UNSERE BATTERIE (7./AR 262) IM OSTEN Vorwort Diese Zeilen sind unseren toten und vermißten Kameraden gewidmet. jenen, die im Kampfe ehrenvoll gefallen, in einem Lazarett oder in der Heimat gestorben sind, und jenen, die ein unerforschliches Schicksal in einer unbekannten Ferne verwehen ließ. Sie wurden aber auch für die Lebenden geschrieben, auf daß diese nie vergessen mögen, wie schwer die bitteren Jahre des zweiten Weltkrieges für uns alle gewesen sind. Das Kriegsgeschick hat uns mit unserer Batterie in die unendlichen weiten Rußlands geworfen; führte uns zuerst von Sieg zu Sieg, um uns dann umso tiefer in einen fürchterlichen Abgrund hinabzuschleudern. Hekatomben von Opfern hat dieser wahnwitzige Krieg verschlungen und an Menschen und Sachgütern unermeßliche Werte vernichtet. Und wenn wir heute all überall auf Trümmern stehen, so müssen uns diese, solange wir nur leben, ein Fanal zur Umkehr sein. Darum soll die Schilderung unseres Einsatzes im Osten keine Verherrlichung des Krieges, sondern eine unbedingte Ablehnung sein. Sie soll lediglich in schlichten Worten wahrheitsgetreu aufzeigen, was wir erlebt und empfunden haben, als uns ein unerbittlicher Befehl zwang, uns mit der Waffe in der Hand zu wehren. Die Geschichte wird dereinst ihr gerechtes Urteil über uns fällen, und niemand wird sich diesem Spruch entziehen können. Wir haben unsere Pflicht erfüllt, weil wir sie erfüllen mußten! Über allem aber steht als leuchtendes Symbol unsere vorbildliche Kameradschaft, die und in den schlimmsten Tagen und hoffnungslosesten Situationen genau so innig verband, wie in den wenigen schonen Tagen des vergangenen Krieges. Darum sollen diese Zeilen gleich: zeitig auch Künder dieser Kameradschaft sein. Dieses in schwerster Zeit fest geknüpfte Band der Kameradschaft hat den Krieg überdauert - es soll uns auch fernerhin umschlingen, bis auch unser Loben ausgelöscht sein wird. Unseren toten und vermißten Kameraden aber wollen wir in unseren Herzen ein unvergängliches Denkmal der Treue setzen. So möge diese Denkschrift kein Abschluß, sondern der Beginn eines neuen Lebens für uns alle sein! Ferry Haidner Der Ostfeldzug Ende August 1940 Abschied von Saarburg In den letzten Augusttagen des Jahres 1940 wurde es für uns zur sicheren Gewißheit, daß unser Aufenthalt in Lothringen seinem Ende zuging. Manche liebe Erinnerung blieb in der kleinen Stadt an der Saar zurück, als wir A schied nehmen mußten, um einem neuen Befehl Folge zu leisten. Die Verlegung kam ganz unerwartet und loste einige Beunruhigung aus, weil ein großer Teil der Batterie; angehörigen auf Urlaub war. Trotzdem klappte letzten Endes aber doch wieder alles und die Batterie konnte mit allem Drum und Dran verladen werden. Über das eigentliche Ziel " wußte niemand Bescheid. Die militärischen Notwendigkeiten erforderten diese Verschleierungen. Nur ungern trennten wir uns von Saarburg da und ein unbestimmtes Gefühl sagte, daß alles, was jetzt kommen sollte, schwerer sein wird als alles Vorherige. Doch wer frug um unsere Meinung? Anfangs September 1940 In Schlesien Louisdor und Lorenzberg Nach abwechslungsreicher Bahnfahrt ins Ungewisse - die Batterie erhielt während der Fahrt immer nur für eine Etappe das Marschziel bekanntgegeben - landeten wir schließlich im Kreis Strehlenin Schlesien, wo die Batterie auf zwei nebeneinander liegende Dörfer verteilt wurde; Louisdorf und Lorenzberg. Wenige Tage nach unserer Ankunft wurden bereits größere Umgruppierungen vorgenommen. Aus dem Abteilungsverband schied die 8.Batteri zur Gänze aus und wurde einer neuaufgestellten Division zugeteilt. Von unserer und der 9.Batterie wurden je ein Drittel der Laute ausgeschieden und zu einer neu aufzustellenden 8.Batterie zusammengezogen. Das fehlende Drittel in jeder Einheit wurde durch neue Mannschaftszuweisungen vom Ersatztruppenteil in der Heimat ergänzt. Wir machten uns darüber unsere eigenen Gedenken, tappten aber trotzdem über die wahren Absichten der Führung im Dunkeln. In den Befehlen, die uns vorgelesen wurden, stand, daß die Verlegung nach Schlesien lediglich aus vorsorgungstechnischen Gründen erfolgt sei, weil in Schlesien die Truppe besser versorgt werden kann als in Frankreich. Es blieb uns nichts anderes übrig, als diese Begründung vorläufig hinzunehmen. Mitte bis Ende September 1940 Die Engländer verstärkten im Monat September ihre Luftangriffe auf deutsche Städte. Unter anderem griffen sie in der Nacht zum 21.September Heidelberg an und bombardierten auch das herrliche Barockschloß in Bruchsal, das wir anläßlich unseres Aufenthaltes in Gochsheim bewundern konnten. Als Vergeltung gegen diese Angriffe wurden von der deutschen Luftwaffe ebenfalls in stärkerem Ausmaß Bombardierungen in England durchgeführt. Während der ersten Zeit unseres schlesischen Aufenthaltes regnete es fast jeden Tag. Mit dem Regen kamen auch die ersten Herbstgedanken. Für uns ganz unvorstellbar waren die sozialen Verhältnisse in Schlesien, vor allem der Landbevölkerung, die von den Gutsbesitzern ungeheuerlich ausgebeutet wurde. Am 27.September erfuhr die Welt den Abschluß des Dreimächtepaktes zwischen Deutschland, Italien und Japan. Für uns selbst war dieser Tag deswegen bedeutungsvoll, weil wir 22 neue Kameraden aus der Heimat zugewiesen erhielten. Der Großteil von ihnen waren schon ältere Jahrgänge, die erst vor kurzer Zeit einberufen worden waren. Und noch eine Änderung in unserer Abteilung stimmte uns teils trübe, teils freudig. Major Kühlmann, unser Abteilungskommandeur, verließ die Abteilung. An seiner Stelle übernahm unser Chef, Hauptmann Möller, die Führung der Abteilung. Nur ungern sahen wir unseren bewährten Batteriechef scheiden, der uns während des ganzen Westfeldzuges bester Kamerad gewesen ist; freuten uns aber trotzdem, daß er nun Kommandeur geworden war. Vorläufig wurde Oberleutnant Butz unser Batterieführer. Doch bereits am 29.september wurde Oblt. Butz zur Artillerieschule nach Jüterbog versetzt und unser neuer Chef wurde Leutnant Pammler, ein junger und netter Offizier, der sich bald alle Sympathien errungen hatte. 1. - 14.Oktober 1940 Die Umstellungen innerhalb unserer Abteilung nahmen unsere ganze Zeit in Anspruch. Dazwischen regnete es ohne Unterlaß und wir versanken im Kot. Anfangs Oktober wurden die Jahrgänge 1907 und älter von der kämpfenden Truppe herausgezogen und zu den rückwärtigen Teilen der Division versetzt. Das deutete darauf hin, daß die Truppe verjüngt und kampffähiger gemacht werden sollte. Wir sahen das alles mit gemischten Gefühlen an. Es tat uns aufrichtig leid, unsere gute Kameradschaft empfindlich gestört zu sehen. Die älteren Kameraden gingen auch nur widerwillig von der Batterie weg. Soldatenschicksal ! Ehe sie scheiden mußten, vereinigte uns noch ein Abschiedsabend. im Gasthaus Reichelt in Louisdorf, bei dem aber keine rechte Stimmung aufkommen wollte. Am 4.Oktober trafen wieder 27 neue Ersatzleute bei der Batterie ein. Hitler und Mussolini hatten am gleichen Tage eine Zusammenkunft am Brenner. Gerüchte von einer Verlegung der ganzen Abteilung nach Neisse tauchten auf, die sich in der Folge als Wahrheit herausstellten. Am 15.Qktober sollte die Verlegung durchgeführt werden. Wir erhofften uns davon eine Befreiung von der Eintönigkeit in den ärmlichen Dörfern. Bald erfaßte alle das "Reisefieber ll und wir freuten uns schon sehr auf den neuen Standort. Am 13.Oktober erfuhren wir durch den Rundfunk, daß deutsche Truppen in Rumänien eingerückt seien. Tags darauf wurde ganzen Tag gepackt und die Batterie marschbereit gemacht. Keiner der Kameraden bedauerte den Abschied von Louisdorf und Lorenzberg, wo es so viel Kot und wenig Freude gab. Aber auch bei dieser Verlegung kam es uns wieder so recht zum Bewußtsein. daß wir eigentlich nichts anderes waren als Zigeuner - nirgends zuhause, kaum wo ein wenig eingelebt, ging es schon wieder dahin ins Ungewiße. Neisse 15.Oktober - 31.Oktober 1940 Um 6 Uhr früh des 15.Oktober marschierten wir von Lorenzberg nach Neisse ab. Es wurde ein strahlender Herbsttag. Je weiter wir nach Süden kamen, desto schöner wurde auch die Landschaft. Links und rechts der schnurgeraden Asphaltstraße grüßten uns liebliche Dörfer. Die Gegend hatte eine sehr große Ähnlichkeit mit der Landschaft in Lothringen und Nordfrankreich. Neisse selbst machte auf uns gleich von Anbeginn einen guten Eindruck. Die schöne oberschlesische Stadt beherbergte uns in den nächsten Monaten gastfreundlich. Als wir auch von ihr scheiden mussten, blieben dort unsere letzten schönen Erinnerungen vor dem groß8n schauerlichen Drama im Osten zurück. Die Unterbringung sollte für die ganze Abteilung in der am Stadtrand gelegenen neu erbauten Clausewitz - Kaserne erfolgen. Nachdem die Kaserne aber vorläufig noch mit anderen Truppen belegt war, wurde die Batterie in zwei Gasthaussälen provisorisch untergebracht. Die Schreibstube befand sich im Heim der Hitlerjugend. Am 16.Oktober erhielt unsere Batterie wieder einen neuen Chef. Leutnant Getzen, ein alter österreichischer Soldat, wurde von nun ab unser Führer. Wenn auch er in den folgenden schweren Monaten ebenfalls unser bester Kamerad geworden ist, so setzte er damit nur die Tradition Möllerfort. Auch er hat damit bewiesen, daß die österreichische Art gegenüber der "zackigen" Auffassung fuhr uns die bessere war. Lt. Pammler blieb gleichfalls bei der Batterie und wurde Batterieoffizier. Tags darauf rückten 41 junge Rekruten zu uns ein, die bei uns ihre Grundausbildung erhalten sollten. Gleich: zeitig erfreute uns ein Befehl, nach dem bis zum April 1941 jeder Mann noch einmal drei Wochen Heimaturlaub erhalten sollte. So freudig diese Nachricht aufgenommen wurde, so sehr zeigte sie uns auch, daß große Ereignisse vor uns lagen. Mit Hochdruck begann nun die Ausbildung der Batterie, um sie wieder schlagkräftig zusammenzuschweißen. Die Freizeit wurde in der an Vergnügungen so reichen Stadt gehörig ausgenützt. In Neisse und Umgebung wimmelte es von Militär. Die Bevölkerung war uns gegenüber sehr gastfreundlich und entgegenkommend. Der 26.Oktober brachte uns den ersten Schnee. Drei Tage später begann der Kampf um den Balkan. Griechenland stellte sich eindeutig auf die Seite Englands. Italien richtete an die griechische Regierung eine Note und marschierte sodann in Griechenland ein. Wir verfolgten diese Entwicklung mit großem Interesse, konnten uns aber über die näheren zusammenhänge kein rechtes Bild machen. Am 30.Oktober verließen 17 alte und bewährte Kameraden die Batterie, weil sie über die Wintermonate als Facharbeiter für die Rüstungsindustrie in der Heimat eingesetzt wurden. 1. - 15.November 1940 Unser Regimentskommandeur, Oberst Scholtz besichtigte am 2.November die Batterie. Es herrschte der übliche Besichtigungsrummel. Alles ging zur Zufriedenheit des Kommandeurs vor sich. Am 7.November wählte Amerika mit einer Mehrheit von 4 Millionen Stimmen Roosevelt zum Präsidenten. Genau vor einem Jahr hatten wir am Hochstellerhof in der Pfalz unsere Feuertaufe erhalten. Ganz unerwartet erschien am 8.November unser Divisionskommandeur, Generalleutnant Theisen, zu einer Besichtigung. Trotz der unangemeldeten Inspizierung ergab sich kein Anstand, so daß unsere sämtlichen Vorgesetzten freundliche Gesichter machten und wir nur Lob ernteten. Wie immer in Zeiten der Ruhe, tauchten auch in Neisse in regelmäßigen Abständen die unmöglichsten Latrinengerüchte oder "Walzen" auf. Es gab bald kein Land mehr in Europa, wohin wir nach diesen Gerüchten nicht hätten kommen sollen. Der 10.November brachte der Welt eine große Sensation. Dor russische Außenminister Molotow war in Berlin eingetroffen und wurde mit seiner Begleitung feierlich empfangen. Die ganze Welt atmete bei dieser Nachricht sichtbar auf. Wenn Deutschland und Rußland zu einer Verständigung kamen, dann waren alle Bedrückungen, die uns die letzten Wochen so befangen machten, weg. Aber es folgte nur zu bald eine schreckliche Ernüchterung. Schon am 15.November war Molotow ganz plötzlich aus Berlin abgereist. Die amtliche Verlautbarung sprach zwar von einer Übereinstimmung, wir aber sahen die Dinge so, wie sie später leider Wirklichkeit geworden sind. Die letzte Chance für Deutschland war vergeben! Von jetzt ab stand riesengroß und drohend Russland als unser Feind im Osten. 16. - 30.November 1940 Die englische Luftwaffe hatte vor einigen Tagen München schwer bombardiert. Am l6.November wurde im Rundfunk die Zerstörung der englischen Stadt Coventry durch deutsche Bomberverbände bekanntgegeben. Während in diesen grauen Novembertagen eine Reihe von prominenten Diplomaten nach Berlin kam und die politischen Spannungen immer größer wurden, ging bei uns die Ausbildung in gleichförmigem Trott weiter. Am 20.November trat Ungarn dem Dreimächtepakt bei Die Front gegen die Sowjetunion wurde Schritt für Schritt verstärkt. Auf Ungarn folgte Rumänien, das gleichfalls dem Dreierpakt beitrat. Kurz darauf auch die Slowakei. Dazwischen bombardierte unsere Luftwaffe pausenlos England und steigerte diese Angriffe immer mehr. Ein Teil unserer alten Mannschaft und die Rekruten fuhren am 28.November zu einem Belehrungsschießen sm Truppenübungsplatz Neuhammer bei Breslau. 1. - 15. Dezember 1940 In den ersten Dezembertagen gab es schon empfindlichen Frost. Unsere Kameraden kamen daher recht ausgefroren am 3.Dezember aus Neuhammer zurück. Der Barbaratag am 4.Dezember wurde bei uns am nächsten Tag gefeiert. Im großen Saal des Gasthauses "Wappenhof" war am 5.Dezember die gesamte Batterie zu Ehren der hl. Barbara, der Schutzpatronin der Artillerie, versammelt. Zur Feier des Tages schlachteten wir eines von unseren zwei Schweinen, die wir schon längere Zeit gefüttert hatten. Einige gemütliche Stunden vereinigten unseren ganzen Haufen. Der angekündigte Dreiwochen-Urlaub wurde tat: sächlich gewährt und am 8.Dezember fuhren die ersten Urlauber bereits in die Heimat. Nach wie vor lag die Ungewißheit über die nächste Zukunft vor uns. Bald ging auch dieses Jahr wieder zu Ende, ohne daß die erwartete Entscheidung fallen sollte. Im Gegenteil - die Lage war in den letzten Dezembertagen völlig ungeklärt, zumindest schien es uns so. 16. - 31.Dezember 1940 Weihnachten kam heran und wurde von jenen Kameraden, die nicht das Glück hatten, in Urlaub fahren zu können, gemütlich gefeiert. In diesem Stadium des Krieges war die Versorgung ja noch immer zufriedenstellend, so daß die Liebesgabenpakete von daheim wieder sehr zahlreich nach Schlesien kamen. Im "Wappenhof" wurde am 23.Dezember eine Batterieweihnachtsfeierveranstaltet, die sehr schön verlief. Sie war die letzte dieser friedlichen Art, ehe uns der erbarmungslose Krieg nach Osten jagte. Am Silvesterabend gab es reichlich "Geist" und die Stimmung zum Jahreswechsel war sehr ausgelassen, Die Gedanken wanderten ein Jahr zurück, wo wir im Vorfeld des Westwalls lagen. Vor uns befand sich damals dos stolze Festungswerk der Franzosen - die Maginotlinie. Die Front war in Eis und Schnee erstarrt und niemand von uns hatte eine klare Vorstellung, wie der weitere Verlauf des Krieges abrollen würde, Mancher unserer damaligen Kameraden stand zu Beginn des Jahres 1941 auf anderen Posten als vor einem Jahr. Trotzdem umschlang auch weiter das unzerreißbare Band unserer treuen Kameradschaft unser Schicksal. Wir gingen mit einer frohen Hoffnung in das werdende Jahr, von dem wir uns den Sieg und die Rückkehr in die Heimat erhofften. Es kamen aber noch andere Weihnachten und bitterere Silvesterabende als die von 1940, wie alles anders kam, als wir es uns gedacht hatten. 1. - 31.Jänner 1941 Für unsere Rekruten, die bisher in Gasthäusern untergebracht waren, erhielten wir schon im Dezember eine Holzbaracke zugewiesen, die wir selbst aufstellten. Im Jänner konnten wir dann aber doch in die schon ursprünglich für uns in Aussicht genommene Clausewitz-Kaserne einziehen, wo die gesamte Abteilung ihr Quartier fand. Die Unterbringung war dort sehr gut, da die Kaserne ganz modern eingerichtet war. Für die weitere Ausbildung eignete sich die Kaserne ebenfalls bedeutend besser, als die getrennten Quartiere. Besonderes brachte uns der Jänner nichts. Der Winter war in Schlesien sehr streng und wir verspürten in Neisse bereits einen Hauch des kalten Ostens. Die Batterie zeigte ein schönes Zusammenarbeiten, nachdem sich unsere Jungen bald in den Kameradenkreis eingefügt hatten und sehr aufnahmefreudig waren. Welche Absichten mit uns bestanden, wußten wir noch immer nicht. Lediglich Vermutungen wurden besprochen. Je weiter aber das Jahr vorwärtsschritt, desto mehr häuften sich die Meinungen, daß mit Rußland etwas nicht stimme. 1. - 28.Februar 1941 Auch der Februar verging ohne größere Entscheidungen. Der Kampf gegen England in der Luft ging weiter. Mit einiger Besorgnis verfolgten wir die immer stärker werdenden Angriffe der feindlichen Luftwaffen auf das Reichsgebiet. Ansonsten wurde nach einem bestimmten Plan weiter ausgebildet und wir "alten Hasen" wußten genau, daß dies nur einen Angriff zum Ziele haben konnte. Die Batterie war Ende Februar schon gut durchgebildet und einsatzfähig. 1.März - 2.April 1941 In den ersten Märztagen kamen Befehle zu einer größeren Marsch- und Einsatzübung, die am Truppenübungsplatz Wischau bei Brünn durchgeführt werden sollte. Mit emsiger Eile wurde für diesen Marsch gerüstet. Es war noch ziemlich kalt, als der größte Teil der Batterie von Neisse abmarschierte. In der Kaserne blieb nur ein kleiner Teil der Pferde und einige Mann zurück. Diese Übung war der Abschluß der gesamten Ausbildung. Und als die Batterie zurückkam, war es bereits sicher, daß unser Bleiben im schönen Neisse zu Ende ging. Die ganze Division sollte etappenweise im Fußmarsch nach Polenverlegt werden. Jetzt wußten wir, daß unsere nächste Aufgabe im Osten lag. Nur schweren Herzens fanden wir uns mit dieser Tatsache ab. Die paar Monate in Schlesien waren die letzten schönen Erinnerungen, ehe uns die unendlichen Weiten im Osten verschlangen und zermalmten. Hatten wir auch noch immer keine Vorstellung, was unser harrte, so wußten wir immerhin schon um die Armseligkeit, die vor uns lag. Soldaten hatten aber wenig Zeit, sieh ihren Gefühlen und Gedanken hinzugeben. Da stand der Befehl und die Notwendigkeit zu gehorchen. Das persönliche Ich mußte ausgeschaltet werden. Das alles lag auch im System, das uns nur als Ziffern gelten ließ, begründet. Der Marsch nach dem Osten I n Pol e n Lipnica Dolna. 