiederholung des Kriegszustande an, da sie neue 217 Ibidem, S. 5. Die Straβe der Legionäre, S. 14. 219 Ibidem, S. 23-24. 220 Stage, Hông Chi, S. 181. 221 Halle, Légion Étrangère, S. 278 und 281. 218 79 Militärverbände initiiere und sich mit der Rüstungsproduktion beschäftige. Sie verletze die Vereinbarungen des Potsdamer Abkommens und beabsichtige außerdem kein einiges Deutschland, sondern eine europäische Basis für ihren nächsten Krieg. Die DDR aber wolle nicht die Straße der Legionäre laufen, sondern sich für einen Weg der „hellen, lichtvollen Zukunft“ einsetzen. Um die Leser der Bücher davon zu überzeugen, wurde sogar ein Brief an die Leser hinzugefügt, in dem sie dazu aufgefordert wurden, sich gegen das Verschleppen von Menschen durch die USA und den Sklavenhandel zu wehren.222 Zum Zweck der Überzeugung der Leser wurden auch Dokumente wie den Aufruf der DDR vom 2. Februar 1950 in den Büchern abgedruckt. Par. 4 Das Engagement der gesellschaftlichen Organisationen Die gesellschaftlichen Organisationen waren ebenfalls am Thema der deutschen (ehemaligen) Fremdenlegionäre beteiligt, von denen die wichtigsten der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB), die Freie Deutsche Jugend (FDJ), die Nationalrat der Nationalen Front und der Ausschuss für Deutsche Einheit waren.223 Obwohl sie unterschiedliche Aufgaben in der DDRGesellschaft und in Bezug auf die deutschen (ehemaligen) Fremdenlegionäre hatten, gab es auch Übereinstimmung. Alle wurden von der SED streng beobachtet und besaßen einen kleinen Handlungsspielraum. Ihre Beteiligung zeigt jedoch, wie sehr die DDR auf alle möglichen Weisen versuchte, dem Thema der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre Aufmerksamkeit zu schenken und die gesellschaftlichen Organisationen, auf Grund ihrer Möglichkeit zum Erreichen einer große Masse, in ihre Arbeit miteinbezog. Die Arbeit der gesellschaftlichen Organisationen bezog sich auf drei verschiedene Ebenen. Das war erstens die propagandistische Beeinflussung der deutschen (ehemaligen) Fremdenlegionäre in der DRV. Zweitens wurden die gesellschaftlichen Organisationen während der HeimkehrerTransporte, bei der Reintegration der ehemaligen deutschen Fremdenlegionäre im Quarantänelager Bischofswerda und bei dessen Arbeitseinsatz in den Betrieben eingesetzt. Drittens spielten sie eine wichtige Rolle bei den von der DDR organisierten Sonderveranstaltungen. Hinsichtlich der propagandistischen Beeinflussung in der DRV wurden von den Die Straβe der Legionäre, S. 29-32. Die Archive des Ausschusses für Deutsche Einheit sind verschollen, so wurde es die Autorin im Bundesarchiv mitgeteilt. Auf Grund dessen kann in dieser Master-Arbeit nicht auf die Beteiligung dieses Ausschusses eingegangen werden. 222 223 80 gesellschaftlichen Organisationen Aufrufe verfasst und Flugblätter gedruckt. Schon im Jahre 1950, als die ersten Vorbereitungen für die Heimkehrer-Transporte getroffen wurden, wurden die gesellschaftlichen Organisationen beteiligt. Diese Aufgabe setzten sie in den nächsten Jahren fort. Die erste Initiative war der Aufruf der FDJ vom 21. Februar 1951. Über diesen Aufruf wurde am 21. Februar während der Sitzung des Sekretariats des Zentralrates diskutiert. Der zweite Punkt der Sitzung war der „Aufruf an die deutschen Fremdenlegionäre in Vietnam“. Der dritte Punkt war der „Aufruf an die ehemaligen deutschen Fremdenlegionäre, die sich der vietnamesischen Freiheitsarmee angeschlossen haben“. Auf der Sitzung wurde der Entwurf des Aufrufes vom 20. Februar bestätigt, und das Internationale Büro der FDJ wurde damit beauftragt, den Aufruf zu verschicken. Außerdem sollte die Junge Welt den Aufruf mit Kommentar publizieren.224 Am 25. Oktober 1952 wurde ein Appell des Nationalrates der Nationalen Front an die Fremdenlegionäre in der DRV gerichtet. Auf dem III. Weltgewerkschaftskongress, der vom 10. bis 21. Oktober 1953 vom Weltgewerkschaftsbund und FDGB in Wien in Anwesenheit von Delegationen aus 79 Ländern stattfand, rief die gesamtdeutsche Gewerkschaftsdelegation die Fremdenlegionäre in Nordvietnam auf, mit dem Krieg Schluss zu machen. Sie teilten mit, der Krieg diene nur den Interessen der französischen und amerikanischen Konzerne, der Banken und der Plantagenbesitzer. In der DDR warte auf sie ein Leben als ehrliche Werktätige und eine Wiedervereinigung mit ihren Familien.225 Ein Jahr später folgten weitere Appelle. Das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten beabsichtigt im Mai 1954 einen Aufruf an die Mütter der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in Westdeutschland zu schicken. Außerdem musste das ostdeutsche Rote Kreuz einen Brief an das westdeutsche Rote Kreuz schicken. Das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten war der Meinung, dass diese Briefe die Nordvietnamesen unterstützen würden, und dass die „augenblickliche Gelegenheit der Genfer Konferenz“ ausgenutzt werden musste. Desweiteren war im Bericht von einem Aufruf der Regierung die Rede. Das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten hielt es für notwendig, schnell zu handeln, „da nach dem Fall von Dien Bien Phu die Stimmung unter den Fremdenlegionären eine besondere günstige ist.“226 Am 15. und 16. Mai 224 SAPMO-BArch, DY34/257, Bericht über die Sitzung des Sekretariats des Zentralrates der FDJ am 21.2.1950, unter der Leitung von Erich Honecker, ohne Datum. 225 Die Tribüne, „Macht Schluss mit dem schmutzigen Krieg“, 23.10.1953. 226 Pol.Arch.AA, MfAA/A 8299, Hauptabteilungsleiter Fritz Willibald Groβe an Staatssekretär Fritz Geyer der Regierungskanzlei, 11.5.1954. Groβe war u.a. zwischen 1953 und 1957 Leiter der HA I und Mitglied des Kollegiums des MfAA. Siehe dazu: Baumgartner, Biographisches Handbuch Bd. 1, S. 249. Geyer war u.a. zwischen 1950 und 1956 Chef der Regierungskanzlei bzw. Leiter des Büros des Präsidenten des Ministerrats der DDR. Siehe dazu: Baumgartner, Biographisches Handbuch Bd. 1, S. 221. 81 1954, während des II. Nationalkongresses, wurde deswegen von dem Nationalrat der Nationalen Front ein Aufruf an die Fremdenlegionäre in der DRV verfasst. Sie wurden zum Überlaufen aufgefordert und ein Werbungsverbot wurde beschlossen. Die gesellschaftlichen Organisationen unterstützten das Drucken von Flugblättern für die Fremdenlegionäre in der DRV. Auch die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre wurden dabei eingesetzt. Vor allem im Juni 1954, nach dem Fall von Dien Bien Phu, wurde das Drucken von Flugblättern viel Aufmerksamkeit gewidmet. Am 11. Juni fand im Referat Vietnam des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten eine Besprechung mit einem Vertreter des Zentralrats der FDJ, des Ausschusses für Deutsche Einheit und des FDGBBundesvorstandes statt. Laut der Aktennotiz sei der Inhalt der Besprechung die Verbesserung der propagandistischen Arbeit unter den deutschen Fremdenlegionären, die in Nordvietnam auf der Seite der Franzosen kämpften, gewesen. Das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten habe vorgeschlagen, jede gesellschaftliche Organisation solle ein Flugblatt mit einer Auflage von 20.000 Stück publizieren. In Bezug auf den Inhalt habe das Ministerium sich für einen Aufruf von einem in einem volkseigenen Betrieb arbeitsamen deutschen ehemaligen Fremdenlegionär entschieden, und die Form solle ein persönlicher Brief sein. Im Flugblatt solle die unter den Fremdenlegionären herrschende Auffassung der sogenannten Solidarität der französischen Soldaten mit den deutschen Fremdenlegionären wiederlegt wurden. Diese Auffassung bestätigte nämlich die Europäische Verteidigungsgemeinschaft, und: „In diesem Flugblatt soll also kurz und prägnant diese Legende von der angeblichen Solidarität im Hinblick auf die EVG zerschlagen werden.“227 Der Aufruf des II. Nationalkongresses wurde dreizigtausend Mal gedruckt. Ein Brief war von einer deutschen Mutter an einem Fremdenlegionär. Ein anderer Brief war von einem deutschen Arbeiter, in dem er schrieb, wie sein Leben sich mit Hilfe der DDR verbessert hatte und die Fremdenlegionäre aufrief mit den schmutzigen Krieg aufzuhören. Ein dritter Brief war von einer Jugendfreundin der FDJ an einem Fremdenlegionär. Alle drei Briefe wurden zehntausend Mal gedruckt. Ein Flugblatt des Zentralrates der FDJ, in dem stand, wie die ostdeutsche Jugend lernte, arbeitete, sich vergnügte und zusammen mit der westdeutschen Jugend für den Aufbau eines einheitlichen und demokratischen Vaterlandes kämpfte, sowie 227 SAPMO-BArch, DY 34/5532, Aktennotiz, Verteiler: Kurt Helbig, Heinz Huth, der internationale Verbindungssektor UdSSR/Volksdemokratien, ohne Datum. Helbig war u.a. zwischen 1948 und 1959 zuerst Abteilungsleiter und nachher Sekretär des FDGB-Bundesvorstandes und hörte zwischen 1954 und 1958 das ZK der SED an. Huth war u.a. Abteilungsleiter der allgemeinen Verwaltung im MdI der Landesregierung Thüringen und Abteilungsleiter in der Landesbehörde Sachsen-Anhalt der DVP. Auch war er Oberst der KVP und Leiter der Verwaltung Werbung und Rekrutierung und zeitweise stellvertretender Innenminister. Siehe dazu: Baumgartner, Biographisches Handbuch Bd. 1, S. 295 und 345. 82 ein Flugblatt der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre über ihr Leben in der DDR wurden ebenfalls je zehntausend Mal gedruckt.228 Bezüglich dem propagandistischen Inhalt der Flugblätter wurden die politischen Entwicklungen in Betracht gezogen, damit die propagandistische Auswertung so gut wie möglich konform der aktuellen Weltlage gestaltet werden konnte. Dafür stand die DDR auch mit der Botschaft in Peking in Verbindung, der 1954 mitgeteilt wurde: „Wir haben bereits drei weitere Flugblätter vorbereitet. Vor dem Druck wollen wir jedoch erst das Ergebnis der Genfer Konferenz zur Indochina-Frage abwarten.“229 Neben dieser Arbeit der gesellschaftlichen Organisationen „hinter den Kulissen“, beschäftigten sie sich – vor allem der FDGB – auch mit der personellen Besetzung der Heimkehrer-Transporte. Der FDGB stellte dem Ministerium des Innern im Dezember 1951 zum Beispiel drei Vertreter vor.230 In einem Bericht wurde auch über einen Vertreter des Ausschusses für Deutsche Einheit geschrieben. Er habe während des Heimkehrer-Transports die Aufgabe, die Pressekonferenz und die weitere Auswertung der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in der DDR vorzubereiten.231 Der FDGB war ebenfalls – zusammen mit dem ZK der SED – für die kulturelle und politische Betreuung der ehemaligen Fremdenlegionäre verantwortlich.232 Trotz der großen Bedeutung des FDGB bemerkte die DDR-Führung auch die Vorteile der Beteiligung der anderen gesellschaftlichen Organisationen: „Nach Ankunft der ehemaligen Fremdenlegionäre ist es ratsam, mit den Massenorganisationen, wie deutsch-sowjetische Freundschaft, Kulturbund, FDJ, usw., Verbindung aufzunehmen und diese für zwangslose Aussprachen mit den ehemaligen Fremdenlegionäre zu gewinnen.“233 Dieser Einsatz fand außer in Bischofswerda auch in den Betrieben statt, in denen deutsche ehemalige Fremdenlegionäre arbeiteten. Die Anwesenheit der gesellschaftlichen Organisationen in den Betrieben seien laut der DDR sehr wichtig, da sie dafür sorgten könnten, dass die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre sich schnell in Pol.Arch.AA, MfAA/A 8299, Abteilungsleiter Rudolf Roβmeisl an die Botschaft der DDR in Moskau, 22.6.1954. Roβmeisl war u.a. zwischen 1950 und 1956 Leiter der Abt. Asiatische Volksdemokratien in der HA I des MfAA und der Botschaftsrat. Siehe dazu: Baumgartner Biographisches Handbuch Bd. 2, S. 735. 229 Pol.Arch.AA, MfAA/A 8299, Referentin Engelhardt an die Botschaft der DDR in Peking, 19.7.1954. 230 BArch, DO I/9125, Brief des Abt. Kader des FDGB an die Abt. Bevölkerungspolitik des MdI, 21.12.1951. 231 Pol.Arch.AA, MfAA/1054, Bericht vom Kollegen Josef Schütz. Schütz war u.a. zwischen 1949 und 1956 Leiter der Konsularabteilung, der Diplomatischen Mission bzw. Botschaft der DDR in Moskau. Siehe dazu: Baumgartner, Biographisches Handbuch Bd. 2, S. 834. 232 BArch, DO I/9125, Siegfried Büttner an die Abt. Bevölkerungspolitik des MdI, 20.3.1951. 233 BArch, DO I/9143, Herr Fritzsche an das Staatssekretariat für Innere Angelegenheiten des MdI, Bezirksverwaltung Dresden, 5.8.1954. 228 83 der DDR zuhause fühlten.234 Die von den gesellschaftlichen Organisationen organisierten einmaligen Veranstaltungen bezogen sich nicht an erster Stelle auf die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, sondern auf die DDR-Bevölkerung. Sie thematisierten den Indochinakrieg und die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in der DDR in Zusammenhang mit den internationalen Entwicklungen in der BRD. Die wichtigste Einzelveranstaltung wurde vom FDGB zwischen dem 13. und 19. Dezember 1953 organisiert. Auf dem III. Weltgewerkschaftskongress war zur „Woche der Internationalen Solidarität“ aufgerufen. Der 19. Dezember wurde zum “Tag der Internationalen Solidarität” bestimmt, weil dieser Tag der siebte Jahrestag des Beginns des Indochinakrieges war. Auf der 15. Tagung des Bundesvorstandes des FDGB vom 12. bis 14. November nahm der FDGB Stellung zu den Ergebnissen des III. Weltgewerkschaftskongresses: „Der Bundesvorstand ruft alle Werktätigen auf, den 19. Dezember 1953 zum Kampftag für die Einstellung des Kolonialkrieges in Vietnam und für die aktive Solidarität mit dem Volk von Vietnam zu machen, in den Betrieben und Versammlungen, Ausstellungen usw. über den schmutzigen Kolonialkrieg der französischen Imperialisten gegen das tapfere Volk von Vietnam durchzuführen. Die westdeutschen Werktätigen werden diesen Tag benutzen, um den Kampf gegen die Hineinpressung junger Deutscher in die französische Fremdenlegion zu führen.“235 Der offizielle Aufruf für diesen Tag wurde vom Sekretariat des FDGB-Bundesvorstandes am 21. November in der Tribüne publiziert und Ende November auch in den anderen Zeitungen. Im Aufruf wurde auf den Solidaritätstag aufmerksam gemacht. Außerdem wurde zu Spendensammlungen aufgerufen, zum Schreiben von Protesten an der United Nations Organisation (UNO) und die französischen Regierung sowie zur Stellungnahme zum Indochinakrieg.236 Das Ziel des Solidaritätstages war „den niederträchtigen kolonialen Raubkrieg in Viet-nam ein Ende zu setzen“.237 Die DDR hoffte, mit ihrem Aufruf auch die 234 BArch, DO I/9143, Brief von Herrn Fritzsche, der Abteilungsleiter der HA Staatliche Verwaltung im MdI, an die Bezirksverwaltung der Abt. Bevölkerungspolitik an das Staatssekretariat für Innere Angelegenheiten, 11.9.1954. 235 SAPMO-BArch, DY 34/21845, Entschlieβung der 15. Tagung des Bundesvorstandes des FDGB über die Ergebnisse des III. Weltgewerkschaftskongresses vom 12.-14.11.1953, ohne Datum. 236 Die Tribüne, „Tag der Internationalen Solidarität mit Vietnam“, 21.11.1953. 237 SAPMO-BArch, DY 34/5498, Appell des WGB an alle Gewerkschaften und alle Arbeiter der Welt den 19. Dezember 1953 zu einem internationalen Tag der Solidarität und des Kampfes für die Einstellung des Kolonialkrieges in Vietnam zu machen, Wien 20.11.1953. 84 westdeutschen Werktätigen zum Protest zu bewegen.238 Bevor die Woche und der „Tag der Internationalen Solidarität“ durchgeführt werden konnten, musste vom FDGB viel organisiert und vorbereitet werden. Diese Vorbereitung bestand darin, dass sowohl die Ost- wie Westdeutschen über die Veranstaltungen informiert wurden. Die Vorbereitung wurde auf Grund dessen ein Teil der Westarbeit der DDR. In der DDR wurden in der Zeit vom 7. bis 19. Dezember neun Plakate mit drei verschiedenen Fotos in den Betrieben aufgehangen, mit einer Auflage von fünfzehntausend Stück. Diese wurden zu den Betrieben geschickt, aber auch an allen Gemeinden mit mehr als fünftausend Einwohnern. Insgesamt wurden vierhundertsiebzig Städten Plakate geschickt, die an etwa zehntausend verschiedenen Orten aufgehangen wurden. Sie wurden auch in der Presse veröffentlicht.239 Nach Westdeutschland wurden fünfzigtausend Flugblätter mit dem Aufruf der gesamtdeutschen Gewerkschaftsdelegation an die deutschen (ehemaligen) Fremdenlegionäre in der DRV gesendet. Vor und während der Solidaritätswoche wurde dem Thema der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre auch im Rundfunk verstärkt Aufmerksamkeit gewidmet. Es wurde das Hörspiel „Jack Holsten“ und das Drama „Auf verlorenem Posten“ gesendet.240 „Auf verlorenem Posten“ wurde außerdem auf Sprechbühnen aufgeführt und war zu der Zeit schon mehr als eintausend Mal aufgeführt worden.241 Desweiteren wurde im Monat Dezember eine Pressekampagne organisiert, in der vor allem Stellung gegen die Haltung der Franzosen und Amerikaner genommen wurde und der Freiheitskampf des nordvietnamesischen Volkes Erwähnung fand. Die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre wurden bei dieser Pressekampagne eingesetzt, indem sie in Zeitungsartikeln über ihre Erfahrungen berichteten. In diesen Zeitungsartikeln kamen die gleichen Themen zum Ausdruck wie in den Pressekampagnen anlässlich der Heimkehrer-Transporte. Der deutsche ehemalige Fremdenlegionär Walter Koch schrieb zum Beispiel, dass Adenauer ein Verräter sei, der die Deutschen und ganz Europa in einem dritten Weltkrieg manövriere: „Er will, dass unsere 238 SAPMO-BArch, DY 34/21845, Entschließung der 2. Bezirksvorstandssitzung des FDGB-Bundesvorstandes über die Ergebnisse des III. Weltgewerkschaftskongresses in Wien, vom FDGB-Bundesvorstand Karl-MarxStadt, Gezant Kirbach, 20.11.1953. Auskünfte über Kirbach konnten von der Autorin nicht ermittelt werden. 239 SAPMO-BArch, DO 34/21845, Die Abt. Internationale Verbindungen des FDGB-Bundesvorstandes über die Durchführung des internationalen Solidaritätstages für die Beendigung des niederträchtigen Kolonialkrieges in Viet-nam, 13.1.1954. 240 BArch, DO I/9141, Zweiten Bericht des FDGB: Maßnahmen zur Durchführung des 19. Dezember 1953 als internationalen Solidaritätstag für die Beendigung des niederträchtigen Kolonialkrieges in Vietnam, 18.12.1953. 241 SAPMO-BArch, DO 34/21845, Die Abt. Internationale Verbindungen des FDGB-Bundesvorstandes über die Durchführung des internationalen Solidaritätstages für die Beendigung des niederträchtigen Kolonialkrieges in Viet-Nam, 13.1.1954. 85 deutsche Jugend in ein Massengrab marschiert.“242 Auch während der Solidaritätswoche und am 19. Dezember wurden die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in der Öffentlichkeitsarbeit instrumentalisiert. Schon Anfang Dezember wurde bestimmt, dass einige deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre vom 13. bis 19. Dezember Reden hielten sollten, unter der Voraussetzung, dass vorher mit ihnen gesprochen würde.243 Die Sprecher auf dem Solidaritätstag erhielten an dem Tag frei von ihrer Arbeit, ihre Verpflegungskosten wurden bezahlt und sie bekamen 50 DM pro Person.244 In jedem Bezirk der DDR fanden vom 13. bis 19. Dezember Großveranstaltungen statt. Deutsche ehemalige Fremdenlegionäre wurden Anfang Dezember angeschrieben und während der Solidaritätswoche bei den Großveranstaltungen eingesetzt.245 Die Veranstaltungen in Leipzig waren am bedeutendsten. Am 16. Dezember hielt Werner Stage, der gleiche der das Buch Hông Chi geschrieben hatte, hier eine Rede. Die DDR beabsichtigte mit den Reden der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre die Arbeiter und andere Bürger im Osten und Westen aufzuklären. Während der Solidaritätswoche wurden ansonsten Spenden gesammelt, es waren Ausstellungen über Nordvietnam zu besichtigen und die Arbeiter in den Betrieben schrieben Protestbriefe an die UNO und die französische Regierung. Am 12. Dezember hatte auch der Bundesvorstand des FDGB einen Brief an den Generalsekretär der UNO geschrieben, in dem er schrieb: „Die FDGB protestiert in Namen seiner fünf Millionen Mitglieder auf schärfste gegen die Weiterführung des barbarischen Kolonialkrieges in Vietnam.“246Am gleichen Tag wurde der Zentralvorstand der Gewerkschaften Vietnams in einem Brief über die Veranstaltungen am 19. Dezember informiert.247 Zusammenfassung Die DDR entschied sich auf Grund der internationalen Lage, des Verhältnisses zwischen Ostund Westdeutschland und ihrer eigenen ohnmächtigen politischen Position dafür, die Die Tribüne, „Aktive Solidarität mit Vietnam üben“, 19.12.1953. BArch, DO I/9141, Bericht vom Bezirksvorstand des FDGB Rostock, 4.12.1953. 244 BArch, DO I/9141, Abteilungsleiter des FDGB-Bundesvorstandes Schiller an den Bezirksvorstand des FDGB, 7.12.1953. 245 SAPMO-BArch, DY 34/5531, Maßnahmen von der Abt. Internationale Verbindungen des FDGBBundesvorstandes zur Durchführung des 19. Dezember 1953 als internationalen Solidaritätstag für die Beendigung des niederträchtigen Kolonialkrieges in Vietnam, 8.12.1953. 246 SAPMO-BArch, DY 34/5815, Brief von Herbert Warnke an den Generalsekretär der UNO, 12.12.1953. 247 SAPMO-BArch, DY 34/5815, Brief von Herbert Warnke an den Zentralrat der Gewerkschaften in Vietnam, 12.12.1953. 