3.April - Anfang Mai 1941 Die schöne Zeit in Neisse war also zu Ende. Am 3. April 1941 begannen wir unseren Marsch nach Osten ins Ungewiße. Doch keiner ließ es sich anmerken, was er dachte oder fühlte. Die feste Kameradschaft band uns zusammen und vieles wurde dadurch Ieichter genommen als es tatsächlich war. Jeder Tag aber festigte unsere Überzeugung, daß wir einer großen, gewaltigen Entscheidung entgegenmarschierten, in der Sieg oder Niederlage verborgen war. Damals glaubten wir noch an den unbedingten Sieg. Nach Ratibor verließen wir den Boden der Heimat und befanden uns nun im Generalgouvernement. Zum erstenmal betraten wir polnischen Boden. Die Gegend, durch die wir zogen, war landschaftlich noch immer reizvoll, wie auch die Straßen schön angelegt und teilweise sogar asphaltiert waren. Ohne Zwischenfall ging es in Etappen immer weiter ostwärts. Unser erster Bereitstellungsraum war Neu-Sandez, wo wir nordwestlich davon einige Zeit bleiben sollten. Während des Anmarsches erreichte uns die Nachricht vom Beginn des Balkanfeldzuges. Die Kriegsmaschine lief weiter und weiter. Rußland bezog dabei schon eine klare Stellung gegen Deutschland und zeigte dadurch der Welt und uns, wohin die Zukunft drängte. Nach einer Woche Fußmarsch, teilweise noch bei gelegentlichen Schneeschauern, war unser erstes Ziel erreicht. Die Abteilung selbst lag mit der Stabsbatterie im Dorf Lipnica Murowana, während wir in Lipnica Dolna untergebracht wurden. Die 8.Batterielag südlich davon Rajbrot und die 9. östlich von uns in Tworkowa. Vorkommandos aller Einheiten waren schon eine Woche vorher von Neisse aus vorausgefahren und hatten die Quartiere vorbereitet. Ein Teil unserer Leute belegte die Schule, ein anderer Teil hauste in Privat quartieren. Diese erste Unterbringung zeigte uns schon mit aller Deutlichkeit, was uns noch bevorstand. Armselige Hütten nahmen uns auf. Die Bevölkerung war arm, aber uns Österreichern gegenüber nicht unfreundlich. Viele der älteren Männer erinnerten sich noch der Zeiten, wo sie bei der alten k.u.k. Armee im ersten Weltkrieg gedient hatten, da ja Polen damals zur Österreichisch - Ungarischen Monarchie gehörte, Das Dorf Lipnica Dolna lag links und rechts der einzigen Straße, die in West-Ost-Richtung verlief. Beiderseitig der Straße stiegen Hügel auf, auf denen die einzelnen strohgedeckten Hütten standen. Das Land ringsum war fruchtbarer Ackerboden. Südlich grüßten uns die Kämme der Beskiden. Während unseres Aufenthaltes wurde die Batterie weiterhin marschmäßig verbessert und wartete weitere Befehle ab, Der Dreiwochen-Urlaub war programmgemäß beendet worden. Inzwischen überrannten deutsche Verbände den Balkan und schufen damit eine neue Basis für den Ostkrieg, mit dessen sicherem Ausbruch wir in kürzester Zeit rechneten. Und als der April auch zu Ende ging, war es wieder einmal zum Weitermarsch reif geworden. Januschkowitze Anfang Mai - Anfang Juni 1941 An einem der ersten Maitage verließen wir Lipnica Dolna. Die Batterie stand schon marschbereit, als die Ende Oktober als Rüstungsarbeiter beurlaubten Kameraden aus der Heimat zurückkehrten. Dann begannen wir wieder zu marschieren. Wie auf einem Schachbrett die Figuren wurden enorme Truppenmassen in Polen konzentriert und verschoben. Bei Zakliczyn überschritten wir den Dunajec. Immer weiter schoben wir uns Tag für Tag nach Osten, unserem nächsten Bereitstellungsraum. entgegen. Die Straßen waren noch annehmbar, wenn uns auch das polnische Land schon sehr beeindruckte. Die Dörfer blieben sich gleich und unterschieden sich untereinander nur wenig. Die strohgedeckten, schon außen sehr armselig aussehenden Hütten waren in der Mehrzahl. Mit Pelzmützen auf den Köpfen die Männer und in Kopftüchern eingehüllt die Frauen, betrachteten die Polen neugierig den Vorbeizug des deutschen Heeres. Wir kamen durch Siemiechow, Jodlowka, Olpiny, Swiecany in die Stadt Jaslo, einer typischen polnischen Kleinstaat. Es gab hier und auch in den übrigen Städten, durch die wir kamen, noch allerhand zu kaufen, allerdings um sündteures Geld. Nördlich von Jaslo war der für unsere Abteilung in Aussicht genommene Raum. Der Abteilungsstab und die Stabsbatterie sowie die 9.Batterie erhielten ihre Unterkünfte in Brzostek und Klecie, während die 8.Batterie nach Gogolow und wir selbst nach Januschkowitze kamen. Das letzte Stück unseres Marschweges mußten wir im strömenden Regen dahinziehen und kamen völlig durchnäßt in den Quartieren an. Die Unterbringung unserer Pferde war in den großen Scheunen des Gutshofes kein besonderes Problem. Einige Schwierigkeiten bereiteten die Quartiere für die Leute, Das Dorf war räumlich sehr auseinandergezogen und hatte außer dem Gutshof nur wenige Bauernhütten. Es mußte daher die neue Schule, ein einstöckiges Gebäude, das noch in halbfertigem Bauzustand war, als Massenquartier herangezogen werden. Schlecht und recht konnte auch dieses Problem gelöst werden. Während des einen Monats, wo wir in Januschkowitze lagen, wurden kleinere Marschübungen im Gelände durchgeführt und ansonsten die Batterie weiterhin zusammengeschult. Jeder Tag mehr bestätigte uns, daß es gegen Rußland ging. Befehle kamen, die zwar verschleiert, aber trotzdem die harte Tatsache nicht mehr verheimlichen konnten, was uns bevorstand. Zum ersten Male erfuhren wir, daß wir die Grundbegriffe des rußischen Alphabets lernen sollten. Man sagte uns, es stände ein friedlicher Durchmarsch durch Rußland nach dem Irak bevor. Unser klarer Verstand wehrte sich aber gegen diese Annahme. Inzwischen war auch der Balkanfeldzug abgeschlossen worden. Er endete mit einem großen Sieg, schuf aber für das deutsche Volk bittere Vergeltung durch die Jugoslawen. Die Gegend, in der wir uns befanden, war ebenfalls, wie in Lipnica Dolna, fruchtbares Hügelland. Von den Höhen genoß man einen schönen Fernblick, besonders zu den Beskiden im Süden. Auf Schritt und Tritt begegneten uns ruhmvolle Erinnerungen an den ersten Weltkrieg. Wir standen in Friedhöfen an den Gräbern der österreichischen und rußischen Soldaten, die friedlich nebeneinander ihren letzten Schlaf ruhten. Weithin über den Raum von Gorlice, dessen Namen in die Geschichte eingegangen ist, ragten mächtige Steinkreuze hinaus in die Landschaft. Hier tobte im ersten Weltkrieg die große Durchbruchsschlacht, die damals die rußische Front ins Wanken brachte. Und jetzt standen wieder Soldaten auf diesem blutgetränkten Boden und harrten weiterer Befehle. Einmal wurde nachts überraschend Alarm gegeben. Die Batterie mußte in kürzester Zeit vollkommen marschbereit dastehen. Die Übung gelang vollkommen zur Zufriedenheit aller Vorgesetzten. Am Pfingstsonntag kam dann tatsächlich der Marschbefehl. Es ging weiter ostwärts. Jozefow Der Anmarsch Anfang Juni - 21.Juni 1941 Durch den langen Marschweg hatten wir schon genügend Übung in der feldmäßigen Bewegung erhalten, so daß es auch ohne Zwischenfall oder Verzögerung von Januschkowitze wegging. Von einem Tagesziel zum anderen wurden Vorkommandos vorausgeschickt, damit die Einquartierung der Pferde, Fahrzeuge und Mannschaften rasch vor sich gehen konnte. Noch ging ja alles friedensmäßig, wie am Schnürchen. Zuerst marschierten wir auf schönen Straßen etwas nach Nordwesten bis kurz vor Pilzno. In den Auen am linken Ufer der Wisloka schlugen wir im Freien unsere Zelte auf. Der heiße Sommertagverlockte uns nur zu bald zu einem erfrischenden Bad. Auch unsere Pferde tummelten sich wohlig im kühlen Wasser. Schon am nächsten Tag zogen wir wieder weiter. Von Pilzno aus wendeten wir uns zuerst über Parkosz nordöstlich nach Debica und von hier direkt nach Osten auf einer gut angelegten Straße. Gleich uns zogen viele andere Truppenteile in derselben Richtung. Meistens kampierten wir im Freien und schliefen in Zelten. Eine gewiße Nervosität wurde spürbar, die uns die kommenden Dinge bereits ahnen ließ. Die polnische Bevölkerung war uns gegenüber nicht unfreundlich, wie auch von unserer Seite aus korrekt vorgegangen wurde. Natürlich war Krieg und die Erfordernisse des Krieges gingen bevor. Unser Marsch führte uns über Ropczyce, Sedziszow in Richtung Rzeszow (Reichshof) Im Dorf Trzciana, westlich Rzeszow, bezog unsere Batterie für einen Tag Quartier. Von Reichshof aus zogen wir direkt nach Norden über Nowy Wies, Jasionka, Sokolow, Kamien, Jezowe nach Rudnik. Hier überschritten wir den San. Jeder Tag brachte uns weiter nach Osten. Wir sahen überall ausgebesserte Straßen, Richtungstafeln und Ausweichstellen. Man fühlte und sah eine bis ins kleinste Detail durchdachte Organisation. Die Verpflegung klappte, das Pferdefutter war da und auch die Feldpost kam uns regelmäßig nach. Bis auf die Anstrengungen der täglichen Märsche in der sommerlichen Hitze und im Staub der polnischen Straßen hätte man das alles gar nicht als Vorbereitung eines so gewaltigen Kampfes, wie er uns bevorstand, halten können. Es sah aus wie bei einem großen Manöver. Viele unserer Kameraden glaubten auch tatsächlich nicht an den Ernst der Lage. Wir sahen ja immer nur einen ganz kleinen Ausschnitt dieser Truppenbewegungen. Heute wissen wir daß in jenen Sommertagen auf allen Straßen des polnischen Landes die grauen Kolonnen gleich uns gen Osten zogen, ins Ungewisse - in den Untergang. Nach der Überschreitung des San bezogen wir unser erstes Quartier im Dorf Hucisko, von wo aus der Marsch gegen Bilgoraj mit einem eintägigen Aufenthalt in Sol weiterging. Die Straßen führten bereits durch sandgebiete, die uns schwere Anstrengungen kosteten und die uns schon einen Vorgeschmack verschafften, wie es weiter im Osten sein würde. Die armen Pferde mußten sich tüchtig anstrengen, um unsere schweren Geschütze und Fahrzeuge durchzubringen. Für die weitere Beweglichkeit waren unsere schwer gebauten Fahrzeuge ein großes Hindernis. Die Frage einer leichteren Beweglichkeit wurde immer aktueller, wollten wir nicht ganz einfach im Sand stecken bleiben. Zusätzlich zu unseren heeresüblichen Fahrzeugen wurden in den polnischen Dörfern für jede Einheit einige leichte Panjewagen mit den kleinen, beweglichen Panjepferden und je einen polnischen Fahrer angeworben, die uns in der Folge sehr gute Dienste geleistet hatten. Von Bilgoraj aus marschierten wir nach Aleksandrow, einem mehrere kilometerlangem Dorf, das sich mit seinen beiden Häuserzeilen links und rechts der Straße hinzog. Hier konnte unsere ganze Abteilung untergebracht werden. Vorher ergaben sich allerdings viele Schwierigkeiten mit der Einfahrt in die Höfe. Zu beiden Seiten der einzigen Straße lief je ein breiter Wassergraben, über die nur leichte, primitive Holzbrücken zu den Häusern führten und die für die Einfahrt unserer schweren Geschütze und Fahrzeuge ganz ungeeignet waren. Die Vorkommandos wurden aber schon vorher mit Fachleuten verstärkt, die entsprechende Übergänge schufen. Als dann in der Nacht die Abteilung ankam, gelang die Freimachung der Straße, über die ja pausenlos der Vormarsch weiterging, in kurzer Zeit. In Aleksandrow blieben wir zwei Tage. Ale wir wieder abmarschierten, war plötzlich unser Divisionskommandeur im Dorf und sah sich den Vorbeimarsch der Abteilung an. Er war mit uns zufrieden. Im Waldlager bei Jozefow Je näher wir Jozefow kamen, desto größer wurde die Zusammenballung deutscher Truppen auch für uns sichtbar. In den Wäldern war alles für die Aufnahme größerer Verbände vorbereitet. Alle Wege hatten bereits ihre Richtungstafeln, so daß jede anmarschierende Einheit unverzüglich ihren zugewiesenen Raum erhielt. Für die Pferde waren behelfsmäßige Stände geschaffen worden, während wir wieder unsere Zelte aufschlugen. Nachdem das Wetter sommerlich schön blieb, hatte dieses Kampieren im Walde immerhin einigen Reiz. Für uns ungewohnt war der tiefe Sand, aus dem der Waldboden bestand. Wir befanden uns jetzt schon ganz nahe der Demarkationslinie, hinter der bereits die russischen Truppen standen. Das große, entscheidende Ungewisse erhob sich drohend und unmittelbar vor uns. Nichts konnte die Entscheidung über Leben oder Tod mehr aufhalten. Daß dieser ganze gewaltige Aufmarsch nicht ohne Sinn und Absicht erfolgte, wußten wir, mehr noch war aber als unbestimmte Ahnung in uns. Darüber konnten uns auch die Befehle nicht mehr hinwegtäuschen, die sich krampfhaft bemühten, den nackten Tatbestand zu verschleiern. Wir standen vor unserem Gegner! Jeder Tag, jede Stunde konnte das Signal kommen, das die geballte militärische Kraft in Bewegung brachte. Aber was würde dann kommen? Vier Jahre später war auch diese Frage beantwortet, war die Bilanz gezogen, der Vorhang gefallen, das Siel zu Ende. Aber es war noch nicht so weit. Vorläufig wurden im Waldlager die letzten Vorbereitungen getroffen. Von Stunde zu Stunde stieg die Spannung. Eines Nachts wurde plötzlich die Gefechtsstaffel der 8. Batterie alarmiert und marschierte in Stellung. Der friedliche Durchmarsch durch die Sowjetunion war also ein Märchen, ein Täuschungsmanöver der Führung. Jetzt gab es für uns keine Illusionen mehr. Wir sahen klar und deutlich - Krieg mit Rußland! Jeder von uns war nur mehr ein winziges Rädchen in der gigantischen Maschinerie, die auf einen Hebeldruck aus Berlin sich in Gang setzen würde, wenn nicht im letzten Augenblick irgendetwas geschah. - Aber es geschah nichts. Der Zeiger der Uhr ging und ging. Er stand jetzt fünf Minuten vor Zwölf. Wir warteten mit klopfendem Herzen und starrten gespannt auf die Zeit, wußten um unser Schicksal und hofften trotz alledem. Und dann war es zwölf! Der Vorhang ging in die Höhe, des Menschheitsdrama das zwanzigsten Jahrhunderts nahm seinen Anfang! Der Krieg beginnt 22. Juni 1941 In den späten Abendstunden des 2l.Juni kam aus dem Führerhauptquartier der entscheidende Befehl: Morgen früh beginnt der Krieg mit Rußland! Was außer diesem einen Satz noch darinstand, waren nur mehr Worte. Damit waren die Würfel gefallen! Alles, was vorher war, wurde bedeutungslos. Nur das eine Wort "Krieg“ stand riesengroß vor uns. Der Angriff begann beim Morgengrauen. Unsere Bereit stellungsräume war bezogen, die Batterien standen feuerbereit. Heute, nach Jahren, wo alles Geschichte geworden ist, können sich unsere Gedanken von dieser entscheidenden Stunde noch immer nicht lösen. Als es Gewißheit geworden war, daß es kein Zurück mehr gibt, setzten unsere Gedanken und Gefühle wohl für einen Herzschlag aus. Dann aber waren wir nichts anderes mehr als Soldaten, die ihre beschworene Pflicht zu erfüllen hatten. Unsere Feuerstellungen befanden sich östlich Tomaszow im Raume Jarczow, wenige hundert Meter vor der russischen Demarkationslinie. Ehe noch die Sonne aufging, begannen auf die Sekunde der x-Zeit genau sämtliche Batterien ihr konzentriertes Dauerfeuer auf die russischen Räume. Gleichzeitig brausten ununterbrochen die Geschwader der deutschen Luftwaffe über unseren Häuptern nach Osten. Es war als ob sich die Schlünde der Hölle geöffnet hätten! Dann ging die Sonne auf und es wurde ein wunderbarer Sommertag. Die Protzen und Fahrzeuge standen marschbereit. Bereits in den Vormittagsstunden hatte unsere Infanterie die ersten feindlichen Stellungen eingedrückt. Auch von links und rechts kamen dieselben Meldungen. Der Russe wurde von unserem Angriff buchstäblich überrascht. Von der feindlichen Artillerie war nichts zu spüren. Auch russische Flieger zeigten sich keine. Gegen Mittag dieses entscheidenden Tages verstärkte sich aber der Widerstand des Gegners. Unsere Rohre ebneten aber bald der Infanterie den Weg zum weiteren Vordringen. In den ersten Nachmittagsstunden passierten bereits die ersten russischen Gefangenen unsere Linien, denen noch der Schrecken in allen Gliedern lagen. Inzwischen ging der ins Stocken geratene Angriff nachmittags wieder weiter. Und als der Abend sich über die brennenden Dörfer jenseits unserer Linien herniedersenkte, wurde Stellungswechsel befohlen. Im Eilmarsch ging es die ganze Nacht zum 23.Juni von Jarczow über Korchynie ostwärts nach Chodywance in Richtung BeIz. Von hier aus sollten wir mithelfen, eine russische Division einzukesseln. Dieser Nachtmarsch stellte an uns alle sehr große physische Anforderungen, da durch die notwendige Eile ohne Hast, zumeist in Trab marschiert werden mußte. Trotzdem gelang es uns nicht, den Auftrag zu erfüllen - der Gegner war schneller als wir. 23. - 26.Juni 1941 Von BeIz aus stießen wir ein Stück südöstlich bis in das Dorf Kulichkow vor, mußten dann aber wieder nach BeIz zurück. In diesem Raum trieb uns das Kriegsgeschick drei Tage umher. Kuliczkow war der erste russische Ort, den wir erreichten. Inzwischen mußte der Feind immer weiter zurückweichen. Wir nahmen die Verfolgung auf und verließen am 26.Juni Belz. 27.Juni - 1.Juli 1941 Über Ostrow zogen wir nach Krystinopol, wo der Bug die Grenze bildete. Krystinopol wurde von russischen Fliegern bereits dauernd, bombardiert und wir mußten mit allen Vorsichtsmaßregeln marschieren. Wir gelangten aber ohne Verluste durch den Ort, wendeten uns hier scharf nach Süden bis Parchacz, von wo es über den Bug weiter nach Osten ging. Bisher hatten wir noch keine direkte Feierberührung. Das Gelände wurde immer schwieriger. Wir mußten durch Sümpfe und unwegsame Waldstücke. Trotzdem erreichten wir immer wieder das vorgeschriebene Ziel. Bei Parchacz, wo wir nachts auf der Straße hielten, sahen wir die ersten abgeschossenen russischen Panzer. Dicht nebeneinander aufgefahren ereilte sie ihr Schicksal. Alle waren innen ausgebrannt. Die Fahrer und Bedienungsmannschaften hatten keine Zeit mehr, die Kampffahrzeuge zu verlassen. Bis zur Unkenntlichkeit verkohlt kauerten die Leichen noch auf ihren Sitzen. Zum ersten Mal erlebten wir das Grauen dieses mörderischen Krieges unmittelbar, das später immer noch mehr überboten werden sollte. Am 1.Juli überschritten wir den Styr. 2. – 19. Juli 1941 In zugigem Vormarsch, alle Geländeschwierigkeiten überwindend, folgten wir dem weichenden Gegner. Trotz der dauernden Bewegung gab es keinerlei Versorgungs- oder Nachschubschwierigkeiten. Die Kriegsmaschine war bis ins Kleinste vorbereitet worden und lief wie ein Uhrwerk. Wir selbst hatten bisher noch keine Verluste. Bei der Infanterie waren die Ausfälle natürlich größer. Die Verluste des Feindes betrugen jedoch ein Vielfaches der unseren. Auf unseren Vormarschwegen- und Straßen lagen zu Bergan gehäuft vernichtetes oder im Stich gelassenes Gerät, Fahrzeuge, Geschütze, Panzer und tote Pferde. Seine Verwundeten und Toten nahm der Feind mit. Über Radziechow und Kremenez, wo wir auf einer Anhöhe den wunderbaren Bau eines Klosters bewundern konnten, dessen vergoldete Dächer und Fassaden im Sonnenschein funkelten, erreichten wir am l2.Juli Polonoje und am 15. Juli Nowy Miropol. Wir befanden uns bereits in der Ukraine. Das nächste Ziel hieß Kiew! Im Festungsgurtel von Kiew erwartete unsere Führung den ersten entscheidenden Widerstand des Gegners. Wie richtig diese Annahme gewesen ist, sollte sich bald zeigen. Das Wetter begünstigte die militärischen Operationen. Ein schöner Tag reihte sich an den andern. Die ukrainische Bevölkerung, die zum größten Teil in ihren Dörfern geblieben war, empfing uns nicht unfreundlich. Trotzdem wir als Feinde in ihr Land kamen, gab sie uns freiwillig viele Beweise der Gastfreundschaft. Wir erhielten Milch, Butter und Eier als Geschenke. unser verhalten war ebenfalls entgegenkommend. Wo übergriffe vorgekommen sind, wurden sie unnachsichtlich geahndet. Die Straßenverhältnisse besserten sich zusehends, je weiter wir in Richtung Shitomir kamen. Am 18.Juli erreichten wir Trojanow. In der Nacht zum 19. marschierten wir wieder im Eiltempo von Trojanow nordöstlich über Singuri nach Shitomir. Am Stadtrand mußten wir auf der Straße halten, um eine Panzereinheit vorzulassen. In der Dunkelheit durchquerten wir die Stadt. die durch die vorausgegangenen Kämpfe ziemlich arg mitgenommen war. von hier aus ging es auf der schön angelegten Rollbahn weiter, die schnurgerade nach Kiew führte. Am 19. Juli bezogen wir in Gasinka Quartier. 