242 243 86 deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in ihrer Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit zu instrumentalisieren. Sowohl das Thema des Indochinakrieges im Allgemeinen als auch die Rolle der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in diesem Krieg konnten nämlich außerordentlich gut in der ostdeutschen Westarbeit eingepasst werden. Der Indochinakrieg war der DDR zufolge ein unberechtigter Krieg der den Frieden gefährdenden Imperialisten. Er wurde als Muster für die sogenannte imperialistische Kriegspolitik der BRD dargestellt. Vor allem die Haltung Adenauers wurde von der DDR kritisiert. Die Kritik am Indochinakrieg wurde dafür verwandt, die Kritik an die Entwicklungen in der BRD in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre hinsichtlich der Westintegration und der Remilitarisierung zu verstärken. Die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre wurden von der DDR als so wichtig angesehen, weil sie Augenzeugen des unberechtigten Krieges waren. Dieser Position sorgte dafür, dass sie ihre sich noch in der Fremdenlegion befindenden Kollegen erreichen und zum Überlaufen bewegen konnten. Außerdem waren sie imstande, die ost- und westdeutsche Bevölkerung aufzuklären. Nachdem die DDR sich für die Instrumentalisierung der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre entschieden hatte, ließ deren Gestaltung nicht lange auf sich warten. Hinsichtlich des Themas der „deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre“ nahmen die Heimkehrer selbst die Schlüsselposition ein. Ihr breiter Einsatz durchdrang die Medien, die Repräsentation, die DDR-Literatur und die Veranstaltungen der gesellschaftlichen Organisationen in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre. Darüber hinaus wurde ihr Einsatz von den internationalen Entwicklungen bestimmt. Anlässlich der ersten zwei HeimkehrerTransporte war die Aufmerksamkeit für die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre am größten. Die DDR hatte am Anfang der Fünfziger Jahre nämlich die große Hoffnung, die Prozesse in der BRD rückgängig zu machen. Nachdem 1955 die Spaltung zwischen Ost- und Westdeutschland offensichtlich war, verloren die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre deshalb für sie an Bedeutung. Obwohl die DDR es so darstellte, hatten die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre bei der Aufarbeitung in der Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit keinen Handlungsspielraum und ihnen wurde ihre Meinung von der DDR vorgegeben. Die DDR bestimmte, wer für die Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit eingesetzt wurde. Eigene Initiativen von deutschen ehemaligen Fremdenlegionären wurden abgelehnt. Die Themen in der Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit wurden ebenfalls von den Ostdeutschen festgelegt. Das sorgte dafür, dass die gleichen Themen sowohl in den Medien, in der Repräsentation, in der DDR-Literatur 87 und in den Veranstaltungen verschiedener Art und Weise wiederkehrten. Diese Themen berührten die großen Themen der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre. 88 Kapitel IV: Der Staatssicherheitsdienst in der DDR in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre Das ostdeutsche Ministerium für Staatssicherheit nahm von Anfang an eine wichtige Position im es sich entwickelnden Ost-West-Konflikt ein. Hierfür wurde in den Fünfziger Jahren ein umfangreicher Personalbestand auf zentraler und dezentraler Ebene angelegt. Das Ministerium für Staatssicherheit arbeitete vom Anfang an mit DDR-Bürgern zusammen. Bestimmte Individuen und Gruppen, wie die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, wurden hierzu vom Staatssicherheitsdienst selektiert. Um ihre Arbeit so gut wie möglich zu gestalten, wurden im Gründungsjahrzehnt des Ministeriums für Staatssicherheit die Grundlagen für die Entwicklung in den späteren Jahrzehnten gelegt. Auch wurde ihr Handlungsspielraum in Bezug auf die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) bestimmt. Wie kann das Ministerium für Staatssicherheit in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre charakterisiert werden und welche Schwerpunkte berücksichtigte es in seiner Arbeit? Par 1. Die Gründung des Ministeriums für Staatssicherheit Ab 1945 wurde mit dem Aufbau eines Staatssicherheitsapparates in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands (SBZ) begonnen, der in den ersten Jahren noch stark dem Ministerium für Staatssicherheit der UdSSR (MGB) unterstand. Zwischen 1945 und 1950 wurden zwei Versuche zum Aufbau unternommen. Dabei nahm zunächst das Kommissariat 5 (K5) der Kriminalpolizei eine wichtige Position ein. Das K5 war die erste deutsche, polizeiliche Abteilung, die nach dem Zweiten Weltkrieg in der SBZ existierte, neben der Deutschen Verwaltung des Innern (DVdI) als zentrales sowjetisches Polizeiorgan. Es wurde im Sommer 1945 in Sachsen gegründet und Anfang 1947 auch in den anderen ostdeutschen Ländern installiert. Das Befehl Nr. 201 vom August 1947 im Bezug auf die Entnazifizierung war maßgeblich für das K5. Es wurde mit der gesamten Entnazifizierung in der SBZ beauftragt, und erhielt dafür spezielle Kompetenzen. Außerdem wurde es für die Ausführung dieser Aufgabe politisiert.248 Das Kommissariat nahm eine zwiespältige Position ein. Auf der einen Seite war das K5 dem MGB sowie der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) unterstellt und 248 Norman M. Naimark, The Russians in Germany. A history of the Soviet zone of occupation, 1945-1949 (Cambridge u.a.1995), S. 360-361. 89 konnte nur konform dem sowjetischen System arbeiten. Es konnte keine selbständigen Entscheidungen treffen und führte im Auftrag der MGB Ermittlungen, Durchsuchungen und Festnahmen durch. Das K5 wurde von Kommunisten geleitet und nur diejenigen, die von der UdSSR als zuverlässig betrachtet wurden, konnten für das K5 arbeiten.249 In diesem Rahmen kann das K5 als „Hilfsorgan“ des MGB betrachtet werden.250 Auf der anderen Seite wurde das K5 das zentrale Organ für politische Aktivitäten und Autorität in der SBZ. Das K5 erhielt bald mehr Aufgaben als nur die Entnazifizierung. In den Vordergrund kamen die Bewachung und Bekämpfung des „Gegners des demokratischen Aufbaus“ zu stehen. Am 8. Januar 1948 wurden ihre organisatorischen Richtlinien festgelegt. Das Kommissariat wurde in fünf Abteilungen untergliedert. Die erste Abteilung beschäftigte sich mit Kriminalität, die zweite mit kriminellen Aktivitäten gegen die Mitglieder des Alliierten Kontrollrats, die dritte mit Sabotage des Wiederaufbaus, die vierte mit antidemokratischen Aktivitäten und die fünfte mit technischen Angelegenheiten.251 Ein zweiter Weg zur Gestaltung eines Sicherheitsapparates wurde 1948 projektiert, als die Ostdeutschen zum Ausdruck brachten, dass sie an einem eigenen Geheimdienst interessiert waren. Sie schlugen vor, das K5 aufzulösen und durch die „Hauptverwaltung zum Schutz der Volkswirtschaft“ zu ersetzen. Diese neue Hauptverwaltung sollte nicht mehr der Kriminalpolizei unterstellt werden, sondern direkt dem Präsidenten der DVdI und der MGB. Stalin war mit diesem Vorschlag einverstanden, unter der Auflage, dass die Hauptverwaltung von der MGB streng kontrolliert würde.252 Am 5. Mai 1948 wurde die Hauptverwaltung gegründet. Sie wurde für die administrative Kontrolle des ganzen Volkseigentumes zuständig. Die Hauptverwaltung musste nicht nur das Volkseigentum, sondern auch die konfiszierten und enteigneten Betriebe und Banken sichern und sie vor Missbrauch sowie Sabotage schützen. Erich Mielke wurde der Vorsitzende der „Hauptverwaltung zum Schutz der Volkswirtschaft“ und übte diese Tätigkeit neben seiner Tätigkeit als Vizepräsident des DVdI aus.253 Ein Jahr nach der Gründung der Hauptverwaltung, am 6. Mai 1949, wurde das K5 tatsächlich von der Kriminalpolizei ersetzt. Von der MGB wurden 115 zusätzliche Offiziere zur Mitarbeit in die Hauptverwaltung entsandt. Nur etwa zehn Prozent der K5-Mitarbeiter wurden hier angestellt. Die meisten waren zuvor in der Kriminalpolizei oder in der Deutschen 249 Karl Wilhelm Fricke, Die DDR-Staatssicherheit. Entwicklung, Strukturen, Aktionsfelder (Köln 1989), S. 2122. 250 Jens Gieseke, Der Mielke-Konzern. Die Geschichte der Stasi 1945-1990 (München 2006), S. 41. 251 Naimark, The Russians in Germany, S. 360-362. 252 Gieseke, Der Mielke-Konzern, S. 44-45. 253 Fricke, Die DDR-Staatssicherheit, S. 22. 90 Volkspolizei (DVP) tätig. Die Auswahl des neuen Personals unterlag einer strengen Kontrolle.254 Ein nächster Schritt zur Gründung des Ministeriums für Staatssicherheit wurde Anfang 1950 gemacht. In der Presse wurden agitatorisch-propagandistische Artikel über die Spionage und Sabotage in der SBZ veröffentlicht. In einem Bericht von Mielke, der am 28. Januar erschien, warnte er vor „kriminelle Verbrecher im Dienst des amerikanischen und Britischen Geheimdienstes“ und vor Sabotage- und Diversionsaktionen. Außerdem erwähnte er die systematischen Terroraktionen, die gegen Funktionäre der ostdeutschen Parteien und gegen demokratische Organisationen in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) durchgeführt wurden. Die DDR sammelte jetzt im großen Stil Spionagematerial. In einem Bericht vom 26. Januar wurden die Gründe der Spionage des Westens erklärt. Der DDR zufolge hatte der Aufstieg der Wirtschaft, die Festigung der demokratischen Ordnung und die wachsende Friedensfront in Ostdeutschland zur verstärkten Tätigkeit von Spionen, Saboteurs und Agenten beigetragen. Die ideologische Vorbereitung würde von Organisationen wie dem Rundfunk im Amerikanischen Sektor (RIAS) durchgeführt. Desweiteren würden illegale Flugblätter in der DDR verteilt und nach feindlich gesinnte Leute in staatlichen Einrichtungen der DDR gefahndet.255 Die DDR war der Meinung, dass die Staatssicherheitsorgane diese westlichen Feinde bekämpfen müsse. Deswegen entschied sie sich am 8. Februar 1950 dafür, die Hauptverwaltung zum Schutz der Volkswirtschaft im Ministerium für Staatssicherheit aufgehen zu lassen. Dieses Ministerium sollte sich mit Spionage, Diversions- und Sabotagetätigkeiten beschäftigen, allerdings wurden gesetzlich keine offizielle Aufgabestellung und Zuständigkeitsbestimmung geregelt.256 Was vereinbart wurde, war die personelle Besetzung, die Territorialstruktur und die Leitprinzipien. Am 26. Februar wurden von Ulbricht Wilhelm Zaisser als Minister und Mielke als Staatssekretär des neuen Ministeriums für Staatssicherheit benannt. Das zentrale Ministerium wurde in der Normannenstraβe in Berlin-Lichterfelde eingerichtet. Des weiteren entstanden auch in den fünf Ländern (Brandenburg, Mecklenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen) Verwaltungen. Die Landesverwaltungen bekamen ihre eigenen Untersuchungsgefängnisse. Darüber hinaus wurde in der Prenzlauer Allee die Verwaltung für Groβ-Berlin und schließlich in Siegmar-Schönau die Verwaltung Wismut errichtet. Diese Verwaltung beschäftigte sich 254 Gieseke, Der Mielke-Konzern, S. 45-46. Fricke, Die DDR-Staatssicherheit, S. 23. 256 Ibidem, S. 24. 255 91 mit dem Schutz der Sowjetischen Aktiengesellschaft (SAG) Wismut, die für die Produktion von Uran zuständig war.257 Auch in mehr als einhundert Kreisen wurden Dienststellen des Ministeriums für Staatssicherheit eingerichtet. Nach der Verwaltungsreform 1952 und der Umbildung der fünf Länder in fünfzehn Bezirke wurden die Dienststellen mehr als verdoppelt. Anfangs gab es jedoch noch ein Defizit an überprüften und zuverlässigen Mitarbeiter, was zur Folge hatte, dass manche Dienststellen für zwei Kreise zuständig waren. So wurden zum Beispiel erst 1954 Kreisdienststellen in Leipzig, Karl-Marx-Stadt, Dresden, Halle, Magdeburg und Rostock errichtet. Am wichtigsten waren allerdings die Bezirksverwaltungen, die das Rückgrat des Ministeriums für Staatssicherheit auf dezentraler Ebene ausmachten.258 Die Leitprinzipien des Ministeriums für Staatssicherheit gaben vor, mit welchen Themen der Staatssicherheitsdienst sich auf zentraler und dezentraler Ebene beschäftigte. Das Ministerium für Staatssicherheit wollte alle gesellschaftliche Bereichen wie Politik, Kultur, Wissenschaft, Kirchen, Jugend und Sport überwachen.259Als einheitliches Aufklärungs- und Abwehrorgan musste es die DDR und die SED mit allen möglichen geheimdienstlichen Methoden gegen feindliche Einflüsse beschützen. In diesem Sinne hatte es in der ersten Phase seiner Existenz alle klassischen Funktionen einer politischen Geheimdienstpolizei und eines Spionagedienstes in sich vereinigt.260 Das Ministerium für Staatssicherheit hatte sieben Ziele. Das erste Ziel war die Aufklärung der Pläne und Aktivitäten anderer Staaten, ihrer Einrichtungen und nicht-staatlichen Organisationen, die sich der DDR zufolge politisch, militärisch und subversiv gegen den ostdeutschen Staat richteten. Zweitens mussten die gegen die ostdeutsche, sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung gerichtete Bestrebungen so frühzeitig wie möglich entdeckt, bekämpft und verhindert werden. Drittens sollten alle Oppositionsgruppen mit geheimdienstlichen Mitteln bekämpft werden. Das vierte Ziel mit besonderem Bezug auf die Spionageabwehr hing damit zusammen. Fünftens sah das Ministerium für Staatssicherheit es als ihre Aufgabe, die Volkswirtschaft, das Verkehrswesen und das Post- und Meldewesen gegen kriminelle Aktionen wie Sabotage und Diversion zu beschützen. Sechstens mussten Straftaten gegen die Staatsgrenze und Personenausschleusungen entdeckt und verhütet werden. An letzter Stelle stand das 257 Ibidem, S. 25. Gieseke, Der Mielke-Konzern, S. 135. 259 David Gill und Ulrich Schröter, Das Ministerium für Staatssicherheit. Anatomie des Mielke-Imperiums (Berlin 1991), S. 95. 260 Gieseke, Der Mielke-Konzern, S. 71. 258 92 Entdecken und Bearbeiten von faschistischen Kriegsverbrechen.261 Diese Ziele wurden konform dem Linien- und Schwerpunktprinzip von verschiedenen Hauptabteilungen des Ministeriums für Staatssicherheit verfolgt. Alle Felder des gesellschaftlichen Lebens wurden von einer Hauptabteilung kontrolliert, die in ihren Teilbereich bestimmte Objekte, Einrichtungen, gesellschaftliche Prozessen oder Personengruppen bearbeitete.262 Diese Hauptabteilungen wurden im zentralen Ministerium, aber auch auf dezentraler Ebene in den Bezirksverwaltungen eingerichtet. Beispiele dieser Hauptabteilungen waren die Hauptabteilung (HA) I für Spionageabwehr feindlicher Dienste im Militärbereich, die HA II für Allgemeine Spionageabwehr, die HA III für Funkaufklärung, die HA XXII für Terrorabwehr und die „Sicherung“ der Staatsgrenze, die HA XVIII für die soziale Volkswirtschaft und naturwissenschaftliche Forschung sowie die Hauptverwaltung (HV) A für Auslandsspionage.263 In der Praxis wurden bezüglich dieser Hauptabteilungen Schwerpunkte im Aufgabenfeld gesetzt, da die DDR nicht alle Tätigkeiten als gleichwertig empfand.264 In den ersten Jahren nach der Gründung des Ministeriums für Staatssicherheit standen diese Hauptabteilungen im Ministerium und in den Bezirksverwaltungen unter Kontrolle der UdSSR. Die wichtigsten Funktionäre des Staatssicherheitsdienstes wurden in der UdSSR ausgebildet und Personen aus der UdSSR waren im Staatssicherheitsdienst tätig. Auf diese Weise konnten sie über die Zusammenarbeit informiert werden und zugleich das Personal kontrollieren.265 Andererseits war das Ministerium für Staatssicherheit der SED unterstellt. In diesem Kontext ist der Staatssicherheitsdienst als „Schild und Schwert der Partei“ bezeichnet worden. Trotz der Abhängigkeit des Staatssicherheitsdienstes von der UdSSR und SED erhielt er in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre mehr eigene Kompetenzen. So wurde ihm zum Beispiel am 16. Mai 1952 die Grenzpolizei unterstellt, die vorher der DVP und dem Ministerium des Innern angehörte. Am 26. Mai 1952 ergriff das Ministerium für Staatssicherheit Maßnahmen zum Schutz der Demarkationsgrenze und Sperrzone. Die II. Parteikonferenz der SED vom 9. bis 12. Juli 1952 verstärkte ebenfalls die Position des Ministeriums für Staatssicherheit. Es übernahm die Hoheit über die Bezirksverwaltungen und die Kreisdienststellen. Im Jahre 1955 wurde die Autorität des Ministeriums für 261 Gill, Das Ministerium für Staatssicherheit, S. 32. Ibidem, S. 53. 263 Clemens Vollnhals, „Das Ministerium für Staatssicherheit. Ein Instrument totaler Herrschaftsausübung“, in: Hartmut Kaelbe, Jürgen Kocka und Hartmut Zwahr (Hrsg.), Sozialgeschichte der DDR (Stuttgart 1994), S. 498518, hier S. S. 500. 264 Gieseke, Der Mielke-Konzern, S. 138. 265 Gill, Das Ministerium für Staatssicherheit, S. 76-77. 262 93 Staatssicherheit noch größer, als die Deutschen ihre eigenen Urteile in den Militärtribunalen vollziehen dürften. Im März des gleichen Jahres wurde der ostdeutsche Staatssicherheitsdienst während einer Konferenz mit den Geheimdiensten der UdSSR, der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik (CSSR) und Polen gleichgeschaltet. Das Ministerium für Staatssicherheit wurde ab jetzt als eigenständiges, sowjetisches „Brüderorgan“ betrachtet.266 Es musste allerdings auch akzeptieren, dass ihre ohnmächtige Haltung beim Volksaufstand am 17. Juni 1953 dafür sorgte, dass der Ministerrat am 23. Juli das Ministerium in ein Staatssekretariat im Ministerium des Innern umbildete. Diese Umbildung hatte wahrscheinlich damit zu tun, dass sich in der UdSSR eine ähnliche Entwicklung nach dem Tod Stalins durchgesetzt hatte. Nach der Entlassung Zaissers wurde Ernst Wollweber Leiter des Staatssekretariates. Er setzte eine offensive Kampagne durch, in der er mit Hilfe von Agitation und den Massenmedien die Bevölkerung über Agenten und Agentenzentralen aufklärte. Seine Taktik trug zur erneuten Selbstbestimmung des Staatssekretariats bei, dass gemäß einem Beschluss vom 3. März 1954 in eine selbständige Hauptverwaltung und am 24. November 1955 wieder in ein Ministerium umgestaltet wurde.267 Am 1. November 1957 wurde die Entlassung Wollwebers in den ostdeutschen Zeitungen verkündet. Mielke wurde daraufhin Minister des Ministeriums für Staatssicherheit.268 Par.2 Die Inoffiziellen Mitarbeiter Das Ministerium für Staatssicherheit brauchte zuverlässige Mitarbeitern. Zwei Gruppen waren im Ministerium für Staatssicherheit arbeitsam: Die Hauptamtlichen Mitarbeiter und die Inoffiziellen Mitarbeiter (IM). Die Hauptamtliche Mitarbeiter (HM) hatten eine feste Anstellung im Ministerium für Staatssicherheit. Nur diejenigen, die von der Staatssicherheit als politisch und ideologisch zuverlässig angesehen wurden, konnten auf eine Anstellung im Ministerium für Staatssicherheit hoffen. Statt ihrer Ausbildung spielten ihre Weltsicht und ihre Herkunft bei der Anwerbung eine Rolle. Dieses nachdrückliche Hervorheben ihrer Zuverlässigkeit statt ihrer Qualitäten sorgte in den Fünfziger Jahren dafür, dass nicht alle HM aus professioneller Sicht für ihre Arbeit geeignet waren. Auch ihre Ausbildung in einer 1951 errichteten Ausbildungsstätte in Potsdam-Eiche, die 1965 eine Hochschule wurde, konnte daran nichts ändern. Die Zahl der HM belief sich 1952 auf etwa viertausend, 1955 bereits 266 Gieseke, Der Mielke-Konzern, S. 60. Fricke, Die DDR-Staatssicherheit, S. 26-30. 268 Ibidem, S. 33. 267 94 neuntausend. Im Jahre 1957 stieg diese Zahl bis auf 17.500 HM.269 Die HM konnten ihre Arbeit im sich in den Fünfziger Jahren entwickelnden Ministerium für Staatssicherheit nur mit Unterstützung von IM ausführen. Diese wurden von Anfang an eingesetzt und ihre Zahl wuchs in den Fünfziger Jahren sowie in den folgenden Jahrzehnten ständig. Zwischen 1950 und 1952 belief ihre Zahl sich auf etwa dreizigtausend. Diese IM waren nichtöffentliche, geheime oder inoffizielle Mitarbeiter, die sich für eine konspirative Zusammenarbeit verpflichtet hatten. Von einer eigentlichen Zusammenarbeit war allerdings nicht die Rede. Trotz der Bezeichnung des Ministeriums für Staatssicherheit der IM als „Werktätigen“, mit denen es „vertrauensvoll“ zusammenarbeitete, wurden sie in Wirklichkeit von der Staatssicherheit für geheimdienstliche Arbeit instrumentalisiert.270 Eine einheitliche Charakterisierung dieser IM ist nicht ermittelbar, da sich ihre Tätigkeiten während der gesamten DDR-Geschichte mehrmals änderten.271 In allen Jahrzehnten war es allerdings von Vorteil, dass sie sich in den verschiedenen Einzelbereichen des politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Lebens gut auskannten. Besonders auch in den Bereichen, wo das Ministerium für Staatssicherheit nicht vertreten war, zum Beispiel in den Kirchen.272 Auf Grund ihrer Funktion konnten die IM als die Augen und Ohren der Staatssicherheit bezeichnet werden. Sie waren das Bindeglied zwischen der Staatssicherheit und der Gesellschaft. In ihrer Funktion waren sie die „Hauptwaffe gegen den Feind“. Konform Mielkes Ideologie, „Überall zu sein, alles zu wissen“, operierten sie in der DDR-Gesellschaft.273 In der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre wurde vom Ministerium für Staatssicherheit die Arbeit mit IM in zwei Richtlinien festgelegt. Die Erfassungsrichtlinie vom 20. September 1950 war maßgeblich, da die Bezeichnung der IM hier verkündet wurde. Zwischen 1945 und 1950 waren die IM als „V-Mann“ (Vertrauensmann) angedeutet. Ab 1950 ersetzte die Charakterisierung als Geheimer Informator (GI) oder Geheimer Mitarbeiter (GM) diesen alten Begriff. Die Bezeichnung als GI und GM entsprach die geheimdienstliche SowjetTerminologie und kehrte sich gegen die bürgerliche Bezeichnung. Sie war damit Teil eines „sprachhygienischen“ Programms.274 Konform der Richtlinie waren GI, GM und „Personen, die eine konspirative Wohnung unterhalten“ (KW) in Dienst des Ministeriums für Staatssicherheit. In der Richtlinie wurde außerdem festgelegt, welche Aufgaben diese drei Vollnhals, „Das Ministerium für Staatssicherheit“, S. 502. Gieseke, Der Mielke-Konzern, S. 113-114. 271 Helmut Müller-Enbergs, Inoffizielle Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit, Bd. 1 Richtlinien und Durchführungsbestimmungen (Berlin 1996), S. 11. 272 Gill, Das Ministerium für Staatssicherheit,S. 95. 273 Peter Siebenmorgen, Staatssicherheit der DDR. Der Westen im Fadenkreuz der Stasi (Berlin 1993), S. 64. 274 Gieseke, Der Mielke-Konzern, S. 112. 269 270 95 Gruppen hatten. Die GI wurden für die Sicherung bestimmter gesellschaftlicher Bereiche eingesetzt. Sie mussten Informationen über Personen oder Ereignisse sammeln und waren bedeutend für den Erhalt der internen Sicherheit. Die GI mussten für diese Informationsermittlung über bestimmte Fachkenntnisse verfügen, und führten auf Grund dessen Aufträge aus, die mit ihrem Beruf zusammenhingen. Obwohl sie zwischen 1950 und 1952 oft als Informator angedeutet wurden, war ab 1952 die Bezeichnung als Agent ebenfalls üblich. In den Fünfziger und Sechziger Jahren wurden die meisten IM als GI verpflichtet.275 Dem gegenüber waren nur etwa drei Prozent der IM als GM angestellt. Diese GM wurden zur „Feindbekämpfung“ eingesetzt. Sie mussten nicht nur Informationen sammeln, sondern auch Aufträge des Ministeriums für Staatssicherheit ausführen. Sie überprüften „Feinde“ und ermittelten Beweise für die „Feindtätigkeit“ einzelner Personen oder Organisationen. Manchmal standen sie zu diesem Zweck sogar in Verbindung zu gegnerischen Geheim- oder Nachrichtendiensten in Westberlin oder in der BRD.276 Die dritte Gruppe der IM, die KW, stellten ihre „konspirative Wohnung“ der Staatssicherheit für die Kommunikation zwischen den Hauptamtlichen Mitarbeitern und den IM zur Verfügung, und boten so logistische Hilfe.277 Die zweite Richtlinie für die Arbeit der IM in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre, bekannt als Richtlinie 21, wurde von Mielke am 20. November 1952 verkündet. Sie umfasste bereits alle Grundelemente für die späteren Richtlinien im Bezug auf IM. Der wichtigste Bestandteil dieser zweiten Richtlinie war die Einordnung der Arbeit von IM in der politischen Lage der DDR und die Verbindung zur inneren Sicherung der DDR sowie der „Feindbekämpfung“. Die internationalen Entwicklungen, vor allem in der BRD, sorgten dafür, dass besonders den GM eine bedeutende Rolle zugeignet wurde. Das Ministerium für Staatssicherheit umschrieb sie als die „wichtigste Waffe im Kampf gegen Agenten, Spione, Saboteure und Diversanten“. In Richtlinie 21 wurden die GI nicht erwähnt, da sie auf Grund ihres Einsatzes nicht direkt für die „Feindbekämpfung“ eingesetzt wurden.278 Richtlinie 21 war damit wichtig für die Differenzierung zwischen den GI und GM. In beiden Richtlinien aus dem Jahr 1950, beziehungsweise 1952, wurde der Rekrutierungsprozess der DDR-Bürger als GI und GM erwähnt. In der Erfassungsrichtlinie wurde die administrative Seite dieser Rekrutierung von der Abteilung Erfassung und Statistik 275 Müller-Enbergs, Inoffizielle Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit, S. 63. Ibidem, S. 76-77. 277 Ibidem, S. 81. 278 Ibidem, S. 29-32. 276 96 im Ministerium und in den Länderverwaltungen der Staatssicherheit festgelegt.279 Der Anwerbungsprozess fand in verschiedenen Stadien statt. Zuerst wurden zuverlässige Personen ausgewählt, die auf keinen Fall für Geheimdienste oder Nachrichtendienste arbeiteten und geeignet waren für den Einsatz bei nachrichtendienstlichen Problemen, wie zum Beispiel Spionage durch den Westen. In der Erfassungsrichtlinie wurde festgelegt, dass die GM im Gegensatz zu den GI über Kontakte mit „Feinden“ oder „feindlichen“ Personen verfügen mussten. Gemäß Richtlinie 21konnten auch diejenigen, die als Ansprechpartner für feindliche Organisationen einsetzbar waren, als GM angestellt worden.280 Nach der Auswahl wurden die Personalien, Verwandtschaftsbeziehungen, Gewohnheiten, Leidenschaften und eventuelle Erpressungsmöglichkeiten von der zukünftigen GI, GM und KW überprüft.281 Nach der Feststellung der Zuverlässigkeit nahm die Staatssicherheit Kontakt zu ihnen auf und sie wurden rekrutiert. Diese Rekrutierung wurde sorgfältig vom Leiter des Diensteinheit des Staatssicherheitsdienstes vorbereitet. Es wurde ein „Auskunftsbericht“ erstellt, in dem die Merkmale der potentiellen GI, GM oder KW aufgezeichnet wurden. Die Durchführung der Anwerbung fand am Anfang der Fünfziger Jahre auf Grund des Mangel an konspirativen Wohnungen in Gebäuden der Staatssicherheit statt. 282 Die GI, GM oder KW verpflichteten sich entweder mit einer mündlichen, doch häufiger mit einer schriftlichen Erklärung. Diese schriftliche Erklärung wurde von ihnen mit einem Decknamen unterzeichnet. Nach der Verpflichtung war von einer offiziellen Arbeitsverpflichtung für den Staatssicherheitsdienst die Rede. Bei verschiedenen Zusammenkünften – von der Staatssicherheit als „Treffs“ betitelt – wurde konspirativ mit den GI, GW und KW gesprochen und es wurden ihnen Aufträge übermittelt. Über jeden Treff wurde ein Bericht geschrieben.283 Die Motive der DDR-Bürger, sich als GI, GM oder KW zu verpflichten, waren einerseits politisch. Sie glaubten daran, einen Beitrag zum Aufbau des Sozialismus und bei der Bekämpfung der feindlichen Kräften zu leisten. Auch ließen sich viele IM anwerben, da sie daran glaubten, aus ihrer Anstellung beim Ministerium für Staatssicherheit persönliche Vorteile ziehen zu können. Oft handelten sie auch aus Angst vor den Maßnahmen der Staatssicherheit bei einer Verweigerung. Am Anfang der Fünfziger Jahre waren Erpressungen ein häufiges Mittel zur Gewinnung von GI, GM oder KW. Dies änderte sich erst Mitte der Fünfziger Jahre. Ab 1954 wurden vom Ministerium für Staatssicherheit vermehrt auf die 279 Ibidem, S. 24-26. Ibidem, S. 91. 281 Ibidem, 99. 282 Ibidem, 99-105. 283 Ibidem, S. 131 und 136. 280 97 DDR-Bürger eingeredet, um sie von der Tätigkeit politisch zu überzeugen.284 Par. 3 Die Hauptabteilung II: Spionageabwehr Über die ersten Jahre der Spionageabwehr der DDR sind H. Labrenz-Weiß zufolge nur wenige Akten erhalten, doch es steht fest, dass dieses Thema von Anfang an für das Ministerium für Staatssicherheit bedeutungsvoll war.285 Das traf sicher auf die erste Hälfte der Fünfziger Jahre zu, als die Spionageabwehr mit der Westintegration und der Remilitarisierung verbunden werden konnte. Eine der bedeutendsten und größten Abteilungen des Ministeriums für Staatssicherheit war auf Grund dessen die HA II für Spionageabwehr gegen die westlichen Geheim- und Nachrichtendiensten – vor 1953 als HA IV bekannt. In dieser Position war diese Abteilung ebenfalls in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre für die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre zuständig, worauf im sechsten Kapitel näher eingegangen wird. Die Geschichte der HA IV führt zurück zu den ersten Nachkriegsjahren, als sie, noch bevor das Ministerium für Staatssicherheit gegründet war, als Bestandteil der „Hauptverwaltung zum Schutz der Volkswirtschaft“ wirkte. Während ihrer ganzen Geschichte beschäftigte sie sich mit der „operativen Bearbeitung“ von westdeutschen und westalliierten Geheim- und Nachrichtendiensten.286 Auch Institute, Einrichtungen und ihre Mitarbeiter wurden kontrolliert, die zum Teil von den Geheim- und Nachrichtendiensten betrieben wurden. Beispiele dafür sind die RIAS und Radio Free Europe, aber auch Organisationen wie die „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit“.287 Der Auftrag der HA II bestand gemäß einen Politbürobeschluss vom 23. September 1953 im „Eindringen der Informatoren in die Spionageorgane, Schulen und Zentren von Spionage- und Diversionsorganisationen zwecks Aufdeckung der Pläne und Absichten des Feindes sowie der in die DDR, UdSSR und in die Länder der Volksdemokratien und westberliner Spionage-, Diversions- und terroristischen Organisationen“.288 Der erste Leiter der HA IV war zwischen 1949 und 1950 Werner Kukelski. Mit der Gründung des Ministeriums für Staatssicherheit wurde die HA IV im Ministerium und in den 284 Ibidem, S. 131. Hanna Labrenz-Weiβ, Die Hauptabteilung II: Spionageabwehr. Anatomie der Staatssicherheit. Geschichte, Struktur und Methoden. MfS Handbuch Teil III/7 (2. Auflage, Berlin 1995), S. 32. 286 Ibidem, S. 3. 287 Günter Möller und Wolfgang Stuchley, „Zur Spionageabwehr (HA II im MfS/Abt. II der BV), in: Reinhard Grimmer, Willi Opitz und Wolfgang Schwanitz (Hrsg.), Die Sicherheit. Zur Abwehrarbeit des MfS Bd. 1 (3. Auflage, Berlin 2003), S. 431-559, hier S. 433. 288 Labrenz-Weiβ, Die Hauptabteilung II, S. 3. 285 98 Ländern eingegliedert. Paul Rumpelt ersetzte Kukelski im Dezember 1950 als Leiter der HA IV und behielt diese Funktion bis 1952. In diesem Jahr wurde die HA IV in den neuen Bezirken installiert und wurde Rolf Markert ihr neuen Leiter.289 Erst 1953 wurden auch in den Kreisen Mitarbeiter und Arbeitsgruppen der HA IV tätig.290 Die Kreise spielten jedoch keine bedeutende Rolle bei der Spionageabwehr, weil sie die Bezirksverwaltungen oder die zentrale HA IV direkt über Ereignisse oder Personen benachrichtigten.291 Ende 1953 wurde Markert von Josef Kiefel ersetzt, der bis 1960 Leiter der HA II blieb. Am 25. November war dazu übergangen worden, die HA IV für Spionageabwehr und die HA II für die Westarbeit in die HA II zusammenzuführen. Die HA II hatte im November 1953 hundertfünfzig Mitarbeiter.292 Die HA II war in vier Referate untergliedert, die alle einen Teil der Spionageabwehr abdeckten. Das erste Referat, unter der Leitung von Oberstleutnant Boede, war für die amerikanische Linie, das zweite, unter der Leitung von Major Grünert, für die britische, das dritte, mit Oberstleutnant Heine an der Spitze, für die französische und das vierte, dessen Leiter Oberstleutnant Kukelski war, für die westdeutsche Linie zuständig.293 Die Referate waren an Informationen über ihren jeweiligen Teilbereich interessiert. So setzte das dritte Referat sich mit den französischen Geheimdiensten in Westberlin und in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) auseinander. Diese Geheimdienste waren im Saarland, in Baden-Baden und in Rheinland-Pfalz tätig. In Westberlin war das „Quartier Napoleon“ in Reinickendorf am wichtigsten. Der französische Auslandsnachrichtendienst Direction General de la Securité Exterieur, der zentrale Abwehrdienst Direction de la Surveillance du Territoire als Teil des französischen Ministeriums des Innern und der militärische Nachrichtendienst Direction du Renseignement Militaire standen im Blickfeld des Referats drei. Der militärische Nachrichtendienst würde auch als das Deuxième Bureau bezeichnet und war dem französischen Verteidigungsministerium unterstellt. Es war das zentrale Aufklärungs- und Abwehrorgan der französischen Armee.294 Am Ende des Jahres 1952 wurde ein fünftes Referat errichtet, das allgemeine Aufgaben erhielt die nicht zu einer einzelnen Linie gehörten. Beispiele dafür waren die Überwachung von Ausländern und diejenigen, die unter Verdacht von Spionagetätigkeiten standen, die Bearbeitung von Gefangenen aus Volksdemokratien, legalen und illegalen Rückkehrern und den Übersiedlern aus Westdeutschland oder Osteuropa 289 Ibidem, S. 32. Möller, „Zur Spionageabwehr“, S. 482. 291 Hubertus Knabe, West-Arbeit des MfS. Das Zusammenspiel von ‚Aufklärung‘ und ‚Abwehr‘ (2. Auflage, Berlin 1999), S. 69. 292 Möller, „Zur Spionageabwehr“, S. 483. 293 Labrenz-Weiβ, Die Hauptabteilung II, S. 35. 294 Möller, „Zur Spionageabwehr“, S. 474. 290 99 in den Quarantänelagern.295 Die Referate blieben während der gesamten Fünfziger Jahre erhalten, allerdings nicht ohne verschiedene strukturelle Änderungen. In März 1955 wurde zum Beispiel die HA II mit der Überwachung der Militärmissionen als zusätzliche Aufgabe beauftragt und im Januar 1956 wurde die HA II ebenfalls für die Funkabwehr und entsprechende Maßnahmen im Westen zuständig. Keine dieser Maßnahmen änderte aber die Grundlage der HA II entscheidend. 296 Die HA II hatte im Rahmen der „Abwehr“ und „Aufklärung“ IM in Dienst.297 Diese IM hatten oft Verbindungen zu den Geheim- und Nachrichtendiensten in Westberlin oder in der BRD. Sie betrieben im Westen Gegenspionage, infiltrierten in die Geheim- und Nachrichtendienste und lieferten der DDR auf diese Weise Informationen. Auch wurden sie im Umfeld von Spionageverdächtigen und bei der Post- und Telefonüberwachung eingesetzt. Wenn besondere Ereignisse stattfanden, wie der Verlust von vertraulichen Unterlagen, oder wenn Mitarbeiter eines Betriebs sich verdächtig verhielten, arbeiteten die IM vor Ort. Das Ziel der DDR war ihre Spionageabwehr mit den IM so umfassend wie möglich zu gestalten. Nur dann konnten Spione identifiziert und entlarvt werden und die HA II über die aktuellsten Informationen hinsichtlich dem Handel und Wandel der Geheim- und Nachrichtendiensten verfügen.298 Die IM dienten einerseits dazu, sich den Spionageobjekten so nah wie möglich anzunähern, andererseits die DDR so schnell wie möglich zu benachrichtigen. Die IM wurden während der Fünfziger Jahre auch bei den Großaktionen gegen den Westen eingesetzt. Gewalttätige Aktionen mit Einbrüchen, Sprengstoffattentaten und Menschenraubaktionen waren keine Ausnahme. Diese Aktionen machten die HA II berüchtigt. Im Oktober 1953 wurde die Aktion „Feuerwerk“ ausgeführt. Bei dieser Aktion wurden Filialen der Organisation Gehlen – dem Vorläufer des Bundesnachrichtendienstes – in Westberlin zerschlagen und die Informanten der Organisation Gehlen entlarvt. Im August 1954, bei der Aktion „Pfeil“, wurden 354 spionageverdächtige Personen, die für die Organisation Gehlen arbeiteten, festgenommen.299 Im Jahre 1955 wurden bei den Aktionen „Frühling“, „Gärtner“ und „Anweisung“ 380 andere Personen unter Verdacht von geheimdienstlicher Kooperation verhaftet. Die Aktion „Schlag“ gegen die Zentrale des Military Intelligence Department in Würzburg war ebenfalls aufsehenerregend. Mit Hilfe 295 Labrenz-Weiβ, Die Hauptabteilung II, S. 32. Ibidem, S. 55. 297 Die Begriffe „Abwehr“ und „Aufklärung“ sind von Hubertus Knabe in seinem Buch West-Arbeit des MfS. Das Zusammenspiel von ‚Aufklärung‘ und ‚Abwehr‘ verwendet worden. 298 Möller, „Zur Spionageabwehr“, S. 492. 299 Labrenz-Weiβ, Die Hauptabteilung II, S. 36. 296 100 eines GM konnten zwei Panzerschränke mit der kompletten Agentenkartei des damaligen westdeutschen Militärspionagedienstes konfisziert werden. Mit den Informationen aus dieser Kartei wurden 140 Agenten entlarvt.300 Die Panzerschränke der Zentrale der Sozialistischen Partei Deutschlands (SPD) in Bonn, in dem die Personalkartei des Ostbüros aufbewahrt wurde, wurde ebenfalls in den Besitz der HA II gebracht. Zusammenfassung Das Ministerium für Staatssicherheit entstand aus den Initiativen zur Gründung eines Sicherheitsapparates in der ostdeutschen Zone, die zwischen 1945 und 1950 einerseits von der UdSSR und andererseits von den Ostdeutschen ergriffen wurden. Obwohl die UdSSR das Sagen über die Ostdeutsche Staatssicherheit hatte, entwickelte das Ministerium für Staatssicherheit sich nach seiner Gründung am 8. Februar 1950 rasch zu einem eigenständigen Sicherheitsapparat mit eigenen Kompetenzen, ohne dass der personellen Wechsel und die institutionellen Umgestaltungen in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre von einem Ministerium in ein Staatsekretariat und umgekehrt etwas daran änderten. In den Fünfziger Jahren, aber auch in späteren Jahrzehnten, war es das „Schild und Schwert“ der SED. Es durchdrang alle gesellschaftlichen Bereiche und setzte sich mit Objekten, Einrichtungen, gesellschaftlichen Prozessen und Personengruppen auseinander. Das Ministerium für Staatssicherheit beschäftigte sich zusammen mit einer ständig anwachsenden Zahl HM und verschiedenen IM konform ihrem Linien- und Schwerpunktprinzip in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre auf zentraler und dezentraler Ebene mit Spionage-, Diversions- und Sabotagetätigkeiten des Westens in Ostdeutschland. Die verschiedenen Hauptabteilungen bildeten Untergliederungen der Arbeit des Ministeriums für Staatssicherheit. Die HA II für Spionageabwehr war eine große und wichtige Hauptabteilung, da ihre Arbeit in den Fünfziger Jahren mit der Spionage bezüglich der Westintegration und der Remilitarisierung verbunden werden konnte. Ihre Aufklärungs- und Abwehrarbeit wurde von Anfang an mit den Tätigkeiten westlicher Geheim- und Nachrichtendienste verbunden. Die vier Referate der HA II beschäftigten sich mit den verschiedenen Teilbereichen der Spionageabwehr. Unter ihnen war das dritte Referat für die französische Linie zuständig. 300 Labrenz-Weiβ, Die Hauptabteilung II, S. 37. 101 Kapitel V: Der Aufenthalt der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in der DDR Obwohl die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre von der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) für Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit instrumentalisiert wurden, bedeutete das nicht, dass die DDR unbedingt ein positives Bild von ihnen hatte, oder dass sie als zuverlässig angesehen wurden. Schon im dritten Kapitel wurde die umfassende Untersuchung der DDR vor und während der Heimkehrer-Transporte hinsichtlich der Ansässigkeit der Heimkehrer und ihrem Status als Überläufer oder Kriegsgefangene dargestellt. Dieses frühzeitige Beobachten kennzeichnete das Misstrauen der DDR in Bezug auf ihre Auseinandersetzung mit den deutschen ehemaligen Fremdenlegionären während der Heimkehrer-Transporte und in der DDR. Wie wurden die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre von der DDR betrachtet und wie wurden sie demzufolge in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre in der ostdeutschen Gesellschaft integriert? Par. 1 Die Betrachtung der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre durch die DDR Die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre wurden von der DDR hinsichtlich ihres Charakters, ihres Bewusstseins, ihrer Disziplin und ihrer Zuverlässigkeit misstrauisch und negativ betrachtet. Das hing auf der einen Seite eng mit der Sicht auf ihre Prägung durch die Umstände in den ersten Nachkriegsjahren zusammen. Die DDR stellte fest, aus welchen Gründen sie übergelaufen waren, um so ihre Hintergründe zu kartieren und ihr Verhalten zu verstehen. Es stellte sich heraus, dass meistens unpolitische Gründe zur Eintritt in die Fremdenlegion beigetragen hatten. Laut der DDR lag erstens der Schwarzhandel dem Eintritt in die Fremdenlegion zugrunde. Aus Angst vor Entdeckung und Strafe waren die zukünftigen Fremdenlegionäre nach Westdeutschland geflüchtet, wo sie keine Arbeit gefunden hatten. Zweitens hatte die französische Propaganda durch Filme und Zeitschriften einerseits, sowie mittels persönlichen Werbungen andererseits das Leben in der Fremdenlegion als schön und gut dargestellt. Familienstreitigkeiten, meistens durch die Ernährungslage oder Geldangelegenheiten hervorgerufen, waren einen dritter Grund. Der vierte Grund bezog sich auf den vielfachen, illegalen Grenzübertritt ostdeutscher zukünftiger Fremdenlegionäre. Nach ihrer Verhaftung in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) bekamen sie entweder eine Strafe auferlegt oder sie traten in die Fremdenlegion ein. Außerdem wurden die an die französischen Regierung übergebenen Kriegsgefangenen schlecht behandelt. Der Eintritt in die 102 Fremdenlegion bracht in dieser Situation Freiheit anstatt Prügel und Hunger.301 Auf der anderen Seite musste das Verhalten der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre der DDR zufolge im Licht ihrer von kriminellen Straftaten gekennzeichneten Vergangenheit gesehen werden, und darüber hinaus auch ihre Tätigkeit in der Fremdenlegion. Die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre waren in den Augen der DDR nicht denazifiziert und es war so, dass sie „[…]aufgrund ihrer längeren Zugehörigkeit zur Waffen SS oder anderen nazistischen Verbände noch nazistisches Gedankengut mit sich tragen“.302 Die DDR ging davon aus, dass die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre menschlich und moralisch schwach seien. Diese Schwächen rührten aus dem Leben in der Wehrmacht und in der Fremdenlegion.303 Aus einem Bericht aus dem Quarantänelager Bischofswerda geht hervor, was die DDR unter diesen Schwächen verstand: „Bei den ehemaligen Fremdenlegionären handelt es sich zum größten Teil um asoziale Elemente, die mehr oder weniger mit Verbrechen, Vergehen belastet sind. Vom Mord über die scheußlichsten Grausamkeiten, begangen an der vietnamesischen Zivilbevölkerung, homosexuellen Entartungen und Perversitäten bis zum Diebstahl ist jeder mehr oder weniger bis auf geringe Ausnahmen belastet.“304 Berichte über die Heimkehrer-Transporte und den Aufenthalt im Quarantänelager Bischofswerda zeigen den geringen Effekt der politischen Schulung in Nordvietnam. In den Berichten über die Heimkehrer des ersten Transportes wurde die geringe politische und moralische Auswirkung der dreimonatigen politischen Schulung in Nordvietnam erwähnt. Ihr Einsatz als Propagandist oder als bewaffneter Kämpfer in der Volksarmee hätten die Schwächen der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre nicht beseitigen können und die Schulung reiche für ein Verständnis der gegenwärtigen politischen Lage – besonders in der DDR – nicht aus.305 Eine Bewusstseinsänderung sei nicht aufgetreten. Das treffe besonders auf die Kriegsgefangenen zu, so die Meinung der DDR anlässlich des zweiten HeimkehrerTransports. Sie begründete das durch das schnelle Durchlaufen der verschiedenen Etappen 301 BArch, Do I/9131, Gründe zum Eintritt in die Fremdenlegion. BArch, DO I/9130, Bericht von Ernst Kusch über den Transport ehemaliger Fremdenlegionäre aus Vietnam in die DDR vom 24.7.-16.8.1954, ohne Datum. Auskünfte über Kusch konnten von der Autorin nicht ermittelt werden. 303 BArch, DO I/9131, Bericht über die Repatriierung von 69 deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre aus Vietnam, 3.4.1951. 304 BStU, MfS 511/62, Bd. 29, Paul Rumpelt der Abt. IV an Erich Mielke im Hause, betr. der Ablauf unserer Arbeit im Quarantänelager Bischofswerda, 8.4.1951. 305 SAPMO-BArch, DY 30/IV2-391, Herbert Warnke an das ZK der SED, 3.4.1951. SAPMO-BArch, DY 30/IV2-391, Bericht über die Repatriierung von 69 deutschen ehemaligen Fremdenlegionären aus Vietnam, 3.4.1951. 302 103 Fremdenlegion, Kriegsgefangenschaft und Heimkehr in die DDR.306 Die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre hatten, abgesehen von einer Bewusstseinsänderung, ebenfalls keine Lehre aus ihrer „Landsknechtvergangenheit“ gezogen. Sie seien der Meinung, dass der Dienst in der Fremdenlegion ganz normal und unschandbar war.307 Darüber hinaus verweigerten sie sich, negativ Stellung gegenüber der Fremdenlegion zu nehmen und erzählten immer wieder übertriebene Geschichten über ihre Erlebnisse als Fremdenlegionär.308 Das Leben in der Fremdenlegion, das von den deutschen ehemaligen Fremdenlegionären als abenteuerlich dargestellt wurde, stimmte auf Grund dessen nicht mit dem negativen Bild überein, das in den Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit von der DDR und von den Heimkehrern selbst dargestellt wurde. Die DDR war sich darüber im Klaren und wurde außerdem auch von den Mitarbeitern des Staatssicherheitsdienstes darin bestätigt. So wurde in einem Stimmungsbericht ermittelt, dass das innere Stimmungsbild der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre anders sei als ihre Äußerungen. Das habe eine gekünstelte Darstellung zur Folge.309 In einem anderen Stimmungsbericht hieß es sogar, 96% seien über den Zeitungsartikel „Rückkehr von 69 ehemaligen Fremdenlegionäre“ verärgert.310 Die sehr geringe Zahl der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, die sich aus eigener Initiative für die Öffentlichkeitarbeit einsetzten wollte, zeigt ebenfalls, wie sehr die Standpunkte der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in der Propaganda und Öffentlichkeit von der DDR vorgegeben wurden. Außerdem wird klar, dass die politische Schulung in Bischofswerda wenig erfolgreich war. Vom ersten Transport hatten sich zum Beispiel nur die drei Initiatoren der Deutsch-Vietnamesischen Arbeitsgemeinschaft freiwillig mit Politik und Propaganda beschäftigt.311 Diese fragwürdige Haltung der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre kam nicht nur in ihren Berichten über die Fremdenlegion, sondern auch in ihrer Disziplinierung im Quarantänelager Bischofswerda zum Ausdruck. Über die Heimkehrer des ersten Transportes wurde geschrieben, dass sie undurchsichtig, abwartend, verschlagen und zur Zeit brutal seien. Es wurde von der DDR ein Unterschied zwischen den jüngeren (zwischen 1947 und 1950 306 BArch, DO I/9142, Information vom MdI Abt. Bevölkerungspolitik über den am 7.4.1952 in der DDR eingetroffenen Heimkehrer-Transport aus Vietnam, 28.4.1952. 