20. - 21.Juli 1941 Unser Aufenthalt in Gasinka dauerte nur bis zum nächsten Morgen. Dann ging es auf der Rollbahn wieder weiter ostwärts bis Korostyschev. Von hier aus wendeten wir uns nach Norden und marschierten vorerst über Jurowka nach Radomyschl, wo wir den Teterew überschritten. Wir fußten bereits, daß wir unmittelbar vor einem größeren Einsatz standen. Der Gegner hatte westlich Kiew sehr starke Kräfte massiert, die unseren Angriff unbedingt zuhalten sollten. Dementsprechend waren auch unsere Vorbereitungen. Endlose Kolonnen aller Waffengattungen bewegten sich gleich uns ihren nächsten Bereitstellungsräumen entgegen. Die Spannung über den vor uns liegenden Einsatz stieg von Stunde zu Stunde. Feindliche Flieger machten sich in größerer Zahl unangenehm bemerkbar und versuchten unseren Aufmarsch zu stören. Alles deutete darauf hin, daß schwere Tage vor uns lagen. Am 20.Juli gelangten wir nach Krasnoborki. Die schönen, Sommertage wurden jetzt regelmäßig von ständig auftretenden schweren Gewittern unterbrochen. Zum Glück hielten die ausgiebigen Regenfälle nur ein bis zwei Stunden an, so daß unsere durchnäßten Uniformen rasch wieder trockneten. Diese fast täglich auftretenden Gewitter sind mit einer Ursache der außergewöhnlichen Fruchtbarkeit der Ukraine. Wir zogen auf unseren Märschen durch unübersehbare Kornfelder, die mit ihren schweren Ähren ein unvergeßliches Bild boten. Tragisch war, daß über dieses gesegnete Land imperialistische Eroberungslust den Krieg mit allen seinen Schrecken brachte und der große Segen durch die Kampfhandlungen fast gänzlich vernichtet wurde. Aber wer frug in diesen Tagen darnach? Viele Jahre später mußten Millionen Menschen durch diesen Fluch noch hungern. Nach Krasnoborgi gelangten wir schon in unseren neuen Einsatzraum, den wie nie mehr vergessen sollten. Der Name der kleinen ukrainischen Stadt Malin steht bis an unser Lebensende unauslöschbar in unserem Gedächtnis eingegraben. Was immer nachher auch noch kam. nichts konnte uns Malin mehr vergessen lassen! Malin 22. Juli - 1. August 1941 Von Krasnoborki marschierten wir schon gefechtsmäßig und waren darauf vorbereitet, jeden Augenblick auf den Gegner zu stoßen. Der Marsch ging über Mirtscha bis Worsowka, wo wir am 22. Juli nördlich davon unsere erste Feuerstellung in der Hölle von Malinbezogen. unmittelbar nach unserer Ankunft erhielten wir bereits Feueraufträge. Der Feind blieb die Antwort nicht schuldig und sandte uns seine Eisengrüße zurück. unsere Feuerstellung befand sich in einem Waldstück südlich von Malin. Große Schwierigkeiten machte uns der sumpfige Waldboden, der das Ausgraben von Deckungslöchern nicht zuließ. Schon nach einigen Spatenstichen kamen wir auf Grundwasser. Die russische Luftwaffe verstärkte täglich ihre Angriffe auf die einzige Straße zwischen Worsowka und Malin, über die der gesamte Nachschub rollen mußte. Unsere Batterie kam zwar bei den Fliegerangriffen glimpflich davon, dafür waren aber die Verluste anderer Einheiten beträchtlich. Verpflegung und Munition konnte nur nachts in die Stellungen gebracht werden. Trotzdem mußte der Widerstand des Feindes unter allen Umständen gebrochen werden. Gelang dies nicht, war der Marsch auf Kiew aufgehalten. Es ging daher auf beiden Seiten um ein großes Ziel. So steigerte sich von Stunde zu Stunde die Heftigkeit der Angriffe und Gegenangriffe. Als nächste Aufgabe wurde unseren Pionieren die Bildung eines Brückenkopfes über die Irscha südlich Malin, wo sich der Gegner hartnäckig verteidigte, befohlen. Ein Holdenlied müßte über die Tage von Malin geschrieben werden, wollte man diesen Einsatz richtig schildern. Tage kamen und vergingen. Wir vergaßen die Zeit und kannten nur Kampf ohne Pause. Es gab keine Ruhe und keinen Schlaf, sondern nur immerwährende Bereitschaft, Angriffe, Granatenhagel, Fliegerbomben und Abwehr. Mit ungewöhnlicher Verbissenheit wehrte sich der Gegner mit allen Kräften und kämpften wir mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln um diesen entscheidenden und wichtigen strategischen Punkt vor Kiew. Stunde um Stunde, Tag und Nacht bauten unsere braven Pioniere die Holzbrücke über die Irscha. Ohne Unterbrechung lag sie im Bombenhagel der russischen FIieger; wurde getroffen, beschädigt und sofort wieder instandgesetzt. Daneben wurde laufend der Brückenkopf mit frischem Nachschub verstärkt, stiegen unsere Verluste, wuchs aber auch unsere Verbissenheit trotzdem hier durchzukommen. Am Vormittag des 24. Juli brach plötzlich russische Infanterie in unsere Feuerstellung im Walde nordlich Worsowka ein. Zwischen unseren Kanonieren und dem Feind entspann sich ein kurzer und erbitterter Nahkampf von Mann zu Mann. Als die Russen vertrieben waren, lagen fünf tote Kameraden unserer Batterie vor uns - die ersten Toten, die wir selbst in diesem Kriege beklagen mußten; unsere Kameradenobergefreiter Willy Böhm, Gefreiter Josef Kowatschek und die Oberkanoniere Karl Dekanovsky, August Egl und Julius Stratil. Tief erschüttert standen wir am Grabe dieser trauen und guten Kameraden an Waldrand nördlich Worsowka an der Straße nach Malin. Fünf schlichte Birkenkreuze haben wir ihnen dort errichtet. Das größere Denkmal aber blieb in unseren Herzen. Unsere Feuerstellung wurde am Nachtmittag desselben Tages an die Irscha vorverlegt. Der Feind wehrte sich noch immer zäh und verbissen und belegte uns ohne Unterbrechung mit Bomben und Artilleriefeuer. Der nächste Tag brachte uns schon wieder schwere Verluste. "Durch Granatensplitter wurden die Kameraden Martin Krenn, Johann Gerhold, Johann Bachinger und Albert Paral schwer verwundet. Nach einigen Tagen starben Bachinger rund Paral, deren Tod wir genau so schmerzlich beklagten, wie den Tags vorher der ersten fünf Kameraden. Und wieder einen Tag später, am 26.Juli, wurde einer unserer zwei Zugführer, Wachtmeister Wawrowsky durch Granatsplitter so schwer verwundet, daß er am nächsten Tag am H.V.PI. in Worsowka starb, wo er auch beerdigt wurde. Er war das achte Todesopfer unserer Batterie bei Malin. Doch der Kampf Ging pausenlos weiter. Am 29.Juli erhielten die Kameraden Hentschel, Danner, Huschka, Schusters Vargas und Liedl das E.K.lI. Endlich wurde für den 1. August der Angriff auf Malin selbst befohlen. Nach stärkerer Artillerievorbereitung wurde das für uns so schicksalhafte Städtchen Malin von unserer Infanterie im Sturm genommen und der Feind nach Norden und Osten zurückgeworfen. Wir bezogen noch am gleichen Tage unsere neuen Stellungen jenseits der Bahnlinie nordostwärts Malin in der Kolonie Malindorf. Der Brückenkopf selbst blieb aber noch immer eine harte Nuß für uns, da sich der Gegner mit dem Mute der Verzweiflung zur Wehr setzte. 2. - 12. August 1941 In der Kolonie Malindorf blieben wir nur bis zum 2. August, dann machten wir Stellungswechsel noch weiter nordöstlich nach Rudnja Worobjewskaja, ohne Unterlaß feuerbereit und euer speiend. Am 4. August mußten wir nach Westen bis in den Raum Lumlja-Baranowka zurück, wo für unsere Batterie wieder eine gefährliche Situation entstand. Neuerlich mußte im Nahkampf der in unsere Feuerstellung eingebrochene Feind abgewehrt werden. Nur mit Mühe gelang es uns, die Geschütze noch aus der bedrohten Stellung herauszubringen. Von hier ging es bis in den Raum Golowki, nordwestlich Malin, zurück, wo wir bis zum 12. August verblieben. Wir wehrten uns die ganze Zeit seit dem 22. Juli um unser Leben, kannten nur unsere Pflicht bis zum Umfallen vor Müdigkeit und Erschöpfung. Hundertmal sahen wir dem Tod ins erbarmungslose Antlitz und hielten trotzdem durch. Dieser Brückenkopf War eine der letzten Schlüsselstellungen vor Kiew, und das wußten wir. Das gab uns die Kraft und den Mut, in dieser Hölle auszuharren, ohne wahnsinnig zu werden. Die drei Wochen bei Malin wurden für uns eine Ewigkeit. Aber auch sie hatte schließlich ihr Ende. Neu herangeführte Verbände losten uns ab und wir wurden aus diesem Hexenkessel herausgezogen. Taktisch gehörten wir in diesem unvergeßlichen Einsatzraum zum 60.A.K., das Generalleutnant Reinhardt führte, und das ein Bestandteil der 4. Armee unter dem Oberbefehl von Generalfeldmarschall v. Reichenau, gewesen ist. Höchster Dank und vollste Anerkennung wurde uns für diesen Einsatz ausgesprochen. Zu dem, was wir bei Malin mitgemacht hatten, waren das alles nur Worte. Von allen Bitterkeiten Nöten und Strapazen dieses Krieges aber war und bleibt der Begriff “Malin“ das Schwerste und das Unvergesslichste! Ruhe in Mirtscha 13. - 20.August 1941 In der Nacht vom 13. zum 14 August verließen wir das Kampfgebiet im Brückenkopf und marschierten auf der einzigen Straße nach Süden, in die so heiß ersehnte Ruhestellung. Unsere Batterie und der Abteilungsgefechtsstand bezogen Quartier in einem Waldstück nordwestlich Mirtscha. Im Ort selbst quartierte sich die 9.Batterie ein, die in dieser "Ruhestellung" bei einem Fliegerangriff fast 40 Pferde und einen Teil ihrer Ausrüstung verlor. Durch Bomben wurden die großen Scheunen, in denen die Pferde untergebracht waren, in Brand geworfen und brannten im Nu nieder. Wir blieben aber in unserem Wäldchen unbehelligt und genossen die paar Ruhetage zur Erholung und Auffrischung. Inzwischen gingen die Vorbereitungen zum Angriff über Malin hinaus mit Hauptziel Kiew weiter. Ehe wir uns wieder in Bewegung setzten, wurden die in Polen angeworbenen Panjefahrer in ihre Heimat entlassen. Dem Dnjepr entgegen 21. August - 3.September 1941 Am 21. August verließen wir den Raum Mirtscha und zogen gestärkt neuen Einsätzen entgegen. Unsere erste Stellung lag nordöstlich Malin. Der Feind zog sich nach dem Verlust von Malinrasch zurück und das Tempo unserer Verfolgung wurde immer schneller. Damit verkleinerte sich aber der Ring um Kiew täglich. Das Gelände war sehr schwierig zu überwinden, da sehr schlechte Straßen, die teils durch tiefen Sand, dann wieder durch Wald und Sumpfgebiet führten, unseren schweren Geschützen und Fahrzeugen große Hindernisse in den weg stellten. Und trotzdem gelangten wir stets rechtzeitig an unsere Ziele. Was damals mit übermenschlichen Anstrengungen geleistet wurde, kann nur der ermessen, der selbst mit dabei war. Unsere erste Stellung außerhalb des Brückenkopfes von Malin war am 22. August bei Nowy Worobj. Dann ging es in Eilmärschen direkt nach Osten, dem flüchtenden Feinde nach; zwar dauernd in Gefechtsberührung, doch ohne größere Aktionen. Am 23. August lagen wir am linken Ufer des Teterew bei Unin, einer sehr sumpfigen Gegend. Tags darauf über schritten wir den Teterew bei Iwankow, zogen von hier auf der einzigen Straße südöstlich bis Schpilewskaja Rudnja und wurden hier dem 35.A.K.,das ebenfalls zur 4. Armee gehörte, unterstellt. Immer mehr näherten wir uns dem Dnjepr, an dem der Feind seine Abwehr wieder zu verstärken versuchte. Es war aber alles vergeblich. Mit ungeheurer Stoßkraft warfen wir den Gegner immer weiter nach Osten, wälzte sich das deutsche Heer dem weichenden Feinde nach. Trotz schwierigstem Gelände ging es Kiew entgegen. Vom 26. - 29.August wurden wir in Talskaja Rudnja aufgehalten. Dann ging es nach Überschreitung des Sumpfgeländes beiderseits des Sawisch wieder weiter ostwärts bis Dymer. Hier machten wir eine Schwenkung nach Norden, blieben vom 30. August bis 2.september in Rowy, wo wir wieder in den Verband des 51.A.K.zurückkehrten. Unsere nächste Stellung lag am 3.September in Awdejewka Niwa. Beim Durchmarsch durch Garnostaipol mußten wir ein Geschütz und einige schwere Fahrzeuge zurücklassen, die später nachgezogen wurden. Zwischen Dnjepr und Deßna 4. - 9.September 1941 Der 4.September wurde für uns wieder ein besonderer Tag, als wir östlich Botitschi den ersten russischen Strom - den Dnjepr- überschritten, der unserem Vormarsch ebenfalls nicht aufhalten konnte. Es erfaßte uns alle ein eigenartiges Gefühl, 1s wir über die von unseren Pionieren erbaute Behelfsbrücke zogen. Wir befanden uns jetzt genau nördlich von Kiew, dessen Schicksal sich bald erfüllen mußte. Auch von den anderen Frontabschnitten im Osten erreichten uns laufend Erfolgsmeldungen, die natürlich auch für a Ansporn zum Durchhalten waren. Ostwärts des Dnjepr lernten wir eine Sumpflandschaft kennen, die wieder übermenschliche Anstrengungen zu ihrer Durchquerung erforderten. Der russische Widerstand schwächte sich von Tag zu Tag ab. Je weiter sich der Ring um Kiew Schloß, desto offensichtlicher wurde das Bestreben des Feindes, der drohenden Vollendung der Umklammerung durch schleuniges zurückweichen nach Osten zu entgehen. Umsomehr wurden aber auch wir getrieben. Und wir überwanden alles, nur von einem Gedanken beseelt - Sieg! Es wurde uns keine Ruhe gegönnt - immer weiter hieß der Befehl. Am 5. September hatten wir bereits das Befestigungswerk des Feindes entlang des Dnjepr hinter uns und bezogen in Stary Glybow kurze Rast. Die Russen hatten sich hinter die Deßna zurückgezogen, so daß uns nur die feindliche Luftwaffe etwas belästigte, ohne aber unseren weiteren Vorstoß nur im Geringsten stören zu können. Von Stary Glybow mußten wir zuerst weiter nach Norden ausweichen, um ein ausgedehntes, unpassierbares Sumpfgebiet zu umgehen. Ab Nowy Glybow ging es quer durch schwierigstes straßenloses und versumpftes Gelände bis Koßatschewka, wo wir am 6.september eintrafen. Tags darauf standen wir an der Deßna bei Morowßk. Hier leistete der Gegner neuerlich stärkeren Viderstrand. Zum erstenmal wurden wir hier Zeugen des Einsatzes unserer neuen Nebelwerfer, die einen starken Eindruck hinterließen und die die feindlichen Stellungen jenseits der Deßna unter Feuer nahmen. Wir bezogen am rechten Ufer unsere Stellungen und beteiligten uns hier ebenfalls an der Vorbereitung zum Übergang. Bis zum 9.september wurden wir im Raume Morowßk aufgehalten, dann übersetzten wir auf einer Fähre auch diesen Strom und weiter trieb uns Kampf nach Osten. Der Ring um Kiew wird geschlossen 10.- 24. September 1941 Zwei Tage blieben wir in Guta Turnanskajo. In diesem Raum sahen wir die Wirkung unserer Nebelwerfer aus der Nähe. Die feindlichen Infanteriestellungen in einem Waldstuck wurden vom Beschuß überrascht. Zu Hunderten lagen die Leichen in den Gräben und Deckungslöchern ohne sichtbare Spureiner Verletzung. Der Tod mußte sofort durch Ersticken eingetreten sein. Ein grauenhaftes Bild, das wir gleichfalls nie mehr aus unserer Erinnerung löschen können. Kurz darauf warfen russische Flieger Flugzettel mit der Drohung ab, falls wir mit denTeufelageschützen nicht aufhören, wurden sie mit Gas antworten. Zum Glück kam es aber während des ganzen Krieges zu keinem Gaseinsatz. Bei Kopti erreichten wir am 12. September die Schöne gepflasterte Rollbahn Kiew – Moskau, zogen dieser entlang ein Stuck nordwärts und kamen am 13. September über Tschhemjer nach Djershanowka. Weiter ging es ohne Rast nach Süden, um den Kessel um Kiew zu schließen. Am 14. September befanden wir uns in Nosowka, überquerten die Bahnlinie Kiew – Moskau und marschierten auf einer annehmbaren Straße bei herrlichem Sommerwetter südostwärts – weit hinter Kiew – ohne vorläufige Feindberührung. Die Massen der russischen Truppen versuchten nach Osten zu entkommen, doch wurde die einzige Durchlaßschleuße immer enger. Von Süden her kam uns bereits die dort operiende 2. Panzer-Armee unter der Führung von Generaloberst Guderian entgegen. Die Vereinigung und damit die Schließung des Ringes um Kiew war nur mehr eine Frage von Tagen. Überall steckten die Russen die auf den fruchtbaren Feldern schon zur Abfuhr liegende Ernte und die landwirtschaftlichen Maschinen in Brand. Lodernde Flammen erhellten kilometerweit die Nächte. Die Kriegsfurie raste erbarmungslos über dieses gesegnete Land und vernichtete das tägliche Brot. Der Wahnsinn feierte Orgien und gab dem Totentanz den tragischen Rahmen. Über Sztjepanowka kamen wir am 16.Jeptember nach Mokjejewka, von wo weg sich die Straßenverhältnisse wieder verschlechterten. Durch tiefen Sand kämpften wir uns Kilometer um Kilometer weiter; oft todmüde und dann doch wieder alles physische Leid überwindend nur immer das eine Ziel vor uns. Kiew muß fallen! Schon standen wir rund 100 km ostwärts Kiew. Die Schließung des Kessels war jetzt unmittelbar bevorstehend. Trotzdem wir ohne Rast und Ruh' weiterjagten, funktionierte der Nachschub fast klaglos. Wir erhielten regelmäßig unsere Verpflegung, Munition und Post. Nur einmal mußten wir einige Tage ohne Brot auskommen, dafür gab es Fleisch aus dem Lande in Hülle und Fülle. Es liefen ja genug Rinder und Schweine herrenlos herum. unsere Stimmung war zuversichtlich und wir erhofften uns nach dem Fall von Kiew eine Zeitspanne zur Erholung. Am 17.september waren wir in Prawo Showtnja. Tags darauf befand sich unser Gefechtsstand in Losowyj- Jar und abends erreichten wir bereits Bogdanowka. In diesen Tagen sollte sich auch eine organisatorische Veränderung innerhalb unserer Batterie als notwendig erweisen. Die 8.Batterie sollte teilweise motorisiert werden und wir mit der 9.Batterie zusammengeschlossen werden, um den beträchtlichen Pferdeausfall durch die Überanstrengung unserer braven vierbeinigen Kameraden auszugleichen und um darüber hinaus eine größere Beweglichkeit t zu erhalten. Als Chef war Oberleutnant Attems, der bisherige Führer der 9.Batterie ausersehen, während Leutnant Getzen für eine andere Verwendung ausersehen wurde. Unsere freudige Stimmung sank dadurch auf Null da wir zu unserem Kameraden Getzen uneingeschränktes Vertrauen gewonnen hatten. Zum Glück und zu unserer Freude dauerte dieses Zwischenspiel aber nur wenige Tage 9 dann war dieser Plan, der uns überhaupt nicht verständlich war, fallengelassen worden. Die 8.Batterie wurde zwar teilweise mot. und blieb es in Zukunft auch; doch blieben sowohl wir als auch die 9.Batterie unter ihren bisherigen Chefs bestehen. Wir alle begrüßten diese Tatsachen mit Freude. Zu diesem Zeitpunkt näherte sich die Einschließung Kiews ihrem Ende. Im Süden sahen wir schon die Leuchtzeichen der uns entgegenkommenden Südarmee. Nur mehr einige Kilometer 9 dann war die Falle geschlossen! Am 19. September waren wir in Birlowa Szloboda und noch weiter ging es nach Süden, wo in den folgenden Tagen die