307 BArch, DO I/9131, Herbert Warnke an das ZK der SED, 3.4.1951. 308 SAPMO-BArch, DY 30/IV2-391, Bericht von Siegfried Büttner über die Übernahme eines Sondertransportes mit 69 ehemaligen Fremdenlegionären aus Vietnam, 31.3.1951. 309 BStU, MfS 511/62, Bd. 5, Abschrift von einem Stimmungsbericht in Bischofswerda, 1.4.1951, S. 000020. 310 BStU, MfS 511/62, Bd. 5, Abschrift von einem Stimmungsbericht in Bischofswerda, 4.4.1951, S. 000022. 311 BArch, DO I/9131, Bericht von Herbert Warnke an das ZK der SED, 3.4.1951. 104 übergelaufen oder gefangen genommen) und den älteren (ab 1950 übergelaufen oder gefangen genommen) deutschen ehemaligen Fremdenlegionären gemacht. Sie glaubte, dass die Jüngeren sich am besten integrieren könnten, während die Älteren leichter in alte Gewohnheiten zurückfallen könnten.312 Dem stand jedoch gegenüber, dass die Jüngeren in den Diskussionen zurückhaltender und die Älteren empfänglicher seien. Die DDR suchte die Erklärung darin, dass der „westdeutschen Lügenfeldzug zum Beispiel gegen die Oder-NeißeFriedensgrenze“ sie beeinflusst habe.313 Auf sowohl die Älteren wie auch die Jüngeren traf jedoch zu, dass sie die Lagerdisziplin nicht respektierten und zeitweise aus dem Quarantänelager entkamen. Sogar die Heimkehrer im Krankenhaus waren schwer disziplinierbar, da auch sie das Krankenhaus in der Nacht verließen. Des weiteren gingen die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre unsorgfältig und unachtsam mit ihren erhaltenen Sachen um. Die Heimkehrer des zweiten Transportes verkauften ihre Kleidung oder stahlen von ihren Kameraden und kauften von dem Geld Alkohol.314 Das geschah anscheinend öfter, da das Ministerium des Innern sich am 27. April 1953 dazu entschied, ihre wattierten Jacken zurückzufordern, bevor alle sie verkaufen könnten. Der Verkauf der Jacken habe keine positive Auswirkung auf die Moral der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre und außerdem verstand die Bevölkerung von Bischofswerda es nicht.315 Die DDR war natürlich sehr bemüht, sich vor einer negativen Darstellung des Themas der „deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre“ zu hüten, da sonst die Auswirkungen der Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit fehlgeschlagen hätten. Nicht ihr Charakter, ihr Bewusstsein oder die Disziplinierung der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, sondern das Bild der DDR im Bezug auf ihre Zuverlässigkeit trug am meisten zum negativen Bildformung bei. Mit dieser Zuverlässigkeit meinte man vor allem den Verzicht auf Westkontakte und den bleibenden Aufenthalt in der DDR. In Bezug auf die Zuverlässigkeit konnte die DDR am wenigsten Einfluss ausüben. Sie konnte eine umfangreiche politische Schulung organisieren und die Integration der Heimkehrer gestalten, doch eine positive Auswirkung konnte sie nicht erzwingen. Viele deutsche ehemalige Fremdenlegionäre verließen in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre die DDR. Die 312 BArch, DO I/9131, Bericht über die Übernahme eines Sondertransportes mit 69 ehemaligen Fremdenlegionären aus Vietnam, 31.3.1951. 313 BArch, DO I/9130, Die Abt. Innere Angelegenheiten des Rat des Bezirkes Dresden an das Staatssekretariat für Innere Angelegenheiten des MdI, 7.3.1956. 314 BArch, DO I/9142, Stellungnahme der Abt. Bevölkerungspolitik des MdI zur Übernahme von weiteren 69 ehemaligen Fremdenlegionären, die aus vietnamesischer Kriegsgefangenschaft entlassen und in die DDR überführt werden sollen, 14.10.1952. 315 BArch, DO I/9143, Herr Heinze an den Rat des Bezirkes, 27.4.1953. 105 Abwanderungszahlen, die von den Bezirken zwischen 1956 und 1958 erstellt wurden, machen die Menge der „Republikflüchtige“ unter ihnen deutlich sichtbar. Von den insgesamt 763 in den Bezirken aufgenommen deutschen ehemaligen Fremdenlegionären verließen 307 von ihnen die DDR illegal und legal, von denen die Mehrheit illegal. Das Scheitern der ostdeutsche Versuchen, sie zur zuverlässigen DDR-Bürgern zu erziehen, wird noch besser sichtbar als bei den Vorgängern, die von der DDR noch als einigermaßen zuverlässige Heimkehrer in Betracht kamen. Die DDR hatte keine Gewähr, dass diese Heimkehrer sich bleibend in der DDR aufhielten. Selbst diejenigen, die das „Komitee für Frieden und Heimkehr“ gegründet hatten, verzogen alsbald in den Westen. Die DDR bezeichnete diese deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre vom zweiten Transport, die anfangs ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit gezeigt hatten, als heuchlerisch. Auf Grund der hohen Abwanderungszahlen beabsichtigte die DDR ab 1952 mit Hilfe einer „längeren internatmäβigen Unterbringung, verbunden mit einer stärkeren ideologischen Einflussnahme“ die Zahl der Abgänge zu reduzieren.316 Eine längere Quarantänezeit war allerdings auch keine erfolgreiche Maßnahme. Politisch hätte die DDR die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre wahrscheinlich nicht erreichen können. Die meisten von ihnen handelten nämlich nicht aus politischen Gründen und waren auch nicht an der Politik interessiert. Die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre waren nicht nur in ihrer Entscheidung, in die Fremdenlegion einzutreten und später zur Volksarmee überzulaufen, von materiellen statt politischen Gründen geleitet. Auch ihre Republikflucht fand aus persönlichen Gründen statt. Die Heimkehrer strebten einfach ein besseres Leben an. Vielen glaubten nach Ankunft in der DDR, dass das in der BRD auf sie wartete und so zogen sie in den Westen um. Außerdem rechneten viele mit einer Rückkehr in die Fremdenlegion. Der deutsche diplomatische Mission in Peking schrieb über die Heimkehrer des zweiten Heimkehrer-Transport : „Außer den sehr positiven Auffassungen, die bei der Mehrzahl der Angehörigen des Transportes über die bevorstehende Rückkehr in die Heimat vorhanden sind, gibt es auch einige negative Auffassungen, deren Vertreter nach ihrer Rückkehr in die DDR wieder nach Westdeutschland gehen wollen, um dort nach ihrer Meinung ihre früheren gut bezahlten Stellungen wieder einzunehmen oder von dem Söldnerlohn (sie glaubten, diesen von den Franzosen nach ihrer Rückkehr zu erhalten) sich 316 BArch, DO I/9142, Stellungnahme der Abt. Bevölkerungspolitik des MdI zur Übernahme von weiteren 69 ehemaligen Fremdenlegionären, die aus vietnamesischer Kriegsgefangenschaft entlassen und in die DDR überführt werden sollen, 14.10.1952. 106 eine neue Existenz aufzubauen.“317 Die DDR war ebenfalls der Meinung, dass vor allem das Erhalten eines höheren Dienstgrades für den Umzug in den Westen verantwortlich war und keine Bestrafung der Fremdenlegion auf Grund des Überlaufens befürchtet werden musste. Als dritten Grund nennte sie das Geld, das die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre auf ihrem französischen Bankkonto hatten. Darüber hinaus wohnten Familienmitglieder der Heimkehrer in Westberlin oder im Westen.318 Die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre stellten auf Grund ihrer Republikflucht einen Risikofaktor für die DDR dar. Es war schlecht für den Ruf der DDR, wenn so viele, die für die Westarbeit eingesetzt waren, selbst in den Westen umzogen. Die Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit könnte auf Grund dessen an Glaubwürdigkeit verlieren. Außerdem bestand die Gefahr, dass die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre sich im Westen negativ über die politische und gesellschaftliche Lage der DDR äußerten. Die DDR versuchte jedoch nicht die Heimkehrer in der DDR zurückzuhalten, da das ebenfalls schlecht für ihren internationalen Ruf gewesen wäre. Es wäre unerwünscht gewesen wenn der Westen vermutet hätte, dass die DDR die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre zwar zurückkehren ließ, aber sie danach gefangen hielt. Das traf besonders auf die Heimkehrer zu, die vor ihrer Dienstzeit in der Fremdenlegion in der BRD ansässig gewesen waren. Auf Grund dessen beschränkte sich die DDR auf eine propagandistische Beeinflussung und einer Beobachtung der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre. Mit ihrer Propaganda setzte sich die DDR zum Ziel, sie von einer Abwanderung und Gegenpropaganda abzuhalten. Der Flucht in den Westen und die Verhaftung von Jack Holsten und seiner Gruppe im Juni 1951 von der britischen und der Berliner Polizei war beispielsweise ein guter Anlass, die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre vor der Republikflucht zu warnen. Im Prinzip unternahm die DDR hinsichtlich der Heimkehrer keine gezielten Aktionen, aber das bedeutete nicht, dass sie alles akzeptierte. Sie behielt immer ihre eigenen Interessen im Auge: „Die Toleranz der DDR muss auch dort seine Grenzen finden, wo das staatliche Prestige verletzt und die Verhältnismäßigkeit zwischen den materiellen Aufwendungen und dem politischem Erfolg nicht mehr gewährt ist“.319 317 BStU, MfS 511/62, Bd. 29, Abschrift von einem streng vertraulichen Auszug aus einem Bericht eines Vertreters der deutschen diplomatischen Mission in Peking, der mit der Regelung des Transportes auf dem Gebiete der Volksrepublik China beauftragt war, 18.2.1952. 318 BArch, DO I/9142, Bericht von der Abt. Bevölkerungspolitik des MdI über die Betreuung und Einbürgerung von 133 deutschen ehemaligen Fremdenlegionären, die von der Volksrepublik Vietnam entlassen wurden, 5.12.1952. 319 BArch, DO I/13963, Die HA Innere Angelegenheiten des MdI an die HA Konsularische Angelegenheiten des MfAA, 2.10.1957. 107 Par. 2 Die Integration der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre Die sich noch in Ostdeutschland befindenden Heimkehrer wurden von der DDR in das berufliche und gesellschaftliche Leben integriert, obwohl diese Integration eine spätere Abwanderung in den Westen natürlich nicht verhinderte. Über diese Integration wurde von der DDR schon während der Heimkehrer-Transporte nachgedacht. Sie zog die Schlussfolgerung, dass die Heimkehrer am besten als normale Bürger behandelt werden konnten. Es müsse dabei versucht werden sie „[…] wieder für ein normales Leben in geordneten Verhältnissen zu gewinnen“.320 Am besten sei es, wenn sie aus ihrer ehemaligen Zugehörigkeit zur Fremdenlegion keine Schwierigkeiten empfänden.321 Das hieß, sie seien nicht als „Mensch zweiter Klasse“ zu behandeln.322 Der Grund dafür war wahrscheinlich, dass auf diese Weise möglichst keine negative Berichterstattung über die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre entstehen sollte. Auch hinsichtlich der Integration der Heimkehrer behielt die DDR immer ihre Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit im Auge. Die Integration wurde schon im Quarantänelager Bischofswerda gestaltet. Bei ihrer Entlassung bekamen die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre Kleidung, Geld und eine freie Bahnkarte zum neuen Wohnort. Die Arbeit war schon im Quarantänelager bestimmt. Die meisten erhielten einen Arbeitsplatz in der Landwirtschaft oder in den Betrieben. Die DDR ließ nichts dem Zufall überlassen, denn wirklich alles wurde für die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre erledigt, was die ostdeutsche Neigung zur Kontrolle der Heimkehrer beweist. Auch in den ebenfalls schon im Quarantänelager bestimmten Wohnorten wurde diese Beobachtung aufrechterhalten. Am besten sei es, wenn die Heimkehrer in ihrem neuen Wohnort bei „zuverlässigen Genossen in Untermiete gebracht wurden“, wenn eine Heimatweisung nicht möglich war.323 Auch Umzüge, sowohl innerhalb Ostdeutschland als auch legal und illegal in den Westen, wurden genau von der DDR registriert. Die neuen Anschriften mussten sofort dem Ministerium des Innern gemeldet werden. Die DDR legte hinsichtlich ihrer Beobachtung viel wert auf die Zusammenarbeit mit den Arbeitsämtern, den Betrieben und den Betriebsorganisationen. Erstens beabsichtigte sie, dass nur eine geringe Zahl deutscher ehemaliger Fremdenlegionäre in den gleichen Betrieben 320 BArch, DO I/9131, Herbert Warnke an das ZK der SED, 3.4.1951. BArch, DO I/9143, Herr Fritzsche der HA Staatliche Verwaltung des MdI an die Abt. Bevölkerungspolitik des Staatssekretariats für Innere Angelegenheiten, 11.9.1954. 322 BArch, DO I/9143, Entwurf der Abt. Bevölkerungspolitik an alle Bezirksverwaltungen und den Magistrat von Groβ-Berlin, ohne Datum. 323 SAPMO-BArch, DY 30/IV 2-391, Die Abt. Staatliche Verwaltung beim ZK der SED an die Abt. Staatliche Verwaltung der Landesleitung Sachsen-Anhalt in Halle, 9.4.1951. 321 108 untergebracht wurde.324 So hoffte sie wahrscheinlich, einer eventuellen Verschwörung auf Grund der Unzufriedenheit unter den Heimkehrern entgegenzutreten. Zweitens war es von Vorteil, dass die Betriebsverwaltungen wichtige Informationen über sie ermitteln konnten. Darüber hinaus wurde die politische Schulung hier von den Kulturgruppen oder den Vertretungen der gesellschaftlichen Organisationen mittels kultureller Veranstaltungen und Gesprächen mit den deutschen ehemaligen Fremdenlegionären fortgesetzt. Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) informierte die Landesverwaltungen über die Bedeutung dieser Schulungen: „Es ist selbstverständlich, dass der Betreuung dieser Heimkehrer, insbesondere in politischer Hinsicht, besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden muss“.325 Die Betriebe erledigten die Berichterstattung an das Ministerium des Innern in den Ländern über die Integration der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre. Sie hatten den besten Einblick auf die politischen Fortschritte und bemerkten als erste, wenn die Heimkehrer von der Arbeit wegblieben und möglicherweise in den Westen gezogen waren. Nicht nur die Betriebe, auch die Landes- und Kreisverwaltungen erstatteten Bericht. So wurde in einem Bericht des Kreisrats Meissen an das Ministerium des Innern in Sachsen mitgeteilt, dass ein deutscher ehemaliger Fremdenlegionär mit den Verhältnissen in der DDR nicht einverstanden und verschollen sei. Zu drei Anderen wurden erwähnt, sie hätten Schwierigkeiten sich zu integrieren, was auf ihre Vergangenheit zurückgeführt werden könnte.326 Das Ausmaß, in dem sich die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre als politisch zuverlässig entwickelten, bestimmte ihre weiteren Ausbildungs- und Berufsmöglichkeiten. In den Betrieben beobachtete der Kulturleiter diese Entwicklung. Über einen deutschen ehemaligen Fremdenlegionär, der als Landarbeiter arbeitete, wurde erwähnt: „Es werde L. bei weiterer günstiger Entwicklung vom Kulturleiter im Aussicht gestellt, dass er in circa zwei Monaten zum Traktoristen-Lehrgang delegiert wird“. Einerseits versuchte die DDR die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre an sich zu binden, indem sie ihnen Perspektive eröffnete. Auf der anderen Seite konnten sie sich selbst auf diese Weise entwickeln. Je besser ihre Integration in die DDR vonstatten ging, desto unwahrscheinlicher war eine Abwanderung in den Westen. Ein weiterer Vorteil war, dass sie in den Betrieben den Mangel an bestimmten 324 BArch, DO I/9132, Die Abt. Bevölkerungspolitik des MdI an die Abt. Arbeitskräftelenkung des Ministeriums für Arbeit, 15.9.1954. 325 SAPMO-BArch, DY 30/IV 2-391, Die Abt. Staatliche Verwaltung beim ZK der SED an die Abt. Staatliche Verwaltung der Landesleitung Sachsen-Anhalt in Halle, 9.4.1951. 326 SAPMO-BArch, DY 30/IV 2-391, Der Kreisrat Meissen an die Abt. Bevölkerungspolitik des MdI des Landes Sachsen, 11.7.1951. 109 Arbeitskräften verkleinerten. Das war zum Beispiel in Bezug auf Traktoristen der Fall.327 Die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre wurden also auch als Arbeitskräfte für die DDR instrumentalisiert. Zusammenfassung Das negative Bild der DDR hinsichtlich des Charakters, des Bewusstseins, der Disziplin und der Zuverlässigkeit der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre bezog sich auf ihre Lebensumstände in der Nachkriegsgesellschaft, ihre eigene, oft kriminelle Vergangenheit und ihre Arbeit in der Fremdenlegion. Trotz der ostdeutschen Bemühungen die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre für ihr neues Leben in der DDR im Quarantänelager Bischofswerda und an ihrem Arbeitseinsatz politisch umzuschulen und konform ihrer Anforderungen in der Gesellschaft zu integrieren, schlug ihre Integration in den meisten Fallen fehl. Die DDR beklagte sich darüber, dass keine Bewusstseinsänderung stattfand und die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre – besonders die Kriegsgefangenen – keine Lehre aus ihrer Vergangenheit zogen. Das negative Bild der DDR bezog sich nicht nur auf die Vergangenheit der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, sondern wurde auch von ihrem Verhalten in der DDR bestimmt. Diese Faktoren trugen dazu bei, dass sie für die DDR einen Risikofaktor darstellten. Erstens vertraten sie in Wirklichkeit eine andere Meinung als in der Öffentlichkeit geäußert. Die Mehrheit war nicht an der völlig von der DDR inszenierten Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit interessiert. Zweitens verhielten sie sich im Quarantänelager Bischofswerda fragwürdig. Die DDR versuchte dieses schlechte Verhalten vor der Außenwelt zu verstecken, um ihre Öffentlichkeitsarbeit nicht zu gefährden. Das versuchte sie auch bezüglich der Republikfluchten der Heimkehrer. Materielle statt politische Gründe sorgten für den Umzug der meist unpolitischen deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre. Es bestand aber trotzdem die Gefahr der politischen Gefährdung der Öffentlichkeitsarbeit, insofern, dass sie anlässlich der Republikflucht an Glaubwürdigkeit verlieren könnte und die politische und gesellschaftliche Lage Ostdeutschlands von den deutschen ehemaligen Fremdenlegionären im Westen kritisiert werden könnte. Die DDR verhinderte die Republikflucht nicht, denn ihr internationaler Ruf stand auf dem Spiel. Stattdessen entschied sie sich für eine 327 SAPMO-BArch, DY 30/IV 2-391, Der Kreisrat Pirna an die Abt. Bevölkerungspolitik des MdI des Landes Sachsen, 15.6.1951. 110 propagandistische Bearbeitung und eine Beobachtung der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre. Darüber hinaus wurde bezüglich ihrer Integration mittels einer fortgesetzten politischen Schulung und offerierten Weiterbildungsmöglichkeiten versucht, die Heimkehrer von einer Republikflucht abzuhalten. 111 Kapitel VI: Die Bemühung des Ministeriums für Staatssicherheit Das dritte Referat der Hauptabteilung (HA) IV, beziehungsweise HA II des Ministeriums für Staatssicherheit war vom allerersten Moment am Thema der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre beteiligt. Das traf sowohl auf die Heimkehrer wie auch auf die entlassenen Fremdenlegionäre zu. Über die Position dieser zweiten Gruppe in der Propaganda und Öffentlichkeit ist zwar wenig bekannt, doch bezüglich ihrer Beziehung zum Ministerium für Staatsicherheit liegen einige Archivakten vor. Das Ministerium für Staatssicherheit übernahm die wichtige Aufgabe, beide Gruppen der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre einzuschätzen, zu überwachen und für die Ziele der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) in Ost- und Westdeutschland einzusetzen. Auf Grund dessen wird in diesem Kapitel beiden Gruppen Aufmerksamkeit geschenkt. Warum machte sich das Ministerium für Staatssicherheit so große Mühe mit den zwei Gruppen der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre und wie wurde dieser Einsatz gestaltet? Par. 1 Die Gründe der Staatsicherheit sich mit den deutschen ehemaligen Fremdenlegionären zu beschäftigen Prinzipiell hatte das Ministerium für Staatssicherheit drei Gründe, sich mit dem Thema der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre auseinanderzusetzen. Der erste Grund war sicherheitspolitisch, die beiden anderen waren geheimdienstlich. Für die Staatssicherheit waren die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre gefährlich, die unter Verdacht von Kontakten mit dem Westen und Republikflucht standen. Auch wenn sich die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre laut DDR überwiegend aus materialistischen Gründen dazu entschieden, in den Westen umzuziehen, boten sie trotzdem eine sicherheitspolitische Gefahr. Aus Angst vor der Beeinflussung der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre durch den Westen und eine mögliche Gegenpropaganda beschäftigte das Ministerium für Staatssicherheit sich mit ihnen. Die DDR hatte Angst, dass die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre die westdeutschen Medien wie der Rundfunk im amerikanischen Sektor (RIAS) aufsuchten, dessen Nachrichten eine große Masse im Westen erreichten. Das traf vor allem auf die Heimkehrer zu, die sich im großen Stil in den Medien profilierten und auf den Pressekonferenzen außerdem Kontakte zur Westpresse knüpfen konnten. Die Angst vor der Unzuverlässigkeit der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in 112 Bezug auf die Gegenpropaganda war allerdings nicht so groß wie die Angst, dass sie sich mit Spionageaktivitäten für den Westen beschäftigten. Das was auch der Grund dafür, dass sich innerhalb des Ministeriums für Staatssicherheit die HA II mit den deutschen ehemaligen Fremdenlegionären auseinandersetzte. Sie war davon überzeugt, dass die westlichen Geheimdienste die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre zu Spionagezwecken in der DDR und in Ostberlin ausnutzten, und dass sie dazu mit Aufträgen legal und illegal über die Demarkationslinie geschickt wurden. Die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre täuschten dann vor, dass sie Deserteure, Entlassene oder gesundheitlich geschädigt seien und erhielten so das Vertrauen der DDR.328 Über die Heimkehrer schrieb der Staatssicherheitsdienst: „Es ist ohne weiteres anzunehmen, dass ein Teil dieser zurückgekehrten ehemaligen Legionäre im Auftrag der französischen Zweigbüros oder anderen Geheimdienstorganisationen mit Aufträgen in die vietnamesische Volksarmee geschickt wurden, um dort Zersetzungsarbeit und Spionage zu treiben.“329 Einmal als Agent angeworben, seien sie im Kampf gegen die DDR eingesetzt, seien sie von Seiten des Westens unter Druck gesetzt für sie zu arbeiten und könnten sie so als „willenslose Werkzeuge für ihre Ziele ausnutzen“.330 Die HA II ging davon aus, dass vor allem die Franzosen und die französischen Geheimdienste schuldig waren, weswegen das dritte Referat sich mit den deutschen ehemaligen Fremdenlegionären beschäftigte. Diese Angst wurde darin begründet, dass diese Menschen in der Fremdenlegion, einer französischen Organisation, tätig gewesen waren und die französischen Geheimdienste sich an sie wenden konnten. Laut der HA II/3 sei die Police Sureté Terriotor eine wichtige Organisation. Aus den Informationen des Ministeriums für Staatssicherheit über diese Organisation geht hervor, dass sie die Dachorganisation des gesamten französischen Geheimdienstes sei und sie direkt dem französischen Kriegsministerium unterstehe. Das Bureau Secret de la Légion Étrangère (B.S.L.E.) – von der DDR auch als Deuxième Bureau bezeichnet – sei speziell für die Fremdenlegion zuständig. Es habe den zentralen Sitz in Sidi-bel-Abbès und des weiteren eigene Dienststellen in allen größeren Einheiten, Regimentern und Bataillonen der Fremdenlegion. Darüber hinaus verfüge das B.S.L.E. über eine eigene Spionageschule in Marseilles-Malmus, die dem 328 BStU, Zentralarchiv, MfS-BdL/Dok. Nr. 002066, Chefinspekteur Rudolf Menzel der Abt. IV an die Verwaltung von Thüringen, 16.6.1951, S. 000001-000002. Menzel war u.a. zwischen 1950 und 1952 Leiter der Landesbehörde der Staatssicherheit Thüringen und zwischen 1953 und 1954 stellvertretender Minister für Staatssicherheit. Siehe dazu: Baumgartner, Biographisches Handbuch Bd. 2, S. 534. 329 BStU, MfS 511/62, Bd. 29, Paul Rumpelt der Abt. IV an Erich Mielke, betr. der Ablauf unserer Arbeit im Lager Bischofswerda, 8.4.1951, S. 000278-000279. 330 BStU, MfS 511/62, Bd. 11, Analyse der Abt. II/3 über die Bearbeitung der ehemaligen Fremdenlegionäre in Rostock, 25.4.1958. S. 000313-000317. 113 Kriegsministerium unterstellt war. In dieser Schule seien französische Soldaten und Fremdenlegionäre untergebracht, die von französischen Offizieren für Spionagezwecken geschult und ausgebildet worden seien. Schon bei der Anwerbung seien die Fremdenlegionäre mit Verbindungsoffizieren oder Adjutanten der Geheimdienste in Verbindung gebracht. Die DDR vermutete auch, dass 1952 noch eine andere Spionageschule des B.S.L.E. eingerichtet sei.331 Die HA II/3 glaubte, dass die französischen Geheimdienste in der Fremdenlegion Männer auswählte, die später eingesetzt wurden. Sie war der Meinung, dass sowohl die Heimkehrer wie auch die entlassenen Fremdenlegionäre Risikofaktoren darstellten. In Bezug auf die Heimkehrer ging sie davon aus, dass unter ihnen Agenten seien, die mit den Heimkehrer-Transporten eingeschleust seien.332 Die entlassenen Fremdenlegionäre konnten aus der Bundesrepublik Deutschland (BRD) von den Franzosen in die DDR geschickt worden sein. Die HA II/3 nannte in ihren Berichten und Untersuchungsvorgängen verschiedene Gründe, dass es sich bei den Heimkehrern und entlassenen Fremdenlegionären um Spione handeln könnte. Diese breite Skala an Gründen veranschaulicht die misstrauische Haltung der HA II/3. Fast jeder deutsche ehemalige Fremdenlegionär erschien für sie verdächtig. An erster Stelle wurde die eventuelle Agententätigkeit der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre mit ihrer Entwicklung verbunden. So wurde über einen Heimkehrer geschrieben, dass er mit der „fortschrittlichen Entwicklung in der DDR“ nicht einverstanden und außerdem spionageverdächtig sei, da er sich an „feindlichen Diskussionen gegenüber den französischen Patrioten“ beteiligte.333 In einem anderen Fall konnte nicht festgestellt werden, dass ein Heimkehrer Verbindungen nach Frankreich oder der französischen Besatzungszone hatte, aber „auf Grund der Tatsache, dass er Fremdenlegionär war, die französische Sprache beherrscht“, sei er laut Staatssicherheit unzuverlässig.334 Angaben die von den entlassenen Fremdenlegionären, die in die BRD umgezogen waren, gemacht waren und von der HA II/3 als zweifelhaft interpretiert wurden, konnten auch zum Verdacht von Agententätigkeit beitragen. In diesen Fällen ging die HA II/3 davon aus, dass sie den Auftrag erhalten hatten, 331 BStU, MfS 511/62, Bd. 28/1, Wie arbeitet der Geheimdienst innerhalb der Légion Étrangère und wie baut er sich auf?, ohne Datum. S. 000065-000066. 332 SAPMO-BArch, DY 30/IV 2-391, Bericht von der Abt. Staatliche Verwaltung der Landesleitung Thüringen an die Abt. Staatliche Verwaltung des ZK der SED, 19.4.1951. 333 BStU, MfS 511/62, Bd. 19, Zusammenfassender Bericht von Leutnant Richter, Leiter der Kreisverwaltung, 12.3.1956. S. 000394-000396. Auskünfte über Richter konnten von der Autorin nicht ermittelt werden. 334 BStU, MfS 511/62, Bd. 4, Bericht von Leander Kröber über einen ehemaligen Fremdenlegionär, ohne Datum. S. 000077. Kröber war u.a. zwischen 1948 und 1950 Chefinspekteur und Chef der DVP-Landesbehörde Thüringen, später Angehörige der Grenzpolizei, Oberst und dann Kommandant der Zentralschule der Grenztruppen. Siehe dazu: Baumgartner, Biographisches Handbuch Bd. 1, S. 439. 114 sich freiwillig bei der Volkspolizei an der Demarkationslinie zu melden.335 Der gleiche Verdacht bestand bei den entlassenen Fremdenlegionären, von denen die Staatssicherheit feststellte, dass es „Verdachtsmomente“ in ihren Angaben über ihre Vergangenheit gab.336 Verdächtig waren auch diejenigen, die oft nach Westberlin reisten, der HA II zufolge „über ihre Verhältnisse lebten“ und Geld aus Westberlin erhielten.337 Selbstverständlich wurden auch alle deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, die in der Vergangenheit für französische Dienststellen gearbeitet hatten, mit Misstrauen betrachtet. Die HA II/3 hatte jedoch am meisten Angst vor den entlassenen Fremdenlegionären, die eine Vierteljahresrente von der Fremdenlegion erhielten. Die Höhe der Rente war abhängig vom Dienstgrad und der Länge der Dienstzeit. Sowohl deutsche ehemalige Fremdenlegionäre in der BRD wie in der DDR konnten die Renten empfangen, vorausgesetzt, sie hatten mindestens fünf Jahre als Fremdenlegionär gedient. Die Heimkehrer kamen daher nicht für einen Rentenanspruch in Betracht. Die Fremdenlegionäre die mehr als zehn Jahre gedient hatten, bekamen eine Pension. Die Pensionen und Renten konnten nur im französischen Konsulat, La Maison de France, am Kurfürstendamm, Ecke Uhlandstraβe, in Westberlin abgeholt werden. Überweisungen an die deutsche Notenbank erfolgten nicht. Laut der HA II/3 stand die Kartei der Rentenempfänger dem französischen Geheimdienst zur Verfügung. Die HA II/3 war der Meinung: „Es besteht stets die Möglichkeit, dass entsprechend interessante Personen über ihre Verbindung zum Konsulat vom französischen Geheimdienst für eine Feindtätigkeit ausgenutzt werden“.338 Die HA II/3 untersuchte auf Grund dessen genau, welche deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre Rente empfingen. Obwohl die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, die eine Rente in der BRD abholten, einen Risikofaktor für die HA II/3 darstellten, boten sie zugleich eine Perspektive. Das war der dritte Grund der Staatssicherheit, sich mit den deutschen ehemaligen Fremdenlegionären zu beschäftigen. Diejenigen, die viermal im Jahr ihre Rente abholten, hatten Zugang zum französischen Konsulat, kannten dort Leute und oft auch andere deutsche ehemalige Fremdenlegionäre. Auf ihrer Reise konnten sie mit Spionageaufträgen in den Westen geschickt werden. Dadurch könnte die HA II/3 zum Beispiel herausfinden, „ob das 335 BStU, MfS 511/62, Bd. 7, Auszüge aus der verantwortlichen Vernehmung sowie einen selbstgeschrieben Bericht eines ehemaligen Fremdenlegionärs, 4.4.1952, S. 000102-000103. 336 BStU, MfS 511/62, Bd. 7, Die Abt. IV an die Bezirksverwaltung Erfurt, betr. einen ehemaligen Fremdenlegionär, 13.7.1953. S. 000190. 337 BStU, MfS 511/62, Bd. 11, Abschlussbericht der Oberfeldwebel Risch zum Untersuchungsvorgang 67/57, 28.10.1958. S. 000036-000038. Auskünfte über Risch konnten von der Autorin nicht ermittelt werden. 338 BStU, MfS 511/52, Bd. 14, Josef Kiefel der HA II/3 an die Bezirksverwaltung Magdeburg, Kreisdienststelle Burg über die Abt. II der BV Magdeburg, 19.10.59. S. 000097. 115 französische Konsulat sich in irgendeiner Weise feindlich gegen die DDR betätigt“.339 Außerdem hatten manche deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre Verbindung zum Anciens Légionnaires Étrangère Francais (A.L.E.F.) oder Amikale, dem Club der ehemaligen Fremdenlegionäre. Über einen deutschen ehemaligen Fremdenlegionär, der Kontakt zu diesem Club hatte, erwähnte die HA II/3: „Aufgrund seiner Angehörigkeit zur Legion und den Club der Amikale (Legionärsclub) ist er in der Lage, uns genaue Unterlagen über zwei große Munitionslager zu besorgen, die er selber mit bewacht hat und wo er heute noch einen guten Freund hat, der dort der Wachhabende ist“. Der deutsche ehemalige Fremdenlegionär war aus noch einem weiteren Grund zum Vorteil: „Aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Amikale ist er in der Lage, in Wetzlar alle Kasernen zu betreten und die genau aufzuklären“.340 In diesem Club konnten die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre auch Hinweise und Material für die operative Arbeit der HA II/3 ermitteln. Für die HA II/3 waren sie daher im Westen vielfaltig einsetzbar. Par. 2 Die Beobachtung der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre durch die HA II/3 Da die Heimkehrer und die entlassenen Fremdenlegionäre eine Gefahr darstellten und der Staatssicherheit zugleich potenziell von Vorteil waren, wurden sie von der HA II/3 beobachtet. Die Heimkehrer wurden von Anfang an, schon während der HeimkehrerTransporte, kontrolliert. Anlässlich des ersten Heimkehrer-Transportes wurde in einem Bericht von der Staatssicherheit vorgeschlagen, bei den zukünftigen Transporten einen Transportbegleiter des Ministerium für Staatssicherheit mitzuschicken.341 Er könnte dann während des Transportes Hinweise über die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre erhalten, damit die HA II/3 so bald wie möglich eine Einschätzung gewinnen konnte. Während ihres Aufenthaltes im Quarantänelager Bischofswerda wurde diese Einschätzung vervollständigt. Nach dem Eintreffen der Heimkehrer-Transporte wurde vom Ministerium für Staatssicherheit sofort mit den Vernehmungen angefangen. Der erste Heimkehrer-Transport traf am 29. März 1951 ein, und die Vernehmungen fingen am 30. März an. Die 339 BStU, MfS 511/62, Bd. 11, Die Abt. II/3 des MfS in Schwerin an die Abt. II/3 des MfS, 13.11.1958. S. 000035. 340 BStU, MfS 511/62, Bd. 10, Vorschlag der HA II/3 zur Zurückschickung einer Person nach Westdeutschland (französische Zone), 28.2.1956. S. 000005-000006. 341 BStU, MfS 511/62, Bd. 29, Paul Rumpelt der Abt. IV an Erich Mielke, betr. der Ablauf unserer Arbeit im Lager Bischofswerda, 8.4.1951, S. 000278-000279. 116 Vernehmungsarbeiten wurden bis zum 6. April 1951 ausgeführt.342 Auch als die Heimkehrer zur Pressekonferenz gingen, wurde das Ministerium für Staatssicherheit beteiligt. Es beabsichtigte, die Heimkehrer des fünften Heimkehrer-Transportes, die am 17. September 1954 an der Pressekonferenz teilnahmen, während der Reise vom Quarantänelager Bischofswerda nach Berlin vom Staatssicherheitsdienst zu begleiten.343 Nicht nur bei dieser Gelegenheit, sondern auch während ihres vierwöchigen Aufenthaltes im Quarantänelager, wurde vom HA II/3 zuverlässiges Personal zur Beobachtung eingesetzt. Obwohl sie dazu angestellt wurden, die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre zu beobachten, wurden sie selber auch streng kontrolliert. So wurde zum Beispiel eine weibliche Schreibkraft an einem Abend um halb Neun zusammen mit einem deutschen ehemaligen Fremdenlegionär in ihrem Zimmer aufgespürt. Nachdem sie das Licht ausgeschaltet hatte, wartete die Staatssicherheit zehn Minuten bevor sie eine Mitarbeiterin zur Kontrolle ins Zimmer schickte; allerdings: „Beim Betreten des Zimmers stellte diese Genossin fest, dass der Legionär an der Tür und das Mädchen circa drei Meter von ihm entfernt stand“. Die Schreibkraft erklärte daraufhin, dass der deutsche ehemalige Fremdenlegionär plötzlich ihr Zimmer betreten habe und sie nicht erwischt werden wolle, da sie keine Bindung zu ihm habe. Aus dem gleichen Bericht geht ebenfalls hervor, dass manche Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit „wegen ihres disziplinlosen Verhaltens“ zur Meldung gebracht wurden.344 Das Verhalten des Quarantänepersonals war wichtig auf Grund der Tatsache, dass die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre ein heikles Thema für die DDR darstellten. Das Ministerium für Staatssicherheit legte viel Wert auf ihre Zuverlässigkeit, da manchmal Fachkräfte im Quarantänelager für die Staatssicherheit verpflichtet wurden. Anlässlich das Eintreffen der Heimkehrer des zweiten Transportes wurde von der Staatssicherheit erwähnt: „Die Lagerleitung sowie die dortige Krankenschwester ist zu verpflichten“. Bei den Heimkehrern des letzten Transportes wurde von der Staatssicherheit mitgeteilt: „Von Seiten der Bezirksverwaltung wurde zur Betreuung der Legionäre ein GI mit eingebaut, welcher als Arzthelfer tätig war“.345 Das Personal wurde eingesetzt, um Auskünfte über die 342 Ibidem. BStU, MfS 511/62, Bd. 29, Aktennotiz von Unterleutnant Röder betr. die Sicherung des HeimkehrerTransportes von dreißig ehemaligen Fremdenlegionären aus Bischofswerda nach Berlin und zurück, 16.9.1954. S. 000160. Auskünfte über Röder konnten von der Autorin nicht ermittelt werden. 344 BStU, MfS 511/62, Bd. 29, Bericht der Abt. IV an Erich Mielke im Hause, betr. die Arbeit der Mitarbeiter des MfS im Quarantänelager Bischofswerda, ohne Datum. S. 000280-000281. 345 BStU, MfS 511/62, Bd. 30, Bericht von Sachbearbeiter Leutnant Mückenheim der Abt. II/3 betr. des siebten Heimkehrer-Transportes ehemaliger Fremdenlegionäre nach der DDR, 13.2.1956. S. 000104-000105. 343 117 Zuverlässigkeit der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre einzuholen, aber auch um zum Beispiel das Schmuggeln von Kassibern und anderen Briefen aus dem Quarantänelager heraus zu verhindern. Außerdem waren sie bei der Postüberwachung eingesetzt. Die von den deutschen ehemaligen Fremdenlegionären in den Lagerbriefkasten eingeworfenen Briefe wurden vom Lagerpersonal empfangen, und an die Dienststelle in Dresden weitergeleitet, dort kontrolliert und zensiert.346 Die entlassenen Fremdenlegionäre verblieben nicht im Quarantänelager Bischofswerda. Manchmal verblieben sie jedoch kurz in einem Rückkehrheim. Hier trafen sie andere Rückkehrer, doch die meisten Leute im Rückkehrerheim hatten keine Verbindung zur Fremdenlegion. Die entlassenen Fremdenlegionäre verblieben auch nicht alle zusammen und zur gleichen Zeit in einem Rückkehrerheim. Das hatte zur Folge, dass die HA II/3 ihre Beobachtung in der DDR anders als die Überwachung der Heimkehrer gestalten musste. Sie konnte erst erfolgen, als die entlassenen Fremdenlegionäre aus der BRD in die DDR umzogen und sich dazu an der Demarkationslinie bei einer Meldestelle meldeten, um ihre Aufnahme in der DDR zu beantragen. Wenn die Meldestelle herausfand, dass sie mit einem deutschen ehemaligen Fremdenlegionär zu tun hatte, wurden die HA II/3 und das VolkspolizeiPräsidium sofort informiert. Die Staatssicherheit entschied, wer in der DDR aufgenommen wurde. Aus den Arbeitsrichtlinien von der Verwaltung Gross-Berlin geht hervor, dass innerhalb von 24 Stunden nachdem der deutsche ehemalige Fremdenlegionär sich gemeldet hatte, die HA II/3 seine Personalien an die HA XII für Auskunft, Speicher und Archiv schicken musste, damit eine Kontrolle stattfand. Diese Personalien umfassten Auskunft über seine Vergangenheit, und außerdem stellte die HA II/3 ihm Fragen über zum Beispiel militärische Angelegenheiten und den französischen Geheimdienst sowie die französischen Dienststellen. Die entlassenen Fremdenlegionäre durften nicht weitergeleitet werden bevor das Überprüfungsergebnis der HA XII vorlag.347 Sie wurden laut der HA II/3 ins Volkspolizei-Präsidium geschickt „[…]damit wir sofort eine Kontrolle über diesen Personenkreis haben“.348 Auch registrierte das Präsidium die entlassenen Fremdenlegionäre beim Pass- und Meldewesen. Nicht jeder wurde in der DDR aufgenommen. Wenn die DDR Zweifel an der Zuverlässigkeit hegte, wurde der Antrag abgelehnt. In einem Bericht der HA 346 BStU, MfS 511/62, Bd. 29, Herr Wicht der Abt. IV/3 betr. die ehemaligen Fremdenlegionäre, 7.4.1952. S. 000317. Auskünfte über Wicht konnten von der Autorin nicht ermittelt werden. 347 BStU, MfS 1310/67, Bd. 3, Arbeitsrichtlinie von der Abt. II der Verwaltung Groβ-Berlin an die Kreisdienststelle Gross-Berlin, 14.2.1957. S. 000015-000018. 348 BStU, MfS 511/62, Bd. 20, Die Verwaltung Groβ-Berlin an die Abt. IV des MfS, 3.6.1953. S. 000044000045. 118 II/3 von 1956 wurden über einen entlassenen Fremdenlegionär zum Beispiel geschrieben: „Die Rückkehrerstelle lehnte seine Aufnahme in die DDR ab, da seine Angaben widerspruchsvoll waren“.349 Auf beide Gruppen der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre traf zu, dass sie nach ihrer Eingliederung in der ostdeutschen Gesellschaft – die Heimkehrer in ihren neuen Arbeitsplatz und Wohnort und die entlassenen Fremdenlegionäre nach ihrem Umzug in die DDR – unter einer laufenden Beobachtung der HA II/3 standen. Obwohl es im Archiv kaum Richtlinien des Ministeriums für Staatssicherheit hinsichtlich dieser Beobachtung gibt, wird in einigen Berichten auf die Richtlinien verwiesen. So wurde 1957 mitgeteilt, dass nochmals auf die Richtlinien hingewiesen werden müsse, da die Rolle der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre unterschätzt sei. Laut dem Bericht sei so bald wie möglich eine genaue Übersicht von den Bezirksverwaltungen und den Kreisdienststellen zu erstellen, damit die Staatssicherheit darüber informiert sei, wo die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre ansässig seien. Ansonsten sei eine „unkontrollierte Tätigkeit“ dieser Personen nicht mehr zu verantworten. Es sei daher zweckmäßig, in Bezug auf die bisher nicht registrierte entlassenen deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre die zuständigen Meldeämter der Volkspolizei zu erkundigen. Über jeden müsse eine Handakte angelegt werden. Auch wurden monatliche Berichten aus den Bezirken an die zentrale HA II/3 geschickt, angereichert mit Informationen unter anderem über die Entwicklung der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre und ihre Verbindungen zum Westen. Vor allem diejenigen, die in bestimmten Betrieben arbeitsam seien oder hier eine verantwortliche Position einnahmen, seien zu kontrollieren. Eine operative Bearbeitung müsse bei den entlassenen Fremdenlegionäre stattfinden, die eine Rente von der Fremdenlegion erhielten. Konzentrationen von deutschen ehemaligen Fremdenlegionären in den Betrieben seien zu verhindern.350 Außerdem sei eine Postüberwachung durchzuführen und Geheime Mitarbeiter (GM) auf die entlassenen Fremdenlegionäre anzusetzen.351 Die Aufgabe der GM sei es, eine genaue Berichterstattung zu leisten und Auskünfte über Spionagetätigkeiten zu erhalten. Falls sie in den Westen zögen 349 BStU, MfS 511/62, Bd. 10, Bericht der HA II/3, 23.3.1956. S. 000214. BStU, MfS 1310/67, Bd. 3, Arbeitsrichtlinie von der Abt. II der Verwaltung Gross-Berlin an die Kreisdienststelle Gross-Berlin, 14.2.1957. S. 000015-000018. 351 BStU, MfS BVfS Cottbus Abt. II 150, Chefinspekteur Hermann Gartmann der Volkspolizei der Verwaltung Brandenburg an die Dienststelle Cottbus, 14.4.1951. S. 000009. Gartmann war u.a. 1948 stellvertretender Leiter der DVP, zwischen 1949 und 1952 Leiter der MfS-Landesbehörde Brandenburg, zwischen 1952 und 1954 Leiter der Hauptverwaltung Deutsche Grenzpolizei, 1955 Generalmajor und Militärberater des Staatssekretariats für Staatssicherheit und zwischen 1956 und 1958 Leiter der MfS-Hauptverwaltung. Siehe dazu: Baumgartner, Biographisches Handbuch Bd. 1, S. 210-211. 350 119 müsse festgestellt werden, „wohin sie fahren und wen sie anlaufen“.352 In Bezug auf die Heimkehrer würden ähnliche Maßnahmen ergriffen. Die Heimkehrer seien einer laufenden vertraulichen Kontrolle und Überwachung zu unterziehen und darüber musste, wie bei den entlassenen Fremdenlegionären – ein GM zur operativen Bearbeitung auf jede Person angesetzt werden und monatliche Berichte erstattet werden. Schwerpunkte in den Berichten waren Informationen über den Wohnort, die Tätigkeit, den Umgang, das charakterliche und moralische Verhalten, die Einschätzung der gesellschaftlichen und beruflichen Tätigkeit sowie die Einzelheiten, die im Laufe der Zeit über den Betreffenden bekannt wurden. Auch eventuelle Aussagen gegen andere deutsche ehemalige Fremdenlegionäre über Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Geheimverbindungen oder falsche Namensangaben seien der HA II/3 zu berichten. Die Heimkehrer wurden vor allem in den Betrieben von der HA II/3 kontrolliert. Die Bezirksverwaltungen schickten monatliche Berichte über ihr Verhalten und ihre Entwicklung. Diese monatlichen Berichte waren nicht immer positiv, wie ein Bericht vom 28. Juni 1951 zeigt. In dem Bericht wurden drei deutsche ehemalige Fremdenlegionäre erwähnt, die bei einer Firma gearbeitet hatten. Laut dem Bericht hätten sie eine Gefahr für die fünfzehn- bis achtzehnjährigen Schüler in der Firma dargestellt, da sie sie politisch und moralisch beeinflussen konnten. Die Firma habe darüber nachgedacht, sie in einem Privatquartier unterzubringen, doch am 9. Juni waren sie verschwunden.353 Schließlich wurde auch von der HA II/3 in Bezug auf die Heimkehrer eine Postkontrolle durchgeführt. Diese bezog sich sowohl auf die Verbindungen zwischen den Heimkehrern im Osten als auch auf die Verbindungen zwischen den Heimkehrern im Westen und im Osten. Diese Verbindungen könnten eine gegenseitige, negative Beeinflussung von deutschen ehemaligen Fremdenlegionären zur Folge haben. Die DDR sah diese Verbindungen mit Skepsis, da sie zur Republikflucht leiten könnten. Ihre Zweifel waren umso stärker, wenn die HA II/3 die Kommunikation und den Briefaustausch nicht unterbinden konnte. Es gelang einem deutschen ehemaligen Fremdenlegionär des zweiten Heimkehrer-Transportes 1952 zum Beispiel, einen Brief aus Potsdam ohne Kontrolle an die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre im Osten zu schicken.354 Manchmal schaffte es die HA II/3, Briefe 352 BStU, MfS BdL/Dok.Nr. 002066, Die Abt. IV an z.Hd.d. Herrn Chefinspekteur Rudolf Menzel der Verwaltung des MfS in Thüringen, 16.6.1951. S. 000001-000002. 