Vereinigung mit den uns aus Süden entgegenkommenden deutschen Verbänden erfolgte. Der Ring um Kiew war geschlossen! Einige hunderttausend Mann des Feindes sahen ihrer unentrinnbaren Gefangennahme entgegen. Unübersehbares Kriegsmaterial mußte unsere Beute werden. Das Kernstück aber blieb die Festung Kiew, die Hauptstadt der Ukraine. Als wir am 24.september unserem sicheren Sieg entgegenmarschierten, fuhr unser Divisionskommandeur, Generalleutnant Theisen, unsere Kolonnen entlang und rief uns allen zu; Kiew gefallen! Da schlugen unsere Herzen vor Stolz und Freude höher. Alle Entbehrungen, Anstrengungen und Strapazen fanden an diesem Tage ihren Lohn. Die Opfer von Malin waren also nicht umsonst gebracht. Das Rad rollte aber weiter. Wir hätten es damals nie für möglich gehalten, daß später dieser einzigartige Sieg umsonst sein würde, wie alles andere in diesem Kriege auch. Kein Raum blieb für so etwas in unseren Herzen, da gleichzeitig auch von allen anderen Fronten nur einzigartige Siege gemeldet wurden. So führte uns das Kriegsglück weiteren Höhen entgegen, um uns dann desto tiefer in einen fürchterlichen Abgrund hinabzustoßen, in dem schließlich Groß-Deutschland untergehen mußte. Dem schrecklichsten Winter entgegen 25. September - 5.Oktober 1941 Die Erledigung des Kessels von Kiew nahm noch einige Zeit in, Anspruch. Nachdem wir am 25.september den südlichsten Punkt südöstlich von Kiew erreicht hatten und die Einschließung vollendet war, erfolgte unsere Unterstellung unter das 35. Heeres-Kommando, das General der Artillerie Kempfe befehligte und ein Teil der 2. Panzer- Armee war. Mit diesem Heeres-Kommando spalteten wir die bereits eingekesselten Feindkräfte in kleinere Kessel auf. Dabei erhielten wir noch Kampfbeführung mit dem sich mit dem Mute der Verzweiflung wehrenden Feind, dem wir trotz allem die Achtung als Soldaten nicht versagen konnten. In diesen Kämpfen mit dem schon geschlagenen Gegner verloren wir wieder zwei unserer besten Kameraden. Bei einer Säuberungsaktion zu Pferd gegen kleinere infanteristische Widerstandsnester , die sich nicht ergeben wollten, wurden unsere Kameraden Stabswachtmeister Peter Reizammer und Unteroffizier Josef Czida im Raume SoIotowschka (Wjerschina) im Nahkampf so schwer verwundet, daß sie kurz darauf starben. Damit hatte unsere Batterie bisher 10 Tote zu beklagen. Ab 25. September zogen wir zurück nach Nordwesten über Kapußtjenszy bis Nitschiporowka, das wir am 26.September erreichten. Hier erhielten wir Befehl, den östlich stehenden Feind weiter zurückzuwerfen. Also gab es wieder keine Ruhe. Ahnungsvoll sahen wir dem nahenden Herbst und dem Winter entgegen. Gelang es nicht, den Feind vorher eine vernichtende und entscheidende Niederlage zuzufügen, stand uns ein Winterfeldzug bevor, von dessen Schrecken wir uns überhaupt keine Vorstellung machen konnten. Das napoleonische Schicksal des Jahres 1812 erhob sich wie ein Gespenst vor uns. Der weiße Tod streckte seine knöcherne Hand über uns aus- das Menetekel unseres Unterganges zog verschwommen schon mit uns nach Osten. Der größere Teil unserer Leute aber dachte im strahlenden Sonnenschein eines noch milden Herbstes nicht an das bittere Ungewiße, das eingehüllt in der verborgenen Zukunft lag. Ab Nitschiporowka ging unsere Marschrichtung wieder i ostwärts, wendete sich dann etwas nördlich und weiter nordostwärts. Bei Losowyj -Jar erreichten wir unsere frühere Vormarschstraße, als wir nach Süden den Kessel um Kiew vollendeten. Von Nowy Orshiza, das wir gleichfalls bereits am 17.September passierten, wendeten wir uns scharf nach Osten und bezogen am 27. September östlich Popowka Quartier. Kühle Nächte und herbstlicher Regen machten uns in den rasch aufgeschlagenen Zelten körperlich viel zu schaffen. Wir froren und manchmal beschlich uns ein unangenehmes Gefühl. Befehle, die uns vorgelesen wurden, versprachen uns ein baldiges Winterquartier. Zum erstenmal erkannten wir eine Lücke in der bisher gut funktionierenden Organisation. Unsere Ausrüstung war sommermäßig und für einen östlichen Winter gänzlich ungeeignet. Von Tag zu Tag beschlichen uns mehr Bange Vorstellungen die uns nicht mehr losließen. Dazu kam noch, daß nach allen Anzeichen der Feind uns noch vor Einbruch des Winters so weit als möglich in seine erbarmungslose östliche Unendlichkeit locken wollte. Solange es das Wetter nur halbwegs zuließ, vermieden wir den Aufenthalt in den Bauernhäusern und schliefen lieber in unseren Zelten. Dadurch konnten wir uns auch im Großen und Ganzen von der Läuseplage einigermaßen freihalten. Was wir mit einiger Verwunderung feststellen konnten, waren in fast allen Häusern die vergilbten, alten Heiligenbilder, die schon Generationen her hoch verehrt wurden. Daraus ersahen wir, daß sich besonders die ältere Bevölkerung noch immer religiöses Empfinden bewahrte. Das nächste Marschziel war die kleine Stadt Priluki, in der wir am 28. September für eine Nacht Aufenthalt nahmen. Einige Ruhrfälle infolge des vielen Fleischgenusses traten auf, ohne daß diese Seuche aber zum Glück größere Formen annahm. Das Wetter wurde herbstlicher und der Regen weichte die ohnehin primitiven Straßen immer mehr auf. Ab Priluki wendeten wir uns vorerst wieder nach Norden und später nach Nordosten. Über Iwaniza kamen wir am 29.September in das Dorf Wereshowka Unser neuer Auftrag war der größte, der uns in diesem Kriege gestellt werden konnte. Nach der Erledigung von Kiew sollten wir einen eisernen Ring um die Hauptstadt der Sowjetunion Moskau legen und damit die Entscheidung und das Ende des Krieges noch vor Einbruch des Winters herbeiführen. Diesem Ziel wurde alles geopfert, In wahnwitziger Verblendung glaubte die Führung dieses Ziel noch vor dem Schnee- und Kälteeinbruch erreichen zu können. In sträflicher Sorglosigkeit wurde die rechtzeitige Herbeischaffung von \Winterbekleidung und Winterausrüstung unterlassen. Das Ende war für uns furchtbar. Zehntausende unserer Kameraden erfroren oder verloren durch die Erfrierungen ihre Hände und Füße. Garnichts kann diese ungeheure Schuld ableugnen oder verkleinern. Die verhältnismäßig leichten Anfangserfolge blendeten die Verantwortlichen und führten sie dem Verderben entgegen. Die Opfer waren die braven kleinen Marschierer die mit einem riesigen großen Idealismus diese in der Geschichte einmaligen Opfer brachten. Noch war uns das aber in seiner ganzen Tragik nicht klar. Wir marschierten unverdrossen nach den Befehlen, kämpften, siegten, glaubten und opferten uns weiter für das große Ziel, das man uns immer wieder hinstellte - und dieses Ziel hieß Sieg und Deutschland ! Das nächste Marschziel war Tolenki, wo wir einmal für zwei Tage, vom 30. September bis 1.Oktober, Aufenthalt nahmen. Ab Tolenki wandten wir uns direkt nördlich. Das Wettrennen mit dem immer näher kommenden Winter trieb uns zur weiteren Eile an. Am 2. Oktober erreichten wir Baturin, wo wir am folgenden Tage den Ssejm überschritten. Eines Tages fuhr unseren Kolonnen unser Regimentskommandeur vor, hielt an der Spitze bei unserem Chef und beglückwünschte ihn zu seiner Beförderung zum Oberleutnant Gleichzeitig heftete er ihm den Stern auf die Schulterklappen. Durch schwieriges Wald- und Sumpfgelende arbeiteten wir uns weiter nordwärts, unter stets größer werdenden Anstrengungen. Nur ab und zu gab es kleinere Feindberührungen, wobei der Gegner aber rasch geworfen wurde. Der größere Feind aber, der sich uns täglich stärker entgegenstellte, war der Herbst, sein Regen, der Schlamm und der Dreck. Physisch mußten wir von Tag zu Tag mehr leisten. Und mit uns stampften unsere braven Pferde vorwärts - immer weiter vorwärts. Durch die Stadt Korop ging es weiter. Nördlich davon überschritten wir am 3.Oktober zum zweitenmal die Deßna, deren Lauf hier von Osten nach Westen geht. Jenseits der Deßna kamen wir nach Gawrilowka. Die zweite große Kesselschlacht, an der wir in diesem Kriege beteiligt sein sollten, war die um Brjansk. Schon zeichneten sich auch hier, wie bei Kiew, die ersten Erfolge ab. Auch diesmal gönnte man uns keine Ruhe und trieb man uns zu immer größerer Eile an. Am 4.Oktober erreichten wir Blistowo, von wo ab sich unsere Marschrichtung wieder nach Nordosten richtete. Tags darauf marschierten wir durch die Stadt Nowgorod Sewersk und überschritten hier zum drittenmal die von Norden nach Süden fließende Deßna und waren am 5.Oktober in Birintsch. Von hier weg wurden die Tagesmärsche immer kürzer, da der von Tag zu Tag stärker einsetzende Regen das ganze Gelände in ein Meer von Schlamm verwandelte. Durch die schweren Fahrzeuge, Panzer und Geschütze verschlechterte sich der Zustand der ohnehin nur ganz primitiven Straßen zusehends. Oft schien das Weiterkommen fast unmöglich. Die Schlammperiode 6.Oktober - 8.November 1941 Entlang unseres Marschweges vermehrten sich die im Schlamm steckengebliebenen und verlassenen Wracks von Kraftfahrzeugen. Hatten wir bisher stets unsere motorisierten Einheiten wegen ihrer rascheren Beweglichkeit beneidet9 wechselte nun die Lage zu Gunsten der bespannten Verbände. Wo ein Weiterkommen für Kraftfahrzeuge unmöglich wurde, kamen unsere Pferde wenn auch mit nicht schilderbaren Anstrengungen doch noch weiter. Die Verbundenheit zwischen uns und unseren treuen Helfern wurde in diesen Tagen unzertrennlich. Doch auch bei den Pferden gingen die Strapazen nicht spurlos vorüber. So manches brave Tier blieb vor Erschöpfung im Schlamm stecken, brach zusammen und mußte erschossen werden. Das bedeutete eine immer größer werdende Schwächung unserer Beweglichkeit. Pausenlos strömte der Regen aus grauverhangenem Himmel auf die unübersehbare unendliche Weite. Grau erschien auch uns die Zukunft. Wieder wurden wir mit nahen Winterquartieren vertröstet und weitergetrieben. Am 6.Oktober blieben wir über Nacht in Chiltschizsje, wo wir Feuerstellung bezogen, um den widerstand leistenden Feind zu werfen. Das Gelände war hier stark vermint. Eine unserer Protzen fuhr dabei auf eine Mine auf und mußte zurückgelassen werden. Die Besatzung kam mit dem bloßen Schrecken davon. Der Feind wurde rasch geworfen und in von Tag zu Tag schwerer werdenden Märschen zogen wir weiter. Immer kurzer wurden die Tagesmarschleistungen, da die Geländeschwierigkeiten durch die schlechten Straßen einerseits und den rasch hereingebrochenen Herbst andererseits, jede rasche Bewegung, wie wir sie seit dem Sommer gewohnt waren fast unmöglich machten. Mit Riesenschritten nahte der ostische Winter und nichts geschah, was eventuell zu seiner Milderung dienen konnte. Dementsprechend sank auch unsere Zuversicht auf einen baldigen Sieg immer mehr, wenn nicht vorher sich doch noch etwas Entscheidendes ereignete. Aber ein Tag nach dem andern kam. Jeder war gleich grau verhangen, naßkalt und trübe, und versank wieder. Wir stampften durch Morast und Schlamm und waren abends froh, wenigstens auf einige Stunden in den ärmlichen Hütten unterzukommen, wo es wenigstens warm gewesen ist. Aber jetzt begann eine Plage, der wir absolut nicht mehr Herr werden konnten. In wenigen Tagen waren wir alle total verlaust. Alles suchen nach den Läusen half nichts; sie waren überall und peinigten uns Tag und Nacht. Doch bald hatten wir uns auch an das gewöhnt, da uns ja keine andere Wahl blieb. Das nächste Marschziel war am 7.Oktober das kleine Dorf Masedowka. Östlich davon überquerten wir eine Bahnlinie, auf der die von dem zurückweichenden Feind gesprengten Schienen von der Zivilbevölkerung bereits wieder ausgebessert wurden. Zu beiden Seiten des Bahnkörpers Lagen in die Luftgeflogene Lokomotiven und Waggons, zum größten Teil von unserer Luftwaffe vernichtet. Am folgenden Tag kamen Wir bloß 6 km weiter bis Rudenka. Bisher hatten wir oft noch bis zu 30 km im Tag zurückgelegt. Aber noch immer gönnte man uns keine Ruhe, trotzdem wir und unsere Pferde schon völlig erschöpft waren, Ununterbrochen jagte man uns weiter t um den Kessel um Brjansk zu schließen. Wir waren schon gänzlich apathisch geworden und schleppten uns todmüde, immer durchnässt, von Läusen zerfressen und abgestumpft durch die erdrückende trostlose russische Landschaft. Von Rudenka marschierten wir am 9. Oktober morgens bei unaufhörlichen Regen ab und erreichten abends das 10 km entfernte Dorf Wassilewka, das bereits mitten in dem südlich von Brjansk liegenden Wald von riesigen Ausdehnungen lag. Hier war das Gelände besonders unübersichtlich und die Feindlage ungeklärt, so daß wir ständig auf Rundumverteidigung eingestellt waren, Jedes unserer Geschütze war nach einer anderen Himmelsrichtung feuerbereit, wenn wir abends für eine Nacht Rast hielten. Ständig mußten wir mit Feindberuhrung rechnen, da sich in den riesigen Brjansker Waldgebieten, von uns unbemerkt, russische Kräfte verborgen halten hätten können. Wir blieben aber zum Glück unbehelligt. Unser einziger, aber dafür desto unerbittlicherer Feind war in diesen Herbsttagen der Schlamm. Endlich erreichten wir am 10. Oktober das Dorf Nowaja Pogoschtsch, wo der Befehl kam, uns für den Winter einzurichten. Mit ungeteilter Freude nahmen wir diese Nachricht auf. Wir konnten wieder einmal schlafen, uns reinigen und vor allem den Kampf gegen die Läuse aufnehmen. Wie wohl taten uns diese Tage! Hier gab es noch sehr viel Geflügel, das eine willkommene Bereicherung unserer Kost bedeutete. Und als wir eines Morgens aufwachten, lag der erste Schnee. Der Boden aber war noch nicht gefroren und der Schneefall vergrößerte nur noch den Morast. Ein Befehl HitIers versprach uns die Vernichtung des bolschewistischen Gegners, noch ehe der Winter einbricht. Wir sahen das Endziel schon greifbar nahe vor uns und hofften aufs Neue auf eine baldige Heimkehr. Was nachte es da viel aus, daß wir vorläufig aus der Heimat keine Post erhielten, da sie durch den Schlamm nicht mehr nachgebracht werden kennte. Auch der übrige Nachschub stieß auf laufend größer werdende Schwierigkeiten, ohne daß wir aber deswegen auf viel verzichten mußten, da es überall noch genug Kleinvieh zum Schlachten gab. Unsere Überanstrengten Pferde erholten sich rasch wieder. Futter gab es überall genug im Lande. So sahen wir wieder mit Ruhe der nächsten Zukunft entgegen. Doch nichts von dem allen hat sich erfüllt, was wir uns im Oktober 1941 so heiß erhofften. In den letzten Oktobertagen war auch der Kessel um Brjansk erledigt. Wieder gab es Hunderttausende Gefangene und reiche Kriegsbeute. Damit war aber auf der Traum von einem einigermaßen ruhigen Winterquartier zu Ende, den es ging schon dem nächsten – und wie man uns wieder sagte, letzten – Ziel entgegen Moskau. Vorerst sollten wir in weiteren Eilmärschen den Raum Orel erreichen, wohin unsere Feldpost bereits vorausgeschickt wurde. War die Überwindung des Schlammes bisher eine einmalige Leistung, wußten wir nicht, daß ab jetzt noch eine weitere Steigerung der Schwierigkeiten kommen wurde. Es blieb uns aber keine andere Wahl, aus So verließen wir am 2l.Oktober das “Winterquartier" Nowaja Pogoschtsch kamen am nächsten Tag nach Sussemka, überschritten die von Süden nach Norden führende Bahnlinie und kamen endlich wieder aus dem unheimlichen Brjansker Wald heraus. Das nun folgende Gelände wird uns allen zeitlebens unvergeßlich bleiben. War Malin das größte Kampferlebnis in Rußland, war es die einförmige unendliche Ebene südwestlich von Orel, in der wir fast im Schlamm versanken, die sich unauslöschlich in unsere Erinnerung eingrub. Jeder Tag brachte noch größere Anstrengungen als der vorherige; jeder Kilometer noch tieferen Morast. Heute mutet uns das wie ein Wunder an, daß wir trotzdem vorwärtskamen. Am 23.Oktober übernachteten wir in Negino, waren am 24.Oktober in Kokuschino und kämpften uns durch ununterbrochenen Regen mit zusammengebissenen Zähnen am 25.Oktober bis Scharowo weiter. Stellenweise reichte uns der Morast bis zu den Knien. Der erste Schnee war längst zergangen. Die Straßen verdienten diesen Namen überhaupt nicht. In Friedenszeiten mögen hier leichte Panjefuhrwerke den Verkehr bestritten haben und ihrer Aufgabe gerecht geworden sein. Jetzt waren diese Fahrwege nur mehr ein Meer von Kot, die durch die vielen Fahrzeuge immer noch mehr aufgefahren wurden. Dazu kam noch, daß wir meistens gar nicht wußten, wo die Trasse der Fahrbahn eigentlich verlief. Jeder Wagen suchte auf seine Art weiterzukommen und fuhr ganz einfach neben der sichtbaren Spur eine neue. So reihte sich Wagenspur neben wagenspur, oft in der Breite von über 100 m. Es spielte das alles keine Rolle, weil überall der Boden gleich grundlos war und hier wie dort die Fahrzeuge über die Achsen, die Pferde und wir bis über die Knie in den zähen Kot einsanken. Und über dieser trostlosen grauen Einsamkeit ragten die schiefen Telegrafenstangen als die einzigen Richtpunkte in den Regen und gaben uns an, wo die Straße ursprünglich verlaufen ist. Pferde konnten vor Erschöpfung ganz einfach nicht mehr weiter, wurden mit Schlägen traktiert, daß blutige Striemen auf ihren Rücken sichtbar wurden , Jeder Mann mußte anschieben, weil immer wieder die Fahrzeuge steckenblieben, trotzdem das Waten für jeden von uns allein schon eine körperliche Qual ohnegleichen war. und was an jedem neuen Morgen unmöglich schien, war am Abend doch überwunden - wir hatten das befohlene Ziel wieder erreicht. Unser einziger Wunsch war damals nur ein einziger Ruhetag, damit wir einmal wieder unsere Stiefel ausziehen und trocknen lassen konnten. Meistens getrauten wir uns die Stiefel gar nicht auszuziehen, weil wir sonst am Morgen in die nassen Knobelbecher nicht mehr hineingekommen wären. Endlich sollte unser Wunsch am 26. Oktober in Putschharewa wegen Erschöpfung der Pferde in Erfüllung gehen. Der folgende 27. Oktober war wirklich endlich ein Ruhetag. Aber der 28.Oktober sah uns schon wieder am Marsch nach Osten bis Krulowa, von wo wir am Tag darauf nach längerer Zeit wieder eine Stadt erreichten. Es war Dmitrowsk, südwestlich Orel. Trotzdem wir hier auf eine sogenannte Rollbahn kamen, war ihr Zustand noch schlechter als alles, was wir bis jetzt kennengelernt hatten. Der Dreck war hier ganz einfach furchtbar. Wieder mußte der 31. Oktober als Ruhetag eingeschaltet werden. Am 31. Oktober ging es jedoch weiter. Jeden Tag wurden die zurückgelegten Kilometer weniger. Um diese Zeit erkrankte unser Batteriechef Oberleutnant Getzen an einer Lungenentzündung schwer und mußte ins Lazarett gebracht werden. Er kehrte in der Folge nicht mehr zur Batterie zurück, was wir alle sehr bedauert haben. Leutnant Pammler, unser Batterieoffizier, wurde nun unser neuer Chef. Auch Ihn, der dann später noch zum Oberleutnant befördert wurde und in dieser fremden Erde seine letzte Ruhestätte gefunden hat, lernten wir als Führer und besten, treuen Kameraden schätzen. Er teilte mit uns die schönen, aber viel mehr trüben Tage getreulich. Am 31.Oktober abends rasteten wir in Lubciski und erreichten am Allerheiligentag nach weiteren übermenschlichen Anstrengungen Wolobuschewa. Der nächste Tag sah uns in Kutafino südwestlich Kromy. Alle Anzeichen deuteten auf den unmittelbaren Einbruch des Winters hin. Wir hatten keine Ahnung, welche Unsummen von neuen Strapazen uns bevorstanden. Es war die ungeheure Tragik des Rußlandfeldzuges, daß durch die Anfangserfolge verblendet, die Führung die klimatischen Verhältnisse vollkommen übersah. Wir erwarteten das Gefrieren des Bodens immer sehnsüchtiger, weil uns der Frost endlich vom Schlamm befreien sollte. Dieser Wunsch ging zwar in Erfüllung, doch wurden die Strapazen der Schlammperiode von dem nun folgenden Schreckenswinter weit in den Schatten gestellt. Stets folgte einem Hindernis immer ein noch größeres. Bis anfangs November hatten wir noch immer keinerlei Winterbekleidung. Aber die Kugel des Schicksals rollte unerbittlich weiter, immer weiter. Von Kutafino marschierten wir am 6.November morgens unserem nächsten Tagesziel entgegen, das nur wenige Kilometer weiter östlich lag. Es war das Dorf Belodjaschki, wo wir Nachtquartier bezogen. Tags darauf erreichten wir Dobryn und wieder einen Tag später, am 8.Novembor, blieben wir die Nacht über in Retjashi. Zum erstenmal gefror der Boden und der Schreckenswinter 1941/42 begann. Auf dem harten Boden ging das Marschieren zwar etwas leichter, weil die Fahrzeuge und Pferde nicht mehr einsanken. Aber dieser Zustand dauerte nicht lange. Rapid fiel die Temperatur und starker Schneefall bei stürmischen Winden setzte ein. Ein schweres Kapitel des für uns an Ereignissen wahrlich nicht armen Einsatzes im Ostfeldzug ging zwar zu Ende - aber ein noch schwereres lag unaufgeschlossen vor uns! Vormarsch in Schnee und Eis 9.November - 8.Dezember 1941 Das Gelände um Orel ist sehr hügelig, was unser Vorwärtskommen im Schlamm schon sehr erschwerte; auf den verschneiten und vereisten auf- und abwärtsführenden Straßen und Hängen wurde der Vormarsch ein noch schwierigeres Problem, Wenn wir auch diese Epoche überstanden und diese ungeheuerlichen Strapazen überwunden haben, dann spricht dieser Umstand für den unbeugsamen Willen, immer wieder das Ziel zu erreichen. Nach Überschreitung der Oka bei Retjashi am Morgen des 9.November, die durch die ungünstigen Bodenverhältnisse an beiden Ufern sich sehr schwierig gestaltete, kamen wir abends nach Nikolskoteund standen jetzt genau 33 km südlich von Orel. Nach zwei weiteren Tagesmärschen kamen wir über Wisotschesja bis zur Bahnlinie Kursk – Orel und nahmen am 11.November in Nasdejewka bis 20.November Aufenthalt. Das befohlene Marschziel durch den Schlamm: der Raum Orel - war endlich erreicht. Hier erwartete uns tatsächlich diese lange vermißte Feldpost. Damit war auch die unterbrochene Verbindung mit der Heimat wieder hergestellt. Was hinter uns lag, war nur mehr eine sehr böse Erinnerung. Die Nachrichten aus der Heimat ließen unsere Stimmung natürlich sofort um einige Grade höher steigen. In Nasdejewka konnten wir uns endlich wieder einmal ausschlafen, uns reinigen und für das Kommende vorbereiten. Unsere Lkw's, die durch den Schlamm in Sussemka bis zum Gefrieren des Bodens zurückgelassen wurden, trafen bei der Batterie ein. Auch ca. 15 Ersatzleute wurden uns zum Ausgleich der Ausfälle zugewiesen, die direkt aus der Heimat kamen. Vom Feind härten wir wenig, da auch er bisher durch den Schlamm in seiner Beweglichkeit stark behindert war. Auch die eigene und feindliche Luftwaffe entfaltete nur geringe Aufklärungstätigkeit. Es war aber nur die trügerische Ruhe vor dem Sturm. Erbarmungslos fiel das Thermometer und wir hatten noch immer keine zusätzliche Winterbekleidung. Die ersten Erfrierungen, hauptsächlich an den Füßen, machten sich bemerkbar, nachdem unsere Lederstiefel schon nach kurzem Aufenthalt im Freien gefroren. Selbstverständlich litten auch unsere Pferde, ehr unter der Kälte. Doch das Kriegsgeschick kannte kein Erbarmen. In Nasdejewka gab es noch sehr viel Geflügel, das unseren Aufenthalt hier zum letztenmale angenehm gestaltete. Doch auch dieser Aufenthalt nahm nur zu rasch ein Ende. Wir mußten weiter, da die 2.Panzer-Armee ein wichtiges Glied im Einschließungsring um Moskau sein sollte. Noch immer unterstanden wir dem 35. A.K. So jagte man uns durch Schneestürme und eisige Kälte immer weiter nach Osten. Ahnungsvoll sahen wir der weiteren Entwicklung entgegen, weil wir bereits wußten, daß die Russen den Winter viel leichter überwinden als wir und diesen Umstand sicherlich ausnützen wurden. Nur zu bald hatten sich unsere Ahnungen bewahrheitet. Starker Schneefall setzte ein und 20 - 30 Kältegrade waren keine Seltenheit mehr. Der Schnee knirschte, wie wenn er aus Glas gewesen wäre. Wir litten furchtbar unter der Kälte und konnten uns nicht vorstellen, daß dies ohne Winterbekleidung noch lange so weitergehen werde können. Abends kamen wir vollkommen ausgefroren in die ärmlichen Bauernhütten und bangten dem nächsten Tag entgegen, der nicht nur keine Linderung, sondern ein noch weiteres Ansteigen des Frostes brachte. Auf unseren Märschen hüllten uns Schneestürme ein, die alles zu vernichten drohten. Der weiße Tod ritt uns aus dem Osten entgegen und betrachtete uns schon als seine Beute. Doch wir gaben uns auch diesem Feinde nicht geschlagen, sondern kämpften mit verbissener Entschlossenheit um unser Leben. Als wir am 20.november von Nasdejewka abmarschierten, pfiff uns bereits ein heftiger Schneesturm um die Ohren und erschwerte den Marsch durch das ohnehin schwierige Gelände. Für die nächste Nacht blieben wir in Stolbezkoje, erreichten am 22.November Trudski und waren am 23.November in Kolodeski an der Bahnlinie Liwny - Orel. In diesem Raume erfuhren wir, daß der Feind sich hier zum Widerstand stellen wollte. Der weitere Vormarsch ging daher wieder gefechtsmäßig vor sich, da jeden Augenblick das Auftauchen von feindlichen Einheiten in der eisigen Schnee wüste wahrscheinlich war. Über Skariatino, Karpowo und Bolschaja Tschernowa erreichten wir am 26.November Schatilowo, an der Bahnlinie Jerez - Orel. An dieser Bahnlinie hatte der Feind seine H.K.L. errichtet und setzte uns heftigen Widerstand entgegen. Wir bezogen in Schatilowo sofort Feuerstellung und beschossen den Bahndamm, hauptsächlich den Bahnhof Schatilowo, der ca. 2 km ostwärts des Ortes lag und mit starken russischen Kräften besetzt war. Ebenso befand sich der Feind in der ca. 6 km weiter östlich gelegenen Ortschaft Malinowo. Unser weiteres Vordringen wurde daher in Schatilowo aufgehalten. Es war furchtbar kalt und die Temperatur auf über 30 Grad unter Null gesunken. Endlich traf aber hier die erste Winterbekleidung in Form von Übermänteln und Überzugsfäustlingen ein. Allerdings in so geringer Anzahl, daß nur ein kleiner Teil unserer Leute in erster Linie die Geschützbedienungen, Fernsprecher und Fahrer damit beteilt werden konnten, Alle übrigen froren jämmerlich in ihren leichten Mänteln. Auch einige Paar Filzstiefel wurden zugeteilt. Und in dieser mörderischen Kälte stand uns ein harter, unerbittlicher Gegner gegenüber, der in der nächsten Zukunft alles daransetzte, uns zu vernichten. Aus Richtung Jelez fuhr immer wieder ein russischer Panzerzug bis knapp vor unsere Stellungen und belegte diese jeweils mit einem Feuerüberfall, worauf er wieder schleunigst zurückfuhr. Dies wiederholte sich in kurzen Abständen. Wir erhielten Befehl, diesen Panzerzug, der sich unangenehm bemerkbar machte, unter unser Artilleriefeuer zu nehmen. Im direkten Beschuß gelang es uns tatsächlich, ihm einige Treffer zu versetzen, ohne ihn aber ernstlich außer r Gefecht setzen zu können. Unseren tapferen Pionieren wurde dann die Aufgabe gestellt, sich an den Bahndamm heranzuarbeiten und die Schienen zu sprengen. Das gelang dann auch und damit war ein weiteres Vordringen des gepanzerten Ungetüms unmöglich. Dafür belegte die russische Artillerie Schatilowo mit Feuer. Durch einen Granatsplitter, der durch die Holzwand eines Wohnhauses eindrang, wurde unser guter Kamerad Rupert Garber mitten ins Herz getroffen und auf der Stelle getötet. Wir haben diesen braven Gefährten in Schatilowo zur letzten Ruhe bestattet. Die Aushebung des Grabes war durch den bereits metertief gefrorenen Boden äußerst schwierig und konnte nur durch Mithilfe von Sprengungen bewerkstelligt werden. Aber schon am nächsten Tage wurde der Feind trotz hartnäckigem Widerstand geworfen und weiter in Richtung Jelez zurückgedrängt. Es gelang uns in Malinowo einzudringen. Von hier aus stießen wir dann weiter dem nur zögernd weichenden Feinde nach, nahmen die Orte Ssubotina, Prilepy und stießen weiter nach Osten auf Slobino nordwestlich Jelez vor. Der russische Winter hatte seinen Höhepunkt noch lange nicht erreicht. Von Tag zu Tag wurde die Kälte noch größer und unerträglicher; pfiff uns ein Schneesturm um die Ohren, daß einem Hören und Sehen verging. Es gab Erfrierungen am laufenden Band. Wir waren der Verzweiflung nahe. und doch hielten wir durch, marschierten und kämpften und hofften trotz allem auf den Sieg. Südlich von uns operierte die 121.I.D., die direkt auf Jelez vorstoßen sollte. Am 3.Dezember befanden wir uns in Kirilowa, wo wir in einer ehemaligen Schnapsfabrik Unterschlupf fanden. Schnaps war aber leider keiner mehr vorhanden, der uns in dieser mörderischen Kälte innerlich erwärmen hätte können. Tags darauf war der Barbaratag, den die Artillerie ihrer Schutzpatronin, der hl.Barbara, stets festlich hatte. Diesmal war uns aber absolut nicht festlich zu Mute. Das Thermometer zeigte 40 Grad unter Null. In Roshdestowo, hart westlich der Bahnlinie Jelez - Orel, hatte der Feind eine neue Widerstandslinie bezogen, die wir unbedingt durchbrechen mußten, weil unsere südliche Nachbardivision Jelez fast erreicht hatte. Wenn es uns nicht gelang, die Front weiter nach Osten zu drängen, entstand für die 121.I.D.eine gefährliche Flankenbedrohung. Es wurde daher für die Nacht vom 4. auf den 5.Dezember der Angriff auf Roshdestowo befohlen. Trotz ungünstigster Geländeverhältnisse - die Gegend war auch hier sehr hügelig - und trotz grimmigster Kälte, Eis und Schnee gelang es uns nach stärkerer Feuervorbereitung Roshdestowo zu nehmen. Einen besonderen Anteil am Erfolg hatten dabei unsere Fernsprecher die nach Überwindung größter Schwierigkeiten und stärkstem Feindbeschuß die Fernsprechverbindungen so rasch herstellten, daß der Sprechverkehr zu den Gefechtsständen der Infanterie und Artillerie in denkbar kürzester Frist aufgenommen und damit der Erfolg gesichert war. Unsere Kameraden Haberfellner und Lang erhielten dafür das E.K.I. Ab jetzt setzte auch stärkere feindliche Lufttätigkeit ein, da sich die Wetterverhältnisse klärten. Das Schneetreiben hörte auf und die Sonne strahlte von einem tiefblauen Himmel, ohne aber auch nur ein Fünkchen Wärme zu spenden. Im Gegenteil, die Kälte sank bis auf 45 Grad unter Null. Jede Bewegungslosigkeit im Freien führte in wenigen Minuten zu Erfrierungen des Gesichtes, der Hände oder Füße. Ungeschützte Hautstellen mußten dauernd gerieben werden. weil sie sofort weiß wurden. Unsere Lederstiefel wurden in dieser grausamen Kälte nach wenigen Minuten hart wie Stein und man mußte dauernd die Zehen bewegen, um nicht schwerste Erfrierungen und damit den Verlust der Gliedmaßen zu erleiden. Es ist uns heute noch unvorstellbar, daß wir diesen Winter überlebt hatten. Der klare Himmel war für die feindliche Luftwaffe eine willkommene Gelegenheit, jedes Fahrzeug oder jede Bewegung. die in dieser baumlosen Gegend weithin sichtbar war, mit Bomben und Bordwaffen anzugreifen. Wir spürten mit jedem Tag mehr, daß sich hier unser Schicksal entscheiden würde. Mit Bangen stellten wir fest, wie wenig von unserer eigenen Luftwaffe zu bemerken war. Wir fühlten irgendwie eine Lücke, konnten uns aber darüber keine richtigen Vorstellungen machen. Langsam kamen kleinere Mengen von weiterer zusätzlicher Winterbekleidung nach. Unserer Führung war der Vorwurf nicht zu ersparen. in dieser Beziehung direkt vorbrecherisch gehandelt zu haben. Tausende und Tausende unserer Kameraden hatten das mit ihren Gliedmaßen oder ihrem Leben bezahlen müssen. Die 121.I.D.hatte Jelez erreicht, war in die Stadt eingedrungen, wobei sich erbitterter Nahkampf entsponnen hatte. Der Feind war zahlenmäßig weit überlegen und die eingedrungenen deutschen Verbände wurden wieder aus Jelez hinausgeworfen. Diese Nachricht löste begreiflicherweise in unsere Reihen große Bestürzung aus. Aber noch ging es bei uns vorwärts. Am 6.Dezemberüberschritten wir trotz stärkstem Fliegerbeschuß die Bahnlinie Jelez - Orel und nahmen in Ploskoje vorläufigen Aufenthalt. Wenige Kilometer östlich davon waren sehr starke Feindkräfte zusammengezogen worden, die sich zum Großangriff gegen uns vorbereiteten. Wir richteten in Ploskoje sofort unsere Feuerstellungen ein und eröffneten unverzüglich das Feuer auf die feindlichen Vorbereitungen. Dabei ereignete sich ein tragisches Unglück. Beim Abfeuern eines unserer Geschütze wurde in der Nacht übersehen, daß knapp vor dem Rohr eine Fernsprechleitung vorbeiführte. Die Granate krepierte unmittelbar nach Verlassen des Rohres bei der Berührung mit dem Leitungsdraht. Dadurch wurde unser Kamerad Franz Höller getötet und die übrige Geschützbedienung teils schwer, teils leicht verwundet. Von Stunde zu Stunde stieg unsere Nervosität, weil die Beobachtungen den unmittelbar bevorstehenden Großangriff meldeten. In der Nacht zum 8.Dezember stieß ein feindlicher Spähtrupp bis in das Dorf Ploskoje vor, wo bei einem Feuergefecht zwischen unseren Sicherheitsposten und dem Spähtrupp zwei unserer Kameraden verwundet wurden. Die Situation wurde verdammt ungemütlich. Wir befanden uns in Ploskoje bereits südöstlich von Moskau und der Ring um die sowjetische Hauptstadt zeigte schon deutlich seine ersten Formen. Nördlich Moskau waren unsere Truppen gleichfalls bis über Kalinin (Twer) hinaus vorgedrungen und bildeten den zweiten Arm der Zange. Der Gegner vußte, daß ein Fall von Moskau unter Umständen die Entscheidung des Krieges im Osten bedeuten wurde. Er verdoppelte seine Anstrengungen, uns ein unüberwindliches Halt entgegenzustellen. Sein größter Bundesgenosse war dabei zweifellos der diesmal außergewöhnlich strenge Winter der seit über hundert Jahren mit einer solchen Wucht und solch niedrigen Temperaturen selbst in Rußland nicht verzeichnet wurde. Ohne Zweifel hatte die deutsche Heeresführung bei der Planung des Feldzuges diesen wichtigen Faktor nicht genügend gewürdigt und viele Unterlassungssünden begangen, die unser Schicksal und damit auch das Schicksal Deutschlands besiegelten. Die Geschichte hat bereits ihr Urteil gesprochen und niemand und nichts kann diese Tatsachen aus der Welt schaffen. Die Tragödie unseres Unterganges begann in den Dezembertagen 1941, erreichte später bei Stalingrad ihre Fortsetzung und fand im April 1945 ihr Ende. Bisher führte uns der Krieg Hunderte und Hunderte von Kilometern nach Osten und wir stürmten, von wenigen Rückschlägen abgesehen, fast ohne Unterbrechung nahezu sechs Monate von Sieg zu Sieg. Nun war die Grenze des Möglichen erreicht und es begann die große Wende. Im Raum von Jelez ging dieser Siegeslauf in Schnee und Eis und an der Mauer es für den Winter gut ausgerüsteten Gegners und seiner zahlenmäßigen übermacht zu Ende. Die Geschichte, die das Weltgericht ist, sprach über uns ihr Urteil. Was nun folgte, war der Beginn vom Ende und düstere Schatten legten sich über uns. Der Weg zurück Einsatz im Raume Orel 9.Dezember 1941 - 7.Jänner 1942 In den ersten Morgenstunden des 9. Dezember wurden wir plötzlich unsanft aus dem Schlaf gerüttelt. Alles fertigmachen zum Abmarsch! So lautete der Befehl. Es geht zurück I Traf uns diese Nachricht auch nicht mehr überraschend, so waren wir im ersten Moment darüber doch bestürzt. Ging es zurück, so bedeutete das die Niederlage. Daß es kein vorübergehender strategischer Rückzug sein wurde, wußten wir nach wenigen Stunden. Die deutsche Front zerbrach an der Unerbittlichkeit des Winters und dem verbrecherischen Leichtsinn unserer Führung. Die Ausfälle an Leuten waren enorm und diese Tatsache stellt uns allen das höchste Zeugnis aus, wenn wir trotzdem die Front noch Jahre halten konnten. In diesen entscheidenden schicksalhaften Stunden wurde uns zum erstenmal klar, was auf dem Spiele stand. Befehl um Befehl kam und jeder schaffte neue Verwirrung. Die Nervosität nahm ihre höchsten Formen an. Sämtliche Männer der Zivilbevölkerung sollten mitgenommen werden; Frauen und Kinder gegen die russischen Linien getrieben und ihrem weiteren Schicksal überlassen werden; sämtliches Vieh, hauptsächlich die Rinder, waren mitzunehmen; jede Ortschaft sollte niedergebrannt werden, ebenso sämtliche Futtervorräte, soweit sie nicht mitgenommen werden können; die Brunnen hätten vergiftet oder verschüttet werden sollen. Maßnahmen, die nur der Wahnsinn diktieren konnte! uns lief es eiskalt über den Rücken, als wir diese Befehle vernahmen. Aber wer konnte sie verhindern? So begann ein schauriges, fürchterliches und düsteres Kapitel des Feldzuges im Osten. Als die Zivilbevölkerung von Ploskoje Bruchteile der beabsichtigten Maßnahmen erfuhr, bemächtigte sich ihre selbstverständlich größte Verzweiflung. Die Szenen, die sich damals vor unseren Augen und Ohren abgespielt haben, werden uns immer als ernste Mahnung in Erinnerung bleiben. In den meisten von uns ist damals vieles von dem zerbrochen, was einmal als das Höchste gegolten hat. Ein gütiges Schicksal hat uns aber sm Ende doch davor bewahrt, die befohlenen Unmenschlichkeiten bis zur letzten Konsequenz durchführen zu müssen, denn der Russe begann seinen erwarteten Angriff! Es blieb uns zum Glück keine Zeit mehr, alle Befehle durchzuführen. Trotzdem geschahen noch genug Dinge, die heute als Ungeheuerlichkeiten bezeichnet werden müssen und die den Krieg als das furchtbarste Verbrechen, das Menschen begehen können, geißeln. Die Absicht, die damit verfolgt wurde, ist uns erst später klar geworden. Man wollte einen Gürtel von einigen hundert Kilometern schaffen, in dem kein Haus, kein Baum, kein Brunnen mehr vorhanden sein und der den angreifenden Feind aufhalten sollte. Graue Theorie ohne Realisierbarkeit ! Zur Durchführung hätten wir Zeit gebraucht, doch diese gönnte uns der Feind zum Glück nicht, weil er unsere Absichten durchschaute. Deswegen griff er mit ungeheurer Vehemenz an und wir mußten rasch zurückweichen. So verließen wir am 9.Dezember abends Ploskoje, das für uns der östlichste punkt bleiben sollte, den wir in Rußland erreichten. Immer noch war die Temperatur über 40 Grad unter Null. Als es .Abend wurde, brannten überall links und rechts van uns die Dörfer. Der Feuerschein warf seine blutigroten Schatten über die weiß erstarrte Landschaft. So zogen wir, ein geschlagenes Heer, zurück nach