353 BStU, MfS 511/62, Bd. 3, Die Abt. IV des MfS Thüringen an die Abt. IV in Weimar, 28.6.1951. S. 000132000133. 354 BArch, DO I/9142, Sonderbericht von Rudi Bellmann an die Abt. Bevölkerungspolitik des MdI. Zurückgeführte ehemaligen Fremdenlegionäre verlassen die DDR, 27.11.1952. Bellmann war u.a. in den Fünfziger Jahren Abteilungsleiter des Amts für Information und des Amts für Literatur und Verlagswesen. Siehe dazu: Baumgartner, Biographisches Handbuch Bd. 1, S. 45. 120 abzufangen, so wie einen, in dem ein deutscher ehemaliger Fremdenlegionär seiner Freundin berichtete, dass er nach seiner Rückkehr in Westdeutschland Sold für elf Monate erhalten hatte und jetzt Urlaub am Mittelmeer machte.355 Manchmal stellte die HA II/3 aber auch fest, dass die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre nicht von Kurieren angelaufen wurden und es ebenfalls keine organisierte Verbindung zwischen ihnen gab.356 Par. 3 Der Einsatz der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre für die HA II/3 Die Heimkehrer und die entlassenen Fremdenlegionäre wurden nicht nur vom Anfang an von der HA II/3 kontrolliert, sie wurden auch für den Staatssicherheitsdienst eingesetzt, oder gar mit dem Ziel des Einsatzes beobachtet. Das bedeutete für die Heimkehrer, dass manche schon während der Heimkehrer-Transporte von den Begleitern des Ministeriums für Staatssicherheit angeworben wurden. Sie hatten während der Reise nämlich eine gute Übersicht über die Heimkehrer. Laut der Staatssicherheit seien diese Personen beauftragt „entsprechende Personen als G.M. festzulegen bzw. zu werben“.357 Im Quarantänelager Bischofswerda wurde die Anwerbung der Heimkehrer als GM oder Geheimer Informant (GI) fortgesetzt, und manchmal entschied sich die Staatssicherheit auch dafür, die Heimkehrer als Kontaktperson anzustellen. So wurden zum Beispiel fünfzehn deutsche ehemalige Fremdenlegionäre vom ersten Heimkehrer-Transport als GM verpflichtet.358 Nach dem sechsten Transport wurden drei GI angeworben, die der DDR zufolge fortschrittlich eingestellt seien, an der Seite der Nordvietnamesen gekämpft hätten und auf Grund dessen gut als Informatoren einsetzbar seien.359 Als Kontaktpersonen wurden vom fünften Heimkehrer-Transport beispielsweise drei Mitglieder des „Komitees für Frieden und Heimkehr“ angestellt.360 Aus den Archivakten ist schwer zu ermitteln, warum die Heimkehrer sich vom Ministerium für Staatssicherheit anwerben ließen und ob diese Anwerbung freiwillig geschah. Möglicherweise fühlten sie sich zu einer Anwerbung verpflichtet, da die DDR sich große Mühe gegeben hatte, sie zurückzuführen und in die ostdeutsche Gesellschaft zu integrieren. 355 Ibidem. BStU, MfS 511/62, Bd. 11, Rechenschaftsbericht der Abt. IV/3, 4.6.1953. S. 000243. 357 BStU, MfS 511/62, Bd. 29, Paul Rumpelt der Abt. IV an Erich Mielke, betr. der Ablauf unserer Arbeit im Lager Bischofswerda, 8.4.1951, S. 000278-000279. 358 Ibidem. 359 BStU, MfS 511/62, Bd. 11, Die HA II des Staatssekretariat für Staatssicherheit im MdI an Schwerin, 6.7.1955. S. 000165. 360 BStU, MfS 511/62, Bd. 29, Tätigkeitsbericht von Unterleutnant Röder über die Arbeit in dem Quarantänelager Bischofswerda während einer Dienstreise vom 21.8.-27.8.1954. S. 000126-000127. 356 121 Ihre Arbeit für den Staatssicherheitsdienst stellte so eine Gegenleistung dar. Gefühle von Angst vor dem Ministerium für Staatssicherheit und Stolz auf ihre Arbeit als Kontaktperson, GI oder GM sind ebenfalls nicht auszuschliessen. Vielleicht glaubten die Heimkehrer auch, durch ihre Arbeit aus ihrer ziemlich isolierten gesellschaftlichen Position zu entkommen und von der DDR positiver betrachtet zu werden. Die Arbeit für das Ministerium für Staatssicherheit gab ihnen ein neues, hochgestelltes Ziel in ihrem Leben. Ein anderer Grund könnte sein, dass die Heimkehrer auf Beförderung in ihrer normalen Arbeit in der Landwirtschaft oder in den Betrieben hofften oder eventuell auf eine finanzielle Unterstützung, auch wenn darüber im Archiv nichts ermittelbar ist. Über den Einsatz der von der HA II/3 als Kontaktperson, GM oder GI angeworbenen Heimkehrer im Quarantänelager Bischofswerda ist mehr bekannt. Sie wurden gegen ihre Kollegen eingesetzt. Dieser Einsatz war schlüssiger als der Einsatz vom Lagerpersonal oder von der Staatssicherheit, da die Heimkehrer zusammen gekämpft hatten und ein gegenseitiges Vertrauen aufgebaut hatten. Die Heimkehrer wussten nicht von einander, wer für den Staatssicherheitsdienst arbeitete. So konnten in der Regel zwei befreundete Heimkehrer einander bespitzeln, ohne dass sie das von einander wussten. Die Bespitzelung diente zur Überwachung der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre. Auf diese Weise konnten Stimmungsberichte ermittelt wurden. Diese Stimmungsberichte waren die DDR für ihre allgemeine Einschätzung und Beurteilung der Heimkehrer und die darauffolgende, dementsprechende Handlungsweise im Bezug auf die propagandistische Auswertung des Themas Fremdenlegion behilflich. Laut einem Heimkehrer hatten seine Kollegen Aussagen gemacht, die „[…]nicht der Wirklichkeit entsprechen können, da sie selbst in der Légion Étrangère nur als Ordonanzen tätig waren, und dass irgendwelche frei erfundene Schilderungen, hinsichtlich einer Propaganda, wie sie vom Informationsministerium geplant ist, sich nur negativ auswirken können.“361 Diese Mitteilungen der GM konnten die DDR davor schützen, ihre Propaganda zu gefährden. Die angeworbenen Heimkehrer wurden ebenfalls zur Befragung ihrer Kollegen in Bezug auf eventuelle Spionagetätigkeiten innerhalb der Fremdenlegion beauftragt. Ein Heimkehrer des fünften Heimkehrer-Transportes befragte die Heimkehrer, von denen bekannt war, dass sie in Verbindung zum Deuxième Bureau standen oder bei einer Spezialeinheit in der Fremdenlegion tätig gewesen waren.362 Damit 361 BStU, MfS 511/62, Bd. 5, Abschrift von einem Bericht betr. die Delegation zur Pressekonferenz, 1.4.1951. S. 000370. 362 BStU, MfS 511/62, Bd. 29, Tätigkeitsbericht von Unterleutnant Röder über die Arbeit in dem Quarantänelager Bischofswerda während einer Dienstreise vom 21.8.-27.8.1954. S. 000126-000127. 122 schlug die DDR zwei Fliegen mit einer Klappe. Einerseits ergänzte sie ihr Bild über die Zuverlässigkeit der Heimkehrer, andererseits vergrößerte sie ihr Wissen über die Fremdenlegion und die französischen Geheimdienste. Es war allerdings nicht so, dass die Staatssicherheit nur im Quarantänelager Bischofswerda Heimkehrer als Kontaktperson, GI oder GM einsetzte. Anlässlich des ersten Heimkehrer-Transportes teilte das Ministerium für Staatssicherheit mit, es sei neben der operativen Bearbeitung der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre und unabhängig davon „[…] mit den Personen, die bereits im Lager als G.M. verpflichtet und in der beigefügten Liste gekennzeichnet sind, hinsichtlich der weiteren Arbeit in Verbindung zu treten“.363 Wenn die HA II/3 einmal deutsche ehemalige Fremdenlegionäre im Blickfeld hatte, ließ sie diese nicht mehr aus den Augen. Diese weitere Arbeit beinhaltete vor allem die Beobachtung der Zuverlässigkeit, aber auch der Westkontakte, der Westpropaganda und einer möglichen Republikflucht. Der Auftrag eines deutschen ehemaligen Fremdenlegionärs, der mit dem ersten Heimkehrer-Transport in die DDR gekommen war, macht die Auseinandersetzung mit diesen Themen anschaulich. Er hielt seine ehemaligen Kollegen – besonders drei von ihnen – im Blickfeld und erstattete im Juni 1951 darüber mehrere Berichte. In diesen Berichten blickte er zunächst auf ihre Zeit im Quarantänelager Bischofswerda vom 29. März bis 4. April 1951 zurück und gab an, er sei zusammen mit den drei anderen Heimkehrern vom 4. April bis 4. Mai in einem Sanatorium gewesen. Es sei ihm im Quarantänelager bald klar geworden, dass die drei Heimkehrer in den Westen umziehen wollen. In Voraussicht dieser Umstände sei er immer in enger Fühlung mit diesem Kreis geblieben. Im Sanatorium hätten die Heimkehrer Kontakte mit dem Amt für Information, der Redaktion der Jungen Welt und der Zeit im Bild geknüpft. Der Zeit im Bild hätten sie ein Fotoalbum verkauft und Artikel geliefert. Des weiteren hätten sie ein Gespräch mit dem Dresdner Radiosender geführt. Ziel dieser Annäherung sei es, einen tiefen Einblick in die Propagandaarbeit der DDR zu erhalten und Verbindungen zu knüpfen. Er erwähnte über sich selbst: „Ich hatte weiterhin die Verbindung mit meinen Kameraden aufrecht erhalten und hatte die Absicht, jeden zum Westen gehenden Schritt zu unterbinden.“364 Auf Grund dessen verpflichtete er sich nach seiner Entlassung aus 363 BStU, Zentralarchiv, MfS BdL/Dok. Nr. 003670, Das MfS an die Verwaltung Sachsen, z.Hd. des Chefinspekteur Josef Gutsche, 8.4.1951. S. 000001-000002. Gutsche war u.a. zwischen 1947 und 1949 Präsident des Landespolizeiamtes Sachsen, zwischen 1949 und 1950 Leiter der Abt. Schutz der Volkswirtschaft und ab 1950 Mitarbeiter des MfS, später Fachberater des MfS. Er besaß den Rang der Generalmajor. Siehe dazu: Baumgartner, Biographisches Handbuch Bd. 1, S. 263. 364 BStU, MfS 511/62, Bd. 16-II, Vermerk von Abt. V, 5.6.1951. S. 000132-000133. 123 dem Quarantänelager am 6. Mai 1951 als GI für den Staatssicherheitsdienst. Die Volkspolizei hatte am 2. Mai einen Anruf erhalten, dass „auf dem Revier ein Mann sitzt, welcher über Personen Angaben machen will, die nach Westberlin zum RIAS gefahren und dort Hetzpropaganda betreiben wollen“. Daraufhin wurde der Heimkehrer am 6. Mai von einem Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes in seiner Wohnung besucht und verpflichtet. Zuerst teilte er seine Wohnung mit einem anderen deutschen ehemaligen Fremdenlegionär, nachher mit einem der drei von ihm überwachten Heimkehrer.365 Der GI berichtete, wie die drei Heimkehrer im Mai 1951 in den Westen fahren wollten. Der Grund dafür sei, dass sie auf der von der DDR organisierten Pressekonferenz am 4. April Kontakte zur Westpresse hätten knüpfen können und „H. und D. wollen diese Bekanntschaften benutzen, um Informationen über Dinge zu erhalten die nicht für jeden bestimmt sind.“ Dadurch, dass H. und D. ihre Artikel veröffentlichen wollen „erschleichen sie das Vertrauen der zuständigen“ und die erhaltenen Informationen könnten sie dann „für die Westpropaganda ausnutzen“.366 Im Mai befürchtete der GI, der bei ihm einwohnende Heimkehrer wolle nach Westberlin fahren, um dort in Verbindung mit den zwei anderen deutschen ehemaligen Fremdenlegionären die Pressekonferenz von Eisler zu widerlegen und eine Gegenpropaganda zu starten.367 Der GM fuhr mit den anderen nach Westberlin. Dort versicherte einer der Heimkehrer einem Mann, die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in der DDR seien zum Überlaufen in den Westen zu bewegen. Zusammen sei eine Propagandaaktion gegen die DDR und China und eine Widerlegung der Pressekonferenz durchzuführen.368 Die HA II/3 fasste diese Angaben des GI in einem Bericht treffend zusammen, in dem über einen Heimkehrer geschrieben wurde: „Dort [in Westberlin] gab R. an, dass er die Pressekonferenz des Amtes für Information mit der Begründung, die Berichte der Fremdenlegionäre seien ihnen fertig vorgelegt worden, widerlegen will. Er will damit sagen, dass die Berichte nicht von den Fremdenlegionären, sondern vom Amt für Informationen und somit nicht den Tatsachenberichten der Fremdenlegionäre entsprachen.“369 Des weiteren wurde von den drei Heimkehrern während ihrer Woche im Westen eine kurze Sendung für den RIAS gemacht und weitere Nachrichten seien im Mai in Vorbereitung gewesen. Dem GI zufolge seien auch tatsächlich Briefe an andere deutsche ehemalige 365 BStU, MfS 511/62, Bd. 16-II, Bericht der Abt. V, 2.6.1951. S. 000120-000121. BStU, MfS 511/62, Bd. 16-II , Abschrift von GI „Hauk“, 12.6.1951. S. 000114. 367 BStU, MfS 511/62, Bd. 16-II, Abschrift von GI „Hauk“, Abt. V, 5.6.1951. S. 000134-000135. 368 Ibidem. 369 BStU, MfS 511/62, Bd. 16-II, Bericht der Abt. V, 2.6.1951. S. 000120-000121. 366 124 Fremdenlegionäre geschickt worden.370 Darüber hinaus hätten die Heimkehrer sich stets negativer über die DDR geäußert.371 Die Geschichte endete damit, dass die drei Heimkehrer im Juni 1951 in den Westen flüchteten. Während die DDR befürchtete, dass Heimkehrer in den Westen umzogen, schickte sie die entlassenen Fremdenlegionäre selbst mit Aufträgen in den Westen. Auch sie wurden bald nachdem sie ins Blickfeld der HA II/3 gerieten, als Kontaktperson, GM oder GI angestellt. Wenn die Bezirke einen geeigneten entlassenen Fremdenlegionär im Visier hatten, wurde ein begründeter Vorschlag zur Anwerbung an die HA II/3 vorbereitet. Nachdem dieser Vorschlag genehmigt war, wurde vom Angeworbenen ein Verpflichtungsbericht und wurden von den Bezirken Werbungsberichte erstattet. In den Werbungsverpflichtungen wurde von den entlassenen Fremdenlegionären selbstverständlich betont, sie verpflichten sich „für die Aufrechterhaltung der demokratischen Ordnung und Sicherheit“, sie werden „[…]nicht nur übertragene Aufgaben erfüllen[…]“ sondern gleichfalls alle ihren „[…] bekannt gewordenen Vorfälle melden“ und schließlich waren sie sich darüber im Klaren, dass ihre Tätigkeit absolute Geheimhaltung bedeutete und „[…] dass ein Bruch der Schweigepflicht, nach den Gesetzen der DDR bestraft wird“.372 Einige entlassene Fremdenlegionäre wurden schon während ihrer Meldung bei der Meldestelle angeworben. Manchmal sorgte auch die Postkontrolle dafür, dass sie ins Blickfeld der HA II/3 gerieten. Ein Untersuchungsvorgang zeigt, wie ein entlassener deutscher ehemaliger Fremdenlegionär zum Revier der Volkspolizei bestellt wurde, um über seinen Lebenslauf zu reden. In dem Gespräch kam heraus, dass die HA II/3 bei der Postkontrolle einen Brief von der französischen Napoleon-Kaserne abgefangen hatte, in dem er dazu aufgefordert wurde, dieser Kaserne einen Besuch abzustatten.373 Eine andere Möglichkeit war eine Anwerbung während der Arbeit. Der GI „Baum“ zum Beispiel wurde im Juni 1953 von einem Mitarbeiter der Staatssicherheit in seinem Betrieb angesprochen, als der Parteisekretär einen Moment weg war.374 Manchmal war der Anwerbungsprozess auch komplizierter. Die HA II/3 beabsichtigte ihre Arbeit in Bezug auf die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre geheim zu halten und gab sich viel Mühe dabei. Ein entlassener Fremdenlegionär musste beispielsweise gemäß dem Werbungsvorschlag am 26. November 1956 in seiner Wohnung BStU, MfS 511/62, Bd. 16-II, Abschrift von GI „Hauk“, Abt. V, 5.6.1951. S. 000134-000135. BStU, MfS 511/62, Bd. 16-II, Abschrift von GI „Hauk“, 9.6.1951. S. 000144-000145. 372 BStU, MfS 511/62, Bd. 3, Abschrift von einen Anwerbungsverpflichtung, 6.4.1951. S. 000219. 373 BStU, MfS 511/62, Bd. 20, Bericht über die Rücksprache mit einem regulier entlassenen ehemaligen Fremdenlegionär, 14.6.1955. S. 000048-000049. 374 BStU, MfS 511/62, Bd. 19, Werbebericht vom 18.6.1953. S. 000152-000153. 370 371 125 besucht werden. Seine Frau arbeitete zu der Zeit nämlich in der Spätverkaufsstelle. Es müsste ihm von dem Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes eine Legende erzählt werden, dass er für die Lausitzer Rundschau arbeite und ihn bitten einen Artikel für die Zeitung zu verfassen. Demnächst müsste herausgefunden werden, wo er arbeite, damit der Mitarbeiter den Artikel persönlich abholen konnte. Dann war es für den Mitarbeiter an der Zeit, seine wahre Identität zu enthüllen und den entlassenen Fremdenlegionär nochmals über die Fremdenlegion zu befragen. In den nächsten Gesprächen müsste er dann gefragt werden, ob er bereit wäre, mit dem Ministerium für Staatssicherheit zusammenzuarbeiten.375 Laut diesem Bericht sollte der entlassene Fremdenlegionär auf freiwilliger Basis angeworben werden.376 Ein anderer Bericht der Bezirksverwaltung Rostock bestätigt diese Freiwilligkeit und gibt sogar Auskunft darüber, wie die Werbung in Rostock gestaltet wurde: „Die Anwerbung selbst geschah auf dem Wege der Überzeugung, indem die Kandidaten an Hand von Beispielen klargemacht wurde, wie der Gegner versucht, die DDR zu schädigen.“ Dem Bericht zufolge akzeptierten daraufhin die meisten entlassenen Fremdenlegionäre die Zusammenarbeit mit der HA II/3, obwohl ihre Überprüfung auf Ehrlichkeit noch nicht beendet sei.377 Wie bei den Heimkehrern gab es für die entlassenen Fremdenlegionäre wahrscheinlich verschiedene – meist ähnliche – Gründe sich anwerben zu lassen. Möglicherweise sorgte in einigen Fällen die ideologische Überzeugung tatsächlich für die Anwerbung. Über GI „Baum“ wurde beispielsweise erwähnt, er sei kooperativ eingestellt und sein Verhalten zeige seine antiamerikanische Haltung.378 Wahrscheinlich aber spielte die skeptische Blick der DDR auf die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, ihre negative Berichterstattung über die Fremdenlegion und die Angst vor der Staatssicherheit für die entlassenen Fremdenlegionäre eine größere Rolle als die Ideologie. Sie wollten ihre guten Absichten zeigen und fühlten sich geschmeichelt, wenn sie von der HA II/3 angesprochen wurden. Ein Werbungsvorschlag macht diese Argumentation anschaulich: „Bis jetzt kam ich mir immer wie ein Ausgestoßener vor, ja ich wurde sogar als Spitzel und Agent für die kapitalistischen Staaten angeschaut. Was mir aber nie eingefallen wäre. Gebt mir eine Chance und ich werde euch das Gegenteil beweisen. Mein Bedarf von Kapitalismus ist gedeckt.“379 Vielleicht trug auch das Geld, das einige entlassene Fremdenlegionäre für ihren Auftrag im 375 BStU, MfS BVfS Cottbus Abt. II 160, Werbungsvorschlag in Cottbus vom 23.11.1956. S. 000011-000014. Ibidem. 377 BStU, MfS 511/62, Bd. 11, Oberleutnant Steinfeld der Bezirksverwaltung des MfS in Rostock an die HA II/3, 9.9.1957. S. 000336-000337. Auskünfte über Steinfeld konnten von der Autorin nicht ermittelt werden. 378 BStU, MfS 511/62, Bd. 19, Werbebericht vom 18.6.1953. S. 000152-000153. 379 BStU, MfS 511/62, Bd. 19, Erklärung von einem regulier entlassenen ehemaligen Fremdenlegionär, 22.5.1954. S. 000161. 376 126 Westen erhielten, zur Anwerbung bei. Durchschnittlich betrug dieser Betrag je Auftrag fünfzig Deutsche Mark (DM). Nur die entlassenen Fremdenlegionäre, die in den Westen fahren konnten, den Club der ehemaligen Fremdenlegionäre besuchten, ihre Rente oder Pension im Westen abholten oder dort Kontakte hatten wurden als Kontaktperson, GI oder GM angeworben. Daraus folgt, dass nicht jeder entlassene Fremdenlegionär von der HA II/3 angeworben wurde. Diese Haltung der DDR zeigt das Ausmaß, in dem sie auch hinsichtlich der Staatssicherheit nur den Zielen der DDR dienten. Über einen entlassenen Fremdenlegionär wurde mitgeteilt: „In Westberlin kenne er niemanden und ist weder in der Lage noch in sonst einer Stelle angelaufen, den Club der Fremdenlegionäre kenne er überhaupt nicht. H. hat deshalb für uns keine Bedeutung und es wäre angebracht, ihn nicht weiter anzulaufen.“380 Ein anderes Beispiel zeigt, wie jemand auf Grund seiner Kontakte mit einem Feldwebel als Kontaktperson angestellt wurde, jedoch nicht als GI. Er hätte nach seinen bisherigen Angaben nämlich zu wenig Kontakte im Westen und war entschieden, nicht wieder in den Westen zu fahren.381 Eine Anwerbung konnte auch verweigert werden, wenn die HA II/3 einem Familienmitglied der entlassenen Fremdenlegionäre misstraute. Jemand wurde zum Beispiel nicht an der Meldestelle kontaktiert, da sein Schwager wegen Verletzung der Dienstpflicht aus der Volkspolizei entlassen sei.382 Charakterliche oder politische Unzuverlässigkeit schloss eine Zusammenarbeit ebenfalls aus. Auch wenn die HA II/3 vermutete, dass der entlassene Fremdenlegionär für die Franzosen arbeitete, kam eine Anwerbung logischerweise nicht in Frage.383 Die Aufträge von der HA II/3 bezogen sich meist auf die Bekanntschaften der entlassenen Fremdenlegionäre im Westen und auf ihre Möglichkeiten die französischen Geheimdienste und Einrichtungen der Fremdenlegion zu besuchen. Von der HA II/3 wurden mit Hilfe der Informationen der Kontaktpersonen, GI und GM „Objektvorgänge“ über diese Gebäude angefertigt. Die HA II/3 richtete ihr Interesse erstens auf die Maison de France am Kurfürstendamm 211 in Berlin-Charlottenburg, die sich über vier Etagen erstreckte. Im Erdgeschoss gab es unter anderem das Cinema Paris, einen französischen Buchladen, die Air de France Luftpost und Ausstellungsräume des Institut Français. Das französische Konsulat und ein Konferenzsaal befanden sich im dritten Stock. Ansonsten waren im Gebäude unter 380 BStU, MfS 511/62, Bd. 19, Bericht über einen regulier entlassenen ehemaligen Fremdenlegionär, 14.6.1951. S. 000220. 381 BStU, MfS 511/62, Bd. 5, Nachtrag zum Protokoll einer Heimkehrer, ohne Datum. S. 000361-000362. 382 BStU, MfS 511/62, Bd. 10, Bericht von der HA II/3 an die Rückkehrerstelle, 18.8.1956. S. 000170. 383 BStU, MfS 511/62, Bd. 11, Die HA II an die HA II im Bezirk Schwerin, 31.5.1956. S. 000152. 127 anderem noch eine Handelsdelegation zwischen Frankreich und der DDR, ein interalliierter Club und ein Archiv.384 Zweitens schenkte die HA II/3 der Napoleon-Kaserne am Spandauer Weg 42 in Berlin-Reinickendorf Aufmerksamkeit. Hier wurden den deutschen ehemaligen Fremdenlegionären Renten und Pensionen ausgezählt. In der Napoleon-Kaserne war der Service Sozial untergebracht, laut der DDR eine Betreuungsstelle der aktiven und bereits entlassenen deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, die darüber hinaus Verbindungen zum Deuxièume Bureau haben würde.385 Dem Bureau, das sich in der Müllerstraβe 126 befand, wurde von der HA II/3 mit zweiter Priorität nach der Maison de France Aufmerksamkeit gewidmet. Drittens hatte die HA II/3 die A.L.E.F. im Blick, wo ihr zufolge die Neuanwerbungen für die Fremdenlegion, die Betreuung der entlassenen deutschen Fremdenlegionäre und ihre Neuanwerbung für den französischen Geheimdienst stattfanden. 