Westen und hofften, unserem Schicksal doch noch entrinnen zu können hart bedrängt vom nachfolgenden Feind. Anfänglich marschierten wir denselben Weg zurück, den wir vor wenigen Tagen gekommen waren. Wieder gab es wenig Ruhe und wenig Schlaf. Jeden Augenblick mußten wir mit Überraschungen rechnen. und doch verließ uns die Hoffnung nicht, der weißen Hölle, in der wir uns befanden, zu entrinnen. Es ging ja nach Westen und im Westen lag die Heimat. Bei Prilepy gab es bereits die erste unangenehme und gefährliche Überraschung. Als wir morgens weitermarschieren wollten, erfuhren wir, daß uns nachts die Russen überflügelt hätten und den Ort vor uns bereits besetzt hielten. Nach einigen Stunden gelang es aber den Infanterieverbänden, den Gegner etwas zurückzudrängen, so daß auch wir auf Richtung Malinowo weiterstoßen konnten. Der Raum Malinowo - Schatilowo, der für uns schon einmal bedeutungsvoll gewesen war. sollte es auch noch ein zweitenmal werden. Hier stauten sich bereits die zurückflutenden deutschen Einheiten verschiedener Divisionen, nachdem die Bahnlinie Jelez – Orel in russischer Hand war und feindliche Verbände außerdem links und rechts von uns vorstießen, um uns einzuschließen. Alles überflüssige Gerät, sowie die gesamte Reserveausrüstung und alles, was die Beweglichkeit nur irgendwie beeinträchtigte, wurden kurzerhand liegengelassen. Es kam darauf an, so rasch als möglich der gefährlichen Einkesselung zu entrinnen. Zwischendurch mußten wir immer wieder Feuerstellungen beziehen und den Abwehrkampf gegen den immer stärker angreifenden Feind mit unserem Feuer unterstutzen. Und jeden Tag rückte das Weihnachtsfest näher! Westlich Malinowo erreichten wir wieder die Bahnlinie und marschierten von hier aus in westlicher Richtung auf der rechten Seite der Bahnlinie gegen Rossoschnoje. Gemeinsam mit uns marschierte das Infanterie-Regiment 482 mit je einem Bataillon links und rechts von uns zur Sicherung, während wir in der Mitte mit dem dritten Bataillon durch die eisige Nacht zogen, jeden Moment unliebsame Überraschungen erwartend. Diese ließen auch nicht lange auf sich warten. Der Bahnhof Rossoschnoje war in russischer Hand! Die Absicht des Feindes, uns einzuschließen, wurde mit jedem Augenblick deutlicher. Größte Vorsicht war daher geboten. Um den Bahnhof entspann sich in der Dunkelheit ein erbitterter Kampf, der aber schon nach kurzer Dauer für uns erfolgreich endete. Es waren nur schwächere vorgeprellte Feindkräfte, die uns nicht viel anhaben konnten und geworfen wurden. Die zu unseren beiden Seiten marschierenden Sicherungsbataillone gaben uns dauernd ihre Positionen durch Leuchtzeichen bekannt und kamen gut vorwärts. Aber bald gab es wieder eine Stockung. Vor uns hatten die Infanterie- und Pioniereinheiten neuerlich Gefechtsberührung. Auf einmal ließ uns ein bisher ungewohntes Rauschen aufhorchen. Dar Russe setzte hier zum erstenmal auf Lkw's aufmontierte Stalinorgeln gegen uns ein, die wie Raketen über uns hinwegzischten. Das Feuer lag aber weit hinter uns und richtete fast keinen Schaden an. Von unserem Standpunkt aus gesehen, entfaltete sich ein prächtiges Feuerwerk, wie wenn hunderte von Raketen gleichzeitig detonieren würden. Die moralische Wirkung auf uns war ziemlich groß, da wir hier etwas Neuem gegenüberstanden. Die Stalinorgeln, wie sie bald allgemein genannt wurden, waren rasch das Gegenstück zu unseren Nebelwerfern geworden und wurden im Laufe des Krieges vom Feinde immer mehr ausgebaut. Sie wurden auch in der Folge eine sehr unangenehme Waffe, die uns noch viel zu schaffen machte. So brach der schicksalhafte 13.Dezember an, der gleichfalls für uns alle unvergeßlich werden sollte. Bei Rossoschnoje überquerten wir die Bahnlinie und zogen jetzt auf der linken Seite entlang des Bahndammes. In den ersten Morgenstunden tauchten plötzlich neben uns zwei Panzer auf, die auf der Straße unseren Kolonnen vorfuhren. Wir atmeten erleichtert auf, daß endlich auch eigene Panzer zu unserer Unterstützung eingesetzt wurden. Einer der Panzer blieb stehen und ein Mann stieg aus, der um Feuer bat - aber, o Schreck, auf Russisch. Die Überraschung war auf beiden Seiten gleich groß. Im Bruchteil einer Sekunde war der Mann in seinem Panzer, der mit Vollgas dem zweiten nachfuhr, ehe wir uns noch von unserem Schrecken erholen konnten. Vermutlich hatten die beiden Feindpanzer selbst die Orientierung verloren und waren nach diesem Intermezzo rasch wieder in der Nacht untergetaucht. Für uns war das aber nur der Anlaß zu noch größerer Vorsicht. Als der Morgen endlich anbrach, befanden wir uns zwischen Rossoschnoje und Orewo, das in nordwestlicher Richtung lag. Da tauchten von allen Seiten Feindverbände auf; Kavallerie, Infanterie und Panzer! Alle Bemühungen waren also umsonst gewesen - wir waren eingeschlossen! Sollte sich hier nun unser Schicksal in diesem Kriege erfüllen oder gab es noch einen Ausweg? Das wußten wir um die Mittagsstunden des 13.Dezember noch nicht. Jedenfalls war die Situation sehr gefährlich und vorläufig gänzlich unübersichtlich. Wir mußten vorerst nach Rossoschnoje zurück, das von den Feindpanzern und Granatwerfern unter starkes Feuer genommen wurde. Gleichzeitig tauchten über uns russische Schlachtflieger auf und bekämpften uns aus der Luft. Die Lage wurde immer bedrohlicher und wir mußten dauernd in Deckung gehen. Der Ia-Schreiber unserer Abteilung, Kamerad Freinberger, wurde durch einen Splitter an der Hand ziemlich schwer verwundet. Auch Pferde wurden getroffen und fielen aus. Dabei wurde auch das Reitpferd Odila unseres Kommandeurs getötet, das seit Kriegsbeginn unser treuer Begleiter gewesen ist. Die Lage schien für uns alle hoffnungslos. Befehl auf Befehl kam, alles zur Nahverteidigung vorzubereiten. Bis zum letzten Mann Wußte jeder, daß es jetzt um Großes ging. Entweder wir konnten uns noch herausschlagen, oder wir wurden gefangengenommen. Das Letztere schien uns allen das Schlimmere. Rasch wurden kleinere Kampfeinheiten zusammengestellt und zur Rundumverteidigung eingesetzt. Jeder bezog seinen Posten, den Karabiner in der Faust, bereit, das eigene und das Leben der Kameraden so teuer als möglich zu verkaufen. Der Feind griff aber vorläufig direkt nicht an. Anscheinend überschätzte er unsere Kräfte oder war selbst noch zu schwach und wartete weiteren Nachschub ab. Stunden wurden zu Ewigkeiten; die tollsten Gerüchte machten die Runde und niemand wollte eigentlich so recht an das Ende glauben. Im direkten Beschuß wurden von unseren Kanonieren einige Feindpanzer abgeschossen, worauf die anderen etwas vorsichtiger wurden. Zwischendurch kam der Befehl zum Stellungswechsel. Die mörderische Kälte spürten wir in diesen Stunden fast gar nicht, weil unser ganzes Sinnen nur auf die Befreiung aus dem Kessel gerichtet war. Noch ehe die Dunkelheit einbrach - im Dezember wird es in Rußland schon um 2 Uhr nachmittags finster - verließen wir unter dauerndem Feindbeschuß Rossoschnoje. Wenige Kilometer weiter westlich lag ein kleines Dorf am Boden einer kreisförmigen Mulde. Dort wurden sämtliche Einheiten zusammengezogen. Kaum dort angekommen, tauchten Feindkräfte auf den Höhen rings um das Dorf auf. Wir saßen nun in einer richtigen Mausefalle am Grunde der Mulde. Endlich wurde es Nacht, nachdem wir vorher den überall auftauchenden Feind unter Feuer genommen hatten. Für ihn waren wir eine sichere Beute. ununterbrochen wurden Lagebesprechungen abgehalten, Funksprüche mit der außerhalb des Einschließungsringes liegenden Division gewechselt, die selbst schwer bedroht, versuchen mußte, ebenfalls der Absicht des Feindes, sie einzuschließen, zuvorzukommen. Der Kommandeur des Infanterie-Bataillons, Major Fischer, hatte den Oberbefehl über uns. In einer Besprechung mit sämtlichen Offizieren und Unteroffizieren des Bataillons und der Abteilung wurde die fast verzweifelte Lage ungeschminkt besprochen. Es gab noch einen einzigen Ausweg, den uns Major Fischer in seinen Grundzügen umriß. Eine einzige Stelle nach Norden war vom Feind nur schwach besetzt. Hier mußten wir durchkommen, ehe noch der Morgen des 14.Dezember anbrach. Dazu war es aber notwendig, mit der größten Eile die Absetzung durchzuführen. Das Gelingen hing davon ab, daß keinerlei Lärm verursacht werde und kein Lichtschein dem lauernden Gegner das Entrinnen verraten durfte. Angesichts der vielen Pferde, Fahrzeuge und Geschütze ein fest hoffnungsloses Beginnen. Gleichzeitig sollte ein Scheinangriff den Feind täuschen und von der beabsichtigten Durchbruchsstolle ablenken. So weit der Plant der als letzte und einzige Möglichkeit zu unserer Rettung offen blieb. Er mußte gewagt werden - oder wir gingen unter! Dazu am noch, daß die gesamte Absetzung innerhalb kürzester Frist zu bewerkstelligen war. Mit klopfendem Herzen kehrten wir zu unseren Leuten zurück. Die Pferde standen ohnehin angespannt und alles war marschbereit. Um 2 Uhr früh begannen befehlsgemäß der Scheinangriff und gleichzeitig auch unsere Absetzbewegung. Plötzlich begann ein Haus auf der halben Höhe des Abhanges, über den wir hinaufmußten, aus unbekannter Ursache lichterloh zu brennen. Dieses Ereignis schien alles zunichte zu machen. Trotzdem versuchten wir dieser Hölle zu entkommen, setzten uns über den taghell vom Feuerschein beleuchteten Abhang. der dazu noch völlig vereist war, in Bewegung - alles auf eine Karte setzend. Und das Unwahrscheinliche gelang! Der Gegner schien unsere Absicht nicht zu verstehen und rührte sich gar nicht. Nun ging alles wie geplant und ohne Zwischenfall. Wir erreichten die Höhe und damit die nach Nordwesten führende Straße, auf der wir allerdings in zwei Kolonnen nebeneinander bei völliger Dunkelheit in Eilmärschen dahinzogen. Es gab noch einige Schwierigkeiten auf der schmalen Straße, aber was zähl ton sie, wenn wir tatsächlich dem Kessel entronnen war und damit auch wieder unsere Freiheit gewonnen hatten. Als der Morgen des 14.Dezember kam, lag das verhängnisvolle Dorf weit hinter uns, in dem noch immer unsere Nachhuten den Feind täuschten und banden. Als auch sie sich absetzten, zögerte dar Gegner noch immer, das Dorf zu nehmen. Er schien sich nicht auszukennen und legte am Morgen zuerst ein konzentriertes Feuer mit seinen. Nebelwerfern auf den Grund der Mulde, die aber schon gänzlich verlassen war. Hätte er das früher getan, wäre keine Maus aus dieser Falle mehr entronnen. Neuerlich war ein gütiges Schicksal uns gnädig gewesen. Uneingeschränkten Dank und höchste Anerkennung aber zollten wir dem Manne, dem wir die neue Freiheit verdankten Bataillonskommandeur Major Fischer! Am Nachtmittag trafen wir wieder mit unseren Kameraden von den anderen Einheiten unserer Division zusammen, die uns mit ehrlicher Freude begrüßten, weil auch sie nur mehr wenig Hoffnung hatten, uns nochmals wiederzusehen. Mit jedem weiteren Tag, der nun anbrach, wußten wir klarer, daß eine Wende für uns eingetreten war. Jeder Kilometer weiter nach Westen brachte uns zwar der Heimat näher, bewies uns aber auch, daß die Aufgabe des so heiß erkämpften Bodens früher oder später mit einer Niederlage enden mußte. Wir glaubten das zwar noch nicht in seiner später offenbar gewordenen. Tragweite, doch wurden die Zweifel am Erfolg immer größer. Von Orewo weg, wo wir wieder in den Divisionsverband zurückkehrten und den Ring um uns damit gesprengt hatten, wendeten wir uns zuerst nach Nordosten bis Krapiwinka und von hier wieder zurück nach Nordwesten. Der unwahrscheinlich kalte Winter hielt immer noch weiter an, wir hatten uns aber schon ein wenig damit abgefunden. Der Selbsterhaltungstrieb war stärker als die Polartemperaturen, Schnee und Eis. Natürlich gab es noch immer Erfrierungen und ganz besonders unsere Pferde hatten unter dem eingetretenen Futtermangel schwor zu leiden. Der Nachschub, besonders von Futter, funktionierte nicht, so daß meistens nur die Strohdächer der ärmlichen Hütten oder Scheunen verfüttert werden konnten. Dazu mußte von den Pferden Unmenschliches an Leistungen verlangt werden, weil damit zu rechnen war, daß der Gegner alles daransetzen wird, seinen Anfangserfolg weiter auszubauen. Doch auch unsere Führung dürfte in diesen schweren Tagen endlich den vollen Ernst der Lage erkannt haben. Neue Verbände wurden herangeführt, mit denen eine neue Abwehrfront aufgebaut werden sollte. Der Marsch zurück durch den unerbittlichen Winter ging aber noch weiter. Über Lasowka kamen wir westlich Arapetowka auf eine breite Rollbahn, die nach Nowoßil führte, der nächsten größeren Stadt, die wir erreichen sollten. Unser Marsch ging flott und ohne größere Rasten vor sich, da der Feind uns hart auf den Fersen war. Nur mehr wenige Tage und die ersten Weihnachten in Rußland waren da. Ein eigenartiges Gefühl der Niedergeschlagenheit beschlich uns, da wir ahnten, daß die nächste Zukunft nichts Schönes mehr für uns bereithielt. Tagsüber mußte marschiert werden und nur nachts fanden wir ein wenig Ruhe und Wärme. Die breite Rollbahn ermöglichte ein ziemlich rasches Vorwärtskommen. In Kuleschi und Ssury, wo wir für je eine Nacht Quartier bezogen, hatten wir bereits wieder Feindberührung. Begünstigt durch den täglich einfallenden Nebel, waren uns gegnerische Verbände schon wieder auf den Fersen. Kaum hatte sich der Nebel ein wenig verzogen, waren auch die russischen Schlachtflieger über uns und behämmerten unsere Marschwege und Quartiere. Die Abteilung hatte wieder Tote und Verwundete zu beklagen. Von Ssury weg zogen wir nach Resdonnoje und weiter westlich bis Malinkowa und Worotynzowo. Hier kamen wir einen Tag vor Weichnachten an. In den muffigen Hütten feierten wir Weihnachten, unter Umständen, die sehr traurig waren. Zum Glück brachte uns aber die Feldpost noch die so sehnsuchtsvoll erwarteten Päckchen mit Liebesgaben aus der Heimat. Auch die sonstigen Zuteilungen waren reichlich und wurden mit Freude nach den trüben Erlebnissen der vergangenen Tage aufgenommen. In jedem Quartier war ein Tannenbäumchen geschmückt worden, die wir uns schon am Marsch mitgenommen hatten. Am Weihnachtsabend wurde uns auch ein Befehl Hitlers verlesen, mit dem uns mitgeteilt wurde, daß Generalfeldmarschall v. Brauchitsch den Oberbefehl über das Heer zurückgelegt hat und HitIer selbst auch das Heer führen wird. Ein Abschiedsbefehl Brauchitsch’ ließ mehr ahnen als e r aussprach. Wie wir heute wissen, mußte Brauchitsch deswegen gehen, weil er voraussah, daß das Vorwärtssturmen in die Weite des russischen Raume s ohne genügende Sicherung des rückwärtigen Landes und der Nachschublinien über kurz oder lang zum Zusammenbruch der deutschen Front im Osten fuhren mußte. Er hat Recht behalten, mußte aber seiner vernünftigen Einstellung wegen weichen. Die Geschichte hat auch hier bereits ihr klares Urteil gesprochen. Am ersten Weihnachtsfeiertag wurde die Stadt Nowoßil, in der sich hauptsächlich Versorgungstruppen befanden, von feindlichen Fliegern schwer angegriffen, wobei durch eine Bombe mit Zeitzünder der Zahlmeister unserer Abteilung, Kriegsinspektor Ristl, auf der Stelle getötet wurde. Das Raus, in dem die Zahlmeisterei untergebracht war, erhielt einen Volltreffer und wurde vollständig zerstört. Wir marschierten am 25.Dezember durch Nowoßil, wo an der Suscha versucht wurde, eine Abwehrstellung aufzubauen, die aber nur wenige Tage gehalten werden konnte. Dann ging es noch ein Stück weiter zurück nach Westen, bis wir am 30.Dezember den Ort Leski erreichten. Hier kam unser Rückmarsch vorerst endgültig zum Stillstand, da an der Suscha eine neue und endgültige Widerstandslinie aufgebaut werden mußte. Der Winter war auf seinem Höhepunkt und wir waren froh, endlich etwas Ruhe zu finden. In Leski gingen wir sofort in Feuerstellung. Die neue H.K.L. befand sich am westlichen Ufer der Suscha, die wir über eineinhalb Jahre halten konnten. Der feindliche Ansturm kam hier zum Stehen, die Fronten stabilisierten sich, und vorläufig schien sich der Krieg im Stellungsabwehrkampf festrennen zu wollen. Den Jahreswechsel feierten wir, soweit es die Verhältnisse gestatteten, feuchtfröhlich. Alles Schwere der vergangenen Wochen schien auf einmal gar nicht mehr so schlimm, als es tatsächlich war. Ein neues Jahr, dem wir wieder alle Hoffnungen entgegenbrachten, lag wieder unaufgeschlossen vor uns - die Entscheidung brachte es uns aber nicht. Neue Divisionen waren inzwischen herangekommen und sollten auf jeden Fall verhindern, daß Orel, das nur mehr 56 km weiter westlich lag, aufgegeben werden mußte. Bis zum 7.Jänner 1942 lagen wir in Leski, erledigten unsere Feueraufträge, bis uns ein neuer Befehl vorübergehend weiter südlich nach Doly rief, um dort die Abwehrfront bei Werchnaja Salegoschtsch mit unserer Artillerie zu verstärken. Ein tragisches Kapitel des Ostfeldzuges fand in Leski sein Ende. Zuerst Sieg auf Sieg, dann Einbruch eines verheerenden Winters und nun der Rückzug als geschlagene Armee. Welche Summe von Strapazen, Entbehrungen und Aufopferung für ein scheinbar großes Ziel enthielten doch die Monate des Jahres 1941! Und alles war umsonst. Deutschland mußte diesen wahnwitzigen Krieg mit seinem Untergang bezahlen und wir konnten nicht in die Speichen des drehenden Rades der Geschichte greifen, trotzdem wir die unmittelbaren zeugen und Akteure wahnsinniger Verblendung gewesen sind. So erfüllte sich unser Schicksal unerbittlich und erbarmungslos. Aber noch war kein Ende zu sehen, als wir Leski verließen. Weiter ging der Totentanz, weiter mußten Hunderte, Tausende, zehntausende sterben; wurde dieselbe Anzahl zu KrüppeIn; mußten wir die Trennung von unseren Lieben und der Heimat ertragen und waren nichts als ein gehetztes Wild, Schachbrettfiguren, die hin- und hergeschoben wurden, wie es eben die militärische Lage erforderte. 2293 km waren wir bisher durch glühende Sonne, durch Sand, Schlamm, Eis und Schnee marschiert. Daß wir noch lebten, war eines der großen Wunder dieses Krieges. Doly 8.Jänner - Juli 1942 Unser nächster Einsatz, zu dem wir am 8. Jänner befohlen wurden, führte Uns ca. 20 km weiter südlich in das Dorf Doly, wenige Kilometer westlich von Werchnaja Salegoschtsch. In beschwerlichem Marsch durch das tiefverschneite und verwehte Gelände kamen wir über Woroschilowo, Beresowez, Lopata am 9.Jänner nach DoIy, wo wir in Feuerstellung gingen. Unsere Unterbringung erfolgte in den Häusern des Dorfes, wo wir uns wohnlich einrichteten. Dauernder Schneefall und heftige Stürme ließen alles in einem weißen Meer von Schnee versinken. Bis zu den Dächern der Häuser hinauf türmten sich die Schneemassen und täglich mußten die, Geschütze erst ausgeschaufelt werden, da sie der Sturm über Nacht völlig zuwehte. Dieser schreckliche Winter konnte uns aber nicht mehr viel anhaben, weil wir nun endlich für längere Zeit Ruhe fanden. Auch unsere Pferde hatten es, verdammt notwendig, sich etwas zu erholen. Mehr noch als uns hatte der anstrengende Marsch mit seinen schier unmöglichen Strapazen die Tiere mitgenommen. Die Ausfälle an Pferden waren ganz beträchtlich geworden, so daß es hoch an der Zeit war unseren Bestand wieder aufzufrischen. Zu größeren Kampfhandlungen ist es in Doly nicht gekommen. Artillerieplänkeleien und Spähtrupptätigkeit sowie Störungen durch die feindlichen Flieger, besonders nachts, war alles. Doly wurde daher erst die richtige Winterstellung, die auf beiden Seiten für die Vorbereitungen der kommenden Ereignisse die Zeit gab. Die Temperaturen blieben konstant äußerst niedrig, bis dann aber auch dieser Schreckenswinter sein Ende nahm. Es gab endlich wieder Heimaturlaub. Um uns die Zeit zu vertreiben, legten wir um die Quartiere Küchengärten an und säten Gemüse und Küchenkräuter, für die wir uns die Samen von zuhause schickem ließen. Diese kleinen Gärten umgaben wir mit Birkenzäunen, die dem Dorf ein freundlicheres Aussehen gaben. Daneben gruben wir uns für alle Fälle Bunker. So vergingen die Wochen und Monate und der harte erbarmungslose Schreckenswinter 1941/42 Verblaßte ein wenig in unserer Erinnerung. Der verlorene Humor trieb neue Blüten. Walzen wurden erzählt, Hoffnungen gehört und Pläne geschmiedet, die alle nur Träume blieben. Aber es verging die Zeit und eines Tages mußte auch das Ende dieses Krieges kommen .So war auf einmal der Sommer da und im Juli rief man uns wieder einen neuen Raum, noch weiter nach Süden. Inzwischen lebte die feindliche Artillerietätigkeit wieder auf und wir erhielten schon in Doly einigemale unangenehme Eisengrüße, die unsere schön gedeihenden Gemüsegärten buchstäblich umackerten. Dann verließen wir diesen Ort der uns über ein halbes Jahr beherbergt hatte. Ungefähr 12 km weiter südlich bezogen wir neue Stellungen bei Glinka, blieben aber hier auch nur kurze Zeit, ohne daß Eich etwas Wesentliches ereignet hätte. Dann kamen wir wieder in den alten Raum bei Leski. Abwehrstellung an der Suscha und am Nerutsch August 1942 - 12.Juli 1943 Die neue Feuerstellung befand sich westlich von Bol. Malinowez, während der Troß in Setucha untergebracht wurde. In diesem Raume lagen wir fast das ganze folgende Jahr. Das Gelände war auch hier leicht hügelig. Wenige Kilometer östlich von uns mündete der Nerutsch bei Saduschnoje in die Suscha. Am westlichen Ufer verlief unsere H.K.L. Die erste Zeit gab es auch hier verhältnismäßig Ruhe, von den für uns schon zur Selbstverständlichkeit gewordenen gegenseitigen Plänkeleien und Aufklärungstätigkeiten abgesehen. Rasch kam der Herbst und wieder ein Winter - der zweite in Rußland. Diesmal waren wir aber bereits anständig ausgerüstet und standen dem Frost und Schnee nicht mehr so unvorbereitet gegenüber wie im vergangenen Jahr. Schon die ersten Wochen wurden wieder dazu benützt, um die angeschlagen Verbände aufzufrischen. Ausrüstungsmaterial wurde nachgeschoben und der Übrige Dienst begann wieder kasernenmäßig. Dor neue Winter brachte uns zwar auch wieder viel Schnee und großen Frost, doch war er immerhin etwas milder als der vergangene. Die schon im Sommer begonnene Urlaubsaktion wurde fortgesetzt, wodurch der persönliche Kontakt mit der Heimat hergestellt wurde. Dieser Umstand trug viel zur Hebung unserer Stimmung bei. Jenseits unserer H.K.L. hatte sich auch der Feind eingegraben, so daß vorläufig Anzeichen darauf hindeuteten, daß größere Kampfhandlungen nicht bevorstanden. Durch die Ruhe war es auch möglich, der unangenehmen Läuseplage Herr zu werden. Bade- und Entlausungsanstalten wurden eingerichtet und der Großkampf gegen dieses quälende Ungeziefer führte bald zu einem sichtbaren Erfolg. Wir brachten die Läuse tatsächlich weg. Frontbühnen kamen, gaben bis in die vordersten Stellungen ihre Kunst zum Besten und wurden freudigst begrüßt. Da der Österreicher immer und in allen Lagen seinen Humor nicht verliert, dauerte es nicht lange und unsere österreichische 262.InfanterieDivision hatte ihre eigene Theatergruppe – “Die Steffelbühne“ die mit ihren Darbietungen und Wiener Abenden reichen Beifall und volle Anerkennung fand. Trotzdem wurden selbstverständlich die militärischen Notwendigkeiten mit Nachdruck verfolgt. In jedem Ort mußte eine Ortsverteidigung organisiert werden. In Afrika mußten unsere Truppen die Front zurücknehmen. Auch an der Ostfront gab es, wie man damals sagte, Frontverkürzungen. Die Lage bei Stalingrad war hoffnungslos geworden - die dort stehende 6. Armee eingekesselt und rettungslos verloren. Auch am Don und im Kaukasus mußten unsere Truppen zurückgehen. Diese Nachrichten waren bereits ein deutliches Zeichen. Immer wieder sagte man uns, der kommende Frühling würde uns wieder am Vormarsch sehen. Als die Lage in Stalingrad immer bedrohlicher wurde, verhängte man auch bei uns eine Urlaubssperre. Wieder kam ein Weihnachtsfest und ein Jahreswechsel tausende Kilometer von der Heimat entfernt, zum zweitenmal im Osten. Und wieder erhofften wir uns vom neuen Jahr alles, ohne daß es uns erfüllte, was wir ersehnten - das Ende des Krieges. Zu Beginn des Jahres 1943 schied unser Abteilungskommandeur Möller von uns, der schon lange vorher Major geworden war und das E.K.I. erhalten hatte, um einer Versetzung zu einem Korps als Artillerieberater Folge zu leisten. Mit tiefem Bedauern mußten wir von unserem ersten Chef und späteren Kommandeur Abschied nehmen, dem wir bedingungslos vertrauten und unter dessen Führung die III Abteilung des A.R.262 sich ehrenvoll geschlagen hatte. Sein Nachfolger, Hauptmann Borsutzki, war den meisten von uns zwar kein Unbekannter, da er während unserer Rekrutenzeit in Hollabrünn als Leutnant unser Ausbildner war. Die Tradition Möller fand aber keine Fortsetzung mehr! Die feindliche Luftwaffe flog laufend nach Orel und warf dort ihre Bomben. Ende Jänner war das Schicksal der 6. Armee besiegelt. In einer Rede Görings wurde diese einzigartige Niederlage schon offen zugegeben. Am 2. Februar überraschte uns plötzlich der Befehl zum sofortigen Stellungswechsel. Unsere Batterie wurde ca. 40 km weiter südlich zur Verstränkung des rechten Flügels unserer Division eingesetzt. Bei 20 Grad unter Null und eisigem Wind setzten wir uns abends in Bewegung. Über Woroschilowo und Kalganovka marschierten wir vorerst bis Wschod und zogen nun von hier aus über den Nerutsch bis Michailowskij. Zwischen Wschod und Michailowskij war die Straße vollständig verweht. Bis zu den Knien und Schnee stampfend arbeiteten wir uns Kilometer um Kilometer durch die eisige, klare Winternacht. In Michailowskij blieben wir drei Tage, dann ging der Marsch in südlicher Richtung. Wir sollten Saretsche erreichen, fanden aber auf den verwehten Straßen nicht die richtigen Abzweigungen, so daß wir kreuz und quer im Gelände herumirrten. Die Geschützstaffel, die getrennt von den übrigen Einheiten der Batterie marschierte, hatte ihr Ziel jedoch erreichen und ging im Walde östlich Mal Samarka in Stellung. Die Bedienungen mußten sich Erdlöcher graben, um nicht zu erfrieren. Bis übrigen Teile der Batterie sammelten sich dann doch in Saretsche. Unsere Feuerstellung wurde am 8. Februar aus dem Walde bei Mal Samarka nach Norden in den Raum Kolchos Telmana verlegt. der Südflügel unserer Division mußte etwas zurückgenommen werden, nachdem der Gegner hier heftig angriff. Zur gleichen Zeit proklamierte Göbbels in der Heimat den totalen Krieg. Auch nördlich von uns unternahm der Feind verschiedene Durchbruchsversuche, die aber alle so wie im Süden erfolgreich abgeschlagen werden konnten. In den ersten Märztagen konnte unsere Beobachtung stärkere Marschbewegungen aus der Raume Nowoßil nach Süden feststellen. Die Anzeichen eines baldigen Großangriffes verdichteten sich immer mehr. Zum gleichen Zeitpunkt konnte der Feind unsere Front nördlich und südlich Orel sehr weit nach Westen eindrücken. Die Absicht, uns einzukesseln, zeichnete sich zusehends klarer ab. Die ersten Vorbereitungen für einen baldigen Marsch wurden getroffen. Sämtliches überflüssige Gerät wurde abgeschoben. unsere Batterie hatte im Südabschnitt der Division heftige Kämpfe zu bestehen, weil der Gegner dort dauernd angriff. Doch alle Versuche scheiterten an unserer Abwehr, die auch von Stukas unterstützt wurde. Leider hatte die Batterie bei diesem Einsatz auch ein Todesopfer zu beklagen. unser Kamerad Egon Effenberger starb nach einem erhaltenen Bauchschuß. Zur weiteren Verstärkung der Abwehr im Süden wurde auch noch die 9.Batterie hin befohlen. Am 14.Mcirz wurde unser Kamerad Rudolf Horak schwer verwundet. Durch einen Granatsplitter wurde ihm der rechte Fuß abgerissen. Im Heeresverordnungsblatt vom 18.März lasen wir von der Verleihung des Deutschen Kreuzes in Gold an unseren früheren Kommandeur Möller, der sich diese Auszeichnung redlich verdient hatte. In den frühen Morgenstunden des 17. März begann gegen den Südflügel der 2.panzerarmee, der wir angehörten, ein Großangriff des Feindes. Doch auch dieser Angriff wurde abgeschlagen. Bei Wschod und Krasnoje versuchte der Gegner mit vier Divisionen, einer Marinebrigade und zwei Regimentern in einem Bataillonsabschnitt von uns durchzukommen. Mit 32 Batterien behagelte der Feind unsere Stellungen. Auf das Dorf Wschod allein wurden 4.500 Schuß gelegt. Trotzdem war alles vergeblich und konnte die Stellung gehalten werden. 5.000 feindliche Tote bedeckten das Kampffeld. 11 Panzer und über 20 Geschütze des Feindes wurden erbeutet oder vernichtet. Nach Abwehr dieses Angriffes kehrten am 18. März die 7. und 9.Batterie in ihren früheren Raum zurück. Von allen vorgesetzten Stellen erhielten wir höchstes Lob und vollste Anerkennung für diesen Einsatz. Die neue Feuerstellung nach der Rückkehr befand sich bei Matwejewsky, der Troß kam nach Kasinka. Der Abteilungsgefechtsstand befand sich in Lipowez. Die H.K.L. verlief ca. 6 km weiter östlich am westlichen Ufer der Suscha. Nach allen Anzeichen stand nun in diesem Raune, der der östlichste Punkt des Frontbogens um Orel war, ein neuer Großangriff des Feindes bevor. Luftaufklärung und eigene Beobachtung ließen umfangreiche Zusammenballungen von Geschützstellungen und sonstige Vorbereitungen jenseits der Suscha erkennen. Auch bei uns wurde die Front laufend verstärkt. Ende März unterstanden unserer Abteilung taktisch bereits 6 Batterien. Der Hauptstoß war daher auf unsere Stellungen zu erwarten. Mitten in diesen Vorbereitungen wurde die seit der Tragödie von Stalingrad bestehende Urlaubssperre wieder aufgehoben. Damit hob sich auch sofort wieder die schon verlorene Zuversicht. Wenn es Urlaub gab, war die Lage nicht mehr so brenzlich. Wie der Wehrmachtsbericht vom 23.März meldete, wurden die Kämpfe zur Beseitigung der vom Feinde versuchten Umklammerung von Orel erfolgreich abgeschlossen. Damit schien ein zweites Stalingrad im Raume Orel vorerst verhindert. Die russische Luftwaffe bombardierte in verstärktem Ausmaß Orel, das umfangreiche Zerstörungen erlitt. Als das Tauwetter eintrat, waren größere Bewegungen durch den Schlamm wieder unmöglich geworden. Es kam daher für uns alle wieder eine Zeit verhältnismäßiger Ruhe. Es war die trügerische Ruhe vor dem Sturm! In den letzten Maitagen erhielt unsere Abteilung von unserer linken Nachbardivision, der 56.I.D.,eine Artillerieabteilung zur weiteren Verstärkung zugewiesen. Ab nun hießen wir Artilleriegruppe Borsutzki. In den nächsten Tagen wurden immer noch weiter Batterien in unseren Raum geschoben und uns unterstellt. Aber auch der Feind schaffte laufend neue Waffen heran. Anfangs Juni hatte er schwere Flak näher an die H.K.L. herangezogen, mit der er vorwiegend auf unseren Doppelrumpfaufklärer schoß. Die russische Artillerie wurde in den Junitagen ebenfalls lebhafter und belegte Tag und Nacht unsere Räume mit Störungsfeuer. Der Pferdebestand war inzwischen durch Nachschub aus der Heimat auf den normalen Stand gebracht worden. Die Tiere hatten sich in den letzten Monaten der Ruhe gut erholt, womit unsere volle Beweglichkeit wieder gewährleistet war. Um 3.40 Uhr früh des 11.Juni begann der schon erwartete Großangriff auf unseren Abschnitt. Schlagartig setzte stärkstes Artilleriefeuer auf die H.K.L. ein. Dieses Feuer wurde noch durch 10 feindliche Schlachtflieger unterstützt, die ebenfalls unsere H.K.L. mit Bomben und Bordwaffen angriffen. Immer mehr steigerte sich der Feuerzauber und überall lagen die Einschläge. Nach dieser Feuervorbereitung, die über eine Stunde dauerte, griff der Feind mit starken Kräften an. Lediglich bei unserer B-Stelle "Fuchsturm" gelang ihm ein Einbruch. Die B-Stelle mußte von ihrer Besatzung geräumt werden. Kurze Zeit darauf wurde aber im Gegenstoß die alte Lage wieder hergestellt. Um 10 Uhr vormittags war der Angriff zur Gänze abgeschlagen und die H.K.L. wieder fest in unserer Hand. Dieser Angriff sollte vorläufig nur eine lokale Angelegenheit bleiben und war nur ein Versuch des Feindes, unsere schwächste Stelle zu erkunden. Am Abend des 11. Juni wurde Lipowez mit der Stalinorgel schwer beschossen, so daß der Abteilungsgefechtsstand in die Mulde südwestlich von Lipowez verlegt wurde. Nach dem Intermezzo beim "Fuchsturm“ konnte der erwartete Großangriff zur Aufrollung der gesamten Front östlich Oral nicht mehr lange auf sich warten lassen. Eine gewisse Nervosität bemächtigte sich aller, Jeder Tag steigerte die Erwartungen auf einen neuen Angriff. Auch die beiderseitige lebhafte Lufttätigkeit deutete darauf hin; ebenso die immer heftiger werdenden gegenseitigen Artillerieduelle. Unbestätigte Gerüchte behaupteten, daß der Großangriff am 22.Juni, dem 2. Jahrestag des Kriegsbeginnes mit der Sowjetunion, starten sollte. Der Tag verlief aber verhältnismäßig ruhig. Ende Juni schien sich der Schwerpunkt des zu erwartenden Großangriffes nach Norden und Süden verlagert zu haben, nachdem einige, der uns unterstellten Batterien wieder in ihre alten Räume befohlen wurden. Um für alle Fälle vorbereitet zu sein, mußte mit Hochdruck an den Bunkerbau geschritten werden. Zur selben Zeit tobte im Raume Kursk eine schwere Abwehrschlacht, da auch dort der Feind ungemein heftig angriff. Aber noch blieb ihm der entscheidende Erfolg versagt. In den ersten Julitagen machte sich die feindliche Luftwaffe, besonders nachts, sehr unangenehm bemerkbar. Das gesamte Hintergelände wurde mit Bomben beworfen. Auch die feindliche Artillerietätigkeit erreichte ab 9.Juli eine beachtliche Stärke. Große Ereignisse standen unmittelbar bevor. Überläufer sagten aus, daß in den letzten Tagen auf der russischen Seite sehr viel Artillerie und Munition zusammengezogen wurden. Die zu erwartende Durchbruchsstelle, an der besonders starke Feindkräfte beobachtet wurden, lag 7 km sudöstlich von uns bei Orlowka. Großangriff ! In der Nacht vom 10. zum 11.Juli erreichte die feindliche Lufttätigkeit ihren Höhepunkt. Pausenlos waren die feindlichen Flugzeuge bis zum Morgengrauen über uns und warfen ihre Leuchtfallschirme und "Christbäume“ ab, die das gesamte Gelände taghell in ihr fahles Licht tauchten und die den Bomben und Bordwaffen gute Zielmöglichkeiten gaben. Nach diesem Feuerzauber war nicht mehr daran zu zweifeln, was bevorstand. Kaum zog das erste Morgengrauen auf, war es für uns zur unumstößlichen Gewißheit geworden, daß der schon lange erwartete Großangriff begann. Um 3 Uhr früh waren die ersten Schwärme der feindlichen Schlachtflieger und Jäger über uns. Sie bombardierten vor allem unsere erkannten Gefechtsstände, die Straßen im H.K.F. und die H.K.L. Es ging ganz toll zu. Der Fliegerangriff dauerte eine Stunde, dann setzte der feindliche Feuerschlag mit einer Stärke ein, die alles bisher Erlebte weit in den Schatten stellte. Es waren nicht Dutzende, sondern Hunderte von Batterien aller Kaliber, die alles mit Eisenhagel ohnegleichen zudeckten. Trotzdem begannen auch unsere Batterien kurz darauf Sperr- und Vernichtungsfeuer zu schießen. Man konnte nicht mehr unterscheiden, ob es Abschüsse oder Einschläge waren. Ein einziges grauenvolles Rollen ließ die Erde erzittern. Und diese Hölle dauerte einige Stunden ohne Unterbrechung an. Dann begann der feindliche Angriff, diesmal auch von starken Panzerkräften unterstützt, vorerst gegen unsere vorgeschobenen Stützpunkte "Fuchsturm", “Venus“ und "Prinz Eugen". Unser Feuer lag gut und konnte den Feind zum Stehen bringen. Gegen Mittag dieses ereignisvollen Sonntags war die H.K.L. wieder in unserer Hand. Nachmittags ließ das feindliche Störungsfeuer nach und langsam ging auch dieser Tag seinem Ende zu. Wir wußten jedoch, daß alles nur ein Anfang war. Das feindliche Ziel hieß - Orel! Die folgende Nacht glich der vorangegangenen in jeder Beziehung. Der 12.Juli begann wieder mit einem Höllenkonzert der feindlichen Artillerie, unterstützt von starken Verbänden der Luftwaffe. Diesmal war aber auch unsere eigene Luftwaffe auf den Plan getreten und bereits im Morgengrauen spielten sich über uns erbitterte Luftkämpfe ab, wobei eine große Anzahl feindlicher Flugzeuge und auch eigene abgeschossen wurden. Und ehe dieser schwere Tag sich seinem Ende zuneigte, beklagten wir den Tod dreier bester Kameraden. Unser Chef, Oberlt. Günter Pammler und die beiden Unteroffiziere Martin Ebner und Erich Seibert waren gefallen. Auch sonst hatte die Abteilung noch schwere Verluste. Unser Schicksal an der Suscha war entschieden wir mußten zurück! Die feindliche Übermacht war zu groß, die Front konnte nicht mehr gehalten werden! Nun ging es Schlag auf Schlag. Gleichzeitig mit uns mußte sich auch unsere linke Nachbardivision, die 56.I.D.,und unsere rechte, die 299.I.D.absetzen. Die Niederlage bei Orel 13.Juli - Mitte August l943 Die Abwehrstellung an der Suscha war am Abend des 12.Juli vom Feinde auf der ganzen Linie durchbrachen. Zur Verstärkung aus Orel herangeführte Verbände und auch der stärkste Einsatz unserer Luftwaffe konnten nur mehr die Absetzbewegungen planmäßig gestalten helfen. An der Niederlage selbst war nichts mehr zu ändern. Damit war auch Orel selbst, der östlichste Eckpfeiler der Ostfront, unhaltbar verloren. Über Setucha, Woroschilowo ging es vorerst westwärts bis Tschitschirino. Von hier weiter südwärts bis Lesnoje, dann wieder westlich über Woskresenka nach Safonowo, wieder ein Stück südwärts bis Pawlowo und dann über Ogorodizkoje bis an die Bahnlinie Kursk - Orel, und dieser entlang nach Orel selbst. Dazwischen gab es dauernde Abwehrkampfe, nachdem der Feind, seinen ersten Erfolg ausnützend, rasch nachstieß. Nördlich und südlich von uns war der Gegner bereits weit nach Westen vorgestoßen und bedrohte uns in beiden Flanken. Die Absetzbewegungen nach Westen gingen daher in raschem Tempo vor sich. Orel war gefallen! Damit war dieser strategisch äußerst wichtige Punkt in der Ostfront ausgebrochen. Der Wehrmachtsbericht nannte diese Niederlage verschämt Frontbegradigung. Somit wurden auch alle unsere Anstrengungen in diesem Raume bedeutungslos. Vorerst kam es nur darauf an, aus