386 Viertens stand das französische Kasino, das Foyer du Soldat – ebenfalls als das Foyer du Wedding bezeichnet – im Mittelpunkt. Es befand sich auf der Ecke Müllerstraβe/Seestraße. Der HA II/3 war der Meinung, dass sich hier viele Franzosen sowie deutsche ehemalige Fremdenlegionäre aufhielten, billigere Ernährungsmittel und Zigaretten verkauft würden und möglicherweise auch Verbindungen zu den französischen Geheimdiensten gelegt wurden.387 Während ihrer Reisen in den Westen mussten die Kontaktpersonen, GI oder GM soviel Informationen wie möglich über die französischen Gebäude und die Mitarbeiter sammeln, indem sie Fragen stellten und das Vertrauen der Mitarbeiter in Gesprächen gewinnen sollten. Obwohl von einer Bespitzelung die Rede war, betrachtete die HA II/3 die Agententätigkeit der entlassenen Fremdenlegionäre als Gegenspionage. Die Informationssammlung wurde von der HA II/3 hochgeschätzt, doch noch besser war es, wenn einige GI oder GM sich von den Franzosen anwerben ließen. Im Prinzip wurden sie dadurch Doppelspion. Die DDR gab ihnen genaue Hinweise, wie sie sich verhalten und anwerben lassen sollten. Gemäß einem Auftragsbericht aus dem Jahr 1955 musste ein GM den Franzosen erzählen, er habe in der DDR noch keinen richtigen Job gefunden, er sei in der DDR „mit vielem nicht einverstanden“ und auch, dass sie „[…]als ehemalige Fremdenlegionäre was anderes gewöhnt“ seien. Er sollte sich von den Franzosen nicht einschüchtern lassen, sich im Westen nicht zu lange an unbekannten Orten aufhalten, sich in 384 BStU, MfS 511/62, Bd. 28-I, Bericht der HA II/3, 12.10.1954. S. 000127-000129. BStU, MfS 511/62, Bd. 12, Die Abt. IV des Staatssekretariats für Staatssicherheit an die Bezirksverwaltung Potsdam, 28.10.1953. S. 000095. 386 BStU, MfS 1310/67, Bd. 2., Beschluss vom MfS Abt. II/3 in Groβ-Berlin über das Anlegen eines Objektvorganges, 9.6.1954. S. 000010. 387 BStU, MfS, 1310/67, Bd. 2, Bericht von Unterleutnant Ficker der HA II/3 über das Foyer du Soldat, 9.1.1956. S. 000034. Auskünfte über Ficker konnten von der Autorin nicht ermittelt werden. 385 128 der Öffentlichkeit zurückhaltend verhalten und nicht die Aufmerksamkeit der Polizei auf sich lenken. Hinsichtlich einer Anwerbung für den französischen Geheimdienst erwähnt der Bericht: „Falls sie aufgefordert werden, für den westlichen Geheimdienst zu arbeiten, sagen sie nicht sofort zu, sondern tun sie so, als wenn sie nicht dazu in der Lage wären und Angst vor einer Verhaftung hatten. Erklären sie, dass ‚die da drüben mächtig aufpassen‘. Bei einer mehrmaligen Aufforderung oder bei Zwang erklären sie sich einverstanden, fragen aber, was sie tun sollen und wem das Material zu übergeben haben bzw. wie dieses nach Westberlin geschafft werden soll.“388 Abgesehen von der Konzentration auf die Franzosen beschäftigte sich die HA II/3 auch immer mit der Kontaktaufnahme zu anderen entlassenen Fremdenlegionären durch Kontaktpersonen, GI und GM im Westen. Auf diese Weise konnten immer mehr deutsche ehemalige Fremdenlegionäre von der DDR registriert werden, was eine größere politische Sicherheit versprach. Die HA II/3 hoffte nicht nur auf eine Festigung ihres Zugriffs auf sie, sondern auch auf eine größere Auswahl für ihre Anwerbungen. In einem Plan zum Eindringen in die A.L.E.F. wurde festgestellt: „Die Kontaktperson L. ist so zu lenken, dass er im Club der ehemaligen Legionäre eintritt und dort die Legionäre aufklärt, um aus diesen Kreisen dann weitere Anwerbungen durchführen zu können.“389 Außerdem wurden die entlassenen Fremdenlegionäre gegen einander zur „Überprüfung ihrer Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit“ eingesetzt. Im Bezug auf GI „ Baum“ wurde über seine Beobachtung geschrieben, dass ein Freund ihm während seiner Reise nach Westberlin beobachten musste und darüber hinaus den Auftrag erhielt, festzustellen welche Stelle GI „ Baum“ in Westberlin anlief.390 Die Staatssicherheit hoffte so eine Spionage für die Franzosen auszuschließen. Die Akten im Archiv zeigen, in welch großem Umfang sich die Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes mit den Kontakten zwischen den Kontaktpersonen, den GI und GM auseinandersetzten. Es ist in dem Archiv allerdings nicht erforschbar, wie lange die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre im Dienst der HA II/3 blieben. Die Akten geben nur Auskunft über die Aufträge, die sie kurz nach ihrer Anwerbung erhielten. Möglicherweise blieb ihr Einsatz auch zeitlich eingeschränkt. In der zweiten Hälfte der Fünfziger Jahre sowie in den nächsten Jahrzehnten kehrten immer wieder deutsche ehemalige Fremdenlegionäre in die DDR zurück. Der Einsatz dieser neuen deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, die aktuellere Kenntnisse 388 BStU, MfS 511/62, Bd. 11, Auftrag für einen regulier entlassenen ehemaligen Fremdenlegionär aus Rostock, 5.5.1955. S. 000352-000355. 389 BStU, MfS 1310/67, Bd. 2, Plan zum Eindringen in das Objekt der ehemaligen Fremdenlegionäre (A.L.E.F.), ohne Datum. S. 000018-000020. 390 BStU, MfS 511/62, Bd. 29, Beobachtung GI „Baum“, 19.1.1954. S. 000219. 129 über die französischen Geheimdienste und die Einstellungen der Fremdenlegion besaßen, scheint wahrscheinlich. Außerdem blieb die Zuverlässigkeit ein wichtiges Thema für die DDR. Regelmäßig wurde die Zusammenarbeit mit angeworbenen deutschen ehemaligen Fremdenlegionären auf Grund ihrer „Dekonspiration“ beendet. Unter einer „Dekonspiration“ verstand die DDR das Brechen der Geheimhaltungspflicht, das Nichterscheinen auf den „Treffs“, das Nichterfüllen der Aufgaben oder im schlimmsten Fall die Republikflucht. Ein entlassener Fremdenlegionär „dekonspirierte“ sich zum Beispiel, nachdem er zu viel Alkohol getrunken und seine Tätigkeit preisgegeben hatte.391 Ein anderer habe sich der HA II/3 zufolge zuerst ablehnend gegenüber die Fremdenlegion geäußert, doch er änderte seine Meinung, als er vom französischen Konsulat eine Nachricht über den Empfang seiner Rente erhielt. Im Juni/Juli 1957 setzte er sich nach Westberlin ab.392 Die Leerstellen, die auf Grund der „Dekonspiration“ im Personalbestand der IM entstanden, konnten von neuen deutschen ehemaligen Fremdenlegionären – mit denen die HA II/3 noch keine negativen Erfahrungen gesammelt hatte – neu besetzt werden. Zusammenfassung Die DDR hatte sich auf Grund ihres Bemühens um die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre mit einem schwierigen Thema auseinandergesetzt. Das wird nicht nur von ihrem Einsatz in der Öffentlichkeit, sondern auch dem in der Staatssicherheit bewiesen. Besonders hinsichtlich ihrer Verbindung zur Staatssicherheit wird klar, welchem Spagat die DDR vollzog. Die HA II/3, als die für die französische Spionageabwehr zuständige Abteilung, beschäftigte sich aus sicherheitspolitischen und geheimdienstlichen Gründen mit den deutschen ehemaligen Fremdenlegionären. Die DDR ging von ihrer Zusammenarbeit mit den französischen Geheimdiensten aus. Laut der DDR wurden die Heimkehrer schon während ihrer Zeit in der Fremdenlegion angeworben und einige als Agent mit einem HeimkehrerTransport in die DDR gekommen. Die entlassenen Fremdenlegionäre wurden, so die Vermutung, von Frankreich in der BRD zur Agententätigkeit in der DDR angeworben. Trotz der Gefahr der Spionage konnten die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre aber von der Staatssicherheit für dieselben geheimdienstlichen Tätigkeiten eingesetzt werden. 391 BStU, MfS 511/62, Bd. 11, Herr/Frau Linow der Abt. II des MfS Schwerin an die HA II/3, 5.8.1957. S. 000123-000124. Auskünfte über Linow konnten von der Autorin nicht ermittelt werden. 392 BStU, MfS 511/62, Bd. 11, Oberleutnant Steinfeld der Bezirksverwaltung des MfS in Rostock an die HA II/3, 9.9.1957. S. 000336-000337. 130 Die Haltung der HA II/3 bezüglich der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre war sehr misstrauisch und ihre Beobachtungen bestätigten die Haltung. Diejenigen, die sich in der DDR nicht genau so entwickelten, wie die Ostdeutschen das sich wünschten, die gute Französisch-Kenntnisse besaßen oder oft in den Westen fuhren standen unter den Verdacht von Spionagetätigkeiten. Sie wurden von der HA II/3 operativ bearbeitet. Diese Operative Bearbeitung beinhaltete Postüberwachung und der Einsatz einer Kontaktperson, GI oder GM. Die Heimkehrer wurden schon während der Heimkehrer-Transporte und im Quarantänelager Bischofswerda beobachtet, die entlassenen Fremdenlegionäre seit ihrem Eintreffen. Auch die Beobachtung durch und der Einsatz für die HA II/3 zeigen die Hass-Liebe der DDR und auch das Ausmaß, in dem die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre als Spielball eingesetzt wurden. Die Beobachtung und der Einsatz erfolgten einerseits aus Misstrauen, andererseits jedoch auch aus Opportunismus. Die Spionagetätigkeiten mussten entdeckt und unterbunden werden, aber die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre konnten zugleich auch als Agent für die DDR eingesetzt werden. Die Heimkehrer bespitzelten als Kontaktperson, GI oder GM vornehmlich ihre Kollegen auf Spionagetätigkeiten oder Republikflucht hin. Die entlassenen Fremdenlegionäre wurden auch gegen ihre Kollegen eingesetzt, allerdings im Westen. Sie waren auf Grund ihrer Möglichkeiten in den Westen zu reisen und dort Kontakte zu knüpfen für die Staatssicherheit die interessanteste Gruppe deutscher ehemaliger Fremdenlegionäre. Sie bearbeiteten Objekte wie die A.L.E.F., das Deuxième Bureau und die Napoleon-Kaserne. Auf Grund ihrer Möglichkeiten stellten sie gleichzeitig den größten Risikofaktor von allen deutschen ehemaligen Fremdenlegionären dar. 131 Fazit „DDR Patria Nostra?“ In der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre war die Deutsche Demokratische Republik (DDR) ein isolierter Staat im Aufbau. Auf nationaler Ebene versuchte sie trotz der sowjetischen Herrschaft ihre eigene Identität zu festigen. International gesehen wurde ihre Position von ihrem Verhältnis zur Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) bestimmt, jedoch auch von der deutsch-deutschen Systemauseinandersetzung. Diese Auseinandersetzung wurde einerseits von Abgrenzung und andererseits von Verflechtung gekennzeichnet. Die DDR zog in dieser Systemauseinandersetzung immer den Kürzeren. Während sich die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit Hilfe des Westens in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre in Bezug auf die Westintegration und die Wiederbewaffnung entwickeln und profilieren konnte, wurde die DDR international nicht anerkannt. Das Jahr 1955 bildete den Höhepunkt der Prozesse von Westintegration und Wiederbewaffnung in der BRD. In diesem Jahr wurde die HallsteinDoktrin verkündet und die BRD beziehungsweise die DDR wurden in der North Atlantic Treaty Organisation (NATO) und im Warschauer Pakt aufgenommen. Die DDR pflegte auf internationaler Ebene allerdings nicht nur mit der BRD und der UdSSR Beziehungen. In den Fünfziger Jahren gab es mehrere sozialistische Staaten, denen es auf Grund ihrer politischen Ausrichtung ebenfalls an Handlungsspielraum, Anerkennung und Legitimität mangelte. Die Demokratische Republik Vietnam (DRV) gehörte zu diesen Staaten. Sie suchte ab 1950 internationale Bundesgenossen, um ihre Machtposition zu festigen. Dafür wandte sie sich unter anderem an die DDR. Die DDR sah sich allerdings jetzt in der Situation vor ein Problem gestellt. Auf der einen Seite machte es die internationale Lage für sie unmöglich, Beziehungen zur DRV einzugehen. Auf der anderen Seite war es aber für ihre internationale Position auch von Vorteil, sich der DRV anzunähern. Darüber hinaus fühlte sie sich verpflichtet, einem kommunistischen Brüdervolk zu helfen. Anstatt direkte Beziehungen zur DRV aufzunehmen, entschied sich die DDR dafür, das Problem der deutschen (ehemaligen) Fremdenlegionäre in der DRV zu lösen, worauf sie in einem Brief der Lao Dong Partei aufmerksam gemacht worden war. Dadurch rettete sie sich aus einer schwierigen Situation. Diplomatische Beziehungen musste sie auf diese Art und Weise nicht eingehen, sie zeigte aber trotzdem Solidarität. Die DDR reagierte in einer Regierungserklärung vom 2. Februar 1950 auf den Brief der Lao Dong Partei. Sie rief die 132 deutschen Fremdenlegionäre auf, den Indochinakrieg zu beenden und in die DDR zurückzukehren. Die DDR war zwar eher zufällig auf die deutschen Fremdenlegionäre in Indochina aufmerksam gemacht worden, sie instrumentalisierte sie aber bereits 1950 für ihre Ziele. Die Ziele bezogen sich auf die Westintegration und die Remilitarisierung der BRD. Die DDR war nicht in der Lage, sich politisch gegen diese Prozesse wehren zu können. In ihrer Arbeit mit den deutschen ehemaligen Fremdenlegionären sah sie Möglichkeiten, sich mittels Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit zu den Prozessen der Westintegration und der Remilitarisierung zu äußern; in der Hoffnung, sie rückgängig zu machen. Seit 1950 wurden Vorbereitungen getroffen, die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre mit Heimkehrer-Transporten in die DDR zurückzuführen. Dafür arbeitete die DDR mit der DRV zusammen, aber auch mit Erwin Borchers, der sich als Überlaufer im Dienst des Viet Minh schon ab 1950 mit den deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre beschäftigte, noch bevor die DDR sich überhaupt mit ihnen auseinandersetzte. Zwar konnten die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre für die DDR vorteilhaft eingesetzt werden, sie waren aber gleichzeitig eine problematische Personengruppe. Das Verhältnis der DDR zu den deutschen ehemaligen Fremdenlegionären war nie eindeutig positiv, es ist eher als eine Hass-Liebe zu bezeichnen. Die DDR vermochte die Heimkehrer zwar einerseits zu instrumentalisieren, und sie „liebte“ sie dafür. Andererseits aber wurden sie während der ganzen ersten Hälfte der Fünfziger Jahre von der DDR mit Misstrauen und Angst betrachtet. Die Hass-Liebe kam zuerst während der Vorbereitungen, die der ostdeutsche Staat für die Heimkehrer-Transporte traf, zum Ausdruck. Schon 1950 wurde eine Übersicht über die Identität der Heimkehrer erstellt, in der als Schwerpunkte ihre Ansässigkeit und ihr Status als Überlaufer oder Kriegsgefangener erfasst wurden. Aufbauend auf die misstrauische Beobachtung aller deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre wurden die westdeutschen Heimkehrer und die Kriegsgefangenen noch argwöhnischer beäugt. Die Westdeutschen könnten wieder in den Westen gehen, und hinsichtlich der Kriegsgefangenen hegte die DDR Zweifel an deren Zuverlässigkeit. Zweitens zeigte sich die Hass-Liebe der DDR zu den deutschen ehemaligen Fremdenlegionären auch in Umgang mit ihnen. Die DDR ging von ihrer Unzuverlässigkeit aus und glaubte daran, dass sie politisch und gesellschaftlich geschult werden mussten, um auf ein neues Leben in Ostdeutschland vorbereitet zu sein. Die Schulungen begangen in den Lagern in der DRV, und wurden während den Heimkehrer-Transporte fortgesetzt. Die 133 politisch und ideologisch zuverlässigsten DDR-Bürger wurden mit diesen Transporten betraut. Ihre Aufgabe bestand darin, den Heimkehrern ein politisches Programm anzubieten und Gespräche mit ihnen zu führen. Auch nach dem Eintreffen in Quarantänelager Bischofswerda erwartete die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre ein einmonatiges Umerziehungsprogramm. Diese Vorbereitungen und Handlungen der DDR dienten dazu, sich der Zuverlässigkeit der Heimkehrer zu versichern um ihren Einsatz in der Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit zu optimieren. Dieser Einsatz zielte in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre auf die gesamte ostdeutsche Gesellschaft. Die Themen der Fremdenlegion und der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre wurden in der Öffentlichkeit, in der Repräsentation und von den gesellschaftlichen Organisationen aufgenommen. Die Heimkehrer spielten auf allen Ebenen eine zentrale Rolle und sollten dem Ansehen der DDR dienen. Am wichtigsten bewertete die DDR ihren Einsatz in den Pressekampagnen und auf den Pressekonferenzen, die zwischen 1951 und 1954 organisiert wurden. Auf den Pressekonferenzen wurde sowohl die ost- wie auch die westdeutsche Presse eingeladen. Abgesehen von der Auswertung in der Pressearbeit wurden manche deutsche ehemalige Fremdenlegionäre von der DDR damit beauftragt, ihre „Erlebnisberichte“ in Büchern zu publizieren. Die Auswertung des Themas der Fremdenlegion und der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in der Repräsentation umfasste die Produktion von Filmen und Theaterstücken sowie deren mehrfache Aufführung in den Fünfziger Jahren. Des weiteren wurden die Heimkehrer eingesetzt, um ihre Kollegen in der DDR über ihr politisches und gesellschaftliches Leben in der DDR aufzuklären. Ihre Kameraden in der DRV erhielten Briefe, in denen ihnen über das gute Leben in der DDR berichtet wurde. Die DDR beabsichtigte damit, noch mehr deutsche ehemalige Fremdenlegionäre in die DDR zurückzuführen. Die DDR stellte es in der ganzen Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit so dar, als ob die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre spontan authentische Berichte verfassten. Sie hätten dazu auch allen Anlass, da sie Augenzeugen eines in den Augen der DDR unberechtigten Krieges waren. Tatsächlich wurden die Heimkehrer jedoch während der Heimkehrer-Transporte zunächst einmal politisch und ideologisch eingeschätzt und selektiert. Danach wurden ihnen die von der DDR vorbereiteten Berichte übergeben. Eigene Initiative wurde von der DDR nicht geschätzt. Sie wäre sowieso kaum nennenswert, da die meisten Heimkehrer der DDR-Ideologie skeptisch gegenüberstanden und heimlich eine ganz andere Meinung vertraten. So waren sie zum Beispiel viel positiver gegenüber der Fremdenlegion 134 eingestellt als die Aussagen die sie in der Öffentlichkeit äußerten beziehungsweise äußern mussten. Alles in Bezug auf die Themen Fremdenlegion und deutsche ehemalige Fremdenlegionäre wurde also von der DDR inszeniert. Diese Inszenierung ist am besten in der Ähnlichkeit der Themen auf alle Ebenen der Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit sichtbar. Zu den wichtigsten Themen gehörten die Verurteilung des Indochinakrieges, Adenauers Haltung hinsichtlich dieses Krieges und die – laut der DDR – schändlichen Werbungsmethoden für die Fremdenlegion. Desweiteren wurde immer wieder Kritik an den in der BRD ratifizierten Verträgen im Rahmen der Westintegration und der Wiederbewaffnung gehegt, wie zum Beispiel die EVG- und Deutschlandverträge. Auch wurde von der DDR ein schwarz-weißes Bild hinsichtlich der Fremdenlegion und der Volksarmee gemalt. Das Leben in der Fremdenlegion sei die Hölle für die Fremdenlegionäre gewesen, und die Volksarmee hätte sie freundlich aufgenommen und Kontakte zur DDR geknüpft, die zu ihrer Heimkehr beigetragen hätten. So begeistert die DDR ihre Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit 1951 umfassend begonnen hatte, so schnell endete sie auch wieder. Trotz der Versuche der DDR, die Prozesse der Westintegration und der Remilitarisierung der BRD entgegenzuwirken, wurden diese Prozesse 1955 abgeschlossen. Da die Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit dem Rückgängigmachen dieser Prozesse gedient hatte, hatte sie nun ihr Sinn verloren. Es war vielleicht naiv von der DDR zu denken, dass ihre Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit politische Änderungen hätte auslösen können. Sie war sich bewusst, dass sie politisch keinen Handlungsspielraum besaß. Es ist jedoch auch verständlich, dass die DDR mangels anderer Möglichkeiten der Beeinflussung alles versuchte, die westdeutschen Entwicklungen zu verhindern. Ab 1954, und verstärkt ab 1955, taugten die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre für die DDR auf jeden Fall nicht länger als direkte politische Werbeträger. Sie konnten auf Grund der Beendigung des Indochinakrieges 1954 weder gegen die behauptete Ungerechtigkeit dieses Krieges noch für die Auseinandersetzung mit Westdeutschland eingesetzt werden. Die DDR konnte ihre Arbeit aber nicht plötzlich beenden. Besonders, da sich die DRV der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre entledigen wollte. Die sich noch in der DRV befindlichen deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre wurden wie ihre Kameraden noch bis 1956 zurückgeführt. Für die Heimkehrer der letzten Transporte wurden allerdings weder Pressekonferenzen noch Pressekampagnen organisiert. Obwohl der wenig erfolgreiche Einsatz der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in der Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit Mitte der Fünfziger Jahre beendet wurde, 135 bedeutete das keineswegs das Ende der Beschäftigung der DDR mit ihnen. Sie wurden von der DDR nicht nur hinsichtlich der Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit zugleich gehasst und geliebt sowie instrumentalisiert, sondern auch hinsichtlich der Arbeit des Ministeriums für Staatssicherheit. In den Augen der DDR stellten sie auf Grund ihres Charakters, ihres Bewusstseins, ihrer Disziplin und ihrer Unzuverlässigkeit einen Risikofaktor dar. Für die DDR lagen die Gründe dafür im Charakter, in der Vergangenheit und in der Arbeit der Heimkehrer in der Fremdenlegion. Das politische Umschulungs- und Überzeugungsprogramm scheiterte. Die meisten von ihnen konnten nicht von der guten Sache der DDR überzeugt werden und waren überhaupt nicht mit der Gestaltung der Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit einverstanden. Auch die Integration der Heimkehrer war schwierig. Die DDR sah deshalb in der Fünfziger Jahre einen ständigen Bedarf an Beobachtung der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in ihren neuen Wohnorten und an ihren neuen Arbeitsplätzen. Viele Heimkehrer zogen aber rasch illegal in den Westen um. Die DDR konnte die Republikflucht zwar in der Öffentlichkeit vertuschen, sie hatte aber trotzdem Angst vor der Gefährdung ihrer Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit sowohl im Osten wie im Westen. Es sah natürlich nicht gut aus, wenn die den Westen kritisierenden Heimkehrer selbst in den Westen verzogen. Das machte die DDR-Berichterstattung unglaubwürdig. Darüber hinaus hätten die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre die ostdeutsche politische und gesellschaftliche Lage im Westen kritisieren können, auch wenn die meisten unpolitisch waren und aus rein opportunistischen Gründen in den Westen zogen. Die aktive Verhinderung des Republikflucht wurde von der DDR jedoch auch als unerwünscht erachtet. Jede internationale Entwürdigung des ostdeutschen Staates im Westen sollte verhindert werden. In diesem Kontext sollte der Westen die DDR