der bedrohlichen Umklammerung noch rechtzeitig herauszukommen. Ab Orel wurde flott nach Westen marschiert. Auf den schönen Rollbahn ging es ohne größeren Aufenthalt bis Karatschew. Der Feind hatte sein erstes Ziel - Orel - erreicht und belästigte uns auf unserem Rückmarsch nicht. Sogar die feindliche Luftwaffe störte unsere Absetzbewegung nicht sonderlich, so daß wir tagsüber marschieren und nachts ruhen konnten. Ab Karatschew nahm uns das ausgedehnte Wald- und Sumpfgelände östlich Brjansk auf, das wir nördlich der Bahnlinie Orel - Brjansk, parallel mit dieser, durchzogen. Jeder Kilometer nach Westen führte uns wieder der Heimat entgegen. Unsere früheren Hoffnungen, am Ende trotz allem den Sieg zu erringen, wurden schon nach dem Fall von Stalingrad schwer erschüttert; jetzt aber sahen wir das Ende schon deutlich auf uns zukommen. Der einzige Gedanke in diesen Tagen des Rückmarsches war, aus der drohenden Einkreisung noch herauszukommen. Unser heißer Wunsch wurde uns diesmal noch erfüllt. Wir erreichten unbehelligt und ohne besondere Erlebnisse Brjansk, durchquerten die Stadt und marschierten weiter nordwestlich bis zum Ostrand von Ordshonikidsegrad, wo wir erfuhren, daß wir einwaggoniert werden, um in die Heimat zu kommen. Da man immer das glaubt, was man sich wünscht, stieg sofort wieder unsere Stimmung. Selbst die seit 16.Juli verhängte Urlaubssperre wurde vergessen und mit Feuereifer begann die Verladung. Anfänglich ging es tatsächlich nach Westen bis nach Smolensk. Von hier weg fuhr der Zug aber plötzlich wieder nach Osten und nur zu bald war es sichere Gewißheit, daß die Rückkehr in die Heimat wieder nur ein schöner Traum war. Es ging einem neuen Einsatz entgegen! Vorher kam aber noch die Aufhebung der Urlaubssperre, so daß einige Glückliche letzten Endes doch in die Heimat fahren konnten. Auflösung unserer Batterie Durch die Verluste bei den schweren Kämpfen bei Orel war unsere Abteilung nicht mehr in ihrer bisherigen Stärke voll einsatzfähig geblieben. Umorganisierungen mußten vorgenommen werden, denen unsere 7. Batterie geopfert wurde. Wir wurden als Kampfeinheit aufgelöst und auf die Stabsbatterie, die 8. und 9.Batterie der III/ A.R. 262 aufgeteilt. Damit hatte unsere stolze seit dem 26. August 1939 bestehende Batterie aufgehört zu bestehen! Jeder einzelne von uns nahm diese Umstellung nur schmerzlich zur Kenntnis, weil wir im Rahmen unserer Einheit in vorbildlicher Kameradschaft zusammengehalten hatten. Im Rahmen der Abteilung aber, die wir als die größte Familie betrachteten, konnten wir ebenso unsere Pflicht erfüllen. Das geschah dann auch bis zum bitteren Ende, das nicht mehr ferne lag. Jelnja Mitte August - 15. September 1943 Ursprünglich war vorgesehen gewesen, daß wir in Jelnja selbst ausgeladen werden sollten. Ehe es aber noch dazukam, war der Feind durchgebrochen und in Jelnja eingedrungen. Die Ausladung mußte daher schon vor Jelnja erfolgen. In diesem Raume mußten wir zur Verstärkung der Abwehrfront eingesetzt werden, da der Gegner euch hier mit starken Kräften versuchte, unsere Front weiter aufzuspalten. Jelnja wurde für uns wieder ein Hexentanz. In Nestery südöstlich Jelnja, gingen wir in Stellung, konnten aber dem mit großer Übermacht angreifenden Feind nicht lange standhalten. Wir waren durch die Schlacht bei Orel und die folgende Flucht müde und abgekämpft. Und noch immer gönnte man uns keine Ruhe; hetzte man uns von einer Stellung in die andere; war f uns von einer Einbruchstelle zur anderen, die wir alle nicht halten konnten. Wir mußten schwer kämpfend und unter hohen Verlusten wieder den Marsch nach Westen antreten. Dauernd wechselte das Unterstellungsverhältnis, je nachdem es die augenblickliche Lage erforderte. Dazu zog der Gegner mit unheimlicher Schnelligkeit seine Panzer und schweren Waffen nach, trotzdem das Gelände zum größten Teil sehr sumpfig und schwierig war. Auch der Einsatz seiner Luftwaffe stieg immer mehr. Zum erstenmal setzten die Russen zweimotorige Bomber ein, die uns mit ihren Bomben schwere Verluste zufügten. Der 28. August war der Höhepunkt, wo wir wieder im stundenlangen Trommelfeuer der Feindartillerie lagen und dann fluchtartig unsere Stellungen aufgeben mußten. Wieder übersetzten wir die Deßna, diesmal jedoch in umgekehrter Richtung als vor zwei Jahren. An d diesem Fluß sollte eine neue Abwehrstellung errichtet werden. Es blieb aber nur bei der Absicht, da dazu gar keine Zeit blieb. Wir waren froh, wenn wir wieder einen Tag hinter uns hatten und noch nicht gefangen wurden. Nachts brannten wieder die Dörfer, teils in Brand geschossen, teils angezündet, entlang unseres Rückzuges. Tod und Vernichtung hatten uns in ihre Krallen genommen und ohne Erbarmen oder Mitleid wurde vernichtet, was Menschenhände und Menschenfleiß errichtet hatten. Am 30. August wurden wir einer SS-Division unterstellt, die keine Artillerie hatte. Wieder standen uns schwere Kämpfe bevor. In flottem Marsch ging es dem neuen. Einsatzraum entgegen. Wir wurden aber bald durch einen ausgedehnten Sumpf aufgehalten, an dessen jenseitigem Ufer schon wieder der Feind sich festgeklammert hatte. seine Panzer nahmen uns schon im Anmarsch unter Feuer. Es blieb also keine andere Wahl, als umzukehren. Ganze Nacht mußten wir marschieren, damit wir uns mit den Infanterieverbänden vereinigen konnten. Auch nachts waren pausenlos die "Nataschas" über uns und warfen wahl- und ziellos ihre Bomben. Hatten sie dabei auch nur wenig Schaden anrichten können, war es immerhin eine unangenehme Belästigung. Aber wieder kauen wir ans Ziel, wenn auch mit Hindernissen. Die SS-Division war viel besser ausgerüstet, als wir es je gewohnt waren. Auch stärkere Stukaverbände unterstützten unseren schweren Abwehrkampf. Dabei wäre es einmal beinahe zu einer Tragödie gekommen. Die beiden H.K.L- lagen ganz nahe beieinander. Mit Stukas sollten die stark besetzten feindlichen Gräben außer Gefecht gesetzt werden. Dazu mußten wir mit unseren Geschützen den Fliegern mit einzelnen Schüssen die Richtung anzeigen. Für diese Aufgabe war die 9. Batterie eingerichtet worden. Alles war gespannt, wie diese Zusammenarbeit klappen würde. Da tauchten am Horizont bereits die Stukaverbände auf. Unser Adjutant wollte gerade den Befehl zum Abfeuern an die 9. Batterie durchgeben - da war die Leitung zerschossen und eine Verbindung nicht möglich. Immer näher kamen die Stukas. Kalter Schweiß stand uns allen auf der Stirne. Gelang es nicht, das Feuer rechtzeitig auszulösen, drohte uns allen eine Katastrophe: die Stukas würden ihre Bombenlasten über unseren eigenen Stellungen ausklinken. Die Staffeln verringerten immer mehr ihre Entfernung zu uns. Da nahm der Kommandeur selbst den Hörer, rief die 8.Batterie, gab ihr im Telegrammstil die Kommandos durch, und - was unglaublich schien, gelang. In Sekunden hatte die 8.Batterie eingerichtet und schon sauste die erste Granate durch das Rohr auf das Ziel für die Stukas. Im selben Augenblick waren die Flugzeuge über uns, setzten zum Sturz an und ein Höllenkonzert ohnegleichen nahm seinen Anfang. Ein grausiges Spiel begann. Heulend und pfeifend stürzten sich die Maschinen auf die feindlichen Stellungen, lösten ihre Bomben und sausten im Tiefflug über unsere Köpfe hinweg wieder zurück. Eine Riesenwand von Rauch und Erde stand knapp vor uns. Es dröhnte und bebte, wie wenn der Weltuntergang gekommen wäre. Der Tod hielt reiche Ernte. Bruchteile von Sekunden hatten unser Leben wieder einmal gerettet. In wenigen Tagen war unsere Aufgabe bei der SS-Division erfüllt und wir kamen zur 26.I.D. Mit ihr ging der Reigen weiter, von Stellung zu Stellung, dauernd im schwersten Abwehrkampf. Mitten hinein platzte die Nachricht von Abfall Italiens und der Verhaftung Mussolinis. Es kriselte immer mehr im Gebälk unseres Hauses. Die Gerüchte bei uns vermehrten sich, die von einer Auflösung unserer 262.I.D. sprachen. Wir wollten es anfangs nicht glauben, bis es aber dann doch nicht mehr abzuleugnen war. Schwere Opfer hatten wir bis hierher bringen müssen, denn auch Jelnja forderte seinen blutigen Tribut von uns. War unser guter Kamerad und Batterieoffizier Oberleutnant Fritz Danner, der Letzte, der im Raume Orel bei einem Fliegerangriff schwer verwundet wurde, wobei er das Augenlicht verlor, war es bei Jelnja unser Kamerad Leopold Brandhofer, der gleichfalls durch Flieger einen Fuß verlor. Oblt. Danner erhielt für seinen unentwegten und tapferen Einsatz fast immer am V.B. neben dem E.K.II und E.K.I das Deutsche Kreuz in Gold. Ebenfalls mit dem Deutschen Kreuz in Gold wurde unser Kamerad Franz Lutzmayer ausgezeichnet, der so wie Kamerad Danner durch seine unerschrockenen Beobachtungen auf den V.B. so manche für uns gefährliche Lage rechtzeitig abwehren konnte. Die 262. I. D. wird aufgelöst 16. - 17.September 1943 Am 16. September war es unumstößliche Gewißheit geworden. Unsere gesamte Division wird aufgelöst! Was diese Nachricht für uns alle bedeutete, läßt sich nur schwer schildern. Vier Jahre lang waren wir zusammen, hatten Freud und Leid mitsammen geteilt; waren in Frankreich und Schlesien, Polen und Rußland eine österreichische Division gewesen; hatten Kameradschaften gegründet und ausgebaut, die sich aufs höchste bewährten; und nun sollte das alles mit einem Schlage zu Ende sein? Tiefe Niedergeschlagenheit kam über uns, weil wir ahnten, was nun kommen wurde. Wir gingen einen unbekannten Schicksal entgegen; würden in alle Winde zerstreut werden; und waren doch ohnmächtig diesen harten und für uns so unverständlichen Befehl gegenüber. Viel später wußten und verstanden wir auch dieses Warum. Als österreichische Division, die sich in jeder Lage ihre österreichische Eigenart bewahrt hatte, waren wir mit unseren Divisionsabzeichen- den blauen Stefansdom in einem weißen Kreis- den Brüdern aus dem Reich schon lange ein Dorn in Auge. Jetzt war die Stunde gekommen, wo man uns aufsplittern konnte. Die Frage war, ob wir oder die 56.I.D.,die im Raume Oral unser linker Nachbar gewesen war, aufgelöst worden sollte. 56. I.D. war viel mehr zerfetzt als wir, trotzdem wurde höheren Orts gegen uns entschieden und unsere Auflösung beschlossen. In der Nacht zum 17.Septeuber 1943 kam der Auflösungsbefehl auch für unsere Abteilung. Die 9.Batterie wurde als Traditionsbatterie unter Führung von Hauptmann Celler, der kurz darauf gefallen ist, neu aufgestellt - der Rest dem A.R.156 der 56.I.D.zugeteilt. Am Morgen traten wir zum letztenmale an, hörten noch Abschiedsworte unseres letzten Kommandeurs, Hauptmann Borsutzki, und setzten uns darauf in Marsch, um in den Verband des A.R. 156 eingegliedert zu werden. Nachmittags waren wir am Regimentsgefechtsstand angelangt, der in einem Dorf südwestlich von Jelnja lag. Wieder mußten wir antreten, dann folgte eine Begutachtung durch den Regimentskommandeur unseres neuen Regimentes und gleich darauf die Aufteilung unserer Kameraden, Pferde, Fahrzeuge, der Geschütze und des noch vorhandenen Gerätes auf die einzelnen Einheiten. Es ging zu wie bei einem Sklavenmarkt und nur mit Bitterkeit denken wir heute noch an dieses Ende unserer stolzen Division zurück. Kaum blieb uns Zeit, richtig Abschied zu nehmen, denn waren die Bande der Kameradschaft zerrissen und jeder ging ab nun allein seinem weiteren Schicksal entgegen. Der Krieg aber ging weiter und frug nicht darum, wie uns zumute war. Die 262. Infanterie-Division hatte am17.September 1943 zu bestehen aufgehört. Das Ende 18.9.1943 - April 1945 Ein Teil der Angehörigen unserer ehemaligen Batterie und der gewesenen III/A.R. 262 hatte das Glück und kam zur I/A.R.262,die geschlossen dem A.R.156 einverleibt wurde und sogar ihre alte Bezeichnung I./A.R. 262 behalten konnte. Mit ihr folgten noch wechselvolle Kämpfe in Raume Mogilew, dann anschließend bei Witebsk, bis im Juni 1944 die gesamte Ostfront ins Wanken kam. Nun ging es Schlag auf Schlag einen unaufhaltsamen Ende entgegen. Der Sommer 1944 sah das deutsche Heer geschlagen, müde geworden und verzweifelt auf der Flucht nach Westen, der Heimat entgegen. Schwere Rückzugsgefechte führten die 56.I.D.über Lepel, Glubokoje nach Swenzjany, wo die litauische Grenze überschritten wurde. Ununterbrochen jagte uns das russische Heer mit seinen Panzern, Fliegern und schweren Waffen vor sich her, ließ uns nirgends mehr zur Ruhe kommen, fügte uns schwerste Verluste zu, wobei auch wir von unseren alten Getreuen noch viele für immer verloren. Inzwischen tobte in der Heimat der Bombenkrieg; sanken überall im Reich Großstädte in Trümmer; starben Hunderttausende von Frauen, Kindern und Greisen; und niemand setzte diesen Wahnsinn ein Ende. Im Gegenteil: die Raserei führte zum Amoklauf eines ganzen Volkes! Wir kamen nach Wilkomir, dann nach Kauen, der litauischen Hauptstadt, und standen im Oktober 1944 an dar ostpreußischen Grenze bei Schaken. Hier konnte noch einmal für kurze Zeit einer Abwehrfront aufgebaut werden, bis auch sie im Jänner 1945 restlos zerschlagen wurde. Und noch immer kam kein Ende, wurden wir stets aufs neue aufgepulvert, machte man uns Versprechen mit Wunderwaffen, die uns den Endsieg garantieren müssen und zwang uns damit zum sinnlosesten Widerstand, der neuerlich ungezählte Opfer forderte. Statt Waffen gab man uns Parolen. "Tapfer und treu! " war eine davon. Doch der Feind setzte unsere Vernichtung unerbittlich fort. Wieder brach ein äußerst strenger Winter über uns herein; es sollte aber endgültig der letzte in diesen Kriege werden. Mit dem Mute der Verzweiflung trieb man uns immer wieder zum Widerstand, der völlig aussichtslos geworden war. Mitte Jänner 1945 begann der Gegner im Raume Schloßberg seinen großangelegten Angriff, den wir nicht mehr standhalten konnten. Dasselbe Bild bot sich in Westen. Chaos und Auflösung überall Bei eisiger Kälte und starkem Schneetreiben mußten wir noch Westen zurück. Unbeschreibliche Szenen spielten sich ab, als sich das flüchtende deutsche Heer immer weiter absetzte. Mit uns zogen die Trecks der ostpreußischen Bevölkerung, die fluchtartig ihre Wohnstätten verlassen musste, weil man vorher nicht den Mut fand, sie zu evakuieren. Ein Bild völliger Auflösung, immer wieder von den fallenden Bomben der russischen Schlachtflieger grausig unterbrochen, denen keinerlei Widerstand mehr entgegengesetzt werden konnte. Zwischendurch rasten die feindlichen Panzer durch die zurückflutenden Menschenmassen, Tod und Vernichtung bringend. Unaufhaltsam ging es dem Ende entgegen! Der aufgebotene Volkssturm bot ein Bild des Jammers. Greise und halbe Kinder, nur notdürftig bekleidet und nicht ausgerüstet, sollten der gegnerischen Übermacht entgegentreten. Die Angst stand auf ihren Gesichtern und keine Drohung und kein Befehl waren mehr imstande, sie zum Widerstand zu organisieren. So kam unerbittlich die Vergeltung über uns für alles Wahnwitzige, was in diesem Kriege durch Deutschland an fremden Völkern verbrochen wurde. Von allen Fronten kamen Hiobsbotschaften. Nirgends wurde mehr ein Widerstand versucht, weil er völlig sinnlos geworden war. Nach wenigen Tagen hatten wir Insterburg erreicht, kurz darauf Wehlau. Zwar kämpften wir noch, gingen in Feuerstellung und unterstützten den Abwehrkampf unserer Infanterie mit unserem Feuer; doch war dies nur mehr ein Kampf ums Leben. Alle Ziele, für die wir einst vor Jahren ausgezogen waren, zerflatterten in Nichts. Jeder sah nur sein persönliches Ich, und die Parole hieß nicht mehr "Tapfer und treu!" sondern "Rette sich wer kann!". Von Wehlau kämpften wir uns bis Friedland und Preußisch-Eylau zurück und hatten Mitte März 1945 den Raum um Heiligenbeil südwestlich Königsberg erreicht. Am Bahndamm an der Eisenbahnlinie nach Königsberg gruben wir unsere letzten Stellungen. 3 km weiter westlich war die Küste des Frischen Haffs, wenige hundert Meter vor uns die feindliche H.K.L. und ringsum Sumpfgebiet. Links und rechts stand der Feind bereits an der Küste - wir waren eingeschlossen! Tiefe Verzweiflung bemächtigte sich unser. Trotzdem kamen immer noch Befehle zum Widerstand bis zur letzten Patrone und bis zum letzten Mann. Und wir wehrten uns, nicht weil es uns befohlen war, sondern weil wir die Gefangenschaft fürchteten. Jahrelang wurde uns diese Gefangenschaft als das Schrecklichste hingestellt, was uns passieren konnte. Die Schwächeren erschossen sich mit der letzten Patrona ihres Karabiners oder ihrer Pistole; andere wurden ganz einfach von der Feldgendarmerie niedergeknallt, weil sie versuchten, sich über das Haff entgegen dem Befehl zur Verteidigung mit selbstgebauten Flössen zu retten. Erbarmungslos trieb man uns immer wieder ins Feuer und zwang uns, den Bomben der feindlichen Flieger, dem Artillerie- und Granatwerferfeuer sowie den Stalinorgeln standzuhalten. Kampfgruppen wurden zusammengestellt und waren nach einer halben Stunde restlos zerschlagen. Die Munition war zu Ende. Sämtliche Geschütze wurden in die Luft gesprengt, alle Pferde - unsere besten und treuesten Kameraden - erschossen und alles zur letzten Verteidigung infanteristisch eingesetzt. Von Stunde zu Stunde wuchs das Chaos und die Verzweiflung. Ohnmächtig standen wir diesem Wahnwitz gegenüber und sahen dem unausweichlichen Untergang entgegen. Nicht einmal die Verwundeten konnten mehr weggeschafft werden, weil mit den letzten Booten sämtliche höheren Offiziere fluchtartig den Kessel verließen, um sich nach Pillau oder auf die Frische Nehrung in Sicherheit zu bringen. Als wir das mitansehen mußten, wußten wir, daß das Ende gekommen war. Wir blieben in den Bunkern und Erdlöchern liegen und warteten auf den Feind. Gleichgültig und hoffnungslos ließen wir das unabwendbare Schicksal auf uns zukommen, auch wenn es unser Leben kosten würde. Und als der Morgen des 26. März 1945 seine ersten grauen Schatten sandte, holte uns der Feind aus unseren Löchern und Bunkern und nichts von dem geschah, was man uns immer wieder vorgelogen hatte. Wir wurden als Gefangene aufgenommen, die Verwundeten sofort betreut und alles war ganz anders, als wir es geglaubt hatten. Der Krieg war für uns zu Ende! Es ging einem neuen Leben entgegen! Auf unseren Marsch in die Gefangenschaft sahen wir mit eigenen Augen die gigantische Übermacht der Sowjetarmee, die uns in diesem Raume gegenüberstand. Tief ins Hinterland gestaffelt standen die feindlichen Batterien aller Kaliber, unzählige Stalinorgeln mit Bergen von Munition und gut ausgerüstete Mannschaften daneben, die uns die Niederlage bereitet hatten. Nun schwiegen ihre Rohre, da der Kessel bei Heiligenbeil erledigt war. Wir aber, die grauen Kolonnen, zogen daran vorbei - geschlagen, unsäglich müde und doch mit einer neuen Hoffnung im Herzen, die uns dem Leben zurückgab. Kamen auch noch schwere Jahre der Kriegsgefangenschaft, so hatten auch diese einmal ihr Ende. Was zurückblieb, war eine unsägliche Leere, die auszufüllen nun unsere Aufgabe für die Zukunft ist.