nicht als Gefängnis wahrnehmen. Das Ministerium für Staatssicherheit wurde damit beauftragt, die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre während der Heimkehrer-Transporte, im Quarantänelager Bischofswerda und in ihren neuen Wohn- und Arbeitsorten zu beobachten und operativ zu bearbeiten. Neben sicherheitspolitischen Gründen spielten geheimdienstliche Gründe und Ziele eine Rolle. Einerseits war die Überwachung der Heimkehrer also notwendig, andererseits auch vorteilhaft. Vorteilhaft in dem Sinne, dass die vom Ministerium für Staatssicherheit selektierten Heimkehrer später, im Quarantänelager Bischofswerda oder nach der Quarantänezeit, als Kontaktperson, Geheimer Informant oder Geheimer Mitarbeiter angeworben wurden. Nach ihrer Anwerbung wurden die Heimkehrer zur Bespitzelung ihrer Kollegen eingesetzt. So hoffte die DDR, die Republikflucht und die Gefährdung ihrer 136 Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit zu verhindern. Die Heimkehrer wurden vom Ministerium für Staatssicherheit jedoch als weniger unzuverlässig und damit vorteilhafter bewertet als die aus der Kriegsgefangenschaft entlassenen Kameraden. Dies hing erstens mit deren Status zusammen. Die entlassenen Fremdenlegionäre hatten ihre Dienstzeit normal beendet und kamen meist aus der BRD in die DDR. Die DDR ging davon aus, dass dieser Umzug von den französischen Geheimdiensten initiiert wurde und Spionagetätigkeiten in der DDR diente. Entlassene Fremdenlegionäre, die sich zum Beispiel nicht genau so entwickelten, wie es die DDR beabsichtigte, die die französische Sprache beherrschten oder für den Geschmack der DDR zu oft in den Westen reisten standen unter Verdacht. Sie stellten auf Grund dem Erhalt einer Vierteljahresrente einen Risikofaktor für die DDR da. Diese Rente konnte nur im französischen Konsulat in Westberlin persönlich vom Fremdenlegionär abgeholt werden. Die entlassenen Fremdenlegionäre waren im Westen in der Lage, Kontakte zur Fremdenlegion und zu anderen deutschen ehemaligen Fremdenlegionären zu knüpfen. Trotz des großen Misstrauens der DDR war die Gruppe der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre zugleich auch am besten als Kontaktperson, GI oder GM in der (sicherheits)politischen Auseinandersetzung mit dem Westen instrumentalisierbar, da sie ihre Rente oder Pension im Westen abholten, hier für die DDR interessante Kontakte hatten oder den Anciens Légionnaires Étrangère Francais (A.L.E.F.) besuchen konnten. Sie standen zwar im Verdacht von französischen Agententätigkeiten standen, sie konnten aber trotzdem von der DDR für Spionageziele eingesetzt werden. Auf diese Weise konnte die DDR über die Instanzen der Fremdenlegion, wie zum Beispiel das Deuxième Bureau und den A.L.E.F. aufgeklärt werden, worüber „Objektvorgänge“ angelegt wurden. Die entlassenen Fremdenlegionäre sollten nicht nur zur Infiltration für Informationen, sondern auch zur Kontaktknüpfung zu Kameraden verwandt werden, damit die DDR später eventuell auch sie für das Ministerium für Staatssicherheit anwerben konnte. Wenn jetzt die Bilanz über die Arbeit der DDR hinsichtlich der Heimkehrer und der entlassenen Fremdenlegionäre gezogen wird, kann erstens festgestellt werden, dass auf Grund intensiver Archivforschung neue Fakten über diese zwei Gruppen deutscher ehemaliger Fremdenlegionäre bekannt werden. Diese neue Fakten ergänzen die Studien von Michels, Michelers und Schütte. Michels bietet eine umfangreiche Übersicht über die Fremdenlegion und alle deutsche Fremdenlegionäre zwischen 1870 und 1965. Michelers beschäftigte sich vor allem mit den Erlebnisberichten einzelner deutscher ehemaliger Fremdenlegionäre. Schütte 137 schließlich nimmt das Thema der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre zum ersten Mal als einzelnes Thema auf, indem er über drei Überläufer zum Viet Minh berichtete. In dieser Master-Arbeit wurde auf das Thema der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre als einzelne und wichtige Gruppe in der Geschichte der DDR konzentriert. Zweitens kann festgestellt werden, dass die Heimkehrer und die entlassenen Fremdenlegionäre zwar von der DDR vollständig instrumentalisiert wurden, aber für den ostdeutschen Staat ebenfalls ein Risiko darstellten. Die DDR investierte aus Eigennutz und nicht aus humanitären Gründen Zeit, Geld und Energie in die Heimkehrer. Der von ihr erwartete politische und ideologische Erfolg in der Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit blieb jedoch aus, und der gezielte Einsatz der Heimkehrer war außerdem nur sehr kurzfristig möglich. Die Beschäftigung des Ministeriums für Staatssicherheit war kaum erfolgreicher, da mit den Heimkehrern in der Staatssicherheit auf Grund ihrer unpolitischen Haltung, ihrer Unzuverlässigkeit und der großen Zahl von Republikflüchtigen nicht viel erreicht wurde. Die (sicherheits)politischen Instrumentalisierung der entlassenen Fremdenlegionäre war ähnlich mangelhaft. Die Staatssicherheit gab sich große Mühe, diese Gruppe zu beobachten und operativ zu bearbeiten, doch diese Mühe stand in keinem Verhältnis zum Nutzen der entlassenen Fremdenlegionäre. Auch wenn sie für Spionagetätigkeiten in den Westen geschickt wurden, bestand stets die Gefahr der Unzuverlässigkeit und der „Dekonspiration“. Die DDR wurde zwar von den deutschen ehemaligen Fremdenlegionären aufgeklärt, bezahlte dafür aber einen hohen Preis. 138 Literatur- und Quellenverzeichnis Literatur Amos, Heike, Die Westpolitik der SED 1948/1949-1961 ‚Arbeit nach Westdeutschland‘ durch die Nationale Front, das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten und das Ministerium für Staatssicherheit (Berlin 1999). Amos, Heike, „Die ‚Nationale Front des Demokratischen Deutschland‘ – ‚Sprachrohr‘ der SED-Westpolitik (1948/1949-1961)“, in: Heiner Timmermann, (Hrsg.), Die DDR in Deutschland. Ein Rückblick auf 50 Jahre (Berlin 2001), S. 39-58. Baumgartner, Gabriele und Dieter Hebig (Hrsg.), Biographisches Handbuch der SBZ/DDR 1945-1990 Bd. 1 (München u.a. 1996). Baumgartner, Gabriele und Dieter Hebig (Hrsg.), Biographisches Handbuch der SBZ/DDR 1945-1990 Bd. 2 (München 1997). Bispinck, Henrik, „ ,Republikfluchtʼ: Flucht und Ausreise als Problem für die DDRFührung“, in: Dierk Hoffmann, Michael Schwartz und Hermann Wentker (Hrsg.), Vor dem Mauerbau (München 2003), S. 285-311. Die Straβe der Legionäre. Tatsachen aus der französischen Fremdenlegion (Aufgezeichnet nach dem Berichten der ehemaligen Legionäre Martin Dutschke, Arno Marx und Günter Walter), Amt für Information der Regierung der DDR, Serie: Die Wahrheit dem Volke Nr. 17, (Leipzig o.J.). Freyer, Paul Herbert, Auf verlorenem Posten. Schauspiel in drei Akten (Halle 1953). Fricke, Karl Wilhelm, Die DDR-Staatssicherheit. Entwicklung, Strukturen, Aktionsfelder (Köln 1989). Fröhlich, Stefan, „Erste außen- und sicherheitspolitische Herausforderungen“, in: Jürgen Elvert und Friederike Krüger (Hrsg.), Deutschland 1949-1989. Von der Zweistaatlichkeit zur Einheit (Stuttgart 2003), S. 78-88. Gibas, Monika, Propaganda in der DDR 1949-1989 (Thüringen 2000). Gibas, Monika, „Ideologie und Propaganda“, in: Andreas Herbst, Gerd-Rüdiger Stephan und Jürgen Winkler (Hrsg.), Die SED. Geschichte, Organisation, Politik. Ein Handbuch (Berlin 1997), S. 241-263. Gieseke, Jens, Der Mielke-Konzern. Die Geschichte der Stasi 1945-1990 (München 2006). Gill, David und Ulrich Schröter, Das Ministerium für Staatssicherheit. Anatomie des Mielke139 Imperiums (Berlin 1991). Halle, Günther, Légion Étrangère. Tatsachenbericht nach Erlebnissen und Dokumenten von Rückkehrern aus Vietnam (Ostberlin 1952). Jordan, David, Die Geschichte der französischen Fremdenlegion von 1831 bis heute (Stuttgart 2006). Kleβmann, Christopher, Zwei Staaten, eine Nation. Deutsche Geschichte 1955-1970 (Bonn 1988). Knabe, Hubertus, West-Arbeit des MfS. Das Zusammenspiel von ‚Aufklärung‘ und ‚Abwehr‘ (2. Auflage, Berlin 1999). Krüger, Joachim, „Die Anfänge der Beziehungen zwischen der DDR und der DR Vietnam“, in: Asien, Afrika, Lateinamerika Nr. 19 (Berlin 1991), S. 815-826. Labrenz-Weiβ, Hanna, Die Hauptabteilung II: Spionageabwehr. Anatomie der Staatssicherheit. Geschichte, Struktur und Methoden. MfS Handbuch Teil III/7 (2. Auflage, Berlin 1995). Labrenz-Weiβ, Hanna, „Bearbeitung von Geheimdiensten, Korrespondenten und anderen ‘feindlichen Zentren‘ – die HA II“, in: Hubertus Knabe, West-Arbeit des MfS. Das Zusammenspiel von ‚Aufklärung‘ und ‚Abwehr‘ (2. Auflage, Berlin 1999), S. 183-205. Lemke, Michael, Einheit oder Sozialismus? Die Deutschlandpolitik der SED 1949-1961 (Köln u.a. 2001). Lemke, Michael, „Das Adenauer-Bild der SED“, in: Arnd Bauernkämpfer, Martin Sabrow und Bernd Stöwer (Hrsg.), Doppelte Zeitgeschichte. Deutsch-deutsche Beziehungen 19451990 (Bonn 1998), S. 102-113. Lemke, Michael, „Die Deutschlandpolitik der DDR zwischen Moskauer Oktroi und Bonner Sogwirkung“, in: Jürgen Kocka und Martin Sabrow, Die DDR als Geschichte. Fragen – Hypothesen – Perspektiven (Berlin 1994), S. 181-185. Macdonald, Peter, Fremdenlegion. Ausbildung, Bewaffnung, Einsatz (Stuttgart 2005). Michelers, Detlef, Le Boudin. Deutsche Fremdenlegionäre der Nachkriegszeit (3. Auflage; Berlin 1992). Michels, Eckard, Deutsche in der Fremdenlegion 1870-1965. Mythen und Realitäten (5. Auflage; Paderborn 2006). Möller, Günter und Wolfgang Stuchley, „Zur Spionageabwehr (HA II im MfS/Abt. II der BV), in: Reinhard Grimmer, Willi Opitz und Wolfgang Schwanitz (Hrsg.), Die Sicherheit. Zur Abwehrarbeit des MfS Bd. 1 (3. Auflage, Berlin 2003), S. 431-559. 140 Müller-Enbergs, Helmut u.a. (Hrsg.), Wer war wer in der DDR? Ein Lexikon ostdeutscher Biografien. Bd. 2 (4. Auflage, Berlin 2006). Müller-Enbergs, Helmut, Inoffizielle Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit, Bd. 1 Richtlinien und Durchführungsbestimmungen (Berlin 1996). Muth, Ingrid, Die DDR-Auβenpolitik 1949-1972. Inhalte, Strukturen, Mechanismen (Berlin 2000). Naimark, Norman M., The Russians in Germany. A history of the Soviet zone of occupation, 1945-1949 (Cambridge u.a.1995). Poidevin, Raymond und Jacques Bariéty, Frankreich und Deutschland. Die Geschichte ihrer Beziehungen 1815-1975 (München 1982). Schmalenbach, Kaspar, Flucht ins Leben. Erlebnisbericht aus Vietnam (Pöβneck 1954). Scholtyseck, Joachim, Die Auβenpolitik der DDR (München 2003). Schroeder, Klaus, Der SED-Staat. Geschichte und Strukturen der DDR (München 1998). Schütte, Heinz, Zwischen den Fronten. Deutsche und österreichische Überläufer zum Viet Minh (Berlin 2006). Schwarz, Siegfried, „Das Verhältnis der DDR zur westeuropäischen Integration. Phasen zur Wahrnehmung – Umdenken – Annäherung an die Realität (1950-1990), in: Heiner Timmermann (Hrsg.), Die DDR in Deutschland. Ein Rückblick auf 50 Jahre (Berlin 2001), S. 139-157. Schwarz, Siegfried, „Die Deutschland Problematik im internationalen Kontext“, in: Clemens Burrichter, Detlef Nakath und Gerd-Rüdiger Stephan (Hrsg.), Deutsche Geschichte von 1945 bis 2000. Gesellschaft – Staat – Politik. Ein Handbuch (Berlin 2006), S. 181-216. Siebenmorgen, Peter, Staatssicherheit der DDR. Der Westen im Fadenkreuz der Stasi (Berlin 1993). Stage, Werner, Hông Chi. Vom Legionär zum Vietnamoi. Erlebnisbericht des ehemaligen Fremdenlegionär 51484 (Ostberlin 1955). Steiniger, Rolf, Deutsche Geschichte seit 1945. Darstellung und Dokumente in vier Bänden, Bd. 2 1948-1955 (Frankfurt am Main 1996). Vollnhals, Clemens, „Das Ministerium für Staatssicherheit. Ein Instrument totaler Herrschaftsausübung“, in: Hartmut Kaelbe, Jürgen Kocka und Hartmut Zwahr (Hrsg.), Sozialgeschichte der DDR (Stuttgart 1994), S. 498-518. Weber, Hermann, Geschichte der DDR (2. Auflage; München 2000). Weber, Hermann, DDR. Grundriβ der Geschichte 1945-1990 (Hannover 1991). 141 Wentker, Hermann, Auβenpolitik im engen Grenzen. Die DDR im internationalen System 1949-1989 (München 2007). Wentker, Hermann, „Die gesamtdeutsche Systemkonkurrenz und die durchlässige innerdeutsche Grenze. Herausforderung und Aktionsrahmen für die DDR in den Fünfziger Jahren“, in: Dierk Hoffmann, Michael Schwartz, Hermann Wentker (Hrsg.), Vor dem Mauerbau (München 2003), S. 59-77. Periodika Die Tägliche Rundschau. Zeitung für Politik, Wirtschaft und Kultur, Ost-Berlin, Jahrgang 1951-1954. Die Tribüne. Organ des Bundesvorstandes des FDGB, Ost-Berlin, Jahrgang 1951-1954. Die Junge Welt. Zentralorgan der Freien Deutschen Jugend, Ost-Berlin, Jahrgang 1951-1954. Neues Deutschland. Zentralorgan der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Ost-Berlin, Jahrgang 1951-1954. Waffenbrüder – Kampforgan der Deutschen im Dienste Viet-nams, Jahrgang 1948. Quellen Bundesarchiv, Berlin DO I Ministerium des Innern Bd. 8443 Bd. 9125 Bd. 9130 Bd. 9131 Bd. 9132 Bd. 9141 Bd. 9142 Bd. 9143 Bd. 9139 Bd. 13963 Bd. 15861 142 DC 9 Presseamt beim Vorsitzenden des Ministerrates der DDR 1952-1990 Bd. 327 Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv (SAPMO-BArch), Berlin DY 24 Freie Deutsche Jugend (FDJ) Bd. 3691 Bd. 2406 DY 30 Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) Bd. IV 2-391 Bd. J IV 2/2 J-97 DY 34 Freier Deutscher Gewerkschaftsbund (FDGB) Bd. 257 Bd. 5498 Bd. 5815 Bd. 5531 Bd. 5532 Bd. 21845 NY 4182 Nachlass Walter Ulbricht Bd. 1269 Bd. 1270 NY 4036 Nachlass Wilhelm Pieck Bd. 712 Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes (Pol.Arch.AA), Berlin Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten Bd. 1054 143 Bd. A 8299 Bd. A 8324 Bd. A 8678 Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes (BStU), Berlin Zentralarchiv des Ministeriums für Staatsicherheit MfS 511/62, Bd. 2 MfS 511/62, Bd. 3 MfS 511/62, Bd. 4 MfS 511/62, Bd. 5 MfS 511/62, Bd. 7 MfS 511/62, Bd. 10 MfS 511/62, Bd. 11 MfS 511/62, Bd. 12 MfS 511/62, Bd. 14 MfS 511/62, Bd. 16-II MfS 511/62, Bd. 19 MfS 511/62, Bd. 20 MfS 511/62, Bd. 28-I MfS 511/62, Bd. 29 MfS 511/62, Bd. 30 Dokumenten des Ministeriums für Staatssicherheit MfS-BdL/Dok. Nr. 002066 MfS BdL/Dok. Nr. 003670 Bezirksverwaltungen des Ministeriums für Staatssicherheit MfS BVfS Cottbus Abt. II 150 MfS BVfS Cottbus Abt. II 160 144 Anhang I: Einsätze der französischen Fremdenlegion393 Datum Einsatz 1831-1882 Algerien 1835-1839 Spanien 1836-1849 Algerien 1854-1856 Krim 1859 Italien 1863-1867 Mexiko 1870-1871 Französisch-Preußischer Krieg 1871 Pariser Kommune 1881 Tunesien 1883-1897 Tonkin 1892-1894 Dahomey und Sudan 1895-1904 Madagaskar 1907-1934 Marokko 1914-1918 Erster Weltkrieg 1915-1918 Naher Osten 1925 Syrien 1939-1945 Zweiter Weltkrieg 1945-1954 Indochina 1952-1954 Tunesien 1953-1956 Marokko 1954-1962 Algerien 1956 Ägypten 1969-1970 Tschad 1978 Zaire 1982-1983 Libanon 1983-1984 Tschad 1990 Gabun 393 In: Michels, Deutsche in der Fremdenlegion 1870-1965 und Jordan, Die Geschichte der Fremdenlegion von 1831 bis heute. 145 1991 Erster Golfkrieg 1992-heute Balkan 1992-1993 Kambodscha, Somalia 1993-2003 Bosnien, Kosovo, Makedonien 1994 Ruanda 1996-1997 Kongo 2002-2007 Afghanistan 2003-2006 Irak 146 Anhang II: Deutsche in der Fremdenlegion394 Datum Zahl 1870-1895 ca. 50% (Deutsche und Elzaβ-Lothringer) 1895-1914 ca. 25% 1918 ca. 15% 1919-1933 ca. 50% 1939 ca. 20% 1945 ca. 10% 1953-1954 ca. 55% 1962 ca. 35% Ende der Sechziger Jahre ca. 20% 394 In: Michels, Deutsche in der Fremdenlegion 1870-1965, S. 332. 147 Anhang III: Der Ministerratsbeschluss vom 2.2.1950395 Erklärung der Provisorischen Regierung der Deutschen Demokratischen Republik vom 2. Februar 1950 zur Frage der Fremdenlegionäre in Vietnam Das deutsche Volk, die Deutschen des Saargebiets eingeschlossen, selbst bedrängt von angloamerikanischen und französischen Imperialisten, sieht in allen unterdrückten Völkern seine natürlichen Bundesgenossen im Kampf um die nationale Freiheit und um den Frieden. Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik erklärt daher ihre Sympathie und Freundschaft für den heldenmütigen Kampf der Demokratischen Republik Vietnam um Freiheit und nationale Unabhängigkeit. Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik stellt mit Entrüstung fest, daβ Tausende junger Deutscher durch Ausnutzung ihres Hungers und ihrer Verzweiflung, ihrer Angst vor Repressalien, nach langer Internierung in die französische Fremdenlegion gepreβt wurden. Zehntausende junger Deutscher sind bereits auf den Schlachtfeldern Vietnams gefallen, und noch Zehntausenden droht der Tod in diesem verbrecherischen Krieg der Imperialisten gegen die Volksrepublik. Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik fordert alle Deutschen, die als Fremdenlegionäre in die französische Kolonialarmee gepreβt wurden, auf, mit dem schmutzigen Krieg gegen Vietnam Schluβ zu machen und zur Volksarmee Vietnams überzugehen. So werden die zu französischen Söldnern gepreβten Deutschen nicht nur ihr eigenes Leben, sondern auch die Ehre Deutschlands retten und die Interesse der deutschen Nation in dem schweren Kampf um die Einheit und die nationale Unabhängigkeit des demokratischen Deutschland verteidigen. Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik garantiert allen deutschen Soldaten, die aus der französischen Kolonialarmee zur Volksarmee Vietnams übergehen, vollkommene Amnestie, Arbeit entsprechend ihren Wünschen und Fähigkeiten sowie berufliche Ausbildungsmöglichkeiten. Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik wird alles unternehmen, um die Heimreise dieser deutschen Soldaten zu erleichtern. Wir fordern alle deutschen Soldaten in der französischen Kolonialarmee auf: Kämpft nicht gegen den Freund des deutschen 395 In: BArch, DO I/9125. 148 Volkes, Vietnam, kommt nach Hause, kehrt zurück nach Deutschland, hier wartet auf Euch ein ehrenhaftes und sinnvolles Leben. 149 Anhang IV: Die Heimkehrer-Transporte 1951-1956 Transport Datum 396 Zahl der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre I 29.03.1951 69 Überläufer II 08.04.1952 41 Überläufer, 92 Kriegsgefangenen III 16.02.1953 28 Überläufer, 11 Kriegsgefangenen IV 13.09.1953 12 Überläufer, 2 Kriegsgefangenen V 16.08.1954 39 Überläufer, 41 Kriegsgefangenen VI 05.04.1955 357 Überläufer VII 30.01.1956 71 Überläufer Gesamtzahl der Überläufer: 617 Gesamtzahl der Kriegsgefangenen:146 396 Das Datum bezieht sich auf den Tag, an dem die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in Bischofswerda eintrafen. 150 Anhang V: Die Zahlen der republikflüchtigen deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre 1951-1956397 Rat des Bezirkes Potsdam, 22.2.1957: Zahl der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, die im Bezirk aufgenommen wurden: 41 Noch im Bezirk: 11 Die DDR illegal verlassen: 23 Aufenthaltsort unbekannt: 7 Rat des Bezirkes Dresden, 25.2.1957: Zahl der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, die im Bezirk aufgenommen wurden: 139 Noch im Bezirk: 68 Die DDR illegal verlassen: 59 Die DDR legal verlassen: 3 In andere Bezirken umgezogen: 9 Rat des Bezirkes Suhl, 23.2.1957: Zahl der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, die im Bezirk aufgenommen wurden: 27 Noch im Bezirk: 13 Die DDR illegal und legal verlassen: 9398 In anderen Bezirken umgezogen: 3 Aufenthaltsort unbekannt: 2 Rat des Bezirkes Cottbus, 30.11.1956:399 Zahl der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, die im Bezirk aufgenommen wurden: 42 Noch im Bezirk: 15 Die DDR illegal verlassen: 22 In andere Bezirken umgezogen: 4 Per Fernschreiben gemeldet aber nicht eingetroffen: 2 397 In: BArch, DO I/15861. In den Akten wird kein Unterschied zwischen den legalen und illegalen Umziehenden gemacht. 399 Es gibt ein Fehler in dieser Quelle. Während die Gesamtzahl der DDR sich auf 42 beläuft, ergibt sich ihre Aufteilung auf 43. 398 151 Rat des Bezirkes Magdeburg, 16.11.1956: Zahl der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, die im Bezirk aufgenommen wurden: 73 Noch im Bezirk: 30 Die DDR illegal verlassen: 25 Die DDR legal verlassen: 2 In andere Bezirken umgezogen: 7 Aufenthaltsort unbekannt: 6 Im Gefängnis: 2 Selbstmord begangen: 1 Rat des Bezirkes Karl-Marx-Stadt, 22.11.1956: Zahl der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, die im Bezirk aufgenommen wurden: 75 Noch im Bezirk: 40 Die DDR illegal verlassen: 19 Die DDR legal verlassen: 9 In andere Bezirken umgezogen: 7 Rat des Bezirkes Schwerin, 17.11.1958: Zahl der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, die im Bezirk aufgenommen wurden: 51 Noch im Bezirk: 22 Die DDR illegal verlassen: 24 In andere Bezirken umgezogen: 4 Im Gefängnis: 1 Rat des Bezirkes Erfurt, 14.11.1956:400 Zahl der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, die im Bezirk aufgenommen wurden: 32 Noch im Bezirk: 17 Die DDR illegal verlassen: 11 In andere Bezirken umgezogen: 2 Im Gefängnis: 1 400 Es gibt auch hier einen Fehler. Die Gesamtzahl der DDR beträgt nämlich 32, während ihre Aufteilung 31 ergibt. 152 Rat des Bezirkes Frankfurt Oder, 15.11.1956: Zahl der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, die im Bezirk aufgenommen wurden: 44 Noch im Bezirk: 21 Die DDR illegal verlassen: 19 Die DDR legal verlassen: 2 Verstorben: 2 Rat des Bezirkes Neubrandenburg, 6.12.1956: Zahl der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, die im Bezirk aufgenommen wurden: 49 Noch im Bezirk: 17 Die DDR illegal verlassen: 25 In andere Bezirken umgezogen: 7 Rat des Bezirkes Rostock, 19.11.1956: Zahl der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, die im Bezirk aufgenommen wurden: 33 Noch im Bezirk: 14 Die DDR illegal verlassen: 16 In andere Bezirken umgezogen: 3 Rat des Bezirkes Halle, 13.11.1956: Zahl der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, die im Bezirk aufgenommen wurden: 70 Noch im Bezirk: 32 Die DDR illegal verlassen: 27 In andere Bezirken umgezogen: 11 Rat des Bezirkes Leipzig, 14.11.1956: Zahl der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, die im Bezirk aufgenommen wurden: 60 Noch im Bezirk: 31 Die DDR illegal verlassen: 19 In andere Bezirken umgezogen: 10 Rat des Bezirkes Gera, 13.11.1956: Zahl der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, die im Bezirk aufgenommen wurden: 27 153 Noch im Bezirk: 14 Die DDR illegal verlassen: 8 Die DDR legal verlassen: 1 In andere Bezirken umgezogen: 3 Im Gefängnis: 1 Gesamtzahl der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in den Bezirken: 763 Von denen republikflüchtig: 306 154 Anhang VI: Organigramm der HA II des Ministeriums für Staatssicherheit im Jahre 1958401 401 In: Labrenz-Weiβ, Die Hauptabteilung II, S. 39. 155